Das wird doch nichts... von Pairo (Mit gebrochenen Flügeln kannst du nicht fliegen!) ================================================================================ Kapitel 5: Endlich mal Ruhe? Das wird doch nichts! -------------------------------------------------- Als am sich nächsten Morgen die Sonne am Horizont zeigte und der erste Hahn krähte, lag Randall noch in tiefsten Träumen. So bemerkte er auch nicht, dass die vordere Luke zum Heuboden geöffnet und damit begonnen wurde, das Heu hinaus und auf einen Wagen zu schaufeln. Zum Glück lag er etwas versteckt unter den vielen Schichten getrockneten Grases und seine Schuppen hatten im Schlaf den saftigen Ockerton angenommen. So wachte er erst auf, als er sich bereits im Fallen befand, stieß einen spitzen Schrei aus und landete weich auf dem Anhänger des Heuwagens. Verwirrt streckte der Junge den Kopf heraus, schnappte nach Luft, schüttelte sich und versuchte zu registrieren, was hier gerade geschah. Ohne Brille erwies sich das als schwierig und so ging er auf die Suche, wühlte sich mit langsam aufsteigender Panik durch viele Schichten – und fand sie schließlich fast auf dem Boden des Wagens. Das war knapp! Mehrmals hatte er gedacht, dass er sie nie wieder finden und von nun an blind und völlig hilflos gewesen wäre. Richtige, echte Blinde, die konnten so leben, aber er hatte keine Übung darin und wäre dann in dieser verrückten Welt eine einfache Beute gewesen... Als er sie endlich aufgesetzt und es dazu geschafft hatte, wieder an die Oberfläche des Heumeeres zu kommen, konnte er nur noch sehen, wie der Wagen von „seinem“ leer geräumten, neu erkorenen Unterschlupf fort fuhr. „Oh neiiin!“, zischelte Randy panisch vor sich her, hatte aber keine Gelegenheit mehr, abzuspringen – denn einerseits fuhr der Wagen bereits sehr schnell und andererseits waren jetzt tatsächlich Menschen da, die den Vorgang beobachteten. Zudem war es ohne das weiche, duftende Füllmaterial sicher nur halb so gemütlich da oben... Kurz streifte sein Blick, den eines kleinen Mädchens, dass staunend neben seiner Mutter stand. Als sie den nicht mehr getarnten Randy erblickte, entfuhr ihr ein spitzer Schrei. „MAMA! Mamaaaaa!!! Da! Da ist ein Monster in dem Heu!“, der Ertappte wurde augenblicklich unsichtbar, aber die Mutter – welche sichtlich erschöpft war – seufzte nur geräuschvoll auf. „Du mit deinen Monstern Shana...Jetzt siehst du sie auch schon am Tag...“, mehr konnte Randall nicht mehr verstehen, denn schon bog der Wagen um die nächste Ecke. Seufzend lies er sich zurück fallen. Na...das konnte ja was werden! Aber immerhin war es warm und die Sonne schien direkt auf ihn, was er gleich ausnutzte, um sich etwas aufzuwärmen. Die Fahrt dauerte nicht ganz eine Stunde und führte an vielen kleinen Dörfern und Gemeinden vorbei, an goldenen Feldern, saftig grünen Wiesen – auf denen Wesen grasten, die Hörner hatten wie seine Mama und viele andere ihm bekannte Monster – an Flüssen und Seen und auch an einigen seltsamen Betonblöcken, die von weitem dem Monster AG Betriebsgebäude ähnelten. Hier war es so schön und vor allem vertraut, dass Randy ins Träumen geriet. Er stellte sich vor, dass er mit seinen Eltern, seiner Lieblingscousine und seinem Cousin UND dem neugeborenen Baby in den Urlaub aufs Land fuhr. Bisher waren sie nur am Strand an dem Lieblingssumpf seines Vaters gewesen, einmal auch in den Bergen um seine Oma mütterlicherseits zu besuchen. Aber noch nie waren sie auf einem Bauernhof gewesen. Er hatte aber die anderen Kinder davon reden gehört – dass es dort echt spaßig sein solle. Im kommenden Sommer sollte er auch endlich ins Ferienlager aufs Land fahren, worauf er sich schon Ewigkeiten wie verrückt freute. Dort würde er vielleicht niemanden kennen – aber so war die Chance am größten, in eine neue Gruppe aufgenommen zu werden, denn die meisten anderen kannten sich ja bestimmt auch nicht! Vielleicht würden sich daraus Brieffreundschaften fürs Leben ergeben...oder noch besser: vielleicht wohnte ja einer genau in seiner Nähe und sie hatten sich bisher nur nicht kennen gelernt? Und nach diesem Ferienlager könnten sie beste Freunde sein und jeden Tag abgefahrene Dinge zusammen erleben! Genau wie in den Trickfilmen, die er so oft sah... Und wenn erst mal das Baby da war und er ein Jahr älter wäre und vielleicht auch mal ganz allein drauf aufpassen dürfte, würde sein Freund dabei sein und sie würden mit dem Baby spielen, bis es schlafen ging, dann ganz allein Pizza bestellen und heimlich bis spät in die Nacht Videos sehen! Diesen Gedanken fand der Junge ganz besonders reizvoll...genau wie den Gedanken, bald ein großer Bruder zu sein! Er war schon ganz aufgeregt...was würde wohl aus dem Ei schlüpfen, dass seine Mama ganz bald legen würde? Ein Mädchen, oder doch ein Junge, oder was dazwischen? Alles hatte große Vorteile! Und wie würde das Baby wohl aussehen? Eine Amphibie wie sein Vater, oder eher ein Reptil wie Mama und er? Oder würde es am Ende gar ganz genauso aussehen wie er selbst – immerhin gab es die Mischung seiner Eltern ja jetzt schon mal! - und vielleicht nur ein bisschen andere Farben haben? Da er so viel älter war, könnte er sich ganz bestimmt hervorragend um sein Geschwisterchen kümmern! Es auf die Arme nehmen, ihm kleine Insekten geben, mit ihm spielen und es beschützen. Vor allem das Letztere würde er gewissenhaft ausführen! Wenn Randy so darüber nach dachte, konnte er die Vorfreude kaum noch aushalten. Hoffentlich war es nicht schon geschlüpft, ehe er wieder Zuhause war...und langsam wurde dem kleinen Echsenmonster wieder ganz mulmig zumute. WENN...er nach Hause käme...ja, wenn... Der Wagen hielt ruckelnd an und Randy sah sich um. Die Fahrt endete tatsächlich auf einem großen Bauernhof! Hier war es sehr laut, denn zahlreiche Kinder liefen überall lachend herum – genau wie seine „Freunde“ es in der Uni getan hatten. Ängstlich davor, entdeckt zu werden, duckte das junge Reptil sich etwas mehr in das Heu und spähte gleichermaßen abgestoßen wie interessiert zu diesen seltsamen, hässlichen Kreaturen. Irgendwie schien er sich an den Anblick gewöhnt zu haben...sie sahen gar nicht mehr ganz so gruselig aus, wie am Anfang. Trotzdem hatte er nicht die geringste Lust von ihnen entdeckt zu werden. So war ihm jetzt die Brille im Weg, denn als „Geist“ würde er erneut viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Also wartete er ab, bis der Wagen vor die Scheune gefahren wurde. In einem Moment der Unachtsamkeit, drückte er sich blitzschnell und gut getarnt an den Beinen des Ausladers vorbei und konnte sich hinter einer Ecke verstecken. Neugierig sah das junge Monster sich um. Hinter ihm befand sich eine Koppel, wo die gleichen, seltsamen Wesen wie gestern im Stall standen. Neugierig näherte er sich diesen und sie kamen vertrauensseelig auf ihn zu. Wahrscheinlich erinnerte Randys aufrechte Getstalt sie an die Kinder die kamen, um sie zu streicheln, vor allem aber zu füttern. Ehrfürchtig streckte Randall seine dreifingrige Hand aus, um den großen, langen Kopf des schnaufenden Dings zu berühren. Dieses lies die Berührung gutmütig zu und brachte damit ein Lächeln auf das Gesicht des einsamen Jungen. Mit einer flinken Bewegung, war er unter dem Lattenzaun durchgehuscht und stand nun neben dem großen Etwas, welches nur träge stehen blieb. Nachdem er das weiche, kurze Fell noch eine Weile gepattet hatte – vorsichtshalber hatte er die Farbe seiner Umgebung angenommen, allerdings stachen einige seiner Schuppen noch blau und lila daraus hervor, da diese Fähigkeit langsam vom vielen Gebauch erschöpft war – sah er sich auf der Koppel um. Glücklich stellte er fest, dass dort ein großer Bottich Äpfel stand, die den Früchten in der Monsterwelt erstaunlich ähnlich sahen. Vom Hunger geplagt fing er an, einen nach dem anderen davon zu verspeisen. Als er gerade beim 4ten angelangt war, hörte er sich nähernde Stimmen. Gehetzt blickte Randall sich um, fand aber kein Versteck und so blieb ihm nichts übrig, als sich neben den Apfelbottich zu ducken und so gut es ging unsichtbar zu werden. Es dauerte nicht lange, bis einige Menschenkinder den kurzen Rasen betraten. Ämgstlich drückte Randy sich mehr in den Schatten des großen Gefäßes. Diese unachtsamen Ungeheuer liefen über den ganzen Platz, lachten, johlten und riefen sich Dinge zu. Dabei trat ein Junge dem langsam panisch werdenden Reptil auf die Schwanzspitze, welche nervös vor ihm hin und her wackelte. Randy heulte gequält auf und der Menschenjunge sah sich alamiert um. Oh nein!!! Nun hatte er giftige Schuh ihn direkt berührt und diesmal würde er ganz sicher sterben! Völlig fertig, zitternd und mit stark schmerzenden Schwanz, rollte der Geängstigte sich zusammen und presste die Hände über dem Kopf. Die anderen Kinder kamen auf den verwirrt drinblickenden Menschenjungen zugelaufen. „Karl! Was ist denn los? Was hast du denn?“ „Was guckst du so? Ist was passiert?“ Der Angesprochene fuhr sich nur nachdenklich über den Hinterkopf und grinste entschuldigend in die Runde. „Habt ihr denn gar nix gehört Leute? Haha...da bin ich wohl langsam schon etwas crazy!“ Offenbar war die Aufmerksamkeit ihm peinlich. Randy nutzte es aus, dass die Kinder abgelenkt waren und wischte pfeilschnell davon. Wenn er jetzt sterben sollte, dann wenigstens an einem schöneren Ort! Unbemerkt konnte er in einen abgelegnen, kleinen Gerätschuppen entkommen, in dem es angenehm schwül war, da er der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt war. Entspannt seufzte der Gequälte, als er sich auf dem freien, oberen Regal niederlegte. Seine Schuppen waren nun wieder gewohnt violett und blau – ganz wie die Farben seiner Eltern. Es war Zeit mit sich und der Welt abzuschließen. Er würde sterben. Sein Schwanz pochte bedrohlich...offenbar schien das Gift bereits zu wirken. Langsam fühlte er sich schummerig – er hatte gar nicht bemerkt, dass ihm, seit er in der Menschenwelt war öfter mal schwindelig war – und schloß die Augen. So sollte es also enden. Er hatte seinem Papa neulich gar nicht richtig Tschüß gesagt...und er würde niemals das neue Baby sehen. Hoffentlich nahmen Mama und Papa seinen Tod nicht so schwer...vielleicht war es gut, dass sie bald ein neues Kind hatten. Vielleicht war es ein besseres Kind und tröstete sie schnell darüber hinweg, dass er nie wieder nach Hause kommen würde. Nach einiger Zeit weckte ein spitzer Schrei den schlafenden Randy auf. Ein entsetzter Junge – etwa in seinem Alter und mit einer mindestens genauso runden Brille wie er – stand in der Tür des Schuppens und starrte ihn an. Alarmiert riß das junge Monster den Kopf hoch und stieß sich dabei fürchterlich die drei Wucherungen an seinem Kopf. Vor Schmerz aufzischend, rieb er sich über die geschundene Haut, was das andere Kind dazu veranlasste laut „SCHLANGE! SCHLANGE!“, schreiend das Weite zu suchen. Innerhalb von wenigen Sekunden war auch Randall auf den Beinen. Wie kam es, dass er noch lebte!? Egal! Schnell lief auch er ins Freie, um ein neues Versteck zu suchen. Es dauerte keine halbe Stunde bis der ganze Bauernhof – und so langsam erkannte Randy, dass er hier tatsächlich in einem Feriencamp gelandet war – auf den Beinen war, um eine angebliche Riesenschlange zu suchen. Als er sich in einer Dachluke versteckte, konnte er zufällig den Brillenjungen von vorhin plärren hören: „Ja! Wenn ich es ihnen doch sage! Die Schlange war Lila! Und sie hatte gräßliche Stacheln auf dem Kopf! Und riesige Reißzähne! Als sie mich sah hat sie böse gezischt und ihr sind Hände gewachsen und sie hatte eine Brille!“ Der Campleiter schüttelte nur den Kopf, über so viel Gestammel und versuchte mit allerlei Worten den Jungen zu beruhigen. „Hast du dir das nicht vielleicht nur eingebildet? Aber, aber Justin. Ist ja gut. Eure Eltern holen euch ja heute abend ab. Keine Bange...“, in seinem Ton schwang etwas mit, was stark vermuten lies, dass er den heulenden Jungen für etwas...sonderbar hielt. Kein Wunder...Schlange mit Brille, der Arme wuchsen... Schon nach kurzer Zeit hatte der allgemeine Trubel im Camp sich gelegt. Nachdem es um die Mittagszeit herum sehr ruhig geworden war, trafen die Kinder sich zum Spielen auf dem Hof. Randall konnte das Durcheinander bestens von seinem geheimen Liegeplatz aus beobachten. Die Kleidung der Kinder war so bunt, wie die in der Monsterwelt...Obwohl ihre Gestalt sich erschreckend und gleichzeitig langweilig ähnlich sah, konnte man sie anhand der Farben doch nach einer Weile auseinander halten. Da war zum Beispiel ein Kind mit blonden Haaren und roten Sachen, ein anderes hatte eine andere Hautfarbe und rötliche Haare, dafür aber blau-weiße Klamotten an. Randy hätte niemals gedacht, dass es Menschen in so unterschiedlichen Haut- Haar- und Klamottenfarben gab. In den Lehrbüchern stand davon nichts – dort war das ewig gleiche, monoton stilisierte Schema abgebildet. Ein bronzefarbenes, nacktes Ding mit Glatze. Ein Kind aber fiel dem Liegenden besonders auf. Seine Sachen waren nicht bunt – das T-Shirt war weiß, aber dafür war irgendetwas in grün darauf gemalt und die Hose war beige – sie trug eine Brille wie er, nur war seine oval und es hatte nicht diese schlanke Figur wie die meisten anderen Kinder hier. Was aber am meisten auffiel, war dass es nicht mit den anderen spielte, sondern etwas Abseits stand und kleine Dinge im Gras zu beobachten schien. Die anderen Kinder liefen spielend an ihr vorbei, ein braunhaariger Mensch schupste es dabei – was gar nicht nach einem Versehen aussah! Aufmerksam spähte Randy hinab – ihm war, als hätte er dieses Szenario schon oft gesehen...Irgendwie verletzte es ihn und machte ihn ganz betroffen, wie die anderen um diesesen Menschen herum liefen und sie ansahen. Dieser aber schien krampfhaft so zu tun, als ob sihn das Alles gar nicht bemerkte. Nach einer Weile galt die Aufmerksamkeit der Kinder, jedoch etwas anderem – irgendetwas sehr Kleinem, dass Randall aus dieser Entfernung nicht erkennen konnte. Der kleine Beobachter war mittlerweile völlig in seiner Rolle versunken und hatte seine ganzen Sorgen für den Moment vergessen. „Hey! Lasst sie uns einfangen!“, rief eines der Kinder und ein anderes förderte eine leere Flasche zu Tage. „Hier kann sie rein! Und wer sie fängt, darf sie dann mit nach Hause nehmen!“ Wen könnten sie damit meinen? Randy wusste es nicht und auch das einsame, ernste Menschending schien aufzuhorchen. Im Folgenden liefen die Kinder wie verrückt durcheinander, dann alle zusammen hinter einer Sache her. Dies ging eine graume Zeit so und Randy sah, wie der Brillenmensch stetig den Hals verrenkte, um zuzusehen. Schließlich schienen die anderen Kinder ihr Ziel erreicht zu haben. „Ich hab sie! Ich hab sie!!!“, rief ein dürrer Mensch mit besonders hoher Stimme und kurzen, dunkelbraunen Haaren und hielt etwas am Boden fest. Zwei weitere halfen dem Ding dabei, das Objekt in die Flasche zu bekommen. Gespannt kniff Randy die Augen zusammen, um erkennen zu können, was es denn nun war. Sogar das Einsam-Ding aus dem Abseits war aufgestanden und hinter die Masse getreten. Entsetzt stellte Randy fest, dass ein kleines, sich windendes Tier in der Flasche war, dessen Körperbau ihm selbst enorm ähnlich sah. Er konnte zwar nicht erkennen, wie viele Gliedmaßen es hatte – allerdings viel weniger, als er selbst – aber sehr wohl die Kopfform, den schlanken Reptilienkörper und den nervös wirbelnden Schwanz. Erschrocken zischte er auf – blieb aber von den anderen unbemerkt. War das etwas ein kleines Monster? So wie er auch, nur viel kleiner? Was hatten die Menschen mit ihm vor? Würden sie es nun grausig foltern, so wie sie es sicher auch bei ihm getan hätten? Er musste dem Monster helfen! Aber was konnte er tun? Ders Alleinemensch war mittlerweile auf die beiden zugetreten, die die Flasche hielten. Er murmelte etwas, aber Randy konnte es aus der Entfernung nicht hören. Die anderen Kinder verfielen in schallendes Gelächter. „Und was wenn NICHT Berry-Carrie!? Die gehört uns! Was willst DU dagegen machen?“ Die Menge lachte erneut auf. Kurz schien das Berry-Carrie unsicher, dann wiederholte sie die Worte, diesmal so laut, dass auch Randy es hörte: „Lasst die Eidechse frei! Sie gehört in die Natur und nicht in eine Flasche!“, kurz überschallte das höhnische Lachen sie, aber energisch fuhr sie fort und erhob die Stimme diesmal lauter. „Ich meins ERNST! Ich werde das sagen gehen!“ Ein Mensch aus der Gruppe war nicht verzagt und schubste die Aufbegehrende, so dass sie unelegant zu Boden fiel. Dann stimmte ein Chor ein: „Petze! Petze! Petze!“ Randys Augen weiteten sich...er hatte schon wieder so sehr das Gefühl, das alles genaustens zu kennen! Sein Nacken fing an zu stechen und sein Bauch prickelte unangenehm. Nervös krampfte er alle vier Hände zusammen. Was sollte er denn jetzt nur tun? Berry-Carrie schien mit der Situation überfordert. „Hört auf!!!“, forderte sie erneut laut, aber es war nicht klar, ob sie damit den Chor oder die Gefangenahme der Eidechse meinte. Als sie weiterhin verhöhnt wurde, sprang Berry-Carrie mit ungeahnten Nachdruck auf und rannte auf den zu, der die Flasche hielt. Dabei stieß sie einen schrillen Schrei aus. Sie versuchte ihm die Flasche abzunehmen, aber er wich tänzelnd aus und verspottete sie weiter. „Kannst ja wieder allein an den See gehen und die Fische erschrecken! Die warten schon auf Geisterbahn!“, trällerte er unter großem Applaus. Mittlerweile war sie rot vor Zorn und Anstrengung, versuchte aber erneut – wenn auch etwas halbherziger – ihm das Gefäß zu entwenden. Wieder erntete sie nur Gelächter, was noch anschwoll, als sie anfing wie ein Tier zu knurren. Das Lachen ebbte aber abrupt ab, als der spottende Mensch auf einmal nach hinten weg fiel. „Torbi, was ist denn mit dir los? Hast du gesoffen, oder was?“, fragte ein anderer lachend. „Oder hat dich das fette Vieh da mit seinem Geknurre erschreckt!?“ Berry-Carrie stürmte wütend auf den Lästerkopp zu und verfehlte ihn. Aber trotzdem ging auch dieser schreiend zu Boden. „Was war das? Sie...hat mich doch gar nicht berührt!?“ Verwirrt sahen die Kinder sich an. Das Mädchen war nicht minder erstaunt und verunsichert, witterte aber die Chance, schnappte die Flasche und lief davon. Ein paar wollten ihr nach laufen, fielen aber der Reihe nach hin, als seien sie über etwas auf dem Boden gestolpert. Dies veranlasste die anderen dazu, die Verfolgung auf keinen Fall weiter fortzusetzen und die schwerfällige Eidechsenfreundin davon laufen zu lassen. „Vielleicht ist sie ja echt wie Carrie White und hat telekin… magnetsium…Kräfte...“, meinte ein kleines, schwarzhaariges Menschlein mit einem veilchenfarbenen Stirnband und adretter Kleidung, indem es in die Runde blickte. Das folgende Gemurmel bekam Randy nicht mehr mit, denn er war – nachdem er der Fremden eben „ein bisschen“ unter die Arme gegriffen hatte – blitzschnell auf dem Weg zum Baum, um seine Brille zu holen. Anschließend kam er gerade noch rechtzeitig Berry-Carrie hinterher, um zu sehen, wie sie das Monster namens „Eidechse“ an einer sonnigen Stelle, nahe eines Flusses aus der Flasche lies. „Die anderen sind so blöd...Ich hoffe sehr, dass du dir nicht weh getan hast...“, jetzt war die Stimme des Mädchens wieder leise und heiser. Das kleine Monster antwortete nicht, sondern war blitzschnell entwischt. Randy fragte sich, wieso es nicht geredet hatte. War es zu ängstlich oder zornig gewesen? Jedenfalls sah er nun interessiert diesen Menschen an. So von Nahem betrachtet, sah sie sehr alt aus – vor allem um die Augen herum. Ihr Gesicht war ernst und stumpf und zeigte nicht sehr viel Emotion. Trotzdem schien sie irgendwie nett zu sein und wie sie die Eidechse behandelt hatte, gefiel ihm auch. Vielleicht mochte sie ja Reptilien? Vielleicht war es die Angst vorm Alleinsein, vorm Herumirren, vorm Frieren und Hungern, vielleicht aber auch etwas ganz anderes...Randy wusste nicht wieso, aber er fing leise an zu sprechen. „Hallo...“ Erschrocken wand die Angesprochene sich um. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)