Das wird doch nichts... von Pairo (Mit gebrochenen Flügeln kannst du nicht fliegen!) ================================================================================ Kapitel 1: Das beste Versteck? Das wird doch nichts! ---------------------------------------------------- Die Universität wurde in das schummrige Licht eines Winternachmittages getaucht. Die Gänge waren ruhig, denn die meisten Studenten waren bereits in ihre Wohngemeinschaften zurückgekehrt, lernten in der Bibliothek oder saßen gerade in einem späteren Seminar. Das Lachen von einigen spielenden Kindern störte die Ruhe allerdings etwas. Der Gruppe der Störenfriede voran flog ein kleines, längliches Wesen in Blau und Gelb. Auf dessen Kopf thronte ein staatliches Horn! Dahinter folgte ein knochenloses Wesen, dass klar wie Glas war und nur einige grüne Tupfen im Inneren besaß. Drei drachenartige Mädchen, die sich einen Körper teilten und ein augenloser, schlanker Junge mit schulterlangen, gestreiften Haaren liefen gleich neben ihnen. Sie lachten und scherzten, fingen sich gegenseitig und schauten in allen Ecken des alten Gebäudes herum. Alles schien so unbefangen, harmonisch und perfekt! Gerade, als sie um die Ecke biegen wollten, sprang ihnen ein echsenartiges, sechsarmiges Wesen entgegen und entblößte eine Reihe scharfer Zähne. Sein fadenartiger, geschuppter Körper war von einer dunklen, violetten Farbe, nur einige Schuppen schimmerten in schimmligen Blau und die Augen funkelten giftgrün im künstlichen Licht. Das glasklare Wesen schrie auf und wich zurück. „Boggs! Er hat uns gefunden…“ Das wendige, schnelle Reptil kroch näher, direkt auf die kleine Truppe zu und schob schließlich mit einer unsicheren Bewegung die runde Brille höher auf die nicht vorhandene Nase. Dann lächelte er die anderen genauso naiv wie vertrauensvoll an. „Hi Leute!“, seine Stimme war gehetzt und etwas schüchtern. „Hab euch! Jetzt ist aber mal wer anders dran, mit Zählen und Fangen, oder?“ Das gehörnte, mückenartige Wesen – ihr Name war Candis – fand als Erste die Fassung wieder und richtete sich an den Neuankömmling, während die Drachenmädchen leise zueinander raunten: „Und ich dachte, wir hätten ihn abgehängt…“ „Eh? Wie war das!?“, fragte Randall – und so lautete der Name des kleinen Reptils – gleichermaßen ängstlich, wie hoffnungsvoll sich verhört zu haben. „Gar nichts, gaaaaaar niiiiichtsssss!“, summte Candis und flog direkt vor Randalls Gesicht, damit dieser keinen Blickkontakt mit den lästerhaften Drachen herstellen konnte und sie womöglich ertappte. „Sie sind nur erstaunt, wie ssssschnell du uns gefunden hasssssssst!“ Dies wiederum brachte ein stolzes, wenn auch etwas verwirrtes Lächeln auf das schuppige Gesicht. „Schnell!? Ich habe euch fast eine Viertelstunde gesucht, ehe ich euch fangen konnte! Ich dachte, wir wollten draußen auf dem Campusgelände spielen! Dass ihr hier drin ward, war echt knifflig heraus zu finden!“ Ertappt knetete der blinde Junge – er hieß Jack – seine Hände und wippte vor und zurück. Aber Candis war nicht um eine Antwort verlegen! „Ach weißt du, Randy…Wir WUSSSSTEN einfach, dass du genial genug bist uns ÜBERALL zzzzu finden!!!“ Dafür erntete das summende Bündel an Kreativität nur ein verlegenes Gekicher des Brillenträgers. „Ach waaas…“ Der linke Kopf des Drachenmädchen lenkte ein: „Ja genau! Und deshalb finden wir…“, Kopf Zwei, der eine modische Frisur mit gradem Pony trug, führte weiter: „Ja, wir finden, dass DU bei dem nächsten Spiel mal der bist, der im Mittelpunkt ist!“ Kopf Drei hatte die List durchschaut, strich seine langen, rosa Haare zurück und stimmte mit ein: „Ja!!! Lasst uns Verstecken spielen! Und diesmal muss Randy NICHT suchen! Wir suchen freiwillig zuerst. Und wer das beste Versteck hat und als Letzter gefunden wird, bekommt das Maden-Lakritz-Hörnchen, dass wir noch übrig haben!“ Der Rest der Crew, hatte sofort geschaltet und stimmte eifrig mit ein. „Aber ja! Tolle Idee! Man! Hoffentlich gewinne ich!“, rief Jack in langsamen Tonfall, wie es seine Art war und stemmte die dürren Streichholzärmchen in die Seiten. „Ja! Und alssss Platzzz ist die GANZE Uni erlaubt! Dassss wird riesen Spasssssss!“, mischte Candis mit ein. Auch Randall war ganz begeistert – nicht nur, weil Made-Lakritz eine seiner Lieblingssorten war, sondern vor allem weil er endlich IN der Gruppe mitspielen sollte, statt sie ständig Ewigkeiten zu suchen, oder irgendwelche Aktivitäten weit weg von ihnen zu vollbringen. Vielleicht gehörte er ja jetzt endlich zu diesen wirklich coolen Kids? Ganz aufgeregt – und überzeugt den besten Platz zu finden – ging er in Startposition. Und als Dixi, Dinki und Dilma augenscheinlich zu zählen anfingen, sauste er gleich los. Auch die anderen taten so, als würden sie ein Versteckt suchen, kehrten aber zurück, sobald das Trio ihr Gezähle beendet hatten. „Man ssssso ein Trottel…Ich hoffe, er findet ein gutesssss Versteck!“, seufzte Candis entnervt. „Ja!“, setzte Ionin, das Glibberwesen hinzu. „Nur, dass WIR ihn nicht suchen werden!“ Alle sahen sich an und lachten zugleich leise los. Jack nickte nur langsam. „Jaaaa…unglaublich, dass wir mit ihm spielen sollen, nur weil seine Mutter hier über die Geschichte der Beinlosen unterrichtet…Da geh ich ja fast lieber in den Hort!“ Die Runde lachte erneut über das Ende des Satzes – sie alle waren Kinder von Angestellten der Universität, zwischen 9 und 10 Jahren alt und trafen sich ein paar Mal die Woche, um für ungefähr eine Stunde auf ihr Elternteil zu warten und anschließend mit diesem nach Hause zu gehen. „Komm schon! Nur wegen Randy, wäre es doch schade, wenn unsere schöne Clique zerbricht, oder!?“, fragte Dixie – der Drachenkopf, der schulterlange, weiße Locken und das größte Horn auf der Nase hatte – und Ionin setzte hinzu: „Ja! Das wäre voll schade. Ich mag euch echt gern Leute! Es macht immer so viel Spaß mit euch!“ Der Mittelpunkt dieses unglaublichen Ärgernisses hatte soeben einen Teil der Universität betreten, denn er vorher noch nie gesehen hatte. Seine vor Neugier aufgerissenen, runden Augen wirkten durch die große Brille noch viel riesiger als sonst, als er all die seltsamen Schiebetüren und Fenster sah. Diese gaben einen Blick auf kuriose, runde und gelbe…Dinger frei. Kurz glaubte der Junge, so etwas schon einmal irgendwo gesehen zu haben…aber wo? Sein Atem ging noch schnell, weil er eben in Windeseile hier her gerast war, auf der Suche nach einem guten Versteck, aber jetzt hatte ihn ein tiefes Gefühl von Ehrfurcht beschlichen. Draußen fing die Sonne an, zu versinken – davon aber, konnte man in diesen lichtabgeschotteten Gängen nichts sehen. Plötzlich hörte er die Stimme von ein paar Erwachsenen – bestimmt Studenten! – und wurde vor Schock ganz steif…und unsichtbar! Drei Leute kamen aus einer der Türen – eine hübsche, junge Schnecke mit Stielaugen und kurzen Haaren, ein ast-artiger Junge mit gut und gern 20 kleinen Beinchen und ein quirliger, sehr kurzgeratener Spinnenjunge, der nicht viel größer als Randy, aber auf jeden Fall mehr als doppelt so alt wie der 9 Jährige war. „So ein stressiger Tag heute…“, kam es müde von der Schnecke, die sich übers Haar fuhr und der Spinner warf ein: „Jahaaaaaa! Aber endlich geschafft! Huhuhuuuuu! Ich spendiere heute K-K-KAffeeeeeeeee für alleeeeee!“, leise lachend entschwanden das Trio um die nächste Ecke. Randall atmete auf und wurde wieder sichtbar. Kurz stierte er in die Richtung, in der die Studenten verschwunden waren…Ob er wohl eines Tages auch ein Student sein würde? Ein richtig cooler Student? Mit bedrohlichen Gruselzähnen, einer Collegejacke, ein paar Büchern – und am wichtigsten – mit ganz vielen Freunden, die ihn liebten und immer zu ihm hielten, auch wenn andere coole Leute sich ihnen entgegen stellten? Hoffnungsvoll faltete das schnurdünne Wesen alle vier Hände vor seinem Körper und bettete inständig in Gedanken: „Lass es doch wahr werden! Mehr will ich gar nicht! Nur beliebt sein!“ Dann aber fiel ihm auf, wie blöd und untätig er hier herum stand…und dass er sich mitten in einem Spiel befand! Seine flinken Augen suchten gezielt den Korridor ab – und tatsächlich! Da stand eine Tür offen! Die Tür, aus der die drei Studenten eben gekommen waren. Schnell wie ein Luftzug war Randall in den Raum geschlüpft. Hier würde ihn ganz gewiss NIEMAND finden! Er war der definitive Gewinner- dass die anderen 6 sich gerade im Moment das Hörnchen teilten und lachten, konnte er ja nicht einmal erahnen… Dieser Raum hier, war aber so derart interessant, dass er das Spiel erneut kurz vergaß. Irgendwie überkam den Jungen ein seltsames Gefühl. Sein Magen und der Nacken fingen an wie wild zu prickeln, sein langsamer Reptilienherzschlag wurde schnell, wie bei einem Warmblüter und irgendwie fühlte seine Brust sich seltsam an. Er traute sich kaum zu atmen und fühlte sich fast wie gelähmt. Nur sein langer Schwanz schlug sacht von einer Seite zur anderen. Während er an den seltsamen, an Monstercola-Dosen erinnernden…Dingern vorbei striff, fragte er sich, ob es Angst oder Neugier war, was er hier gerade fühlte…oder beides? Nachdem er sich die Wände begutachtet hatte, sah er endlich den Mittelpunkt des Raumes. Wie hatte ihm das nicht vorher auffallen können? Alles andere war vergessen – seine Mutter, die anderen Kinder, der Ort, an dem er grade war – als er direkt in das rote Licht blickte, dass über der schönen, hölzernen Tür prangte. Davon angezogen, wie eine Motte, schritt er auf die Lampe zu. Ehe er noch ahnte was er tat, waren seine kleinen, dürren Finger bereits an der Klinke. Das Holz fühlte sich warm und glatt an und sie ließ sich ganz leicht nach unten drücken… Ganz, ganz vorsichtig steckte das junge Reptil zuerst seine Nase, dann den ganzen Kopf in den fremden Raum. Augenblicklich stockte sein Atem. Wie in Trance glitt die Hand von der Klinke – die anderen Hände waren fest in einander verankert und die freie, obere Hand umfasste das untere Handgelenk fest. Vor Randall lag ein wunderschöner, warmer und lichtgefluteter Raum. Kleine Staubpartikel tanzten sachte in den goldenen Strahlen. Wie von einer fremden Macht geführt, trat das blaugesprenkelte Wesen ein. Vor Überwältigung stand sein spitzbezahnter Mund offen, als er den Kopf zu allen Seiten bewegte. Der hölzerne, modrige Duft, den dieser Raum aussandte, lies ihn vor Wohligkeit erschauern. Die Tür fiel fast lautlos ins Schloss. Aber Randy bemerkte gar nichts davon. Langsam glitt er an den hölzernen Bücherregalen vorbei und las die seltsamen Titel. „Rehabilitation nach posttraumatischen Erlebnissen im Kindesalter“, „Moderne Tiertherapie“, „Im Kontakt mit PTBS“ Er bemerkte nicht, was auf der anderen Seite der Tür vor sich ging. Der Spinnenjunge war in den Raum zurückgekehrt und entschuldigte sich per Handy bei seiner wütenden Kommilitonin: „Jaaaaaa….tut mir leid, Hope. Jaaaa…ich hab ECHT aus Versehen den Strom angelassen!“, mit einer kurzen Bewegung drückte er einen Knopf und das rote Licht über der Tür erlosch. „So! Alles in Butter. Ist ja nix passiert! Ich komm jetzt und daaaaaann trinken wir K-K-KAffeeee!!!“, und mit diesen Worten lag der Raum wieder verlassen – und keiner ahnte, dass soeben ein Monsterkind die Ebene in die andere Welt überschritten hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)