Ein Grauen voller Anfang
Attack on Schlechte Fanfiction
Erstes Kapitel: Ein Grauen voller Anfang
Mein Name ist Schokolila Amalthea Maria Susanna von Flossenstedt und ich bin eine Überlebende aus Schickischima. Ich hasse Titanen, weil sie haben meinen Stiefonkel, meine Lehrerin und meine Cousine dritten Grades mütterlicherseits gefressen. Mir tun sie nichts, weil ich bin immun gegen Titanen. Ich will unbedingt zu den Survey Legion, weil ich bin total verknallt in Koporaille Rivaille. Meine anderen Hobbys sind Kaffee kochen und mit dem Handy chatten.
Ich bin Schokolila Amalthea Maria Susanna von Flossenstedt und dies ist meine Geschichte.
Und hier wollte ich eigentlich noch was in Klammern schreiben, aber der böse Admin meint, das darf ich nicht. Ich geh' jetzt heulen. Ach ja und: Schreibt mir Kommies, bitte, bitte, bitte.
***
Eigentlich hatte SilentFiona sich auf einen geruhsamen Abend gefreut, aber als sie den Club „Zum wilden Titanen“ betrat, war ihr bereits klar, dass daraus nichts werden würde. Schon als sie die Garderobe passierte, wurde sie beinahe von einer schlitzäugigen Sado-Seme-Levi umgerannt, die eine wimmernd-weinerliche Uke-Eren an der Leine hinter sich herzerrte. Auf der Tanzfläche lieferten sich die Ereris eine wilde Popcorn-Schlacht mit den Rivetras, während sich eine einsame Emo-Armin ängstlich in einem leeren Bierfass verkroch, damit sie nichts davon abkriegte.
Dahinter jaulten zwei besoffene Reinholdt-Shipper (nicht Reibert, die benehmen sich anständiger:) an der Karaoke-Maschine „It’s guy love!“ während die Eruris lasziv auf dem Flipperautomaten posierten, will heißen, eine eiskalte Erwin davor, eine Schlampen-Levi obendrauf. Irgendwo dazwischen wuselte eine Horde langbeiniger Sues vorbei, warf schwungvoll schwarz-rot-gold gelockte Haarmähnen zurück und funkelte strahlend durch lila Augen mit honiggelben Pünktchen darin.
Bei diesem Anblick stellte sich SilentFiona nur eine einzige Frage: „Warum bin ich damals noch mal aus dem „rattenscharfen Ninja“ weggegangen und habe mir eine neue Stammkneipe gesucht?
Und das Schlimme war, sie konnte sie jetzt auch beantworten. Genau deswegen.
SilentFiona brauchte einen Drink an der Bar, sonst würde sie das hier nicht überleben. Beim Niedergang des Fandoms braucht man immer einen Drink an der Bar, dort kann man so wunderbar nostalgisch über bessere Zeiten philosophieren.
„Ach ja, früher“, seufzten SilentFionas Mitstreiterinnen WildRose und EmeraldFox, die es sich ebenfalls mit ihren Gläsern dort bequem gemacht hatten. „Ach, damals im August, als das Fandom noch klein und überschaubar war. Früher war alles so viel besser. Der Sommer hätte nie zu Ende gehen dürfen.“
„Wartet erst mal ab, bis nächstes Frühjahr der Manga auf Deutsch rauskommt“, meinte SilentFiona trocken, bestellte sich ebenfalls einen Drink und setzte sich dazu. „Dagegen ist das hier noch gar nichts. Wir werden in kitschigen Yaois, grottigen Sues und Rächschraibfelern ersticken.“
Anstelle einer Antwort wurde WildRose leicht grün im Gesicht während EmeraldFox ihren Laptop aus der Tasche zog und begann, wild auf den Tasten herumzuhämmern. „Ich muss was tun. Ich werde einfach auf der Stelle so viele gute Fanfics schreiben, dass die schlechten gar nicht mehr ins Gewicht fallen.“
„Du hast recht“, sagte WildRose und zog ebenfalls ihren Laptop aus der Tasche. „Und ich werde all den schlechten FF-Schreibern, die unser Fandom mit ihren geistigen Ergüssen fluten, so viele kritische Reviews schreiben, bis sie alle gelernt haben, wie man es richtig macht.“
„Und ich werde einen Leitfaden posten, wie man eine anständige SnK-FF schreibt.“ Der gemeinsame Kampfgeist hatte jetzt auch SilentFiona mitgerissen. „Lasst uns diesen Club retten! Die Tragödien vom „rattenscharfen Ninja“ und vom „pickeligen Pokémon“ werden sich hier nicht wiederholen!“
Eine Weile war alles still. Man hörte nichts außer dem eifrigen Hämmern von sechs Händen auf diversen Laptop-Tastaturen.
Und natürlich das Gejohle vom Karaoke. It’s guy love between two guys.
WildRose ließ als erste die Hände sinken. „Ach es hat ja doch keinen Zweck“, seufzte sie. „Auf jedes meiner sinnvollen, tiefgründigen, wohlüberlegten Reviews kommt ja doch nur ein zickiges: „Dann lies es halt nicht“ zurück. Und glaubst du ernsthaft, Fiona, dass irgendwer von diesen Leuten hier auch nur ansatzweise in der Lage wäre, deinen Leitfaden zu verstehen?“
„Und selbst, wenn wir schreiben bis uns die Finger bluten, wir allein können die Qualität in diesem Laden nicht aufrecht erhalten.“ EmeraldFox klappte ihren Laptop zu. „Warum müssen alle Leute, die nicht schreiben können, das ausgerechnet hier tun? Kann mir das mal jemand verraten?“
„Früher...“
„Ach ja, früher...“
„Noch einen Drink bitte.“
Mit wehmütigen Gesichtern betrachteten die drei Veteranen das wilde Treiben um sich herum. Eine der Sues hatte mittlerweile damit begonnen, Satzzeichen zu jagen. Zwei verirrte Kommata retteten sich gerade noch rechtzeitig auf einen Lautsprecher.
„Ich hab’s!“, sagte EmeraldFox plötzlich. „Das machen wir. Das wird Wellen schlagen. Vielleicht wird es nicht die Welt retten, aber einen Versuch ist es allemal wert.“
„Was wird Wellen schlagen?“ Gespannt beugten sich die anderen beiden nach vorne. „Los, Fox, jetzt sag’ schon! Spann uns nicht auf die Folter.“
„Im nächsten Kapitel“, vertröstete Fox ihre Mitstreiterinnen. „Cliffhänger mögen vielleicht der älteste Autorentrick der Welt sein, aber sie sind immer noch verdammt wirkungsvoll.“
Wers nicht maak, solls nich lesn!
Attack on Schlechte Fanfiction
Zweites Kapitel: Wers nicht maak, solls nich lesn!
Die Sonne warf einen Spalt in Schokolilas Zimmer. Schokolila stand vor dem Spiegel. Zuerst legte sie ihr Make-up auf. Sie machte Kajal um ihre Augen. Sie nahm Lila Lip-Gloss, weil das so gut zu ihren hüftlangen braunen Haaren mit den edellilanen Strähnen passte. Sie nahm eine goldene Haarspange und steckte einen Teil ihrer hüftlangen braunen Haare mit den edellilanen Strähnen hoch. Den anderen Teil ihrer Haare ließ sie offen. Sie machte grün-goldenen Liedschatten auf ihre smaraktgrünen Augen mit den goldenen Pünktchen. Dann zog Schokolila sich an. Sie zog ein enges helllila Top an, das ihre schlanke aber kurvige Figur betonte. Darunter zog sie ein schwarzen Minirock, das ihre langen Beine zeigte, dazu edellilane Sandaletten mit halbhohen Absätzen. Plötzlich kamen die Titanen. Die Titanen fraßen alle auf, bis auf Schokolila. „Tot, tot, tot, sie sind alle tot“, dachte Schokolila, als sie all die Toten sah.
Attention Duelists. Achtung, eine Durchsage: Diese Geschichte ist vergiftet. Wenn du sie weiterliest, wirst du eines grausamen Todes sterben!
„Jetzt sind wir im zweiten Kapitel!“ Entschlossen kippte SilentFiona den Rest ihres Drinks hinunter. „Wirst du uns jetzt endlich deine Idee verraten, oder rückst du damit erst raus, wenn du mindestens zehn Kommentare hast?“
„Ach was, mir reichen auch fünf.“ EmeraldFox formte ein Papierkügelchen aus ihrem Cocktailschirmchen, steckte es in ihren Strohhalm und blies es einer Ereri in den Nacken, die sich gerade von hinten an eine arglose Rivetra heranschlich, um dieser gar hinterhältig einen leeren Popcorn-Eimer über den Kopf zu stülpen.
„Tschuldigung, konnte grad nicht widerstehen.“ Sie grinste spitzbübisch und wandte sich wieder ihren beiden Mitstreiterinnen zu. „Also, wo waren wir stehen geblieben?“
„Dabei, dass du versuchst, mit völlig sinnfreien Nebenplots künstlich die Spannung hinauszuzögern“, sagte WildRose. „Und außerdem, falls es dir entfallen ist, ich schreibe auch Ereri und ich habe in meinem ganzen Fandomleben nie noch einen Rivetra-Shipper mit irgendwas beworfen, bis auf eine und die hatte es verdient!“
„Leute, bitte, lasst uns doch mit gutem Beispiel vorangehen.“ SilentFiona duckte sich, um nicht von einem vorbeiziehenden Dieter Ness erschlagen zu werden, der sich schwungvoll mit seiner Gear von der Discokugel zur Barlampe hangelte. Zugegeben, das lenkte sie doch ein wenig ab, denn in all den Monaten in denen sie jetzt Stammgast im Wilden Titanen war, hatte sie zwar Dutzende von Levis und Erens und Armins und Jeans gesehen, aber noch niemals hatte irgendwer eine Fanfic über Dieter Ness geschrieben. ‚Vermutlich hat da jemand in der Charakter-Auswahl ein falsches Kreuzchen gesetzt’, spekulierte sie. Anders konnte sie es sich nicht erklären.
„Ich hatte mir überlegt, dass wir einen SnK-Schreibwettbewerb starten könnten“, sagte EmeraldFox plötzlich in die Stille hinein.
Einen Augenblick lang sorgte dieser unerwartete Plot-Twist für verblüffte Gesichter, dann redeten SilentFiona und WildRose gleichzeitig los: „Was für ein Wettbewerb? Wie wollen wir das organisieren? Nach welchen Kriterien sollen wir die Geschichten bewerten? Inwiefern glaubst du, hilft das dem Fandom weiter?“
„Es ist eigentlich ganz einfach“, sagte EmeraldFox. „Einen Wettbewerb zu gewinnen, bedeutet Ruhm, Respekt und Reviews.“ Sie machte eine kurze Kunstpause um den schönen Klang ihrer Alliterationen wirken zu lassen und fuhr fort: „Also ist er ein Ansporn für alle Autoren, sich anzustrengen. Selbst für diejenigen Autoren, die ihre Fanfics sonst während des Schulwegs auf dem Handy tippen und ungelesen ins Fandom fluten lassen.“
„Die letzte war eine zuviel.“ WildRose zog die Augenbrauen hoch. „Aber du hast recht, vielleicht ist das genau der Ruck in die richtige Richtung, den das Fandom jetzt braucht. Und wenn wir Mary Sues von vornherein ausschließen, haben die Leute schon mal einen Grund, in nächster Zeit verstärkt Fanfics mit den Originalcharakteren zu schreiben. Gut, ob die dann IC sind ist eine andere Frage, aber wir sollten die Charakterdarstellung auf alle Fälle als eins unserer Kriterien nehmen. Ebenso wie Rechtschreibung und Grammatik, natürlich.“
„Sprachstil, Handlungsbögen, Satzbau, Wortschatz, Umgang mit Perspektive, Umgang mit der Welt von SnK“, zählte EmeraldFox auf.
„Das mit der Welt wird schwierig. Wie willst du bitteschön bei einer Renaissance-Welt mit Steampunk Elementen entscheiden, was es gibt und was es nicht gibt? Das Problem hatten wir schon damals im Rattenscharfen Ninja und in der Super-Sayajin-Bar.“
SilentFiona kräuselte die Nase wie immer, wenn sie überlegte, auch wenn dies eine unbewusste Reaktion war, die sie eigentlich nicht hätte bemerken dürfen. Je länger sie darüber nachdachte, desto genialer fand sie den Gedanken mit dem Schreibwettbewerb.
Natürlich würde es jede Menge Arbeit bedeuten, die ganzen Geschichten, die eingesandt wurden, auch zu lesen und zu bewerten. Aber mit Sicherheit würden einige Perlen dabei sein. Gerade bei Wettbewerben trauten sich die Leute oft an ungewöhnliche Ships oder Plot-Ideen heran, die sie normalerweise nicht schreiben würden. „Wollen wir eigentlich alle Arten von Fanfics zulassen, oder bestimmte Genres von vornherein ausschließen?“, fragte sie.
EmeraldFox und WildRose, die gerade eine hitzige Diskussion darüber begonnen hatte, ob man in Utopia Kaffee in Gewächshäusern anbauen konnte, hielten inne. „Mary Sue“, sagte WildRose sofort und „Yaoi“, fügte EmeraldFox hinzu.
„Wieso Yaoi?“, protestierte WildRose. „Nur, weil du es nicht magst. Okay, dann bin ich auch gegen Hetero.“
„Muss ich euch eigentlich immer daran erinnern,“ fiel SilentFiona mit eisiger Stimme ein, „dass wir hier mit gutem Beispiel vorangehen wollen. Wir sind schließlich Vorbilder. Wie können wir erwarten, dass sich irgendjemand in diesem Fandom anständig benimmt, wenn wir selbst auch nicht dazu bereit sind.“
EmeraldFox zuckte die Achseln. „Wenn die Leute sich wirklich an uns orientieren würden, würden sie besser schreiben.“
„Zumindest würden sie mal die automatische Fehlerkorrektur ihres Handys einschalten “, stimmte WildRose zu. „Das sollte selbst talentfreien Schreiberlingen möglich sein. Gibt’s hier eigentlich Kaffee?“, wandte sie sich an den Barkeeper.
„Och, menno. Ich dachte eigentlich, wir sind Veteranen, keine Drama-Queens.“ SilentFiona zog einen Flunsch, der ihr sofort wieder aus dem Gesicht fiel, als der Barkeeper sich zu den Dreien umdrehte.
Vor ihnen stand ein junger Mann, dessen enge schwarze Lederhose sich wie eine zweite Haut um seine schmalen Hüften schmiegte. Langes platinblondes Haar umrahmte ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen und ebenmäßigen, aristokratischen Zügen, um dann wie ein seidener Vorhang auf einen katzenhaft geschmeidigen Oberkörper herabzufallen. Unter dem engen schwarzen Stoff des Muscle-Shirts zeichneten sich die Konturen eines wohlgeformten Waschbrettbauchs ab, und obwohl es im Club absolut windstill war, fächerte sich der schwarze Ledermantel perfekt auf und bauschte sich in sanften Wellen um die langen Beine in hohen Stiefeln.
Einen Moment lang standen alle drei in betäubter Stille da. Hätte der Typ jetzt einfach nur seine Klappe gehalten und wäre intelligent genug gewesen, sich nicht als „Yggdrasil Amadeus Methanthron Alexandaer Thor Osiris“ vorzustellen, wäre SilentFiona vielleicht sogar ein leises ‚Rrrr’ entschlüpft, bevor sie lospolterte: „Glaubst du Trottel wirklich allen Ernstes, wir fallen auf einen Gary Stue rein?“
„Mist!“ Der Typ schob sich die Sonnenbrille ins Haar und fixierte die drei mit einem stechenden Blick aus blitzenden sturmgrauen Augen in denen eisige Flammen zuckten. „Aber ihr müsst zugeben, Mädels, zumindest in diesem Fandom bin ich noch originell.“
„In diesem Fandom brauchen wir keine Stues“, sagte WildRose. „In diesem Fandom haben wir Levi.“
Gehdanken-Telepartie!
Attack on Schlechte Fanfiction
Drittes Kapitel: Gehdanken-Telepartie!
Nach dem Titannenangriff lebte Schokolila allein in Schokoschima. Die Tittanen tateten ihr nichts, weil sie war immhuhn. Dann ging Schokolia zu den Survey Legion. Sie musste nicht 3 Jahre Ausbildung machen, weil sie konnte schon alles von selbst. Als Korporaille Rivaille in Schokolilas wunderschöne smaraktgrüne Augen sah, verfärbten sie sich vor lauter Glück himmelbleu. Er sahnte ihr einen Blick zu, es war Gehdanken-Telepartie.
Sollte dir beim Lesen gerade ein wenig schlecht geworden sein, bemerkst du vielleicht nur die ersten Auswirkungen des Giftes.
„Mist.“
Langsam fand SilentFiona, dass sich der Typ wie ein Brot anhörte, auch wenn er nicht so kurze Arme hatte. Wenigstens hatte er jetzt den Stu-Modus ausgeschaltet und so blieben ihm statt seines Evil-Catboy-Looks nur noch ganz gewöhnliche straßenköterblonde Haare und eine ganz gewöhnliche Figur – nix mehr mit Sixpack!
Was er auch nicht bedacht hatte, war, dass sein Ledermantel jetzt keine epischen Wellen mehr schlug, sondern nur noch wie jeder gewöhnliche Feld-, Wald- und Wiesen-Mantel zu Boden hing. Also stolperte er natürlich drüber und fiel mit lautem Karacho in die Arme von WildRose, die ihn prompt zu Boden fallen ließ.
„Mist“. Mühsam rappelte sich der Typ wieder hoch. „Ich hab’ dich angerempelt, also werden die Leute uns jetzt shippen wie blöd.“
„Keine Sorge“, beruhigte ihn WildRose. „Du bist ja nicht so auf mich draufgefallen, dass du mich aus Versehen geküsst hättest. Alles noch im grünen Bereich.“
„Außerdem steht ihr beiden nicht im Abspann nebeneinander“, fügte EmeraldFox hinzu, während sie die Kriterien für den Fanfiction-Wettbewerb (auf dass der Leser ihn nicht ganz vergessen möge) in ihren Laptop tippte.
„Also du Yggdrasil Amadeus Megathron.” Eloquent holte sich SilentFiona die Perspektive zurück und musterte den Typen misstrauisch. „Wer bist du und was machst du hier?“
„Ähm... ich glaub’, ich bin so was wie’n unerwarteter Plot-Twist.“ Der Typ kratzte sich am Kopf. „Ich meine... erst war ich nicht da und jetzt bin ich da, das haben Plot-Twists so an sich.“
Mit einer solch billigen Erklärung gab SilentFiona sich nicht zufrieden. „Aber du musst doch irgendeine Funktion haben. Du kannst doch nicht einfach in dieser Geschichte auftauchen, ein Charakter sein, und hier rumrennen ohne irgendeine sinnvolle Funktion für den Plot zu haben.“
„Kann er wohl“, EmeraldFox tippte fleißig weiter, während sie sich im Wilden Titanen umsah. Eine neue Gruppe langbeiniger schimmerhaariger und funkeläugiger Mädchen war gerade eingetroffen und stritt sich jetzt um einen schmachtenden Boyfriend-Levi, der sich lasziv auf einem Billiardtisch räkelte. „Viele Charaktere haben keine andere Funktion, außer rumzurennen und gut auszusehen.“
„Das ist Stuss, Tinnef und Schmonzes“, protestierte SilentFiona. Einen Moment lang wunderte sie sich über ihre Ausdrucksweise, aber daran war wohl der Jewish-Levi schuld, der eben in diesem Moment mit seinem Glas in der Hand über die Tanzfläche stolperte. „Mann, bin ich beschickert! L’Chaim!“
Ums Haar wäre er auf eine Kakerlake getreten, hätte ein Tierfreund-Levi sich nicht heroisch dazwischen geworfen und so ganz nebenbei noch einen Franzosen-Levi umgerannt. „Zut alors!“ schimpfte dieser und die drei Levis lieferten sich ein heftiges Wortgefecht. Während sie einander auf französisch, jiddisch und mit diversen Tierstimmen-Imitationen befluchten, unterbrachen die langbeinigen schimmerhaarigen funkeläugigen Mädchen ihren eigenen Streit, um andächtig zu lauschen.
„Wie dem auch sei, Charakter, du brauchst eine Funktion, sonst kannst du nicht hier bleiben.“ SilentFiona blieb gnadenlos. „Sinnloses Rumrennen und gut aussehen funktioniert sicher gut in Filmen, Serien oder Mangas, aber dies hier ist eine Geschichte. Eine geschriebene Geschichte. Mit Buchstaben, die sich zu Worten aneinanderreihen und mit Worten, die zu Sätzen werden. Hier kann man nicht sehen, wie Charaktere aussehen und elends lange Beschreibungen von Haaren, Augen und Kleidungsstücken nerven die meisten Leser zu Tode.“
„Nicht, wenn man’s richtig macht“, protestierte WildRose. „Wie soll ich denn bitteschön eine erotische Erotikszene schreiben, ohne dabei ausführlich zu erörtern, wie ein Schweißtropfen langsam über Levi’s mondblasse Haut rinnt und dann von Erwin’s langen feingliedrigen Fingern aufgefangen wird.“
“Irrrrks!”, wimmerte EmeraldFox, hielt sich die Ohren zu und schaukelte traumatisiert hin- und her. “Du zerstörst gerade meinen Headcanon.”
“Was hast du eigentlich für eine Funktion in dieser Geschichte?”, wandte sich der blonde Typ an SilentFiona. Ich meine, nicht, dass ich deine Berechtigung hier zu sein anzweifeln möchte, es würde mich nur mal interessieren.”
SilentFiona überlegte kurz. “Nun, da bisher alle drei Kapitel dieser Geschichte aus meiner Perspektive geschrieben wurden, nehme ich natürlich an, dass ich die Heldin bin. Die Protagonistin. Der Hauptcharakter. Und damit hätten WildRose und EmeraldFox auch eine Funktion, sie sind nämlich meine Sidekicks. Jeder Hauptcharakter braucht Sidekicks, weil es stinklangweilig wäre, wenn er alles allein macht und jeden seiner Gedankengänge in einem endlos langen internen Monolog runterbetet.”
“Allerdings”, fügte EmeraldFox hinzu. “Sidekicks bringen erst die richtige Dynamik in die Geschichte, ganz besonders, wenn sie so unterschiedlich sind wie wir beide. Wir sind wie… Sai und Sakura, Ron und Hermione, Armin und Mikasa.”
Hinter ihnen brach plötzlich ein Tumult los, denn ein Schläger-Levi hatte zur Begeisterung der johlenden Yaoi-Fangirlies damit begonnen, ein heulendes Uke-Eren durch den ganzen Raum zu prügeln. Eine ziemlich verwirrt aussehende Frau mit einem Schild mit der Aufschrift “SnK-Psychologin”, die versuchte, halbwegs intelligent durch ihre 3D-Brille ohne Gläser zu blicken, hielt ihn schließlich auf. “Sie haben definitiv ein Agressionsproblem, Herr Levi, wollen Sie nicht mal zu mir auf die Couch kommen?”
Während die Wortkombination aus “Couch” und “Kommen” bei den Yaoi-Fangirlies noch für wilde Erheiterung sorgte, schniefte das Uke-Eren wimmernd dazwischen: “Das ist schon okay, Frau Psychologin, er hat kein Problem. Er schlägt mich doch nur deshalb, weil er mich so unendlich liebt.”
SilentFiona sah leider nicht, wie die Situation ausging, denn aus irgendeinem nicht näher bestimmten Grund hatte ihr Kopf plötzlich Bekanntschaft mit der Tischplatte gemacht. Als sie ihn wieder hob, sah sie eine zähnefletschende WildRose, die noch eben gerade so von einer beunruhigten EmeraldFox in Schach gehalten wurde. “Ähm.. Leute? Vorbildfunktion? Gutes Beispiel? Remember?”
“Vorsicht, ein Anglizismus.” Die beiden duckten sich, aber da soeben die Military Police einmarschierte, war dies ohnehin vergebliche Liebesmüh.
“Wie dem auch sei”, wandte sich der blonde Typ wieder unbeirrt an SilentFiona. “Das soll jetzt nicht gegen dich persönlich gehen, aber leider bist du nicht die Heldin dieser Fanfiction.”
“Ach ja”, fragte SilentFiona zurück. “Und woher willst ausgerechnet du das wissen?”
“Na ja.” Der Typ kratzte sich verlegen am Kopf. “Ich hab’ sie geschrieben.”
Wie vom Donner gerührt, blickten die drei ihn an. “Yggdrasil Amadeus Metatron Alexandaer Thor Osiris…”
“Nee, jetzt einfach nur Yamato”, gab der Typ zurück und starrte wehmütig auf sein nicht vorhandenes Sixpack.
