Die nächste Generation von Futuhiro (neue Band - alte Sorgen) ================================================================================ Kapitel 1: Die nächste Generation --------------------------------- Tsuzuku schaute nach oben, als drei Raben zeternd über ihm vorbeizogen. Als sie schon außer Sichtweite waren, musterte er noch einen Moment die dahintreibenden Wolken, dann schüttelte er leicht den Kopf, legte die Hände aneinander und konzentrierte sich wieder auf den Schrein vor seiner Nase. Oder versuchte es zumindest. Es fiel ihm schwer, mit den Gedanken bei der Sache zu bleiben. „Keine Krankheit ist so schlimm wie der Hass ... Kein Glück wie die Gesundheit ... Kein Glaube wie ...“ Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine alte Dame, die missbilligend, fast strafend, seine tätowierten Arme, Piercings, Implantate und die verruchte Frisur musterte und ihn damit schon wieder ablenkte. Zum ersten Mal in seinem Leben schähmte er sich ein wenig für das, was er aus seinem Erscheinungsbild gemacht hatte. Hier in diesem Tempel wirkte er mit seinem Aussehen mehr als fehl am Platze. Vielleicht hätte er wenigstens etwas langärmliches anziehen sollen. Der Vocal seufzte, verneigte sich noch kurz vor dem Schrein und wandte sich dann um, um zu gehen. Unter den vorwurfsvollen Blicken dieses anständigen alten Mütterchens konnte er sich einfach nicht auf eine klare Sache besinnen. Ohne wirklich gebetet zu haben, verließ er die Tempelanlage. Da hatte er extra in aller Herrgottsfrühe alle seine Bandmitglieder angenervt, ob ihn heute mal irgendeiner zur Bandprobe mitnehmen konnte und dabei auch noch diesen horrenten Umweg zum Tempel in Kauf nahm ... und dann das. ... Seit er seine Borderline-Diagnose bekommen hatte, war er noch unausgeglichener als vorher. Seine Band – und sicher auch einige der Fans – hatten schon immer gesagt, daß mit ihm irgendwas nicht stimmte. Und er hatte das auch selber gewusst. Aber es schwarz auf weiß in einem ärztlichen Attest stehen zu haben, war schon ... puh ... es veränderte einiges. „Bist du fertig?“ Koichi lehnte am Kotflügel seines Autos, hatte wartend die Arme verschränkt und wirkte ein wenig genervt, auch wenn er Verständnis für Tsuzuku hatte und deshalb versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Wie immer wenn er auf die Straße ging hatte er seine pinken Haare unter einem Basecap versteckt und trug eine große Sonnenbrille, damit er nicht gar zu schnell erkannt und von Fans belagert wurde. Da er kein Tempelgänger war, hatte er es vorgezogen, auf dem Parkplatz zu warten, bis der Sänger getan hatte was er für nötig hielt. Tsuzuku nickte. „Lass uns fahren.“, meinte er ruhig. Der Bassist antwortete seinerseits mit einem Nicken, stemmte sich von seinem Auto weg und stieg kommentarlos ein. Tsuzuku warf sich auf den Beifahrersitz. Und überlegte, wann er eigentlich das letzte Mal bei Koichi mitgefahren war. Sofort breitete sich ein ekelhaftes Schweigen zwischen ihnen aus. „Bist du sauer auf mich?“, wollte der Frontmann nach einer Weile wissen. „Du hast mich um 5 Uhr aus dem Bett geklingelt, ich konnte nichtmal frühstücken damit wir es noch zu diesem blöden Tempel schaffen, und ich konnte meiner Freundin nicht nochmal tschüss sagen, bevor sie für Wochen ins Ausland verschwindet. Meine Mutter wird mich köpfen, weil ich sie nicht wie üblich angerufen habe, und dein Kaffee von der Tankstelle hat echt beschissen geschmeckt. ... Nein, ich bin nicht sauer auf dich.“, gab er mit so emotionsloser Tonlage zurück, daß Tsuzuku beim besten Willen nicht einordnen konnte, ob das Humor sein sollte oder nicht. „Tut mir leid, Ko. ... Ruf doch deine Mutter vom Probenraum aus an, einverstanden? Du kannst mein Handy haben, wenn es dir mit deinem zu teuer ist.“ „Quatsch!“ Koichi seufzte und warf einen kurzen Seitenblick zu ihm herüber. „Das war unpassend, entschuldige. Also, nein, ich bin nicht sauer auf dich. Ich weis, daß es dir gerade schlecht geht. Aber ehrlich, du solltest dich langsam wieder einkriegen.“ „Wieder einkriegen! Diese Diagnose werde ich vermutlich nicht so einfach wieder los.“ „Es hat sich doch gar nichts verändert. Du warst vorher schon so wie du bist, und du bist jetzt immer noch so wie du bist. Nur, weil das Kind jetzt einen Namen bekommen hat, bist du doch nicht ... keine Ahnung ... wertlos, oder so. Wir kennen dich und sind bisher mit dir klargekommen und werden auch weiterhin mit dir klarkommen. Ich verstehe nicht, warum du dich plötzlich dermaßen gehen lässt.“ „Ich hab Angst vor mir selber, Koichi. Das ist alles. Letzte Woche stand ich schon wieder zu Hause mit einem Küchenmesser vor dem Badspiegel und habe ernsthaft überlegt, ob ich mich schneiden soll.“ Koichi lachte in einer Art Galgenhumor auf. „Was hat dich zurückgehalten? Deine tollen, teuren Tattoos, die du nicht zerstören wolltest, gib es zu!“ „Ja, na und?“, maulte Tsuzuku beleidigt und verschränkte die Arme. Der Heiterkeitsausbruch seines Bassisten lies ihn sich gleich etwas besser fühlen. Es tat gut, von ihm so normal behandelt zu werden, als sei nichts. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen, als der Pinkhaarige wieder kicherte und in den Rückspiegel schaute, ehe er die Fahrspur wechselte. „Zur Zeit sind wir erfolgreich und verstehen uns auch privat super. Ich habe keinen Grund, unglücklich zu sein. Aber wenn irgendwann mal irgendwas nicht mehr planmäßig laufen sollte oder es Probleme gibt, werde ich mir wohlmöglich das Leben nehmen.“ „So schlimm?“, gab Koichi, nun doch wieder etwas ernster, zurück. „Ich weis es nicht. Bei Borderline gibt es akutere und weniger akute Phasen. Manchmal verspüre ich den Drang, mir selber etwas anzutun, so gut wie gar nicht mehr. Und manchmal wird er wieder unignorierbar stark. Dann muss ich losrennen und mir irgendein Tattoo oder Piercing stechen lassen, nur damit ich nicht aus Verzweiflung selber Hand anlege ... Ich schätze, ich stehe der Karriere unserer Band im Weg. Wir könnten auch international viel erfolgreicher sein. Unsere Verkaufszahlen in Europa sprechen für sich. Wir haben dort viele Fans. Auf facebook formieren sich schon ganze Interessengruppen, die uns nach Europa holen wollen. Aber in meinem Zustand traue ich mich einfach nicht, außerhalb Japans zu touren. Dabei weis ich, daß gerade Meto wahnsinnig gern mal eine größere Tour durch mehrere Länder machen würde.“ „Hör mal, Mejibray besteht seit 2011, also schon seit Jahren. Und wir zwei kennen uns sogar noch länger, wir waren schon 2008 gemeinsam bei VanessA, bevor wir Mejibray gegründet haben. Jetzt nimm dir mal ein Wort von Freund zu Freund zu Herzen! Du magst ein Borderliner sein, aber du bist uns immer noch normal genug. Haruki ist auch von VanessA mit zu Mejibray gekommen. Gut, er hat uns noch im Gründungsjahr wieder verlassen, aber trotzdem. Er wäre nicht mitgekommen, wenn er nicht an dich geglaubt hätte und dir vertraut hätte. Unseren Fans bist du auch normal genug, und verdammt, du bist sogar unserem Plattenlabel normal genug, sonst hätten die dir niemals Verträge gegeben, wenn sie dich nicht für stabil und belastbar genug halten würden. Das Musikgeschäft ist hart und haarig, die ziehen sich ums Verrecken keine Risikofaktoren an Bord, glaub mir.“ Tsuzukus Laune sank wieder - tiefer als vorher. „Als ich noch Genki von VanessA war, war das alles noch nicht so stark ausgeprägt. Da hatte ich mich noch besser im Griff. Das ist erst jetzt so richtig aufgeflammt. Als ich vor zwei Wochen dort in meinem Bad stand, das Messer schon auf meiner Haut ... Was glaubst du, warum ich noch in der gleichen Stunde in die Klinik gegangen bin? Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen.“ „Tsu, du bist jetzt erwachsen. Sowas manifestiert sich schon im Jugendalter und der Pubertät. Du hattest letzte Woche vielleicht einfach mal eine besonders akute Phase – wer weis wodurch es ausgelöst wurde – aber nun ist es wieder gut. Das Borderline ist bei dir nicht so stark ausgeprägt, daß es deine Umwelt maßgeblich beeinträchtigen würde. Wenn du der Meinung bist, du müsstest einmal im Monat in ein Piercing- und Tattoo-Studio rennen und dich weiter verunstalten lassen, dann bitte, tu das. Das stört uns nicht. Du bist impulsiv und kannst Distanz und Nähe schwer regulieren, aber das kennen wir ja nicht anders von dir. Das stört uns jetzt auch nicht über die Maßen. Also mach dir nicht mehr so einen Kopf über das blöde Borderline. Du redest dir damit bloß Probleme ein, die du gar nicht hast. Bisher hat alles gut funktioniert und es wird auch weiterhin gut funktionieren. Und alles andere überlass mal den Therapeuten.“ Der schwarzhaarige Vocal nickte langsam. „Vielleicht hast du Recht.“ „Okay?“ „Ja. ... Danke.“ „Gut. Jetzt verrat mir mal, warum ich dich heute rumkutschieren muss. Wieso bist du nicht mit deinem eigenen Auto gefahren? Scheiße, ich hab die Ausfahrt verpasst!“, jaulte Koichi auf, riss sich die Sonnenbrille aus dem Gesicht und warf sie sauer auf das Armaturenbrett des Wagens. Metos Schlagzeuggewummer hörten sie schon von draußen, als sie am Probenraum ankamen. Tsuzuku seufzte. „Er nimmt immer noch zu viel die Tom-Tom´s, er muss mehr Basedrum einbauen. Die definiert den Takt erst so richtig.“ „Meine Fresse, kann man es dir denn gar nicht Recht machen?“, gab Koichi amüsiert zurück, während er den Autoschlüssel in seiner Umhängetasche verschwinden lies. „Da nimmt er schon mehr Hi Hat als Toms, und dann gefällt dir das auch wieder nicht.“ „Nein. Weil er eben Base spielen soll.“ „Lass mal alles, was mit Bass zu tun hat, meine Sorge sein.“, lächelte der Rosa-Rocker und hielt ihm die Tür auf. Mia lungerte gelangweilt mit seiner Gitarre in einer Ecke herum und hörte Meto mehr oder weniger einfach nur zu. „Hi, ihr Süßen, alles klar?“, meinte Koichi. „Hi, Basseristo, ja, alles klar.“ „Hört auf, mich Basseristo zu nennen!“, maulte Koichi. „Dann hör du doch auf, uns zu nennen!>, gab Meto zurück. Tsuzuku lächelte leise. Dieser Dialog war jeden Morgen der gleiche, er war zum festen täglichen Begrüßungsritual geworden. Das gab dem Vocal ein Gefühl von Normalität. Seine Stimmung wurde wieder ein wenig besser. Es war tatsächlich, als hätte sich gar nichts verändert. Die Erde drehte sich einfach weiter. Der Welt war es egal, ob es da irgendwo diese lästige Borderline-Diagnose gab. Vielleicht sollte es ihm auch endlich egal sein. „Wenn ihr doch aber so süß seid ...!?“, warf Tsuzuku also seinen vorgeschriebenen Part in diesem allmorgendlichen Theaterstück ein. „Sind wir gar nicht! Koichi ist vielleicht süß! Aber wir doch nicht!“, gab Mia zurück. „Was heißt hier ? Ich bin so süß, das reicht locker für uns alle!“, stellte der Bassist klar. Alle lachten schallend auf. „Guten Morgen.“, begrüßte er dann die ganze Truppe nochmal richtig, nachdem der Pflichtdialog damit beendet war. „Morgen.“, kicherten Meto und Mia ausgelassen. Tsuzuku setzte sich auf die Tischplatte, wie er es immer tat, wenn er mit seiner Band etwas zu besprechen hatte. So saß er höher als die anderen, hatte einen besseren Überblick über sie und wurde selbst besser gesehen. Fast automatisch schaarten sich die anderen mit ihren Stühlen um ihn wie um einen Lehrer. Gewohnheitsmäßig hatte Mia seine Gitarre im Schoß und klimperte ohne Verstärker darauf herum, während er zuhörte. Er bekam dieses Ding nie aus der Hand, auch nicht bei Lagebesprechungen. Wahrscheinlich nahm er die ESP Forest abends auch mit ins Bett. „Okay, was steht diese Woche an?“, wollte Tsuzuku wissen. „Hizumi kommt uns besuchen!“, rief Meto dazwischen und riss die Hand in die Höhe wie ein ungeduldiger Schüler, der mehr zu wissen glaubte als der Rest der Klasse. „Was!?“ Alle glotzten ihn dumm an. „D´espairs Ray ist wieder aktiv! Hizumi singt wieder!“ „Ja ... und was will er da hier?“, hakte der Vocal verdutzt nach. „Ist doch egal. Freu dich doch einfach drüber!“ Tsuzuku schüttelte irritiert und verwirrt den Kopf. Hä??? Hatte er irgendwas verpasst? Er mochte Hizumis Art, ja. Er bewunderte Hizumis Können, ja. Aber er war dem Kerlchen noch nie über den Weg gelaufen, hatte noch nie auch nur schriftlichen Kontakt zu ihm oder dem Rest seiner ehemaligen Band gehabt. Oder irgendeine andere Verbindung. Nichts, was den völlig wildfremden Kollegen dazu veranlassen könnte, auf einen ungezwungenen Plausch vorbeizukommen. Unwillkürlich bekam Tsuzuku Herzrasen und feuchte Hände. Neue Menschen, denen er gefallen musste, shit, das war ja sozialer Stress! , schoss ihm da gehässig in den Kopf. Er hatte sich noch nie gern mit neuen, unbekannten Menschen auseinandergesetzt. Er hatte es immer als schwierig empfunden, sich so zu verhalten, daß er sie nicht abschreckte. Koichi hatte schon ganz richtig angemerkt, daß er nur schwer Distanz abschätzen konnte und den Leuten deshalb entweder zu aufdringlich oder zu kühl rüberkam. Seit der Diagnose wusste er wenigstens, warum. Aber immerhin, da er nun die Ursache für seine Unsicherheit kannte, fiel es ihm leichter damit umzugehen. Er musste sich einfach zusammenreißen. „Wann ... wann kommt er denn?“ „Hm ...“ Meto sah abschätzend auf die Armbanduhr. Eine Antwort brauchte er allerdings nicht mehr geben, denn in diesem Moment klopfte es schon zaghaft an der Tür. Dann ging selbige auf und ein herzallerliebstes, fröhliches Lächeln schaute herein. Durch das dezente, straßentauglich entschärfte Debiru-Kei-Make-up erkannte man ihn auf der Stelle problemlos wieder. „Hi!“ Hizumi winkte ausgelassen. „Können wir reinkommen?“ „Blöde Frage!“ „Wir??? Wer ist ?“ Der D´espairs Ray Sänger hüpfte herein und trat einen Schritt zur Seite, um den Blick auf seine Begleitung freizugeben. „Tsukasa wollte unbedingt mitkommen. Er wollte euch auch schon immer mal treffen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.“ „Na klar, immer reinspaziert!“, meinte Koichi und sprang euphorisch hoch, um die beiden zu begrüßen. Mia und Meto taten es ihm sofort gleich und alle drückten sich ausgiebig und begannen wild durcheinanderzuschnattern. Als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen. Tsuzuku blieb als einziger mit baumelnden Beinen auf der Tischplatte sitzen und schaute sich das extrovertierte Schauspiel aus sicherer Entfernung an. Er nagte unschlüssig auf seiner Unterlippe herum. Sollte er hingehen? Nein, besser nicht. Die waren alle so miteinander beschäftigt, da würde er sicher nur stören. Als hätte Hizumi seine Gedanken gelesen, drehte er sich plötzlich um, strahlte Tsuzuku breit an und löste sich aus dem wild quatschenden Haufen um herüberzukommen. Tsuzuku schreckte innerlich ein wenig zurück. Jetzt war es so weit! Er musste irgendwas sagen. Oder tun. Mit einem Satz sprang er vom Tisch herunter und fiel Hizumi so schwungvoll um den Hals, daß der unter dem Anprall strauchelte und seinen Sängerkollegen nur schwer auffangen konnte. „He-hey, du bist aber stürmisch!“ „Sorry.“ „Na? Wie geht´s? Freut mich riesig, euch Jungs mal persönlich treffen zu können. Ich mag die Musik von Mejibray total. Sie ist unserer eigenen gar nicht so unähnlich.“ Tsuzuku nickte. „Ich mochte D´espa auch. Ich finde es toll, daß ihr jetzt wieder loslegt und wieder zusammen auftretet.“ „Naja, so eine richtige Reunion ist das noch nicht. Nur ein kurzer Auftritt auf einem Event von Karyus derzeitiger Band Angelo. Von einem Wiederzusammenschluss sind wir noch weit entfernt.“ „Trotzdem. Ich finde es großartig, daß du wieder singst.“ Langsam entspannte sich Tsuzuku wieder. Hizumi war nett und total normal. Also kein Grund, Angst vor ihm zu haben. „Ist deine Stimme denn wieder okay?“ „Nicht so richtig, nein. Erst zu 70 Prozent, oder so. Aber ich schätze, viel besser wird es auch nicht mehr.“ Hizumi zuckte mit den Schultern. „Ist auch egal. Ich kann damit leben, daß ich jetzt anders klinge als früher. Und die Fans scheinen es genauso zu sehen. Meine Band steht hinter mir, das ist die Hauptsache.“ Tsuzuku nickte wieder und sah sich nach seinen Jungs um. Ja, da hatte der Knabe mal Recht. Die Band hinter sich zu haben, war das A und O. Meto warf ihm gerade einen verräterischen Seitenblick zu, bevor er sich wieder seinem Drummerkollegen Tsukasa zuwandte. Fast, als habe er etwas vorgehabt und würde sich nun freuen, daß alles nach Plan lief. „Ich habe gehört, dir ginge es gerade nicht so dolle!?“, hakte Hizumi nach und setzte sich einfach ungefragt an den Tisch. Tsuzuku schmunzelte müde und griff nach einer Melonenlimonade und zwei Gläsern, ehe er sich dazugesellte. „Mir wurde vor zwei Wochen Borderline bescheinigt. Mir geht es hundeelend.“, gab er zu. „Ich weis, wie du dich fühlst.“ Hizumis Sonnenschein-Lächeln wich einer ernsteren Mimik. Das Thema war ja auch nicht zum Lachen. „Als ich mir damals die Stimme ruiniert habe und bei D´espairs Ray von einer Woche auf die andere hinschmeißen konnte, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich war so frustriert, so verzweifelt und machtlos. Ich war gar nicht mehr bei Sinnen vor lauter Selbstmitleid und Minderwertigkeitskomplexen. Es war die Hölle! Nicht nur für mich, auch für die anderen, und das hat mich noch mehr fertig gemacht. Weil ich ihre Karriere auch gleich noch mitruiniert hatte. Ich glaube, Karyu hat am meisten darunter gelitten und leidet bis heute. Aber mir, mir war nach Sterben zumute, ehrlich. ... Komm, erzähl mir, wie es dir geht! Rede dir alles von der Seele! Ich weis, daß ich dich verstehen werde!“ Tsuzuku schaute wieder kurz zu seinen Bandkollegen hinüber, die den D´espairs Ray Drummer inzwischen ans Schlagzeug genötigt hatten und mit Bass und Gitarre irgendwas mit ihm zusammenimprovisierten und ihren Heidenspaß dabei hatten. Jetzt ging ihm langsam ein Licht auf. Deshalb hatte Meto Hizumi eingeladen. Damit er endlich jemanden zum Reden hatte – jemanden, der seinem eigenen Leidensdruck ebenbürtig war – und sich danach hoffentlich endlich wieder besser fühlte. „Oh, aber vorher ...“, warf Hizumi noch ein. „Ich hab dir was mitgebracht! Ich hoffe, es muntert dich ein bischen auf. Hier, Karten für das Angelo-Event wo ich mit D´espa auftreten werde!“ „Das war doch binnen Minuten ausverkauft!“, staunte Tsuzuku. „Dafür kriegt man doch gar keine Karten mehr.“ Er hatte selbst erfolglos versucht, welche zu bekommen. Nichtmal für den zehnfachen Preis auf dem Schwarzmarkt kriegte man noch welche. „Eben deshalb ja.“, strahlte Hizumi ihn an. Dann kicherte er schelmisch. „Wollt ihr Jungs da auf dem Event vielleicht mitmachen?“ „Wie ... du meinst, auftreten?“ „Nein, auftreten doch nicht! Dafür ist Mejibray doch viel zu unbekannt. Ich dachte eher als so Kabelträger ...“, witzelte der Sänger. Dann lachte er. Und Tsuzuku lachte einträchtig mit. Und wirklich gelacht hatte er schon seit Monaten nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)