Das triste Leben des Jesse Wyatt von Sky- ================================================================================ Kapitel 12: Der Traum vom Tod ----------------------------- Innerlich hatte sich Jesse vorbereitet und erwartete, dass er hier gleich auf der Stelle sterben würde. Der Gedanke, dass wenigstens Marco, Chibi und die Witherfields in Sicherheit waren, tröstete ihn über seinen bevorstehenden Tod hinweg. So hatte er wenigstens nicht ganz so viel zu bereuen. Das Einzige, was er wirklich bereute war die Tatsache, dass er nun nicht mehr die Chance bekommen würde, sein Leben zu ändern und seine Probleme in den Griff zu bekommen. Und er würde Charity nie wieder sehen und ihr sagen können, dass diese ganze Aktion ihm wirklich Leid tat. Gerne hätte er noch diese eine Chance gehabt, aber es war in Ordnung so. Wenn es die anderen rettete, dann nahm er dieses Ende gerne hin. Doch als er wehrlos am Boden lag und nichts tun konnte, außer den tödlichen Schuss zu erwarten, hörte er plötzlich laute Rufe. Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als er tatsächlich die Stimme von Marco erkannte. Sogleich ertönte lautes Hundegebell und als er aufsah, erkannte er tatsächlich die Pitbull Terrierhündin Shy, die direkt herbeigelaufen kam. Mit gefletschten Zähnen und einem angriffslustigen Bellen sprang sie auf Veronica und vergrub ihre Zähne in die Jacke. Und kaum, dass sie sich festgebissen hatte, begann sie wie verrückt am Ärmel ihres Opfers zu zerren. Als es Veronica aber dann gelang, sich loszureißen, griff die Hündin erneut an und bekam wieder den Ärmel zwischen die Zähne. Die dabei wirkende Kraft war so enorm, dass Veronica kaum imstande war, gegen Shy vorzugehen. Bei diesem heftigen Gerangel ließ sie versehentlich die Waffe fallen und versuchte sich stattdessen loszureißen, doch Shy zerrte mit ihrem ganzen Gewicht, den ein ausgewachsener Pitbull Terrier auf die Waage brachte, an ihrem Ärmel. Im selben Moment eilte Marco herbei und pfiff die Hündin zurück. Er nahm die Waffe an sich und griff in dem Moment an, als Shy brav von ihrer Beute losließ und sich zurückzog. Nach einem kurzen Kampf schaffte er es, Veronica zu fesseln. Diese schrie und wehrte sich wie eine Furie, aber gegen einen Mann von Marcos Format hatte selbst sie nicht den Hauch einer Chance. Mit Mühe gelang es ihm, ihre Hände mit Klebeband zu fixieren, danach versuchte er, auch ihre Füße zu fesseln. Jesse glaubte zuerst an eine durch hohen Blutverlust verursachte Halluzination oder an einen Traum. Das konnte doch unmöglich sein. Wieso war Marco denn hier? Er sollte doch auf Charity aufpassen! Wieso war er denn nicht bei ihr? Aber sogleich hörte er noch weitere Schritte und eine vertraute Stimme seinen Namen rufen. Und tatsächlich sah er Charity, die sich selbst in einem fürchterlichen Zustand befand. Ihre Kleidung war nass und auch ihr Haar sah nicht viel besser aus. Sie musste während des Platzregens die ganze Zeit nach ihm gesucht haben und bei diesem Anblick überkam ihm das schlechte Gewissen. Seinetwegen hatte sie sich solche Sorgen gemacht und sah jetzt so aus. Aber vor allem schmerzte es ihn, sie so traurig zu sehen. „Jesse!“ rief sie und kniete sich neben ihn hin. Sie hatte Tränen in den Augen und konnte kaum ein Wort hervorbringen, außerdem zitterte sie am ganzen Körper und hatte Mühe, in dieser Situation ruhig zu bleiben. „Keine Sorge, der Notarzt kommt gleich. Halte bitte durch, okay? Versprich mir, dass du durchhalten wirst!“ Jesse war völlig verwirrt und verstand das alles nicht. Woher wusste sie, dass er hier war und dass er in Schwierigkeiten steckte? „Charity… woher wusstest du…“ Sie holte ein Taschentuch hervor und drückte es auf seine Brust, wo die Kugel ihn getroffen hatte, um wenigstens den Blutverlust zu verringern. Dabei kämpfte sie selbst mit den Tränen und brachte kaum ein Wort hervor. Er selbst musste die Zähne zusammenbeißen, da erneut ein wahnsinniger Schmerz durch seinen Körper zuckte und er beinahe geschrieen hätte. „Ich hatte Angst um dich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, du würdest nie wieder zurückkehren, genauso wie meine Eltern. Also hab ich dich gesucht und als ich dich nicht finden konnte, bin ich mit Marco zur Polizei gegangen und habe dein Handy orten lassen. Und als wir die Schüsse hörten, haben wir sofort die Polizei und den Notarzt verständigt.“ Verstehe, dachte Jesse und betrachtete ihre von Tränen geröteten Augen. Ihr siebter Sinn war dafür verantwortlich, dass sie und Marco jetzt hier waren. Jeder Mensch kam ja mit so etwas zur Welt und offenbar hatte Charity deshalb gespürt, dass er in Schwierigkeiten steckte. So langsam begann er wirklich zu glauben, dass es tatsächlich Schicksal gewesen sein könnte, dass sich ihre Wege gekreuzt hatten. Er rettete ihr das Leben, sie holte ihn daraufhin von der Straße. Dann rettete er ihre Großmutter und sie war ihm im letzten Moment zusammen mit Marco zu Hilfe geeilt. Vielleicht hatte sie ja tatsächlich Recht und es war vorherbestimmt gewesen, dass sie zueinander finden würden. Zwar hatte er nie an Gott oder überhaupt an ein allmächtiges und höheres Wesen geglaubt, aber wäre diese eine Begegnung mit Charity nicht gewesen, wären sie beide nicht mehr am Leben. Und er wäre in den Glauben gestorben, dass die Welt auf Rücksichtslosigkeit, Habgier und Grausamkeit aufgebaut war. Nur mit Mühe konnte er die Augen offen halten, denn seine Kraft wich immer schneller und es würde nicht mehr lange dauern, bis er das Bewusstsein verlieren würde. Doch bevor das geschah, musste er es ihr unbedingt sagen. Danach konnte er getrost ohnmächtig werden. „Charity…“ Er hob seinen Arm, legte sanft seine Hand um sie und führte sie näher zu sich heran. Dann richtete er sich selbst auf und küsste sie. Und dieses Mal schien dieser Kuss anders zu sein als das letzte Mal, als sie ihn im Affekt geküsst hatte. Tatsächlich nahm er dabei Gefühle wahr und er spürte sie, aber das war so fremd für ihn, dass er sie nicht beschreiben und klar definieren konnte. Sie lösten sich recht schnell wieder und die Studentin war sichtlich verwirrt darüber. Denn so etwas hätte sie von ihm niemals erwartet. „Jesse… wa-was…“ So wirklich konnte sie das in ihrer aufgewühlten Gefühlslage nicht richtig einsortieren, denn sie wusste ja, dass er gefühlsblind war. Deshalb überraschte sie dieser plötzliche Kuss. Jesse selbst rang mit dem Bewusstsein und versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu halten, um ihr unbedingt das zu sagen, was er ihr schon längst sagen wollte. „Ich habe sehr viel nachgedacht. Über meine eigenen Symptome und über das, was du bei mir mit deinen Worten und deiner Fürsorge auslöst. Immer wenn ich dich traurig sah, ging es mir ebenfalls schlecht und als ich wieder abgehauen bin, konnte ich fast nur an dich denken. Und so etwas ist mir bis dahin noch nie wirklich passiert. Zwar habe ich Schwierigkeiten damit, die Gefühle anderer zu verstehen und auch meine eigenen wahrzunehmen. Aber inzwischen sind meine Gefühle so stark, dass ich sie trotz meiner Unfähigkeit in einem gewissen Grade erkennen kann.“ „Was willst du mir damit sagen?“ fragte sie und wurde ein wenig nervös. Hierauf hin nahm er ihre Hand und hielt sie fest, so wie sie es zuvor mit ihm getan hatte, wenn sie sein Leid geteilt hatte. „Ich will damit sagen, dass ich dich liebe… Ja, obwohl ich absolut unfähig in solchen Dingen bin, weiß ich endlich, was ich für dich wirklich empfinde. Nämlich, dass ich mich in dich verliebt habe.“ Damit war sie endgültig sprachlos und sogar Marco, der das alles mitgehört hatte, war völlig baff. Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Jesse von selbst erkannte, dass er Charity liebte und er es sogar offen aussprechen würde. Nicht weit von ihnen entfernt hörten sie die Sirenen der Polizei und die des Notarztes. Jesses Atmung wurde flacher und so langsam wurde ihm schwarz vor Augen. Aber vorher wollte er noch etwas loswerden. „Charity, es tut mir wirklich Leid, dass ich wieder abgehauen bin. Ich wollte nur nicht, dass euch etwas passiert.“ Mit einem traurigen Lächeln schüttelte sie den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. „Schon gut, Marco hat mir alles erzählt. Ich verstehe, warum du das getan hast. Aber bitte, du darfst jetzt nicht sprechen, hörst du? Du brauchst deine Kräfte noch.“ Gerne wäre Jesse weiterhin bei ihr geblieben, doch als die Notärzte herbeieilten, während die Polizisten seine gefesselte Mutter abführten, wurden er und Charity auch schon wieder voneinander getrennt. Nur mit Mühe konnte er noch ein paar letzte Reaktionen auf die Worte des Sanitäters geben, dann verlor er endgültig das Bewusstsein. Sofort wurde er in den Krankenwagen gebracht, während dafür gesorgt wurde, dass sein Zustand stabilisiert wurde. Charity wollte sich nicht davon abbringen lassen, mit ins Krankenhaus zu fahren. Marco hingegen begleitete die Polizisten, um seine Aussage zu machen. Gerne hätte er Charity begleitet, aber er wusste mehr als jeder andere, dass er sowieso nichts bewirken konnte. Einer musste der Polizei den Vorfall erklären und Charity liebte Jesse nun mal. Also war es für ihn selbstverständlich gewesen, dass sie mitfahren würde und er erst einmal da blieb. In aller Ausführlichkeit schilderte er den Vorfall und wiederholte die gleiche Geschichte mindestens drei Male. Schließlich deutete einer der Beamten auf Shy und fragte nebenbei, ob Marco überhaupt die Auflagen für die Haltung eines solchen Kampfhundes erfülle. Damit holte der Tätowierer ein paar Papiere hervor, welche belegten, dass Shy einen Wesenstest bestanden hatte. „Shy tut nichts. Sie hat noch nie einen Menschen gebissen, sondern höchstens an den Klamotten gerissen. Aber sagen Sie bitte, was denn jetzt mit Mrs. Wyatt passiert.“ „Es wird einen weiteren Prozess geben. Immerhin ist sie aus dem Gefängnis ausgebrochen und hat versucht, ihren Sohn umzubringen. Auf sie wird also noch mal eine mehrjährige Haftstrafe zukommen.“ „Hoffentlich sperren sie diese Verrückte lebenslänglich weg. Oder noch besser: Sie sollten die Frau am besten in die geschlossene Anstalt einweisen lassen. So eine wie die ist gemeingefährlich. Wie ist sie denn überhaupt aus dem Knast entkommen?“ „Sie hatte einen Komplizen von außerhalb, der sie unauffällig aus dem Gefängnis schmuggeln konnte. Allerdings haben wir noch keinerlei Informationen, wer ihr zur Flucht verholfen hat. Momentan ermitteln wir noch. Fällt Ihnen vielleicht jemand ein?“ Hierauf musste der Ex-Rocker den Kopf schütteln. „Nein, tut mir Leid. Ich kenne die Frau selbst gar nicht, nur ihren Sohn Jesse. Aber ich hab noch ein paar Kontakte zur Szene. Wenn ich also etwas erfahre, werde ich mich sofort bei Ihnen melden.“ Damit gab der Polizist ihm seine Karte und nun konnte Marco endlich selbst zum Krankenhaus. Er rief sich ein Taxi und fuhr sofort los, denn er machte sich wirklich große Sorgen um Jesse. Der Junge war für ihn mehr als nur ein alter Bekannter oder bloß irgendein Kumpel. Und er war auch nicht irgendjemand, den er von der Straße aufgelesen hatte. Jesse war für ihn ein besonderer Junge, der mit seiner Gabe vielleicht zu etwas Höherem bestimmt war. Und deshalb musste er ihn begleiten und ihm helfen. Obwohl der Altersunterschied vielleicht gerade mal 16 Jahre betrug, fühlte sich Marco in gewisser Art und Weise auch wie ein Vater für ihn. Er respektierte seinen Wunsch, dass er keine zwischenmenschlichen Beziehungen eingehen wollte, aber er war dennoch immer für ihn da. Und Jesse kam dann auch auf ihn zu, wenn er merkte, dass er Hilfe brauchte. Auch wenn es dann meist nur solche Fälle wie bei Charity waren, wo sein Lebensretter ein bevorstehendes Unglück verhindern musste. Auch wenn er nie Dankbarkeit oder Freude gezeigt hatte, war sich Marco sicher, dass Jesse schon froh war, dass er sich wenigstens auf einen verlassen konnte. Doch die Aktion mit dieser verrückten Mutter hatte ihn schon zum Nachdenken gebracht. Vielleicht hätte er besser auf den Jungen aufpassen müssen, dann hätte es vielleicht nicht so weit kommen müssen. Wenn Charity nicht so hartnäckig geblieben wäre, dann hätte es seinen Tod bedeutet. Na hoffentlich überlebte er das Ganze auch. Marco war selbst schon mal angeschossen worden bei einem Bandenkrieg und wusste, dass besonders ein Schuss in die Brust lebensgefährlich werden konnte. Wenn Jesse bereits zu viel Blut verloren hatte, konnte das für ihn lebensgefährlich werden. Vor dem Operationssaal traf er schließlich Charity und ihre Großmutter Grace an. Als die alte Dame gehört hatte, dass Jesse von seiner Mutter niedergeschossen wurde, hatte sie alles stehen und liegen lassen und war sofort zum Krankenhaus gefahren. Da Charity noch neben der Spur war und es nicht schaffte, ihr das alles zu erklären, stellte sich Marco ihr vor und übernahm diese Aufgabe. Etwas verwundert sah die pensionierte Lehrerin ihn an und fragte „Marco Stevens? Etwa der Marco Stevens?“ „Ja, ich war vor einer Ewigkeit in Ihrer Klasse gewesen. Habe aber leider nicht zu den Fleißigsten gehört.“ „Und Sie sind ein alter Freund von Jesse?“ Unsicher zuckte er mit den Schultern. „Er hat mir vor zehn Jahren das Leben gerettet und ich hab ihn auch damals von der Straße geholt, als er weggelaufen war.“ Er führte sie zu einem Stuhl und erklärte in aller Ruhe alles, was passiert war und auch die Hintergründe zu Jesses Verschwinden. Auch, dass er gebeten wurde, auf sie und Charity aufzupassen, während Jesse sich seiner Mutter offenbar alleine stellen wollte. Diese Geschichte nahm die alte Dame schon sehr mit, woraufhin Marco ihr und Charity erst einmal einen Kaffee holen ging. Chibi war auch kurz da gewesen, hatte ein paar Worte mit Marco gewechselt und ging dann auch schon wieder mit Shy nach Hause, da Hunde innerhalb des Krankenhauses nicht erlaubt waren. Nachdem Marco mit seinem Bericht fertig war, fragte er besorgt „Gibt es schon etwas Neues von Jesse?“ Doch da konnte Charity nur mit bedrückter Miene den Kopf schütteln. „Er ist noch im OP-Saal. Er hat einen Streifschuss am rechten Bein, außerdem wurde er an der Hüfte und in die Brust getroffen. Wir wissen leider noch gar nichts und können erst mal nur abwarten. Allerdings war sein Zustand bereits sehr kritisch, weil er schon so viel Blut verloren hat.“ Grace betrachtete ihre Enkelin mit Besorgnis und sah, dass sie sehr unter der Situation litt. Kein Wunder, denn das alles erinnerte sie zu sehr an den Verlust ihrer Eltern, auch wenn es schon 15 Jahre her waren. Für sie kam noch hinzu, dass sie Jesse liebte und da war es ganz anders, als wenn er bloß ein einfacher „Untermieter“ war. Was Grace besonders traf, waren die Umstände von Jesses Verletzungen. Seine eigene Mutter hatte ihn niedergeschossen und hätte ihn getötet, wenn Marco nicht dazwischen gegangen wäre. Sie konnte und wollte beim besten Willen einfach nicht begreifen, wie eine Mutter nur so grausam zu ihrem Kind sein konnte. Jesse war doch kein schlechter Mensch und er selbst litt unter der ganzen Situation. Wie also kam sie dazu, ihrem eigenen Sohn so etwas nur anzutun? Bedrücktes Schweigen herrschte und Charity hielt ihren Rosenkranz umklammert, als wolle sie beten. Tröstend legte Grace einen Arm um ihre Schultern und versuchte, ihr gut zuzureden. Schluchzend umarmte die Studentin sie und alle Gefühle brachen aus ihr heraus. „Was, wenn er es nicht schafft?“ fragte sie und klammerte sich fester an sie. „Oma, was ist, wenn die Ärzte ihn nicht retten können?“ „Beruhige dich doch, Cherry. Noch wissen wir nichts und können nur das Beste hoffen.“ Doch die Wartezeit schien sich ewig hinzuziehen. Und die Angst um Jesses Leben wurde immer größer. Zwar wusste Charity noch nichts Genaues, aber so wie die Sanitäter gesagt hatten, sah es nicht gut aus und somit stand auch die Befürchtung im Raum, dass Jesse noch in dieser Nacht sterben könnte. In solchen Momenten konnte sie nur tatenlos warten und beten, dass die Ärzte sein Leben retten konnten. Es war derselbe Ort, an dem er schon so viele Male gewesen war. Normalerweise hatte er in seinen Träumen immer Angst davor, hier zu sein, denn er wusste, was dieser Traum für eine Bedeutung hatte. Die Luft war kühl, in der Ferne hörte er die Raben und die ganze Landschaft lag grau und düster da und erinnerte ein wenig an einen düsteren Tim Burton Film. Anders konnte man diese trostlose Gegend einfach nicht beschreiben, in der es nichts gab. Keine Menschen, keine Farben, kein Licht, keine Hoffnung. Für Jesse war dieser Anblick nichts Neues, er kannte das alles schon seit knapp 13 Jahren und hatte schon längst keine Angst mehr vor der Gegend. Nein, seine Angst galt immer demjenigen, der ihn hier erwartete. In der Ferne hörte er das Geräusch beschlagener Hufe und als er seinen Blick nach rechts wandte, sah er bereits die pechschwarze Kutsche und die ebenso schwarzen Pferde. Auf dem Kutschbock saß niemand anderes als Mr. Deadman und seine roten Augen funkelten unheimlich. Er summte ein Lied, das Jesse zwar bekannt vorkam, jedoch konnte er es nicht wirklich zuordnen. Und er ahnte nichts Gutes, als er die Kutsche sah, welche schließlich direkt vor ihm stehen blieb. Nun stieg der Kutscher ab und seine rot leuchtenden Augen wirkten fast schon dämonisch, genauso wie sein breites Grinsen. Aber obwohl er etwas Bedrohliches an sich hatte, wusste Jesse, dass Mr. Deadman nicht gefährlich war. Er würde nichts tun, um ihm zu schaden, oder ihm zu helfen. „Hallo Jesse“, grüßte er ihn, wobei er seinen Zylinder kurz zur Begrüßung abnahm. Jesse seinerseits grüßte ihn nicht, sondern wich einen Schritt vor ihm zurück. Als der Kutscher das sah, musste er lachen. „Nach all den Jahren hast du immer noch Angst vor mir, mein Junge? Dabei weißt du doch selbst, dass ich nur ein Bote bin. Und der Tod selbst steht auf keiner Seite. Er ergreift niemals Partei und ist vollkommen neutral. Demnach ist er weder dein Freund, noch dein Feind.“ „Warum zeigst du mir all diese Dinge überhaupt? Wieso ausgerechnet mir?“ „Weil du in der Lage bist, es zu erkennen und zu verstehen. Du besitzt nun mal diese Gabe, deshalb bin ich auch der Bote. Nicht immer hat alles einen Grund oder folgt einem höheren Prinzip, auch wenn es schwer zu verstehen, oder zu akzeptieren ist. Manche Dinge geschehen einfach und man muss lernen, mit ihnen zu leben. Aber nun mein Junge, wird es langsam Zeit.“ Ein ungutes Gefühl beschlich Jesse, als er das hörte. Normalerweise sagte Mr. Deadman so etwas nicht, sondern nannte ihm meist nach einem kurzen Wortwechsel den Namen der Person innerhalb der Kutsche und zeigte sie ihm. Doch als die Tür geöffnet wurde, sah Jesse, dass da niemand drin war. Nun bekam er Angst, als er in diese schwarze Leere blickte. Denn insgeheim beschlich ihn eine schlimme Vorahnung. Und dann legte Mr. Deadman ihm eine Hand auf die Schulter. „Es wird Zeit, Jesse. Du weißt, was zu tun ist.“ Obwohl er nichts Klares sagte, wusste Jesse, was das zu bedeuten hatte: Er war es, der in der Kutsche sitzen sollte. Er war es, der sterben würde! Entsetzt wich er zurück und konnte nicht fassen, dass er tatsächlich sterben sollte. „Nein, ich geh da nicht rein!“ „Warum nicht?“ fragte der Kutscher mit den rot leuchtenden Augen und sah ihn neugierig an. „Immerzu hast du dir gewünscht, dich selbst eines Tages in dieser Kutsche zu sehen und deinen Namen zu hören. Und jetzt willst du auf einmal nicht? Woher denn der plötzliche Sinneswandel?“ „Weil ich nicht mehr vor dem Leben davonlaufen will, ebenso wenig wie vor meiner Gabe. Ich dachte all die Jahre, dass mein Traum für Lucas Tod verantwortlich gewesen war. Aber das stimmt nicht, das habe ich endlich erkannt. Es gibt Menschen, die daran glauben, dass ich mit diesem siebten Sinn Leben retten kann und dass ich auch mein eigenes Leben in den Griff bekommen kann. Ich will eine zweite Chance!“ „Tut mir Leid mein Junge, aber ich mache die Regeln leider nicht. Ich befolge sie bloß und tue das, was ich tun muss. Und ich kann keinerlei Einfluss ausüben.“ „Und wer kann das?“ Hierauf gab Mr. Deadman keine Antwort, aber Jesse kannte sie schon. Er gehörte ja auch zu ihnen. Es waren Menschen, deren siebter Sinn anders funktionierte als der von anderen. Indem sie ahnten, was passieren würde, konnten sie in das Geschehen eingreifen. Sie konnten das Schicksal beeinflussen. Aber konnte er aus eigener Kraft auch sein eigenes ändern und seinen Tod verhindern? Fakt war, dass er nicht gehen wollte. Er wollte nicht sterben! „Ich gehe definitiv nicht mit dir mit. Vergiss es!“ Jesse wollte davonlaufen, doch er war wie erstarrt und konnte sich nicht bewegen. Sein ganzer Körper war wie gelähmt und er sah das Grinsen des Kutschers, welcher nichts Gutes im Schilde führte. „Es ist zwecklos, dich dagegen zu wehren, Jesse. So wie auch Luca in diese Kutsche gestiegen ist, so wirst das auch du tun.“ Jesse bekam nun Todesangst, denn er wollte nicht gehen. Er wollte nicht in diese unheimliche Kutsche steigen! Plötzlich packte ihn jemand von hinten und das war nicht Mr. Deadman. Diese Hände waren so kalt, dass sich ihre Berührungen wie tausend Nadelstiche anfühlten. Und als er sich umwandte, erschrak er, als er in die Augen einer Person blickte, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte schwarzes Haar, trug eine rote Kapuzenjacke und ihre Augen… sie waren weiße Kugeln ohne Pupille und Iris. Diese Augen sahen unmenschlich und seelenlos aus, trotzdem aber schienen sie ihn direkt anzustarren. Die Person grinste ihn an und drückte ihn gewaltsam zur Kutsche hin. „Du wirst gehen! Und dann gehörst du mir.“ „Nein, lass mich los!“ schrie Jesse und fand nun endlich die Kraft, sich zur Wehr zu setzen. Er stieß die unheimliche Person mit den leeren Augen von sich und rannte davon. Wohin er fliehen sollte, wusste er selbst nicht, er folgte einfach seinem Gefühl, das ihn in eine unbestimmte Richtung führte. Hinter sich hörte er das Getrappel der Hufe und ihm war klar, was das bedeutete: Mr. Deadman war hinter ihm her und wollte ihn holen. Er sollte als nächstes sterben, aber er wollte nicht. Doch wie konnte er seinen eigenen Tod verhindern, wenn er nicht mal bei Bewusstsein war? Plötzlich hörte er eine Stimme. Eigentlich hörte er sie nicht direkt, sie kam aus seinem Kopf. Irgendjemand rief ihn zu sich, aber wer es war, konnte er nicht genau sagen. Doch er spürte, dass er dieser Stimme besser folgen sollte, wenn er nicht von Mr. Deadman eingeholt werden wollte. Also rannte er weiter und erreichte schließlich eine Art Kathedrale, die einen ebenso düsteren Eindruck machte wie der Rest. Doch als er schon die Stufen hinaufstieg, sah er aus dem Inneren des Gebäudes eine Gestalt in einer Kutte gekleidet herbeieilen, deren Gesicht er wegen der Kapuze nicht erkennen konnte. Trotzdem wusste er, wer diese Person war: Der namenlose Fährmann aus seinen Träumen. Er kam direkt zu ihm gelaufen, ergriff seinen Arm und zerrte ihn mit sich. Im allerletzten Moment gelang es ihnen, sich ins Innere der Kathedrale zu retten, bevor die Kutsche sie eingeholt hatte. Mit einem donnernden Laut fiel die Tür zu und wurde direkt verriegelt, damit niemand hineingehen konnte. Keuchend lehnten sie sich gegen die riesige Tür und Jesse sah sich erst einmal um. Die Kathedrale war gigantisch und schien überhaupt kein Ende zu haben. Stattdessen sah er nur eine endlose Reihe von Säulen und Licht strahlte durch die Mosaikfenster, wodurch bunte Reflexionen auf dem Boden zu sehen waren. Drinnen war es viel größer als draußen und der 23-jährige fragte sich, was nun passieren würde. Was hatte der Fährmann denn mit ihm vor und wieso hatte er ihn gerettet? Naja, eigentlich brauchte er sich diese zweite Frage ja nicht mehr zu stellen. Der Fährmann beschützte ihn immer. Er zeigte ihm alle positiven Dinge, die in der Zukunft passieren würden und versuchte ihn auch davor zu bewahren, mit Sariel konfrontiert zu werden. Jesse wandte sich zu seinem Retter um und sah, dass der namenlose Fährmann seine Kapuze abgenommen hatte. Zum allerersten Mal sah er sein Gesicht und stellte fest, dass er sehr jung war, sogar noch jünger als er selbst. Es war ein blondhaariger Junge von knapp 15 oder 16 Jahren mit einer sehr blassen Haut. Ein wenig kränklich und schwach sah er schon aus. „Was geht hier vor sich und warum tauchst du in diesem Traum hier auf? Ich… ich verstehe das nicht.“ „Du wolltest doch nicht gehen, oder?“ fragte der Fährmann, ohne direkt auf Jesses Frage zu antworten. „Du wolltest eine zweite Chance und vor dem dir vorbestimmten Schicksal fliehen.“ „Etwa, dass ich sterben werde?“ Der Fährmann nickte und sah ernst aus. „Keine Sorge, du wirst nicht sterben. Du wirst überleben und dann werden wir uns irgendwann wieder sehen, versprochen.“ Damit umarmte er den 23-jährigen und irgendwie fühlte sich diese Umarmung seltsam an. Es war, als ob irgendetwas Jesse die ganze Kraft entzog und ihm langsam aber sicher das Bewusstsein raubte. Er verlor die Kraft in den Beinen und sank zu Boden. Die Welt vor ihm begann ins Dunkel zu versinken, doch bevor er endgültig bewusstlos wurde, wollte er den Fährmann noch etwas fragen. Er wollte wissen, was das alles zu bedeuten hatte, doch als er in das Gesicht des Fährmanns blickte, blieben ihm diese Worte im Hals stecken. Denn mit Entsetzen sah er, dass es plötzlich nicht mehr der Fährmann war, sondern wieder diese unheimliche Person mit den leeren Augen. Und sie grinste ihn diabolisch an und lachte. Jesse wurde von Angst ergriffen und wollte sich losreißen, doch da wurde alles schwarz um ihn herum. Das Einzige, was er noch hörte, war das Gelächter der Person mit den leeren Augen und in der Ferne das Getrappel von Hufen. Und dann vernahm er von irgendwo her weit weg die Stimme des Fährmanns, der seinen Namen rief und immer leiser wurde, bis seine Stimme Jesses Ohren nicht mehr erreichte. Und dann hörte er etwas anderes. Eine andere Stimme, die er überhaupt nicht kannte, rief jemanden und irgendwo ertönte ein monotones Piepen, welches schließlich zu einem kurzen Piepen in rhythmischen Intervallen wurde. Was war das für ein Ton, der solch ein Unbehagen in ihm auslöste? Ja richtig, es war ein EKG. Er hatte wohl gerade einen Herzstillstand gehabt. Also war das nicht bloß ein Traum gewesen und er wäre beinahe wirklich gestorben, hätte der Fährmann ihn nicht gerettet. Doch eines kam ihm seltsam vor: Wieso nur hatte der Fährmann seine Kapuze abgenommen und ihm damit sein Gesicht offenbart? So etwas hatte er noch nie zuvor getan und er selbst war verwundert, dass er so jung war. Wieso nur war es ausgerechnet der Fährmann gewesen, der ihn vor Mr. Deadman gerettet hatte und was hatten seine Worte zu bedeuten? Irgendwie war dieser Traum ganz anders als jene, die er sonst immer hatte. Und wer war diese seltsame Gestalt mit den leeren Augen gewesen? Allein die Erinnerung an diese vollkommen weißen Augen jagte Jesse Angst ein und irgendwie beschlich ihn das Gefühl, als hätte dieser Traum eine ganz bestimmte Bedeutung. Vielleicht… vielleicht hatte es mit seiner Vergangenheit zu tun. Oder mit seiner Zukunft. Seine Träume waren anders als die von anderen Menschen, denn in seinen hatte er einen Blick auf die Zukunft. Also musste die Person mit den leeren Augen eine wichtige Rolle spielen. Und wahrscheinlich hatte auch der Fährmann irgendeine wichtige Funktion bei der ganzen Sache. In diesem Moment fiel Jesse auch auf, dass er dem Fährmann nie einen eigenen Namen gegeben hatte. Bei den anderen war es ihm nicht sonderlich schwer gefallen. Den Kutscher hatte er einfach Mr. Deadman genannt, weil es ihm so passend schien, da dieser ihm ja die Personen zeigte, die bald sterben würden. Und Sariel war nach dem biblischen Todesengel benannt worden. Aber einzig der Fährmann war namenlos. Warum eigentlich? Das konnte sich Jesse selbst nicht erklären, aber Fakt war, dass er dank ihm wahrscheinlich dem Tod entkommen war. Dank dem Fährmann hatte er nicht in diese furchtbare Kutsche einsteigen müssen, so wie damals sein kleiner Bruder Luca. Er war dem Tod entronnen und war am Leben… Doch damit wich auch der Rest von Jesses Bewusstsein und er versank gänzlich in dieser schwärzlichen Tiefe. Seltsamerweise fühlte es sich ganz angenehm und vertraut an, er fühlte sich vollkommen schwerelos und frei. Was war das wohl für ein Zustand, in dem er sich gerade befand? War er jetzt doch tot? „Jesse…“ Wie aus weiter Ferne hörte er diese Stimme, die da zu ihm sprach. Er kannte diese Stimme, aber wem gehörte sie denn? Jesse wollte es unbedingt wissen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er diesen Zustand verlassen und die Augen öffnen musste. Doch es war nicht so einfach, wie er dachte. Es kostete ihn eine unglaubliche Kraftanstrengung, ins Bewusstsein zurückzukehren und seine Augen zu öffnen. Zuerst sah er nichts außer blendendem Licht und er hörte nur das rhythmische Piepen des EKGs. Aber als er blinzelte, wurde seine Sicht ein wenig klarer und er spürte auch jetzt, dass sich sein Körper schwer wie Blei anfühlte und offenbar mit Schmerzmitteln vollgepumpt war. Sein Kopf dröhnte noch und für einen Moment fragte er sich, wieso er sich dazu entschlossen hatte, überhaupt aufzuwachen. Aber als er dieses vertraute Gesicht sah, da verstand er es endlich. Charity… er wollte ihretwegen wieder aufwachen. Sie sah schrecklich aus. Ihr Haar war unfrisiert und ihre Augen von Tränen gerötet. Wie gerne hätte Jesse ihr etwas gesagt, aber er schaffte es ja kaum, seine Augen offen zu halten und bei Bewusstsein zu bleiben. „Charity…“ Nun trafen sich ihre Blicke und die Erleichterung bei ihr war nicht zu übersehen. Sie nahm seine Hand, zitterte aber selbst am ganzen Körper. „Gott sei Dank, ich hatte schon solche Angst. Als es hieß, dass du einen Herzstillstand hattest, dachte ich, ich würde dich nie wieder sehen.“ Also doch, er hatte einen Herzstillstand gehabt und es war kein Traum gewesen. Er hätte sterben sollen, aber er war am Leben, weil der Fährmann ihn gerettet hatte. „Du hast uns echt ganz schön erschreckt, Junge.“ Mit Mühe erkannte er Marco und Grace, die ebenfalls hier waren. Und auch sie sahen aus, als hätten sie Angst um ihn gehabt. „Ruh dich erst einmal aus und komm schnell wieder auf die Beine, ja? Mach dir keine Sorgen, es kann dir nichts mehr passieren.“ „Und was ist mit Mum?“ „Sitzt wieder im Gefängnis. Und so wie es aussieht, wird sie die nächsten Jahre dort bleiben.“ Was für ein Glück, dachte er und schloss die Augen. Seine Mutter würde wieder weggesperrt werden, damit sie niemandem mehr etwas tun konnte. Und zum Glück hatte sie Charity und den anderen nichts getan. Es ging ihnen gut und auch er lebte. Er hatte tatsächlich eine zweite Chance bekommen. Doch so wirklich konnte er es noch nicht glauben, bis Charity seine Hand nahm und er mit Gewissheit wusste, dass dies die Realität war und nicht bloß ein Traum. Er war wirklich am Leben! Obwohl er kaum Kraft in seinem Körper hatte, drückte er ihre Hand fest, als wolle er sie nie wieder loslassen. Und wieder spürte er diesen stechenden Schmerz in seinem Inneren, der aber nicht von seinen Verletzungen herrühren konnte. Seine Brust schnürte sich zusammen und ihm kamen schließlich die Tränen. Aber wieso weinte er denn und hatte diese Schmerzen, wenn es keinen Grund gab, traurig zu sein? Ganz einfach, er war glücklich. Glücklich, dass er am Leben war und dass er nun endlich verstand, was er für Charity empfand. Er liebte sie, genauso wie sie ihn liebte. Und er hatte die Chance, sein Leben zu ändern. „Charity…“ Mit einem zärtlichen Lächeln und von Tränen glänzenden Augen strich sie ihm durchs Haar. „Wir kriegen das alles schon hin, okay? Werde du erst mal wieder gesund. Du hast wirklich großes Glück gehabt. Die Kugel selbst hatte keine wichtigen Organe verletzt, aber dein Blutverlust war bereits so kritisch, dass du deswegen sogar einen Herzstillstand hattest. Das Schlimme aber war, dass sie nicht mehr genügend Blutkonserven hatten. Aber glücklicherweise hatte sich jemand gemeldet, der dieselbe Blutgruppe hat wie du und damit konnte dir das Leben gerettet werden.“ Jesse sah, wie sie am ganzen Körper zitterte, weil sie sich so zusammenreißen musste. „Ich… ich hatte solche Angst um dich…“ Schließlich aber legte die alte Frau einen Arm um ihre Enkelin und führte sie raus, da Jesse jetzt dringend Ruhe brauchte. Marco wartete, bis die beiden das Zimmer verlassen hatten, dann legte er eine Hand auf Jesses Schulter. „Mach mir nie wieder so einen Scheiß, ja? Auch wenn es dir schwer fällt zu glauben, es gibt Menschen, die sehr unglücklich wären, wenn du sterben würdest. Und mit 23 Jahren bist du noch definitiv zu jung, um schon zu gehen. Also mach nie wieder solche Alleingänge, kapiert? Du weißt ja: Wenn du Probleme hast oder Hilfe brauchst, du kannst jederzeit zu mir kommen. Und die Kleine ist ein wahres Gottesgeschenk für dich. Sie liebt dich und sie nimmt dich so wie du bist. Mag sein, dass dich deine Eltern, dein Onkel und all die anderen in deiner Vergangenheit im Stich gelassen haben, aber wir werden dich nicht fallen lassen. Aber dafür darfst du dich nicht selbst aufgeben.“ „Das werde ich nicht“, brachte Jesse mit schwacher Stimme hervor. „Ich werde nicht aufgeben. Mir hat mal jemand gesagt: Wenn man ganz unten ist, kann es ja nur noch nach oben gehen. Und ich will auf jeden Fall wieder nach oben…“ „Dort ist auch die Aussicht bei weitem schöner. Glaub mir, das weiß ich aus Erfahrung. Dank dir bin ich jetzt hier und konnte mein Leben ändern. Du schaffst das auch, da bin ich mir ganz sicher. Ich komm dich aber morgen wieder besuchen.“ Damit verabschiedete sich auch der ehemalige Sträfling und ließ Jesse allein. Und dieser fiel bereits kurz darauf wieder in einen tiefen, aber traumlosen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)