Das wird doch nichts... von Pairo (Mit gebrochenen Flügeln kannst du nicht fliegen!) ================================================================================ Kapitel 4: Ein neues Zuhause? - Das wird doch nichts! ----------------------------------------------------- Der Schreck vom letzen Nachmittag, saß Randy noch am Abend in den Knochen. Er saß mittlerweile wieder auf einem Baum – diesmal am Rande eines Dorfes – und sah noch immer diese kleine, bleiche, todbringnde Kinderhand vor sich. Bei der Erinnerung an dieses Erlebnis noch immer zitternd, schlang er alle vier Arme eng um seinen Körper. Er hätte jetzt TOT sein können. Nur ein paar Zentimeter mehr, und alles wäre aus gewesen. Dieser Gedanke kam ihm so grell und stechend rot in den Kopf, dass er die oberen beiden Hände löste, um sich damit die Augen zu zuhalten. Als seine kühlen Fingerchen – er fror ungemein viel, seit er in dieser Menschenwelt hier war…obwohl es vergleichsweise sogar wärmer, als Zuhause zu sein schien! – so sicher und schützend unter seiner Brille und vor seinen Augen spürte, konnte er nicht mehr an sich halten. Leise fing das verzweifelte Kind an, erneut zu weinen. Die Tränen tropften durch die großen Zwischenräume seiner Finger. Manche fielen auf seinen schuppigen Körper, andere nach unten auf die Erde. Gänzlich in Trauer und Verzweiflung versunken, vergaß er die Welt um sich herum, hörte, sah und spürte nichts mehr. Langsam lösten seine Schuppen sich in nichts auf. Randall verschwand im Nichts. Das echsenartige Monster konnte nur noch daran denken, wie gerne er jetzt einfach aufwachen würde. Aufwachen in seinem Bett, die Treppe runter laufen und seinen Eltern in die Arme springen! Die beiden machten sich bestimmt ganz schreckliche Sorgen…und vielleicht vermissten ihn ja sogar die anderen Kinder ein wenig? Aber lange konnte Randy nicht darüber nachdenken, denn etwas berührte ihn an der Schwanzspitze, welche zuckend und krampfend vom Ast hinab hing. Vor Schock zusammenfahrend, fiel er fast vom Ast. Erst jetzt bemerkte er, dass er während des Weinens glücklicherweise unsichtbar geworden war! „Was war DAS denn?!“ Seine Sicht war verschwommen und die Brille beschlagen, aber die Stimme musste eindeutig einem Menschen gehören! Ein Zweiter antwortete ihm: „Was war WAS? Erschreck mich doch nicht so!“ Ängstlich klammerte Randy sich am Baumstamm fest, traute sich aber nicht, irgendwelche verräterischen Bewegungen zu machen, deren Geräusch ihn hätten verraten können. „Erst ein paar Tropfen und dann irgendetwas Dünnes, Kühles. Fast wie eine Liane oder so!“ Der Mensch wischte sich verwundert über das angetropfte Gesicht und spähte in die Baumwipfel, in der Hoffnung dort eine Erklärung zu finden. Steif wie ein Eiszapfen, rollte der Kleine seinen Schwanz ein – obwohl „einkrampfen“ ein trefflicherer Begriff gewesen wäre. Die Schwanzspitze des auf dem Baum Sitzenden war tatsächlich ganz kalt – eigentlich ungewöhnlich, denn normal war der Körper des Jungen warm. Mit dem „kalte Füße kriegen“ hatte er bisher nur in Schultests, oder bei neuen Leuten, unterbewusst Erfahrungen gemacht… „Eine Liane! Haha! Du bist so doof, T! Manchmal glaub ich echt, die Dinger vernebeln dir das Hirn! Regnen tut‘s auch nicht. Nur zu deiner Information!“ Lachend gingen die beiden von dannen und Randy sah ihnen mit hämmernder Brust hinterher. Bis ihm etwas FURCHTBARES einfiel: Die Haut eines MENSCHEN hatte Seine berührt! Panik stieg in dem jungen Monster auf, ihm wurde plötzlich furchtbar schwindelig und er wäre erneut fast nach hinten weg gekippt. Tapfer klammerte er sich mit allen vier Händen an der harten Rinde fest. Er würde also sterben! Sehr bald. Einfach so!!! Die Unsichtbarkeit löste sich ungewollt auf, wechselte zu rot, dann zu blau, schmutzigem grün und schließlich wieder zu rot, ehe sie beim gewohnten Violett still stand. Wie in Trance schwang Randy seinen Schwanz näher heran, nahm die Spitze dann vorsichtig in eine Hand. Seltsam…Noch tat es gar nicht weh. Noch nicht! Noch sah sie ganz normal aus… Panisch starrte er darauf, bereit jede Sekunde eine Veränderung durch die nassen Brillengläser sehen zu können. Aber nichts geschah. Nach 5 Minuten – ihm kam das Ganze, wie viele Stunden vor – entspannte er sich etwas. Vielleicht war die Berührung zu kurz gewesen? Vielleicht war der Mensch nicht jung genug gewesen? War ja möglich, dass nur Kinder giftig waren! Obwohl die beiden auch noch lange nicht erwachsen schienen… Jedenfalls sah es aber so aus, als sei er dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen! Was für ein Glück im Unglück! Langsam verschwand die Sonne gänzlich hinterm Horizont und Randall fing an, stärker zu frieren. Es war schlimm, einen ektothermen Einschlag in der Familie zu haben – sobald es zu kalt war, fühlte er sich müde, träge und ausgelaugt. Randigunde hatte immer sehr darauf bestanden, dass er abends auch unbedingt eine Jacke trug – vor allem da sein kleiner Körper viel schneller auskühlte, als der eines Erwachsenen ihrer Art. Bisher konnte Randy sich auch nicht erinnern, jemals nachts draußen geschlafen zu haben…Bis gestern versteht sich! Hätte er doch nur eine Jacke dabei…oder noch besser – eine schöne, warme Decke. Müde legte der Junge den Kopf gegen den rauen Baumstamm und spähte in ein erleuchtetes Fenster. Es wunderte ihn, dass in diesem Dorf tatsächlich Menschen zu leben schienen – er hatte sich hier nieder gelassen, weil weit und breit niemand zu entdecken gewesen war. Die beiden Jugendlichen, waren die ersten Menschen gewesen, die er hier „angetroffen“ hatte. In dem Fenster jedenfalls waren ein Mann und eine Frau zu sehen, die beide gemütlich auf dem Sofa lagen und fernsahen. Randall rollte seinen Körper so sehr ein, wie es nur ging und umklammerte sich fester. Es war erstaunlich, dass es hier fast ganz genauso aussah, wie in der Monsterwelt! Es war alles…so ähnlich. Es gab Bäume, Gras, Steine, Wolken, Mülltonnen, Häuser, Fernseher und dergleichen mehr. Das gab ihm wirklich zu denken… Und während der Kleine noch zitterte und nachdachte, stieg ihm ein angenehmer Geruch in die Nase. Den hatte er vorhin schon einmal gewittert! Es roch wie das Aftershave seines Vaters…ein weiterer Grund, weswegen er hier geblieben war. Kurzerhand fasste Randy einen Beschluss – bevor er hier noch erfror, könnte er doch diesem charismatischen Duft nachgehen! Vielleicht würde ihm das auch Glück bringen? So ließ er sich vorsichtig am Baum hinunter – ganz geschickt, indem er den Ast erst mit dem Schwanz umwickelte und anschließend einen eleganten Rückwärtssalto machte. Auf dem Boden angekommen, suchte er sofort nach der Quelle des angenehmen Geruchs…und er sollte ihn bald finden. Nicht weit entfernt, befand sich ein kleiner Stall, dessen Boden mit Heu ausgelegt war. Drinnen standen zwei ganz komische Tiere – eines war braun, das andere weiß. Sie hatten einen fransigen Pony in ihrem langen Gesicht, ganz kurzes, glattes Fell und hinten einen eindrucksvollen Schweif. Solche Wesen hatte Randy noch nie gesehen! Aus der hinteren Ecke des Stalles quietschen noch andere Tiere – von denen ging offenbar auch der Aftershave-Geruch aus! Faziniert blickte er die vorderen Tiere an, ehe ihm gleich links eine Leiter auffiel, die ganz offenbar auf den Heuboden im oberen Stockwerk führte. Ein freudiger Ausdruck huschte über das Gesicht des erschöpften Schreckerfans. Er hörte auf, die beiden komischen Tiere anzustarren und war binnen weniger Sekunden die Sprossen hochgeklettert. Seine Augen waren bestens für die Nachtsicht ausgerüstet und so konnte er das vor sich liegende Paradies gut erkennen! Ein riesengroßer, warmer, gut duftender Raum – der herrliche Gülle Geruch, der ihn so an seinen Vater erinnerte lag auch hier in der Luft – der über und über mit weichem Heu angefüllt war! Vor Überraschung und Erleichterung lachend, warf Randall sich in die weichen Fluten und kuschelte sich gleich ein. Das hier war wunderschön!!! Es war so gemütlich, entspannend, warm…und irgendwie vertraut! Vielleicht könnte er ja hier leben? Bei diesen beiden hübschen, stillen Tieren und den Quiekern aus der anderen Box! Vielleicht würden sie Freunde werden? Vielleicht würde ihm hier endlich ein Weg einfallen, wieder nach Hause zurück zukommen! Doch konnte er sich vor Müdigkeit gar nicht so sehr auf die Freude konzentrieren. Randy gähnte ausgiebig, wobei er seine lange Schlangenzunge weit herausstreckte, nahm die Brille ab, bettete den Kopf auf eine Ansammlung weichen Heus, das er in den Vorderarmen hielt und schloss die Augen. Er dämmerte bereits ins Schlummerland, so dass er den Aufschrei des Kindes im Nebenhaus gar nicht bemerkte. Als die Eltern panisch herbeigelaufen kamen, kriegten sie nur zur Antwort, da sei ein Monster aus dem Schrank gekommen… ~~ „Gibt es schon irgendetwas Neues? …Ah. Verstehe. Ja. Ja Ihnen auch…“, Henry hängte den Telefonhörer ein und bewegte sich langsam auf Radegundis zu. Diese hatte das Gespräch mitgehört und sah nicht einmal auf. Ihre Vorlesung und die beiden Seminare heute, waren entfallen. Ihr Schlangenkörper lag eingerollt auf dem Sofa und auf dem zugedecktem Schoß hatte sie ein Fotoalbum. „Ich hab seine Sachen gebügelt. Wenn er zurück kommt, soll er sich immerhin seine Lieblingsklamotten aussuchen können.“, sprach Henry leise und legte eine seiner violetten, amphibischen Hände auf Radegundis Schulter. „Gut.“, ihre Stimme klang anders als sonst – nicht beherrscht und freundlich, nicht fordernd, wütend oder herablassend. Sie hatte einen Ton angenommen, den Henry noch gar nicht kannte. Sie war hoch, leise und hatte irgendwie etwas sehr…Verletzliches an sich. „Sieh nur. Hier…an seinem sechsten Geburtstag…er hat sich so sehr über dieses Stofftier gefreut…“, das Bild zeigte einen glücklich in die Kamera grinsenden Randy – im Hintergrund noch zwei Nachbarskinder, seine Cousine und sein Cousin. Mehr Gäste hatte man nicht mobilisieren können. „Mein süßer, kleiner, schlauer, schrecklicher Randy…Mami vermisst dich so…“ Die Worte wurden wie in Trance gemurmelt und Radegundis sah nur langsam zu Henry auf, legte eine Hand auf ihren etwas gewölbten Leib und seufzte. Es klang tief, düster und einschneidend. „Er hat sich schon so sehr auf das Ei gefreut…was, wenn es bald da ist und dann schlüpft es…und sein Bruder ist nicht da, um es zu begrüßen? Das würde unserem Randy das Herz brechen…“ Henry nickte nur. „Bis dahin ist er ja wieder zurück. Ich bin mir ganz sicher…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)