Wenn Du nur zu träumen wagst... von M1KADZUK1 ================================================================================ Kapitel 5: Die Klassenfahrt (Teil 2) ------------------------------------ Am darauffolgenden Tag war geplant, dass wir ein Museum besichtigten, in dem verschiedene Ausstellungsstücke der Geschichte Deutschlands zu sehen waren. Für uns Schüler war das nicht gerade das, was man sich unter einem Traumurlaub vorstellte und auch nicht sonderlich unterhaltsam, aber Lehrer schienen im Allgemeinen auf so etwas zu stehen. Die Senseis hatten sogar einen in Deutschland lebenden Japaner auftreiben können, der eine Führung auf Japanisch anbot. Das Gute war, dass wir hinterher noch eine Shoppingtour durch Frankfurt machen konnten. Der gute Mann erzählte uns dies und das, was wir eigentlich gar nicht wissen wollten. Die Leute um uns herum schauten sehr interessiert, da die Führungen auf Japanisch nur sehr selten in Anspruch genommen wurden. Ich schaute sie mir auch genauer an. Abgesehen von den ganzen alten Leuten, die sich wahrscheinlich sogar wirklich für Geschichte interessierten, konnte ich am anderen Ende des Raums sogar ein junges Paar ausmachen. Himmel, was machten die denn hier? Also wenn ich einen Freund hätte, wüsste ich weiß Gott Besseres mit ihm anzustellen... Oh je, ich merkte schon. Ich war so verzweifelt, dass ich jeglichen Anstand vergaß. Solche Aussagen (beziehungsweise Gedanken) wären normalerweise eher Chigai zuzutrauen, aber sicherlich nicht mir. Die gähnte übrigens gerade und biss anschließend herzhaft in das trockene Brötchen, dass sie vom Frühstücksbuffet des Hotels hatte mitgehen lassen. Sie krümelte sogar den Boden voll, und das, obwohl der Verzehr von Speisen und Getränken im gesamten Gebäude strengstens untersagt war. Doch wieder einmal bemerkte niemand ihre "Schandtaten", weswegen ich ernsthaft an meinem Verstand zu zweifeln begann. Kashikoi stand neben Shirai-sensei und wirkte gar nicht mal so desinteressiert wie der Rest der Truppe. Iruka-sama hörte schicksalsergeben zu und sah dabei wahnsinnig cool aus. Mein Herz machte einen Salto, als er sich lässig durch die Haare strich. Am Ende der Führung durfte noch auf die Toilette gehen, wer musste und danach sollten wir uns alle mindestens in Zweiergruppen vor dem Museum einfinden, damit die Senseis sehen konnten, wer sich mit wem in der Stadt aufhielt und noch ihre letzten Ansagen machen konnten. Ich hatte vor, noch einmal zur Toilette zu gehen und sagte Chigai und Kashikoi, sie sollten auf mich warten. Ich beeilte mich, rannte sogar fast. Dabei übersah ich jedoch das "Frisch gewischt"-Schild am Fuße der zu den Toiletten führenden Treppe (okay, ich hätte es eh nicht lesen können, aber das Symbol dürfte wohl allgemein bekannt sein) und kam ins Schleudern. Ich konnte mich trotz all meiner Bemühungen, die in Bruchteilen von Sekunden stattfanden, nicht mehr halten und mit einem quiekenden Aufschrei fiel ich die Treppe hinab. Doch ich fiel nicht auf den harten Boden. Ich lag in den Armen eines Jungen. Nein, nicht irgendeines Jungen. "Na da habe ich ja einen guten Fang gemacht!", hörte ich Iruka-sama's Stimme sagen (später fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste, ob er das ernst gemeint hatte oder nicht, aber in diesem Moment war ich einfach nur viel zu perplex um überhaupt irgendetwas zu denken). "Alles okay bei Dir?", fragte er. "J-ja, d-danke!", stotterte ich und war ein weiteres Mal total von ihm berauscht. Hoffentlich merkte er nicht, wie ich rot wurde. "Dann ist ja gut", sagte er und stellte mich wieder auf meine Füße. Er sah mich noch einmal mit einem prüfenden Blick an, so als wollte er sich vergewissern, dass wirklich alles in Ordnung mit mir war und ging dann nach oben. Ich ging zur Toilette, geradewegs am Spiegel vorbei, denn den Anblick meines knallroten Kopfes wollte ich mir lieber ersparen. Später kämmte ich mir noch mit einem dieser kleinen, praktischen Bürstenspiegel, den ich mir neulich im Einkaufscenter geleistet hatte die Haare und gesellte mich zu Kashikoi und Chigai. Denen musste ich auf unserem Weg in die Stadt, als wir auch ja außer Hörweite der Anderen waren, die ganze Geschichte natürlich erstmal brühwarm weitergeben. Meine Freundinnen fanden sie urkomisch und hinreißend romantisch zugleich. Unser erstes Ziel war H&M. Die Türen gingen automatisch auf und schon waren wir an dem Ort, an dem man das fand, was das Herz einer Frau begehrte. Als Kashikoi eine weisse Bluse mit rosa Punkten entdeckte, die am Ausschnitt leicht gerüscht war, konnte sie ein "Kawaii!" nicht unterdrücken. Chigai kaufte eine gelbe Jacke, ein Paar Schuhe mit Schnürsenkeln, ebenfalls gelb, orangefarbene Ohrringe in Form einer Blüte und ein schwarzes T-Shirt mit Pinguin-Aufdruck, auf dem in weisser Schrift "Rock the ocean" stand. Ich konnte eine blassrosafarbene Jacke mit schwarzem Kragen und schwarzen Ärmeln aus Fake-Leder für mich entdecken und Kashikoi kaufte außerdem noch zwei Jeanshosen. Deutsch konnten wir zwar nicht, aber die Zahlen an der Kassen konnte ich aufgrund des Englischunterrichts entziffern. Nach dem Abklappern einiger weniger nennenswerter Geschäfte hieß unser nächstes Ziel: Starbucks. Kashikoi und Chigai bestellten sich jeweils einen "Caramel Cream Frappuccino Blended Crème". Das war so eine Art Cappuccino mit einem Riesenberg Sahne darauf. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Kalorien der wieder hatte! Ich persönlich gab mich mit einem einfachen Cappuccino zufrieden, den es, wie ich erfreut feststellte, auch mit Magermilch gab. Wir hatten großes Glück, denn obwohl die meisten öffentlichen Einrichtungen in Städten auf Ausländer eingestellt waren, waren meine Englischkenntnisse dieses Mal gar nicht vonnöten, denn an der Kasse stand ein Japaner, der sich sehr freute, mal wieder in seiner Muttersprache kommunizieren zu dürfen. Er stellte sich uns als Kyassha-san vor und wir nannten ihm unsere Namen. Nachdem wir bedient worden waren, verbeugten wir uns mitsamt eines Tabletts voller Getränke in den Händen zum Abschied, was den anderen Anwesenden komisch vorkommen musste, da diese Geste (wie Kashikoi bereits vorher in Erfahrung gebracht hatte) in Deutschland nicht üblich war. Wir setzten uns in eine Ecke, etwas weiter entfernt von den Anderen, denn das war der einzige Platz, der noch frei war. Ich bestaunte die schöne Wanddeko, die Gemälde gefielen mir wirklich sehr gut. Vielleicht sollte ich sowas ja auch mal bei mir aufhängen... Meine Wände waren ziemlich kahl. Früher hatte es mal eine Zeit gegeben, in der man vor lauter Postern kein Stückchen Wand mehr gesehen hatte, doch irgendwann, ganz plötzlich, war ich aus diesem Alter herausgewachsen und hatte sie alle miteinander in einen Müllsack gestopft. Eifersüchtig dachte ich darüber nach, dass die meisten Mädchen ihre Wände bestimmt mit Fotos von sich und einem ganzen Rudel Freundinnen sowie mit Fotos von sich und ihrem Freund bedeckten. Ich sollte nicht so missgönnerisch sein, das war mir durchaus bewusst. Doch warum bekamen Andere die Liebe in den Schoß gelegt und wussten diese nichtmal zu schätzen, da sie in zwei Wochen schon wieder mit einem oder einer Neuen ankamen, während ich mir nichts sehnlicher wünschte, noch so hart dafür kämpfen konnte und es doch nie etwas wurde? Mir blieb jedoch nicht viel Zeit, im Sumpf meiner Trauer zu versinken, den Kashikoi und Chigai begannen, mir ihre bis jetzt geschossenen Fotos zu zeigen. Ich zeigte ihnen auch ein paar von meinen, wir tranken, redeten und merkten gar nicht, wie die Zeit verging. Plötzlich sah Kashikoi auf ihre Uhr und stellte fest, dass wir in einer halben Stunde am Museum zu sein hatten. "Weiß jemand von euch noch den Weg? Also ich habe ihn ja total vergessen!", sagte Chigai und wedelte dabei mit ihrer Hand. "Also... Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr...", gab ich verlegen zu. "Lasst uns einfach drauflos laufen", beschloss Kashikoi energisch und so schritten wir zur Tat und irrten durch die Frankfurter Straßen. Mal bogen wir nach links ab, mal nach rechts, ich hatte die Orientierung schon total verloren. "Ich glaube, wir sind ganz nah dran!", sagte Kashikoi. Wir schienen in einen abgelegenen Teil der Stadt gekommen zu sein, denn hier war auch keine Menschenseele, die man mal hätte fragen können! "Gushiken-sensei und Shirai-sensei werden sich bestimmt Sorgen machen, wenn wir zu spät kommen!", sagte ich. Chigai, Kashikoi und ich liefen in die Richtung eines Spielplatzes, auf dem zwei Mädchen, die in unserem Alter sein mussten, in einer Vogelnestschaukel lagen und sich mit den Füßen vom Boden abstießen. Neben ihnen standen Einkaufstüten und eine von ihnen verzehrte einen mit Schokolade überzogenen Donut. Sie hatte blonde, glatte Haare mit einem leichten Rotschimmer und einen Pony. Ihre Freundin hatte ebenfalls einen Pony, doch sie trug ihre braunen Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Ich begann, für meine Ohren vertraute Musik zu hören. Sie schien vom Handy der Braunhaarigen zu kommen. "Azayaka ni koishite Ninja re bang bang, nandaka Ninja re bang bang..." Na klar! Das war doch "Ninja Re Bang Bang" von Kyary Pamyu Pamyu! Das Mädchen mit dem Donut hatte gerade ihren letzten Bissen hinuntergeschluckt und beide sangen jetzt mit - und das nicht mal schlecht! "Seht ihr die da?", fragte Chigai. Auch ihr und Kashikoi waren sie nicht entgangen. Wir schritten auf sie zu und das rot-blonde Mädchen schien ziemlich aufgeregt zu sein. "Sumimasen! Anata-tachi wa watashi-tachi ni hakubutsukan e no michi o tsutaeru ga dekimasu ka? (Entschuldigung! Könnt ihr uns den Weg zum Museum erklären?)", sprach Chigai sie an. "Hai, wareware wa, sukunakutomo tameshite mite kudasai! (Ja, wir versuchen es zumindest!)", antwortete die mit dem Dutt. Die zwei Freundinnen sahen nicht sehr japanisch aus, konnten es aber perfekt sprechen und klangen dabei sogar fast akzentfrei. "Doko de nihongo o manabimashita ka? (Wo habt ihr Japanisch gelernt?)", fragte Kashikoi. "Watashi wa anime no watashi no zentai no chishiki o motte iru! (Ich habe mein gesamtes Wissen aus Animes!)", antwortete die Rot-blonde, die sich jetzt etwas gefangen hatte. "Watashi wa intanetto kara sore o eta! (Ich habe es aus dem Internet!)", antwortete die mit dem Dutt. "Watashi no kofun o sumimasen! (Entschuldigt meine Aufregung!)", sprach die Andere jetzt wieder. "Watashi wa Nihon no dai fan desu! Soshite kore wa watashi ga honto no nihonjin no on'nanoko to hanashi wa hajimetedesu! Watashi wa Selin desu to kanojo wa Emma desu!" (Ich bin ein großer Fan von Japan! Und das ist das erste Mal, dass ich mit echten Japanerinnen spreche! Ich bin Selin und sie ist Emma!)" "Hakubutsukan mo... (Zum Museum also...)", fing Emma jetzt wieder an. "Hai! (Ja!)", antwortete ich, der plötzlich unser Zeitdruck wieder einfiel. "Anata-tachi mo, kono burokku o aruku hitsuyo ga arimasu. Sonogo wa, tekisetsuna moichido shite kara sasetsu shimasu. Anata-tachi wa sore ga jissai ni mi rarete ita. (Ihr müsst einmal um diesen Häuserblock herumgehen. Danach müsst ihr einmal rechts und dann wieder links abbiegen. Dann müsstet ihr es eigentlich schon sehen.)", erklärte Selin. "Arigatou gozaimasu (Vielen Dank)", kam es von uns gleichzeitig. "Ima, watashitachiha isoide suru hitsuyo ga arimasu! (Jetzt müssen wir uns beeilen!)", sagte Kashikoi. "Sayonara! (Auf Wiedersehen!)", rief Emma uns noch hinterher. Dank dieser Wegbeschreibung kamen wir sogar noch pünktlich auf die Minute an. Ryoko wa tsukareru (Reisen ist anstrengend)! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)