STUMME SCHREIE II - Omnia mea mecum porto. von Noveen (Alles was mein ist, trage ich mit mir.) ================================================================================ Prolog: Anfang vom Ende? ------------------------ Seit der Verhandlung und der darauf folgenden Veränderungen waren drei Jahre vergangen. Kris war selbstsicherer geworden und langsam konnte er sich wirklich entfalten. Inzwischen hatte sich in ihrem Leben so einiges verändert. Sie waren nun schon drei Jahre zusammen. Kris und Luca. Luca und Kris. Es gab den einen nicht mehr ohne den Anderen, auch wenn ihre Liebe durch all die grauenhaften Umstände bis jetzt eher platonisch gewesen war. Der Dunkelhaarige bestimmte das Tempo und mehr als Küssen und Streicheln war bisher einfach nicht möglich gewesen. Sie hatten Beide die Schule mit Glanzleistungen abgeschlossen und während Luca sich in der Firma seiner Mutter orientierte, suchte Kris nach einer passenden Ausbildung. David war mit seiner Band gerade auf Europareisen um an Bekanntheit zu gewinnen – etwas was für Kris nicht einfach war. Und Ben war inzwischen ausgebildeter, pädagogischer Trainer für aggressive Jugendliche. Alles in allem könnte man meinen es war in Ordnung so wie es lief. Lucie, seine jüngere Schwester und Kris verstanden sich sehr gut… nicht nur weil sie die gleiche Leidenschaft für das Zeichnen teilten, sondern auch weil Lucie in der Schule ähnliche Erfahrungen gemacht hatte wie Kris. Zwischen ihnen war eine zarte Freundschaft entstanden und Luca freute sich sehr, dass nun beide einen Menschen gefunden hatten, mit dem sie über diese Erfahrungen reden konnten. Denn auch wenn Kris ihm sehr vertraute, er konnte einfach nicht über solche Dinge mit ihm reden und das wusste der Gothic. Es fiel seinem Freund noch immer schwer, vor ihm so etwas zu offenbaren. Anscheinend trug er immer noch die Angst mit sich herum, er könnte ihn verlassen, wenn ihm etwas nicht gefiel. Etwas was absoluter Quatsch war! Der Rothaarige seufzte tief und schob den eben zubereiteten Auflauf in den Ofen. Auch wenn er viel Verständnis für seinen Freund aufbringen konnte… Er sehnte sich danach körperlichen Kontakt zu ihm zu haben, etwas das über kuscheln hinausging. Er wollte endlich, dass Kris ihm komplett vertraute und dass er endlich diesen wunderschönen Körper als ein Teil von ihm bezeichnen konnte. Doch er wusste, dass das noch sehr lange dauern konnte und das frustrierte ihn. Auch wenn er es selber nicht zugeben würde! Er wollte Kris nicht drängen, doch in ihm drängte etwas. Und so kam es, dass die Beziehung von ihnen bröselte… ohne das es einer der Beiden bewusst wahrnahm, entstand eine Spannung zwischen Kris und Luca. »Bin wieder daha!« »Hey.« lächelte der Gothic sanft und gab ihm einen Begrüßungskuss. »Ich habe gerade unser Mittagessen in die Röhre geschoben.« Kris bückte sich und grinste. »Sieht gut aus, ich hab riesen Hunger!« »Wie liefs bei der Suche?« »Hm… nicht so gut. Ich werde mir wohl erst einmal einen Job suchen müssen mit dem ich ein wenig Geld verdiene… Kellnern oder so… keine Ahnung. Aber lass uns jetzt nicht darüber reden!« »Okay.« Luca zog den Dunkelhaarigen an sich und gab ihm noch einen sehnsüchtigen Kuss. »Wie lange brauch der Auflauf…?« »Noch 20 Minuten oder so.« Er nickte und erwiderte den Kuss des Älteren bereitwillig. »Okay, dann erzähl mir wie dein Tag gelaufen ist!<< Kapitel 1: In deiner Nähe ------------------------- Als er am Morgen aufwachte, fühlte er sich wie von einem LKW überrollt. Seufzend setzte er sich auf und fasste sich an die Stirn. Sein Hirn schien Purzelbäume zu schlagen und verbreitete damit einen leichten Schwindel in seinem Kopf… Er hatte die halbe Nacht wachgelegen und nachgedacht. Über ihre Beziehung im Allgemeinen und über Kris um Speziellen. Wirklich schlauer war er trotzdem nicht geworden! Die Distanz die sich in letzter Zeit immer mehr bemerkbar machte, hatte sich unerwartet von hinten angeschlichen und ihn einfach überfallen. Seit wann waren sie so eingefahren in ihrer Beziehung, dass sie die Bedürfnisse des anderen übersahen? Und warum hatte er nicht früher gemerkt, dass ihn das störte? Schwerfällig stand Luca auf und begann mit seinen morgendlichen Ritualen. Während er ins Bad ging, sich duschte, dann rasierte und anzog, dachte er wieder an seinen Freund. Dieser schlummerte noch seelenruhig auf seiner Seite des Bettes. Auch wenn er versuchte die all das nicht an sich heranzulassen; die Ablehnung die er gestern Abend erhalten hatte, nagte noch schwer an ihm. Kris hatte alle Zärtlichkeiten verweigert und nicht einmal gestattet, dass er einen Arm um ihn legte. So etwas war zwar schon öfter vorgekommen, doch niemals ohne Grund… Und wenn er sich das genau überlegte, hatte er selber das auch noch nie so verbissen gesehen wie im Moment. Es war erst seit ein paar Tagen, dass er alle Bewegungen und Reaktionen seines Freundes so genau beobachtete und diese insgeheim bewertete. Und langsam spürte er immer mehr Wut und Frustration in sich aufsteigen. Gefühle, die in einer Beziehung absolut nichts zu suchen hatten. Auch war ihm bewusst, dass vor allem in seiner Beziehung – die sowieso auf gebrannten Boden entstanden war – solche Empfindungen einen absoluten Killer darstellten. Aber mit Kris über all dies zu sprechen war eigentlich undenkbar… nicht nur, weil sie zurzeit eh nicht viel miteinander redeten, sondern auch weil er damit nur alte Wunden aufreißen würde. Wunden von denen er eigentlich gedacht hatte, sie würden irgendwann heilen, wenn man ihnen nur genug Zeit und Liebe gab; doch wie es im Moment aussah eiterten sie eher, als das sie heilten.- Er schob die quälenden Gedanken beiseite und blickte in den Spiegel. Seine Augen sahen ihm müde entgegen und ein dunkler Schatten umrandete sie. Automatisch griff er zu seinem Puder und den anderen Schminkutensielien und begann sein Gesicht in den Zustand von Perfektionismus einzufrieren. Als er mit dem Ergebnis zufrieden war, ging er in den Flur um sich seine Schuhe anzuziehen. Dann nahm er den Mantel und seine Tasche und schloss die Tür auf. Kurz zögerte er und blickte zurück… Sollte er? Er spürte schon jetzt seine innere Blockade, die sich wie eine kalte Wand zwischen ihm und seinen Gefühlen aufbaute. Also ging er hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Das war der erste Morgen, an dem er sich nicht von Kris verabschiedete. °°° »Guten Morgen, Hübscher…«, hauchte er seiner großen Liebe ins Ohr und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Der Angesprochene regte sich leicht. »Luca? Musst du schon los?« »Ja… ich komme heute Nachmittag wieder und dann machen wir was, okay?« »Hm…«, machte der Dunkelhaarige verschlafen und streckte sich seinem Freund entgegen. Seine Bitte wurde erhört und warme Lippen verschlossen seine für einen kurzen Moment. Der Kuss war träge und liebevoll. »Ich liebe dich, Kirs… pass auf dich auf.« °°° Es war bereits Mittag und noch immer konnte er den Groll gegenüber seinem Freund nicht vergessen. So etwas hatte er Kris gegenüber eigentlich noch niemals gefühlt. Bis jetzt hatte seine Liebe viele Mankos ihrer Beziehung überdeckt, aber irgendwann würde auch seine Geduld aufgebraucht sein… das wusste er. Die Frage war dann nur wie der andere darauf reagieren würde. Die Arbeit konnte ihn nicht von seinen Grübeleien ablenken und auch die Kundinnen, die ab und an in seinen Laden kamen, unterbrachen nur für kurze Zeit seine düsteren Gedanken. Aber die brodelnde Wut blieb. Wie sollte es nur weitergehen?! Stöhnend rieb er sich über die Nasenwurzel und versuchte sich auf die Stoffe und Skizzen vor ihm zu konzentrieren. Doch irgendwie klappte das nicht so ganz… Wenn er nur – Das Klingeln seines Telefons lenkte seine Aufmerksamkeit ab und mit einem Blick auf dem Display war seine Laune sofort auf einen weiteren Tiefpunkt. Er nahm ab. »Was gibt es Mutter?« »Deine Begrüßungen waren auch schon einmal netter… und wieso meldest du dich so formlos an deinem Firmentelefon?« Schon alleine der gezierte Ton entfachte seine Gereiztheit von neuem. »Ich denke nicht das du mich anrufst um über meine Manieren zu diskutieren… außerdem habe ich deine Nummer auf dem Display gesehen.«, meinte er und versuchte neutral zu klingen. »Also was gibt es.« »Du hast mir deine Entwürfe noch nicht geschickt.« »Weiß ich.« »Warum?« »Weil ich noch nicht fertig bin?!« »Die Entwürfe haben aber nur noch bis Mittwoch Zeit.« »Weiß ich.«, knurrte er. »Aber im Gegensatz zu dir, habe ich noch etwas anderes zutun als non – stop an meinen Skizzen zu arbeiten.« »Das ist nicht fair, Luca. Ich wollte dich nur daran erinnern.« »Wie nett…« »Luca im Ernst, hör mir zu! Ich weiß das du mit dem Laden und den Aufträgen viel zutun hast… aber du hast dir das so gewünscht.« »Du erzählst mir da nichts Neues, Mutter.« »… deswegen habe ich dir einen Praktikanten eingestellt.« Der Gothic stutzte. »DU HAST WAS?« »Dir eine Hilfe organisiert. Er wird in einer Stunde kommen und wenn du ihn gut anleitest und einarbeitest, wird er dir eine sehr große Hilfe sein. Er ist wirklich ein sehr talentiertes Nachwuchstalent.« »Das kannst du nicht machen.«, sagte Luca tonlos. Er fühlte sich nicht nur überfahren sondern voll und ganz übergangen. »Muss ich dich daran erinnern, dass es mein Laden ist, den du da führst.« »Du hast ihn mir geschenkt!« »Trotzdem bezahle ich ihn, oder? Ich bin die, über die die Aufträge gehen und ich werde es nicht zulassen, dass du diese wichtige Zweigstelle gegen den Baum fährst nur weil du überarbeitet bist!« Er presste die Lippen zusammen. Nein! Nicht ausflippen… ganz ruhig! »Danke für dein großes Vertrauen, Mutter.« Damit legte er auf und schmiss das Telefon zurück auf den Schreibtisch. Seine Hände zitterten vor unterdrückter Wut. Wie konnte sie es wagen? Keine drei Minuten später klingelte es erneut. Und dieses Mal war er über die Anzeige in seinem Display sehr dankbar. Er stand auf und ging aus dem Laden. Es war Zeit für seine verdiente Pause… Luca ging aus dem Laden und schloss die Tür hinter sich zu. Noch durch die gerahmte Glastür hörte er das Telefon läuten. °°° »Was machst du hier?« »Ich kann nicht schlafen…« »Liegt es an mir oder an der Umgebung…« Der Dunkelhaarige sah ihn aus müden Augen an und lächelte schwach. »Als allerletztes an dir…« Er sah seinen Freund an und ging dann auf ihn zu. Er saß wie ein Häufchen Elend in dem grünen Sessel. »Soll ich -« »Nein!«, unterbrach der andere ihn sofort; so als ob er genau wusste was er sagen wollte. »Geh nicht! Du kannst mich nicht hier allein lassen!« Er seufzte und beugte sich hinunter um den Kleineren auf die Stirn zu küssen. Auch wenn er jetzt schon fast ein halbes Jahr in diesem Zimmer wohnte, hatte er noch nie eine Nacht alleine hier verbracht. Noch immer saßen seine Ängste viel zu tief und so kam es, dass er immer bei seinem Freund in dem viel zu kleinem Bett schlief… obwohl er bei sich zuhause ein doppelt so großes Exemplar stehen hatte. »Ruhig… «, lenkte er sofort ein. »Ich geh schon nicht weg… aber ich habe eine andere Idee. Komm mit…« Er nahm seinen Freund bei der Hand und führte ihn – nachdem er beide mit Jacken und zwei Wolldecken ausgestattet hatte - aus dem Zimmer. In dem betreuten Wohnblock, der Kris vom Jugendamt vermittelt wurde, war die Feuerleiter ein sehr beliebter Treffpunkt. Da die Wohnung seines Freundes ganz oben in dem kleinen Wohnblock lag, hatten sie eines der besten Aussichtspunkte im ganzen Haus. Und vor allem in solchen Nächten schien es den Dunkelhaarigen immer zu beruhigen hier hinaufzusteigen. »Der Himmel ist nicht mehr bewölkt!«, sagte er leise und setzte sich auf die mitgebrachte Decke. Die andere legte er sich über die Schultern und breitete dann einladend die Arme aus. »Das ist besser als Schlafen«, murmelte der andere und schmiegte sich fröstelnd an ihn. Der schmale Körper in seinen Armen löste eine bebende Wärme in ihm aus. »Finde ich auch...« »Was machen wir jetzt?«, will der Dunkelhaarige schüchtern wissen. Sein Gesicht war an seine Schulter gelehnt und plötzlich schien er völlig entspannt zu sein. »Nun ja, wir sehen uns die Sterne an und versuchen ein bisschen zu kuscheln.« »Hört sich gut an.« Er blickte hinauf und versuchte sich in den fast schwarzen Himmel zu orientieren. Es war schon lange her, dass er Sterne gedeutet hatte… dort war der kleine Wagen. Doch er wurde bald von seinem Bemühungen abgelenkt, als sein Freund sich in seinen Armen bewegte und sich zu ihm umdrehte. Der Himmel war vergessen. Nur Sternenakne auf dem Himmelsgesicht… wen interessiert das?! »Tut mir Leid…«, sagt Kris und seine Stimme klingt sehr unsicher. »Ich-… du könntest schlafen wenn ich nicht – « Er unterbrach ihn schlicht mit einem Kuss. So etwas wollte er nicht hören, weil es nicht stimmte. Sanft liebkoste er die Lippen des anderen und zog ihn näher zu sich heran. Der Winkel war eher ungünstig und der Dunkelhaarige machte ein absolut überraschtes und leicht panisches Geräusch, was ihn gegen seine Lippen schmunzeln ließ. Auch sein Herz begann unregelmäßig zu flattern, als Kris sich liebesbedürftig an ihn drängte. »Das kannst du doch besser«, nuschelte er gegen seine Lippen. Der Gothic schnaubte leise und zog seinen Freund in die richtige Position, ehe er seine Lippen wieder mit seinen verschloss. Kris Mund war weich und nachgiebig und er ließ seine Hände nach oben wandern… es war ihm ein Bedürfnis die weichen Wangen zu berühren. Sanft fixierte er das Gesicht des anderen und brach dessen Lippen auf… verschaffte sich Zugang zu seinem Mund. Seufzend ergab sich der Dunkelhaarige und es begann ein heißes Zungenduell. »Luca…«, brachte er heiser heraus, als der Rothaarigen von seinem Lippen abrutschte und sich an seinem Hals festsaugte. »Nicht… ngh…« Das Stöhnen jagte ihm einen heißen Schauer durch den Körper, doch er ließ sofort von dem Kleineren ab. »Hm…« »Ich - « »Ich weiß…«, raunte er und nahm wieder seine weichen Lippen in Beschlag. Ihm war sehr wohl bewusst, dass der andere noch lange nicht bereit war mit ihm diesen Schritt zu gehen… doch er war sich auch sicher, dass er alles aushalten konnte, solange er diese Lippen küssen durfte. °°° Er hatte sich getäuscht, dass wusste er jetzt. Es reichte ihm schon lange nicht mehr nur die Lippen seines Freundes zu küssen. Luca wollte einen Beweis für die Liebe haben, die ihm immer beteuert wurde. Das hieß ja nicht zwangsläufig das Kris mit ihm schlafen musste… schon alleine der Versuch und der Wille dazu, würde ihm reichen. Doch sie traten weiter auf der Stelle. Eigentlich waren sie nie weiter gekommen, als in dem ersten halben Jahr ihrer Beziehung. Und das war das Tragische… Als der Gothic an seinen Laden ankam, saß auf den zwei Stufen vor der Eingangstür ein schwarzhaariger Kerl. Wahrscheinlich sein Praktikant… Seufzend steuerte er auf den Kerl zu und schon vom Weiten fiel ihm der auffällige Look auf. Als er näher trat war ihm klar, dass dieser junge Mann ihn ziemlich an seinen Freund erinnert… einfach weil er den gleichen Stil hatte. Seine Haare waren lang, tiefschwarz und in sein Gesicht gekämmt (hätte er keinen Seitenscheitel zu rechten Seite, würde man wohl seine Augen gar nicht sehen). Seine Klamotten waren auffällig, dunkel und schräg kombiniert wie es bei einem Emo nun einmal war. Seine Fingernägel waren schwarz – bis auf beide Ringfinger die weiß hervorstachen – lackiert. Den einzigen Schmuck den er trug waren seine Piercings im Gesicht. Als er aufblickte, bemerkte Luca seine atemberaubenden, tannengrünen Augen, die nur ein wenig mit Mascara und Kayal umrandet worden waren. »Oh Hallo!«, lächelte er überrascht und sprang sofort auf. »Ich bin Noah Jäger…« »Guten Tag.«, sagte Luca und reichte ihm die Hand. »Ich bin Luca Linton, aber das weißt du ja sicher.« »Ja… deine Mutter hat mich hierher geschickt.« Er gab ein unwilliges Geräusch von sich und schloss den Laden auf. »Ja, ohne mein Wissen!« »Ich…- tut mir Leid?« »Was?«, wollte Luca erstaunt wissen und drehte sich zu seinem neuen Mitarbeiter um. »Ich will dir auch gar nicht zur Last fallen… ich… es ist nur - « Plötzlich schien er richtig unsicher zu werden und senkte den Blick auf den Boden. Sich innerlich gegen die Stirn schlagend, schüttelte Luca den Kopf über sich selbst. Seit wann hatte er es nötig seine schlechte Laune an anderen auszulassen? »So war das nicht gemeint.«, beschwichtigte er Noah. »Du kannst ja am wenigsten dafür. Meine Mutter hätte einfach mit mir reden müssen…« »Ja, dass hätte sie.« Luca lächelte versöhnlich. »Was hältst du davon, wenn ich dir den Laden zeige und wir dann alles formelle besprechen?« Der andere nickte eifrig. »Oh ja!« »Gut, dann komm mal mit.«, sagte Luca und winkte ihn mit sich mit. »Wenn du hier arbeiten willst, ist es wichtig das du dich gut einarbeitest.-« »Heißt das du willst mich wirklich als dein Praktikanten?«, unterbrach ihn Noah und sah ihn mit großen Augen an. »Ja, warum nicht. Versuchen können wir es ja mal!« Als er am Abend nachhause kam, hatte sich seine Stimmung deutlich gehoben. Noah würde definitiv eine Bereicherung für ihn und den Laden sein, wenn er erst einmal richtig eingearbeitet war. Er war sehr intelligent, hatte ein gewisses Grundtalent im skizzieren und besaß eine schnelle Auffassungsgabe in technischen Dingen. Außerdem war er offen und heiter; sein Lächeln war fast stetig auf seinem Gesicht zu sehen und er hatte eine sehr starke positive Ausstrahlung. Dies war im Umgang mit Kunden durchaus von Vorteil, selbst Luca hatte er trotz seinem Schlafmangels und seiner gedrückten Stimmung, relativ schnell mit seinem Enthusiasmus angesteckt. Er schien an sich ein kleines Energiebündel zu sein. Eigentlich merkwürdig, dass Noah und er sich von Anfang an so gut verstanden hatte, sonst brauchte er wesentlich länger um sich auf fremde einzulassen… Wahrscheinlich war er wie Kris eine Ausnahme. Zu mal er ihm schon sehr ähnlich war… nur lagen zwischen den beiden emotional Welten. Während ihn bei Kris das schüchterne und unerfahrene angezogen hatte, war es bei Noah das weltoffene und fröhliche, was herausstach. Trotz seiner dunklen Erscheinung hatte er eine recht sonnige Art an sich, die einfach sofort Menschen anzog. Etwas was er sich in diesem Beruf zu Nutze machen konnte. Und auch optisch war er nett anzusehen… Aber was dachte er da? Luca schüttelte über sich selbst den Kopf und zog Schuhe und Jacke aus, ehe er durch das Wohnzimmer in die Küche lief. »Hi, Luca…« Sofort als er den Dunkelhaarigen auf der Couch sitzen sah, kamen die Bilder von der letzten Nacht wieder in ihm hoch. Und auch die Gedanken des Vormittags kamen mit einem Schlag in sein Gedächtnis zurück. »Hallo.«, sagte er neutral und fragte sich wie es sein konnte, dass er für seinen Freund nur noch unterschwellige Wut empfand. Das durfte doch in einer Beziehung nicht sein, oder? Automatisch steuerte er auf Kris zu und gab ihm einen flüchtigen Kuss, bevor er in die Küche ging und sich etwas zum Abendbrot vorbereitete. Es fühlte sich alles so falsch an. Wieso war ihm das nicht vorher aufgefallen? Im Gegensatz zu sonst, setzte er sich in die Küche um seine belegten Brötchen und den Salat zu essen. Er wollte Ruhe zum Nachdenken… Es dauerte keine fünf Minuten und Kris steckte den Kopf zur Tür herein. »Alles okay bei dir?« »Ja, ich wollte nur ein wenig Ruhe… war ein anstrengender Tag…«, log er. »Ach so.« Der Dunkelhaarige wusste anscheinend nicht mehr was er dazu noch sagen sollte, denn er schwieg und zog sich zurück. Tief in ihm schrie etwas auf, als er die Traurigkeit in den Augen seines Freundes sah… Auch wenn er immer ziemlich distanziert war, fiel ihm ja auf, dass es nicht ablief wie jeden Abend. Sonst hätte er wohl kaum herein geschaut. Ob es wirklich richtig so war? Luca aß auf und räumte dann sein Geschirr ab um seine Akten auszubreiten. Das Beste war doch sich mit Arbeit abzulenken… °°° »Was soll ich denn hier?«, fragte Luca seine Mutter leicht gereizt, die vor ihm her schritt. Es war sein Geburtstag und ihm war völlig schleierhaft was die Frau, die sich sonst nur einen Dreck für ihn interessierte, gerade an diesem Tag von ihm wollen würde. Hätten Rena, Lucie und Kris nicht so darauf bestanden das er mitging, wäre er wahrscheinlich auch bei sich zuhause geblieben und hätte mit Menschen gefeiert, die ihn auch so akzeptierten wie er nun einmal war. »Ich habe mir gedacht, dass du jetzt bereit bist für mein Geschenk.«, erwiderte seine Mutter und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. »Wir sind da.« Luca sah ihr skeptisch dabei zu, wie sie die gerahmte Buntglastür aufschloss, die ihn irgendwie an ein Kirchenfenster erinnerte. »Was wollen wir denn hier?« »Uns deinen neuen Arbeitsplatz ansehen.« Luca sah sie fassungslos an. »Was?!« Die Frau lachte verhalten. »Ich bin der Meinung das du mit einundzwanzig Jahren alt genug bist um in unsere Firma einzusteigen. Und Rena hat mir erzählt das du dich zurzeit um eine Arbeit bemühst.« Er starrte sie einfach nur an. »Ich werde dir den Laden übergeben… natürlich bleibe ich die Besitzerin, solange du noch nicht alt genug bist. Aber du würdest den Laden leiten und hier arbeiten.« Wortlos sah er sich um. Der Laden bestand aus drei Zimmern. Das erste und größte war der Frontbereich, der mit einer großen, einladende Fensterfront ausgestattet war. Dahinter waren zwei kleinere Räume in denen man von Außen ungesehen arbeiten konnte. Er konnte das gar nicht wirklich glauben. »Was sagst du?« »Ich… ich weiß nicht.« »Du hast genau eine Woche Zeit dich zu entscheiden, denn da habe ich die Eröffnung von der neuen Zweigstelle hier angekündigt und geplant. Aber ich bin mir sicher, dass es keine idealeren Beruf für dich gibt.« Das war so typisch seine Mutter… Sie setzte ein vor vollendete Tatsachen und musste immer wieder andeuten, dass nur sie die richtigen Entscheidungen traf. Etwas anderes war inakzeptabel! Kurz sah Luca sie an. Diese Frau, die ihn eigentlich hätte aufziehen sollen, war ihm eigentlich völlig fremd. Die immer gut gekleidete, hochgewachsene Frau mit den adrett hochgesteckten Haaren und den eisblauen Augen, war ziemlich kalt. Aber wer bot ihm sonst so eine Chance? »Ich mache es.« °°° Er saß gerade über einer Skizze für eine morgige Kundin, als die Tür erneut aufging. »Du arbeitest…?« »Wie du siehst, ja.« Anscheinend hatte er nicht ganz den neutralen Tonfall erwischt, den er hatte treffen wollen, denn Kris zuckte zusammen. »Hab ich irgendetwas falsch gemacht?« Eine gute Frage! Das war die Gelegenheit um – »Wie kommst du darauf?«, fragte Luca, die innere Stimme seines Gewissens ignorierend. Er verfluchte es manchmal, dass er den anderen so sehr liebte. »Du…- du bist nicht rüber gekommen wie sonst und eigentlich… ich hab dich noch nie zuhause arbeiten sehen.«, sagte Kris unsicher. »Für alles gibt es ein erstes Mal, Kris.« Er hasste es, dass er immer Bedenken haben musste. Nie würde er vernünftig mit Kris diskutieren oder streiten können, wenn er ihn so verunsichert ansah. Warum störte ihn das so? »Aber…« Der Dunkelhaarige brach ab und kam langsam näher. »Es tut mir wirklich Leid.« »Für was entschuldigst du dich denn?«, wollte Luca wissen. Eine Frage die der andere selber nicht beantworten konnte wie es schien… und genau das war die Tatsache die ihn erneut wütend machte. »Du hast keine Ahnung oder?« »Ich - « Luca schnaubte. »Weißt du eigentlich wie sehr mich das ankotzt? Diese ständige Rücksichtnahme und Warterei?!« Kris sah ihn erschrocken an. »Was meinst du?« »Ich meine, dass wir stetig auf einer Stelle tappen, Kris! Ich meine vorgestern Abend und den Abend vor zwei Jahren. Wir sind genau da wo wir am Anfang auch mal standen und wir scheinen uns eher voneinander zu entfernen, als näher zusammen zu finden! Stört dich das nicht? – Nein… natürlich nicht. Aber mich stört es, weil ich dir nahe sein will! Weil ich dein Freund bin und kein Teddybär, den du nach deinen Kuschelbedürfnissen beliebig in die Ecke stellen kannst. Ich habe auch Bedürfnisse, Kris! Und ich kann einfach nicht mehr, verdammte Scheiße!«, brach schließlich alles aus ihm heraus. Die Wut, die sich bereits über Monate angestaut hatte, hatte sich nun in jedem Wort entladen. Und auch wenn er wusste das es unfair war… es war ihm egal! Kris war bei jedem Vorwurf zusammengezuckt und stand nun einfach in sich zusammengesunken da wie ein verunsichertes Kind. Und dann hörte er das Schluchzen. Es war für ihn entsetzlich den anderen weinen zu sehen… noch immer. Und trotzdem konnte er ihn dieses Mal nicht in die Arme nehmen, auch wenn es ihm selbst wehtat ihn so zu sehen. Seufzend fuhr er sich durchs Gesicht. »Vergiss es einfach… ich hatte einen scheiß Tag.«, lenkte er ein und stand auf. »Ich geh schon Mal ins Bad.« Kris bewegte sich nicht. Er weinte leise vor sich hin und sagte keinen Ton mehr. Es war schon lange her, dass er den Jüngeren so hatte weinen sehen. Trotzdem ging er an seinem Freund vorbei ins Bad und verfluchte sich selbst für seinen Ausbruch. Er wusste selbst das es gemein war dem anderen das vorzuhalten… es war ja nicht einmal so das er Kris Standpunkt nicht verstehen konnte und doch reizte es ihn, wenn er sah wie sehr sie sich voneinander entfernten. Und das war nicht nur seine Schuld! Als er frisch geduscht zurück in die Küche kam, war Kris nicht mehr da. Luca ging ins Schlafzimmer und erblickte den Dunkelhaarigen sofort auf seiner Seite. Vorsichtig näherte er sich und blickte hinunter in das schlafende Gesicht. Die Viertelstunde schien gereicht zu haben, dass Kris völlig erschöpft von seinen Tränen eingeschlafen war… auf seiner Seite des Bettes. Noch im Schlaf sah er merkwürdig verletzlich aus. Wie konnte das alles bloß passieren? Als Luca das nächste Mal wach wurde, war ihm sofort klar, dass es noch mitten in der Nacht sein musste. Er bemerkte den zierlichen Körper, der sich dicht an ihn drängte. Grummelnd wand er sich um und sah in die erschrockenen Augen von Kris. »Was wird das?«, wollte er heiser wissen und musterte den anderen eindringlich. Seine Augen waren immer noch rot und geschwollen von den vielen Tränen, die er vor kurzem vergossen hatte. »Ich…- ich wollte nur…« Kris errötete und rutschte automatisch wieder von ihm weg. »Was wolltest du?« »Kuscheln?« Luca hob eine Augenbraue und versuchte im Halbdunkeln mehr im Gesicht seines Freundes zu erkennen. »Und das kannst du nur wenn ich schlafe oder was?« Damit spielte er auf den letzten Abend an, an dem er einen Annäherungsversuch gestartet hatte… war er jetzt total verrückt geworden? Übersah er etwas ohne es zu merken oder hatte er einfach verlernt den anderen zu verstehen? Kris antwortete nicht sondern starrte auf seine Hände, die verkrampft auf der Decke lagen. Unruhig biss er sich auf der Unterlippe herum. Und plötzlich traf Luca die Erkenntnis mit einer überraschenden Heftigkeit. Wie eine Granate schlug sie in sein Bewusstsein ein und war schneller ausgesprochen, als er darüber nachdenken konnte. »Du hast Angst das ich dich ficke.« Kris fuhr zusammen. »Du hast Angst das ich mehr wollen würde, wenn wir kuscheln und uns berühren, oder? Du hast Angst davor das ich über dich herfalle wie…-« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein Ernst sein. Aber allein das Schweigen des Dunkelhaarigen bestätigte ihm diese Version. Natürlich… warum war er da nicht früher drauf gekommen?! Scheiße! »Luca,,,« »Was denkst du eigentlich von mir…?« »Ich-«, setzte Kris an, wurde aber wieder unterbrochen als der Gothic mit einem Ruck aufstand und sein Bettzeug mit sich zog. »Ich kann das gar nicht glauben!«, meinte er und schüttelte noch einmal den Kopf. »Ich kann…- ich glaube es ist besser wenn ich um Wohnzimmer schlafe.« »Luca… bitte…« »Schon gut.« Damit wand er sich um und ging. (i)°°° Auf leisen Sohlen schlich sich der Rothaarigen an dem Arbeitszimmer seines Anwalts und Freundes Markus vorbei. Er und seine Tante besprachen gerade noch die letzten zu klärenden Sachen, bevor Kris in das betreute Wohnen wechseln konnte. Seit der Verhandlung waren zwei Wochen vergangen und er hatte seinen Freund wieder einigermaßen beruhigen können. Nach der Verhörung von ihm und seinen Vater, war Kris völlig durch den Wind gewesen. Vor allem das Sichten der Videos hatte den Jüngeren fertig gemacht… etwas das Luca durchaus nachempfinden konnte. doch er selber, sowie alle anderen Beteiligten (außer Kris, sein Vater, deren Anwälte und der Richter selber) hatten keines der Videos sehen dürfen. Aus Rücksicht vor dem Dunkelhaarigen. Luca konnte das alles verstehen und trotzdem nagte die Neugier an ihm, seit er wusste, dass es Filmmaterial von dieser Grausamkeit gab. Er wollte wissen, warum Kris so war wie er war und er wollte wissen, was diese Männer seinem Freund angetan hatten. Und genau weil das so war, war er seiner Tante an diesem verhängnisvollen Montagnachmittag gefolgt. Kris hatte er erzählt er hätte ein Vorstellungsgespräch… eine kleine Lüge. Doch er hätte ihm ja schlecht erzählen können, warum er wirklich noch einmal losmusste. Sein Freund hatte ihm seit damals im Park nie wieder etwas von seiner Vergangenheit erzählt und selbst das was er erzählt hatte, war kurz und wenig aussagekräftig gewesen. Nur soviel, dass David und er verstanden worum es ging… aber das reichte ihm nun nicht mehr. Er wollte es wissen… Vielleicht würde er es danach bereuen, doch er musste wissen was seinen Freund zugestoßen war. Er schlich sich hinunter in das Archiv und durchsuchte die zahlreichen Kisten und Akten nach dem Fall den er brauchte. Als er die Kiste mit der Aufschrift „Büssing“ gefunden hatte, wurde ihm leicht schwindlig. Was er hier plante war so gesehen ein Diebstahl… Und trotzdem trieb ihn irgendetwas die Kiste zu öffnen und sich zwei von den gesicherten 25 DVDs zu nehmen. Er glaubte nicht das Markus oder irgendjemand sonst noch einmal in diese Kiste schaute… der Fall war abgeschlossen. Keinen würde es interessieren ob hiervon irgendwas fehlte, zumindest redete Luca sich das ein. Er schob die beiden Platten in seine Tasche und stellte die Kiste zurück an ihren Platz. Sollte Kris jemals etwas davon erfahren, würde er wahrscheinlich den ersten Wutausbruch seines Freundes erleben. Nur eine Dreiviertelstunde später saß er vor seinem Laptop und starrte auf den Bildschirm. Er hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen und die Lautstärke des Gerätes auf das minimalste heruntergedreht was möglich war. Sein Herz hämmerte unangenehm in der Brust, als er die CD in das Laufwerk legte und den Player startete. Er wusste nicht einmal was ihn erwartete. Und auch wenn er wusste, dass es grausam war, was jetzt kam, wollte er es wissen. Dann begann die Aufnahme und er hielt den Atem an. Schon nach den ersten Abschnitten wurde ihm klar, dass dieses Video von einen Amateur zugeschnitten wurde… immer wieder waren schwarze Übergänge zusehen. Ein kieseliges Bild vom Hausflur erschien, den Luca sofort als den der Büssings erkannte. »Wo bist du denn, Kleiner?«, gluckste eine dunkle Stimme hinter der Kamera und steuerte auf die Küche zu. »Komm raus, ich hab was für dich.« Er stieß die Tür auf, die ein knarrendes Geräusch von sich gab und erfasst mit der Linse auf einem Blick die ziemlich große Küche. Dort am Herd stand Kris, nur in einer weißen Schürze bekleidet und sah ihn mit großen, ängstlichen Augen an. »Na hallo.« Er ging unaufhaltsam auf ihn zu und schien gar nicht zu registrieren, dass Kris vor ihm zurückwich. Doch seine Situation schien ausweglos zu sein. Leise lachend filmte der unbekannte Mann seine Hand dabei, wie diese über die Wölbung von Kirs Hintern strich und ließ dann zwei Finger in seinem Ritz verschwinden. »Bitte… nicht…« Die Kamera wurde zur Seite gelegt, man hörte einen erstickten Schrei und dann war das Bild schwarz. Die nächsten Bilder waren grauenhaft und erregend zugleich, doch die Moral sagte einem einfach, dass das nicht richtig ist. Niemals hatte Luca gedacht, dass ihn dieser gewalttätige Akt erregen konnte, doch seine Erektion in der Hose, bewies ihm das Gegenteil. Bei jedem Stöhnen seines Freundes zuckte sein Glied und schrie praktisch nach Aufmerksamkeit. Als das schwarze Bild sich erneut lichtete, sah er zum ersten Mal das Wohnzimmer der Familie Büssing. Es war ein großer Raum, der in der hintersten Ecke von einem riesigen Sofa sowie von drei Sesseln dominiert wurde, die vor einem großen Flachbildfernseher standen. Im vorderen Teil des Zimmers, stand ein schwerer Holztisch mit acht Stühlen. Der Raum wurde von einer riesigen Balkontür. Eigentlich hätte das Bild schön sein können, wäre da nicht der nackte, völlig verängstigte Junge, der auf den weißen Teppich stand. Er blickte nach unten und zitterte am ganzen Körper. Nur seine Haare verdeckten sein Gesicht, doch es war völlig klar, dass er weinte. Dann ging die Tür auf und vier Männer kamen herein. Sie nahmen den Jungen an der Hand und fühlten ihn zum Sofa. Luca klappte den Laptop zu und schluckte hart. Er hatte genug gesehen… Noch immer ignorierte er den Schmerz seines steifen Geschlechtes. Er wusste, dass er sich nie wieder im Spiegel ansehen konnte, wenn er sich jetzt auf dem Leid seines Freundes einen runterholen würde. Das war nicht nur pervers sondern einfach unangebracht und allein der Gedanke ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. °°° Seit er quasi mit ansehen musste, was diese Monster mit seinem eigentlich so wundervollen Freund angestellt hatten, verabscheute er sie umso mehr. Er hasste alleine die Vorstellung, dass einer dieser Männer noch einmal auf freien Fuß gesetzt wurde. Doch das neu erlangte Wissen, dass Kris in praktisch auf eine Stufe mit diesen völlig kranken Männern stellte, schmerzte mehr als alles andere. Natürlich war es vollkommen logisch, dass der Dunkelhaarige erst einmal vielen Dingen der körperlichen Beziehung misstraute. Er hatte von Anfang an klar gemacht, dass es Grenzen gab die Luca nicht überschreiten durfte. Aber diese Unterstellung war eindeutig ein Schlag ins Gesicht gewesen… Wann nur waren sie soweit voneinander weggetrieben? Er erkannte seinen Freund kaum noch wieder. Auch wenn seine Gedanken sich im Kreis drehten, übermannte ihn die Müdigkeit. Sein Körper forderte den Schlaf, die er die letzten Stunden nicht haben durfte. Und er schlief ein… Ruhelos wälzte er sich hin und her und wurde von wirren Träumen aus Fantasie und Realität gequält - °°° »Wo ist Kris denn?« »Er besucht seinen Vater… warum?« »Denkst du es ist gut ihn da alleine hin zulassen?« Der Blonde klang wirklich besorgt. »Was soll denn passieren, David? Er ist in der Klinik und um ihn sind hundert Ärzte und Schwestern… ich glaube - « »Du weißt es nicht oder?« »Was?« »Er ist gestern entlassen worden… er ist wieder zuhause?« »WAS?!« »Er wohnt wieder in seinem alt-« Ohne zu überlegen legte er auf und stürmte aus dem Haus. In unglaublicher Geschwindigkeit sprintete er zu der damaligen Adresse von Kris. Noch bevor er bei der Haustür ankam, hörte er das Schreien seines Freundes. »KRIS!« Er trat die Tür ein und stürmte ins Haus. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er die Geräusche aus der Küche orten konnte. Er stürmte in das Zimmer und sah den schrecklichsten Mann, den er kannte vor sich stehen. »Was machen Sie da?!« »Ich mache mir etwas zum Abendessen… möchtest du was haben?« Der Monstermann deutete auf den Ofen, der plötzlich überdimensional wirkte und in ihm saß Kris. Er hämmerte an die Innseiten der Scheiben und schrie um sein Leben, während die Drähte im Ofen anfingen zu glühen. ____ °°° Luca fuhr aus dem Schlaf als sein Handywecker klingelte. Verdammt, was hatte er nur für einen ausgemachten Blödsinn geträumt? Alles an ihm fühlte sich steif an und seine Glieder schmerzten … eigentlich wollte er nur liegen bleiben und weiter seine Augen zumachen. Doch er wusste, dass er sich das heute einfach nicht leisten konnte. Also stand er auf. Er stellte im Vorbeigehen die Kaffeemaschine an und ging danach ins Bad. Als er seine Morgentoilette erledigt hatte und sich eine Tasse Kaffee eingoss, betrat Kris den Raum. Seine Augen waren geschwollen und sichtlich gerötet, so als hätte er die Nacht über noch ziemlich lange geweint. Etwas was ihm das Herz zusammenschnürte. Auch wenn der Dunkelhaarige ihn mit seiner beinah Aussage ziemlich getroffen hatte, er wollte nicht, dass sein Freund wegen ihm weinte. Das hatte er noch nie gewollt. Kris sollte bei ihm glücklich sein und sich wohlfühlen…- Und obwohl er das immer noch wollte, waren sie im Moment von diesem Wunsch weit entfernt. »Morgen.«, meinte er nur und stellt sich dann ein kleines Frühstück zusammen. Der Angesprochene sah ihn unsicher an und krächzte dann ein: »Guten Morgen.«, ehe er ins Bad ging. Erst als Luca bereits mit essen fertig war, kam Kris angezogen und geschminkt wieder in die Küche. Er sah genauso schrecklich verunsichert aus, wie an dem Tag an dem sie sich kennengelernt hatten. »Luca ich …-« Doch der Rothaarige unterbrach ihn schnell mit einem Kopfschütteln. »Vergiss was ich gestern Abend gesagt habe. Ich war verletzt und gestresst vom Tag… natürlich kann ich dir nicht vorschreiben wie du die Beziehung führen willst.« »Aber ich will doch -« »Lass uns später darüber reden, ja? Ich muss jetzt los!«, trat Luca die Flucht nach vorne an und gab dem Jüngeren noch einen flüchtigen Kuss, ehe er die Küche verließ. Wenn sie sich jetzt noch einmal stritten, würde er die Arbeit für heute vergessen können. Dabei hatte er vor allem mittwochs immer wichtige Kunden. Er ging aus dem Haus ohne Kris noch einmal Tschüss zu sagen und fühlte sich schlechter als eben noch nach dem Aufwachen. Wie konnte das nur so weit kommen? Wieso lief er jetzt schon vor seinem Freund davon? Luca kam nicht einmal eine Viertelstunde später an seinem Laden an. Schon von weitem konnte er seinen Praktikanten auf den Stufen sitzen sehen. Ein seltsames Gefühl von Freude machte sich in ihm breit, als der andere ihn entdeckte und lächelnd aufsprang. »Guten Morgen.« »Morgen!« Er fühlte sich plötzlich wie der Verräter seiner eigenen Liebe. Aber der andere sah auch einfach nur toll aus. Seine leicht umschminkten, tannengrünen Augen leuchteten fröhlich, als er ihn begrüßte. Und alleine die Freude über diese Begrüßung machte ihm ein schlechtes Gewissen. Noch immer sah er Kris vor seinem geistigen Auge, der so verunsichert und nachgiebig vor ihm stand. Nur ihn wollte er haben… nur ihn sollte er begehren und – »Luca?«, fragte Noah vorsichtig und sah ihn erstaunt an. »Alles okay?< »Was? Sicher! Lass uns reingehen!« Er versuchte seine Unsicherheit über die Situation und seine unterschwellige, schlechte Laune zu verbergen, als er aufschloss und vor seinem Neueinsteiger den Laden betrat. »Was gibt es heute überhaupt alles zutun?«, wollte der Schwarzhaarige wissen, als er seine Sachen abgelegt hatte. Luca fuhr ihre Rechner hoch und begann seinen Praktikanten in seine heutigen Aufgaben einzuweisen. Nachdem er damit fertig war, betrat bereits die erste Kundin den Laden. »Ich würde ihnen das braune Kleid hier empfehlen, meine Dame.«, erklärt Noah gerade Lucas Stammkundin, die sich bereit erklärt hatte den Praktikanten eine Chance zu geben. Natürlich hörte der Rothaarige aufmerksam zu, während er sich im Hintergrund hielt. »Sie sind ein Herbsttyp und die kastanienbraune Farben und auch alle dunkleren Töne betonen besonders gut ihre Augen und ihren Teint.« Der andere war wirklich gut, musste Luca eingestehen. Auch wenn er etwas kritisch sprach, fühlte sie die Frau sichtlich geschmeichelt. Sein Charme war deutlich zu spüren, als er der Frau ein Kleid sowie ein dazu passendes Tuch verkaufte. Und um ehrlich zu sein war er begeistert von seinem neuen Mitarbeiter. Als die Kundin glücklich und um fast hundert Euro ärmer den Laden verließ, ging er auf Noah zu. »Findest du das richtig?« »Was meinst du?«, fragte der Angesprochene und sah ihn unsicher an. »Du hättest ihr das Tuch gar nicht verkaufen müssen…« »Ich weiß.«, gab Noah zu. »Aber es hat wirklich gut zu ihr gepasst und es hat ihr gefallen! Ich wollte nur, dass du zufrieden bist…« Diese Argumente brachten ihn zum Lachen und er klopfte dem etwas verwirrten jungen Mann auf die Schulter. »Alles gut. Ich bin begeistert von deinem Umgang mit den Kunden. Ich denke ich setze dich auch hier im Verkaufsbereich ein, wenn du dich erst einmal richtig eingearbeitet hast.« »Ich…- Was?« »Du hast schon richtig verstanden.« »Ah!«, stieß Noah einen Freudenschrei aus und sprang den Rothaarigen um den Hals ehe er begeistert auf und ab hüpfte. »Ich bin dabei!« Die unbekümmerte Begeisterung brachte Luca zum Lächeln. »Ja, sicher.« Es verging der ganze Vormittag in denen sie stumm an den neuen Designs arbeiteten und neue Waren einsortierten. Er hatte noch nie einen so fröhlichen und wissbegierigen Menschen wie Noah Jäger kennengelernt, da war Luca sich sicher. Er war mit der Arbeit seines neuen Praktikanten sehr zufrieden und auch als Menschen fand der den Schwarzhaarigen sympathisch. Sie schienen sich einfach zu ähnlich zu sein um sich nicht zu verstehen. Und das war gut so… »Wollen wir erst einmal Pause machen?«, lächelte Luca und nahm den anderen die Stoffrolle ab, die dieser gerade ausgewickelt hatte. »Oh… klar.«, stimmte er sofort zu. »Ich…« Noah wurde von einem Klingeln unterbrochen, das anscheinend von seinem Handy kam. Er errötete leicht, als Luca aufgrund seines Klingeltons die Augenbrauen hob. »Kleinen Moment!«, meinte er peinlich berührt und unterbrach mit einem Knopfdruck Bill Kaulitz, der gerade durch den Monsun in die Boxen schrie. »Hallo Ma«, begrüßte er und drückte sein Handy dicht ans Ohr. »Oh… Achso? Nein, alles gut bei mir. Ich komme nach der Arbeit noch einmal vorbei okay? – Nein, Nicki geht es gut… ich pass schon auf ihn auf… ja, okay. Bis später… ich liebe dich auch.« Er legte auf und für einen Augenblick wirkte seine Stimmung bedrückt. Doch nur wenige Sekunden später, schien er sich wieder gesammelt zu haben. »Gehen wir dann?« »Klar.« Luca folgte ihm aus dem Laden und schloss sein Heiligtum dann hinter sich ab. Auf den Weg zu seinem Stammlokal, welches er immer in seiner Pause besuchte, schielte er seine Begleitung von der Seite an. Irgendwas hatte sich verändert… »Tokio Hotel also? Dein Ernst?«, fragte er belustigt und stieß den anderen im Gehen an. Wieder sah er die Röte in die Wangen des Schwarzhaarigen steigen. Er musste zugeben, dass es Noah sehr gut aussah, wenn er so verlegen war… »Ja, na und?! Hast du was dagegen?« »Nein… jeder hat seinen eigenen Geschmack. Ich war nur etwas überrascht.« Nun warf ihm der andere auch einen kurzen Blick zu. »Wieso?« »Weiß nicht, ich hätte halt was anderes erwartet.« Nach dieser kleinen Unterredung, die eigentlich viel und nichts gesagt hatte, hatte sich auch die Stimmung irgendwie wieder normalisiert. Luca führte Noah in sein Stammrestaurant und setzte sich dann mit ihm an seinen Stammtisch. Sie bestellten ihr Mittagessen und unterhielten sich gut. Es passte von der ersten Minute an, dass hatte er ja gleich gespürt, aber warum fühlte er sich verdammt noch mal so gut? »Okay… da ich dein Chef bin und noch nichts von dir weiß, werde ich dich jetzt ausfragen…«, grinste er und nippte an seinem Eistee. »Aber ich - « »Keine Widerrede, jetzt! Was ist deine Lieblingsfarbe?« »Hellblau.« »Wieso?« »Äh… weil ich den Himmel gern anschaue?« »Ok. Lieblingsessen?« »Kaiserschmarn und Apfelmus.« »Lieblingsband oder Musiker?« » Tokio Hotel.« »Wenn du ein Superheld wärst und dir eine übernatürliche Kraft aussuchen könntest, welche würdest du nehmen?« Diese Frage war eher als Scherz gemeint, einfach um die schon lockere Stimmung noch entspannter werden zu lassen. Einfach weil Luca es genoss… So ausgelassen hatte er sich schon lange nicht mehr unterhalten. Doch Noah schien nach der ersten Überraschung ernsthaft darüber nachzudenken. »Fliegen denk ich…« »Mhm… hast Recht, die ist wirklich cool. Und was ist dein Hobby?« »Ich lese ziemlich viel und zeichne auch etwas... ist das eigentlich ein richtiges Hobby?« »Ja, finde ich schon.« Der Schwarzhaarige lachte. »Jetzt bin ich aber dran mit fragen…« »Okay… dann leg mal los!« Die nette Mittagspause war schnell vorbei und als die beiden in den Laden zurückkehrten, holten ihn fünf eingegangene Anrufe von Kris in die Wirklichkeit zurück. Seufzend schlug er die Akten auf und versuchte sich darauf zu konzentrieren, aber es gelang ihm einfach nicht. Was der Kleine wohl gewollt hatte? Ob er noch einmal hatte reden wollen? – Eigentlich brauchte er einfach nur zurückzurufen um es zu erfahren, doch irgendetwas blockierte wieder seine Gedanken. Alles was er versuchte war bis jetzt gründlich schief gegangen… wenn er Kris wegen einer Dummheit verlor, würde er sich das nicht verzeihen. Vor allem nicht, wenn es seine Schuld sein würde… Ohne das er es wirklich beabsichtig hatte, hatte er sein Word Dokument geöffnet und begann ohne tippte drauf los ohne weiter zu zögern: Ich vermisse dich. Ich vermisse es dein Lachen zu hören. Dich auf mich zulaufen zu sehen, wenn wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben. Deine glänzenden Augen, wenn du mir von deiner Mutter erzählst. Ich vermisse deine Stimme und vor allem vermisse ich das Gefühl deiner weichen, warmen Haut unter meinen Fingern. Ich vermisse es dich zu küssen. Morgens direkt nach dem Aufwachen, beim Frühstück, zum Abschied wenn ich mich auf den Weg zur Arbeit mache. Ich vermisse deine Anrufe während meiner Mittagspause und ich vermisse dein strahlendes Gesicht, wenn ich nachmittags wieder nach Hause komme. Deine Umarmungen, das Kuscheln vor dem Fernseher… Ich vermisse es, mich mit dir zu unterhalten während wir zu Abend essen, ich vermisse die Neckereien, das Geflirte, die warmen Worte und ich vermisse es mit dir einfach in das Auto zu steigen und hinzufahren, wohin der Wind uns trägt… das haben wir immer so gerne gemacht. Deinen schönen Körper ganz nah an mich geschmiegt und dein Kopf auf meiner Schulter zu spüren... Ich möchte so gerne mit dir zu schlafen. Spüren wie du dich unter mir windest, deine liebliche Stimme hören...- , ich vermisse deine Lippen auf meinen, die sich so weich anfühlen und völlig natürlich gegen meine bewegen. – »Luca? Hey… alles okay?« Er sah auf und sah Noah genau hinter sich stehen. Wie lange war er weg gewesen? Hatte der andere etwa alles mitbekommen? »Hast du Ärger mit deiner Freundin?«, wollte er leise wissen und trat einen Schritt näher. Also hatte er es doch gelesen… »Meinem Freund…«, murmelte er abwesend und dachte an Kris. Es tat so weh zu wissen, dass es dem Kleinen nicht gut ging. Aber wirklich besser ging es ihm ja auch nicht und wie immer konnte er sich nur fragen wie es dazu kommen konnte. Noah legte seine Skizze – die er ihm wahrscheinlich hatte zeigen wollen – auf den Schreibtisch und schloss ihn dann kommentarlos in die Arme. »Tut mir Leid.«, sagte er nur. Mehr sagte oder tat er nicht. Doch das reichte, denn plötzlich löste sich seine Anspannung und Luca hatte wirklich damit zu kämpfen nicht los zu weinen. So hatte er sich nach dem Tod seines Vaters nicht mehr gefühlt. »Schon…- schon gut, danke.«, krächzte er und trennte sich schwerfällig von dem anderen. Auch wenn alles in ihm schrie, sich an diesen tröstenden Körper zu drücken und einfach die Augen zu schließen. Aber das war lächerlich. Er wollte Kris… nur Kris… »Ich gehe jetzt nach Hause, ja? Mach nicht mehr so viel… wir machen morgen weiter… heute kann ich mich eh nicht mehr konzentrieren.«, sagte er und legte den Schüssel auf den Tisch. »Hier, schließ dann zu.« Noah nickte nur und ließ ihn gehen. Immer wenn er nicht mehr wusste wo er hingehen sollte, kehrte er in das Haus zurück, in dem sein Glück angefangen hatte. Und dort brauchte man nicht klingeln, denn man wurde meistens schon von weiten gesehen. »LU! LU!«, schrie Lara Selina hell. Sie kam ihm entgegen gerannt und ließ sich von ihm auf den Arm nehmen. Auch Lucie und Renate kamen aus der Tür. Anscheinend hatten sie gerade irgendwo hingewollt, jedenfalls waren sie ziemlich ausgehfertig angezogen. »Hey… stör ich?«, fragte er leise, während er die Kleine auf seinen rechten Arm setzte und lächelte, als sie sich an seine Wange schmiegte. »Du störst nie.«, rügte Renate ihn sanft und musterte ihn dann sehr kritisch. »Was ist passiert?« »Ich…- können wir reingehen?« »Natürlich.« Die vereinte Familie Linton ging wieder ins Haus und endlich konnte Luca sich aussprechen. Lara spielte unbeteiligt auf dem Teppich und stapelte ihre Bauklötze aufeinander, um sie dann direkt wieder umzuwerfen. Aber Lucie und seine Tante hörten ihn sehr aufmerksam zu und da beide Kris kannten (und auch das offizielle von seiner Vorgeschichte), konnten sie ihn auch besser verstehen als jeder andere. Und alleine das half ihm jetzt. Keine mitleidigen Blicke oder nicht helfende Kommentare… »Ich denke, dass ihr euch einfach einmal aussprechen müsst.«, sagte Renate nachdem er geendet hatte und schüttelte den Kopf. »Ihr redet vielleicht einfach zu oft aneinander vorbei.« »Wenn das so einfach wäre, Rena…«, seufzte er und hob Lara hoch, die versuchte sich an seinen Hosenbeinen hochzuziehen. »Langsam Lina! - …Ich habe es schon versucht… es ist wahrscheinlich im grässlichsten Streit geendet, den wir je hatten.« »Oh…« »Ja,… oh.« Er setzte seine kleine Schwester rittlings auf seinen Schoß und begann mit ihr ´Hoppe, Hoppe Reiter´ zu spielen. Die Kleine juchzte begeistert, als er sie nach unten fallen ließ, ihr jedoch noch im richtigen Moment noch unter die Arme griff, sodass sie nicht mit voller Wucht auf den Teppich knallte. »Vielleicht kann ich noch einmal mit ihm reden, hm?«, schlug Lucie nun vor und lächelte. »Ich denke es hilft euch schon, wenn jemand unparteiisches die Fronten klärt.« »Ich weiß nicht…« »Komm schon, lass es mich wenigstens versuchen oder denkst du es kann noch schlimmer werden?« »Nein… nein, das kann es wohl nicht.«, gab er schließlich zu und fühlte wie sich sein Brustkorb zusammenzog. Diese Erkenntnis traf ihn tief… schließlich hatte er sonst nie Hilfe gebraucht, wenn es um Kris ging. »Dann rede du mit ihm…<< Kapitel 2: In Abwesenheit ------------------------- Es war Freitag geworden; schneller als er es selber realisiert hatte. Inzwischen waren – jedenfalls hatte er das sichere Gefühl – Noah und er sich ein wenig näher gekommen. Man konnte fast behaupten, dass sich so etwas wie eine junge Freundschaft aus der erst ungewollten Mitarbeit entwickelt hatte. Und das war ein wirklich gutes Gefühl. Auch wenn die Sache mit Kris noch immer eher in die falsche Richtung lief, jetzt hatte er noch jemanden mit dem er darüber reden konnte. Mal abgesehen von seiner Familie versteht sich. Doch seit ihrem Gespräch hatte sich Lucie nicht mehr bei ihm gemeldet. Ob sie schon mit Kris gesprochen hatte? Im Moment war es schwierig das einzuschätzen, da er selber seinem Freund ziemlich aus dem Weg ging. Einfach aus Angst, er könnte wieder etwas Falsches sagen oder tun. Um nichts in der Welt wollte er die Beziehung aufgeben, die er jetzt mit dem anderen führte, auch wenn er im Moment nicht mehr zufrieden war. Aber er liebte den Dunkelhaarigen noch und würde es wohl auch immer tun. Es musste einfach eine Lösung geben! Sobald er diese für sich gefunden hatte, musste er sich wohl erst einmal bei Kris entschuldigen, der schon seit fast zwei Nächten alleine schlafen musste. Aber er konnte im Moment einfach nicht bei ihm schlafen. Sein Körper verriet ihn jedes Mal, wenn er an seinen Freund dachte und sich vorstellte was sie hätten haben können. So konnte das auf keinen Fall weitergehen! Luca bog um die Ecke und hatte den Laden schon im Blickfeld, als ihm auffiel das Noah nicht wie üblich auf den vorderen Stufen auf ihn wartete. Ob er wohl zu spät kam? An seinem Geschäft angekommen sah er noch einmal nach links und rechts, ehe er aufschloss und begann die Jalousien der großen Fenster zu öffnen. In dem Moment, als das Licht durch die Schaufenster einfiel, klingelte sein Handy. »Ja?« »Hey, ich bin´s«, hörte er die Stimme seiner Schwester am anderen Ende sagen. »Lucie? Von welchem Handy rufst du denn an?«, fragte er Stirn runzelnd. Er konnte nichts dagegen tun, dass sein Herz anfing schneller zu schlagen, als ihm bewusst wurde warum er seine Schwester gebeten hatte ihn anzurufen. »Ach, das ist das Handy von einer Freundin, aber das ist auch egal! Ich habe gestern mit Kris gesprochen. Wir haben uns zum Abendessen verabredet.« »Aha.« Luca konnte nicht umhin zu seufzen. Nicht einmal das hatte er mitbekommen. In seiner ständigen Flucht vor dem Jüngeren hatte er dessen Freizeitgestaltung völlig aus den Augen verloren. »Er hat mir erzählt das er zurzeit viel jobbt um etwas dazu zu verdienen, weil er nicht will das du alles für ihn mitbezahlen musst.« Ja, das klang wirklich nach Kris. »Und er meinte, dass er furchtbare Angst hätte, dass du dich trennen willst. Du würdest ihn wohl aus dem Weg gehen und ständig überall anders sein nur nicht bei ihm in der Wohnung. Er ist total fertig und hat geweint… so aufgelöst habe ich ihm seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen, Luca. Ihr solltet wirklich darüber reden. So schadet ihr euch doch nur gegenseitig.« »Ich weiß doch«, meinte der Rothaarige resigniert und fuhr sich über die Stirn. »Aber das ist nicht so einfach wie du das gerade darstellst, Lucie.« »Ach nein? Was könnte daran schwierig sein? Du darfst nicht vergessen das er David dieses Mal nicht an seiner Seite hat… er hat keinen außer dich Luc.« »Danke, du bist ausgesprochen hilfreich!«, knurrte er und biss sich auf die Lippen. »Das weiß ich selber, aber wenn ich ihn zurzeit ansehe, dann bin ich total unzurechnungsfähig… ich will ihn so gerne nah bei mir haben und er ist so abweisend. Letztes Mal – « »Sorry das ich zu spät bin! Guten Morgen!« Luca wand sich zu Noah um, der gerade durch die Tür kam und ihn kurz umarmte. Dann blickte er ihn entschuldigend an, als er das Handy in der Hand des älteren sah. »Luca?« »Ähm… ja sorry. Noah ist grade angekommen.« »Der Praktikant von Mum?« »Genau der… ich denke ich muss mal anfangen. Danke für den Anruf, ich komme demnächst wieder mal vorbei.« »Okay. Aber überleg dir das nochmal mit dem Reden, ja?« »Klar. Tschau.« »Ja, tschau. Hab dich lieb!« »Ich dich auch.« Er steckte sein Handy weg und dachte an Kris. Was er wohl gerade tat? Ob er auch an ihn dachte und sich fragte was er machte? Oder war es dem Kleineren schon egal geworden – Was dachte er da eigentlich?! »Hey, Luc. Alles in Ordnung bei dir?« Er sah auch und Noah stand vor ihm und musterte ihn besorgt aus den tannengrünen Augen. Im Moment war er – mal abgesehen von Lucie und Lara – der einzige Mensch, der ihn zum Lächeln bringen konnte. Er wirkte auf seine Art wie ein Kind und doch schon so unglaublich erwachsen für einen Zwanzigjährigen. »Ja, alles gut. Ich bin nur mit den Gedanken noch nicht ganz hier.« »… sondern wieder bei Kris«, nickte Noah und sah ihn undefinierbar an. »So ungefähr«, stimmte er zu und lächelte dem anderen schief zu. Eigentlich wusste der andere alles über seine Beziehung mit Kris, außer dem Grund für dessen Berührungsängste. So etwas würde er wohl nicht einmal seinen besten Freund anvertrauen. Schließlich ging das nur Dunkelhaarigen und ihn selbst etwas an. »Willst du darüber reden?« »Im Moment nicht, nein. Wir müssen endlich anfangen… in zwei Stunden kommt die Kundin und ich bin noch immer nicht zu dem Entwurf gekommen.« Noah beließ es dabei und folgte der Aufforderung seines Chefs. Doch auch wenn Luca sich wirklich versuchte zu konzentrieren, konnte er es nicht hundertprozentig. Kris spukte in seinem Kopf herum und nahm den Großteil seiner Gedanken ein. Was würde er nur tun, wenn die Beziehung zu Ende ging? °°° »Hab ich was verkehrt gemacht?«, wollte sein Freund verunsichert wissen und sah ihn an. Irgendwie konnte er dem Dunkelhaarigen nie lange böse sein. »Das fragst du noch?«, meinte er mit Grabesmiene und versuchte sich nicht anmerken zulassen, dass er eigentlich schon wieder ziemlich friedlich gestimmt war. »Ich…« Kris brach ab und schien zu überlegen was er verbrochen haben konnte. Bis jetzt hatte Luca noch nie ein Körperkontakt, der von dem Jüngeren ausging, verweigert. Doch er schien nicht wirklich auf ein Ergebnis zu kommen. »Weißt du was das wichtigste in einer festen Beziehung ist?« »Ähm… Liebe?« »Ja. Und nach der Liebe steht das Vertrauen. Wieso vertraust du mir nicht?« »Wa-« Der andere sah ernsthaft entsetzt aus. Schon wieder begann er zu zittern. Ein klares Zeichen, das er maßlos überfordert mit der jetzigen Situation war. »Aber ich vertraue dir doch! Was-… wieso denkst du ich würde es nicht tun?!« Luca lächelte bitter. »Wieso hast du dann die Flucht ergriffen, als ich mit Daniel gesprochen habe?« Kris wurde blass und blickte zur Seite. »Ich… mir war nicht gut und ich wollte nur kurz frische Luft schnappen.« »Und das ist dir eingefallen als Daniel mir etwas ins Ohr gesagt hat und seine Hand auf meinem Bein war?« Luca war klar, dass er hart war. Aber er sah keine andere Möglichkeit um die wahren Gefühle aus dem Kleineren zu locken. »Da – das war nur Zufall.« »Also hast du nichts dagegen, wenn ich mich mit ihm treffe? Er hat mir seine Nummer gegeben«, fragte er diabolisch und hoffte das er nicht zu weit ging. Der Dunkelhaarige sah ihn an. Seine Lippen bewegten sich und es kam kein einziges Wort heraus. Er schien vollkommen unter Schock zu stehen… oder? »Kris?« Er trat einen Schritt näher und berührte seinen Freund an der Wange. Überrascht keuchte er auf, als der andere sich gegen ihn warf, seine Arme um seinen Nacken schlang und ihn innig küsste. Er umschlang den zierlichen Körper und erwiderte den leidenschaftlichen Kuss. Eigentlich war er solche Initiative von dem anderen gar nicht gewöhnt. Im Normalfall war er es, der solche Zärtlichkeiten anfing… »Nein… triff dich nicht mit ihm.«, nuschelte Kris gegen die Lippen des Rothaarigen. »Ich will nicht, dass du dich mit ihm triffst. Bitte-… du … du sollst nur mir gehören.« Das brachte Luca nun doch zum Glucksen. »Was für ein dummer Wunsch. Natürlich gehöre ich nur dir. Wem denn sonst?« Damals bei der privaten Feier, als David und er ein paar Freunde eingeladen hatten, hatte er zum ersten Mal erlebt, dass Kris wirklich eifersüchtig werden konnte. Doch anders als die meisten Menschen, machte er seine Ansprüche nicht geltend, sondern focht die Unzufriedenheit mit sich selber aus. Aber das war okay, wenn er noch viele solcher eifersüchtigen Küsse bekam… °°° Die Zeit verging an diesem Freitag nur sehr schleppend. Luca war nur froh darüber dass er die meisten seiner Kundinnen und Kunden an Noah übergeben konnte – mit der Ausrede diesen einarbeiten zu müssen. Aber wenn er ehrlich war, brauchte der Jüngere nirgendwo mehr eingearbeitet zu werden. Mit der schnellen Auffassungsgabe und seinem immer so weltoffenen Lächeln, war er bereits in dieser kurzen Zeit ein fester Bestandteil des Ladens geworden. Und dieser Junge war auch einfach unglaublich. Immer wenn er lachte, ging die Sonne auf und er schaffte es Menschen in jeder Lage und jeden Alters im Nu aufzumuntern und in seinen Bann zu ziehen. Dazu brauchte er nur ein einfaches Lachen und diese Art von Humor, die schon ans „Verrückt – sein“ grenzte. Doch es war erfrischend. Er war genau das komplette Gegenteil von Kris und doch wirkte er genauso anziehend auf Luca wie sein Freund damals. »So! Die letzte Kundin aus dem Haus! Wie sieht´s aus? – Feierabend?!«, rappte er und grinste den Rothaarigen dreist an. »Klar, aber mach das nie wieder. Das klingt furchtbar.« Noah zog einen Fluntsch. »Verspotte nicht meine Rap Kunst, du Banause!« Allein diese Grimasse brachte Luca zum Lachen. »Okay… verzeih! Aber das ist einfach nicht mein Musikgeschmack.« »Hm, wäre ein Feierabendbier mit mir dein Geschmack?« »Sicher.« Sie räumten den Laden auf, machten die Jalousien zu und verstauten die Schilder, die immer vor dem Laden standen, im Eingangsbereich. Dann gingen sie gemeinsam zu Lucas Auto und stiegen ein. »Wohin wollen wir gehen?«, wollte Luca wissen während er sich anschnallte und den Sitz in die richtige Position brachte. »Ähm… keine Ahnung. Überrasch mich!« »In Ordnung«, meinte er amüsiert und parkte das Auto aus. Eigentlich war ihm weder nach Disco noch nach Kneipe. Er wollte lieber Zeit mit dem anderen allein verbringen und mit diesem Reden. Wenn er es recht betrachtete, wusste er noch nicht viel über Noah. Schließlich waren die meisten Pausengespräche über Kris und seine Beziehung gewesen. Eigentlich war das traurig… »Ähm… Luc. Wieso fährst du in den Wald?«, fragte Noah plötzlich von der Seite, als sie die Stadtgrenze passiert hatten und links in das Waldgebiet einbogen. »Muss ich mir jetzt Sorgen machen?« »Ich denke nicht.« »Du denkst?!« Anscheinend machte sich der Schwarzhaarige wirklich Sorgen, denn seine Stimme klang plötzlich unnatürlich hoch. Luca lachte leise und stieß den Anderen mit dem Ellenbogen an. »Mach dir nicht ins Hemd, wir sind gleich da!« Tatsächlich bremste er das Auto auf dem nächsten Feldweg ab und parkte es. Dann stieg er aus und lief um den Wagen herum um Noah die Tür aufzumachen. Irgendwie fühlte er sich merkwürdig nervös. »Warum sind wir hier?«, stellte der andere sofort die nächste Frage und sah sich unruhig um. Er stieg auf Lucas geheißen aus und sah zu wie dieser den Wagen verschloss. »Luca, ernsthaft. Ich hab keinen Bock mehr… sag mir was wir hier wollen!« Auch wenn er nicht wusste warum machte es ihm plötzlich wirklich Spaß den anderen ein wenig zu necken. Deswegen ging er einen Schritt näher auf ihn zu und hauchte in sein Ohr: »Vertraust du mir denn nicht?« Noah erschauderte und packte seinen Arm. Auf das Knistern, welches unwillkürlich zwischen ihnen herrschte, war Luca allerdings nicht gefasst gewesen. »Du hast mir noch keinen Grund dazu gegeben… also sag mir, was ich hier soll.« »Mein Vater hat eine Hütte hier im Wald, die ist nicht mehr weit weg. Als er noch gelebt hat, bin ich hier immer mit ihm am Wochenende gewesen um zu jagen«, erklärte er nun doch bereitwillig. Anscheinend schien der andere ja wirklich Angst zu haben. »Mir war einfach nicht nach diesen vollgestopften Discos und Kneipen. Am Freitag ist es eh immer schlimmer als in der ganzen Woche. Deswegen dachte ich wir kommen hierher.« Der Schwarzhaarige nickte und ließ sich dann von ihm durch einen kurzen Waldabschnitt führen. Als die beiden in Sichtweite kamen, konnte er im Licht der Dämmerung das Leuchten in Noahs Augen sehen. »Scheiße! Das ist doch keine Hütte sondern ein Ferienhaus! Meine Fresse, ist das fett!«, rief er begeistert auf und stürmte auf das Holzhaus zu. Luca lachte über die offene Begeisterung und folgte ihm. All das hatte sich seit seinem letzten Aufenthalt mit seinem Vater vor fast vierzehn Jahren nicht verändert. Er vermutete mal, dass der Pächter dieses Gebiets sich gut um das Anwesen kümmerte, sonst würden wohl die Möbel nicht mehr aussehen wie frisch poliert. Alles war noch an Ort und Stelle und vermittelte den Neuankömmling das Gefühl in der Hütte eines Jägers angekommen zu sein. »Wow…«, staunte Noah und drehte sich im Kreis. Er schien hellauf begeistert von den Hirschköpfen an der Wand und den ausgestopften Tieren, die den Kaminsims zierten und musterte diese erst einmal genauer. Derweil ging Luca in die Küche und kam mit zwei gekühlten Flaschen Bier zurück. »Wie kommt es, dass ihr euch so etwas leisten könnt?!« »Meine Familie ist reich, ich dachte du wüsstest das«, meinte Luca schlicht und reichte dem anderen eine der Flaschen. »Schon… ich mein, mir war klar das ihr wohlhabend seit. Aber das spielt in einer ganz anderen Liga, Alter!« Luca wank ab und öffnete seine Flasche mit einem leisen „Plop“. »Ich bin nicht der Typ, der prahlt was er sich alles leisten kann, also hör auf mit dem Thema!« »Du bist doch bekloppt! Ich wäre froh, wenn ich mit so etwas prahlen könnte!« Luca lachte und ließ sich auf die breite Couch fallen, die gegenüber der Fensterfront stand. Über ihrer Rückenlehne hing ein Tierfell und kitzelte seinen Nacken. »Schau dir ruhig alles an, wenn es dir gefällt«, sagte er und dachte an die Zeit mit Kris. Am Anfang ihrer Beziehung hatte er seinen Freund öfter hierher mitgenommen, doch ihm hatte es niemals so gut gefallen wie jetzt Noah. Er hatte sich zwischen all den toten Tieren nicht wohlgefühlt und deswegen hatte Luca es schnellstens unterlassen mit ihm hier herauszufahren. Aber gesehnt hatte er sich nach dieser Hütte immer ein wenig, einfach weil es für ihn in seiner Kindheit ein Stückchen Freiheit bedeutet hatte. »Komm, lass uns auf eine gelungene Woche anstoßen!«, riss Noah ihn aus seinen Gedanken und ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen. Sie stießen mit ihren Flaschen an und tranken jeder einen großen Schluck. Irgendwie hatte Luca das Bedürfnis näher an den anderen heran zu rutschen um ihn besser sehen zu können, denn inzwischen war es beinah stockdunkel. Aber was dachte er denn da?! Als Noah sich streckte und sein Knie das von dem Rothaarigen berührte, stob in seinem Magen ein Schwarm nicht identifizierbarer Flugobjekte auf. Aber was fühlte er denn da?! Drehte er jetzt völlig durch?!? Sie saßen eine ganze Weile so nebeneinander und redeten über Gott und die Welt. Einer der Gründe weshalb Luca dem anderen so verfallen war, war die Gegebenheit, dass man sich über eben alles mit ihm unterhalten konnte. Es wurde niemals langweilig! Bei ihren fünften Bier beschlossen sie auf Bruderschaft zu trinken und auch die Tatsache, dass der Kuss (eigentlich wollte er Noah auf die Wange küssen, doch dieser war schneller) länger dauerte als gewöhnlich und er die Lippenpircings des anderen spüren konnte, fand er nicht besonders schlimm. Im Gegenteil… Wie hatte dieser ehrlich gemeinte Abend nur so aus dem Ruder laufen können? »Sag mal, hast du das gerade gesehen?«, wollte Noah wissen, der ziemlich dicht an ihm dran saß. Seine Schultern berührten die des Rothaarigen und dieser Kontakt ließ einen angenehmen Schauer über seinen Rücken krabbeln. »Ne, was denn?«, entgegnete er und musste zugeben, dass er sich bereits leicht angetrunken fühlte. Inzwischen hatte er die sechste Flasche in seiner Hand. »Na den Schatten da am Fenster?!« »Was? Ne, hab ich nicht!« »Scheiße! Was war das denn?« »Höchstwahrscheinlich der Axtmörder, der hier sein Unwesen treibt.« »Verarsch mich nicht!« Noah war aufgesprungen und mit wenigen Schritten am Fenster um durch das große Frontglas hinauszuspähen. »Scheiße, dass ist viel zu dunkel, ich kann nichts sehen!« »Kunststück. Es ist fast zwei Uhr morgens.« »Man! Mach dich nicht über mich lustig sondern hil – Aahhh!« Der Schwarzhaarige unterbrach sich und schrie gellend auf, als Luca - sich von hinten anschleichend – ihn packte und im Kreis herumwirbelte. Die beiden fielen lachend zu Boden und rangen dort miteinander. »Du Arsch, ey! Wieso erschreckst du mich so!«, keuchte Noah und kämpfte sich nach oben. »Ich habe mich zu Tode erschrocken!« »Selber Schuld, du Angsthase!«, lachte Luca und sah hinauf in die grünen Augen des anderen. Plötzlich kippte die Stimmung und das Gesicht des Schwarzhaarigen wurde ernst und nachdenklich. Vorsichtig beugte er sich hinunter zu dem älteren und drückte seine Lippen erneut auf den anderen Mund. Luca erwiderte den Kuss und zog den Jüngeren ein Stück näher an sich heran. All die Sehnsucht, die in ihm tobte, war mit einem Mal freigesetzt und er schnappte leidenschaftlich nach dem Lippen des Schwarzhaarigen. Seine Hände fuhren an dessen Körper hinunter zu seinem Po und drückten den anderen Körper fester an den seinen. Noah stöhnte unterdrückt in den Kuss und ließ es zu, dass Luca seinen Mund in Besitz nahm. Ein heißes Zungenduell entstand und alles andere um sie war vergessen. Wie genau es dazu kam, wusste der Rothaarige im Nachhinein nicht mehr, doch irgendwann waren sie zurück auf dem Sofa… dieses Mal lag Noah unter ihm und stöhnte schmelzend seine Lust heraus, während er - seinen Po knetend - sich immer fester an ihm rieb. Ihre Hosen hingen ihnen in den Kniekehlen und nur Boxershorts war die letzte Hülle, die sie noch trennte. Ihre erregten Geschlechter rieben aneinander und peitschten die beiden immer mehr dem Höhepunkt entgegen. Der Schwarzhaarige spreizte seine Beine für ihn und bog seinen Rücken durch, als Luca begann seine Brustwarzen durch das T – Shirt hindurch zu reizen. Sein Stöhnen wurde immer lauter und drängender, stachelte den anderen immer mehr an und verführte auch den Rothaarigen seine Wollust kundzutun. Während er an den Hals des Jüngeren saugte und seinen Rhythmus noch mehr erhöhte, war seine rechte Hand unter das Shirt des anderen gewandert. Nur wenige Sekunden später, gelangten Beide fast zeitgleich zu ihrem Orgasmus. Völlig erschöpft brach Luca auf dem anderen zusammen und sog die seltsamen Geruchsmischung von Zitrone und grünem Tee in sich auf, die von dem Schwarzhaarigen ausging. Seine Hand lag noch immer auf der Brust des Unteren und er konnte das schnell pumpende Herz unter seinen Fingern fühlen. »Was war das?«, keuchte er völlig benebelt. »Ein Doppelorgasmus?«, fragte Noah verunsichert, jedoch genauso außer Atem wie er. Keiner der beiden bewegte sich und doch hatte sich alles verändert. Sein Gesicht hatte er noch immer an der Halsbeuge des anderen vergraben; vor seinen Augen der Knutschfelck, den er selbst gemacht hatte. Der andere Körper fühlte sich so warm und vertraut schön unter ihm an. Und tief unter dem Alkohol und dem Endorphin - Mix, der gerade sein Gehirn zum explodieren brachte, regte sich in Luca das schlechte Gewissen. °°° »Sag mal, darf ich dich etwas fragen?«, flüsterte Luca leise und zog seinen Freund enger an sich. Dieser schmiegte sich in seine Arme und seufzte. »Klar…« »Wie hast du eigentlich David kennengelernt?« Kris stutzte. »Wie kommst du jetzt darauf?« »Keine Ahnung. Die Frage beschäftigt mich eigentlich schon eine ganze Weile… ich hatte bloß nie wirklich Gelegenheit sie zu stellen.« »Hm.« Der Dunkelhaarige sah hinaus in die Ferne und schien zu überlegen. Inzwischen war die Sonne dabei aufzugehen, aber das störte ihn nicht. Im Gegenteil, in der beginnenden Morgenröte sah sein Freund sogar noch schöner aus als sonst. »Wenn ich dir etwas von mir erzähle, darf ich dir dann auch eine Frage stellen?« »Natürlich,… du darfst mich alles fragen.« »Okay.« Kris lächelte leicht und wand sich etwas zu ihm um. »Weißt du, meine Mum hat gerne in die Sternegeschaut und sich etwas von Sternschnuppen gewünscht. Sie glaubte fest daran, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen. Ich war ihre dritte Sternschnuppe die sich erfüllt hat und sie war unsagbar glücklich darüber.« »Woher weißt du das? Ich dachte - « »Das ich sie nicht kennengelernt habe? Das stimmt auch, sie ist vor meiner Geburt gestorben, aber sie hat ein Tagebuch geführt und… na ja, ich habe es immer noch. Ich lese gerne darin, weißt du? Und ich glaube auch daran, also das Sternschnuppen wünsche erfüllen können, meine ich. Nachdem ich es gelesen habe, habe ich es ausprobiert. Ich habe das Tagebuch mit elf gefunden, glaub ich… also noch bevor der ganze Terror mit den Männern und-… na ja du weißt schon…« »Ja.« »Ich habe angefangen Sternschnuppen zu sammeln. Es ist schon ziemlich lang her, dass ich damit angefangen habe und zu Beginn hat sich eigentlich nie einer der Sternschnuppenwünsche erfüllt, die ich hatte. Damals habe ich mir einen besten Freund gewünscht. Kurz darauf habe ich mir einfach jemanden gewünscht, der mich so lieben kann wie ich bin und den ich auch lieben darf. Beide der Sternschnuppen haben sich lange nicht erfüllt, aber ich habe sie trotzdem aufgehoben. Ich habe zwei Jahre gewartet… damals war das für mich eine wirklich lange Zeit … und habe irgendwann begriffen, dass sich meine Wünsche nicht erfüllen werden. Danach hab ich mir gedacht, dass ich mir vielleicht zu große Dinge wünsche. Zwei Sternschnuppen mit ziemlich großen Wünschen, die sich nicht so recht erfüllen wollten. Bis ich vierzehn geworden bin. I Damals hat der Ärger in der Schule so richtig angefangen, durch die Lehrerumstellung und die stärkeren Schüler haben sich ein Opfer gesucht. Ich war ideal für die Wahl und – na ja, das weißt du ja. Damals gab es nur drei Kategorien von Schülern: die Täter, die Opfer und die Neutralen. Mehr nicht… wenn man sich für jemand anderen eingesetzt hat, ist man automatisch in die zweite Kategorie. Inzwischen hatte ich meinen Wunsch vollkommen vergessen und eigentlich nur dafür gebetet, dass sie mich an diesem Tag nicht kriegen würden. Und als sie mich doch erwischt hatten und gerade dabei waren mein Essen auf dem Boden der Mensa zu verteilen kam David. Er hat die Schüssel - ich hab damals noch in der Kantine gefrühstückt und mir an diesem Tag Müsli genommen - aufgehoben und den Rest der Milch auf den Anführer gekippt. Danach hat er alle die doof geklotzt haben an gemault und ist mit mir Hand in Hand aus der Mensa geflohen. Er ist meine erste Sternschnuppe die sich erfüllt hat und die meinen Himmel zum leuchten gebracht hat.« »Das ist wirklich eine sehr schöne Geschichte.«, sagte Luca und küsste Kris auf den Scheitel. Dieser lächelte strahlig. »Aber das war nur die erste… und dann, als ich mit siebzehn aufgehört habe an irgendetwas zu glauben, kam meine zweite Sternschnuppe zu mir. Sie stand einfach so in meinem Klassenraum und hat sich als neuer Schüler vorgestellt. Ich habe mir einen Menschen gewünscht der mich lieben könne und einen den ich lieben darf und bekommen habe ich soviel mehr…« Luca schluckte hart. »Kris.« »Niemals hätte ich gedacht, dass sich meine Wünsche noch erfüllen würden, doch sie sind alle wahr geworden und jetzt bin ich so glücklich, weil ich dich habe.« Mit einem dicken Kloß im Hals zog er seinen Freund näher und küsste ihn innig. »Wenn du das so siehst, wärst du meine dritte Sternschnuppe.« °°° Als er am nächsten Morgen – besser gesagt Mittag – mit Noah zusammen auf der Couch aufwachte, fühlte er sich wie ein Schwerverbrecher. In seiner Panik hatte er den anderen beinah dort gelassen, wäre er nicht so geistesgegenwärtig gewesen und Luca hinterhergerannt, als er fluchtartig die Hütte verließ. Der Rückweg verlief schweigend. Den Rest des Wochenendes hatte er damit verbracht sich in seinem alten Kinderzimmer zu vergraben und sich selbst zu bemitleiden. Sein schlechtes Gewissen fraß ihn auf und auch wenn er sich für den Moment gut gefühlt hatte, würde er das vor sich selber niemals zugeben können. Er liebte Kris! Basta! Am liebsten wäre er ewig in diesem Bett liegen geblieben und hätte an die alte Zeit und den Anfang ihrer Beziehung sinniert, doch der Montag kam schneller als er erwartet hatte und schließlich musste er sich seinen Fehlern stellen. Stöhnend richtete er sich auf und schlurfte ins Bad, als sein Wecker klingelt. Als er sich geduscht, umgezogen, geschminkt und rasiert hatte, fühlte er sich wieder mehr wie ein Mensch. Er kochte noch schnell einen Kaffee und machte sich schließlich mit einen To– Go Kaffeebecher auf den Weg zu seinem Laden. Der Weg kam ihm unnatürlich lang vor und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie er den Jüngeren heute in die Augen blicken sollte. Noah saß bereits auf der ersten Stufe des Eingangs und wartete. Auch er hatte seinen Blick gesenkt und sah nicht einmal auf, als Luca schließlich ankam. »Morgen.« »Morgen.« Als der Rothaarige aufgeschlossen hatte, traten sie ein und begannen schweigend damit die Ladenöffnung vorzubereiten. Die Stille und die Spannung, die zwischen ihnen lagen waren spürbar und störend. So als könne man die Luft hier im Laden mit einem Messer schneiden. Doch was sollte er auch schon dagegen tun? Sie waren gerade dabei ein paar neue Skizzen im Computer mit den Beständen abzugleichen und er hatte Noah beauftragt diese in das neue Programm einzuspeisen. So war es leichter die Kunden optimal zu beraten und ihnen aus Anfrage auch verschiedene Designs per E – Mail zu schicken. Gerade als seine Gedanken wieder zu dem Gespräch zwischen Lucie und Kris wanderten klingelte ein Handy. Allein der Klang sagte ihm, dass es das von Noah sein musste, auch wenn ihm das Lied wenig bekannt vorkam. Schwarze Augen, schwarze Lippen du stehst vor mir! Lass die Zukunft nochmal kippen, lass uns weg von hier! Wir ham uns wir ham uns – »Ja?« Kurzen Moment Stille. »Was? Wann das denn?!« Wieder schwieg er und man konnte das Entsetzen praktisch in seinem Blick lesen. Das Leuchten in seinen Augen war fast vollkommen verschwunden. Was war denn los? »Ich muss arbeiten – ja, ich komme so schnell wie möglich. Okay… ich schreib dir dann. Ja, Tschau…« Luca bemerkte die Veränderung sofort. Er war schon immer darauf geeicht gewesen Stimmungswechsel bei einer Person zu fühlen. Vor allem weil seine jüngste Schwester sich nur mit Mühe artikulieren konnte. Aber bei Noah war es ziemlich einfach dadurch, dass er eigentlich immer gut gelaunt war und lächelte. Auch wenn er schon heute Morgen ziemlich bitter geschaut hatte, doch dafür gab es ja auch einen Grund. Dieses ernste Gesicht passte einfach nicht zu ihm und schien ihm völlig fremd zu sein. »Noah? Alles klar?« Der Angesprochene sah auf. »Ja, klar. Könnte ich heute vielleicht ein wenig früher gehen? Ich…- es ist was…« Luca nickte einfach nur. Wenn er es nicht erklären wollte, sollte er wahrscheinlich auch nicht auf eine Erklärung pochen. Und dass das Lächeln noch immer nicht zurückgekehrt war, machte ihm wirklich Sorgen. »Klar. Wenn du willst kannst du gehen, so bald du diese Skizze fertig hast.«, meinte er und lächelte aufmunternd, doch auch darauf erhielt er nur ein müdes Mundwinkelzucken des anderen. »Willst du darüber reden?« »Ich…«, setzte der Schwarzhaarige an, brach dann aber wieder ab. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Ich kann das nicht, tut mir Leid.« »Schon okay.« Schließlich war er es den anderen schuldig wenigstens zu fragen. Noah hatte sich schon so viel Mist von Kris und ihm angehört, dass es ihm beinah unfair vorkam, nicht nach dem Befinden des Jüngeren zu fragen. Doch er war kein Mensch der andere zwang über irgendetwas zu reden. Seine Erfahrung sagten ihm, dass die Person irgendwann von alleine kam, wenn sie zu reden bereit war. Nach einer halben Stunde des schweigsamen vor – sich – hin – Arbeitens, packte Noah schließlich seine Sachen und bedankte sich noch einmal, ehe er verschwand. Luca sah ihm nach und fragte sich was wohl so schreckliches passiert war, dass der andere so Hals über Kopf von der Arbeit floh. Kurz vor seinem Feierabend wurde Luca klar, dass er die Arbeit von heute niemals alleine schaffen würde. Er hatte sich einfach schon zu sehr daran gewöhnt einen Mithelfer zu haben, dass er weder schnell noch effizient genug arbeitete. Doch bei seiner jetzigen Situation kein Wunder, oder? Noch immer zermarterte er sich die Gedanken darüber, warum Noah diese Intimität zwischen ihnen überhaupt zugelassen hatte. Natürlich wusste er auch, dass Luca einen Freund hatte, doch da gab es doch noch einen anderen Grund oder? Den musste es einfach geben und irgendwie schreckte er immer davor zurück, wenn er ihm auch nur zu nahe kam,… Denn es gab nur zwei Möglichkeiten! Erstens: Noah war leichtlebig und einfach zu desinteressiert daran was mit ihm und Kris passierte. – doch allein die Tatsache, dass er Luca jedes Mal über sein Befinden ausfragte, sprach dagegen. Was ihn zu Zweitens führte: Noah hatte tiefere Gefühle für ihn als nur Freundschaft. – Nein! Darüber durfte man nicht einmal nachdenken!! Luca fuhr sich seufzend über das Gesicht und machte den Rechner aus. Wie hatte er nur damals all diese Arbeit alleine bewältigen können?! Er machte den Laden zu und ging dann mit schweren Gliedern zurück nachhause. °°° »Erzählst du mir jetzt von deinen Sternschnuppen?«, fragte Kris leise und kuschelte sich mehr in die Arme des Älteren. Inzwischen glühte der Himmel in einem flackernden rot und es war wirklich kühl geworden, auf ihren Balkon. Sie saßen noch immer auf dem breiten Sessel und schmiegten sich eng aneinander. »Sicher«, erwiderte Luca und breitete die Decke über ihnen aus, ehe er Kris wieder in die Arme nahm. »Meine erste Sternschnuppe - na ja… ich nenn sie jetzt mal so, weil du mich gerade darauf aufmerksam gemacht hast, dass sie genau das sind – ist eigentlich eine Doppelsternschnuppe. Damals als mein Dad starb wusste ich weder ein noch aus. Ich hatte eine kleine Schwester, die ich trösten musste und eine Mutter die zwischen zwei Extremen schwankte. Unsägliche Wut und unbändige Trauer. Damals habe ich versucht stark für die beiden zu sein und während meine Mutter sich nur so in die Arbeit von der Firma gestürzt hat – sie war wenn es hochkam drei Stunden am Stück zuhause -, musste ich auf Lucie aufpassen. Ohne sie hätte ich mich wahrscheinlich selber irgendwann aufgegeben. Doch mit ihr, hatte ich jemanden der mich brauchte. Immer wieder hat sie mich mit ihren großen Augen angesehen und gefragt ob ich traurig sei. Ich denke sie hat es damals mit ihren fast sechs Jahren einfach noch nicht ganz verstanden. Und dann ist Rena aus dem Nichts aufgetaucht… wie eine wirkliche Sternschnuppe. Eigentlich hatte sie nur von dem Ableben ihres Sohnes gehört und wollte zur Beerdigung im Land sein, – sie ist Diplomatin gewesen, musst du wissen – aber dann ließ sie sich ausweisen und hat ihre Rente beantragt. Sie blieb bei uns und hat mir ungemein geholfen über das alles irgendwie hinweg zu kommen. Hätte ich die beiden nicht gehabt, weiß ich nicht wo ich heute wäre.« »Woran ist denn dein Vater gestorben?«, fragte Kris unsicher und blickte ihn an. »Er hat sich erhängt.« Das sprachlose Entsetzen in dem Blick des anderen brachte ihn dazu schief zu lächeln. »Ich weiß bis heute nicht warum, aber er hat sich damals in seinen Arbeitszimmer erhängt, deswegen denke ich, dass es etwas mit der Firma zutun hatte. Er hat uns ohne ein Abschiedswort allein gelassen und ist geflohen…« »Ich… das tut mir Leid.«, stotterte Kris und als der Rothaarige sah, das seinem Freund wirklich Tränen in den Augen standen, küsste er sie weg. »Das muss es nicht. Es ist lange her und ich habe mich irgendwie damit arrangiert. Ich hatte ja meine beiden Sternschnuppen.« Luca lächelte zärtlich und streichelte den Dunkelhaarigen über die Wange. Der Vergleich war wirklich gut. »Meine zweite Sternschnuppe kam dann, als ich in die Siebtente ging. Ein Bekannter von Rena brachte ein kleines Mädchen in unser Haus, das er auf der Straße in seinem Einsatzgebiet aufgegabelt hatte. Sie war geistig behindert und wahrscheinlich genau deswegen von ihren Eltern ausgesetzt worden… wir schätzten sie auf zwei Jahre. Sie hat sich mit großen Augen umgesehen, ist dann auf mich zu gerannt und hat sich hinter mir versteckt. Sie wollte mich einfach nicht mehr loslassen. Und seitdem war sie festes Bestandteil unserer Familie.« Er drehte sich leicht, sodass er Kris besser in die Augen sehen konnte. »Tja und meine dritte Sternschnuppe saß plötzlich in meiner Klasse und hat mich aus diesen unsicheren Augen angeblickt. Ich habe mich sofort in sie verliebt, weißt du?« »Sag das nicht…«, nuschelte Kris und er konnte sehen, dass der Jüngere rot war. »Warum? Es ist doch die Wahrheit.«, grinste er und drehte sein Gesicht um ihn zu küssen. Der Dunkelhaarige ließ sich nachgiebig auf den Kuss ein und entspannte sich deutlich in seinen Armen. »Ich liebe dich.« »Ich dich auch!« °°° Er schlich sich wie ein Einbrecher in seine Wohnung und versuchte so wenig Lärm wie möglich zu machen, falls Kris schon schlief. Es brannte kein Licht, was ihn in dieser Annahme noch bestärkte. Und doch hätte er den Kleineren gerne wiedergesehen. Er war ihm in der letzten Woche wirklich immer aus dem Weg gegangen; wenn es hochkam hatten sie sich eine halbe Stunde vor dem zu Bett gehen gesehen, bevor er dann mit Noah diese Nacht in der Jagdhütte verbracht hatte. Wieso nur lief alles so schief zurzeit?! Vorsichtig öffnete er die Wohnzimmertür und knipste das Licht an, bevor er die Tür schnell wieder schloss damit kein Licht über den Flur ins Schlafzimmer drang. »Ach du verfluchte -«, rief er entsetzt aus, unterbrach sich aber als er erkannte, was sich da vor ihm abspielte. Sein Hirn brachte eine Weile um die Information zu verarbeiten. Dort saß Kris-… er war halbnackt und hockte auf den kalten Laminatboden. In der Ecke hinter der Couch neben der Lampe, kauerte sein Freund und wog sich hin und her. Es sah beinah so aus als hätte er einen Nervenzusammenbruch erlitten. Das Wohnzimmer sah ziemlich verwüstet aus. Überall lagen Gegenstände rum, die Regale waren ausgeräumt worden und die Zierkissen des Sofas lagen überall verteilt. Vor dem Fernseher lag ein zersprungenes Foto, welches sie Beide im Vergnügungspark zeigte. Hatte der Kleine wirklich die ganze Zeit hier gewütet und im Dunkeln hier herumgesessen, während seiner Zeit mit - ? »Kris?«, meinte er rau und fühlte wie ein tonnenschweres Gewicht sich auf seine Brust legte. Er ging auf den anderen zu immer darauf bedacht nichts von den Dingen zu zertreten, die ihm im Weg lagen. »Kleiner? Hey, was machst du denn da?« Kris sah ihn flackernd an und wich erschrocken zurück, als der Rothaarige nach ihm greifen wollte. Seine Augen sahen rot und verquollen aus und wirkten beinah starr. Es schien so, als würde er eine Art Zusammenbruch haben. »Mensch Kleiner.. was ist denn mit dir? Ist irgendwas passiert…, hey ich bins doch.« Er wich ein Stück zurück als sich Kris wieder ruckartig bewegte. »Lass mich… geh… lass mich in Ruhe…« Luca blickte ihn stumm an und stand dann wieder auf um in die Küche zu gehen und einen Tee zu kochen. Vielleicht sollte er warten bis Kris sich wieder beruhigt hatte. dann würde er wohl eher rausbekommen was passiert war. »Geh nicht weg! Lass mich nicht alleine!«, schrie es auf einmal aus der Ecke. Der Rothaarige stutzte und ging ein paar Schritte zurück. Er hatte Kris noch niemals so zerrissen erlebt wie in diesem Moment. Vorsichtig kam er wieder näher und berührte die nackte Schulter seines Freundes. »Komm, leg dich hin sonst erkältest du dich noch.« »Lass.. lass mich«, wimmere der Dunkelhaarige und begann immer stärker zu zittern. Luca runzelte die Stirn und beschloss, dass es Zeit war zu handeln. Sollte es sich wirklich um einen Nervenzusammenbruch handeln, musste er sofort etwas unternehmen. »Es reicht jetzt. Komm da vor. Du bist schon eiskalt.« Er packte den anderen und zog ihn hoch. Zu seinem Entsetzten war Kris viel leichter als in seiner Erinnerung. Das schlechte Gewissen schnürte ihn erneut fast die Luft ab. »Ich will nicht, ich will nicht, ICH WILL NICHT!«, brülle der Dunkelhaarige. Mit all seiner noch vorhandenen Kraft versuchte er sich aus dem Griff seines Freundes zu befreien und schlug um sich. Es waren erschreckend schlaffe Schläge die er einstecken musste und seine Sorge wuchs immer mehr. Er drückte Kris fester an seine Brust und ließ es zu, dass der andere mit den Fäusten auf ihn eintrommelte. Irgendwann jedoch lag er nur noch schlaff in seinen Armen und krampfte unter Tränen. Sanft strich Luca die verirrten Strähnen aus dem Gesicht des Jüngeren. »Das war ein echter Nervenzusammenbruch, Kleiner… ganz ruhig, ja? Am Besten legst du dich jetzt hin und ruhst dich aus«, flüstert er leise und liebevoll. Er trug den anderen hinüber ins Schlafzimmer und legte ihn aufs Bett. Von Kris kam keinerlei Reaktion mehr, als er ihn zudeckte und ihn vorsichtig auf den Mund küsste. »Ich bin eben in der Küche, ja? Ich mach uns einen Tee…« Luca wollte sich erheben, doch eine zierliche Hand krallte sich in seiner fest und hinderte ihn daran aufzustehen. »Geh nicht mehr weg… geh nicht weg von mir. Ich… bitte- ich liebe dich…« °°° Luca lag noch immer im Bett und streichelte seinen Freund, der sich inzwischen fest an ihn gepresst hatte. Seit gut zwei Stunden war er nun hier und wachte über Kris, der mit seinen Nerven völlig am Ende war. Warum war er nur so fertig gewesen? Etwa weil er ihm so ungewöhnlich lange aus dem Weg gegangen war?! Oder hatte er etwas gesehen… So ein Quark, was sollte er denn gesehen haben - »Luca…«, nuschelte Kris im Halbschlaf und drückte sein Gesicht in den Stoff seines T – Shirts. Er war verflucht nochmal ein Arschloch… Wieso musste er den kleinen so sehr verletzten?! In seiner Tasche vibrierte plötzlich sein Handy und in diesem Moment war er dankbar dafür, dass er noch nicht dazu gekommen war es laut zu stellen. »Ja?« »Wieso flüsterst du so?«, antwortete ihm die Stimme seiner Schwester. »Kris schläft…« »Dann bist du bei ihm! Gott sei Dank! Ich habe mir schon solche Sorgen gemacht, weil er seit dem Wochenende nicht mehr an sein Telefon gegangen ist!« »Echt?« »Ja, ich hab schon ein paar Mal versucht ihn anzurufen, aber immer ist die Mailbox dran gewesen! Wie geht es ihm?« »Bescheiden. Er hatte vor ungefähr zwei Stunden einen Nervenzusammenbruch und hat um sich geschlagen. Jetzt liegt er mit mir im Bett und schläft…« »Einen Nervenzusammenbruch?« »Ja…« »Scheiße, ich hätte ihm das nie erzählen dürfen!« »Lucie.« Irgendwie beschlich ihn gerade ein ganz übler Verdacht. »Ja, was denn?! Am Freitagabend hat er total fertig bei mir angerufen und gesagt, dass du immer noch nicht da warst. Er hat sich solche Sorgen um dich gemacht. Als ich dann deine SMS am Samstagmorgen bekommen habe, habe ich ihn noch einmal angerufen und ihm erzählt, dass du mit Noah in der Hütte warst, einfach das er sich nicht mehr so eine Platte machen muss.« »Du hast was?! Sag mal spinnst du jetzt total? Wieso erzählst du ihm sowas?!« »Schnauz mich nicht an, verdammt! Es ist nicht meine Schuld, okay? Würdest du vernünftig mit ihm reden und nicht flüchten wie ein Fünfjähriger, hätte ich ihm das gar nicht erzählen müssen. Und keine Sorge den Kuss habe ich weggelassen!« Luca seufzte auf. »Tut mir Leid. Du hast ja Recht, es ist alles meine Schuld. Danke, dass du dich um ihn gesorgt hast, Kleines. Ich meld mich später nochmal.« Damit legte er auf und steckte das Handy zurück in seine Hosentasche. Jetzt wusste er auch warum Kris diesen Zusammenbruch gehabt hatte. Es war der erste wirklich schwere nach fast eineinhalb Jahren gewesen. Wieso nur hatte er den wichtigsten Menschen in seinem Leben so verletzten müssen? »Es tut mir sehr Leid, mein Stern«, hauchte er leise und küsste die Schläfe des Dunkelhaarigen. »Ich liebe dich… ich bringe das wieder in Ordnung, versprochen.« In dieser Nacht tat der Rothaarige kein Auge zu. Er wachte über seinen Freund und begnügte sich mit dem Körperkontakt, der ihm von Kris gegeben wurde. Sanft streichelte er durch die Haare des anderen oder hauchte ab und an ein paar Küsse auf dessen Mund. Niemals hatte er geglaubt, dass seine Zärtlichkeit zurückkehren konnte, ohne dass Kris etwas dazu tat. Doch sie war wieder da und hatte über den Ärger gesiegt. Die Frage war nur ob es sein schlechtes Gewissen war, dass dieses Gefühl wieder hatte so intensiv auftauchen lassen?! Kurz nach fünf stahl er sich heimlich aus dem Bett und hoffte, dass Kris davon nicht wach wurde. Sein Verstand riet ihm diese Situation in aller Ruhe zu besprechen, nicht in einer Nacht und Nebenaktion kurz vor der Arbeit. So kam es das er lediglich einen gedeckten Frühstückstisch und einen kleinen Zettel für Kris zurückließ, bevor er zur Arbeit ging. Es war noch viel zu früh um den Laden zu öffnen. Trotzdem ging er hinein, knipste das Licht an setzte sich an die Arbeit, die er gestern liegengelassen hatte. Als er das nächste Mal auf die Uhr sah, war es kurz nach sieben. In einer Stunde würde Noah hier auftauchen und ihn wieder vor Augen führen was für ein Arsch er eigentlich war. Heute mussten sie unbedingt darüber reden… Gerade als er dabei war die letzten bearbeiteten Skizzen in den Computer zu scannen und in den richtigen Ordner zu datieren, nahm er den Krach vor seinen Laden wahr. »Luca! Luca lass uns rein! Bitte!« Das war Noah. Der Rothaarige blickte auf und sah den anderen vor der verschlossenen Tür stehen. Doch er war nicht alleine. Hinter ihm, dicht an die Glasscheibe gedrängt stand ein kleiner Junge, der sich an ihm fest klammerte. Noah deckte ihn mit seinen Körper und verspannte sich, als drei ältere Männer von der anderen Straßenseite her ins Sichtfeld kamen. Es schien als wolle er den kleineren verteidigen. Luca knipste das Licht aus und schlich sich vorsichtig näher. Bevor er eingriff musste er wissen worum es dort ging. »Jesses… wieso seit ihr denn weggelaufen, hm? Wir wollen doch nur unsere Belohnung haben. Schließlich haben wir den kleinen wieder zurückgebracht.«, sprach der erste der Männer und grinste den Jungen an. Dieser klammerte sich ängstlich an den Schwarzhaarigen fest. »Haut ab. Ich wollte euch ja bezahlen, wenn ihr das Geld nicht annehmt, ist das nicht mein Problem«, zischte Noah und versuchte erboster zu klingen als er in Wirklichkeit war. Selbst hier hinter der Scheibe konnte Luca seine Angst deutlich spüren. »Du weißt genau, dass das viel zu wenig war, Junge. Also rück die Knete endlich raus, oder wir müssen andere Seiten aufziehen…«, rief nun der Andere und packte dem Schwarzhaarigen grob an den Oberarm. Unmöglicher Weise rief genau diese Berührung die Erinnerungen von Freitagabend in Luca wach. Eine unglaubliche Wut stieg in den Rothaarigen hoch. »Und ich hab euch gesagt, dass ich nicht mehr habe… also was wollt ihr noch, ey! Und fass mich nicht an.« Noah stemmte sich gegen den anderen und versuchte sich irgendwie zu befreien, doch anscheinend schien er wirklich in Schwierigkeiten zu stecken, denn nun hielten auch die anderen beiden Männer ihn fest. »Noah…«, wimmerte der kleine Junge hinter ihm. Das reichte. Luca hatte genug gesehen. Er trat zur Tür (die dem Himmel sei Dank nach innen und nicht nach außen aufging) und zerrte zuerst den kleiner in den Laden hinein, ehe er die Tür hinter sich schloss. Mit wenigen Schritten war er auf der untersten Stufe und somit unmittelbar im Geschehen. Ohne viel Mühe riss er Noah von den Männern los und zog ihn zu sich heran. Dabei half ihm der Überraschungseffekt ungemein. Auch der Schwarzhaarige schien nicht mehr mit seiner Hilfe gerechnet zu haben, denn er fiel mit einem erschrockenen Laut in direkt seine Arme. »Das wirst du mir nachher erklären«, warnte Luca seinen Praktikanten, ehe er sich an die Männer vor ihnen wandte. »Und sie verschwinden auf der Stelle vor meinen Laden oder ich vergesse mich!« »Wir wollen unsere Bezahlung eher gehen wir hier nicht weg!« Luca schnaubte nur, griff in seine Hosentasche und förderte sein Portemonnaie hervor. Er hatte fast tausend Euro in Scheinen dabei, weil er für heute Abend eine Überraschung für Kris geplant hatte. Aber ihm war ja vorher klar gewesen, dass wieder irgendetwas schief ging. Er ließ sich selber einhundert Euro übrig und drückte den Rest des Stapels dem Mann in die Hand, der eben gesprochen hatte. »Hier. Wenn ihr wollt bekommt ihr noch einen Knicks dazu, aber verschwindet jetzt. Sonst rufe ich die Polizei.« Damit schnappte er sich Noah und verschwand wieder in den Laden, den er hinter sich wieder abschloss. Es dauerte nur eine weitere Minuten bis die drei wirklich das weite suchten. Luca sah kurz aus dem Schaufenster und dann wieder zu Noah, der von dem Jungen gerade weinend umarmt wurde. Er ging kurz nach hinten und füllte zwei Gläser mit Cola, die er dann wieder nach vorne trug. »Hier für euch.« Er drückte den beiden ein Glas in die Hand und verschwand dann wieder im angrenzenden Zimmer. Irgendwie konnte er nicht einmal böse auf Noah sein, dass er diese Typen zu seinem Laden geführt hatte. Das war wahrscheinlich wirklich alles ziemlich knapp gewesen. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn er nicht rechtzeitig hierhergekommen wäre… »Wie viel hast du denen gegeben?«, wurde er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Noah stand vor ihm und sah wirklich sehr verunsichert aus. Anscheinend hatte er wirklich viele Menschen verletzt mit seiner bisherigen Herangehensweise. Scheiße... Der Rothaarige sah, dass der Kleine an dem runden Stoffschneidetisch saß und auf einem Blatt herummalte. »Das ist doch vollkommen egal!!Erklär mir lieber was passiert ist.« Der andere biss sich auf die volle Unterlippe und trat nervös von einem Bein auf das andere. »Nein… bitte, ich will dir das zurückzahlen. Ich… ich kann das nicht.« Luca stand auf und umrundete den Tisch. »Noah, dass Geld ist mir völlig egal. Wer waren diese Kerle?«, wollte er eindringlich wissen und packte den Angesprochenen an den Oberarmen, jedoch wesentlich zärtlicher als es der Fremde vorhin getan hatte. Er zog den Jüngeren näher zu sich heran und spürte wie dieser zittere. »Da – das waren Bekannte von meiner… von meiner Mum. Sie denken nur weil sie uns mal aus einer schwierigen Situation geholfen haben, schulden wir ihnen jetzt was…« Er unterbrach sich kurz und sah Luca verunsichert an. »Der Junge ist Nicki, mein kleiner Bruder… sie haben ihn von der Schule abgeholt, als Mum wieder einen über den Durst getrunken hat und wollten dafür eine… na ja eine Belohnung eben…« Waren eigentlich alle Erwachsenen krank im Kopf? Er ließ den anderen los und schüttelte fassungslos den Kopf. Anscheinend wohnte er eindeutig in der falschen Stadt. Wieso dachte eigentlich jeder nur an sich?! »Feu - feuerst du mich jetzt?«, drang die leise Stimme von dem Schwarzhaarigen in seine Ohren und brachte ein Feuerwerk in seinem Magen zu starten. Meine Güte… »Wieso sollte ich so etwas Dummes tun?« »Weil ich dich geküsst habe und… und du dein Geld für mich ausgeben musstest?« Luca seufzte und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Manchmal redest du echt Scheiße, weißt du das? Erstens gehören zum küssen und allen anderen solchen Tätigkeiten immer zwei. Also bin ich genauso daran schuld wie du. Und zweitens ist mir völlig egal mit was für Leuten sich deine Mutter umgibt. Aber du bist mir nicht egal, verstanden? Ich habe genug Geld und würde so etwas auch immer wieder tun.« Noah atmete zittrig aus. »Es stört dich also nicht, dass wir… na ja… du weißt schon?« »Nein, solange es dich nicht stört, können wir denke ich weiterhin zusammenarbeiten«, antwortete er nur und lächelte schief. »Vergessen wir das einfach und tun so als ob das niemals passiert wäre.« »Das kann ich aber nicht! Luca, echt jetzt ich habe -« »Nein, sag es nicht!« »Aber wenn es nun einmal die Wahrheit ist?« Er sah in diese schönen grünen Augen und bereute es so einem wundervollen Menschen verletzten zu müssen. »Ich kenne die Wahrheit, aber sie hilft dir nicht.« Ganz sanft hauchte er einen Kuss auf den vollen Mund und drehte sich dann um. Es war kein leidenschaftlicher Kuss gewesen wie in der Hütte… nein, es war ein Abschiedskuss. Dann drehte er sich um und ging aus dem kleinen Beratungszimmer. Den Rest des Vormittages verbrachten sie damit den schriftlichen Teil ihrer Arbeit zu erledigen, da keine Kunden kamen. Nicki wuselte noch immer durch den Laden und betrachtete die Kollektionen mit riesigen Augen. Eigentlich war der kleine wirklich ganz niedlich… »Hast du das alles selber entwerfen?« »Entworfen«, verbesserte Luca und lächelte. »Und ja, dass habe ich alles alleine gemacht.« »Wow! Das ist so cool!« Coel! Luca schmunzelte und beobachte den Wirbelwind, der immer wieder um Noah herumstob und ihn über irgendetwas ausfragte. Niemals hätte er gedacht, dass der Schwarzhaarige auch ein großer Bruder war. Jedenfalls gefiel ihm auch diese Seite gut – Stopp! Ganz falsche Gedanken! Luca wurde durch die Türklingel der Eingangstür zurück in die Realität geholt und erblickte erstaunt Kris, der auf ihn zukam. Der Jüngere sah blass aus und schien mit sich selber zu kämpfen, aber er gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, als er bei ihm angekommen war. »Hey Kleiner, was machst du denn hier?« »Ich wollte dich besuchen und dich fragen, ob wir vielleicht zum Mittagessen irgendwohin gehen wollen? Also… nur wenn du -« »Klar, gerne.« Ein schiefes Lächeln huschte über das bleiche Gesicht und erhellte es für einen Moment. Und doch wurde er das Gefühl nicht los, das irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Warum kam ihm das alles so komisch vor? »Luca? Sag mal hast du mein Handy gese - « Noah unterbrach sich und kratzte sich am Kopf. »Ähm… sorry ich wollte nicht stören.« »Tust du nicht. Und nein, wo hast du es denn zuletzt gesehen?« »Keine Ahnung…« Der Schwarzhaarige blickte sich einmal suchend um und ging dann zu seiner Tasche, die neben Kris auf einen der Stühle lag. »Du bist also Noah, hm?«, wollte der Dunkelhaarige wissen und klang dabei merkwürdig unterkühlt. Der Angesprochene sah überrascht auf, nickte dann aber und lächelte Lucas Freund warm an. »Ja. Und du musst Kris sein, freut mich!« Die Stille die darauf folgte war kalt und sagte mehr als tausend Worte. Selbst Luca spürte die Spannung zwischen den Beiden vibrieren und war wirklich froh, dass Nicki genau in diesem Moment in den Raum kaum und Noah mit sich zog um ihn eines seiner gemalten Bilder zu zeigen. »Bis nachher… ich hol dich ab.« Damit war sein Freund aus dem Laden verschwunden. Was um alles in der Welt sollte das denn nun wieder? Er arbeitete weiter. Es war ja auch nur noch eine Stunde bis er Pause hatte. »Was war denn mit dem los?«, fragte Noah etwas irritiert, als er wieder zurückkam. »Er wollte mich fragen ob wir zusammen was Essen gehen in meiner Pause und ich denke, er war eifersüchtig auf dich.« »Eifer…-« Noah biss sich auf die Unterlippe. »Weiß er es etwa?« »Was? Nein! Für wie bescheuert hältst du mich?!So etwas würde ich ihm nie erzählen! Das war ein verdammter Fehler… sowas wird nie wieder passieren!« »Okay…«, erwiderte Noah erstickt und war im nächsten Moment verschwunden. Luca blinzelte ihm verwirrt nach und schüttelte den Kopf. Waren heute alle in seiner Umgebung leicht überdreht oder kam ihm das nur so vor? Erst als er auf die Skizze von vorhin sah dämmerte es ihm. Noah hatte noch ein Halstuch dazu skizziert, ein ähnlich wie das, was er am Freitag getragen hatte-… »Scheiße!«, fluchte er und klatschte sich an die Stirn. Seit wann war er so beschränkt was Gefühle anging? Früher hatte er sich nicht einmal halb so dämlich angestellt und dass in seiner Pubertät! Das sollte was heißen!! Hastig stand er auf und ging in den dritten und letzten Raum wo sie ihre Stoffe lagerten. Dort sah er Noah, der gerade dabei war mit zitternder Hand einen der Stoffe zu teilen. Seufzend ging er zu ihm und nahm dem Schwarzhaarigen sanft die Schere aus der Hand. Er stand dem Jüngeren so nah, dass er hören konnte wie diesem der Atem stockte. Die Nähe fühlte sich wirklich gut an. »Entschuldige. Ich habe nicht nachgedacht«, flüsterte er und drehte den anderen zu sich um. Dieser jedoch wich seinen Blicken aus. »Nicht, Luca. Bitte…« »Nein. Ich wollte dich nie verletzten… wirklich. Das sollst du wissen, auch wenn ich deine Gefühle vielleicht nicht erwidern kann. Aber ich mag dich wirklich.« Noah stieß ein Wimmern aus und versuchte sich etwas zu entfernen. »Bitte, lass das alles nicht zwischen uns stehen. Ich… ich will dich nicht verlieren.« Er strich zärtlich die schwarzen Haare beiseite und blickte somit direkt in diese grünen Augen. Inzwischen standen sie sich so nahe, dass er sich nur noch vorbeugen müsste um den anderen zu küssen. »Bitte, sag sowas nicht. Ich… ich will mir keine Hoffnungen machen«, meinte Noah verzweifelt und wich seinem Blick erneut aus. »Du musst los… wenn-« Luca dachte nicht nach und umarmte ihn einfach. »Danke.« Noah klammerte sich kurz an ihn und umarmte ihn zurück. Hauchzart berührten sich ihre Lippen. Luca hatte sein Abschiedskuss schon gehabt und auch Noah schien sich von dem Gedanken distanzieren zu müssen. »Danke… ich -« Doch dann ließ er ihn ruckartig los und versteifte sich am ganzen Körper. »Kris…«, hauchte er. Und alleine reichte schon um Luca alles zu sagen. Er wirbelte herum und sah nur noch die Ladentür zufliegen. Ohne nachzudenken setzte er zum Sprint an, der abrupt vor dem Laden endete. In welche Richtung war Kris nur gelaufen? Wo wollte er hin? Wie sollte er ihn finden?! °°° Luca wartete nun seit gut einer Stunde, doch noch immer war von seinem Freund keine Spur. Wo er wohl hingegangen war? Ob es jetzt vorbei war?! Natürlich hätte er Kris die Situation mit wenigen Worten erklären können, aber er verstand es warum der Jüngere sich gegen ein klärendes Gespräch sträubte. Natürlich sah es alles so aus, als würde er die Situation ausnutzen. Als wenn er sich seine Zuneigung bei jemand anderen holte und doch war es nicht wahr. Er würde niemals daran denken Kris zu betrügen geschweige denn zu verlassen. Aber wusste der Dunkelhaarige das auch? Damals als er mit David vor der Tür gestanden und dieser ihn umarmt hatte – weil er wegen Kris völlig fertig mit den Nerven gewesen war – hatte Kris auch schon so empfindlich reagiert. Und zu dieser Zeit hatte er sich wirklich keine Gedanken machen müssen. Schon damals war Luca ihm komplett verfallen gewesen. Seufzend ließ er sich auf die Couch nieder und starrte sein Handy an. Sollte er ihn einfach anrufen und bitten nachhause zu kommen? Vielleicht… aber was wenn der andere gar nicht ranging? Dann würde er sich noch mehr Sorgen machen als jetzt schon! Es war zum verrückt werden! Schon als Kris ihm seine Liebe gestanden hatte, hatte er das alles nicht glauben können. Doch auch er hatte die Verbundenheit zu dem Jüngeren vom ersten Moment an gespürt. Trotzdem musste er zugeben, dass er sich das damals alles viel einfacher vorgestellt hatte. Nicht nur Kris Vergangenheit hatte ihn abgeschreckt (auch wenn er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die Hälfte gewusst hatte), sondern auch die Zerbrechlichkeit des Kleineren. Selbst jetzt noch konnte man sie manchmal noch spüren, auch wenn der Dunkelhaarige wirklich selbstbewusster geworden war. In der letzten Woche jedoch, hatte er das Selbstbewusstsein seines Freundes, das er einst mit David über die Jahre mühsam aufgepäppelt hatte, ziemlich zerrüttet. Er hatte Kris schon lange nicht mehr so oft weinen sehen und auch die Unsicherheit war beinah vollkommen verschwunden gewesen. Das war die Tatsache, die ihn am meisten schmerzte, denn jetzt war er Schuld… kein Fremder oder der Erzeuger des Jüngeren. Er alleine… Er hatte Kris verletzt und war verletzt worden. Warum musste Liebe manchmal nur so verdammt wehtun?! Luca fuhr heftig zusammen, als sein Handy in seiner Hand anfing zu klingeln. Er erkannte den Klingelton sofort, schließlich hatte er ihn fast drei Jahre lang regelmäßig gehört. »Kris? Wo bist du?« »Ka – kannst du mich abholen? Ich bin am Friedrichplatz… ich-« Die Stimme des anderen sackte ab und er hörte das zittrige Luft holen. »Gib mir fünf Minuten«, sagte er nur und legte auf. Nur Minuten später saß er in seinem Wagen und fuhr etwas zu rasant an. In seinem Inneren fraß Schuld sich durch seine Eingeweide und ein unsichtbarer Gürtel hatte sich um seinen Brustkorb gelegt und verhinderte, dass er frei atmen konnte. Kris hatte sich so traurig und verloren angehört. Doch er hatte ihn angerufen – freiwillig. Irgendwie war er sich selber nicht darüber im Klaren ob er sich darüber nun grämen oder freue sollte. Aber er musste ihn unbedingt sehen! Kapitel 3: In Liebe getrennt ---------------------------- Sanft strich er durch das dunkle Haar des Jungen, dem sein Herz gehörte. Warum nur musste er dem Kleinen so wehtun? Kris schmuste sich noch enger an ihn und begann dann langsam gleichmäßiger zu atmen. Seit er ihn aus dem Park abgeholt hatte, hatte der Dunkelhaarige kein Wort gesagt. Er hatte sich umstandslos mitnehmen lassen und war – kaum das sie in der Wohnung waren – zu Luca auf die Couch gekrabbelt. Doch geredet hatten sie nicht. Wieso tat er sich selber so schwer damit? Er wusste, dass er seinem Freund reinen Wein einschenken musste. Nicht nur um sein Gewissen zu erleichtern, sondern vor allem um das bisschen Vertrauen, was sich noch gehalten hatte, nicht komplett zu zerstören. Und plötzlich wurde ihm klar, wie viel Angst er vor diesem Gespräch hatte. allein der Gedanke, dass er den Jüngeren wegen dieser Dummheit verlor, schmerzte ihn ungemein. Langsam fragte er sich wirklich was ihn da geritten hatte. Erstens war es gar nicht seine Art sich Hals über Kopf ins Vergnügen zu stürzen und zweitens gab es da immer noch Noah… Noah und seine Gefühle. Wie hatte er nur so mit diesen wundervollen Menschen spielen können. Luca seufzte schwer und ließ seinen Kopf zurück auf die Lehen sinken. Egal wie er es auch drehte und wendete, er steckte bis zum Hals in der Scheiße und das hatte er sich wirklich selber zuzuschreiben! »Komm, lass uns mal ins Bett gehen, sonst schlafen wir noch hier ein.« Kris reagierte kaum auf seine Worte, bis er ihn sanft von sich weg schob. Völlig erschrocken fuhr der Kleinere hoch und orientierte sich erst einmal verloren. Anscheinend war er gerade wirklich dabei gewesen einzuschlafen. »Geh ins Bad und mach dich bettfertig, ja? Hier ist es für uns zwei nicht wirklich bequem«, wiederholte Luca sanft und strich dem anderen die verirrte Strähne aus dem Gesicht. Er spürte eine bedingungslose Zärtlichkeit in sich aufsteigen, die er in dieser Form schon lange nicht mehr für Kris gefühlt hatte. In diesem Moment, wo der Dunkelhaarige so völlig verschlafen und schutzlos vor ihm saß, hatte er nur noch das Bedürfnis ihn vor allem Schlechten dieser Welt zu beschützen… Kris kam der Aufforderung stumm nach und huschte ins Bad. Irgendwie tat es dem Rothaarigen weh, das der andere nicht mehr mit ihm sprach. Doch er konnte es auf der anderen Seite sehr gut nachvollziehen. Ob er den Knutschfleck auf Noahs Hals gesehen hatte? Hatte er daraus seine Schlüsse gezogen? Wieder seufzte Luca auf. Spontan entschied er sich das Duschen auf morgen früh zu verlegen und zog sich zum Schlafen gehen um. Als Kris aus dem Bad schlüpfte, schlurfte er selber hinein um sich noch die Zähne zu putzen. Im Grunde hatte er sich das alles selber zuzuschreiben. Das wusste er, aber er wusste auch, dass ihn der andere niemals einfach so verlassen würde, egal wie sehr er ihn verletzte und das war die Gewissheit die schmerzte. Als er schließlich ins Bett kam, war es im Schlafzimmer schon dunkel. Leise tastete er sich voran und legte sich auf seine Seite des Doppelbettes. In Gedanken machte er sich einen Plan für morgen und beschloss, dass er das Gespräch nicht länger aufschieben durfte. Morgen würde er mit Kris reden, komme was wolle! Luca lehnte sich zurück ins Kissen und schloss erschöpft seine Augen. Auch wenn er noch keine Idee hatte wie er es anstellen sollte, doch er würde es alles wieder in Ordnung bringen… irgendwie. Sanfte Hände tasteten sich über seinen Oberkörper und brachten ihn zum Schmunzeln. Fast schon schüchtern rutschte Kris ein wenig näher. Wenn das alles nicht zum Schreien unfair gewesen wäre, hätte er sich darüber amüsieren können. Egal wie nachdrücklich er Kris auch von sich stieß und verletzte, der Jüngere würde immer wieder zu ihm zurückkommen und seine Nähe suchen. Das war nun einmal seine Art. Warum begann er das gerade jetzt auszunutzen?! °°° »Wenn mir dieser Kerl noch einmal unter die Augen tritt, muss ich leider einen Mord begehen! Ich werde ihn meine Hände um den Hals legen und -« »Wooohhhwww. Jetzt mach mal halblang, ey«, meinte Benny beschwichtigend und hielt ihm am Oberarm fest. Und auch wenn er gerade Mordlust hatte, war er trotzdem dankbar dafür, dass Benny jetzt hier war. »Scheiße!« »Was ist denn hier los?!« »Was hier los ist?! Sag mal, sticht es bei dir? Wie kannst du nur so gelassen bleiben, wenn du diesen – den da ansehen musst?!« David hob galant eine Augenbraue und sah den langen Flur hinunter. »Du meinst Herrn Büssing?« »Wen den sonst?!« »Mann, kannst du jetzt mal runterkommen und hier nicht so rumschreien«, mischte sich nun Benny wieder ein. »Die schmeißen uns hier noch raus, wegen dir.« Der Rothaarige atmete einmal tief ein und aus. »Wo ist Kris?« »Macht gerade seine Aussage…- ja, jetzt schau nicht so! Er meinte, er schafft das und ich kann bei euch warten!« Luca nickte und begann wieder damit dem dunkelhaarigen, bulligen Mann tödliche Blicke zuzuwerfen. Dieser schien sich sichtlich unwohl zu fühlen. Es vergingen mehrere Minuten des Schweigens. »Hör schon auf ihn so anzuschauen. Da bekommt man ja Angst…«, sagte David halblaut und schielte zu dem Mann rüber, der nervös am anderen Ende des Ganges saß. »Was hast du denn auf einmal, Luc. Er hat doch nichts getan?!« Der Angesprochene sah seine Freunde kühl an. »Nichts getan, genau das ist es! Er hat mit seinem Sohn - den er nebenbei wie einen Sklaven behandelt hat – in einem Haus gelebt und es nicht bemerkt, dass die Freunde, die er zu seiner Pokerrunde eingeladen hat, seinen Sohn nebenan in der Küche ficken. Und das über Jahre!« Den beiden anderen fiel der Kinnladen runter. »Wo – woher…?« Luca biss seine Kiefer fest aufeinander. Dass er sich heimlich einige der DVDs entwendet hatte, würde er bestimmt nicht offen zugeben. Doch seine Freunde musste ja nicht alles wissen. »Kris redet manchmal im Schlaf. Erst vor kurzem hat er immer wieder gemurmelt, dass sie leise sein müssen. Sein Vater solle es nicht hören…« Der Blonde fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und seufzte. »Ich… keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Aber ich weiß genau, dass Kris seinem Vater nicht die Schuld gibt, sonst hätte er ganz anders reagiert…« »Wie soll man diesem Pisser bitte nicht die Schuld geben?! Schließlich hat er diese Pädo -« Luca unterbrach sich, als er seinen Freund bemerkte, der auf sie zukam. Er sah blass und unheimlich erschöpft aus. »Hey, mein Stern.« Er wusste genau, dass Kris es mochte, wenn er ihn so ansprach. Irgendwie schien der Jüngere auf diese kitschigen Kosenamen und Liebeserklärungen zu stehen. Jedenfalls begannen seine Augen sofort zu leuchten, als er auf ihn zukam. Sanft drückte er ihm ein Küsschen auf den Mund und ließ es zu, dass Kris sich dicht an ihn drängte. »Wie ist es gelaufen?« »Ganz gut, denke ich… ich – können wir einfach nach Hause?« »Klar.« Gemeinsam gingen sie den Gang hinunter auf den Ausgang zu. Eigentlich hätte er ahnen müssen, dass der alte Kerl immer noch da sitzen würde. Wieso blieb ihm heute auch wirklich nichts erspart?! »Hey, Kris.« Okay, jetzt nicht ausrasten! Es ist immer noch seine Entscheidung ob er mit ihm reden will oder nicht!, dachte Luca angestrengt und biss zum hundertsten Mal an diesem Tag fest die Kiefer zusammen. Wahrscheinlich würde er morgen die Zähne nicht mehr auseinander bekommen oder ganz üblen Muskelkater haben. »Hallo, Vater«, antwortete Kris. Das klang zwar unsicher, aber bei weitem nicht so hasserfüllt, wie Luca es sich gewünscht hätte. Und er blieb tatsächlich stehen und lächelte diesen kranken Mann an. »Können wir… vielleicht reden? Ich - « Der Rothaarige hätte am liebsten laut geschrien, doch das würde auch nichts bringen. Stattdessen löste er sich von seinem Freund und ging schnurstracks auf den Ausgang zu. »Ich bin draußen.« Das vorwurfsvolle »Luca!« von David überhörte er gekonnt. Es wollte einfach nicht in seinen Schädel wie Kris auf diese „Ich – bereue – meine – Fehler – Masche“ hereinfallen konnte. Vor allem da er es besser wusste! Benny und David hatten die Aufnahmen nicht gesehen und würden sie auch niemals zu Gesicht bekommen – denn er wusste selbst welche Art von Gefühlen sie in einem auslösen konnten. Luca jedoch hatte sie gesehen… Er hatte gesehen, wie der Mann, der dort lammfromm auf dem Plastikstuhl saß und auf seine Aussage wartete, seelenruhig auf dem Sofa geschlafen hatte, während seine angeblichen Freunde seinen Sohn auf dem Teppich vergewaltigt hatten. Er hatte gesehen wie er Kris behandelt und fast nackt durch die Wohnung geschickt hatte. Und auch wenn irgendein Psychologe das als Trauma abgetan hatte, war es für ihn noch lange keine Entschuldigung. Das Schlimmste aber war, dass er selber miterleben konnte was dieses Scheusal aus diesem sonst so aufgeweckten, liebesbedürftigen Jungen gemacht hatte… Mit zitternden Fingern steckte er sich eine Zigarette an und sog den Rauch förmlich in seine Lungen. Es war schon eine ganze Weile her, dass er zuletzt geraucht hatte, aber im Moment schien das Nikotin das Einzige zu sein, was ihn davon abhielt seine Nerven zu verlieren. Wenn er jetzt dort reinmarschierte, diesem kranken Mann eine reinschlug und Kris unter dem Arm klemmte, brachte ihn das auf langer Sicht einfach nicht weiter! Er stellte sich etwas abseits der Eingangstür an den Aschenbecher und genoss seine Zigarette, während er wartete. Es dauerte genau zehn Minuten bis er seine Freunde sah, die in den kühler werdenden Wind traten und die Treppen hinunter auf ihn zukamen. Hatten sie ihn schon entdeckt?! Luca wandte den Kopf und erstarrte, als er die Person sah, die gerade dabei war das Gebäude zu betreten. Hatten diese Polizeiheinis nicht versichert, dass es absolut ausgeschlossen war, das Kris diese Männer wiedersehen musste?! Wollten sie nicht dafür sorgen?! »Ach, sie mal einer an, der kleine Kris. Na Hübscher, du bist ja noch hier… hast du auf mich gewartet«, grinste der Mann dreckig. »Hattest wohl Sehnsucht nach meinem Schwanz, was?« Kris war zwei Schritte zurück gestolpert und sah den älteren Mann mit wachsender Panik an. Er schien völlig erstarrt zu sein. David und Benny konnten gar nicht so schnell reagieren, wie dieser widerliche Kerl bei ihm war und seinen Arsch packte. »Wenn du wieder mal jemanden brauchst, der dich richtig durchnimmt, dann kannst du ja vorbei kommen.« Luca, der sich langsam auf die vier hatte zutreiben lassen, verstand die Worte sehr deutlich und in seinem Verstand setzte die Vernunft aus. Wenn er sich die Situation im Nachhinein betrachtete, war er wirklich froh, dass er nicht alleine mit Kris zu dieser Anhörung gegangen war. Während Benny den Mann packte und zurück stieß, umarmte David den völlig aufgelösten Dunkelhaarigen. Er selbst jedoch fing den Pädophilen ab, der seinen Freund über Jahre hinweg gedemütigt hatte und packte seinen Kragen fest. Mit einem heftigen Stoß beförderte er den Älteren an die Mauer des Gebäudes und registrierte erfreut das peinvolle Stöhnen. Sein ganzer Körper fühlte sich an wie ein gespannter Bogen, als er sein Knie gefährlich nahe an das Gemächt des anderen drückte. »Wag es nie wieder meinen Freund anzufassen, du Schwein. Wenn ich dich jemals wieder in seiner Nähe sehen sollte, werde ich dir deinen scheiß Schwanz abhacken und ihn an die Fische im See verfüttern, haben wir uns da verstanden?!« Er sah die kleinen, angstgeweiteten Augen des Fremden und drückte mit dem Knie fester zu. »Ich sagte: Haben wir uns verstanden?!« »J – ja…« Er ließ den anderen los und sah ihn herablassend an. »Dann verpiss dich.« Der Mann ging eilig auf den Eingang zu und blickte noch einmal zurück. Die Verschlagenheit in seinen Augen und der eindeutig Blick auf Kris genügten. »Ach ja, bevor ich es vergesse!«, rief Luca und setzte ihm nach. »Das ist für Kirs.« Es war nur ein Schlag, der nicht einmal mit voller Kraft ausgeführt war. Doch er genügte um den anderen hintenüberkippen und vor Schmerzen schreien zu lassen. Luca drehte sich um und ging zurück zu seinen Freunden, die ihn fassungslos ansahen. Für den schreienden und blutenden Mann in seinen Rücken hatte er nicht einmal einen letzten Blick übrig, ehe sie zum Auto eilten. Wenige Stunden später saßen sie zu viert in seiner Garagenwohnung und tranken einen wärmenden Tee. Seit der Begegnung mit seinem ehemaligen Peiniger, hatte Kris kein Wort mehr gesagt. Die Fahrt über hatten es alle vermieden über den jüngsten Vorfall zu sprechen, erst nachdem die komplette Kanne Tee und alles an Small Talk - was ihnen einfiel - aufgebraucht waren, schnitt David das Thema an. »Wie du diesen Alten fertig gemacht hast war krass… ich hatte wirklich richtig Schiss, ey.« Er blickte den Rothaarigen mit großen, braunen Augen an. »Erinnere mich bitte daran, niemals gegen dich zu sein.« Luca schnaubte. »Tu nicht so, als sei das was Tolles. Ich habe die Beherrschung verloren.« »Nichts, was man nicht hätte verstehen können, Mann.« Er nickte Benny zu und sah dann seinen Freund an. Irgendetwas beschäftigte ihn, das sah er. Doch anscheinend wollte er noch immer nicht richtig raus mit der Sprache. Sanft stieß er Kris mit dem Knie an und lächelte schief. »Alles okay?« »Hm mhm…« »Es tut mir Leid, ja?« »Ich weiß…« Damit war erst einmal alles gesagt. Es war bereits später Abend. David und Benny hatten sich schon lange verabschiedet und Kris war gerade im Bad. Luca zappte durch die Kanäle und grübelte darüber nach wie ernst es Kris wohl war und warum er sich so merkwürdig benahm. Die Befangenheit, die er seit dem Besuch beim Revier spürte, ging eindeutig von ihm aus und schien etwas mit dem Treffen dieses pädophilen Ekelpaketes zu tun zu haben. Ob er etwas falsch gemacht hatte? – Mal abgesehen von dem Offensichtlichen! Wenn er – »Luca?« Er schreckte aus seinen Gedanken auf und sah seinen Freund an, der im Bademantel vor ihm stand und unschlüssig an dem Gürtel herumzupfte. »Hm?« »Ich wollte – bist du… na ja, bist du böse auf mich?« Der Rothaarige hob die Brauen. »Wie kommst du denn auf diese alberne Idee?« »Du – du hast so wütend ausgesehen als ich mit - « Kris schluckte schwer. »Mit meinem Vater geredet habe. Bist du deswegen böse? Ich …- ich kann ihm einfach nichts vorwerfen. Ich liebe ihn doch… er ist mein Vater…« Er schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Dann schnappte er sich ein Zipfel des grauen Bademantels und zog den Kleineren daran zu sich hinüber, bis dieser rittlings auf seinen Schoß saß. Er spürte den Stoff der Boxershorts an seinem Oberschenkel Anscheinend musste sie wirklich mal darüber reden. »Küss mich, Sternchen…« Über die Lippen des anderen huschte ein Lächeln und tatsächlich bekam er einen liebevollen Kuss geschenkt. Er legte seine Arme um den schmalen Körper und blickte hinauf in diese ausdrucksvollen Augen. »Weißt du, es ist nicht nötig das man sich alles von vorn herein verzeiht. Auch wenn man jemanden liebt, kann man wütend auf ihn sein und ihm die Meinung sagen. Das ändert ja auch nichts an den Gefühlen… wenn man sich liebt, verletzt man sich auch, dass ist unabdinglich, aber man darf sich nicht alles gefallen lassen nur weil man Angst hat jemanden zu verlieren.« »Aber…-« »Scht. Das was dein Vater dir angetan hat ist für mich unverzeihlich. Es ist deine Entscheidung ob du mit ihm sprichst oder nicht, aber erwarte nicht von mir das ich das auch tun kann.« »Aber der Arzt hat doch gesagt, dass das Krankheitsbedingt bei ihm war! Er hatte eben mit meiner Ma diese komische…« »Sadomaso…« »Genau… diese Beziehung eben. Ich habe keine Ahnung davon, aber er scheint sie völlig dominiert zu haben, bis auf ein paar bestimmte Augenblicke und er hat sie eben in mir gesehen… trotzdem hat er mich doch irgendwo geliebt….« »Das ist keine Entschuldigung dafür, dass er solche Sachen angetan und wenn er betrunken war diese Dinge gesagt hat.« Kris wich seinen Blicken aus. »Ich -« »Erlaub dir doch mal sauer zu sein, Kris. Du hast alles Recht dazu.« »Aber ich will das nicht! Wenn ich – wäre ich nicht genauso wie er, wenn ich jetzt meine ganze Wut an ihm auslassen würde?! Er ist mein Vater und ich sollte ihn doch lieben, oder?!« Luca sah seinen Freund kopfschüttelnd an. »Und wenn ich dich betrügen würde, würdest du mir auch verzeihen und mich weiterhin lieben?« »Ja… ich… du könntest mir alles antun, ich würde dich trotzdem lieben und bei dir sein wollen. Ist das denn so schlimm?« °°° Luca wurde von seinem Handy viel zu früh aus dem Schlaf gerissen. Orientierungslos suchte er das Gerät in dem Wissen das das nicht sein Wecker (den er letzten Abend gar nicht gestellt hatte) sein konnte. Kris, der an seiner Schulter ruhte, murrte unwillig. »Ja?« »Luca? Sag mal, wie meldest du dich denn an deinem Handy?!« »Was? Mutter? Hast du eine Ahnung wie spät es ist?!« »Halb vier. Ich rufe dich an, weil du sofort nach Mailand kommen musst. Es gibt einen Notfall.« »Ich-« »Das Ticket für dich und Noah ist schon gebucht, euer Flug geht in einer Stunde. Sei pünktlich und melde dich ordentlich, wenn ich das nächste Mal anrufe.« Dann erklang das Besetztzeichen. Der Rothaarige gab ein aggressives Knurren von sich und machte sich sanft von dem Jüngeren los, der noch im Halbschlaf zu sein schien. Umsichtig ging er aus dem Zimmer und wählte noch im Gehen die Nummer seiner Mutter. Schon nach dem ersten Klingeln nahm sie ab. »Was legst du einfach auf, Mensch? Und wieso um Goth – Willen, soll ich mit Noah nach Mailand fliegen?!«, herrschte er sie sofort an. Das konnte einfach nicht ihr ernst sein! »Weil es einen Notfall in der Hauptfiliale gibt und ich brauche euch beide genau hier! Wenn wir das verbocken ist die Zweigstelle genauso Geschichte wie die Hälfte der Firma!« Luca hob die Augenbrauen. »Übertreibst du da nicht etwas?« »Nein! Warum diskutierst du überhaupt! Einer der wichtigsten Sponsoren will abspringen und wenn wir ihn nicht von unserem Konzept überzeugen. Es gibt keine besseren Männer außer euch! Unsere Zukunft hängt von euch ab!!« »Warum?« Er konnte das künstliche Seufzen durch die Leitung hören. »Er ist Chinese.« »Verstehe, ich soll die Verhandlungen führen und Noah soll mit seinem Talent Eindruck schinden. Meine Güte, können wir die Firma nicht nächste Woche retten?! Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig!« »Luca, ich diskutiere darüber nicht mit dir, entweder du kommst auf der Stelle her oder du kannst dir das Geschäft abschminken!« »Das ist nicht dein Ernst!« »Doch! Du beweist mir doch gerade wieder, dass dir alles andere wichtiger ist. Du hast eben überhaupt keine Prioritäten!« Er knirschte mit den Zähnen. Scheiße! »Wir sind in circa fünf Stunden da.« Damit legte er auf und seufzte. Er brauchte unbedingt einen Kaffee und dann – Erschrocken schnappte er nach Luft, als sich plötzlich zwei Arme schmale Arme um seinen Bauch schlangen und ihn fest drückten. Er hörte den stockenden Atem seines Freundes und spürte das Zittern in seinen Muskeln. »Bitte geh nicht weg… nicht jetzt…« Luca schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippen. Schon wieder weinte der Kleinere wegen ihm. Warum musste das alles nur so scheiße kompliziert sein. »Flieg nicht mit ihm weg…- ich…- lass mich nicht alleine hier…«, schluchzte der Dunkelhaarige und vergrub sein Gesicht an dem nackten Rücken des Älteren. Warum musste auch immer alles gleichzeitig passieren?! Sanft löste er Kris Umklammerung und drehte sich in seinen Armen um, ehe er das Gesicht seines Freundes in beide Hände nahm. »Scht… nicht weinen«, flüsterte er und küsste die Tränen weg, die unentwegt die Wangen seines Liebsten hinunterliefen. Der andere drängte sich den Liebkosungen entgegen, als würde er sich schon jetzt nach seiner Nähe verzehren. Wie lange war es her, dass er den Kleinen mal innig umarmt hatte?! »Du bist nicht alleine, mein Stern. Benny ist hier und immer für dich erreichbar, okay? Und ich komme so schnell wie möglich wieder und dann reden wir in Ruhe. Es wird alles wieder gut.« Er zog den aufgelösten Dunkelhaarigen in seine Arme und wiegte ihn sanft hin und her. Den Kosenamen hatte er benutzt ohne großartig darüber nachzudenken, doch alleine diese Tatsache schien zu reichen, damit sich Kris langsam wieder entspannte. »Wir – klich?« »Natürlich. Wenn du willst dann telefonieren wir auch, ja?« Kris nickte das einfach ab und vergrub sein Gesicht erneut, dieses Mal an der breiten Brust des Rothaarigen. Es zerriss ihm fast das Herz den anderen so leiden zu sehen. »Lass uns erst einmal frühstücken, okay? Dann sehen wir weiter.« °°° Auch Noah schien von der abrupten Reise gar nichts zu halten. Jedenfalls sagte das sein Gesichtsausdruck, als die beiden sich am Terminal trafen. Schweigend lösten sie ihre Tickets ein und stiegen in das Flugzeug. Sie hatten Sitzplätze nebeneinander, wobei Luca am Fenster saß. »Wo kommt Nicki jetzt unter?«, wollte er wissen. Ihm war nach der letzten Unterhaltung klar geworden, dass die Familienverhältnisse bei dem Schwarzhaarigen wahrscheinlich eher kompliziert waren. Aber auf wen in seiner Umgebung traf das nicht zu?! David pendelte (sofern er im Land war) zwischen seinen geschiedenen Eltern hin und her, die noch immer eine Art Rosenkrieg führten, Kris Mutter war bei seiner Geburt gestorben und nachdem sein Vater ihn Jahre lang wie einen Sklaven abgerichtet hatte, saß er nun in einer Anstalt in dem er sich von seinen Sohn ab und an besuchen ließ, Bennys Eltern waren in seiner frühsten Kindheit verunglückt und er war bei seiner Großmutter aufgewachsen, die vor kurzem gestorben war und er selber war mit seinen beiden Schwestern bei seiner Tante groß geworden, weil sein Vater vom Leben genug hatte und seine Mutter es nicht für nötig befand sich ihrer Verantwortung zu stellen. »Bei einer Tante…«, murmelte Noah und sah ihn vorsichtig von der Seite an. »Gut… ich denke, wir sind in zwei, drei Tagen wieder hier.« Dazu sagte der andere nichts mehr. Was auch? Sie hörten die Borddurchsagen und schnallten sich an, als der Flieger zum Starten ansetzte. Als sie begannen sich in Bewegung zu setzten, sah er wie Noah die Augen schloss und sich immer mehr verkrampfte. »Hey…« Er berührte die Finger, die sich in den Stoff der Armlehne krallte. »Ich hab Flugangst.« Das war kaum ein Hauchen, trotzdem konnte er es verstehen. Vorsichtig löste Luca die verkrampften Finger aus der Armlehne und umschloss sie mit seiner Hand, aus Angst, Noah würde sich selber ernsthaft wehtun. »Es kann nichts passieren, okay? Ich bin da.« »Danke.« Welch eine Tortur dieser Flug für seinen Begleiter war, konnte Luca wahrscheinlich nicht einmal im Entferntesten nachvollziehen, doch er war dankbar dafür, dass sie keine Turbulenzen hatten. Es verlief alles glatt und als sie landeten, war es nur die Müdigkeit, die ihnen zu schaffen machte. Der ganze restliche Tag bestand aus Stress und Hektik. Zuerst checkten sie schnell in ihr angemietet Hotel ein, ehe sie zu Lucas Mutter in die Hauptfiliale fuhren und dort die aktuelle Lage besprachen. Danach folgten wichtige Termine, treffen mit anderen Mitarbeitern und Beratungen für die Präsentation ihres Projektes. Er um zehn Uhr waren Noah und er wieder in ihrem Hotelzimmer und konnten sich ausruhen. »Ich fass es immer noch nicht, dass sie uns ein Doppelzimmer gegeben hat.« »Wahrscheinlich war kein anderes mehr frei…« »Hm. Kann schon sein.« »Mich stört es nicht«, meinte Noah errötend und ergriff die Flucht ins Bad. Luca runzelte über diese Bemerkung die Stirn und setzte sich auf das Doppelbett, welches er sich heute Nacht nicht mit seinem Freund teilen würde. Dieser Gedanke war irgendwie falsch und fühlte sich mehr als schlecht an. In Gedanken versunken, nahm er sein Handy zur Hand und stellte es wieder in den lauten Modus zurück. Überrascht sah er, dass er vier Anrufe in Abwesenheit hatte. Drei von Kris und einen von Benny. Schnell tippte er eine SMS an seinen besten Freund und wählte dann die Nummer seines Liebsten. Er hatte ja versprochen, dass sie telefonierten… »Ja?«, meldete sich eine verschlafene Stimme. »Hey, mein Stern. Hab ich dich geweckt?« »Ja, aber ist schon okay… ich – hast du meine Anrufe nicht gehört?« »Nein, tut mir Leid. Ich saß bis eben noch über der Arbeit und habe gerade gesehen, dass du mich schon mehrmals angerufen hast.« »Du sagtest doch -« » - das wir telefonieren, ja. Alles in Ordnung? Du klingst so merkwürdig…« »Ja, alles gut. Ich… ich vermisse dich nur schrecklich.« Luca schluckte. »Ich bin voraussichtlich Donnerstag wieder da. Dann klären wir alles, ja?« »Okay…« »Willst du wieder schlafen?« »Nein. Ich… magst du mir noch was erzählen? Ich kann schlecht ohne dich einschlafen.« »Ich weiß…«, seufzte Luca und plagte sich mit seinem schlechten Gewissen. Das der andere ohne ihn schlecht schlief wusste er schon lange und trotzdem hatte er ihn in der letzten Zeit sooft alleine gelassen. Wie egoistisch er gewesen war. »Geh mal in die Küche, Kleiner. Da über den Sessel müsste noch ein Shirt von mir hängen.« Kris schien sofort zu verstehen was er meinte, denn er sagte nichts weiter sondern stand einfach auf und machte sich auf die Suche. Jedenfalls sagten das die Hintergrundgeräusche aus dem Handy. »Hab es…« »Gut, dann kuschelte dich zurück ins Bett.« »Du hast nichts dagegen das ich -?« »Frag nicht so komisch. Hätte ich es dir sonst angeboten?«, fragte Luca lächelnd und überlegte einmal kurz und begann zu erzählen; von Mailand und der Umgebung, von den Leuten, ihrem Hotel, dem Zimmer und dem Service. Irgendwann hörte er tiefe Atemzüge und legte schmunzelnd auf. Es tat ihm zwar Leid, dass Kris irgendwann durch das Besetztzeichen wach werden würde, doch er hatte nicht mehr so viel Guthaben, dass er warten könnte. In Gedanken bei seinem schlummernden Freund trat er ins Bad um sich fertig zu machen, wurde jedoch von einem erschrocken Quietschen aus seinem Überlegungen gerissen. »Scheiße!«, entfuhr es ihm. Noah hatte er völlig vergessen! Dieser stand nackt vor ihm und sah ihn mit riesigen, grünen Augen an. Er schien gerade aus der Dusche gestiegen zu sein. »T – tut mir L – leid…«, stotterte er und konnte nicht anders als offen zu starren. Niemals hatte er gedacht, dass ihn und Kris solche Welten unterscheiden würden. Während sein Freund schlank und eher mager war, schien Noah, trotz schmaler Figur, richtig durchtrainiert zu sein. An seinem Bauch konnte man einen deutlichen Six – pack Ansatz sehen und auch sonst zeichneten sich fein definierte Muskeln ab. Auch was den Körperschmuck anging, schien der Schwarzhaarige offener zu sein als Kris. Außer den Piercings im Gesicht, hatte er auch zahlreiche Tattoos über seinem Körper verstreut. Doch am meisten faszinierte Luca der Drache, der sich über seinen Leistenbereich zog. Es sah so aus, als würde er über den rechten Hüftknochen hinwegsegeln… einer der Flügel reichte sogar bis in den Intimbereich des anderen. Der schlangenartige Drache hatte das Maul weit geöffnet und spuckte Feuer, welches sich um den Bauchnabel des Schwarzhaarigen als Ring zog. In der Mitte steckte ein kleiner, glitzernder, roter Stein – höchstwahrscheinlich auch ein Piercing – der irgendwie nach einem Rubin aussah. »Stottern wird zusammengeschrieben, Luca«, grinste Noah nur mühsam und schob sich an ihm vorbei. »Außerdem glotzt du…« »Ich…- sorry.« Schnell war er im Bad und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen. Verdammter Mist, wie peinlich war das denn bitte?! Kopfschüttelnd duschte er sich und zog sich dann um. Zum Schluss putzte er sich noch die Zähne und verließ dann das Bad notgedrungener Weise wieder. Inzwischen war auch Noah wieder bekleidet, der gerade zum Fenster schlich um dieses zu öffnen. »Wieso läufst du denn so komisch?« »Keine Ahnung, mir tut alles weh… ich glaube ich hab mir was eingeklemmt oder so…«, meinte der andere und verzog leidend das Gesicht, als er wieder auf das Bett zusteuerte. »Wahrscheinlich hättest du dich einfach nicht so sehr verkrampfen sollen, im Flieger.« »Danke für den tollen Tipp! Sagst du mir auch, wie ich das machen soll?!«, pampte er und schmiss sich neben dem Rothaarigen aufs Bett. »So kann ich nie schlafen.« Luca gluckste und beugte sich dann nach vorne. »Warte Mal das haben wir gleich.« Er griff nach den Beinen des Schwarzhaarigen und legte sie sich auf den Schoß, dann tastete er mit seinen Daumen die Fußsohlen ab. »W – wa – oh Gott!« »Danke du kannst mich Luca nennen…«, lachte er und massierte weiter die verspannten Stelle zwischen Zehen und Ferse. »Hm… du scheinst dir wirklich irgendwas getan zu haben. Dein Muskel hier ist steinhart…« »Hör nicht auf… bitte…«, stöhnte Noah benommen und legte sich den Arm über die Augen. »Ouhr… tut das gut.« »Tut es sehr weh?« »Nur noch ein wenig…« »Und was ist hier?« Wieder kam ein Laut von dem Schwarzhaarigen, der eine Mischung aus Schmerz, Entspannung und Lust war. »Ja...« Fasziniert beobachtete er seine Daumen, die in kreisenden Bewegungen über die Fußsohlen des anderen kreisten und ab und an über das kleine kreisförmiges Tattoo strichen. Es sah etwas aus wie die Abblidung vom Baum des Lebens, aber nur fast! »Was ist das für ein Tattoo?« »Ein Erdungsbannkreis…« »Hm?« »Ein Bannkreis, damit man seine Bodenständigkeit nicht verliert… ich glaube ein wenig an so esoterischen Kram, weißt du?« Luca nickte und fuhr mit seiner fachmännischen Massage fort. Damals hatte er von Renate ein paar wenige Massagegriffe für Füße, Schultern und Rücken gelernt; auch wie er eingeklemmte Nerven aufspürte und durch manuelle Therapie wieder langsam in die richtige Position brachte. Es hatte eben einen Vorteil, wenn die Tante von einem in der Welt viel herum gekommen war. Als er auch den anderen Fuß des Schwarzhaarigen etwas entkrampft hatte, strich er zum Schluss sein Werk die Waden hinauf aus. Das war wichtig für den Fluss und es machte ihm die Berührung des anderen möglich. Noahs Waden und Schienbeine waren übersät von schwarzen kleinen Kästchen und erinnerten stark an ein Schachbrett. Das Tattoo begann mit einem Kästchen auf dem Fußrücken und ging bis fast zum Knie hinauf, je höher man sah, desto dichter wurde die Abstände. Irgendwie fand er dieses Muster auch extrem anziehend. Noch einmal ganz sacht strich er über die weiche Haut und sah, dass der andere unregelmäßig atmete. Auch die deutliche Wölbung in seiner Boxershorts konnte der Rothaarige kaum übersehen. »Fertig.« »D- danke«, nuschelte Noah, blickte aber nicht auf. Luca rutschte wieder auf seine Seite des Bettes und kramte in seiner Tasche herum um dem anderen die nötige Zeit zu geben, die er brauchte. Wenn es für ihn schon so schwer war, wie schwer musste es dann erst für den Schwarzhaarigen sein sich zusammenzureißen?! »Wollen wir dann schlafen.« »Ja… ich denke wir müssen morgen wieder früh raus.« »Okay…« »Guten Nacht.« »Nacht.« Noah schaltete das Licht aus und die beiden legten sich in ihr Bett. Es dauerte lange bis er in dieser Nacht einschlafen konnte. °°° »L&MT-Fashion Mailand, was kann ich für Sie tun?« »Ich bin es…« »Kris? Woher rufst du denn an?« »Von einer Telefonzelle… ich hab kein Geld mehr… hi…« »Hi, mein Stern. Soll ich dich zurückrufen?«, begrüßte er seinen Freund erst einmal richtig und lächelte sanft. Anscheinend schien er Luca ja wirklich zu vermissen. »J – ja… kannst du in fünf Minuten anrufen, wenn es-« »Kein Problem. Bis gleich.« »Ja. Bis gleich.« Als er das nächste Mal auf die Uhr sah, merkte er, dass er beinah zu spät dran war. Hastig wählte er die Nummer seines Freundes. »Luca…« »Ja, sorry… ich hab die Zeit ganz vergessen.« »Schon okay.« »Und was machst du so?« »Ich such immer noch einen festen Job und versuche irgendwie die Zeit zu überbrücken, bis du wieder da bist-… heute haben ich bestimmt vier Stunden mit David geskypt und mit ihm über alles gesprochen.« War ja irgendwie klar, dass Kris das alles nicht lange alleine mit sich ausmachen konnte. Irgendwie wunderte es ihn, dass er nicht schon längst eine Morddrohung von dem Blonden bekommen hatte. »Und?« »Er meinte das ich – ist ja auch egal. Gibt es bei dir was Neues?« »Ähm… ja, also es wird doch noch etwas länger dauern.« »Du kommst morgen nicht?!« »Bitte sag das nicht so, als würde es nicht wollen. Die Verhandlungen sind ziemlich festgefahren… wir brauchen noch eine Weile.« Eine kurze Stille entstand. »Kris, was - ?« »Sch – schon okay… rufst du noch mal an?« »Natürlich. Und auch wenn ich etwas später komme, machen wir es trotzdem so wie geplant, okay?« »Ja… ich – ich vermisse dich so.« »Ich dich auch, Kleiner.« °°° Die Unterredungen und Verhandlungen mit den Sponsoren dauerten tatsächlich bis Freitag. So war es knapp eine Woche, die er in Mailand verbrachte. Umso glücklicher war er, als er in den Flieger steigen und zurück nachhause fliegen konnte. Viel zu viel Zeit hatte er verstreichen lassen und nach dem Kurztrip war er sich umso sicherer, dass er mit Kris über all das reden musste, sobald sie wieder Boden unter den Füßen hatten. Das einzige was jetzt noch zwischen ihnen und der Ankunft stand, war das ziemlich stürmische Wetter. Immer wieder wurde die Maschine kräftig durchgerüttelt und Luca hatte wirklich aufrichtiges Mitleid mit Noah. Eigentlich hatte er ihm diese Erfahrungen ersparen wollen, aber das war nun einmal nicht zu ändern. Sanft nahm er erneut die verkrampfte Hand in seine und berührte den Handrücken mit seinen Lippen. »Beruhig dich… uns kann gar nichts passieren.« Der Schwarzhaarige wand sich zitternd und kalkweiß um. »Wie kannst du dir da so sicher sein?!« »Vertrau einfach darauf, okay? Sieh nicht aus dem Fenster sondern erzähl mir etwas… lenk dich ab, ja?« »Ich...-« Wieder schaukelte die Maschine bedenklich und Noah sah panisch aus dem Fenster. Luca seufzte, beugte sich nach vorne und zog die Jalousie von dem kleinen, runden Fenster zu, ehe er Noahs Gesicht mit beiden Händen packte. »Ablenken habe ich gesagt…« Der Schwarzhaarige errötete und wich dem direkten Augenkontakt aus. »Tschuldigung…« »Okay, ich erzähl dir jetzt die Geschichte von mir, Erdnussflips, kaputten Regenschirmen und ziemlich tollwütigen Tauben, ja? Aber wehe du verrätst das jemand anderen…«, lächelte er und begann dann, ohne darüber nachzudenken, zu erzählen. Tatsächlich brachte er Noah damit zum Lachen und musste sich selber eingestehen, dass der andere umwerfend aussah, wenn er lachte. Kapitel 4: In meinen Armen -------------------------- ►Hallo liebe Leser, heute gibt es neben dem heiß ersehnten Kapitel noch ein Vorwort von mir, da ich euch einiges zu sagen haben. Zum Ersten: Es ist traurig aber wahr, die Geschichte um Luca wird nach dem nächsten Kapitel (dieses ist der offizielle Epilog) zu Ende gehen. Aber ich denke, dass ich Kris, Luca, David und Noah, sowie auch Rena, Lucie, Benny und Lara nicht einfach so abschließen kann. Denn sie sind mir allesamt über die Zeit sehr ans Herz gewachsen. Deswegen sage ich - nennt es eine Vorahnung - das es wahrscheinlich immer mal wieder etwas von den Lieben zu berichten geben wird. Also lohnt es sich ab und zu mal nachzuschauen. ^^" Zum Zweiten: Ich bin (und das muss ich ehrlich sagen) doch etwas enttäuscht über die ausbleibende Reaktion für mein Baby. Eigentlich hatte ich gehofft, dass die Idee meine Geschichte in einem zweiten Teil fort zu setzten euch genauso begeistert, wie sie mich begeistert hat. Jetzt muss ich leider feststellen das sich nur wenige die Zeit genommen haben mir ihre Meinung zu sagen und mir Kritik zu senden. Schade... da ich aber niemanden zu irgendetwas zwingen kann, werde ich einfach weiter meinen "Job" machen und mich an 14 Favoriten erfreuen. Zum Dritten und Letzten: Ich möchte hier noch einmal auf das ADULT in diesem Kapitel hinweisen und jeder der sich nicht denken kann wieso ich diese ausspreche, hat von meiner Geschichte nichts begriffen... x___X Und jetzt hör ich auf zu quatschen und wünsche euch viel Spaß. Eeva _ Als sie drei Stunden später auf dem heimischen Flughafen ankamen, fühlte sich Luca positiv erschöpft. Sie hatten die Zukunft ihres Ladens gesichert, waren gut miteinander ausgekommen ohne, dass etwas passiert war, was er bereuen musste und er war endlich wieder daheim. Es dauerte nur knapp eine halbe Stunde bevor sie ihr Gepäck vom Band nehmen konnten und in die Richtung des Ausgangs marschierten. Gerade als er sich zu Noah umdrehte um ihn zu fragen wie er nachhause kam, hörte er den Schrei, der beinah wie sein Name klang. Luca drehte sich um und sah seinen Freund auf sich zu rennen. Instinktiv ließ er seine Reisetasche und seine zwei Umhängetaschen fallen und fing den Kleineren auf, der ihn in die Arme sprang. Durch den Schwung des Dunkelhaarigen musste er sich dreimal im Kreis drehen damit er nicht nach hinten überkippte. »Hey… was machst du denn hier?«, meinte er verblüfft. »Ich hab dich so vermisst…«, nuschelte Kris und schmiegte sich dicht an ihn. »Endlich bist du wieder da!« Lächelnd strich er dem Kleineren über den Kopf. »Und wie bist du hergekommen?« »Yo, Alter.« Benny kam lässig auf sie zu geschlendert und grinste breit. »Da biste ja endlich.« Sein Lächeln wurde zu seinem ebenfalls breiten Grinsen. Es freute ihn wirklich, dass die beiden extra wegen ihm zum Flughafen gekommen waren. Wahrscheinlich hatte Benny extra dafür eine Trainingseinheit abgesagt um seinen Freund herzufahren. »Hi. Du auch hier?!« »Klar oder denkst du ich lass dich hier einfach stehen. Komm, deine Kutsche wartet.« Luca lachte leise und löste sich dann vorsichtig von Kris um sich zu seinem Begleiter umzudrehen. »Kommst du mit?« Noah, der bis eben ziemlich teilnahmslos neben der herzlichen Begrüßung gestanden hatten, sah ihn erstaunt an. »Ich…-« Der Schwarzhaarige unterbrach sich und presste die Lippen aufeinander, als er anscheinend den Blick von Kris auffing. Doch als Luca sich umdrehte, konnte er nichts mehr im Gesicht seines Freundes deuten. »Ich denke, ich nehme lieber den Bus…« »Wirklich?« »Ja… ich komm schon zurecht. Wirklich.« »Also ich hätte nichts dagegen«, mischte sich Benny ein und hielt ihm lächelnd die Hand hin. »Ich bin übrigens Benny. Heute zum Chauffeur degradiert.« Noah nahm lächelnd die Hand. »Noah, freut mich. Ich nehme aber trotzdem den Bus, danke für das Angebot.« Benny nickte und griff nach der Reisetasche von Luca. »Können wir dann, ich kann nicht mehr allzu lange warten.« Luca nickte und ging kurzentschlossen auf Noah zu. Auch wenn es sicherlich unangebracht war, er sah nicht ein warum er Kris schonen sollte. Sie würden eh gleich über alles reden. Er zog den anderen kurz an sich. »Okay, dann sehen wir uns am Montag. Schönes Wochenende und pass auf dich auf, ja?« »D – danke.« Sie lösten sich voneinander und Noah ging davon. Der Rothaarige sah ihn noch kurz hinterher, dann drehte er sich um und nahm seine zwei Taschen wieder auf. »Lasst uns losgehen.« Als er den verloren Blick seines Freundes sah, nahm er seine Hand und lächelte ihn an. »Ich will endlich wieder nachhause.« °°° Natürlich kamen sie erst einmal nicht dazu miteinander zu reden, denn wie sich herausstellte, hatten auch die anderen Luca ziemlich vermisst. Als Benny sie bei sich zuhause absetzte und sie ihn verabschiedet hatten, sahen sie Renate, Lucie und Lara vor ihrer Tür stehen. Die Kleinste lief quietschend auf sie zu und hüpfte in seine Arme. »LULU!!« Auch wenn in ihm irgendwas entnervt aufseufzte, musste er doch lachen. »Hallo… was macht ihr denn hier?« »Wir dachten, wir heißten dich auch mal willkommen, wenn du dich schon einfach eine Woche verpisst, ohne vorher ein Wort zu sagen!«, meinte Lucie halb belustigt, halb verärgert und wedelte mit einem Kuchen herum, den sie in einer Tortenplatte vor sich hertrug. Aufgrund der etwas heftigen Wortwahl bekam sie von ihrer Tante eine Kopfnuss und kicherte leise. »Habt ihr Hunger mitgebracht?!« Kurz warf er seinem Freund einen Blick zu und sah sofort, dass auch Kris im Moment ein Problem mit ihrem Besuch hatte. Trotzdem konnten sie seine Familie nicht einfach hier stehen lassen. Das wäre einfach nicht fair… Wir reden später, signalisierte er dem Dunkelhaarigen und schenkte ihm einen entschuldigenden Kuss auf die Lippen, ehe er auf seine Tante zuging. »Klar! Kommt rein.« °°° Die Drei aßen sogar noch mit ihnen Abendbrot. Auch wenn er die Unruhe in sich unterschwellig wahrnahm, konnte er nicht anders als ständig zu lächeln. Sie lenkten Kris und ihn wirklich gut ab und lockerten die Stimmung beträchtlich auf. Vor allem Lara ließ keine trüben Gedanken aufkommen, sondern sprang von einem zum anderen (sie liebte Kris wirklich von ganzen Herzen, auch wenn dieser einige Probleme mit ihren ständigen Kuschelbedürfnissen hatte) und bezog jeden Anwesenden in ihr Spiel mit ein. Ihr klares Lachen war eine Medizin, die bei Luca schon immer tadellos funktioniert hatte. Nichts auf der Welt half ihm mehr, wenn er Kummer hatte und auch bei dem Dunkelhaarigen, schien es zu funktionieren. Kris lächelte wirklich viel und taute innerhalb weniger Stunden auf. Es tat unglaublich gut ihn so glücklich zu sehen und ihn Lachen zu hören nach all dem Mist, der in den letzten Wochen gelaufen war. Sie unterhielten sich viel und aßen den Kuchen beinah ganz auf. Es war einer dieser Nachmittage, die leider viel zu schnell vergingen… »Wirst du heute Abend mit ihm reden?«, flüsterte Lucie ihm zu und blickte zu Kris, der gerade Lara auf seinen Schoß hatte. Die Kleinere strahlte ihn an und sagte gerade irgendwas zu ihm. »Ich…- ja, das hatte ich vor.« Seine Schwester nickte und warf noch einmal ein Blick auf den Dunkelhaarigen, der inzwischen angefangen hatte Lara durch zu kitzeln. Renate bereitete gerade das Abendessen vor. »Gut… es geht ihn wirklich nicht besonders. So deprimiert habe ich ihn seit der Verhandlung nicht mehr gesehen.« »Du hast dich mit ihm getroffen?« »Ja, Benny und ich haben abgemacht, dass wir abwechselnd mal nach ihm sehen. Du warst ja fast eine Woche weg und die Tatsache das Noah mitgefahren ist, hat Kris wirklich wahnsinnig gemacht«, berichtete Lucie halblaut. »In der ersten Nacht hatte er wohl wirklich schlimme Alpträume und hat David angerufen. Er meinte das Kris total verwirrt und durch den Wind gewesen war, als David mich am Morgen kontaktiert hat. Er hat uns dann darum gebeten nach Kris zu sehen, aber so dass er es nicht so mitbekommt. Das haben wir versucht, doch er hat sich nur selten wirklich ablenken lassen. Er war immer total in sich gekehrt, nachdenklich und abwesend.« Luca seufzte. »Er hat keinen Ton davon gesagt, als wir telefoniert haben.« »Ich kann ihn auch irgendwie verstehen, schließlich warst du in letzter Zeit für ihn auch nicht der beste Ansprechpartner…« »Ich weiß. « Auch wenn diese Worte sehr wehtaten, Luca wusste, dass seine Schwester Recht hatte. All die Zeit war er so mit seinen Bedürfnissen so beschäftigt gewesen, dass er seinen Freund völlig aus den Augen verloren hatte. Und auch wenn er sich von Kris mehr Verständnis und Leidenschaft gewünscht hatte, musste er zugeben, dass er den Dunkelhaarigen selbst ziemlich vernachlässigt hatte. Vor gar nicht allzu langer Zeit war Kris immer zu ihm gekommen, wenn er ein Problem hatte oder jemanden zum Reden brauchte. Jetzt musste er hören, dass er mit sich selber und seinen verworren Gefühlen so beschäftigt war, dass er die eigentliche Verletzbarkeit seines Freundes total verdrängt hatte. Er wusste das Kris starke Verlustängste entwickeln konnte, wenn um Menschen ging, die ihm das gaben was er sich schon immer so von Herzen gewünscht hatte. Zuerst war das nur David gewesen, der ihn mit vierzehn auf seiner Hölle befreit und ihn eine Zuflucht und Geborgenheit geboten hatte. Luca konnte sich noch genau an die Szene am Bahnhof erinnern, als Kris und David sich vor der Europatour der Blonden verabschiedet hatten. Sein Freund hatte einen mittelschweren Nervenzusammenbruch, als David in den Zug gestiegen ist. Doch allen war klar, dass man Kris in diesem Punkt auch nicht zu sehr schonen durfte. Er musste einfach lernen loszulassen und darauf zu vertrauen, dass die Menschen wiederkamen. Nach David hatten zuerst Luca, seine Familie und dann Benny sein Leben betreten. Der Rothaarige war für Kris absolut unersetzbar geworden und das wusste er auch. Immer wieder hatte Kris versucht ihm zu erklären wie wichtig er für ihn war. Doch wirklich begriffen hatte er es nie. Wahrscheinlich konnte man das auch nicht, wenn man nicht etwas Ähnliches erlebt hatte. Er wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als Renate sie zum Essen rief und als er sich neben seinen Freund nieder ließ und in sein glühendes Gesicht – anscheinend hatte er sich mit den Attacken auf Lara ziemlich verausgabt – blickte, wusste er, dass er den Dunkelhaarigen wirklich über alles liebte. °°° Als seine Schwestern und Renate gegangen waren, räumte er die Küche auf. Noch war er nicht bereit für eine Konfrontation, auch wenn er sich die ganze Zeit genau danach gesehnt hatte… jetzt drückte er sich. War das nicht albern? Seufzend stellte er die Spülmaschine an und wischte noch einmal alle Arbeitsplatten und den Tisch ab. »Ich habe mir Badewasser eingelassen…ko-kommst du mit rein?« Luca zuckte leicht zusammen, da er Kris nicht einmal hinter sich gehört hatte, doch er lächelte als er sich umwand. »Gerne. Geh schon vor, ich bin sofort da.« Er räumte seine Putzutensilien und den Lappen weg und ging dann ins Bad, wo sein Freund schon in der Wanne saß. Das hatten sie öfter Mal gemacht, jedoch niemals nackt. Sie hatten immer die Boxershorts angelassen, wenn sie zusammen ins Wasser stiegen. Wenn er sich das genau überlegte, hatte er seit den drei Jahren ihrer Beziehung Kris noch niemals komplett nackt gesehen. Irgendwo verständlich, dachte Luca, während er sich hinter seinen Freund ins Wasser gleiten ließ. Schließlich kenne ich die Videos und weiß auch, dass die Nacktheit für Kris einmal eine Art Demütigung hatte darstellen sollen – und sicher hat sie das auch getan. Ohne darüber nachzudenken, begann er die verspannten Schultern seines Freundes zu massieren, als er an die pädophilen Männer dachte, die die Nacktheit von Kris so viele Jahre für sich ausgenutzt hatten. Mit sanfter Gewalt massierten seine Daumen jegliche Verspannungsknoten aus dem Nacken und den Schultern des anderen. Die weiche Haut unter seinen Fingern fühlte sich sehr gut an und als Kris dann noch begann wohlige Laute von sich zu geben, wurde ihm augenblicklich heiß. Irgendwie fühlte er sich unangenehm an die letzte Begegnung mit Noah erinnert. Wie konnte er in einem solchen Moment an den Schwarzhaarigen denken?! »W – wann können wir endlich reden?« »Vielleicht, wenn wir wieder aus der Wanne sind?«, fragte Luca zurück und lehnte sich dann etwas zurück. Dabei stieß er mit dem Kopf an etwas, das am Badewannenrand stand. Kris hatte tatsächlich zwei Gläser, eine Flasche Wein und eine Flasche Wasser, sowie einen Korkenzieher an den Rand der großen Badewanne gestellt. »Du willst hier reden?« »Ich will es einfach hinter mich bringen, weißt du?« »Okay… kann ich verstehen.« Kris drehte sich zu ihm um und das Wasser plätscherte beruhigend. Irgendwie fühlte Luca sich merkwürdig fehl am Platz. Als sie sich nun so gegenüber saßen – die Wanne war zwar verhältnismäßig groß, doch wenn sie sich gegenüber saßen hatten sie schon ein paar Probleme mit dem Platz für ihre Beine –, spürte er eine ungekannte Nervosität in sich aufsteigen. Vorsichtig bewegte er sich und winkelte seine Beine an, damit der Kleinere genug Platz hatte. Er sah Kris an und bemerkte sofort, dass er wahrscheinlich mindestens so aufgeregt war wie er selbst. Kopfschüttelnd griff er nach der Weinfalsche und begann sie zu entkorken. Was war nur aus ihnen geworden? Luca schenkte großzügig den Wein in die Gläser und reichte eins Kris, ehe er selbst an seinen nippte. Dann atmete er einmal tief durch. »Okay, ich denke, ich werde anfangen müssen. Schließlich ist es ja zum Großteil meine Schuld, dass es so aus dem Ruder gelaufen ist.« »Aber-« »Scht. Hör mir einfach nur zu Kris…«, unterbrach er ihn sofort. Er wusste nicht was passierte, wenn er jetzt noch mit seinem Freund diskutieren musste. Umsichtig stellte er sein Glas auf den Rand zurück und rutschte näher, als der andere es ihm nach tat. »Ich habe mich einfach ziemlich zurückgewiesen und verletzt gefühlt und deine Gefühle total verdrängt. Es tut mir wirklich leid, ich weiß, dass ich wirklich egoistisch war. Ich habe mich vollkommen in den Gedanken rein gesteigert und versucht die ganze Schuld nur bei dir zu suchen und das war der Fehler. Ich hätte einfach von Anfang an mit dir Reden sollen und dann kam Noah…« Luca schloss die Auge. »Er hat irgendwie alles das verkörpert was du von nie warst und als er sagte, er sei mein Praktikant, da habe ich irgendwie nicht mehr an mir halten können.« Als er seine Augen wieder öffnete, konnte er die Angst in denen seines Freundes erkennen. Und es war noch lange nicht vorbei… »Als wir in der Hütte waren…- ich weiß nicht mal mehr genau, warum ich ihm das eigentlich angeboten habe – wir haben getrunken und gefeiert und irgendwann haben wir uns geküsst… es war so aufregend und anders… ich – ich habe völlig die Kontrolle verloren und wollte mehr. Ich – oh Goth! Es tut mir so leid, Kleiner! Ich hätte das niemals tun dürfen!« »Wie weit seit ihr gegangen?«, fragte Kris erstickt. »Wir haben nicht miteinander geschlafen…«, antwortete der Rothaarige ausweichend und fühlte sich so schlecht wie schon lange nicht mehr. »Bist du… ge – kommen?« »Ja…« Auch wenn es ihn beinah umbrachte, die Verletztheit in dem Gesicht des anderen zu sehen, wollte er endlich ehrlich sein. »Ich…- ich weiß wirklich nicht wie ich das jemals gut machen soll, aber ich empfinde nur Freundschaft für Noah! Ich liebe dich, Kris… wirklich…« Der Angesprochene blickte ihn starr an und sah beinah so aus, als hätte man ihm gerade eröffnet, dass er die letzten drei Jahre nur geträumt hatte und wieder zurück zu seinem Vater ziehen musste. Für Luca fühlte es sich an, als würden Stahltüren hinter den Augen des anderen zu gedonnert worden. Nichts, was sonst in diesen ausdrucksvollen Augen stand, konnte er noch darin erkennen. Sie wirkten furchterregend leer… »Ich …- ich…« Kris schüttelte den Kopf und stand so ruckartig auf, dass er fast ausrutschte wäre. Doch er konnte sich gerade noch halten. »Ich muss raus…« Das Wasser schwappte bedenklich hoch, als Kris aus der Badewanne floh und die Tatsache, dass seine Boxerhorts dabei ziemlich ins Rutschen geriet, konnte ihn nicht ablenken. Er hatte alles kaputt gemacht! Er sah dem Jüngeren nach, der auf die Tür zustürmte. Die Boxershorts hing ihm wirklich tief an den Hüften und schien jeden Moment mehr zu rutschen… und Luca konnte sich nur geistesabwesend wundern, wie der Dunkelhaarige es geschafft hatte, dass die Gläser bei seiner Flucht stehengeblieben waren. Er konnte sich nicht aufraffen seinem Freund nachzugehen, weil er wusste, dass er es damit nur noch schlimmer machen würde. Hätte er so eine Hiobsbotschaft bekommen, hätte er auch erst einmal alleine sein wollen um nachzudenken. Die Frage war: Was kam bei diesem Nachdenken heraus? Würde Kris ihm noch eine Chance geben? Oder hatte er am Ende sogar all das zerstört, um das er so hart gekämpft hatte!? Luca seufzte zittrig und schloss die Augen für einen Moment um den Schmerz in seiner Brust zu regulieren. Warum hatten sie nicht einfach früher angefangen miteinander zu reden? Nur langsam konnte er sich wieder besinnen und aus der Wanne steigen um die Fluten zu bändigen und sich umzuziehen. °°° Luca fühlte sich taub und ferngesteuert, als er aus dem Bad ins Schlafzimmer ging und sich erschöpft auf das Bett setzte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zum letzten Mal so schuldig und elend gefühlt hatte. Kurz blickte er auf seine Tasche, beschloss aber nach wenigen Sekunden, dass sie bis morgen warten musste. Er wollte eigentlich nur noch schlafen, auch wenn er kein bisschen müde war. Schwermütig stellte er sich den Handywecker auf halb zehn und legte das Gerät dann auf den Nachtschrank. Plötzlich hatte er das Bedürfnis mit irgendjemanden darüber zu reden. Aber wen sollte er jetzt noch anrufen? Benny? Lucie? Das… Was war wenn Kris genau in dem Moment zu ihm kam, wenn er seinen Gesprächspartner von der Situation erzählte? Wie würde das auf den Jüngeren wirken?! Schließlich war es seine Schuld! Er hatte kein Recht sich wegen der Zurückweisung des anderen bei irgendjemand auszuheulen! Jeder andere hätte auf dieses Geständnis so reagiert… na ja, die meisten hätten ihm wohl eine geklebt und sofort Schluss gemacht, aber das Kris so etwas nie tun würde, wusste er ja. Scheiße! Frustriert warf er sich aufs Bett und starrte an die weiße Decke. Wie sollte es denn jetzt weiter gehen? Wie würden die beiden das Wochenende in dieser gedrückten Stimmung überstehen, ohne sich zu streiten? Vielleicht sollte erst einmal zu Renate und - nein! Das würde aussehen wie eine Flucht und wenn jemand das Recht auf Flucht hatte, dann war das Kris! Wo der Kleine jetzt wohl war? Sorgsam lauschte er in die Wohnung hinein, konnte aber keine Geräusche vernehmen, die ihn die Anwesenheit seines Freundes ankündigten. Er seufzte schwer auf. Ob Kris weinend im Wohnzimmer saß? Dieses und das kleine Kinderzimmer – welches die derzeit als Abstellraum benutzten – waren die einzigen Räume in der Wohnung durch die man nicht gehen musste, wenn man ins Schlafzimmer wollte. In ihm tobte sein schlechtes Gewissen. Am liebsten würde er aufstehen und den anderen suchen, doch er hatte Angst Kris zu sehr zu bedrängen. Wahrscheinlich musste er einfach noch ein wenig warten bis er von selbst kam… so eine Botschaft musste man ja auch erst einmal verdauen. Oder?! Wieder drehte er sich zu seinem Handy um, überlegte es sich jedoch erneut anders. Schnell drehte er den Nachtschrank den Rücken zu und atmete bewusst ein und aus. Er musste sich beruhigen, wenn er so aufgewühlt war machte er doch alles nur schlimmer… ganz ruhig… ruhig… Es verging eine lange Zeit in der er sich in meditativer Stille versunken nur auf seinen Atem konzentrierte. Er hing den trüben Gedanken nach und versuchte sich dann von jedem einzelnen zu lösen. Das half etwas, machte ihn aber unerträglich müde. Irgendwann musste er sich wieder auf den Rücken drehen, damit er nicht doch einschlief, bevor er Kris wiedersah… Wie spät es wohl war? Wieder blickte er an die weiße Decke des Schlafzimmers, das keine analog Uhr besaß und überlegte gerade auf sein Handy die Uhrzeit herauszufinden, als er hörte wie sich leise die Tür öffnete. Völlig überfordert hielt er den Atem an und drehte seinen Kopf in die Richtung. Die helle Deckenbeleuchtung war noch an und präsentierte ihm ein Bild, was nicht einmal in seinen wildesten Träumen schöner hätte sein können. Kris trat zitternd ein. Seine Augen waren gerötet, seine dunklen Haare feucht und ungeordnet. Er war nur mit einem Bademantel bekleidet, den langsam abstreifte, als er bemerkte das Luca ihn musterte. Und dann stand er völlig nackt vor ihm… Der Rothaarige richtete sich abrupt auf und war mit einem Mal wieder munter. WAS?!! Kris trat unsicher näher zum Bett und wieder füllten sich seine Augen mit Tränen. Das leise platschen seiner nackten Füße nahm Luca nur beiläufig war. Er konnte nicht anders als seinen Freund offenkundig anzustarren. Kris war schmal und seine Haut, die nur im Gesicht und an den Armen und Beinen eine zarte Bräune aufwies, hatte beinah die Farbe von Sahne. Kleine sichelförmige Narben waren über seinen gesamten Körper verteilt und zerstörten das Bild des unschuldigen Engels etwas und doch hatte Luca noch nie etwas Schöneres gesehen. Ihm wurde augenblicklich heiß. Alles schien fast perfekt proportioniert zu sein… Kris hätte wirklich Modell werden sollen, schoss es ihn durch den Kopf. Und auch wenn er keinerlei Ansätze von Muskelpaketen hatte, irgendwie ließ ihn das noch anziehender wirken. Inzwischen war der Dunkelhaarige vor dem Bett angekommen und theoretisch hätte Luca nur seine Hand ausstrecken brauchen um ihn zu berühren. Aber der hektische Atem und das stete Zittern des anderen Körpers hielten ihn davon ab. Was sollte das hier eigentlich?! »Kris?«, fragte er rau und wunderte sich wo er jetzt seine Stimme wieder gefunden hatte. Er war noch völlig überwältigt. »Bitte… schl – schlaf mit mir. Ich…« Kris schnappte nach Luft und krabbelte langsam zu ihm aufs Bett. »Lass mich Dein sein.« Luca stockte der Atem als der Dunkelhaarige seine Hand nahm und sie auf seine bebende Brust drückte. »Berühr mich…« Wenn er den anderen nicht so lange gekannt hätte, hätte er ihm das wohl voll abgenommen, doch Luca kannte Kris sehr gut. Er wusste genau, dass der Kleinere das nicht tat, weil er sich das wirklich wünschte, sondern weil er selbst es wollte. Kris wollte ihn nicht verlieren und das war seine Art ihm zu zeigen, dass er die bessere Wahl war. Dafür war er sogar bereit gegen seinen eigenen Willen mit Luca zu schlafen und die Angst und die Erinnerungen in Kauf zu nehmen… nur damit er sich für ihn und nicht für Noah entschied. Dieser Kerl… »Nimm mich, Luc.« Der Angesprochene spürte unter seinen Fingerspitzen das bollernde Herz des Kleineren und fragte sich wie Kris es schaffte so ruhig zu reden, wenn er innerlich vor Angst verging. Trotzdem konnte Luca nicht anders als seine Hand tiefer gleiten zu lassen und das Geschlecht des anderen in seine Hand zu nehmen. Kris stöhnte, bog den Rücken fast automatisiert durch und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Den Älteren riss er einfach mit sich mit… Sein Penis wurde sofort härter in Lucas Hand. Es fühlte sich atemberaubend gut an, den Kleineren so zu berühren wie er es sich schon so lange gewünscht hatte. Er sah so schön aus, wie er da unter ihm lag, die Beine leicht für ihn gespreizt … und doch… Der Dunkelhaarige müsste fast wahnsinnig werden vor Angst, wieso also reagierte sein Körper so positiv auf seine Berührungen??! Luca brachte etwas Abstand zwischen sie und sah den anderen genau an. Der Kleinere hatte seine Augen schlossen, aber man sah ihm die Angst auch so an. Sein Atem ging hektisch und sein Brustkorb senkte sich im Rekordtempo. Seine Lippen bildeten nur einen schmalen strich und seine Finger waren inzwischen so fest in die Laken gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Langsam strich er den Schaft des Jüngeren mit seiner Hand hinauf und fuhr dann mit den Daumen über die Eichel des Kleineren. Dieser zuckte ihm unbewusst entgegen und öffnete kurz den Mund um Luft zu schnappen. Sogar erste Lusttropfen konnte er erkennen. Sie haben ihn zu einen willenlosen Sexspielzeug gemacht, wurde ihm klar. Egal wie viel Angst er hatte, Kris würde immer gleich auf die Berührungen von anderen reagieren. Diese Männer haben ihm antrainiert immer und überall abrufbar zu sein und das sicher nicht ohne Züchtigungen… irgendwann schien sein Körper sich das gemerkt zu haben. Und er wettete darauf, dass er, wenn er jetzt den Schließmuskel des anderen durchstoßen wollte, auch damit keinerlei Probleme haben würde. Wie krank! Wieder blitzten die unliebsamen Bilder in seinem Kopf auf, die ihn seit seiner kleinen Diebstahlaktion im Gericht sogar in seinen Träumen verfolgten. Sie waren schrecklich und unendlich traurig zugleich gewesen und hatten sich in seinen Erinnerungen eingebrannt ohne, dass er das jemals gewollt hatte … Luca wurde augenblicklich schlecht und er löste sich ganz von seinem nackten Freund. Wie hatte er sich dazu hinreißen lassen können ihn so zu berühren?! Kris öffnete seine Augen – sie waren zwar dunkler als sonst, spiegelten aber keine Lust sondern nur Angst – und sah ihn flehend an. »Luca?« »Nein. Zieh dich wieder an, du bist völlig ausgekühlt.« Ihm war selber schleierhaft wieso er nicht einfach aufstand und ging, in seinem Innersten herrschte das blanke Chaos. Er entfernte sich weiter von dem Kleineren und schüttelte den Kopf. Er durfte das nicht zulassen… Auch Kris hatte sich derweil aufgesetzt. »Aber ich -« »Nein, hab ich gesagt. Zieh dich an!« Der Dunkelhaarige zuckte zurück und nur wenige Sekunden später begannen seine Lippen verdächtig zu beben. Er würde doch jetzt nicht – Luca sah bestürzt dabei zu wie der wertvollste Mensch, den er besaß, vor ihm in bittere Tränen ausbrach. Sich innerlich für den harschen Ton verfluchend, rutschte er wieder etwas näher. Er konnte genau spüren unter welcher Spannung sein Freund stand. Auch wenn er immer noch völlig überfordert mit der Situation war, hieß das ja nicht, dass er es unbedingt an Kris auslassen musste. Schließlich hatte er ihn in letzter Zeit viel zu oft zum Weinen gebracht. Und der andere war so mutig gewesen. Warum musste es mit ihnen immer in irgendeinem Gefühlschaos enden?! »Pst. Weine nicht, mein Stern«, hauchte er und zog seinen nackten, völlig aufgelösten Freund in seine Arme. In diesem Moment war er mehr als froh, dass von seiner anfänglichen Erregung jetzt nichts mehr zu spüren war. Wahrscheinlich hätte das den anderen nur mehr erschreckt. »Ich wollte nicht so harsch sein… du – du hast mich nur etwas überrascht, ja? Bitte, hör auf…« Er küsste die Schläfe des Weinenden und streichelte durch das dunkel Haar, was in diesem wunderbaren Kontrast zu der blassen Haut stand. Es war ein tolles Gefühl den nackten Körper halten zu dürfen und über die samtene Haut zu streicheln. Allein das sollte er als Privileg sehen, das wurde ihm in diesem Moment klar. Nur wenige Minuten später, hatte sich Kris wieder beruhigt und sah ihn unsicher von unten herauf an. »Wi – willst du mich nicht mehr?« Bei dieser Frage klappte dem Rothaarigen der Kiefer runter. »Wie-« »Du hast gesagt du willst mit mir… schlafen und du… du hast es dir alle die Jahre gewünscht, warum willst du es dann nicht?« Luca schob ihn ein Stück von sich weg und sah ihn dann ernst an. »Weil du noch nicht bereit dafür bist, Kris. Ich will nicht in die Fußstapfen derer treten die dich zu irgendetwas zwingen, verstehst du das nicht? Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass ich egoistisch war. Der Vorwurf mit dem Sex war da mit eingeschlossen… es ist aber nun einmal nicht richtig dabei nur an mich zu denken, weil du es bist, der es wollen muss. Ich will das es dir genauso Freude bereitet…« Der Dunkelhaarige sah ihn musternd an. »Du willst das ich dabei Spaß habe?« »Nein, ich würde es mir wünschen«, verbesserte der andere. »Ich wünsche mir das du es nicht mehr als Akt der Gewalt sehen musst, sondern die Liebe dahinter erkennst… ich würde dir gerne beweisen das Berührungen schön sein können.« »Warum zeigst du es mir dann nicht?« »Jetzt? Bist du sicher?« Er suchte nach Zweifeln in den Augen seines Freundes, doch er fand keine. Das einzige was er fand war grenzenloses Vertrauen. »Ja… ich will das du nur mich liebst und keinen anderen… bitte, zeig mir das du mich liebst«, hauchte Kris und schmiegte sich an ihn. Der Rothaarige schluckte hart und begann dann den anderen mit aller Zärtlichkeit zu küssen die er aufbringen konnte, während er seinen Freund nach hinten drängte. Nun lag Kris wieder unter ihm und es war ihm fast so, als würde er träumen… »Wenn etwas nicht stimmt, sag stopp… okay? Ich werde nichts tun, was du nicht auch willst«, sagte er dunkel und begann dann von neuem den Körper des anderen zu berühren. Er dirigierte den anderen auf das Kissen und lächelte ihn beruhigend an. Langsam und mit aller Liebe, die er für den Jüngeren empfand, begann er den anderen zu streicheln. Immer wieder suchte er den Blickkontakt zu dem anderen. Er nahm sich sehr viel Zeit den Körper des anderen zu erkunden und hörte sofort auf, wenn er spürte, dass das Zittern wieder einsetzte. Dann hob er den Kopf und küsste Kris erneut, bis dieser sich wieder beruhigt hatte. »Ich bin es, Kleiner. Alles okay?«, hauchte er gegen die vollen Lippen und kraulte gedankenverloren den flachen Bauch des Dunkelhaarigen. Er mochte es wirklich sehr ihn zu berühren. Er war schon jetzt süchtig nach dieser weichen, blassen Haut und den süßen Küssen der anderen Lippen. Auch die Geräusche, die er Kris manchmal entlockte, fand er einfach nur entzückend. »Mir - … mir ist so heiß.« kam die zittrige Antwort. Luca schmunzelte und linste hinab in den Intimbereich des anderen. Dort hatte sich bei seinen Streicheleinheiten wieder deutlich etwas geregt. Auch wenn er bis jetzt darauf verzichtet hatte Kris an diesen bestimmten Stellen zu berühren. »Und fühlt es sich gut oder schlecht an?«, fragte er heiser und begann sanft die zarte Brustwarze mit den Lippen zu verwöhnen. Ihm war völlig klar, dass der Kleine bei den Übergriffen der viel älteren Männer keine Chance gehabt hatte jemals wirkliche Lust zu fühlen. Er hatte niemals im Mittelpunkt dieser sexuellen Treffen gestanden, sondern stets nur als Werkzeug fungiert. Das sollte sich ab heute ändern… Kris stöhnte verzagt und bog sich den Liebkosungen entgegen. »Gut, denk ich…« Der Rothaarige lachte leicht und löste sich von der erigierten Brustwarze. Währenddessen tasteten sich seine Hände zärtlich weiter in die südlicheren Regionen und begannen versonnen die empfindlichen Innseiten von Kris Oberschenkeln zu streicheln. Dieser zuckte zusammen und keuchte auf. »Ich möchte dir zeigen, dass es schön ist, okay? Wenn etwas ist, dann sag einfach stopp-…« Luca drückte einen Kuss auf das Ohr des Dunkelhaarigen und richtete sich dann auf um seinen Händen zu folgen. Er spreizte die Beine des Jüngeren leicht und setzte sich dazwischen, ehe er wieder begann die Schenkel zu streicheln und kleine Küsse auf die zarte Haut hauchte. Er spürte wie sich die Muskeln unter der Haut rhythmisch anspannten und lächelte. Auch die Intimmassage hatte ihn eine Zeit lang sehr beschäftigt und er hatte sich vor allem in Büchern und von einer guten Freundin, die diesen Dienst in aller Welt angeboten hatte, Praktiken angeeignet. Auch wenn meistens der Gebrauch in seinen anderen Partnerschaften bisher gar nicht nötig gewesen war… Da sich Kris jedoch erst einmal selber spüren sollte, war dies wahrscheinlich der beste Weg um zu erreichen was ihm vorschwebte. Er legte seine rechte Hand um den Schaft des Kleineren und ließ sie ein paar Augenblicke regungslos dort liegen. Als er bemerkte, dass sich Kris auf Grund des Reizentzuges unter ihm zu winden begann, pumpte er zart auf und ab zu und ging fließend in den Wechselgriff über. Kris stöhnte auf und begann wieder hektischer zu atmen, doch er bog sich den Händen entgegen, die nun abwechselnd sein Geschlecht mit streichelnden Bewegungen verwöhnten. Luca selber machte unglaublich an, den Kleineren so zu sehen. Alleine bei diesem Gesicht musste er sich wirklich zusammenreißen, damit er sein eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlor und sich vergaß. Er legte seine Handfläche auf die Eichel seines Freundes, wölbte seine Hand leicht und begann diese zu bewegen. Er spürte die ersten Lusttropfen in seiner Handfläche und beobachtete gespannt die Reaktion seines Freundes. Dieser holte rasselnd Luft und schrie schon beinah auf, als sich der Druck auf die empfindliche Stelle noch verstärkte. Anscheinend hielt der Regenbogengriff doch was er versprach. Interessiert beobachtete er den Gesichtsausdruck des Kleineren, der von deutlicher Lust sprach. Das gefiel ihm also schon mal… Er ließ seine Hände wieder mehr nach unten gleiten und nahm einen der Hoden zwischen Daumen und Zeigefinger gefangen, ehe er ihn sanft mit der anderen Hand streichelte. Immer wieder wie zufällig streichelte er mit den Fingerspitzen über den Anus des Dunkelhaarigen ohne einzudringen. Aber auch so merkte er bald, dass der Muskel entspannt und weich war, so als wäre er sofort bereit mehrere Finger aufzunehmen. Wie hatten es diese Männer nur geschafft, den anderen so willig werden zu lassen?! Der Untere wand sich in den Händen des Rothaarigen und drückte ihn sein Becken immer mehr entgegen. Sein ganzer Körper zuckte bereits unter der Penetration. »Luc…- bitte… nicht – ich…« Die Stimme seines Freundes klang so verloren und rau. Leise hatte er die Worte gehaucht, so als hätte er keine Hoffnung, dass Luca dieser Bitte nachkam. Aber natürlich löste er die Hände sofort - auch wenn es viel Disziplin erforderte - von dem schönen Körper und beugte sich über seinen Freund hinweg. »Was hast du?«, fragte er sanft und schob die Hände weg, die sich Kris vor sein Gesicht geschlagen hatte. »Hey, wieso weinst du denn?« Er gab seine Position zwischen den Beinen des anderen auf und legte sich seitlich neben ihn. Der Dunkelhaarige hatte sichtlich damit zu tun sich wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen. Er schien völlig verstört… »Ich muss doch…- ich meine du… du hast doch gar nichts davon und ich bin so – bitte lass mich auch etwas -« Luca unterbrach ihn einfach mit einem keuschen Kuss. Die Unsicherheit und gleichzeitig die Unterwürfigkeit mit der der Jüngere redete, machten ihn traurig. Anscheinend hatten sich diese falschen Grundsätze tief in sein Hirn gebrannt. Und eigentlich wollte er wahrscheinlich gar nicht wissen, warum der Kleinere so dachte und handelte, denn es konnte einfach nur mit Schlägen oder noch Schlimmeren zu tun haben. »Kleiner, red doch keinen Blödsinn.« »Ich -« »Es ist alles gut. Du musst gar nichts machen, nur fühlen, okay? Einfach fühlen…« Wieder nahm er die weichen Lippen gefangen und begann erneut zärtlich den Körper zu liebkosen. Er arbeitete sich nur sehr langsam zurück nach unten. »Luca…«, wimmerte Kris. »Ich bin bei dir«, sagte der Angesprochene leise und setzte sich erneut zwischen die bebenden Schenkel. »Ich will das du es genießt… lass dich fallen, Kris… vertrau mir.« Wieder begann er das Geschlecht des Kleineren zu verwöhnen, so als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben. Kris stöhnte erstickt und begann seinen Kopf hin und her zu werfen, seine Beine zuckten hilflos und sein ganzer Körper begann irgendwann von neuem zu zucken. Luca begann grinsend die Griffe zu wechseln und brachte den Jüngeren so zu einem unglaublich heftigen Orgasmus. Während Luca sich sanft von seinem Freund löste, eine Packung Taschentücher im Nachschrank suchte und sie damit provisorisch säuberte, lag Kris regungslos da. Er sah einfach zum Anbeißen aus, wenn man ihn mit diesen leicht geröteten Wangen und den geöffneten, geschwollenen Lippen sah. Lächelnd schnappte er die Decke und arbeitete sich wieder an den Körper empor indem er kleine Küsse auf jede Narbe tupfte, die er sah. Oben angekommen breitete er die Decke ihnen aus und drückte sich wieder seitlich an den schönen Körper. Er mochte es wirklich Kris zu berühren, deswegen begann er auch wie von selbst wieder ihn zu streicheln und genoss das Gefühl der entspannten Muskeln unter der der sahnefarbigen Haut. Den Traum, den ermatteten Körper in die Arme nehmen zu können, hatte er schon seit dem Beginn ihrer Beziehung gehegt. Jetzt wo er erfüllt war, wusste er das keiner dieser Vorstellungen auch nur im mindesten an die Realität heranreichte… auch wenn sie noch so erotisch und anrüchig waren. »Ob es dir gefallen hat, brauche ich nicht zu fragen, oder?«, fragte er rhetorisch und küsste die erhitzte Wange des Kleineren. »Luca…« Kris schlug seine lustverhangenen Augen auf und lächelte ihn verschwommen an. Er drehte müde den Kopf und suchte die Lippen des anderen. »Danke.« Der Rothaarige vertiefte den Kuss, sagte aber nichts weiter. Es war ihm vollkommen bewusst wofür sich der Jüngere bedankte. Schließlich hatte er selbst miterleben müssen, das ein Orgasmus für ihn bist jetzt nur zur Demütigung gedient hatte und ihn vor der Kamera bloßstellen sollte. Und das stand nun einmal in einen argen Kontrast zu seiner jetzigen Erfahrung… Luca hatte vor alle dieser miesen Erfahrungen mit den anderen aufzuarbeiten. Aber vielleicht nicht gerade heute Nacht… »Bist du müde?« »Hm… nein…« Er suchte sehnsüchtig die Lippen des Größeren und ließ es zu, dass dieser ihn näher zu sich heranzog. Jetzt lagen sie sich seitlich gegenüber und die Hände des Rothaarigen rutschten automatisch auf den wohlgeformten Po seines Freundes. »Ich…- du hattest gar nichts davon… darf ich?« Kris biss sich auf die Lippe und sah seinen Freund unsicher an. »Ich meine, soll ich?« Luca spürte schüchterne Hände auf seinem harten Geschlecht und zog scharf die Luft ein. »Du musst das nicht tun, Sternchen… ich-« Er unterbrach sich und stöhnte rau, als Kris ihn auf den Rücken warf und unter die Decke abtauchte. Er spürte die weichen Lippen auf seinen Bauch und nur wenige Sekunden später nahm er sein Geschlecht umstandslos in den Mund nahm. Lucas Verstand setzte in diesem Moment komplett aus und er verstand was genau diesen pädophilen Säcken so sehr an den Kleinen gefallen hatte. Er beherrschte anscheinend deep throating… Oh Goth… dieser Junge war einfach der Hammer! »Kris… ich - ich meinte das ernst… du musst ni – hi -« Er musste sich unterbrechen, weil er einsah, dass er keinen vernünftigen Satz zustande bringen konnte, wenn der Jüngere ihn so verwöhnte. Stattdessen strich er durch die dunklen Haare und bemühte sich ernsthaft nicht zu fordernd in die viel zu enge Mundhöhle zu stoßen. Doch er merkte auch wie verkrampft die Hände des Jüngeren neben ihm in den Laken waren. Deswegen begann er aus Intuition laut zu stöhnen. »Goth… Kleiner, ja. Bitte tiefer - ich kann -« Er drückte den Kleineren von sich bevor er über die Klippe sprang und auch wenn der andere der Geste sofort nachkam, bekam er die Hälfte ab. Wenn er noch im Stande gewesen wäre zu denken, wäre ihm dieser schnelle Niedergang ja fast peinlich! Aber es war irgendwie abzusehen gewesen nach all der langen Wartezeit… »Tut mir Leid, Sternchen…«, meinte Luca atemlos und wischte mit einer Hand sein Sperma von Kris Hals. »Danke.« Der Dunkelhaarige lächelte und krabbelte dann wieder über ihm. »Ich liebe dich.« »Ich liebe dich auch«, antwortete Luca und schlang seine Arme um den Jüngeren, als dieser sich erschöpft an ihn schmiegte. »Geht es dir gut?« »Ja… irgendwie schon.« In dieser Nacht begriff Luca, dass er es die ganze Zeit irgendwie falsch angegangen war. Hätte er mit Kris geredet und ihn von seinen Wünschen erzählt, hätte sich der Kleinere vielleicht schon viel eher überwinden können. Jetzt wusste er, dass er nur Posen und Worte vermeiden musste, die Kris mit der Vergangenheit verband. Den Rest des Wochenendes verbrachte er damit seinen Freund immer mehr zu erkunden und alle seine Vorurteile dem Sex gegenüber zu tilgen. Und es machte nicht nur den Dunkelhaarigen glücklich… Epilog: Sternennächte --------------------- Seit dem letzten Gespräch und ihrer ersten gemeinsamen Nacht, war fast wieder ein halbes Jahr vergangen. Inzwischen war David wieder in der Stadt, Kris hatte eine Festanstellung in einem Bücherladen und überlegte Sozialpädagogik zu studieren, Benny führte weiter seine Kampfsportgruppe und hielt Vorträge über Gewalt in verschiedenen Schulen und Noah und er selbst arbeiteten am Ansehen ihres Ladens. Nichts hätte besser laufen können. Zwischen Kris und Noah hatte sich eine zarte Freundschaft entwickelt, jetzt wo der Dunkelhaarige keinen Grund zur Eifersucht mehr hatte. Es war amüsant ihnen beim Reden und Lachen zuzusehen und auch David schien ihn wirklich zu mögen. Luca hatte endlich das Gefühl das es Berg auf ging und das nicht nur in beruflicher Hinsicht. Inzwischen verbrachten Kris und er mehr Zeit damit die körperliche Nähe aufzuholen, als miteinander zu reden, wenn sie sich sahen. Etwas was den Rothaarigen nicht wirklich besonders störte… Und das Leben ging weiter. Alles schien sich zu entwickeln und den Drang zu haben den Aufstieg zu teilen und auch wenn es immer noch eine Menge ungeklärter Dinge gab, glaubte Luca, dass er nicht mehr glücklicher werden konnte als jetzt. °°° Er beobachtete seine Liebe, die sanft neben ihm schlummerte. Zum ersten Mal in der Beziehung fühlte er sich vollkommen und absolut glücklich, auch wenn die Umstände einfach nur erschreckend gewesen waren. Kris neben ihn liegen zu sehen, wie er erschöpft und völlig nackt vor sich hin döste, war ein Bild was sich in ihn festsetzte. Es war ein friedliches Bild, welches all der Schrecken fehlte, den das vorherige Leben des anderen dominiert hatte. Es gab Hoffnung, da war Luca sich sicher. Vorsichtig bewegte er sich leicht zur Seite und stand so leise er konnte auf. Er selber war noch viel zu aufgewühlt um schlafen zu können; außerdem verspürte er einen Heißhunger, den er selbst noch nicht so kannte. Also zog er seine Boxershorts wieder an und stahl sich in die Küche. Dort bereitete er sich einen Mitternachts Snack vor, den er an der Anrichte gelehnt einnahm. Gerade als er die Hälfte des Tellers gelehrt hatte, tapste Kris in das helle Licht der Küche und rieb sich verschlafen die Augen. Bei seinem Anblick konnte Luca nur grinsen. Sein kleiner Stern sah ziemlich durchgenommen aus, wie er da so stand und nichts weiter trug als eines seiner T – Shirts. Vielleicht war es nur die Tatsache, dass er selber wusste was zuvor zwischen ihnen gelaufen war, doch er konnte sehen was Kris noch Stunden zuvor mit ihm getrieben hatte… - Er musste unbedingt an etwas anderes denken! »Warum bist du weggegangen…«, fragte der Dunkelhaarige und kam langsam auf ihn zu. Er sah noch immer total erschöpft aus und schien nur aus dem Bett gekrochen zu sein um sicherzugehen das Luca nicht getürmt war. »Ich hatte Hunger, Kleiner…« Er stellte den Teller zur Seite und zog seinen Freund an sich. Dabei konnte er sich nicht verkneifen über den nackten Hintern zu streichen. Kris zuckte zusammen, wehrte sich aber nicht. »Außerdem konnte ich nicht schlafen und dachte ich würde dich eh nur wecken, wenn ich im Bett bleibe.« »Hm… es war kalt ohne dich…« Luca lächelte und drückte dem anderen ein Küsschen auf. »Hast du auch Hunger?« Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Okay, dann geh schon mal vor, ja? Ich esse noch auf und mach rasch den Spüler an.« »Hm mhm…« Kris ging davon und er konnte nicht anders als den Kleineren nachzusehen. Wie hatte er so lange auf all das verzichten können? Wie war es dazu gekommen, dass sie sich in all den Schweigen und Vorwürfen verloren hatten? Er wusste es nicht mehr. Oder doch? Während er vor sich hin grübelte räumte er den Geschirrspüler ein und stellte das Programm an, danach löschte er das Licht und ging zurück ins Schlafzimmer. Als er eintrat, sah er sich mit einem schniefenden Kris konfrontiert. Dieser drehte sich sofort von ihm weg, als er bemerkte, dass er zurück war. doch Luca hatte seine Tränen gesehen und er war etwas überfordert. Etwas sehr… »Sternchen?«, fragte er leise und ging um das Bett herum. »Wieso weinst du?« »N – nein, es tut mir l – leid! Bitte!« »Kris! Rede mit mir!« »Ich…- es ist wirklich nichts!« Luca fing seine Hände ein, die versuchten rasch die Tränen zu beseitigen und verhakte ihre Finger miteinander. Er suchte die Augen seines Freundes, doch der Dunkelhaarige wich seinen Blicken aus. Und er sah in seinem Gesicht die alte Unsicherheit. Irgendetwas lief hier schief. Und dieses Mal würde er nicht wieder dabei zusehen. »Wieso weinst du dann, wenn nichts ist?«, hinterfragte er erneut und beugte sich weiter zu dem anderen hinunter. »Komm schon, rede mit mir…« Kris sah schüchtern zu ihm auf und kaute nervös auf seinen Lippen. Anscheinend hatte er einen Kampf mit sich auszufechten. Er konnte seine Gedanken toben hören, doch er wusste genau das er den anderen nur bedingt unter Druck setzten durfte. Er löste sich kurz von dem anderen um zurück ins Bett zu kriechen, dann schlang er die Arme um den verkrampften Körper. Vorsichtig zog er den anderen zwischen seine Beine und brachte ihn dazu den schmalen Rücken an seine Brust zu lehnen und die Decke über sie zu ziehen. Sanft küsste er die Schläfe des Kleineren und knabberte an seinem Ohr. Er spürte wie Kris sich langsam entspannte und überließ ihm seine Finger. Er wusste, dass der andere etwas in den Händen brauchte, wenn er nervös war. »Bereust du es?«, fragte er schließlich kaum hörbar und klang dabei so verzagt, das es Luca selbst in der Seele wehtat. »Was meinst du?« Kris spielte mit dem schwarzen Ring, den er selbst so gut wie nie abnahm und schien die Antwort noch mehr zu fürchten als das Reden an sich. »Das wir miteinander… du… du weißt schon!« »Ob ich es bereue, dass ich mit dir intim geworden bin? Ist das dein Ernst?!« Ein schnelles Nicken. »Wieso sollt ich es bereuen? Ich habe mir die ganze Zeit nichts anderes gewünscht!« »Aber ich bin sch – schmutzig und keine Jung - ist Noah noch Jungfrau gewesen?« »Kris, bitte…« »Sag schon!« Luca seufzte. »Ich habe keine Ahnung ob er noch Jungfrau ist.« »Heißt das du hast es nicht gemerkt?« »Kris…« »Nein! Sag es mir!« »Ich habe ihn nicht genommen, wenn du das wissen willst. Wenn er Jungfrau war, ist er immer noch eine…« »Aber du bist - « »Worauf willst du eigentlich hinaus, Sternchen?« Kris begann am ganzen Körper zu zittern. »War es besser?« »Was?!« »Ich will es wissen…« »Oh Himmel, Kris… ist das wirklich so wichtig ob - « »Warum antwortest du mir nicht einfach?« Die Stimme des Jüngeren brach und es hörte sich gefährlich so an, als würde er gleich erneut in Tränen ausbrechen. »Okay, okay. Nein… er war nicht besser als du.« Der Rothaarige ließ sein Kinn auf die Schulter des anderen sinken und drückte einen sanften Kuss darauf. »Ich liebe dich. Ich habe noch nie so etwas Schönes erlebt wie in den letzten paar Stunden. Und ich verstehe wirklich nicht, warum du gerade so… so drüber bist.« Schon als die Worte heraus waren, spürte er wie verräterisch sie klangen. Sie klangen falsch, vorwurfsvoll… sollte es nicht der andere sein der Vorwürfe machte?! Der Dunkelhaarige hatte sich mit einem heftigen Ruck von ihm gelöst und war aufgesprungen. »Drüber? ICH BIN DRÜBER?!« »Kris -« »NEIN! Ich… ich bin ein verdammtes Wrack und das weißt du! Also warum? Warum bist du nicht bei ihm geblieben und bist mit ihm glücklich geworden?!« »Weil ich dich lie - « »Weil du mich liebst?!« Kris fing hysterisch an zu lachen. Inzwischen schlotterte er am ganzen Körper. Luca sah ihn fassungslos an und bemerkte wie nahe er am Abgrund balancierte. Die Augen die sonst so viel Wärme ausstrahlten, waren gefährlich dunkel. So hatte er seinen Freund noch niemals erlebt. » Du liebst mich… in mir waren mehr Schwänze als ich zählen kann und du sagst du liebst mich?!« »Kris…« »Ich bin doch bloß ein seelisches Wrack. Ein kleines, schmutziges Nichts und -« »Hör auf, Sternchen.« » - es nicht einmal wert mit dir zusammen zu sein! Wie kannst du mich nur lieben?! Ich bin hässlich und dumm und -« Nun war auch er auf den Beinen. Wie genau er vom Bett so schnell zu seinem Freund gekommen war, wusste er letztendlich nicht mehr. Doch plötzlich hatte er ihn bei den Armen gepackt und drückte ihn gegen die Wand. »HÖR SOFORT AUF!« »Luca…«, wimmerte Kris. Er schien plötzlich wieder so verdammt verletzlich. »Hör auf so zu reden, Kleiner! Ich will es nicht hören!« Der Dunkelhaarige presste seine Kiefer zusammen und schwieg. So verharrten sie einige Sekunden, dann ließ er seinen Freund langsam los. Der Zorn war vorbei. Jetzt regierte Schuld und Mitgefühl sein Inneres. Wie hatte er das alles nur zulassen können. »Lass uns zurück ins Bett gehen.« Der Jüngere ließ sich widerstandslos auf die Matratze drücken und blieb dort sitzen wie eine leblose Puppe. Alle Energie schien jäh aus ihm herausgesickert zu sein. Luca nahm ihm fest in die Arme und küsste sanft seine Stirn. Das reichte anscheinend. Haltlos begann der andere zu weinen. Er klammerte sich hilflos an ihn und weinte bittere Tränen. »Es tut so weh!« Er hielt den Dunkelhaarigen fest und schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter, der ihn daran hinderte etwas zu sagen. Er hatte nicht einmal im Ansatz geahnt wie tief das alles ging. Das war keine Narbe sondern eine verdammte Kraterkluft! »Scht… es tut mir leid, mein Stern. Ich habe dir so wehgetan. Das wollte ich nie. Ich liebe dich über alles, wirklich. Ich – hör auf so über dich zu reden und zu denken, okay? Wenn ich das so sehen würde, wäre ich nicht hier. Ich liebe dich und das werde ich dir beweisen.« Irgendwann hatte sich Kris wieder gefangen. Er lag völlig geschwächt in seinen Armen und hielt sich mit letzter Kraft an ihm fest. So als hätte er Angst, dass er vielleicht doch noch gehen würde. »Wann haben wir uns verloren, Luc?« »Wir haben uns ni - « »Wieso bist du so weit von mir weggetrieben? Was habe ich denn nur verkehrt gemacht? Bitte… ich will nicht – ich will dich nie verlieren. Sag mir, was ich ändern kann. « »Du hast nichts falsch gemacht, jedenfalls nicht nur du alleine.« Luca hob das Gesicht seines Freundes zärtlich an und küsste die vollen Lippen. »Ich habe genauso Schuld wie du und du musst mir glauben, dass ich das nie wieder zulassen werde, ja? Wir ändern es gemeinsam… wahrscheinlich müssen wir einfach mehr reden. So wie jetzt auch.« Kris schloss erschöpft seine Augen und forderte noch einen sanften Kuss, ehe er sich gegen die breite Schulter des anderen sinken ließ. »Ja…« Luca hielt seinen Freund fest und dachte über das eben gesagte nach. Seine Gedanken streiften einen Punkt seiner Erinnerung wo die anfänglich feurige Liebe erloschen war. Aber wann genau war es gewesen? Vor ihrer Umzug oder doch danach? »Weißt du, immer wenn ich die Hoffnung hatte wir nähern uns langsam an, hast du mich wieder von dir gestoßen. Das hat mir wehgetan und mir gezeigt, dass ich nichts weiter für dich tun konnte, als da zu sein. Ich habe immer gewartet und bin alleine ausgegangen, obwohl ich dich lieber dabei gehabt hätte… irgendwann war ich einfach frustriert. Vor allem wenn ich bei anderen Pärchen gesehen habe wie es laufen kann.« »Aber du hast mich in den letzten Monaten nicht einmal gefragt ob wir ausgehen.« »Ich habe dich in der Anfangszeit immer gefragt, Kris. Du bist nie mit mir und David in eine Kneipe gegangen. Auch nicht ins Kino und nur ganz selten ins Restaurant.« »Ich – die ganzen Menschen haben mich immer abgeschreckt. Vor allem wenn sie nah bei uns…« Er unterbrach sich und erzitterte. Auch wenn er es nicht aussprechen konnte, wusste Luca was er meinte. Er konnte sogar verstehen, dass der Kleinere Menschenansammlungen, die ihn einschlossen nicht ertrug. »Ich habe nie gedacht, dass es dir so wichtig ist.« »Du bist mein Freund, Kris. Natürlich ist es mir wichtig mit dir zusammen etwas zu unternehmen. Ich finde dich anziehend und hübsch und würde gerne aller Welt zeigen, dass du zu mir gehörst, aber nur wenn du auch dazu bereit bist.« Luca sah wie der andere leicht errötete und küsste ihn schmunzelnd. »Ich denke, wir haben uns gegenseitig einfach zu sehr vernachlässigt. Hätte ich dir von Anfang an gesagt, was mich stört, hätte es all den Ärger gar nicht gegeben und ich hätte mir eine Menge Frust und Sorge sparen können.« Sie sahen sich an und der Rothaarige sah den Glanz in den Augen seines Freundes. »Kannst du mir verzeihen, mein Stern.« »Natürlich kann ich das… wenn du mir auch verzeihen kannst.« »Da gibt es nichts zu verzeihen«, hauchte er und lehnte die Stirn gegen die des Jüngeren. »Lass uns ab jetzt nur immer miteinander reden, ja? Keine Geheimnisse und unausgesprochene Wünsche mehr…« »Nie mehr…« Sie sollten sich an dieses Versprechen halten. °°° Erschöpft kam er von der Arbeit und ließ sich aufs Sofa fallen. Im Moment nahm ihn sein Geschäft und die Wohnungssuche mehr ein, als alles andere. Was wirklich schade war, aber nicht zu – »Hallo…« Luca blinzelte ein paar Mal. Hatte er Halluzinationen?! »Wa-« »Schön das du wieder da bist…«, hauchte Kris mit samtiger Stimme und setzte sich halbnackt wie er war – sein Körper bekleidete nur noch eine, rote Hotpants - auf seinen Schoß. Der Ältere musste hart schlucken. »Ja, das finde ich auch… gerade.« »Küss mich…« Widerstandslos machte er genau das und streichelte den freien Oberkörper des Kleineren hinab, bis zu dem Stückchen Stoff. Es machte ihn wahnsinnig, wenn Kris so drauf war wie gerade jetzt. Der Kuss wurde leidenschaftlicher und er zerrte sacht an den Pants um ein wenig mehr Haut frei zusetzten die er streicheln konnte. Kris stöhnte auf, als der rote Stoff um wenige Millimeter über sein bereits erregtes Geschlecht rutschte. »Sollen wir lieber ins Bett?«, fragt der Dunkelhaarige außer Atmen und klammert sich in den Schultern des Größeren fest. Luca fing erneut seine Lippen ein und streichelte ihn weiter über den Po und die Schenkel. »Okay«, hauchte er schließlich an den Lippen des anderen und grinste lasziv. Dann packte er die Schenkel seines Freundes und richtete sich mit einem Ruck auf. Kris klammerte sich an ihn und gab einen hohen Ton der Überraschung von sich und während sie unter Küssen und Liebkosungen blind in Richtung Schlafzimmer stolperten, fragte Luca sich, wann ihre Beziehung so derart umgeschlagen war. Hatte wirklich allein das Gespräch quasi die Genesung eingeläutet? Oder hatte er etwas ganz Grundlegendes verpasst?! Wohlig fröstelnd erreichten die Beiden Fuß des großen Bettes und Luca warf seinen Freund darauf, ehe er über ihm zu liegen kam. Und wieder konnte er nicht anders als die vollen Lippen des Kleineren zu verschließen. Seine Hände wanderten indes gierig über die Brust und Seiten des Dunkelhaarigen, bis sie schließlich wieder an den Pants zerrten. »Luca…«, keuchte Kris zwischen ihren Küssen und erschauderte unter den Fingern, die seine Haut liebkosten. »Luca… nicht du…« Der Rothaarige hatte berauscht begonnen seine Lippen den Händen hinterherzuschicken und knabberte zart an einer der bereits versteiften Brustwarzen. »Hm?« »Das ist un – fair… ich… ngh…« Er hob den Kopf und grinste seinen Freund breit an. »Unfair also?« »Ja…« Die Wangen des Unteren brannten schon wieder so herrlich rot und glichen beinah der Farbe seiner Pants. Etwas das Luca noch mehr zum Grinsen brachte. Er registrierte wie Kris an seinem Hemd zupfte und ihm ging auf, was sein Freund von ihm wollte. »Dann gleich die Verhältnisse doch aus, Kleiner.« Der Dunkelhaarige seufzt in den Kuss und begann dann tatsächlich an sein Gürtel aufzunesteln. Auch wenn es kein schöner Gedanke war, aber man merkte seine Geschicklichkeit in diesen Situationen immer wieder. Es dauerte nicht lange bis er auch Luca entkleidet und sich den letzten Stoff vom Körper entfernt hatte. »Ist dir das jetzt gerecht genug?«, fragte Luca dunkel und betrachtete seinen Freund ausgiebig. Er konnte sich einfach noch immer nicht an ihm satt sehen. Viel zu lange war ihm dieser Anblick verwehrt geblieben. »Ja…«, hauchte Kris und krabbelte über seinen Freund. Er setzte sich auf seinen Schoß und schlang seine Arme um seinen Nacken. Beide seufzten leise auf, als sich ihre Haut berührte. Kris zog Luca erneut in einen berauschenden Kuss, ehe er sich vorsichtig auf seinen Hüften bewegte. »Oah!«, rief Luca erschrocken und hielt den anderen an den Hüften fest. »Seit wann bist du denn so aggressiv?« »Aggressiv? Ich bin doch ganz lieb…« Wieder versuchte der Jüngere sein Becken leicht kreisen zulassen, doch die Hände des anderen waren unnachgiebig. »Was hast du ausgefressen, Kris?« Dem Rothaarigen machte die Situation schon etwas stutzig. Auch in der Zeit, als sie sich langsam körperlich angenähert hatten und ab und zu miteinander geschlafen hatten, war Kris nie so sehr in die Offensive gegangen. Es war stets er gewesen, der die Initiative ergriffen hatte. Warum also konnte der andere plötzlich nicht mehr warten? »Ich… gar nichts…« Er wurde rot und sah verlegen auf die Lucas bloße Brust. »Ich dachte, dass du das… na ja, magst. Du wolltest doch, dass wir … ich…« Er sah seinen Freund verblüfft an und gluckste, konnte sich aber nicht mehr weiter zurückhalten. Er hob den Kleineren hoch und warf ihn dann neben sich ab, sodass er auf die Matratze aufprallte. Schnell kletterte Luca über ihn und pinnte die Hände des Kleineren neben seinen Kopf fest, während er ihn in einen verlangenden Kuss verwickelte. Plötzlich versteifte Kris sich am ganzen Körper und begann unkontrolliert zu zittern, aber Luca bemerkte bald, dass dieses Zittern wenig mit Lust zu tun hatte. Er löste sich von dem Dunkelhaarigen und sah ihn erschrocken an. »Kris?« Erst jetzt bemerkte er sein Knie, das gefährlich nahe am Geschlecht des anderen war und seinen etwas zu harten Griff. Sofort ließ er den anderen los. Der Angesprochene antwortete nicht sondern rollte sich zusammen und rang hörbar nach Luft. Scheiße, war er zu weit gegangen? Wieso hatte er den anderen auch so grob behandeln müssen?! Unwillkürlich kamen ihm die Bilder des einen Videos wieder in den Kopf. Diese ekelhaften Männer, die sich wie ausgehungerte Ungeheuer auf diesen nackten, schutzlosen Jungen gestürzt hatten und – Die Bilder die durch seine Erinnerungen blitzen, hatten die gleiche Wirkung wie ein Kübel Eiswasser. Von der Erregung, die ihn vor wenigen Sekunden noch regiert hatte, war nichts mehr übrig. Jetzt schämte er sich eher für seine gedankenlose Tat. Unendlich sanft nahm er den Dunkelhaarigen, der immer noch nach Atem rang – ja, fast hyperventilierte - in seine Arme und begann ihn dort zu wiegen. Bedeutete es für Kris immer noch so einen großen Schrecken, das ihm der Atem stockte? Eigentlich hatte er gehofft sie wären schon einige Schritte weiter gekommen, vor allem nach der Offensive gerade eben, doch das warf all seine Hoffnungen wieder über den Haufen. Wahrscheinlich verkannte er den Tiefgang des Traumas um Längen… »Scht. Bleib ruhig, mein Stern. Ich bin es doch nur-… es tut mir Leid, okay?«, flüsterte er und bedeckte das Gesicht mit sanften Küssen. Luca schmeckte die Tränenspur auf den Wangen seines Freundes und musste schwer schlucken. »Lu – ca?« Seine Stimme klang so zerbrechlich und klein… »Ja. Komm mach deine Augen auf, es ist alles gut. Ich bin da…« Tatsächlich tat der Kleinere wie geheißen und sah ihm von unten entgegen. Luca beugte sich hinab und verschloss mit aller Zärtlichkeit ihre Lippen. Der andere klammerte sich an ihn und erwiderte den Kuss verloren. Es dauerte einige Minuten bis sich Kris wieder beruhigt hatte und völlig entspannt in seinen Armen lag. »Es tut mir so leid…«, seufzte der Kleinere und errötete beschämt. »Ich hab alles kaputt gemacht und – du, du bist…« Luca folgte dem bekümmerten Blick und gluckste. Ja, er war nicht mehr erregt, was nicht weiter verwunderlich war. Er hatte einen wirklichen Schreck bekommen. Trotzdem genoss er die Nähe immer noch sehr. »Dir muss nichts leid tun, es ist okay. Wir können einfach noch einmal anfangen… das heißt natürlich nur wenn du noch möchtest?!« Kris sah ihn kurz an und nickte dann schnell, ehe er sich wieder an ihn schmiegte. Anscheinend hatte er seine Scham noch nicht völlig ablegen können. Sanft drängte er den Dunkelhaarigen zurück auf die Matratze und küsste ihn erneut, dieses Mal ein wenig leidenschaftlicher, ehe er begann ihn sanft zu streicheln. Kris keuchte erregt, als er begann das vernachlässigte Geschlecht seines Freundes wieder zu massieren. »Luca… ngh… bitte…« Der Rothaarige hörte den ängstlichen Ton sofort und blickte zu dem anderen auf. Die grau – blauen Augen des Jüngeren drückten Sorge und Schuld aus und er begriff es sofort. Diese Position war mit zu vielen schrecklichen Erfahrungen belastet. Vorsichtig berührte er Kris an den Hüften und drehte sich dann mit einen geschickten Manöver unter sich. »So besser, mein Stern?« Kris hatte ein erschrockenes Geräusch von sich gegeben, schien aber die Position an sich nicht einmal schlecht zu finden. Er lächelte verschwommen. »Was hältst du davon, wenn du das Tempo übernimmst?«, lächelte er zurück und sah den Kleineren von unten in die Augen. Dieser erzitterte leicht, als er zeitgleich begann den festen Po mit beiden Händen leicht zu streicheln. »Okay…« Wieder begannen sie sich leidenschaftlich zu küssen. Und auch die leichte Unsicherheit des Jüngeren schien durch diese leidenschaftlichen Küsse und das Geschlecht – er spürte es sicher inzwischen deutlich an seinem Hintern – deutlich geringer zu werden. Kris klammerte sich an die Schultern des Rothaarigen und bewegte sein Becken leicht. »Luca… ich kann nicht mehr…«, keuchte er schmelzend und bracht den anderen damit fast um den Verstand. »Willst du dort oben bleiben?«, wollte Luca dann atemlos wissen, während er mit der freien Hand nach der Gleitcreme suchte. »Wenn… wenn du das magst?!« »So eine dämliche Frage…«, grummelte er und kniff den Jüngeren zart in die rechte Pobacke. »Los dreh dich…« Gebannt beobachtete er seinen Freund dabei wie er sich auf ihm umdrehte, sodass er nun seine Beine neben Lucas Kopf platzierte und begann sein bestes Stück auf das kommende vorzubereiten. Die Geschicklichkeit die er dabei an den Tag legte, war erregend und traurig zugleich. Es war beinah so, als hätte er das alles etliche Male getan. Den unliebsamen Gedanken verdrängend begann nun auch Luca seinen Freund sanft auf die Vereinigung vorzubereiten. Der kleine, wohlgeformte Po, der sich ihm jetzt beinah präsentierte, reagierte wie immer auf ihn. Nach wenigen Griffen war der Muskel weich und bereit für die Vereinigung und unwillkürlich fragte der Rothaarige sich wieder einmal, wie lange diese pädophilen Männer dazu gebraucht hatte um Kris Körper zu diesem willigen Spielzeug zu machen. Sein Freund stöhnte laut auf, als er sanft nach dem Geschlecht des Kleineren fasste und über seine samtene Spitze strich. Kris erzitterte heftig. »Nih – nicht… Luca…« Er liebte die Stimme seines Freundes in diesen Momenten mehr als alles andere. »Dann dreh dich endlich um…«, antwortete er nicht minder erregt. »Ich kann nicht mehr warten.« Der Dunkelhaarige tat worum er gebeten hatte und wandte sich wieder zu ihm um. Seine Arme schlangen sich wieder um den Nacken des Älteren Nacken, während Luca ihn an seinen Hüften stützte. Langsam drang er in den geweiteten Muskel ein und konnte nicht anders als tief zu stöhnen. Der Jüngere fühlte sich so wunderbar an… Das alles war so perfekt. »Ich… oh Himmel…« Kris bog seinen Rücken durch und atmete hektisch ein und aus. Der Jüngere hatte die Augen weit aufgerissen und sich in die Schultern des anderen gekrallt. Sein ganzer Körper bebte. Luca wartete geduldig drauf, dass Kris sich an ihn gewöhnte. Mit geschlossenen Augen küsste er den Hals und begann sanft sich daran festzusaugen. »Bist du in Ordnung, Sternchen?« »Ja… beweg dich endlich!«, kam die gewimmerte Antwort und er tat sofort worum er gebeten wurde. Erst sanft und zaghaft, konnte er sich bald nicht mehr zurückhalten. Die schmelzende Stimme und der sich windende Körper in seinen Armen, brachten ihn völlig um den Verstand. Sein Freund war einfach anbetungswürdig… Irgendwann löste Kris die Hände aus seinem Nacken und lehnte sich nach hinten, in seinem Gesicht war pures Verlangen zu lesen. Durch die Positionsveränderung drang er sogar noch weiter in die Enge des schmalen Körpers ein. Der Rothaarige keuchte leise und hielt sich an den Hüften des Dunkelhaarigen fest. Kris machte ein Hohlkreuz und klammerte sich haltsuchend an die Knie des Älteren. Er konnte die festen Stöße des anderen kaum federn. »Luca…« Seine Hände glitten automatisch an das Glied des anderen und begannen es zu pumpen. Er würde es keine Minute länger mehr aushalten, wenn – Kris stöhnte laut auf und ertrug bebend die Hand, die ihn nun zusätzlich penetrierte. Sein ganzer Körper begann zu zucken. »Oh Gott… ich… ich kann - …« Und dann spürte er das kontrahieren der Muskeln um seinen Penis und schloss ergeben die Augen. Das Gefühl war einmalig, perfekt und einfach nicht zu beschreiben… Während Luca die ersten Wellen seines Orgasmus genoss, fragte er sich wie er es so lange ohne dieses gewisse Extra hatte aushalten können. Lächelnd berührte er die vollen Lippen seines Freundes. Dieser war nach ihrer letzten, erschöpfenden Intimität einfach nach hinten über gekippt und hatte sich seitdem nicht mehr bewegt. Währenddessen hatte Luca die Decke und die Kopfkissen vom Boden aufgesammelt, sie vorsichtig mit einem Tempo gereinigt und sie zugedeckt. Jetzt beobachtete er den anderen, der noch immer mit geschlossenen Augen dalag. Seine Haare hingen ihm verschwitzt ins Gesicht, seine Wangen waren noch immer etwas gerötet und sein Atmen ging immer noch unregelmäßig. Ein Bild von dem er, nach all reden vergangenen Wochen voller körperlicher Nähe und Schäferstündchen, immer noch nicht genug haben konnte. Er mochte es wie Kris nach dem Sex aussah, auch wenn es irgendwie merkwürdig klang… »Was schaust du so?« Der Rothaarige tauchte aus seinen Gedanken auf und grinste den Kleineren an. »Ich genieße deinen Anblick…« Seine Hand, die den Platz auf dem Bauch des anderen wieder eingenommen hatte, begann nun zärtlich die weiche Haut zu verwöhnen. Er sah in die lustverhangenen Augen des Dunkelhaarigen und konnte nicht anders, als ihn noch einmal zu küssen. »Hm… irgendwie klebt alles.« »Ganz logisch. Was hältst du von einer gemeinsamen Dusche?« »An sich wirklich gerne, aber wenn ich jetzt noch einmal…- ich kann nicht mehr, ich glaube ich werde gelähmt, wenn ich noch mal mit dir schlafe…« Luca lachte. »Unser Techtelmechtel eben war ein neuer Zeitrekord, so scharf wie du mich schon vorher gemacht hast, außerdem habe ich davon noch nie was gehört.« »Ich eigentlich auch nicht.« »Woher dann die Sorge?« »Es fühlt sich halt so an… ich glaube du hast mich echt fertig gemacht«, seufzte Kris und schloss seine Augen wieder. »Geh duschen und weck mich, wenn du wieder da bist, ja?« »Sicher, dass du eine Dusche mit mir verschmähst, weil du dir wegen etwas völlig unbegründeten Sorgen machst?«, fragte Luca gespielt empört. »Ich… sorry, ich kann mich grad echt nicht bewegen…« »Wie du meinst. Bis gleich.« Er drückte dem anderen noch einen Kuss auf und verschwand dann schmunzelnd im Bad. Am Abend saßen sie zusammen auf der Couch und schauten irgendeine unbedeutende Dokumentation über die zehn möglichen Untergänge der Menschheit. Wie immer war am Montagabend das Fernseherprogramm denkbar schlecht. Und trotzdem genoss Luca es, den Kleineren in seinen Armen zu haben. Kris, der mit seinem Rücken an der Brust des Rothaarigen weilte, lehnte seine Beine an das aufgestellte seines Freundes und blickte lächelnd zu ihm nach oben. »Was hast du heute so gemacht?« »Du meinst außer arbeiten?« »Ja.« »Hm, mal überlegen. Ich habe mit Noah zu Mittag gegessen, mich mit Lucie und Lara im Park getroffen und… ach ja! Ich hatte scharfen Sex mit meinem Freund!« Der andere wurde augenblicklich rot und schlug Luca auf die Finger, mit denen er eben noch gespielt hatte. »Sag das nicht so lapidar!« »Ich liebe es aber, wenn du verlegen wirst«, hauchte der Ältere in das Ohr seines Freundes und küsste die Ohrmuschel zart. »Außerdem habe ich doch nur die Wahrheit gesagt oder hast du eine andere Meinung dazu?« »N – nein.« Der Rothaarige knabberte am Ohrläppchen des Dunkelhaarigen und lächele. »Dann ist ja gut…« Kris ließ seinen Kopf nach hinten auf die Schulter des Größeren fallen und drehte sein Gesicht so, dass er ihn ansehen konnte. »Du weißt schon, dass ich -« Plötzlich stutzte er und richtete sich abrupt auf. Dann drehte er sich um und starrte den Rothaarigen fassungslos an. »Was denn jetzt?« »Du hast…- du trägst den Anhänger!« Luca brauchte eine Weile bis er verstand was der andere meinte. Vorsichtig berührte er mit seinen Fingern den kleinen Anhänger. »Ja.« Kris lächelte zittrig. »Du hast ihn lange nicht mehr getragen.« Er brauchte nicht lange um die Traurigkeit in der Stimme seines Freundes zu hören. »Das lag daran, dass Lucie mir die Kette geklaut hat.« »Wie -« »Nicht das was du jetzt denkst! Sie ist irgendwann mal an mein Schmuckkästchen gegangen – normalerweise habe ich da eigentlich nichts dagegen – und hat was zu ihrem Partyoutfit gesucht. Sie wusste nicht, dass die Kette von dir ist. Ich hab sie vor kurzem bei ihr wiedergefunden. Sie meinte, sie hätte vergessen mir sie wiederzugeben. « Der andere nickte abwesend. »Aber jetzt ist sie wieder da… und ich mag sie nach wie vor sehr.« »Ich…« Kris sah ihn unsicher an. »Ich glaube, ich muss dir da noch etwas sagen.« »Hm?« »Na ja… die Kette… sie ist von…« »Deiner Mutter, ich weiß.« Kris sah ihn entsetzt an. »Woher?« »David hat es mir mal erzählt.« »Ich…- wann denn?« »Weiß nicht mehr genau… ist auch schon eine Weile her. Ich glaube das war der Abend, als wir deinen Einzug bei mir in der Garage gefeiert haben. Da hatte ich sie auch um und er hat mir die Geschichte erzählt.« Sein Freund sah aus, als wüsste er nicht ob er lachen oder weinen sollte. »Und?«, fragte er vorsichtig. »Was und?« »Findest du das nicht… merkwürdig?« Der Rothaarige sah ihn aufmerksam an und zog ihn dann wieder zu sich. »Nein. Ich finde es wunderbar und wirklich stark von dir. Ich werde ihn immer in Ehren halten.« Sanft küsste er den Jüngeren auf die Stirn. »Danke.« Kris drückte sich an ihn und krallte sich in sein Shirt. »Ich… ich glaube, sie hätte dich wirklich gemocht… ich – ich liebe dich so.« »Ich liebe dich auch, mein Stern«, flüsterte Luca zurück und verschloss ihre Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)