Weil sie ach so heilig sind... von Sternenschwester ================================================================================ Kapitel 1: Weil sie so heilig sind… ----------------------------------- Auf einen Marktplatz Du redest… Natürlich was solltest du sonst machen außer reden? Mit einem Schnauben wende ich meinen Blick von der Szenerie ab. Selbst wenn ich meine Augen schließen würde, so taucht in der Dunkelheit dein Bildnis auf. Wie du inmitten einer gesichtslosen Menge stehst und predigst. Unbewusst schürze ich die dünnen Lippen und ziehe die Knie enger an mich. Obwohl die Sonne längst untergegangen ist und man nicht mehr in Gefahr steht in ihren Strahlen zu verbrennen, ist es unnatürlich heiß, was vielleicht an der erdrückenden Hitze liegt, welche von einem unbarmherzigen Nordwind über dieses Tal zieht. Ich bin der Einzige unserer kleinen Gruppe abseits der Meute, der die Rede mitverfolgt. Unsere zwei Begleiterinnen sitzen zu deinen Füßen, die eine lauschend, dir immer wieder glühende Blicke zuwerfend, die andere in mütterliche Fürsorge deinen Umhang flickend. Ich weiß nicht, warum ich unbedingt und entgegen unseren Gewohnheiten entfernt sitzen wollte. Vielleicht brauch ich ein wenig Abstand und vor allem Stille, die in deiner Gegenwart immer schwerer zu finden ist. Müde bette ich meinen Kopf auf die spitzen Knie und schließe unvorsichtig die Augen. Ich bin mir dieser Torheit bewusst, glaube mir, aber die Müdigkeit fordert nun mal ihren Tribut. Weißt du eigentlich, wie anstrengend es ist, dir zu folgen? Es war mir am Anfang nicht wirklich bewusst. Damals war ich noch ganz berauscht von deinen Ideen, deinen Visionen und vor allem dem Zauber deiner Worte. Aber jetzt spüre ich die Abnutzung eines Lebens auf der Flucht. Doch seitdem du die Aufmerksamkeit der Meute erlangt hast, sehe ich nun alles klar . Die Gefahr, welche uns auflauert, und der Tod deiner Träume. Ebenso wie den Weg, den wir gehen, und das Nichts, vor dem wir morgen stehen. Ich schlinge die Arme um meine Beine und halte somit noch fester die Hitze in mir, welche unerträglich wird, doch besser dies als die quälende Sorge, die seit geraumer Zeit jeden meiner Schritte begleitet. Deine Worte, verstärkt durch die Dunkelheit hinter meinen Augenlidern, hinterlassen Echos in meinen Gedanken und rasen in einer Endlosschleife durch die Windungen meines Gehirnes. Sicher, deine Bemühungen tragen Früchte, doch das Gute wird bald vergessen sein, denn du bist auf einmal mehr als dein Wort allein. Deine Ideen haben sich verselbstständigt und aus dir, zeichenloses Nichts, mehr gemacht als es gut für dich ist. Plötzlich lebst du nicht mehr für dich. Plötzlich sprichst du nicht mehr für dich. Plötzlich atmest du nicht mehr für dich. Plötzlich bist du mir, deinem Freund, so unerreichbar fern wie ein Fremder, den ich noch nicht einmal getroffen habe. Du gehörst ihnen, dieser Masse an Hoffnungslosen, die du mit deinen Träumen wachrüttelst, sie erwachen lässt, auch wenn du ihnen eine andere Realität vorgaukelst. Höre doch,mir gefällt das hier nicht und besser wäre es wenn du hörtest auf mich, denn du weißt ja, ich war doch immer deine rechte Hand. Aber egal, was ich sage, wie oft ich dich zur Vorsicht mahne, du schlägst meine Worte in den Wind und lächelst dieses bittere Lächeln eines Mannes, der keinen Ausweg mehr sieht. Langsam öffne ich wieder die Lider. Das helle Fackellicht, das dich erhellt und für alle gut sichtbar macht, sticht mir anfänglich in den Augen. Du stehst immer noch da und unterstreichst eben mit wilden, aber wohlüberlegten Gesten deine Visionen. Ich brauche in keines der verblüfften Gesichter unter dir zu sehen, um zu wissen dass sie an deinen Lippen hängen. Du erzählst ihnen eben den Kerngedanken deines Traumes und entfachst aus einer Spinnerei, die nur du tief in dir drinnen getragen hast, ein Hoffnungsfeuer für all diejenigen, die deine Worte in ihrem vollen Sinn erfassen. Du hast alle angefeuert und dabei Messias Bild erneuert, indem du sie überzeugst, es könnte eine andere Welt geben. Eine Welt, wo weder Blut noch Kastensystem entscheiden, wie man sein Leben auf diesem Planeten fristet. Ein schöne Welt, eine friedliche Welt… Doch Hoffnung zu wecken und diese unkontrolliert wachsen zu lassen ist gefährlich, wann siehst du das ein und wischt diese Tatsache nicht mit einem einfachen Lächeln beiseite? Ein einzelner Troll ist vielleicht zu mündigem Handeln fähig, aber eine Meute ist immer dumm und so leicht beeinflussbar. Glauben sie du lügst, tuen sie dir weh und damit würdest du auch uns treffen. Der Gedanke überkommt mich schlagartig und beklommen, aber auch leicht beschämt lasse ich den Blick abermals zu unseren beiden Begleiterinnen schweifen. Ist es egoistisch, dich um mehr Vorsicht zu bitten? Ist es selbstsüchtig von mir, dich zu drängen, für einen Moment zurückzutreten und dich damit zu schützen? Wie magisch wandert meine Aufmerksamkeit wieder zu deiner schmächtigen Gestalt zurück. Du redest weiterhin wie besessen auf die Meute ein. Mit deinen Beschreibungen, deinen Vergleichen und Metaphern schaffst du es, an jahrhundertealten Traditionen innerhalb einer Generation in solcher Intensität zu rütteln, dass das ganze Gerüst, auf dem sich unsere Gesellschaft stützt, ernsthaft in Gefahr ist. Doch nicht nur, dass du Gefahr läufst, unter diesem Schutt, der uns Trolle seit ewig in ein vorgeschriebenes Verhaltensmuster knechtet, begraben zu werden, auch die Highbloods haben angefangen, dir zuzuhören und glaube mir, dieses Pack ist nicht eben erfreut. Wir sind unterjocht, hast du’s vergessen? Ich habe einfach Angst, wir sind zu laut. Selbst wenn ich weiß, dass es nur Einbildung ist, höre ich sie. Jeden einzelnen der Häscher, die uns nachtrampeln, ihr höhnendes Rufen und schauriges Lachen. Treiben wir es zu weit, dann geh’n wir drauf. Du hast deine Rede beendet und nimmst deinen Mantel von Dolorosa entgegen. Kaum hast du die Kapuze über deinen Kopf gezogen, bahnst du dir eine Schneise in der Menge, gefolgt von deiner Geliebten und deiner Amme. Dann stehst du vor mir und reichst mir die Hand. „Wir sollten so schnell wie möglich gehen. Sie kommen bald.“ Ich erwidere nichts, greife nur nach deiner ausgestreckten Hand und lasse mich hochziehen. Wortlos verlassen wir den Platz, werfen keinen Blick zurück, sondern tauchen im Gassengewirr ab. „Was bedrückt dich so sehr?“ Beinahe hätte ich deine Stimme nicht vernommen, bin ich es einstweilen immer mehr gewöhnt, dass du mit ihr ganze Plätze füllst und sie nicht zu einem Flüstern verkommen lässt. „Das Übliche.“, knurre ich kurz angebunden und sehe noch rechtzeitig, wie du leise lachst, denn hören tue ich es nicht. „Was ist daran so lustig?“, fauche ich in einem ungewollt rauen Ton, doch du lässt dich davon nicht beeindrucken. „Signless, meine Warnung, sie ist kein Spiel.“ „Natürlich nicht.“, murmelst du, doch dein amüsiertes Verziehen der Mundwinkel überzeugt mich ausnahmsweise nicht von deinen Worten. „Verdammt noch mal! Weiterleben wollen, ist das zu viel? “ Da ist es schon wieder dieses verdammte Lächeln bei dir, welches mich einfach den Nerv kostet. Du erwiderst nichts mehr, als würde dieses Lächeln alles aussagen, was zwischen uns steht. Oder für all das stehen, was du von deiner eigenen Zukunft noch erwartest. Machtlos seh’n wir zu wie Chancen untergeh’n mit jeder Stunde und dieses Lächeln erinnert mich jedes Mal daran. Verärgert wende ich mich von dir ab und starre stur auf die Straße, beschämt, dass ich was verlange, was du nicht geben kannst, oder besser gesagt nicht geben willst. Seitdem du beschlossen hast, deinen Traum zu teilen, gehörtest du ihnen und hast dich somit an sie verloren, doch die dir folgen sind blind, weil sie ach so heilig sind. Kaum etwas ist von dem geblieben, was nur wir vier untereinander geteilt haben. Eine schöne Zeit ging vor die Hunde… Wurde so faul… So faul… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)