Beyond the waves von Bambusbesen (Gaara X Deidara) ================================================================================ Kapitel 19: Vernissage ---------------------- Aus dem Meer brach ein blaugeschuppter Drache. Der Unterleib verschmolz noch mit den Fluten, während sich die gewaltigen Flügel majestätisch über den Schaumkronen ausbreiteten. Unzählige Wassertropfen spritzten empor. Beim Anblick des Gemäldes meinte Gaara, das Rauschen des Wassers und das Brüllen des Drachen zu hören, so lebendig ließen die kräftige Farbgebung und die Pinselführung das Ölgemälde wirken. Dabei hatte er Deidara nur die wichtigsten Farben kaufen können. Die Palette an Zwischentönen mischte der Blonde selbst. Einmal mehr war er beeindruckt von dem Talent des Ningyô. Seine Bilder verdienten die Aufmerksamkeit, die sie heute Abend erhielten. Dank der Empfehlung von Temaris Oberarzt Orochimaru hatte die Kunstgalerie in Naha einem unbekannten Künstler die Chance gegeben, drei Gemälde zu dem neuen Thema zu präsentieren. Der Einladung zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung folgend, hatten sie eine Fähre zur Hauptinsel Okinawas genommen. Deidaras Darstellungen lockten viele kunstbegeisterte Gäste an. Der blaugeschuppte Drache, der schwarze Vogeldämon auf dem Felsen und der kleine Baumgeist, der sich zwischen den sattgrünen Blättern in den Ästen verbarg, waren nicht nur eindrucksvoll dargestellt, sie spiegelten die Thematik perfekt wieder. Mythen Japans. Doch am meisten gefiel Gaara das Gemälde, welches Deidara geheim hielt. Es zeigte einen Ningyô mit flammenden Schuppen und kurzem, rotem Haar. Er hieß Sasori. Aus der Vergangenheit des Blonden wusste Gaara, dass dieser ihn nach dem Tod der Eltern bei sich aufgenommen hatte. Gaara fand es erstaunlich, wie elegant und zierlich der rote Ningyô auf dem Bild wirkte, aber gleichzeitig erschien der Blick aus den braunen Augen und seine Körperhaltung unnachgiebig und hart. Das Gemälde bot einen winzigen Einblick in Deidaras Welt. Gaara verstand, warum Deidara es nicht der menschlichen Öffentlichkeit zeigte. Die Darstellung eines Meerwesens hielten alle gewiss für eine fantasievolle Interpretation eines Mythos. Aber sein Liebster wollte keinen Beweis ihrer Existenz den Menschen vorführen. Manchmal philosophierten sie darüber, ob auch andere Wesen existierten, wie die Dämonen oder Baumgeister. Seit Deidara in der Lage war, japanisch zu lesen, las er viele Geschichten und Legenden. Und er zeichnete all diese beschriebenen Wesen aus den Erzählungen. Man könnte annehmen, er wolle sie zum Leben erwecken. Zumindest auf der Leinwand. „Und jetzt kann ich ganz normal bei dir wohnen? Deine Schwester wird nichts sagen, hm?“ Hoffnungsvoll sah sein Freund ihn an. So wie Deidara darüber sprach, klang Geld verdienen und Miete zahlen unkompliziert. Wäre es nur so einfach. Künstler am Anfang ihrer Karriere konnten ihre Werke nicht zu hohen Preisen vermarkten. Erst mit großem Bekanntheitsgrad stieg der Lohn für Deidaras Bilder. „Wenn du genug Bilder verkaufst.“ Der Blonde lächelte glücklich. In diesem Moment kam er Gaara fast wie ein Junge vor, der die Welt erkundete. Ein großgewachsener Herr näherte sich. Schwarzes Haar floss über die Schultern und ließ seine blasse Haut unnatürlich bleich erscheinen. „Mangetsu Deidara?“ Die tiefe Stimme war auffallend rau. Der Ningyô wandte sich dem Mann zu. „Ja?“ „Ich freue mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Ihre Arbeiten sind außergewöhnlich. Sie werden bestimmt ein erstklassiger Künstler.“ Der Schwarzhaarige neigte wohlwollend den Kopf. „Ich bin Dr. Orochimaru.“ Gaara musterte den Mann vom Scheitel bis zu den polierten Schuhen. Das war also Temaris Oberarzt. Ihm hatte Deidara die Aufnahme seiner Gemälde in diese Ausstellung zu verdanken. Orochimarus Empfehlungsschreiben hatte Deidara ein Tor in die Welt der Künste geöffnet. Und doch waberte ein ungutes Gefühl wie Bodennebel in Gaara. Die einschmeichelnde Stimme hieß ihn, achtsam zu sein. Deidara verbeugte sich, wie Gaara es ihm beigebracht hatte. „Vielen Dank für Ihre Empfehlung. Sie hat mir sehr geholfen, hm.“ Der Rotschopf war zufrieden. Deidara konnte sich inzwischen recht unauffällig in der Gesellschaft bewegen. Er hatte die Verhaltensregeln gelernt, die Aussprache war fast fehlerfrei. Und selbst mit dem japanischen Nachnamen fiel er nicht nennenswert auf, da viele Künstler einen Künstlernamen führten. Gaara nahm Deidara seit der ersten Begegnung im Club vor einem halben Jahr regelmäßig mit zu seinen Freunden. Die zwanglosen Treffen halfen ihm, sich in die Menschengesellschaft integrieren. Mit den meisten verstand der Blonde sich. Nur gegenüber Naruto verhielt er sich weiter mit offen getragenem Argwohn. Sein Kumpel versuchte nicht mehr, ihm näher zu kommen. Deidara beharrte stur darauf, dass Naruto ihn als Gefährten wollte. In den letzten Monaten hatte der Rotschopf auf Anzeichen geachtet. Und die heimlichen Blicke Narutos fielen ihm mittlerweile auf. Wie hatte er die so lange übersehen können? Die aufgebrachte Stimme Deidaras lenkte Gaaras Aufmerksamkeit wieder auf seinen Freund. Der Blonde schob Orochimarus Arm von der Schulter und wich einen Schritt von ihm zurück. „Das ist zu nah, hm.“ Gaara erkannte in dem azurblauen Auge die unausgesprochene Warnung. Er wusste, dass Deidara unter der Kleidung ein Taschenmesser bei sich trug. Es beruhigte ihn, bewaffnet zu sein. Gaara gefiel das nicht. Er hatte ihm eingeschärft, dass er das Messer nur zur Selbstverteidigung im Notfall einsetzen durfte, weil er sonst Probleme mit dem Gesetz der Menschen bekam. Zumindest hatte er ihn davon abgehalten, seine Knochenmesser mit sich herum zu schleppen, wenn sie unterwegs waren. Fand man ein normales Messer bei Deidara, fiel es nicht so auf wie ein selbstgebasteltes Messer aus Tierknochen. Gaara trat an Deidaras Seite. Der glühende Blick aus den unnatürlich gelblich wirkenden Augen von Dr. Orochimaru ließ ihn innerlich schaudern. Der Kerl war gruselig. Wie er Deidara ansah. Mit einem solchen Ausdruck in den Augen gierte ein ausgehungerter Löwe nach einer saftigen Antilopenkeule. Die schmalen Lippen Orochimarus formten sich zu einem Lächeln. Sie sollten aufpassen. Temaris Oberarzt kam ihm wie eine Schlange vor, der seine Beute auserkoren hatte und auf den richtigen Moment wartete, die Giftzähne in den Hals zu rammen. Eine ältere Dame trat zu ihnen und die angespannte Atmosphäre löste sich auf. Sie stellte sich als Jounalistin einer Kunstzeitung vor. Freundlich bat die Frau Deidara um ein kurzes Interview und ein Foto mit Deidara vor einem seiner Bilder. Gaara folgte Deidara in geringem Abstand. Er war froh, sich von dem seltsamen Arzt zu entfernen. Nachdem die Journalistin die Antworten auf ihre Fragen erhalten hatte, zog sie ihrer Wege zum nächsten Künstler. Lange allein blieben sie an diesem Abend nicht. Tröpfelndem Wasser gleich kamen immer neue Gesprächspartner, die sich mit Deidara unterhalten wollten. Mal war es ein Kunstliebhaber, mal ein Kunstlehrer, mal ein Journalist. Gaara hielt sich unaufdringlich in Deidaras Nähe auf. Der Ningyô hatte ihn darum gebeten, weil er sich dann in der ungewohnten Situation sicherer fühlte. Gaara beobachtete er ihn und musste lächeln. Diedara strahlte seine Leidenschaft zur Kunst mit jeder Faser aus, wenn er darüber sprach. Und auf der Vernissage waren alle an Kunst interessiert. Es gab hier viele Menschen, mit denen er sich über diese Passion austauschen konnte. Gaara lehnte sich locker gegen die Bar, die man im Hauptraum aufgebaut war. Zwei junge Männer, vermutlich Studenten, kümmerten sich um die Getränkewünsche der Besucher. Immer wieder kamen Frauen in blumigen Kleidern zur Theke und füllten ihre Tabletts mit kleinen Snacks auf, die sie den Gästen anboten. Deidara beendete sein Gespräch mit einem Kunststudenten und trat zu ihm. „Ich gehe kurz auf die Toilette, hm.“ „Weißt du, wo sie ist?“ Deidara nickte und schritt zielstrebig durch den Durchgang in den nächsten Raum, wo er ihn aus den Augen verlor. Am Rand seines Blickfeldes erschien ein hochgewachsener Mann mit bleicher Haut. Ein kalter Schauer erfasste Gaara. Dr. Orochimaru trat neben ihn an die Bar und bestellte zwei Getränke. Tief atmete er durch. Temari hatte zwar angedeutet, dass ihr Oberarzt ein wenig eigen war, aber der Schwarzhaarige war ihm absolut zuwider und er konnte nicht einmal genau sagen, warum. Da war nur dieser glühende Blick, mit dem er Deidara bedacht hatte, und der unangenehm schmeichelnde Unterton. Er ermahnte sich innerlich zur Ruhe. Manche Kunstliebhaber waren kauzig. Womöglich war der Mann wie ein Fangirl, das ihren Star anhimmelte. Es bestand kein Grund zur Sorge. Der Schwarzhaarige nahm die bestellten Drinks entgegen und verschwand wieder in der Menge. Erst jetzt gelang es Gaara, sich zu beruhigen. Der Oberarzt wirkte schlichtweg unheimlich. Von einem bizarren Gast sollte er sich nicht den Abend verderben lassen. Deidara schien gute Chancen zu haben, sich in der Kunstszene zu etablieren. Still hatte er den Gesprächen gelauscht. Die Menschen waren angetan von Deidaras Gemälden, von der Genauigkeit und der Lebendigkeit der Pinselstriche. Wenn eine Kunstzeitung über ihn berichtete, würde ihm dies weitere Türen öffnen. Leider kannte Gaara sich mit der Kunst nicht aus. Er konnte Deidara lediglich zur Seite stehen und darauf achten, dass niemand sein Geheimnis herausfand. Gaaras Blick huschte zur Uhr. Deidara war jetzt schon eine Viertelstunde auf Toilette. So lang war die Schlange an der Männertoilette doch sicher nicht. Vermutlich hatte ihn jemand auf dem Weg angesprochen. Eine weitere viertel Stunde verging und Deidara war immer noch nicht zu ihm zurückgekehrt. Gaara beschloss, nachzusehen. Er bahnte sich den Weg zu den Sanitäranlagen. Vor den Kabinen rief er nach seinem Freund, aber niemand reagierte. Nahe der Toilette fragte Gaara ein paar andere Gäste, ob sie zufällig Deidara gesehen hatten. Sie verneinten alle, bis endlich die Journalistin von vorhin nickte. „Er ist mit dem Kunstsammler, Dr. Orochimaru, Richtung Foyer gegangen.“ Gaara runzelte die Stirn. Wieso sollte Deidara mit dem Mann mitgehen, ohne ihm Bescheid zu geben? Der Rotschopf nahm den Weg zum Eingang. In der großen Halle fand er seinen Liebsten nicht. Nach kurzem Überlegen trat er durch die doppelflüglige Glastür. Es war längst dunkel. Der kleine Vorplatz der Galerie wurde von Laternen beleuchtet. Einige Gäste standen in lockeren Gruppen beisammen. Manche rauchten, andere hielten ein Glas in der Hand. Aber Deidara oder den Oberarzt sah er nirgendwo. Unruhe flutete ihn. Deidara besaß kein Handy. Er konnte ja gerade mal mit dem Festnetztelefon umgehen. Das Thema Mobiltelefon war eines der nächsten Themen in der langen Liste an menschlichen Banalitäten. Wie sollte er ihn denn finden? Gaara ging zurück ins Gebäude und durchsuchte jeden Raum der Vernissage, falls Deidara wieder hineingegangen war. Aber er war nirgendwo und niemand hatte ihn gesehen. Gezwungenermaßen gestand Gaara sich ein, dass er nicht mehr in der Ausstellung war. Warum sollte Deidara mit Dr. Orochimaru mitgehen? Das ergab keinen Sinn. Und wo waren sie hingegangen? Verzweifelt begann Gaara, jede Straße nahe der Galerie abzusuchen. Er rief nach Deidara, in der Hoffnung, er antwortete ihm. Es blieb still. Ab und an kam ein nächtlicher Passant die Fußweg entlang. Von denen hatte auch niemand einen jungen, blonden Mann gesehen. Immer weiter lief Gaara. Seine Füße schmerzten zunehmend. Allmählich wurde seine Stimme rau vom Rufen. Es kratzte unangenehm im Hals. Sein Körper war müde. Gaara ignorierte all diese Beschwerden. Irgendetwas war passiert, da war er sich sicher. Deidara steckte in Schwierigkeiten und er war nicht da, um ihm zu helfen. Die Häuserfronten taten sich vor ihm auf und gaben den Blick auf den Hafen frei. Wie viele Kilometer war er in dieser Nacht gelaufen? Kleine Wellen reflektierten die ersten, scheuen Sonnenstrahlen des nächsten Morgens. Erschöpft hockte Gaara sich an den Pier. Resigniert seufzte er. Wo war Deidara nur hin? Hatte jemand herausgefunden, dass er ein Ningyô war? Sperrte man ihn jetzt wie ein Forschungsobjekt in irgendein geheimes Labor? Wie sollte er ihn nur finden? Würde er seinen Liebsten je wiedersehen? Sein zielloser Blick verfing sich an einer Jacke, die nahe der Bootsanlegestelle im Hafenbecken trieb. Je länger er darauf starrte, desto bekannter kam sie ihm vor. Dunkelrote Streifen verzierten die Ärmelrücken. Eine unsichtbare Hand schloss sich fest um sein Herz und schien es zerquetschen zu wollen wie eine überreife Pflaume. Das war Deidaras Jacke. Wie war sie dorthin gelangt? Hatte Deidara sich ins Meer zurückgezogen? Oder war er geflohen? Langsam erhob Gaara sich. Entschlossen ballte er die Hände zu Fäusten. Er musste seinen Freund wiederfinden. Egal wie! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)