Min eryd ar i aearon von Bettyna (New fate) ================================================================================ Kapitel 6: mereth | Fest ------------------------- Sie gingen. Und gingen. Und das ein ganzes Stück. Der Weg führte teilweise abwärts, dann wieder nach oben und schließlich viele Treppenstufen in die Tiefe. Irgendwann verlor Briuwen die Orientierung. Die Ausmaße des Zwergenreiches unter den Eisenbergen war schier unbegreiflich, doch die Zwergenfrauen kannten sich bestens aus. Das war auch nicht verwunderlich, wenn sie hier aufgewachsen waren und diese Strecke vielleicht jeden Tag hinter sich brachten. Jedenfalls kamen sie an vielen weiteren Hallen vorbei, von denen keine so groß war, wie der Thronsaal. Des öfteren passierten sie breite Brücken, die über endlos tiefe Gräben führten, und es gab auch Treppenhäuser, die unzählige Stockwerke miteinander verbanden. Immer wieder trafen sie auf ihrem Weg auf andere Zwerge. So gut wie jeder, der ihnen entgegen kam, schaute ihnen neugierig nach. Es wunderte Briuwen ein wenig, dass sie von niemandem beschimpft oder gar angegriffen wurde. Anscheinend hatte sich herumgesprochen, dass sich eine Elbin unter dem Berge befand und sie keinerlei Gefahr darstellte. Irgendwann konnte Briuwen es nicht mehr aushalten. Keiner schien wirklich Interesse daran zu haben, ihr wirklich zu sagen, was nun mit ihr geschehen sollte, oder es traute sich niemand, mit ihr zu sprechen. Vielleicht hatte es ihnen jemand schlicht und einfach verboten? Sie vermutete, dass es sogar Letzteres war, denn gerade die Zwergenfrauen hielten ihre Köpfe auffällig zu Boden gerichtet. „Entschuldigt bitte, aber dürft ihr mit mir reden? Wohin bringt ihr mich?“, frage sie letztendlich, um wenigstens eine Antwort auf die vielen Fragen zu bekommen, die in ihrem Kopf herum schwirrten. Die Zwergin, die den kleinen Tross anführte, hielt kurz inne und blieb stehen, um sich zu Briuwen umzudrehen und diese zu mustern. Auch die Elbin ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und nahm ihre Gegenüber ebenfalls kurz in Augenschein. Das auffälligste Merkmal, welches einem Betrachter, der nicht zum Zwergenvolk gehörte, sofort auffiel, war der Bart, den die kleine Frau trug. Sie hatte ein rundliches Gesicht, dessen Form durch ihren Kotelettenbart noch mehr betont wurde. Ihr Kinn war frei von jeglicher Behaarung, doch es gab auch andere Beispiele, wie manch andere ihnen entgegenkommende Zwergenfrau demonstrierten, die Backen- und Kinnbärte trugen. Die Haarpracht war bei weiblichen Zwergen wohl etwas variabler und der Wuchs nicht ganz so ausgeprägt und üppig wie bei den Männern. Trotzdem war es für Briuwen ein ungewohnter Anblick - andersherum mussten die Zwergenfrauen wohl genauso denken. Des weiteren hatte die führende Zwergin eine Frisur aus geflochtenen und hochgesteckten Haaren und ein langes erdfarbenes Gewand an, das eher bei zweckmäßigen Anlässen getragen wurde. Rein äußerlich konnte die Elbin deshalb nicht feststellen, welche Profession die Frau inne hatte. Diese schüttelte ihren Kopf, als sie ihre Inspizierung beendet hatte: Das Ergebnis schien ihr überhaupt nicht zuzusagen. "Natürlich dürfen wir mit Euch reden, Ihr seid doch keine Aussätzige… Obwohl, Euer Äußeres hat sicher schon bessere Zeiten gesehen", sprach sie, doch in ihrer Stimme schwang gutmütiger Spott mit. "Ich habe mir Elben eigentlich ganz anders vorgestellt, die Legenden besagen, dass sie-", platzte es aus einer der anderen Zwerginnen heraus, als lag ihr diese Aussage schon die ganze Zeit auf der Zunge. Die Beiden wirkten jünger und hatten auch nur einen leichten Bartflaum als die Zwergin, die zumindest in ihrer kleinen Runde das Sagen hatte und auch prompt den Zwischenruf unterbrach. "Still, Róia, ich habe dir doch gesagt, dass du nicht so viel plappern sollst! Und jetzt weiter! Wir müssen bis heute Abend fertig sein!", sprach sie und es klang endgültig. Dabei hatte sie doch immer noch nicht Bruiwens Frage beantwortet! "Aber, mit was 'fertig', gnädige Frau Zwergin-", wollte sie beharrlich und geknickt nachhaken, doch sie wurde nur mit einem Lachen abgespeist. Es hinterließ sie sprachlos. Warum lachten alle nur, wenn sie etwas sagte? "Nur Geduld, verehrte Elbin, wir sind gleich da. Und ob ich gnädig sein werde, müssen wir noch abwarten", war die letzte Antwort der Zwergenfrau, aus der deutlich zu hören war, dass es ihr Spaß machte, zweideutige Behauptungen fallen zu lassen. Mit einem lauten Seufzen gab Briuwen schließlich auf und folgte der Zwergin einfach, als diese den Weg schließlich fortsetzte. Sie hörte, wie die beiden Zwergenmädchen leise hinter ihrem Rücken kicherten. Eigentlich konnte es doch nichts schlimmes sein, was sie erwartete, oder? Dafür waren alle viel zu gut gelaunt. Eigentlich hatte sie gedacht, Zwerge waren immerzu grimmig und humorlos, weil sie doch in ihren dunklen Höhlen hockten und nichts anderes taten, als sich immer tiefer in den Stein zu graben. Aber zumindest das Volk, dass die Eisenberge bewohnte, schien eine fröhliche Gemeinschaft zu sein. Es dauerte für Briuwen viel zu lange, doch irgendwann, nachdem der Weg sie stetig nach unten führte, kamen sie an einem Ort an, wo es nicht mehr weiterging. Mehrere eiserne Türen waren in die Felswand eingelassen, sodass die Elbin fast dachte, dass sie wieder in einer Art Kerker angekommen waren. Die ältere Zwergin ging voran, öffnete eine der Türen und machte eine einladende Handbewegung. „Bitte sehr, hier erwartet Euch größte Annehmlichkeit der Eisenberge“, sprach sie mit Stolz in der Stimme, und schon bevor Briuwen nur sehen konnte, was sie erwartete, hörte sie es bereits: Gurgelndes Wasser. Sie ging voran und betrat, bemessen an den anderen Höhlen, einen relativ kleinen Raum, in dem ein tiefes Becken in den Boden gemeißelt worden war. Aus einer Öffnung in der Wand sprudelte dampfendes Wasser und zwar reichlich davon, und füllte das Becken bis zum Rand. Ein Überlauf verhinderte, dass der Raum geflutet wurde, indem das überschüssige Wasser in eine Felsspalte floss. „Das ist eine heiße Quelle“, erkannte die Elbin mit verblüffter Miene und erntete dafür ein beflissenes Nicken. „So ist es! Der Berg schenkt uns zwar keine Edelsteine, dafür aber wunderbar heißes Badewasser. Nun aber los, legt Eure Kleidung ab, Róia und Elin werden sie mitnehmen und sehen, ob davon noch etwas zu retten ist. Und hier habt ihr ein Stück Seife. Lasst Euch für euer Bad Zeit. Bis ich wieder da bin, solltet Ihr aber fertig sein“, ordnete die ältere Zwergin an. Dabei lagen die Blicke der drei Zwerginnen erwartungsvoll auf Briuwen, als ob sie nur darauf warteten, dass sie sich auszog. Über Nacktheit und Schamgefühl schienen sie sich nicht viele Gedanken zu machen, und obwohl sich Briuwen ein wenig gehetzt fühlte, wollte sie nun endlich etwas mehr Informationen haben. „Wartet! Ihr behandelt mich so gut – warum? Ich verstehe nicht, was die Absichten des Königs sind. Ihr sprecht die ganze Zeit in Rätseln. Ich bin eine Fremde und vielleicht eine Gefahr, die ihr nicht richtig einschätzen könnt. Warum tut ihr das für mich?“, appellierte sie an die Zwergenfrauen und setzte darauf, durch ihre ehrlichen Worte endlich erhört zu werden. Sie wollte damit zwar nicht sagen, dass sie es sich anders wünschte und wieder in ihre Zelle zurück wollte, doch es beschäftigte sie ohne Ende. Der Blick der älteren Zwergin, der Aufgrund der erneuten Unterbrechung einen strengen Zug angenommen hatte, wurde wieder etwas weicher. „Nun, wir sollen Euch wieder gesellschaftsfähig aussehen lassen, denn ihr werdet heute Abend an dem großen Festessen für Prinz Kíli teilnehmen. Das ist eine große Ehre. Und macht Euch keine Sorgen, Ihr habt mit Eurer Tat Mut und Respekt bewiesen, der König schätzt das sehr“, sagte sie, doch diese Antwort beruhigte Briuwen in keinster Weise. Es wühlte sie sogar noch mehr auf. „Prinz? Ist Kíli ein Prinz?“, fragte sie nach, denn sie hatte schon bei ihrer Ankunft in den Eisenbergen, als sie den verletzten Zwerg gebracht hatte, gehört, wie einige Krieger ihn so genannt hatten. Da war selbst der Fakt, dass es ein Fest geben sollte, in diesem Moment nebensächlich. Nun war es an den Zwerginnen, ungläubig zu schauen, als ob es eine Schande wäre, das nicht zu wissen. „Natürlich ist er das! Zwar kein Prinz der Eisenberge, doch dafür ein Prinz vom Erebor!“, rief die junge Zwergin namens Elin mit Euphorie, als sie die Gelegenheit ergriff und etwas sagte, was die Elbin anscheinend nicht wusste. Da begann die ältere Zwergin zu schimpfen, dass sie sich hier nicht mit Geplauder aufhalten sollten, da dafür ein Andermal auch noch Zeit war. Briuwen sollte endlich ins Wasser steigen, um sich Blut und Dreck vom Körper zu waschen. Um auch bloß nicht mehr unterbrochen zu werden, wurden die Zwergenmädchen nach draußen geschickt. Sie würden Briuwens Kleidung ein wenig später holen, sie sollte die Sachen einfach an der Tür liegen lassen. Was die ältere Zwergin selber vorhatte, sagte sie nicht, doch auch sie verschwand mit den beiden Anderen, sodass Briuwen schließlich ganz alleine war. Das alles musste sie erst einmal sacken lassen. So ruhig und unspektakulär es in ihrem Verlies gewesen war, umso turbulenter hatten sich die vergangenen Augenblicke gestaltet, als müssten sich die langweiligen und die aufwühlenden Momente die Waage halten. Für eine Weile schien Briuwen nun eine Auszeit zu bekommen. Jetzt konnte sie endlich ihre Gedanken ordnen. Und wie sollte dies besser gelingen, als bei einem entspannenden Bad? Rasch entledigte sie sich ihrer vor Schmutz ganz starrer Kleidung und ließ sich dann in das warme Nass gleiten. Ein wohliger Seufzer entfloh ihren Lippen, denn das Wasser tat ihren verspannten Muskeln so gut. Und weil sie sowieso nichts anderes tun konnte, tauchte sie ab und ließ sich von der Wärme einhüllen, wie eine liebevolle Umarmung, durch die man alles andere vergessen konnte, was einen betrübte. --- Ein Fest, welches von Zwergen ausgerichtet wurde, war immer eine ausgelassene Feier, bei der an Nichts gespart wurde. Vor allem nicht an Essen und Getränken. Gute Laune kam meist von ganz alleine auf, wenn ein alter Krieger anfing, eine derbe Geschichte zu erzählen oder jemand eines der vielen Lieder anstimmte, die zur Kultur der Zwergenvölker dazu gehörten. Eigentlich gab es zu allem ein Lied. Natürlich handelten sie von Schlachten und ruhmreichen Taten, von heldenhaften Persönlichkeiten und Königen, manchmal auch von besonderen Orten. Auch besondere Waffen und Schmuckstücke wurden besungen, sowie andere Objekte, die wertvoll genug waren, dass ihnen eine Vertonung zuteil wurde. Doch auch banale Dinge und Begebenheiten konnten zu einem Lied gedichtet werden, das Wetter oder Tiere oder ein liebgewonnener Gegenstand. Außerdem gab es keine Stimmung, die nicht durch eine Melodie ausgedrückt werden konnte, ob Trauer, Freude, Sehnsucht oder Missmut. Mit Abstand am beliebtesten waren jedoch Trinklieder – und natürlich Loblieder auf den König. Die Trinklieder aber kannte jeder, und was hob die Stimmung mehr, als ein Lied, welches aus allen Mündern schallte, die an einem Tisch versammelt waren? Normalerweise gehörte Kíli zu denjenigen, die enthusiastisch einstimmten, sobald ihnen die Melodie bekannt war. Doch heute, obwohl es ein Fest zu seinen Ehern war, konnte er nicht recht entspannen und die Atmosphäre genießen. Er saß an einer langen Tafel, einer von vielen, die im großen Thronsaal aufgestellt worden waren und sein Platz war zur Rechten des Königs, bei dessen Söhnen, Töchtern und Enkeln. Fleißige Hände hatten alles für den Abend und das feierliche Essen vorbereitet. Der Tisch war festlich gedeckt worden und die Speisen, die man aufgetragen hatte, dufteten alle köstlich. Kíli hatte auch Hunger, nur eine Sache trübte seinen Appetit: Der Wein. Es war kein billiges Gesöff, nein, ganz im Gegenteil. Doch er befand es als nicht rechtens, dass er ausgeschenkt wurde, besonders deswegen, weil die 'Spenderin' nicht anwesend war. Er hatte neben sich einen freien Platz und er wusste, wem dieser zugedacht war. Briuwen, der Elbin. Er war neugierig, was sie mit ihr gemacht hatten. König Dáin hatte manchmal einen sehr gewöhnungsbedürftigen Sinn für Humor, so, als wäre er ein verschlagener kleiner Junge. Er machte gern ein großes Geheimnis um alles und tat dann verschwörerisch und mit überzeugend gespieltem Ernst. Das Kind im Manne. Das wurde nur zu deutlich, als er Kíli überschwänglich zuprostete und ihm dabei zuzwinkerte. Ach, hier war alles so anders als dort, wo Kíli eigentlich beheimatet war. Die Verwandtschaftslinie der regierenden Familien der Eisenberge und des Erebor reichte fast fünfhundert auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück, doch hatten sich zwei völlig verschiedene Völker daraus entwickelt. Zwar waren die Zwerge, die den Einsamen Berg bewohnten, im Grunde ihres Herzens ebenfalls gutherzige Leute, doch generell waren sie eher unterkühlt. Allzu deutlich bemerkte Kíli dies an seinem Onkel, König Thorin. Er war ein Mann, der für sein Reich brannte, doch er war finster und verbissen. Natürlich hatte er große Strapazen und Risiken in Kauf genommen, um sein rechtmäßiges Königreich zurückzuerobern, doch hatte der Sieg sein Herz nicht öffnen können. Thorin wirkte immerzu angespannt und auch, wenn Kíli seinen Onkel liebte, da war immer ein Fünkchen Angst vor dem kriegerischen Mann, das niemals verschwand. Hier war es eben anders. Vielleicht war Kíli noch nicht allzu lange hier, um sich völlig daran zu gewöhnen, weswegen er sich in einer Art schwebendem Zustand zwischen den beiden Partien befand. Loyalität empfand er für beide Könige, doch konnte er sich nicht so recht entscheiden, was für ihn selber der beste Ort war. Überhaupt, er war nachdenklicher und ernsthafter geworden. Wahrscheinlich war es die neue Sesshaftigkeit und seine neue Position. Er war ein Prinz, Zweiter in der Thronfolge. Das unbeschwerte 'in den Tag hinein'-Leben war vorbei, denn mit der wichtigen Stellung kam auch Verantwortung, eine Verantwortung, die er bis dato nur für sich selber getragen hatte. Deswegen auch die Ausflüge, die der mit der Wache der Eisenberge unternommen hatte. Weil er draußen in der Wildnis so tun konnte, als wäre er ein einfacher Soldat ohne Privilegien. Und gerade das hatte ihm das größte Abenteuer seit der Schlacht der fünf Heere beschert. Da ging ein Raunen durch die Reihen der Festgäste und die Lieder und das Essen verebbten für eine kurze Zeit. Der letzte noch fehlende Gast kam, der Ehrengast des Abends. Und obwohl die Halle durch die vielen Fackeln schon hell genug beleuchtet wurde, begannen die Lichter erst jetzt richtig zu scheinen. Briuwen war vollkommen gewandelt. Es bestand kein Vergleich mehr zu der niedergeschlagenen Gestalt, die Kíli noch zur späten Mittagszeit gesehen hatte. Sie wirkte um einiges anmutiger und wohlgelaunter, was ihm der Ausdruck ihres makellosen Gesichtes und ihrer geraden Haltung verriet. Ihr langes Haar fiel seidig und glänzend auf ihren Rücken herab und nicht die kleinste Spur zeugte mehr von dem blutigen und schmutzigen Kampf, den sie hinter sich hatte. Was die meisten anwesenden Zwergen wohl auf den ersten Blick sahen, Kíli jedoch erst kurz danach erkannte, war ihr Gewand. Es war aus dunkelgrünem Samt, dem typischen Stoff, der für edle zwergische Kleidung benutzt wurde. Das Kleid ging bis zum Boden und hatte an jedem Saum eine hübsche, aber einfache gestickte Borte, doch es war ihr ein wenig zu groß, weswegen sie um ihre Taille einen ledernen Gürtel trug. Außerdem, und das war eigentlich das Witzige an ihrem Erscheinungsbild, hatte sie einen grauen Mantel um ihre Schultern, der jedoch schon in der Höhe ihrer Kniekehlen endete. Er war ihr also viel zu kurz und das entlockte dem einen oder anderen ein amüsiertes Kichern, weil es ihrem erhabenen elbischen Erscheinungsbild etwas Normales verlieh. „Seid willkommen, Briuwen, Elbin aus Dorwinion“, rief König Dáin laut, sodass ihn fast jeder hören konnte. Kíli bemerkte, dass Briuwen von Gléda begleitet und angeführt wurde, der älteren Zwergin, die so etwas wie die oberste Hausdame des Königreiches war. Ihr oblag die Organisation und Kontrolle der Bediensteten, die sich um den König und die Mitglieder der Königsfamilie kümmerten, doch sie nahm auch andere wichtige Aufgaben wahr, wie die Betreuung wichtiger Gäste. Ihr war wohl auferlegt worden, die Elbin wieder vorzeigbar zu machen – und das war ihr auch gelungen. Gléda brachte Briuwen an den Tisch von Dáin, der die Zwergen mit einem zufriedenen Nicken wieder entließ. Dann breitete er die Arme aus. „Welch strahlendes Juwel an meiner bescheidenen Tafel! Setzt Euch“, sprach er und war anscheinend bester Laune. Briuwen nickte und kam an Kílis Seite. Dort war ein Stuhl mit Sitzkissen bereitgestellt, doch da dieser für Zwergenmaßstäbe gebaut war und die Elbin darauf nie bequem Platz gehabt hätte, schob sie den Stuhl zurück, nahm das Kissen, legte es auf den Boden und kniete sich dann vor dem Tisch nieder. Das bewirkte, dass sie plötzlich kaum größer als die meisten anderen Gäste war, sondern plötzlich auch auf Augenhöhe mit Kíli saß. Sie blickte auf den silbernen Teller, das silberne Besteck und die üppig beladenen Servierplatten und zog belustigt die Augenbrauen hoch. „Und ich dachte, das Bad wäre kostenlos gewesen“, meinte sie, griff dabei nach ihrem mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllten Becher und schwenkte diesen. Es war der Wein Dorwinions. Ein paar Flaschen davon hatte ihr Pferd geladen gehabt. Die Zwerge mussten die Satteltaschen durchsucht und die wertvolle Handelsgut dort gefunden haben. Eigentlich war die Ware sowieso für das Königreich der Eisenberge bestimmt gewesen, doch hatten die Kaufleute erhofft, dafür gutes Geld zu bekommen. Doch jetzt hatten die Zwerge den Wein beschlagnahmt. König Dáin lachte schallend. „Ihr habt genau meine Kragenweite, Elbin! Doch diese Kriegsbeute konnten wir uns nicht entgehen lassen, wenn Ihr versteht, was ich meine“, entgegnete er, doch tatsächlich war seine Aussage mit zweierlei Bedeutung behaftet. Doch genau das wollte er anscheinend sagen, denn sogleich fasste er auch nach seinem Becher und hielt diesen in die Höhe, um Briuwen und allen Anderen zuzuprosten. Alle Gäste am Tisch des Königs taten es ihnen gleich und schon erschallte das nächste Trinklied: Ein Hoch auf den Spender des himmlisch Trankes! So waren alle für einen Moment abgelenkt, sodass Kíli seine Chance nutzte und sich zu Briuwen lehnte. „Es tut mir Leid, dass Ihr das alles über Euch ergehen lassen müsst. Aber der König meint es nicht böse“, sagte er zu ihr und meinte es auch ehrlich. Er hatte mitbekommen, wie anfangs alle sehr misstrauisch ihr gegenüber gewesen waren, doch zum Glück waren sie so besonnen gewesen und hatten Briuwen nicht sofort gerichtet. Erst, als Kíli wieder auf den Beinen gewesen war und alles, was passiert war, hatte erklären können, hatte sich ihre Meinung über die Elbin geändert – und zwar nur über sie. Denn ein freundlich Exemplar bedeutete nicht gleich, dass ihre ganze Sippe ebenso eingestellt war. „Das ist mir mittlerweile bewusst, sonst würde ich hier nicht so ruhig sitzen. Es ist alles in Ordnung“, gab Briuwen zurück und er sah, wie dabei ein Lächeln ihre Lippen umspielte. Sie saß so nahe bei ihm, dass er den Duft der Seife riechen konnte, die sie benutzt haben musste, außerdem war da wieder die besondere Aura, die von ihr ausging, die er auch schon in der Höhle, in der sie zum Schutz vor den Orks und dem Regen untergekommen waren, wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich war das die elbische Magie, die sie regelrecht ausstrahlte. Da merkte Kíli plötzlich, dass er sie schon viel zu lange anstarrte und senkte den Blick wieder. Kurz entstand eine unbehagliche Stille zwischen ihnen. „Kíli, bitte erzählt mir, was geschehen ist, nachdem wir hier in den Eisenbergen ankamen. Ihr seid schwer verletzt gewesen und ich dachte schon, dass Ihr es nicht schaffen würdet...“, sagte Briuwen nach einer Weile und sie wurde dabei etwas leiser, denn es war ein Gespräch, welches nur sie Beide etwas anging. Ihre Stimme hatte eine leicht betrübte Nuance, als ob sie sich die Schuld für seinen damaligen Zustand gab. Doch nicht sie, sondern die Orks hatten ihn verwundet. Als er seinen Kopf hob und ihren blauen Augen mit einem Blick begegnete, der ihr versichern sollte, dass sie mit ihren Befürchtungen unrecht hatte, unterbrach ein lautes Klatschen die Atmosphäre, sodass der ganze Saal erneut verstummte. König Dáin war von seinem Platz aufgestanden und er hielt erneut seinen Becher mit Wein in der Hand. „So wollen wir uns nun alle erheben und gemeinsam die Gläser leeren, zur Feier der Genesung von Prinz Kíli, zum Dank an die Elbin Briuwen und zum Gedenken an die tapferen Kameraden, die ihr Leben im Kampf gegen die Orks lassen mussten!“, rief er überschwänglich und klang dabei schon ein wenig beschwipst, sodass er gerade noch fehlerfrei die Worte sprechen und sein Gleichgewicht halten konnte, als er sein Trinkgefäß mit großer Geste durch die Luft schwang. Für Briuwen war es kein Wunder, dass es ihm so erging, denn bereits ein paar Schlücke zu viel des dorwinion'schen Weines und er entfaltete sogleich seine berauschende Wirkung. Sie und Kíli taten es allen gleich und tranken aus ihrem Becher. Dabei merkten sie Beide, wie alle Blicke auf ihnen lagen. Doch die Leute waren neugierig und die explizite Nennung ihrer Namen bescherte ihnen große Aufmerksamkeit. Langsam setzten sich alle wieder und die Luft der Halle wurde zurückerobert von dem Gerede, Geschnatter und Gegröhle der Menge. Die Feier war fröhlich und ausgelassen, so, wie eine Feier unter Zwergen sein sollte. Doch es gab zwei Gäste, die waren mit ihren Gedanken ganz woanders. Die Höflichkeit gebot es, dass Briuwen etwas von den köstlichen angebotenen Speisen aß und sie hatte auch Hunger, nach all den Tagen, in denen sie nur die zwar sättigende, jedoch einfache Kost in ihrer Zelle gegessen hatte. Auch Kíli langte zu, einfach, um sich zu beschäftigen, da er sonst nicht wohin wusste, mit seinen Händen und seinem Blick. Doch nach einiger Zeit wurde die Spannung einfach zu groß und die Elbin war die Erste, die es nicht mehr aushalten konnte. „Gibt es einen Ort, an dem wir in Ruhe reden können?“, fragte sie, während sie sich ihren Mund mit einer Serviette abtupfte und Kíli rügte sich innerlich, weil er nicht früher darauf gekommen war. „Lasst das nur meine Sorge sein“, erwiderte er zuversichtlich, denn er hatte da schon eine Idee. Er brauchte nur noch einen Vorwand, doch dieser würde ihm auch schon noch einfallen. Deswegen nickte er unauffällig, als würde er in Gedanken den Geschmack seines Essens würdigen und wartete schließlich ab, bis sich eine günstige Gelegenheit ergab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)