Wenn Du nur zu träumen wagst... von M1KADZUK1 ================================================================================ Kapitel 4: Die Klassenfahrt (Teil 1) ------------------------------------ Die Zeit nach dem Kulturfest war wie im Flug vergangen. Ich saß bereits im Bus, auf dem Weg zum Flughafen. Iruka-sama saß eine Reihe vor mir und ich versuchte, durch den Schlitz der Sitze unauffällig einen Blick auf seine wunderschöne Gestalt zu erhaschen. Chigai, die neben mir saß, bemerkte das, störte sich aber nicht weiter daran. Sie hörte das Opening von 'Blood Lad', was ich wusste, weil ihr Handy mal wieder auf eine Lautstärke eingestellt war, die mich dazu veranlasste, mich zu wundern, dass sie ihr nicht sämtliches Trommelfell wegsprengte. Azarni-san, die in einer der vordersten Reihen saß, lachte so laut, dass es der gesamte Bus mitbekam. Yukiji saß neben Kashikoi und blätterte in einem Magazin, während diese sich gerade genüsslich die zweite Packung Chocolate Chip Cookies einverleibte. Also war alles wie immer. Ich lehnte meinen Kopf gegen das kühle Glas der Fensterscheibe, was ich aber schnell wieder sein ließ. Das funktionierte nur in Filmen, in echt bekam man da doch jedes Mal eine Gehirnerschütterung! Moment mal... Hatte ich eben Kashikoi gesehen? "Kashikoi, was machst Du denn hier?", fragte ich verblüfft. "Ich hatte schon vor längerer Zeit einen Antrag auf einen Wechsel in Deine Klasse gestellt, um bei meinen Freunden zu sein. Und jetzt bin ich damit durchgekommen!", sagte sie grinsend, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt. "Ich wollte Dich überraschen!", fügte sie noch hinzu. 'Gelungen', dachte ich nur. "Stört es euch, wenn wir unsere Sitze etwas nach hinten stellen?", fragte Iruka-sama plötzlich. Chigai wollte gerade zum Protest ansetzen, da warnte ich sie mit einem strengen Blick, bloß nichts Unüberlegtes zu tun. Ich setzte mein bezauberndstes Lächeln auf und antwortete: "Nein, überhaupt nicht." Iruka-sama und sein Kumpel Shima lehnten sich also nach hinten, um etwas zu schlafen, es war ja auch noch sehr früh am Morgen. Chigai tippte etwas auf ihr Handy und nur wenige Sekunden später erhielt ich eine Nachricht, in der stand: "Was bekomme ich dafür?" Ich überlegte einen Augenblick, grinste und schrieb zurück: "Einen Donut? :)" Mit dieser Antwort schien sie zufrieden zu sein, denn sie zwinkerte mir zu und zeigte mir ihren in Richtung oben ausgestreckten Daumen. ... "Sarana Nakajima! Wach sofort auf!", rief jemand und rüttelte an meinem Arm. Ich war etwas verwirrt. Hatte ich nicht eben noch Iruka-sama geküsst? "Darf ich nicht doch die Ohrfeigen-Methode anwenden?", hörte ich Chigai hoffnungsvoll fragen. "Auf keinen Fall! Es sei denn, Du möchtest deine Freundin ernsthaft verletzen!" Das musste Kashikoi sein. Verschlafen blinzelte ich und stellte fest, dass das alles ein Traum gewesen und ich eingenickt sein musste. "Aha, na endlich wacht sie auf!", sagte Chigai. "Was ist denn los, Leute? Wir fahren doch noch...", bemerkte ich. "Ja, aber die Senseis haben eben eine Durchsage gemacht, dass wir in fünf Minuten am Flughafen sind.", gab Kashikoi zurück. Da fiel mir auf, dass ich über die Tatsache, dass Iruka-sama's Kopf so gut wie auf meinem Schoß lag und dass es ganz einfach wäre, die Hand nach ihm auszustrecken und seine Haare zu streicheln ins Reich der Träume übergesiedelt war. Auch wenn wir alle in Tokio wohnten, dauerte es ein Weilchen, zum Flughafen zu kommen, da der immer noch ein gutes Stück von unserer Schule entfernt lag und man auf den auch am frühen Morgen schon vielbefahrenen Straßen erst mal einen Weg finden musste. Kaum waren wir am Flughafen angekommen, waren wir auch schon durch den Sicherheitscheck. Wir durften nicht mehr aus dem uns zugewiesenen Bereich hinaus und konnten jetzt nichts weiter tun, als auf unser Flugzeug zu warten. Ich gähnte und streckte mich. "Sarana-chan und Kashi-chan, ich gehe noch mal eben auf die Toilette, okay?", sagte Chigai. "Von mir aus.", meinte Kashikoi und nippte an dem Kaffee, den sie sich vor wenigen Minuten gekauft hatte. Obwohl in Japan Tee das Nationalgetränk war, orientierte sich Kashikoi eher an Kaffee, ganz wie eine Amerikanerin. Ich schaute mich in der Gegend um. Mein Blick fiel auf die Zeittafel. Ah, noch fünf Minuten, dann würde das Flugzeug ankommen. Ich war sehr gespannt, wie es im fernen Deutschland wohl so sein würde. Shirai-sensei unterhielt sich gerade mit Gushiken-sensei. Neben ihnen saß Serena-chan, ein Mädchen aus meiner Klasse. Sie bekam auf Ausflügen, bei denen sie längere Zeit von zu Hause weg war, immer Heimweh. "Hey, Sarana-chan!", flüsterte Chigai mir zu. "Du wirst nicht glauben, was ich auf dem Weg hierher gehört habe!" Sie senkte die Stimme noch weiter. "Ogata-kun hat zu Shima-kun gesagt: 'Sie sieht unheimlich niedlich aus, wenn sie so verschlafen ist' und dabei in Deine Richtung gesehen!" "A...", war alles, was ich hervorbrachte. "Na, ist das nichts?", meinte sie und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Ich blickte nach rechts und dann traurig nach unten. "Was ist denn los?", fragte Chigai mich. "Normalerweise solltest Du jetzt in Wirbelstürme der Begeisterung ausbrechen oder so etwas!" "Sieh sie Dir doch an!", sagte ich. Chigai schaute nach rechts und jetzt erblickte auch sie, was ich gesehen hatte. Zwei Plätze neben mir saß Miyoko-san, mit der ich auch beim Sportfest in einem Team gewesen war. Sie trug ihr langes Haar offen, was sie unheimlich hübsch aussehen ließ, auch wenn sie noch recht müde wirkte. "Iruka-sama hat bestimmt sie gesehen und nicht mich. Ich bin ihn doch gar nicht wert...", begann ich und schon floss mir eine Träne die Wange hinab. "Hey, Sarana-chan! Mit dem, was ich gehört habe, wollte ich Dir eine Freude machen und Dich nicht zum Weinen bringen!", sagte Chigai energisch und wischte mir sogleich die Träne mit ihrem Ärmel weg. "Achtung, dies ist eine wichtige Meldung an die Passagiere von Flugsteig 4C!", ertönte auf einmal eine Frauenstimme aus einem Lautsprecher. "Ihr Flug verspätet sich um eine halbe Stunde. Außerdem wird eine Ersatzmaschine eingesetzt werden müssen. Sie werden also nicht Ihre ursprünglichen Sitzplätze behalten können. Dafür bitten wir vielmals um Entschuldigung. Sie werden gebeten, die neuen Tickets bei mir am Schalter abzuholen. Ansonsten noch einen recht angenehmen Aufenthalt." "Na da kommt ja noch eine Prozedur auf uns zu!", meinte Shirai-sensei an Gushiken-sensei gewandt, die schon mal allen vorausging. "Eine Sekunde, Sensei!", rief Chigai. "Heißt das, ich kann nicht bei Sarana sitzen?" "Was hat die Frau von der Durchsage denn gerade gesagt?", antwortete Kashikoi an ihrer Stelle. "Wir werden sehen. Aber so, wie es aussieht, wohl eher nicht.", meinte Shirai-sensei. "Na ganz toll.", schmollte Chigai. "Wir müssen beim Ausstieg bloß gut aufpassen, dass uns keiner verloren geht!", bemerkte Gushiken-sensei. Wir trotteten zum Schalter und holten unsere neuen Karten. Die Frau, die die Durchsage gemacht hatte, war dunkler Hautfarbe, was mich wunderte, da sie akzentfrei Japanisch gesprochen hatte. Die nächste halbe Stunde verbrachte ich mit dem Lesen eines Romans, den ich mir für genau solche Fälle wie diesen mitgebracht hatte. Als die Maschine dann endlich eintraf, waren wir trotz geänderter Sitzplätze überglücklich, dass es endlich weiterging. Chigai saß jetzt nicht mehr neben mir, sondern neben Kashikoi, was aber für uns alle nicht weiter schlimm war. Die Senseis waren merkwürdigerweise nebeneinander geblieben. Wie machten die das nur immer? Ich schaute auf die Bordkarte in meiner Hand und suchte mir meinen Sitzplatz. Ich saß in der Mittelreihe. Nicht gerade ein Fensterplatz, aber immerhin. So viele Stunden ganz allein weit entfernt von meinen Freunden - das würde bestimmt langweilig werden. Nur gut, dass ich genug Lesestoff in mein Handgepäck gesteckt hatte. Ich besaß die vortreffliche Eigenschaft, in jedem Fortbewegungsmittel lesen zu können, ohne, dass mir schlecht wurde. Ich hatte gerade eine Seite gelesen und war schon wieder so richtig in das Geschehen meines Romans vertieft, da wurde neben mir eine weisse Sporttasche auf den Boden gestellt und eine Jungenstimme sagte: "So, wie es aussieht, sitzen wir wohl nebeneinander." Diese Stimme... Das war doch... Ich sah von meinem Buch auf und - blickte in das lächelnde Gesicht von Iruka-sama! "Mhm!", sagte ich, nickte und versteckte mein rotes Gesicht ganz schnell in den Seiten meines Buches. Oh mein Gott, wie peinlich! Da fing der Junge, den ich liebte, schon mal freiwillig ein Gespräch mit mir an und ich blöde Kuh hatte nichts besseres zu tun, als ein einziges Wort - es war ja noch nicht mal ein Wort gewesen, eher ein Laut - von mir zu geben und mich abzuwenden. 'Herzlichen Glückwunsch, Sarana Nakajima, Du hast es mal wieder vermasselt!', dachte ich bei mir und ich hätte heulen können. Fünf Stunden und ein Flugzeug-Essen (das ich nicht angerührt hatte; es war mir peinlich, in Iruka-sama's Gegenwart zu essen; aber den Kaffee hatte ich getrunken) später wurde ich leicht schläfrig, aber ich nahm mir fest vor, mich meiner Müdigkeit nicht hinzugeben. Am Ende murmelte ich im Schlaf noch vor mich hin, vielleicht sogar über Iruka-sama, und er bekam das mit! Nein Danke! Bloß - nicht - einschla... Zu spät. Ich schlug die Augen auf und hatte nicht die leiseste Ahnung, wie spät es war. Lange Reisen waren ja so ermüdend. Jegliche Kraft schien aus meinen Gliedern verschwunden zu sein. Langsam hob ich meinen Kopf an und erst jetzt realisierte ich, wo er gelegen hatte. Auf Iruka-sama's Schulter! Meine Güte, bitte lass das nicht wahr sein! "Na, ausgeschlafen?", fragte Iruka-sama cool und ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Dafür, dass ich zu Beginn so abrupt gewesen war, war er sehr freundlich zu mir. Iruka-sama eben. Perfekt wie immer. "Ja, schon.", sagte ich und versuchte, die Situation dieses Mal nicht ganz so peinlich ausgehen zu lassen. Obwohl ich wahrnahm, dass mir die Röte ins Gesicht stieg, war das doch schon mal gar kein so schlechter Anfang. "Hey, Sarana-chan! Wir haben noch etwa eine Stunde Flugzeit!", unterbrach Chigai und zeigte mit ihren Fingern ein Peace-Zeichen. Bei Iruka-sama und mir konnte es auch echt nie einfach mal glatt laufen. Von wegen große Liebe. 'Aber Moment mal... ', dachte ich nach. 'Ich bin nach fünf Stunden eingeschlafen und wir kommen in einer Stunde an... Das heißt, ich habe sechs Stunden geschlafen! So etwas bin ich von mir ja gar nicht gewohnt! Da fällt mir ein...' "Chigai, was machst Du überhaupt hier?", sagte ich jetzt laut. "Wir dürfen während des Fluges doch nicht aufstehen!" "Ach komm schon! Die Senseis merken das doch eh nicht! Die sitzen ganz woanders!" Erst jetzt schien Chigai zu bemerken, wer neben mir saß. Mit ihrem Blick, den sie nur aufsetzte, wenn sie eine Art "Anschlag" auf mich plante oder sich eine zweideutige Angelegenheit vorstellte, bedachte sie ihn und verzog sich ohne ein Wort des Abschieds wieder auf ihren ursprünglichen Platz neben Kashikoi. Du lieber Himmel! Wieso mussten solche Dinge auch immer mir passieren? Die letzte Stunde ignorierte mich der schöne Iruka Ogata wie gewohnt. Nach der Ankunft im Hotel bezogen wir unsere Zimmer und aßen noch zu Abend. Ich legte mich schlafen und träumte davon, dass ich mit Iruka-sama zusammen an einem Fallschirm aus einem Flugzeug sprang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)