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Kakashis Spezialtraining

von

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Prolog


 

~ Prolog ~
 

Eine große, schlanke Gestalt saß im Schatten eines Baumes auf der Lichtung, in deren Mitte drei Holzpfähle aus der Erde ragten. Es war noch früh am Tag, die Sonne war noch nicht vollständig aufgegangen, doch das Licht reichte bereits aus, um die Zeilen des Buches, das die Person in der Hand hielt, lesen zu können. „Hm“, murmelte diese vor sich hin, als ihr gerade eine Idee kam. „Das könnte sogar funktionieren.“ Das Buch wurde geübt mit einer Hand zugeschlagen. „Und das hätte auch noch einen entscheidenden Vorteil für mich.“ Schmale Lippen formten ein Schmunzeln, das jedoch unter dem schwarzen Mundschutz verborgen blieb.

Kapitel 1 – Spezialtraining – oder auch: Fesselspielchen

Kaum hatte Naruto seine Wohnung verlassen, sah er eine bekannte Silhouette. Er versteckte sich automatisch hinter einer Mülltonne, um nicht gesehen zu werden. Die Aussicht, den ganzen Weg bis zum Treffpunkt von Team 7 neben Sasuke hergehen zu müssen, wenn der andere sich kaum dazu herabließ, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln, war nicht gerade das, was sich Naruto an einem frühen Montagmorgen wünschte. Er hatte ohnehin nicht genug geschlafen, denn Kakashi hatte für heute einen ungewöhnlich frühen Zeitpunkt gewählt. Irgendwie ließ allein diese Tatsache Naruto glauben, dass etwas Wichtiges bevorstand. Und vor allem, dass Kakashi dann auch tatsächlich pünktlich kommen würde. Aber man würde ihn schon noch eines Besseren belehren.

„Du bist echt eine Niete im Anschleichen, Usuratonkachi“, hörte Naruto plötzlich eine herablassende Stimme. Sasuke drehte sich um und schaute in die Richtung, in der Naruto hinter einem Mauervorsprung versteckt stand. Er war ihm bereits etwa hundert Meter gefolgt, doch scheinbar nicht unauffällig genug.

Jetzt trat er offen aus seinem Versteck hervor und grinste. „Das habe ich auch gar nicht versucht, dattebayo!“, log er und schlenderte selbstbewusst mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf Sasuke zu.

„Ach ja?“, kam es ungläubig zurück. „Was sollte dieses Versteckspiel hinter Mülltonnen und Mauern dann?“

Naruto schluckte. Verdammt. Er hat mich wirklich schon von Anfang an bemerkt. Wie rede ich mich da jetzt wieder raus? „Ich wollte nur testen, wie fit du am frühen Morgen bist, Teme.“

„Fitter als du“, konterte er. „Du hast Ringe unter den Augen.“

Überrascht hob Naruto die Augenbrauen und ließ unbewusst seine Arme sinken. Ist das so auffällig? Wie genau sieht er mich an, dass er das sofort bemerkt? Er blieb ein paar Schritte vor Sasuke stehen. „Trotzdem bin ich fitter als du“, behauptete er und schlug vor: „Wie wäre es mit einem kleinen Wettrennen, um das zu testen?“

Nun hob sich eine Augenbraue Sasukes. „Bis zum Treffpunkt?“ Es war offensichtlich, dass er Interesse an diesem Wettkampf zeigte, auch wenn er versuchte, seine Stimme teilnahmslos klingen zu lassen.

„Wer zuerst das Brückengeländer berührt, hat gewonnen“, legte Naruto die Regeln fest. Er grinste und fügte noch hinzu: „Und wer verliert, muss dem anderen einen ausgeben.“

„Du meinst, die Rechnung bei Ichiraku bezahlen?“, kam es sogleich zurück.

„Genau“, grinste Naruto. Sasuke hatte augenblicklich gewusst, was er meinte.

„Daraus wird aber nichts“, meinte er dann und zuckte mit den Schultern. „Denn wenn ich gewinne, dann will ich nicht zu Ichiraku. Ich will dann etwas Richtiges essen und nicht nur Suppe. Suppe ist eine Vorspeise.“

„Ramen ist nicht nur eine Suppe!“, wehrte Naruto ab. Er fühlte sich stets persönlich angegriffen, wenn man etwas Schlechtes über sein Lieblingsgericht sagte. Sasuke wusste das selbstverständlich. „Und vor allem keine Vorspeise!“, ereiferte Naruto sich weiter. „Ramen ist das leckerste Gericht, was es gibt!“

„Tss“, machte Sasuke. „Das ist deine Meinung.“ Er wandte sich wieder in die Richtung, in die er ursprünglich gegangen war. „Auf drei.“

Naruto drehte sich ebenfalls, richtete seinen Blick nach Osten und begann zu zählen: „Eins.“ Er hob seine Hände vor seine Brust. „Zwei.“ Sasukes Kopf zuckte zu ihm herüber, weil er die Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen hatte. Er erkannte das Fingerzeichen sofort. „Kagebunshin no Jutsu!

Im ersten Moment war Sasuke verwirrt, ob das nun das Startzeichen für ihr Wettrennen war oder nicht, doch als Naruto – zu fünft – loslief, zögerte er nicht länger. Dieser Cheater!, dachte Sasuke, als er losrannte. Er glaubt auch, dass er bessere Chancen hat, nur weil er zu mehreren ist. Doch da glaubt er falsch. Er überholte den ersten der Kagebunshin, der ein wenig zurückgefallen war, weil die Straße nicht breit genug war, sodass alle Klone hätten nebeneinanderher laufen können. Außerdem, dachte er und ließ seinen Arm nach hinten schnellen, schlug dem Kagebunshin hart in die Brust, sodass er im Nichts verpuffte, muss ich seine Doppelgänger ja nicht lange am Leben lassen.

Er holte den nächsten ein und tat dasselbe. Die anderen drei retteten sich jetzt nach links und rechts auf die Dächer der umstehenden Häuser. Sasuke entschied sich, die Seite zu nehmen, auf die zwei geflohen waren, um dieses Spiel schneller zu beenden. Er vermutete, dass der eine der echte Naruto war und den anderen nur zum Schutz bei sich hatte. Die beiden schauten schon ängstlich zu ihm zurück. Sie wussten genau, was ihnen blühte. Bei dem Anblick umspielte Sasukes Lippen ein sadistisches Lächeln.

„Schneller! Schneller!“, trieb der eine den anderen an. Sasuke war sich relativ sicher, dass derjenige der Echte sein musste. Es war ihm jedoch gleich. Er stieß sich von den Dachziegeln ab, kickte mit einem Bein den einen nach links und schlug gleichzeitig mit einem Arm den anderen nach rechts. Während Sasuke weiterlief, lauschte er dem Geräusch, mit dem sie sich auflösten. Es waren beide Kagebunshin gewesen. Da hatte er sich wohl verschätzt.

Er schaute hinüber zu dem letzten der fünf und wusste nun sicher, dieser war der echte Naruto. Diesen musste er in den nächsten 1000 Metern überholen, denn da war ihr Ziel. Er überlegte, ob er ihn wirklich nur überholen oder einfach dasselbe mit ihm machen sollte wie mit seinen Kagebunshin. Er beschleunigte und sprang in hohem Bogen über die Dorfstraße hinweg, landete am Rande des Daches der Häuserreihe auf der anderen Seite – auf Narutos Seite. Er war dadurch ein paar Meter zurückgefallen, die er nun erst wieder aufholen musste. Kurz bevor er Naruto erreichte, entschied er, dass es nicht nötig war, fair zu bleiben. Schließlich hatte dieses Wettrennen bereits alles andere als fair begonnen. Deshalb zog er gleich mit seinem Rivalen und wollte eine Hand gegen sein Knie drücken, damit Naruto das Gleichgewicht verlor, stolperte und vom Dach stürzte, wenn er sich nicht rechtzeitig wieder abfangen konnte. Doch auch wenn er das nicht tat, würde der Vorsprung wohl genügen, um zuerst bei der Brücke zu sein.

Sasuke streckte einen Arm aus, erwischte Naruto jedoch nur am Schenkel, aber es reichte aus, um ihn bei dieser Geschwindigkeit aus der Bahn zu werfen. Er flog vornüber, fing sich blitzschnell mit seinen Händen ab und rannte dann weiter. Er war nun maximal zwei Meter im Rückstand. Das war nicht ganz das Ergebnis, dass sich Sasuke erhofft hatte. Er musste wohl schwerere Geschütze auffahren.

Katon: Goukakyuu no Jutsu!“, rief er, nachdem er die notwendigen Siegel mit seinen Händen geformt hatte, und wandte sich, rückwärts weiterlaufend, um, um den Feuerball in Narutos Richtung rollen zu lassen.

„Aah!“, schrie dieser, als er die Flammen sah und wich zur Seite aus, ganz an den Rand des Daches. Ein Stück eines Dachziegels brach unter seinem Fuß ab und brachte ihn zu Fall. Sasuke hielt erschrocken inne. Was, wenn ihm wirklich etwas passierte? Wenn er ungeschickt auf der Wirbelsäule aufkam? Wenn er sich den Kopf verletzte? Doch noch bevor Sasuke auch nur hatte zum Rand des Daches rennen können, kam Naruto bereits wieder heraufgesprungen. Entsetzt begriff Sasuke, dass der Wettlauf noch nicht vorbei war und er sich – vor lauter Sorge – die Chance hatte entgehen lassen, den Vorsprung zu nutzen und ins Ziel zu gelangen. Bis er sich wieder umgewandt hatte und losgelaufen war, hatte Naruto den Abstand zu ihm bereits ausgelöscht. Plötzlich war er neben ihm. Sasuke wollte ihm eigentlich nicht wehtun, doch noch weniger wollte er diesen Wettkampf verlieren, deshalb legte er einiges an Kraft in seinen nächsten Schlag und traf Naruto damit in den Magen. Naruto, der definitiv nicht mit einem solchem direkten Angriff gerechnet hatte, krümmte sich, legte seine Hände an seinen Bauch und fiel nach hinten. Noch bevor er allerdings auf dem Dach aufkam, verpuffte er in der Luft.

„Was?!“, entfuhr es Sasuke und schaute sich um. Das konnte doch nicht… Wie hat er…? Doch im nächsten Moment begriff er, denn er wandte den Blick wieder geradeaus in Richtung Ziel und sah Naruto – den echten Naruto – kurz vor der Brücke. Er muss noch einen weiteren Kagebunshin gemacht haben, ohne dass ich es bemerkt habe. Wahrscheinlich sogar während ich die anderen ausgeschaltet habe. Dieser…! Sasukes Wut ließ ihn zur Höchstform auflaufen, doch es waren nur noch wenige Meter bis zur Brücke, und er wusste, dass diese Distanz nicht mehr ausreichen würde, um Naruto noch einzuholen. Keine seiner Attacken hätte ihn jetzt noch stoppen können. Und er hatte keine Zeit mehr dafür. Er sprang vom Dach des letzten Hauses dieser Straße und rannte über die Wiese, die letzten hundert Meter, die ihn noch von der Brücke trennten. Bis zum Schluss verlangsamte er seine Schritte nicht. Als hoffte er auf ein Wunder, das Naruto davon abhielt, ins Ziel zu gelangen.

Dieser lehnte sich nun eilig gegen das Geländer und tat so, als wäre er schon seit einer Ewigkeit dort und wartete. Sasuke erreichte das Ziel nur kurz nach ihm und lief noch ein paar Meter weiter; er konnte so schnell nicht abbremsen. Schließlich hielt er an, am anderen Ende der Brücke, und stützte sich mit ausgestreckten Armen schwer keuchend gegen das Geländer. Wenn er nicht so außer Puste gewesen wäre, wäre er wahrscheinlich direkt auf Naruto losgegangen. Aber er wusste, dass das keinen Sinn hatte. Das Rennen war vorbei. Er hatte verloren. Dennoch konnte er seine Wut nicht verbergen. „Das war nicht fair, Usuratonkachi.“

„Doch“, widersprach Naruto und kam grinsend zu ihm herüber. „Es war alles erlaubt. Meine Technik war nur besser.“

Sasuke schüttelte nur den Kopf. Er konnte und wollte nicht mit ihm darüber diskutieren. Das war unter seiner Würde. Er schämte sich schon genug dafür, dass er versagt hatte. Er legte seine Unterarme auf dem Geländer ab und ruhte sich aus, brachte seinen rasenden Puls allmählich wieder unter Kontrolle. Er hoffte, dass Kakashi nicht allzu früh herkommen würde und ihn in diesem Zustand sah. Geschlagen von diesem Kind, das sich garantiert nicht zurückhalten und seinen Sieg verschweigen würde.

Naruto hatte sich vorerst wortlos neben ihn gestellt und sich umgewandt, sodass er ebenfalls über die Brüstung ins Wasser hinuntersehen konnte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und legte sie auf dem Geländer ab. „Es war ziemlich knapp.“

Sasuke schaute überrascht zur Seite zu Naruto, der weiterhin in das fließende Wasser hinabblickte. Er hätte nicht gedacht, dass der andere das ihm oder auch nur sich selbst eingestehen würde. Dass er auch nur ein Stück von seinem Sieg dafür aufopferte, um dem Verlierer ein Kompliment zu machen. Sasuke wusste nicht, was er darauf sagen sollte.

„Ah, ich bin fix und alle!“, jammerte Naruto dann plötzlich und ließ seine Stirn auf seine Arme sinken. „Ich hoffe, dass Kakashi heute keine allzu anstrengende Mission für uns hat.“

„Bis der kommt, bist du sicher wieder fit“, meinte Sasuke, der genau wusste, wie schwer es war, Naruto an die Grenzen seiner Ausdauer zu bringen. Er wirkte auch jetzt nicht erschöpft auf ihn. Tut er nur so, als hätte ihn dieses Rennen ausgelaugt? Wozu? Um mich nicht noch mehr zu erniedrigen? Er hörte ihn weder schwer atmen, noch sah er irgendwelche Anzeichen von Schweiß. Es war Sasukes eigene Brust, die sich noch ungewöhnlich schnell hob und senkte. Er hatte den Blonden immer um sein Durchhaltevermögen beneidet.

„Dazu müsste ich erst noch Schlaf nachholen“, sagte dieser kopfschüttelnd an den Boden gerichtet.

„Warum hast du denn so wenig geschlafen?“, fragte Sasuke, bevor er sich davon abhalten konnte. Augenblicklich wandte er den Blick ab. Wie konnte er so eine Frage stellen, die so viel Interesse zeigte? Naruto entging das nicht. Er fragte sich dasselbe. Er drehte seinen Kopf zur Seite und schaute zu Sasuke hinüber, von dessen Kopf er gerade jedoch nur seine Haare sehen konnte.

„Ich habe gestern Abend noch ziemlich lange trainiert“, antwortete Naruto schließlich. Sasuke schnaubte. Genau das war sie, diese Unermüdlichkeit. Er kannte sie. Er hatte sie schon oft genug beim anderen beobachten können. Und er hatte stets versucht mitzuhalten. Meist war er gescheitert. Doch er erinnerte sich an die Zeit im Wellen-Reich, an das Training dort, bei dem sie senkrecht einen Baum hinauflaufen sollten. Und er erinnerte sich, wie er Naruto zu ihrer Unterkunft zurückgetragen hatte. Er wusste nicht genau, warum. Aber aus irgendeinem Grund war diese Erinnerung eine, an die er ziemlich oft zurückdachte.

Lange sagte keiner mehr ein Wort. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Irgendwann, als sich sein Atem längst wieder beruhigt hatte, wagte Sasuke es, wieder zu sprechen: „Eins will ich noch wissen: Wann hast du den fünften Kagebunshin gemacht?“

Er drehte Naruto sein Gesicht zu und dieser tat es ihm gleich. Auf seinen Lippen lag ein amüsiertes Lächeln. Ob es daher kam, dass er Interesse an Narutos Taktik zeigte oder dass er einfach nur verstehen wollte, wo sein Fehler gelegen hatte, wusste Sasuke nicht. Wahrscheinlich belustigte es den Blonden einfach nur, dass er mit dieser Niederlage noch nicht ganz abgeschlossen zu haben schien.

„Als ich auf das Dach gesprungen bin“, antwortete er bereitwillig und Sasuke glaubte, dass er die Stelle meinte, nachdem er vom Dach gefallen und wieder heraufgekommen war. Doch Naruto erklärte weiter: „Da hast du mich für einen Moment nicht beachtet und bist sowieso auf die linke Seite zu den anderen beiden gesprungen; da hatte ich auf der rechten genug Zeit, um einen Kagebunshin an meiner Stelle übers Dach laufen zu lassen, während ich ungesehen in der Parallelstraße auf dem Boden weitergerannt bin.“ Sasuke musste sich eingestehen, dass Naruto diese Strategie wohl tatsächlich schon von Anfang an gehabt und sie sich nicht nur von selbst ergeben hatte, weil er ihn mit seiner Attacke vom Dach gezwungen hatte. Er hatte sich anscheinend wirklich verbessert, was taktisches Denken anging.

„Ah“, machte Sasuke zum Zeichen, dass er ihm zugehört und seine Erklärung verstanden hatte. Es sollte keine Anerkennung in diesem Laut stecken, doch ehe er sich versah, hatte er ihn trotzdem gelobt. „Schlauer Schachzug“, musste er zugeben.

„He, he!“, lachte Naruto stolz auf.

„Glaub aber bloß nicht, dass ich dich noch einmal gewinnen lasse“, kündigte Sasuke an. „Das passiert mir kein zweites Mal.“

„Das will ich doch hoffen“, entgegnete Naruto. „Sonst wäre es ja viel zu einfach.“

Sasuke schnaubte abermals. „Lass dir diesen kleinen Sieg bloß nicht zu Kopf steigen.“

„Heute Abend geht es zu Ichiraku~!“, frohlockte Naruto.

„Ach“, seufzte Sasuke. „Das habe ich schon wieder komplett vergessen.“

„Ich aber nicht“, kam es gut gelaunt zurück. „Ich bin momentan sowieso knapp bei Kasse. Das trifft sich wirklich gut.“ Der Blonde zeigte ihm ein breites Grinsen. Dann verschwand es mit einem Mal. „Wo ist eigentlich Sakura?“, war seine nächste Frage. Sie kam normalerweise nie zu spät zum Treffpunkt. Hatte Kakashi etwa vergessen, ihr Bescheid zu geben? Das war ausgeschlossen. War möglicherweise etwas passiert? „Na, Sasuke“, versuchte er es noch einmal, dem Schweigsamen neben ihm eine Antwort zu entlocken. „Glaubst du, es ist etwas pa–?“

„Yo“, sagte Kakashi just in diesen Moment, nachdem er neben den beiden auf dem Geländer erschienen war.

„Kakashi-sensei!“, beschwerte sich Naruto über die Verspätung. „Die ausgemachte Uhrzeit war vor Stunden!“

Warui, warui“, entschuldigte sich ihr Trainer. „Ich musste einer meiner Schü–“

Usotsuki“, beschimpfte Naruto ihn kurzerhand.

„Wo ist Sakura-san?“, fragte Sasuke dann ruhig.

„Sakura-san brauchen wir heute nicht“, sagte Kakashi nur und die beiden Shinobi schauten ihn ungläubig an – jeder auf seine mehr oder weniger dezente Weise. „Heute beginnt ein spezielles Training für euch beide.“

„Spezielles Training?“, echote Naruto. Sasuke schaute seinen Lehrer nur misstrauisch an. Ihm schwante Übles.

„Ja“, sagte Kakashi nur selbstverständlich, als gehörte das in den Ausbildungsplan eines jeden Ninja.

„Und wofür?“, fragte Naruto sofort.

„Um euren Teamzusammenhalt zu stärken“, erklärte Kakashi.

„Und warum muss Sakura dann nicht mittrainieren?“, wollte Naruto empört wissen. „Sie gehört schließlich auch zu Team 7.“

„Ihr beide seid es, die nicht als Team zusammenarbeiten, deswegen. Sakura bekommt in der Zeit eine andere Art von Spezialtraining, um sich weiterzuentwickeln.“

Shannarooo!“, fluchte Sakura in diesem Moment einige Kilometer weit entfernt. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Sie warf einen keinen Berg zusammengerollter Plakate verschiedener Größen vor sich auf den Boden. „Warum soll ich Werbung für einen Film machen, der den bescheuerten Namen ‚Icha Icha Paradise’ trägt?“ Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und schaute hinauf zu der großen Holzwand, an der ein altes Plakat hing, das schon ziemlich mitgenommen aussah. Es sollte – wie hunderte von anderen Plakate in der Stadt – durch die neuen Filmplakate ersetzt werden. Sie wollte gar nicht daran denken, wie lange sie brauchen würde, bis sie damit fertig war. „Warum soll Plakateaufhängen ein gutes Training für mich sein?!“

„So“, meinte Kakashi dann in Aufbruchsstimmung und mit einem Lächeln im Gesicht. „Jetzt fangen wir einmal ganz von vorne an und spielen einfach ein paar Situationen durch, in die ihr während einer Mission kommen könntet.“ Sasuke hob eine Augenbraue. Diese Einleitung gefiel ihm gar nicht. Es klang, als hätte Kakashi Spaß daran, sich Szenarien auszudenken. Oder Szenen aus einem seiner Lieblingsbücher nachzuspielen.

„Also, folgende Situation“, begann er zu erklären. „Ihr beide seid vom Feind besiegt und gefangen genommen worden.“

„Unrealistisch“, warf Naruto ein.

Kakashi blickte ihn mit einem strengen Blick an, fuhr dann jedoch fort: „Ihr wurdet gefesselt und müsst euch nun befreien. Sasuke-kun ist bewusstlos und Na–“

„Ha, ha!“, brach es schadenfroh aus Naruto heraus. Sasuke schaute ihn mit einem vernichtenden Blick an.

Kakashi seufzte. Er fürchtete, dass die Umsetzung seines Vorhabens anstrengender werden könnte als geplant. „Ihr wart beide bewusstlos, nur bist du früher aufgewacht“, fügte Kakashi hinzu.

Naruto schnaubte. „Immerhin“, sagte er stolz. Kakashi schaute ihn noch einen Moment länger mit seinem ausdruckslosen Auge an, das nicht verriet, wie genervt er war, dass man seine Fantasie immer wieder unterbrach. Schließlich hatte er nichts wirklich vorbereitet. Er improvisierte gerade. Jetzt brachte er seine Hände zusammen, formte ein paar Fingerzeichen und im nächsten Moment erschien ein Seil, das sich auf seine beiden Lehrlinge stürzte. Sasuke reagierte instinktiv und schnell genug, konnte dem Angriff ausweichen. Naruto dagegen war in wenigen Sekunden gefesselt. Er hatte auch viel mehr darauf geachtet, was sein Mitstreiter getan hatte. Jetzt zappelte er in seinen Fesseln und Sasuke schaute nur von dem Ast herab, auf den er sich gerettet hatte, und schnaubte verächtlich.

„Du hättest eigentlich nicht ausweichen sollen, Sasuke-kun“, ließ sein Trainer ihn wissen. „Ich habe euch doch extra vorher die Situation geschildert.“

Naruto grinste hörbar mit einem leisen: „He, he.“ Dass er gefesselt war, schien ihn nicht zu stören. Er würde jetzt wahrscheinlich sogar behaupten, dass er das absichtlich mit sich hatte machen lassen.

„Sei still, Usuratonkachi“, keifte Sasuke zurück. „Ich lasse mich eben nicht mit einer so schwachen Attacke einfangen.“

Naruto zog einen Schmollmund. „Genug“, war alles, was Kakashi sagte, bevor Sasuke plötzlich auf dem Ast zu schwanken begann. Ein weiteres Seil hatte sich unbemerkt von hinten angeschlichen und seine Hände zusammengeschnürt. Kakashi hätte es viel mehr gefallen, wenn die beiden Rücken an Rücken mit demselben Seil gefesselt gewesen wären, doch was sollte man machen. Es verlief eben nicht immer alles nach Plan. „Fang ihn auf, Naruto.“

„Was?“, entfuhr es diesem, doch er begriff sofort. Er rannte los und stellte sich unter Sasuke auf. Zuerst wusste er jedoch nicht, wie er mit auf den Rücken gebundenen Händen jemanden auffangen sollte, dessen Hände ebenfalls gefesselt waren. Sasuke würde sich ja nicht einmal selbst abfangen können. Es war deutlich zu sehen, wie Naruto in Erwägung zog, sich hinzusetzen und den anderen mit seinem Schoß aufzufangen. Er hatte bereits mit seinem Hintern den Boden berührt, da nahm er ihn jedoch wieder hoch und kniete sich hin, beugte seinen Oberkörper nach vorn, drehte den Kopf herum und öffnete die Hände auf seinem Rücken, so weit ihm das trotz der Fesseln möglich war.

Sasuke allerdings schien gar nicht mehr zu fallen. Diese Balance ist echt erstaunlich, dachte Kakashi bei sich. Das werde ich mir auch noch zunutze machen… Aber jetzt stört sie mich ein bisschen. Sasuke hatte sich schon fast wieder vollkommen ins Gleichgewicht gebracht, da erschien ein Bunshin in Kakashis Gestalt hinter ihm und gab ihm einen kräftigen Schubs, bevor er sich winkend verabschiedete und verpuffte.

„Kuso“, fluchte Sasuke leise und versuchte, sich im Flug so zu drehen, dass er neben Naruto und auf den Füßen landen würde, wie eine Katze das konnte. Und das gelang ihm auch. Nur stürzte sich Naruto noch von der Seite unter ihn, in der Hoffnung, seinen Fall zu bremsen. Was er jedoch tat, war im Endeffekt, seine Hände an Sasukes Po zu legen, mit seinem Rücken gegen ihn zu rammen und ihn aus dem Gleichgewicht bringen, sodass er nach hinten fiel und sie nun – Naruto kniend und Sasuke mit halb ausgestreckten Beinen schon fast liegend – Rücken an Rücken waren.

Dobe!“, fuhr der Dunkelhaarige ihn an und schlug gegen Narutos Rücken, so gut ihm das mit zusammengebundenen Handgelenken möglich war. „Ich habe deine Hilfe nicht gebraucht!“ Er hatte einen leichten roten Schimmer auf den Wangen. Es war mehr als klar, warum. Kakashi schmunzelte. Wenn es nicht vorhersehbar ist, ist es eigentlich sogar spannender…

„Nimm deine Pfoten weg!“, fuhr Sasuke den Blonden an und wollte sich von dessen Rücken rollen, doch er hielt inne, als sein Ausbilder sprach.

„Na, na, Sasuke-kun“, mahnte Kakashi jetzt milde. „Du bist in diesem Szenario bewusstlos, schon vergessen?“ Der Angesprochene knirschte mit den Zähnen, mied seinen Blick und rollte sich dennoch eigenständig vom Rücken des anderen herunter, da Naruto gerade versuchte, ihn mit seinen Fingern von sich zu schieben – also seinen Hintern. Das konnte er nicht zulassen. Der Stoff seiner Hose war einfach zu dünn. Er spürte die Wärme jeder einzelnen Fingerkuppe von Narutos heißen Händen.

„Wenn ich bewusstlos gewesen wäre, wäre ich nicht von einem Baum gefallen“, rechtfertigte Sasuke sein Handeln und stand auf. „Und wenn doch, dann hätte ich es nicht überlebt, wenn nur ein Dobe wie der hier da gewesen wäre, um mich aufzufangen.“

Oi, Teme!“, brauste Naruto auf.

Yare, yare“, murmelte Kakashi leise. „Jetzt aber wirklich. Konzentriert euch auf eure Aufgabe. Ihr wollt doch besser werden, oder nicht? Dieses Spezialtraining wird Wunder wirken, glaubt mir.“ Es könnte wirklich ein Wunder sein, wenn die beiden sich zusammengerauft bekommen…

Yoooshi!“, sagte Naruto jäh entschlossen und sprang auf die Beine. Die Aussicht, durch dieses intensiv betreute Training mit Kakashi wertvolle Dinge zu lernen, spornte ihn an. Enthusiastisch rückte er von hinten an Sasuke heran, der Naruto seine gefesselten Handgelenke entgegenhielt. Es war jedoch eher unabsichtlich, denn er versuchte gerade, sich selbst zu befreien. Er wollte das Siegel für das Kawarimi no Jutsu formen, mit dem er den Platz mit einem Stück Holz tauschen wollte, doch in diesem Moment begannen Narutos Hände an den seinen herumzufummeln.

„Hör auf, Usuratonkachi!“, fauchte Sasuke und schlug mit seinen Fingern die Hände des anderen fort.

„Na, na“, kam es wieder von Kakashi. „Du befreist dich nicht selbst, Sasuke-kun. Das ist Narutos Aufgabe.“

„Aber wenn er zu blöd dazu ist“, beschwerte er sich. „Er müsste doch nur –“

Kakashi schüttelte den Kopf und schwang strafend einen Finger. „Ah-ah. Nicht helfen.“ Sasuke fluchte mit zusammengebissenen Zähnen.

Naruto gab es derweil auf, es mit den Händen zu versuchen, den anderen von seinen Fesseln zu befreien. Der Knoten saß zu fest. Er drehte sich um und brachte sich auf den Knien hinter Sasuke in Position.

„Was hast du vor, Usuratonkachi?“, wollte Sasuke beunruhigt wissen. Ihm gefiel diese Stellung gar nicht. Er hatte auch eine ungute Vorstellung davon, wie das Ganze aus Kakashis Perspektive aussehen musste.

Naruto antwortete nicht, sondern beugte sich nach vorn und biss in die Fesseln hinein. Sasuke stand plötzlich stocksteif da. Seine Gesichtsfarbe wurde immer dunkler. Er spürte sowohl die weichen Lippen des anderen an der empfindlichen Haut seines Handgelenks, als auch seine Zähne, die ihn ab und zu streiften. Schlimmer noch war jedoch der heiße Luftzug, den er bei jedem Ausatmen spüren konnte.

Sasuke fluchte wortlos, weil er wusste, dass er sich gerade nicht widersetzen konnte. Wenn er es versuchte, würde Kakashi ihn wieder rügen und außerdem würde er Naruto, wenn er sich diesem entziehen wollte, wahrscheinlich nur hinter sich her schleifen, so verbissen wie er sich mit seinen Zähnen an dem Seil festhielt. Er versuchte also durchzuhalten und sich einzureden, dass das sein musste. Es war Training. Es war wichtig. Es war unverzichtbar. Es würde ihn stärker machen und vor solchen Erniedrigungen in Zukunft schützen. Es dauerte nicht lange und er würde herausfinden, dass das noch nicht so schnell der Fall sein würde.

„Ich hab’s gleich“, nuschelte Naruto mit dem Seil im Mund und drückte seine Nase noch ein letztes Mal in Sasukes Rücken, bevor er den Strang durchgebissen hatte und Sasukes Hände befreit waren. Sofort nahm dieser sie vor seinen Körper und ging auf Abstand. Hastig rieb er das Gefühl von Narutos Lippen von seinen Handgelenken. Und diesen leicht feuchten Film, den sein heißer Atem hinterlassen hatte.

„Jetzt könntest du noch gnädigerweise Naruto von seinen Fesseln befreien“, kam Kakashis Einwurf. Mehr als widerwillig drehte Sasuke sich dem Blonden zu und nahm seine freien Hände, benutzte sie jedoch nicht zum Aufknoten oder dazu, ein Kunai herauszuholen, um das Seil durchzuschneiden. Er formte einige Fingerzeichen und sagte: „Katon: Goukakyuu no Jutsu!“, bevor er Feuer spuckte und gezielt die Fesseln abbrannte – und noch ein wenig mehr. Naruto erschrak gewaltig, als er plötzlich die Hitze des Feuers hinter ihm spürte. Sasuke empfand es nur als gerechte Strafe. Für sein Verständnis hatte er Hitze mit Hitze vergolten.

„Bist du wahnsinnig?!“, explodierte Naruto. „Willst du mich grillen?“

Sasuke ignorierte ihn. „Was soll dieses Training bringen, Kakashi–sensei?“, fragte er an ihren Coach gewandt.

„Genau!“, pflichtete Naruto ihm bei. „Das bringt doch nichts! Und es ist lebensgefährlich mit dem da!“

Kakashi schüttelte nur den Kopf. „Okay, überspringen wir die Basics und hoffen, dass ihr es auch ohne sie hinbekommt.“

„Dass wir was hinbekommen?“, wollte Sasuke wissen.

Kakashi schaute ihm direkt ins Gesicht und nach einer Spannungspause antwortete er: „Die neue Technik, die ich euch beibringen will.“

„Eine neue Technik?!“, brach es aus Naruto begeistert heraus. „Das klingt super, dattebayo!“ Sasuke schaute nur geringschätzig zu Naruto herüber. Er lässt sich immer so leicht um den Finger wickeln.

Kakashi nickte nur. „Also, fangen wir an.“ Er rieb sich die Hände. „Was ihr zunächst tun musst, ist ganz einfach.“ Naruto hing an den Lippen seines Lehrers, während Sasuke nicht weniger interessiert hätte schauen können. Er glaubte Kakashi nicht. „Ihr müsst nur gegen die Strömung schwimmen.“ Er zeigte auf den Fluss, der nicht gerade ein reißender Strom war.

„Das ist alles?“, fragte Naruto. Sasuke schnaubte nur. Jetzt war er sich sicher, dass Kakashi nur Märchen erzählte.

„Nicht ganz“, entgegnete ihr Ausbilder und wanderte gemütlich ans Ufer. Die beiden warfen sich einen Blick zu und folgten ihm zögerlich. „Eine kleine Schwierigkeit gibt es dabei noch.“

„Und die wäre?“, wollte Sasuke ungeduldig wissen. Es war offensichtlich, dass er kein Vertrauen darin hatte, dass dieses Training besonders sinnvoll werden würde.

Kakashis Auge schien zu grinsen, als er sagte: „Ihr müsst zusammen schwimmen.“ Die beiden runzelten die Stirn. Doch bevor auch nur einer etwas fragen konnte, meinte Kakashi: „Stellt euch einmal näher nebeneinander.“ Naruto folgte der Anweisung und machte einen Schritt zu Sasuke herüber. Er glaubte, dass Kakashi die Körpergröße der beiden vergleichen würde. Auch als er ein Seil aus seiner Tasche holte, glaubte er auch noch, dass es ein Maßband sein könnte. Doch dieses Seil legte er jetzt um Narutos Oberarm, und auch um den Sasukes, bevor er einen starken Knoten machte, der die beiden Arme zusammenband.

„Was…?“, begann Sasuke, doch er hielt inne, als Kakashi das Seil auch noch zwischen seinen Beinen hindurchführte und es um seinen Schenkel band. „Was soll das?“, fragte Sasuke nun alarmiert.

„Ihr werdet jetzt mit nur einem Arm und einem Bein im Fluss schwimmen“, erklärte Kakashi. „Den jeweils anderen Part übernimmt der andere.“

„Und wozu soll das gut sein?“, wollte Naruto aufbrausend wissen, wobei er bereits Sasukes Arm mit in die Luft zwang, als er seinen eigenen in seiner Entrüstung nach oben warf.

„Teamwork“, sagte Kakashi nur. „Teamwork dayo.“ Mit diesen Worten gab er den beiden Aneinandergeknoteten einen Schubs und warf sie ins Wasser.

Oi!“, rief Naruto empört und versuchte, sich noch irgendwo festzuhalten, doch Sasuke versuchte dasselbe und so brachten sie sich gegenseitig aus dem Gleichgewicht. Mit einem lauten Platsch kamen sie auf der Wasseroberfläche auf und Kakashi schaute mit einem neugierigen Blick ins Wasser hinab. Die beiden Gefesselten strampelten sich an die Oberfläche zurück und schnappten nach Luft. „Schwimm!“, befahl Sasuke ihm, der bereits versuchte, sie davon abzuhalten, noch weiter flussabwärts zu driften. Naruto ließ sich das nicht zweimal sagen, doch es schien unmöglich, synchron dabei zu werden, und alles andere nützte nichts. Beide zappelten mit den aneinandergebundenen Gliedmaßen ebenso viel wie mit den freien und zerrten dadurch nur unnötig am Körper des anderen und hinderten ihn daran voranzukommen. Die Kleider, die sie trugen und nun durch und durch nass waren, machten es ihnen noch zusätzlich schwerer. Immer wieder tauchten sie unter die Oberfläche und schluckten Wasser.

„Arm, Bein“, begann Sasuke schließlich, als er genug Atem dafür hatte. „Arm, Bein“, setzte er den Rhythmus fort. „A, B.“ Naruto verstand ihn zuerst nicht, was er sagte und was das sollte, doch dann begriff er, was der andere tat und was er zu tun hatte. Er passte sich dem vorgegebenen Rhythmus an. Und tatsächlich funktionierte es so halbwegs. Zunächst schafften sie es, damit über Wasser zu bleiben und nicht fortgeschwemmt zu werden. Nach einer Weile waren sie sogar so synchron, dass sie von der Stelle kamen.

Kakashi beobachtete seine Schüler amüsiert und musste lächeln, als er sah, wie sie immer besser wurden. Dieses Training ist genau das Richtige für die beiden.

Im nächsten Moment spritzte Naruto allerdings Wasser ins Auge, und als er es wegwischen wollte, verpasste er seinen Armeinsatz, was postwendend dazu führte, dass er aus dem Takt kam. „Bleib im Rhythmus, Dobe!“, fauchte Sasuke ihn an und fuhr dann fort: „Arm, Bein – A, B – A, B…“ So arbeiteten sie sich wieder mühsam hoch und voran. Ihre zusammengebundenen Arme und Beine, so harmonisch sie sich mittlerweile auch bewegten, rieben jedoch bei jeder Bewegung aneinander und irritierten die beiden immer wieder aufs Neue. Es war für beide eine seltsame Erfahrung, permanent jemanden an ihrer Seite zu spüren.

„Das klappt doch schon ganz gut“, meinte Kakashi irgendwann. Die beiden wandten den Kopf und suchten nach ihrem Trainer. Sie fanden ihn, mit einem aufgeschlagenen Buch in der Hand, auf der Brücke, auf die sie wieder zuschwammen, nachdem sie zu Anfang weit davon weggedriftet worden waren. Sie kamen zwar nur langsam voran, doch allmählich gelangten sie an ihren Ausgangspunkt zurück. „Ihr könnt jetzt aus dem Wasser kommen, wenn ihr wollt“, ließ Kakashi sie wissen. Leiser fügte er noch hinzu: „Und wenn ihr könnt.“

Tatsächlich war es nicht ganz einfach, sich zu zweit aus dem Wasser zu hieven, wie die beiden feststellen mussten. Die erste Schwierigkeit lag darin, sich erst einmal zu entscheiden, an welches Ufer sie schwimmen wollten, denn Naruto war näher am linken und Sasuke war näher am rechten Ufer; und weil beide so schnell wie möglich wieder an Land wollten, wollte jeder lieber in die andere Richtung. „Rechts!“, setzte Sasuke sich durch und Naruto gab nach. Danach galt es, dieses Ufer auch zu erreichen und sich dann nicht von der Strömung wegspülen zu lassen, bis man einen sicheren Halt hatte. Sasuke erreichte das Ufer folglich als Erster, mit seiner freien Hand, und krallte sich fest. Naruto tat es ihm kurz darauf gleich und auf drei zogen sie gemeinsam schon einmal ihre Oberkörper aus dem Wasser. Jetzt sahen sie, dass dort zwei Füße standen. Sie blickten zeitgleich in Kakashis Gesicht auf, das zu ihnen hinablächelte. Es war Balsam für Kakashis Seele, die beiden so in Einklang zu sehen. Er hob ihnen beide Hände hin, um ihnen aus dem Wasser zu helfen, was ein Lächeln auf die Gesichter seiner Schüler zauberte. Parallel streckten die beiden ihre freie Hand nach denen Kakashis aus und – fielen zurück ins Wasser.

Kakashi legte eine Handfläche an seine Stirn. Nein, sie haben noch einen ganz schön weiten Weg vor sich.

Als sich die beiden wieder ans Ufer gekämpft hatten, begann Naruto wütend: „Warum hast du losgelassen?“

„Warum hast du losgelassen?“, kam es von Sasuke empört zurück.

„Ich dachte, du hältst dich weiterhin fest!“, verteidigte sich der eine.

„Ja, das dachte ich auch!“, konterte der andere.

„Schluss jetzt“, unterbrach Kakashi ungeduldig. „Helft euch jetzt endlich gegenseitig aus dem Wasser.“

Zähneknirschend befolgten sie den Befehl. „Zuerst die Arme“, wies Sasuke den Blonden an. „Und auf drei dann die Beine. Erst das freie, dann das gemeinsame.“ Sasuke wollte sich schlagen für diese dumme Aussage. Es wirkte, als sähe er sein linkes Bein bereits als Teil seines gemeinsamen Körperteils mit Naruto an. Dieser schien das jedoch nicht gehört zu haben oder einfach zu wissen, was der andere meinte, denn er nickte nur. „Die Arme“, leitete Sasuke hastig das Vorhaben ein, um Naruto gar nicht erst die Zeit zu geben, noch zu bemerken, was er von sich gegeben hatte. „Se, no!“, timte er die Aktion und es funktionierte. Beide stemmten sich parallel hoch, sowohl mit ihren freien Armen als auch mit den zusammengebundenen zugleich. „Eins“, begann Sasuke dann zu zählen. „Zwei.“ Naruto machte sich bereit. „Drei!“ Sasukes Plan ging auf. Sie schafften es ohne fremde Hilfe aus dem Wasser. Auf allen Vieren knieten sie nun am Ufer vor ihrem Lehrer, der still und geduldig wartete, und atmeten erst einmal tief durch. „Endlich“, seufzte der Schwarzhaarige.

„Wir haben es geschafft“, sagte Naruto neben ihm fröhlich. Sasuke drehte ihm sein Gesicht zu und sah, wie der andere ihn zwischen seinen nassen Haarsträhnen heraus glücklich anstrahlte. Er konnte nur zurückstarren. Noch nie hatte der andere ihn so angelächelt. Noch nie hatten seine Augen so geleuchtet, wenn er ihn angesehen hatte.

Jetzt spürte er besonders deutlich, wie nahe der andere ihm war. Er spürte dessen nasse Schulter an sich, dessen nassen Schenkel und dessen nasse Hüfte. Er war heilfroh, dass das Wasser eiskalt gewesen war.

„Ich dachte am Anfang, wir würden absaufen“, fügte Naruto noch hinzu, ohne sein Lächeln zu verlieren. „Aber wir haben es geschafft.“

„Ja“, stimmte Kakashi ihm zu, den Sasuke gerade beinahe vergessen hatte. Hastig löste er seine Augen von Narutos Gesicht und schaute zu seinem Trainer auf. „Das habt ihr gut gemacht“, lobte er mit einem Lächeln, das man deutlicher hörte, als dass man es sehen konnte. Dann öffnete er die Lasche seiner Gürteltasche und holte wieder sein Buch hervor. „Ihr habt euch jetzt erst einmal eine Verschnaufpause verdient. In ein paar Minuten geht es weiter.“ Er winkte halbherzig, während er sich, bereits in sein Buch vertieft, in den Wald verzog.

„Er hätte uns mindestens voneinander losbinden können“, murmelte Sasuke und meinte dann an Naruto gewandt: „Hilf mir mal.“ Zu zweit pfriemelten sie an dem festen Knoten herum, der sich durch das Wasser noch schlechter lösen ließ.

„Soll ich wieder meine Zähne ver–“ „Nein!“, unterbrach Sasuke sofort den Vorschlag. Er wollte gar nicht daran zurückdenken. An dieses Gefühl seiner trockenen Zähne und seines feuchten Atems. „Warte, ich nehme ein Kunai.“ Er kramte eines aus seiner Gürteltasche. „Halt also still.“ Vorsichtig setzte er es zwischen ihren Oberarmen an, schob es unter das Seil und sägte es langsam durch. „Das hätten wir“, meinte Sasuke, als es zu Boden fiel. „Jetzt die Beine. Setz dich auf die Knie.“ Naruto gehorchte aufs Wort und Sasuke wunderte sich, dass er das tat, obwohl Kakashi sie gerade nicht beobachtete. Auch hier setzte Sasuke die Klinge behutsam an und löste das Seil. „Viel besser“, atmete er erleichtert auf. Erschöpft ließen sie sich beide auf den Rücken ins Gras fallen. Alle Viere von sich gestreckt lagen sie da und schauten in den blauen Himmel.

„Irgendwie war die Übung lustig“, meinte Naruto auf einmal und Sasuke schaute zu ihm herüber. Der Blonde wandte nun auch den Kopf, hatte den Blick gespürt. „Oder?“ Da war es wieder, dieses Leuchten in den Augen, wenn auch ein wenig schwächer jetzt. Als wäre es verunsichert. Es genügte jedoch, um Sasuke zu verwirren und ihm die Kehle zuzuschnüren. Deshalb wandte er sich wortlos ab und schnaubte, als wollte er keinen Kommentar dazu abgeben. Naruto, der den starren Blick in seine Augen bemerkt und den schwachen roten Schimmer auf Sasukes Wangen gesehen hatte, schmunzelte nur, schloss die Augen und genoss die Sonne, die ihn wärmte.
 

~

Ich tat es ihm gleich und ließ meine Augenlider ebenfalls zufallen. Ich lauschte eine Weile dem Zwitschern der Vögel, bis Naruto wieder das Wort ergriff.

„Sasuke?“ Ich öffnete die Augen und blickte zu ihm herüber. Er starrte mich intensiv an. Ich hätte in diesem Moment kein Wort herausbringen können und war froh, dass er mir noch keine Frage gestellt hatte. Doch sie ließ nicht lange auf sich warten. „Was glaubst du, was Kakashi mit diesem Training wirklich bezweckt?“

Es überraschte mich, dass Naruto sich so viele Gedanken darüber machte. Ich hatte angenommen, dass es ihm reichte, wenn man ihm sagte, dass es ihn stärker machen würde; dass er eine neue Technik lernen würde. Doch das schien nicht der Fall zu sein. Ich zuckte leicht mit den Schultern. Ich konnte gerade irgendwie nicht rational über diese Frage nachdenken. Und die Vorstellung, dass Kakashi irgendein Interesse daran haben sollte, dass Naruto und ich uns näherkamen, war absurd. Und ich hätte es niemals laut ausgesprochen.

„Ich frage mich“, begann Naruto dann, „ob er nicht einfach nur will, dass wir uns besser verstehen.“ Ich nickte und richtete meinen Blick wieder geradeaus in den Himmel. Das war schon möglich. Das war auf jeden Fall wahrscheinlicher als meine eigene Theorie.

„Sasuke?“, meinte Naruto schließlich nochmals leise und ich wandte ihm wieder mein Gesicht zu. „Hast du schon einmal jemanden geküsst?“

Die Frage kam so unerwartet, dass ich ihn zunächst nur anstarren konnte. Ich fürchte, mein Mund öffnete sich vor Überraschung. Warum wollte er das wissen? Wie kam er von dem Thema „Kakashis mysteriöse Absichten“ zu dieser Frage? Langsam, noch zögernd, ob ich überhaupt antworten wollte, schüttelte ich den Kopf und fragte mich dabei, ob das die Auskunft war, die er hatte haben wollen: dass ich noch nie ein Mädchen geküsst hatte. Oder ob er nun glaubte, dass ich die zwei unabsichtlichen Berührungen zwischen uns nicht als Küsse ansah. Doch irgendwie tat ich das.

„Ich auch nicht“, sagte Naruto leise und seine Augen suchten mein Gesicht nach etwas ab. Ich glaubte, es zu sehen, dass er einen Augenblick lang an meinen Lippen hängen blieb. Ich fühlte mich eigenartig unter seinem aufmerksamen Blick. Dieses Gefühl wurde nur noch stärker, als Naruto seinen Oberkörper aufrichtete. Denn er tat es, ohne seine Augen von mir zu nehmen.

Er zog sich mit seinen Händen über das Gras näher zu mir heran und mein Herz schlug immer schneller. Aber ich dachte nicht einmal daran zurückzuweichen. Ich beobachtete nur fasziniert, wie er näherkam, wie in Trance, nur auf einen Punkt fixiert. Direkt neben mir blieb er sitzen; seine Hände stützten sich noch hinter ihm auf dem Boden ab. Doch nicht lange und er nahm eine von ihnen nach vorn zu mir, legte sie auf der gegenüberliegenden Seite meines Körpers ins Gras, neben meinen Brustkorb. Er drehte dabei seinen Körper automatisch meinem zu und kam mit seinem Gesicht näher an meines heran.

Ich ahnte es, was jetzt kam. Ich wusste es. Aber ich wollte es nicht glauben. Er beugte seinen Arm und ließ sich noch weiter zu mir hinunter. Sein Gesicht war jetzt so nah, dass ich es nicht einmal mehr ganz sehen konnte. Ich musste mich entscheiden, ob ich ihm in die Augen blicken oder sehen wollte, wie weit seine Lippen noch von mir entfernt waren. Als er mir diese Entscheidung abnahm und seinen Mund mit meinem vor mir versteckte, schloss ich die Augen und hatte dennoch das Gefühl, ich konnte etwas sehen, so intensiv war diese Erfahrung. Oder so stark mein Verlangen, ihn endlich richtig zu küssen. Ich wusste, wenn er es jetzt nicht getan hätte, dann hätte ich es.

Aber er hatte es getan. Er berührte sanft meine Lippen. Es war eigenartig. Es war etwas ganz anderes als die zwei Male zuvor. Auch er hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich auf seinen Mund. Wir vergaßen beide zeitweise das Atmen.

Als wäre diese Sensation nicht schon überwältigend genug, legte er nun auch noch seinen Oberkörper auf mir ab und berührte mich mit seinen Händen – überall gleichzeitig, wie es schien. Ich wusste nicht mehr, was ich fühlen, wusste nicht, was ich denken sollte. Und plötzlich spürte ich auch noch Narutos Knie an meinem Schenkel, das langsam zwischen meine Beine glitt.
 

~

Plötzlich räusperte sich jemand. Sasuke schlug erschrocken die Augen auf und blickte um sich. Er bemerkte, dass Naruto nicht mehr auf ihm war. Er lag ein Stück von ihm entfernt ¬– dort, wo er sich ursprünglich niedergelegt hatte. Und Sasuke wusste mit einem Schlag, dass er dort nicht wieder lag, sondern bereits die ganze Zeit gelegen hatte. Er war nicht zu ihm herübergerutscht; er hatte ihn nicht berührt; er hatte ihn nicht geküsst. Sasuke erkannte jetzt, dass es nur ein Traum gewesen war. Im Nachhinein war es offensichtlich. Im Vergleich zur Realität sah er nun die Unwirklichkeit des Ganzen. Nicht nur inhaltlich.

Es folgte ein weiteres Räuspern. Jetzt schaute sowohl Sasuke als auch Naruto, der nur überrascht zum Schwarzhaarigen hatte zurückstarren können, so intensiv wie dieser ihn gerade angesehen hatte, endlich auf und sie erkannten Kakashi, der über ihnen stand und ungeduldig zu ihnen hinabblickte. „Genug gedöst. Es geht weiter.“

Sasuke richtete sich auf, noch etwas benommen von seinem Traum. Dann dachte er daran zurück, welche Aufgaben sie zuletzt von Kakashi bekommen hatten, und begriff, dass er der Grund dafür war, dass Sasuke von solchen Dingen träumte. Er war empört und schockiert darüber. Er wollte gar nicht wissen, wie schlimm die Folgen erst sein würden, wenn sie das Training fortsetzten. Für einen Moment überlegte er, sich zu widersetzen, diese „Schulung“ hinzuwerfen und vom Hokage zu verlangen, ein vernünftiges Training oder besser noch einen vernünftigeren Trainer zu bekommen. Doch dann dachte er an Narutos Lächeln von vorhin, als sie es aus dem Wasser geschafft hatten. Wenn das, was sie noch vorhatten, zu demselben Ergebnis wie bei der letzten Übung, zu diesem wundervollen Gesichtsausdruck, führen würde, dann war es das doch wert, oder?

„Am besten zieht ihr für die nächste Übung Schuhe und mindestens eure Oberteile aus“, meinte Kakashi jetzt und Sasuke fragte sich sogleich, ob er seinen Entschluss nicht noch einmal überdenken sollte.

„Warum?“, wollte Naruto wissen, während er aufstand.

„Das werdet ihr dann sehen“, kam es nur vage zurück.

Sasuke schaute zuerst zu Naruto herüber und wartete ab, ob dieser sich wirklich auszuziehen begann. Als er das tatsächlich tat, fluchte Sasuke innerlich und machte es ihm nach. Was tue ich hier eigentlich?!, fragte er sich, während er sich sein Shirt über den Kopf zog.

Kakashi wartete mit Vorfreude, bis die beiden – relativ widerwillig – Schuhe und Oberteile ausgezogen hatten, bevor er weitererklärte, was sie nun tun sollten. Kurz kam dem Ausbilder die Frage in den Sinn, wie weit sie eigentlich gehen würden; was sie alles tun würden, nur weil er es ihnen sagte. Das würde er vielleicht schon bald herausfinden.

„Also, Sasuke“, begann er in wichtiger Tonlage. Er wusste, er musste professionell klingen, wenn er ernst genommen werden wollte. „Du legst dich mit dem Rücken auf den Boden.“ Der Gemeinte zögerte noch, doch dann folgte er der Anweisung. „Die Arme am besten zur Seite ausgestreckt.“ Sasuke musste sich davon abhalten, nicht die Augen zu schließen und den Eindruck zu erwecken, dass er betete, dass es nicht so schlimm werden würde, wie er gerade befürchtete.

„Du, Naruto-kun, machst mal eine Brücke“, sagte Kakashi dann und es war fast zu offensichtlich, dass ihm das gerade erst eingefallen war.

„Eine Brücke?“, fragte dieser nach, auch weil er sich nicht sicher war, was sein Ausbilder meinte.

„Ja, mit dem Körper“, kam es zurück. „Aus dem Stand die ausgestreckten Arme nach hinten zum Boden hinunterlassen.“ Naruto tat, wie ihm geheißen, und sah die Welt nun auf dem Kopf.

„Und jetzt?“, fragte er und suchte das Gesicht seines Trainers, wozu er seinen Hals ganz schön verbiegen musste.

„Jetzt läufst du über Sasukes Körper, sodass du mit den Füßen auf seinen Schenkeln stehst und mit den Händen auf seiner Brust.“

„Wie bitte?“, kam es nun empört von Sasuke und er machte bereits Anstalten aufzustehen, um das zu verhindern.

Chotto matte, Sasuke-kun“, gebot Kakashi ihm Einhalt. „Lass mich zu Ende erklären.“ Statt dies jedoch zu tun, machte er zunächst eine Handbewegung und winkte Naruto zu Sasuke herüber, woraufhin dieser auf allen Vieren losmarschierte. „Jetzt vorsichtig, dass du Sasuke-kun nicht wehtust.“

„Bevor er das tut, habe ich ihm das Bein gebrochen“, warf Sasuke ein. Er fühlte sich mehr als erniedrigt. Und übergangen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

„Na, na“, mahnte Kakashi. „Es geht hier um Teamwork, wenn ich euch daran erinnern darf. Ihr müsst euch gegenseitig vertrauen.“

Behutsam stieg Naruto – seinen Hals verrenkend, aber entschlossen, Sasukes Vertrauen nicht zu enttäuschen – über dessen ausgestreckte Arme hinweg und ging zuerst neben seinem Oberkörper mit Händen und Füßen über den Boden weiter, bevor er behutsam mit seinen Zehen nach Sasukes Schenkel tastete und Halt darauf suchte. Sasuke musste sich schwer zusammennehmen, das zuzulassen. Auf seinem Gesicht sprangen die Muskeln hin und her, als kämpften sie miteinander, ebenso wie sein Stolz gerade mit dem Gehorsam gegenüber seinem Trainer kämpfte.

„Pass bloß auf, wo du hintrittst“, zischte Sasuke Naruto noch zu, bevor dieser seinen anderen Fuß vom Boden hob und ungeschickt auf Sasukes Schoß platzierte – nämlich leider ein Stück zu weit in der Mitte.

Bakayarou!“, fauchte Sasuke und nahm sofort seine Hände zu Hilfe, um das Bein des anderen nach außen zu schieben, weg von seiner empfindlichen Schoßmitte. Jedoch war ihm Narutos Kopf dabei ziemlich im Weg. So hastig und intuitiv wie sein Oberkörper hochgeschnellt war, hatte er es nicht abwenden können, sein Gesicht in diesem Zuge gegen das des anderen zu drücken – genauer gesagt: gegen dessen Lippen. Entsetzt starrte Sasuke mit weit aufgerissenen Augen gegen Narutos Kinn – das Einzige, was er in diesem Moment sehen konnte. Seine Schoßmitte war für einen Moment sogar vergessen bei dem Gedanken daran, dass das gerade ihr dritter – ihr dritter! – unabsichtlicher Kuss war, doch dann nahm er eilig den Kopf zurück und zur Seite, presste seine Wange gegen die des anderen, um mit seinen Händen an Narutos Bein zu kommen, dessen Fuß dieser jedoch gerade selbst zurechtgerückt hatte, sodass er nicht mehr auf irgendwelchen Weichteilen stand.

Kakashi konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, das die anderen zum Glück nicht sahen, weil es unter seinem Mundschutz versteckt blieb und sie ohnehin gerade zu beschäftigt waren mit sich selbst und dem jeweils anderen. Zum Glück habe ich nicht gesagt, dass Sasuke seine Hände nicht benutzen darf, dachte er bei sich und verfolgte weiterhin gebannt das Schauspiel, das sich seinen Augen bot. Wobei das wohl sowieso nichts geändert hätte. Bei manchen Dingen reagiert der Körper nun einmal. Ob man will oder nicht.

Naruto hatte an seiner Ferse genau gespürt, dass er aus Versehen etwas Weiches getroffen hatte. Er hatte allerdings noch einen Moment gebraucht, um zu begreifen, was sich als Einziges in dieser Gegend befinden konnte und was daher Sasukes Warnung zuvor bedeutet hatte. Fast noch mehr schockierte ihn allerdings die Tatsache, dass etwas ebenso Weiches kurz darauf seine Lippen berührt hatte. Sasukes Lippen, war alles, was er in diesem Moment denken konnte. Wir küssen uns. Zum dritten Mal. Nachdem diese Erkenntnis eingesickert war, spürte er Sasukes warme Wange an der seinen und wusste gar nicht mehr, was geschah. Sein Fuß hatte sich verselbständigt und bereits eine sicherere Position an einer nicht so weichen Stelle gefunden. „Gomen, gomen“, ergriff Naruto jetzt etwas verspätet das Wort, um sich zu entschuldigen, und spürte die Röte ihm ins Gesicht steigen. Er hoffte, dass man es darauf schieben würde, das ihm durch diese Haltung allmählich das Blut in den Kopf steigen musste. „Aber das ist gar nicht so einfach“, verteidigte er sich auch gleich.

„Was hier nicht einfach ist, ist dir zu vertrauen, Usuratonkachi!“, fauchte Sasuke, ohne ihn anzusehen. Die ganze Situation ließ ihn bizarrer Weise an seinen Traum von eben denken, auch wenn sich Naruto darin keinesfalls so verrenkt hatte wie jetzt.

„Sch, sch, Konzentration, ihr beiden“, schlichtete Kakashi. „Naruto, jetzt die Hände“, erinnerte er den Blonden an seine Aufgabe. Er wartete, bis er sich sicher war, dass er einen sicheren Stand auf Sasukes Schenkeln hatte, was eine Weile dauerte, denn die Muskeln dort waren zum Zerbersten angespannt und schienen sich unter seinen Fußsohlen zu bewegen. Dann wagte er es schließlich, eine Hand vom Boden zu nehmen und sie auf Sasukes Brust zu legen.

„Weiter oben“, sagte Sasuke sofort und Naruto korrigierte die Position seiner Hand noch einmal. Als kein weiterer Protest kam, nahm er die zweite Hand hinzu, wobei Sasuke hörbar den Atem anhielt, als er das tat, um sich für das Kommende zu wappnen. Es war Naruto klar, dass Sasuke nun sein gesamtes Gewicht aushalten musste. Das war vielleicht auch der Grund, warum er seine Hände höher haben wollte, dachte Naruto. Dass er sich ihm nicht in den Magen stemmte. „Weiter in die Mitte“, kommandierte Sasuke nun jedoch und verwirrte Naruto damit ein bisschen. Er gehorchte zwar, doch verstand nicht, was das Problem war, bis er die Anweisung tatsächlich befolgte und seine Hand langsam nach innen schob, denn dabei fuhr er mit den Fingerkuppen über einen kleinen Widerstand. Narutos Augen fixierten sich augenblicklich auf die rechte – aufgerichtete – Brustwarze Sasukes. Dann schaute er zur anderen herüber und war sich sicher, dass das der eigentliche Grund gewesen war, weshalb er die Position seiner Hände hatte abändern sollen. Er schaute in Sasukes Gesicht und fand dort die Röte, die er auch in seinen eigenen Wangen vermutete.

Sasuke wandte den Blick ab. „Und jetzt?“, fragte er an Kakashi gerichtet, konnte jedoch auch ihm nicht in die Augen schauen.

„Jetzt kommst du ins Spiel, Sasuke-kun“, kam die Antwort und der Gemeinte ahnte Schlimmes. „Du wirst jetzt deine Arme als Podeste zur Verfügung stellen und Naruto-kun nach oben stemmen“, erklärte Kakashi. „Naruto-kun muss dabei das Gleichgewicht halten.“

Sasuke gefiel das zwar nicht, doch es gefiel ihm noch weniger, dass Narutos heiße Hände an seiner nackten Brust lagen. „Und warum sollten wir uns für diese Übung dann halb ausziehen?“, wollte er jetzt wissen.

„Für den besseren Halt natürlich“, reagierte Kakashi schnell, der sich diese Ausrede bereits zurechtgelegt hatte. „Und ihr werdet dabei schon noch ins Schwitzen kommen, glaubt mir.“

Sasuke schnaubte und hielt seine Arme angewinkelt neben seinen Körper. Seine Handflächen zeigten gen Himmel und boten genug Platz, um Narutos Händen als Stütze zu dienen. „Mach schon“, drängelte Sasuke, der hoffte, dass diese Übung bald vorbei sein würde.

Naruto balancierte sich vorsichtig auf nur einer Hand, um mit der anderen nach Sasukes zu suchen. Der Schwarzhaarige kam ihm entgegen und hielt seine Hand sicher fest. Er brachte seinen Arm in eine solide Position, hielt den anderen direkt neben seine Brust und wartete dann auf Narutos zweite Hand. Sie fand ihr Ziel und suchte mit ihren Fingern einen sicheren und bequemen Standpunkt. Jetzt hatte Sasuke diese heißen Hände zwar von seiner Brust, aber sie verbrannten nun seine Handflächen. Und er fürchtete, dass sie diese in kürzester Zeit zum Schwitzen bringen würden.

„Und jetzt einfach immer wieder hochstemmen“, diktierte Kakashi. „Schön gleichmäßig auf und ab, damit er eine Chance hat, seine Balance zu halten.“ Kaum hatte Sasuke seine Arme etwas angehoben, geriet Naruto ins Wanken und keuchte vor Anstrengung, sich im Gleichgewicht zu halten.

„Was kann ich dafür, wenn er das nicht kann?“, beschwerte Sasuke sich.

„Du kannst zwar nichts dafür, Sasuke-kun“, belehrte Kakashi ihn, „aber es kann dir zum Verhängnis werden, wenn du die Schwächen deines Partners nicht kennst.“

„Partner“, schnaubte Sasuke. „Er ist nicht mein Partner, er ist ein Dobe.“

Oi!“, beschwerte Naruto sich jetzt. „Teme! Mach es einfach langsamer!“

„Das ist leichter gesagt als getan, Usuratonkachi!“, beklagte sich der andere. „Du bist ganz schön schwer für so eine halbe Portion!“

Yare, yare“, machte Kakashi niedergeschlagen. „Es liegt noch einiges an Arbeit vor uns.“ Er schaute eine Weile zu, wie Sasuke Naruto langsamer nach oben drückte und versuchte, dabei nicht allzu sehr mit den Gedanken abzuschweifen und an Szenen aus Icha Icha Paradise zu denken. Es gelang ihm nicht.

„Ich bin gleich wieder da“, kündigte Kakashi jetzt an und entfernte sich von den beiden. „Schön weitertrainieren.“ So, ich mache mich dann mal auf den Weg und sehe nach, wie es meiner Sakura so geht, beschloss Kakashi und verschwand aus dem Blickfeld der beiden. Aber diesen Spaß hier will ich mir auch nicht entgehen lassen, grübelte er. Ah, ich weiß. Da gibt es eine einfache Lösung. Ungesehen formte er mit seinen Händen ein Siegel und ließ einen Kagebunshin entstehen, den er als Wache einsetzen wollte. „Du achtest darauf, dass die beiden brav ihr Training fortsetzen, und ich gehe zu meiner Sakura-chan. Jaa, ne!“, verabschiedete er sich und verpuffte, als wäre er selbst nur ein Bunshin gewesen.

„So, ich denke, das reicht“, meinte Kakashi, als er – oder besser sein Kagebunshin – ans Ufer trat.

Sasuke ließ seine Arme sinken und atmete erleichtert aus. „Geh sofort runter von mir!“, befahl er und Naruto gehorchte, so schnell er konnte. Zuerst nahm er ein Fuß von seinem Schenkel, dann den anderen und schließlich nahm er die Hände gleichzeitig von Sasukes, indem er sich abstieß, damit er genug Schwung hatte, um sich aufrichten zu können.

„Ah, endlich!“, meinte auch er befreit und streckte sich, lockerte seine Arme und Beine. Er hatte sich ziemlich verkrampft bei dieser Übung.

„Und jetzt: Rollentausch“, sagte Kakashi mit einem hörbaren Grinsen in der Stimme.

Naaaaniii?!“, beschwerte sich Naruto.

„Das ganze noch einmal umgekehrt“, sagte Kakashi ruhig, als würde er nur das Wort „Rollentausch“ erklären. „Wir wollen doch nicht, dass das Training einseitig wird.“

„Ich habe bereits eine perfekte Balance“, warf Sasuke überzeugt ein. „Das brauche ich nicht mehr zu trainieren.“

„Es gibt noch mehr Dinge, die mit dieser Übung trainiert werden, Sasuke-kun“, erklärte Kakashi.

„Teamwork?“, kam es wenig überzeugt von Sasuke zurück.

„Das und gegenseitiges Vertrauen“, entgegnete Kakashi. „Vertraust du darauf, dass Naruto unter dir still genug hält?“, fragte er direkt. „Und dass er dich gleichmäßig und sicher nach oben stemmt, ohne dich aus dem Gleichgewicht zu bringen?“

„Nein“, war Sasukes ehrliche und unüberlegte Antwort.

„Dann gibt es hier noch viel zu tun“, sagte Kakashi lächelnd und klatschte in die Hände. „Hopp, hopp. Weiter geht’s.“

Sasuke gab sich geschlagen und wartete, bis Naruto sich flach auf den Boden gelegt hatte. Dann seufzte er noch ein letztes Mal und ließ seine Hände hinter ihm den Boden berühren. Auf allen Vieren bewegte er sich auf Naruto zu. Dieser schaute fasziniert dabei zu, wie Sasukes gebogener Körper über ihn wanderte. Als er bereits über ihm stand, zuckte plötzlich einer seiner Mundwinkel. Als sich sein Bein hob, wusste Naruto instinktiv, was Sasuke vorhatte und fing dessen Fuß ab, bevor er die Schoßmitte Narutos berühren konnte.

„Rache führt zu nichts“, war Narutos leiser Kommentar, als würde Kakashi aus dieser Entfernung nicht ohnehin alles hören können. Sasuke verengte seine Augen zu Schlitzen, aber gab nach und setzte seinen Fuß von Narutos Hand auf dessen Schenkel. Daraufhin platzierte er auch das andere Bein und schließlich seine Hände auf Narutos Brust. Dabei mied er gleich im Vorhinein bewusst seine Brustwarzen, ebenso wie seinen Blick. Erst jetzt fiel Sasuke auf, wie unnötig dieser Zwischenschritt eigentlich war. Warum sollte man die Hände auf die Brust des anderen legen, wenn sie letztendlich doch sowieso auf die stützenden Handflächen sollten, um hochgestemmt werden zu können? Sasuke schloss die Augen. Nein, er würde sich jetzt nicht die Blöße geben und diese Frage laut stellen. Es hätte ohnehin keinen Zweck. Kakashi würde nur wieder eine Ausrede finden.

„Heb endlich deine Hände hin“, forderte Sasuke den Blonden irgendwann auf, als dieser noch immer nicht reagiert hatte, sondern nur seinen Körper anstarrte. Er war fasziniert von seiner schlanken Gestalt und von dieser Balance, mit der er sich vollkommen ruhig auf ihm halten konnte, auch mit nur einem Arm an seiner Brust, denn er hielt den anderen bereits zur Seite, um Naruto deutlich zu machen, dass er an dieser Stelle eine helfende Hand von ihm erwartete.

Sasukes Worte rissen ihn jetzt mit etwas Verspätung aus seiner Starre. Er griff sofort nach seiner Hand und, um dem anderen einen sicheren Halt garantieren zu können, verschränkte seine Finger mit seinen eigenen. Beide starrten regungslos auf ihre verschlungenen Hände, als wären sie gerade vor ihren Augen miteinander verschmolzen.

Kakashis Augenbrauen hoben sich. Vielleicht sollte ich den beiden doch ein wenig mehr Privatsphäre gönnen, überlegte er. Schließlich kann ich sie auch unbemerkt aus einer Baumkrone beobachten. „Ihr wisst ja jetzt, wie es geht“, meinte der Jounin plötzlich und erschreckte Sasuke damit beinahe zu Tode. Er hatte dessen Anwesenheit wieder vergessen. Wie vom Blitz getroffen schaute er jetzt zu seinem Trainer auf. „Das macht ihr dann eine Weile“, sagte dieser und hob die Hand. „Ich bin bald wieder zurück. Und dann will ich ein perfekt eingespieltes und verschwitztes Team sehen.“ Mit einem Schmunzeln verzog er sich in Richtung Bäume. Vor allem verschwitzt…

Die beiden wandten den Blick von Kakashi ab und schauten sich gegenseitig ins Gesicht. Obwohl sie es auf dem Kopf sahen, konnten sie mühelos den Ausdruck des jeweils anderen darin lesen. Sie hatten beide das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Lange starrten sie sich nur an, bis Narutos Blick wieder auf ihre verschränkten Hände fiel. „Gib mir deine andere Hand“, sagte er gedämpft und streckte ihm die seine entgegen. Sasuke zögerte noch, schien sich diese einladende zweite Hand genau anzusehen, als traute er ihr nicht über den Weg, doch dann verlagerte er sein Gewicht auf seinen rechten Arm und nahm den linken von Narutos Brust. Der Blonde tat auch hier dasselbe und ließ ihre Finger ineinandergreifen. Sasuke ließ es geschehen, als stünde er neben sich. Wieder schauten beide fasziniert bei diesem Schauspiel zu, als konnte es keiner so richtig begreifen, dass sich ihre so unterschiedlichen Hände so perfekt einander anpassen konnten.

Irgendwann rissen sie sich gleichzeitig von dem Anblick los und wollten eigentlich nur flüchtig zum anderen schauen, doch dann blieben ihre Blicke dort ebenso hängen. Keiner wagte es, das Augenduell zu beenden. Beide fürchteten, dass sie etwas verpassten, wenn sie auch nur eine Sekunde wegschauten. Und so starrten sie sich lange an, bis Narutos Arme zu zittern begannen.

„Du wirst allmählich schwer“, sagte er leise.

„Du solltest mich auch eigentlich stemmen“, entgegnete Sasuke. „Nicht halten.“

„Oh. Ja“, kam es überrascht vom Blonden zurück und er begann sofort damit. Und damit, Sasuke ins Schwanken zu bringen.

„Gleichmäßiger, Dobe“, beklagte sich dieser schwach.

„Ich versuch’s ja“, erwiderte der andere. Doch irgendetwas schien ihn anzutreiben, sodass er viel zu hastig handelte. Es dauerte nicht lange und er begriff, dass es sein rasender Herzschlag war, der gegen seine Brust hämmerte und den Takt vorgab.

Mühsam zügelte sich Naruto und versuchte, seinen Puls ebenfalls auszubremsen, doch das war nicht so einfach. Deshalb konzentrierte er sich auf seine Aufgabe und stemmte Sasuke langsam und ebenmäßig in die Höhe. Er war froh, dass Kakashi nicht da war, um ihn zu beobachten, und dass Sasuke jetzt seine Augen konzentriert geschlossen hielt. Das hatte vor allem den entscheidenden Vorteil, dass Naruto ihn betrachten konnte, ohne dass es seinen Herzschlag noch weiter vorantrieb. Noch nie hatte er eine so einmalig gute Gelegenheit gehabt, den anderen aus dieser Nähe so ungestört anzusehen. Wo er zuvor nur auf den Körper des Schwarzhaarigen hatte schauen können, beschränkte er sich jetzt auf sein Gesicht. Nicht zuletzt deshalb, weil er es sofort wissen musste, wenn der andere die Augen wieder aufschlug.

Naruto kam nicht umhin, wieder an den versehentlichen Kuss zu denken. Er war sich vollkommen sicher, dass es nur ein Unfall gewesen war, wie die anderen beiden Male zuvor auch, doch langsam fragte er sich, ob es noch Zufall sein konnte.

Er bemerkte, wie er auf die geschlossenen Lippen des anderen starrte, und ertappte sich dabei, wie er sich fragte, wie es wohl war, Sasuke richtig zu küssen. Wie sich seine Zunge anfühlen würde. Ob er es zulassen würde, dass er sie berührte. Diese Antwort war relativ einfach. Die Chancen, dass er ihn verprügeln würde, wenn er es versuchte, waren hoch. Doch er würde es nicht wissen, bevor er es nicht versucht hatte, oder?

Langsam hob er den Kopf aus dem Gras. Überrascht hob nun auch Kakashi in diesem Moment seinen Kopf von seinen Unterarmen und blickte erstaunt zu den beiden hinunter. Er lag auf einem Ast in einer nahe gelegenen Baumkrone und fürchtete – nun, da es spannend zu werden schien – etwas zu verpassen. Er rückte ein Stück nach vorn, um besser sehen zu können, was vor sich ging. Er konnte Narutos Kopf sehen, doch leider war Sasukes Gesicht von seinen eigenen Armen verdeckt.

Naruto verlangsamte unbewusst seine Hochstemmbewegungen, als er mit seinen Lippen auf sein Ziel zusteuerte. Deshalb schlug Sasuke jetzt die Augen auf, um nachzusehen, was die Ursache dafür war. Was er sah, waren Narutos große Augen, direkt vor ihm. Entsetzt starrte er ihn an. Beide hielten inne, versteinert.

In diesem Moment war jedoch ein lautes Knacken über ihnen zu hören, das sie beide den Kopf zur Seite drehen ließ. Kakashi hatte sich zu weit nach vorn gewagt und die Spitze des Astes dabei abgebrochen. Diese landete nun nur wenige Meter neben den beiden im Gras. Als sie wieder aufschauten, um zu sehen, wer oder was diesen Ast abgebrochen hatte, hörten sie einen Schrei.

Sowohl Sasuke als auch Naruto runzelten die Stirn und suchten das Dickicht ab. Sie vermuteten, dass es ein Tier sein musste, denn der Laut hatte geklungen wie der eines Affen. Und tatsächlich fanden sie einen Pavian, der sich gerade von einem Baum zum anderen herüberschwang. Der Affe hatte ein graues Haarbüschel auf dem Kopf, das die beiden bizarrerweise sofort an Kakashi erinnerte.

Als der Pavian nicht mehr zu sehen war, schauten die beiden wieder in das Gesicht ihres Trainingpartners. Naruto hatte seinen Kopf noch immer nicht zurück ins Gras gelegt und war daher Sasukes Gesicht noch immer sehr nahe. Diese Tatsache hielt Sasuke weiterhin erfolgreich davon ab, seinen vor Überraschung geöffneten Mund endlich zu schließen. Er konnte nur starren. Naruto wiederum konnte nicht verhindern, immer wieder auf diese Lippen zu blicken, hinter denen sich diese noch unbekannte Zunge verbarg.

Der Schwarzhaarige war sich ziemlich sicher, dass dies kein gewöhnlicher Affe gewesen war und die Ähnlichkeit zu ihrem Trainer kein Zufall. Das würde auch dafür sprechen, dass er sich noch in der Nähe aufhielt – und die beiden beobachtete. Wenn Naruto nun tatsächlich weiterging und ihn… Sasukes Kopf wurde mit einem Mal unglaublich heiß bei dieser Vorstellung. Dass das Narutos intensivem Blick nicht entgehen konnte, weil seine Gesichtsfarbe es deutlich zu erkennen gab, machte die Sache noch schlimmer. Er sah die Möglichkeiten, die er hatte, um zu reagieren, mit seinem geistigen Auge vor sich. Er sah sich, wie er seine Arme einknicken und seine Lippen auf Narutos treffen ließ. Er sah sich, wie er seine Position veränderte und sich auf Narutos Körper drehte, um ihn besser küssen zu können. Er sah sich, wie er sich auf ihn legte und ihn mit seinen Händen berührte und sich vom anderen berühren ließ. Sasuke hatte das bizarre Gefühl, als dachte Naruto gerade dasselbe. Als übertrug er ihm seine eigenen Gedanken, als zwang er sie ihm auf, sodass er sich ihnen nicht entziehen konnte. Sodass er sich nicht davon abhalten konnte, diese Dinge selbst zu denken und in Erwägung zu ziehen.

Und er dachte wirklich darüber nach. Trotz der starken Vermutung, dass Kakashi sie beobachtete. Sasuke war zunehmend überfordert mit der Situation; sein Puls raste, sein Gesicht glühte und seine Gedanken rotierten in seinem Kopf so schnell, dass er keinen mehr zu fassen bekam. Er hielt es nicht mehr aus ¬– diese Hitze, diesen Entscheidungsdruck und vor allem diesen durchdringenden Blick dieser großen Augen. Er streckte seine Arme, drückte seine Ellenbogen durch, gewann dadurch ein paar Zentimeter mehr Abstand und brachte sich somit schon fast aus der Reichweite von Narutos Mund – zumindest wenn sein Ziel seine Lippen waren.

„Mach jetzt endlich weiter“, keuchte Sasuke und versuchte, überall hinzuschauen, nur nicht in diese Augen. Naruto ließ jetzt seinen Kopf wieder langsam ins Gras sinken. Er gehorchte, doch nur widerwillig. Er ärgerte sich über sich selbst. Er hätte schneller sein müssen. Er hätte es einfach tun sollen, ohne so lange zu zögern und sich zu fragen, ob auch der andere das wollte. Jetzt war seine Chance verpasst, die Stimmung ruiniert.

Mensch, klagte Kakashi in Gedanken, während er zwischen den Ästen eines anderen Baumes zu den beiden heruntersah. Sein neues Versteck war nun auch noch viel weiter entfernt als das vorige, aber er wagte es nicht mehr, noch näher heranzugehen. Mindestens Sasuke würde jetzt wahrscheinlich wachsamer sein. Er seufzte lautlos. Ich habe wirklich gehofft, dass die beiden noch ein wenig vorankommen. Er schüttelte den Kopf. Es ist wohl noch zu früh. Gerade hatte er sich hochgestemmt und wollte sich vom Baum fallen lassen, da fragte Sasuke: „Was glaubst du, was Kakashi-sensei mit diesem Training wirklich bezweckt?“ Der Erwähnte hielt inne. Gut, ich warte besser noch einen Moment.

Sasuke war sich bestens bewusst, dass dies exakt die Frage gewesen war, die Naruto ihm im Traum gestellt hatte. Aber jetzt wollte er selbst eine Antwort von dem Blonden – in der Realität.

„Ich weiß es nicht“, antwortete dieser. „Aber ich hoffe doch, dass es die Grundlage für eine richtig gute Technik ist.“

„Besser wäre es“, schnaubte Sasuke. „Ich will diese Übungen nicht umsonst gemacht haben.“

„Umsonst waren sie sicher nicht“, sagte Naruto unerwartet. Sasuke schaute ihn erwartungsvoll an. „Schließlich…“ Der Schwarzhaarige hing an seinen Lippen. Durch den Kopf gingen ihm dabei Dinge wie: Ich weiß jetzt, wie sich seine nackte Brust unter meinen Händen anfühlt. Ich weiß jetzt, wie sich seine Zähne auf meiner Haut anfühlen. Ich weiß jetzt wieder deutlicher, wie sich seine Lippen anfühlen. „Schließlich ist Training nie verkehrt.“

„Hm“, machte Sasuke nur und versuchte, seine Enttäuschung nicht zu zeigen. Er hatte gehofft, der andere würde etwas sagen wie: „Schließlich sind wir uns so nähergekommen. Schließlich haben wir uns so wieder aus Versehen geküsst. Schließlich hätten wir uns schon fast richtig geküsst.“

„Wie lange sollen wir eigentlich noch weitermachen?“, fragte der Schwarzhaarige irgendwann, als er es geschafft hatte, seine Gedanken abzuschütteln.

„Stimmt“, meinte Naruto, als hätte er sich diese Frage noch nicht gestellt. „Du musstest mich nicht so lange stemmen“, beschwerte er sich.

„Dann lass mich runter“, sagte Sasuke und fügte noch neckend hinzu: „Wir wollen doch nicht, dass du deine Muskeln überstrapazierst.“

Naruto schnaubte empört. „Ich brauche keine Pause! Ich bin noch immer fit! Unterschätz mich bloß nicht!“ Er begann, den anderen schneller nach oben zu drücken.

„Hör auf, Dobe!“, rief Sasuke gepresst, der Schwierigkeiten hatte, jetzt noch sein Gleichgewicht zu halten. Ein lautes Rascheln ließ die beiden innehalten. Sasuke schwankte noch einen Moment, doch dann war seine Balance zurück und er konnte aufschauen.

„So“, meinte Kakashi jetzt, nachdem er absichtlich geräuschvoll durch das Gebüsch gekommen war. „Jetzt drehen wir den Spieß noch einmal um.“ Beide schauten ihren Trainer fragend an. „Sasuke-kun, du versuchst jetzt, dich auf Naruto-kun zu drehen, ohne hinunterzufallen.“

„Drehen?“, echote er und musste unwillkürlich an seine Vorstellung von eben denken. Dass er sich hatte drehen wollen, um den anderen besser küssen zu können. Er verdrängte diesen Gedanken sofort.

„Ja“, erklärte Kakashi. „Am besten fängst du mit den Beinen an, wechselst die Positionen deiner Füße einfach aus. Und dann tust du dasselbe mit den Händen.“ Naruto schaute fragend zu seinem Lehrer auf, als fragte er sich, was er zu tun hatte. „Naruto-kun kann dir helfen, indem er dich in eine etwas aufrechtere Lage stemmt, damit dir das Umdrehen leichter fällt.“

Sasuke begann bereits, es auszuprobieren, wie leicht sich die Position seiner Füße austauschen ließ. Auf Narutos Schenkel war nicht so viel Platz, dass er sie problemlos nebeneinanderstellen konnte. Er stellte fest, dass jetzt noch einmal eine gute Gelegenheit war, um ihm den Fehltritt von vorhin heimzuzahlen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Doch irgendwie war Sasuke gerade nicht nach Rache. Er wollte diese Übung zu Ende bringen und nach Hause gehen.

Vorsichtig schob er seinen rechten Fuß weiter in die Mitte und seinen linken weiter an den Rand, um dem anderen Platz zu machen. Naruto stemmte, wie Kakashi gesagt hatte, derweil seinen Oberkörper in eine höhere Stellung, was die Balance erleichterte, doch ihm auch ein wenig die Sicht erschwerte. Deshalb schloss er die Augen und verließ sich auf sein Gefühl, wagte sich nur Zentimeter um Zentimeter weiter, bis er schließlich den großen Schritt machte und das rechte Bein nach links und kurz darauf das linke nach rechts stellte. Gleichzeitig ließ er Narutos linke Hand los, um sich umdrehen zu können. Was er tat. Doch jetzt suchte seine freie Hand wieder einen Haltepunkt, den sie zunächst nur bei Narutos rechter Hand fand. Diese musste nun allerdings das meiste Gewicht stemmen und bot nicht genug Platz für beide Hände; Sasukes linke war über seiner rechten. Naruto kam nun mit seiner freien Hand zu seiner anderen herüber und entlockte dieser den festen Griff von Sasukes Finger. Behutsam zog er die eine Hand unter der anderen heraus und hielt sie sicher fest. Verschränken konnte er sie in diesem Zuge noch nicht, dazu musste alles zu schnell gehen und es lag zu viel Gewicht auf dieser Hand, doch Sasuke verlagerte es auf die eine und verschränkte in der Zeit die andere mit Narutos Fingern. Dasselbe tat er mit der anderen Seite. Er versuchte, dabei weder Naruto ins Gesicht zu sehen, noch auf ihre Hände zu starren.

„So, und jetzt mit den Füßen hinunterwandern“, ordnete Kakashi an.

„Wohin?“, fragte Sasuke sofort, der eine Abkürzung nehmen würde, wenn es eine gab.

„Einfach tiefer“, meinte Kakashi nur, denn noch wusste er gar nicht, wohin er die beiden navigierte. Er hoffte stets darauf, dass ihm im entscheidenden Moment etwas Gutes einfiel.

„Ja, aber wohin letztendlich?“, wollte Sasuke wissen und wanderte nur langsam mit seinen Zehen die Beine des Körper unter ihm hinab. Er hatte noch nicht einmal das Knie erreicht.

„Neben Naruto-kuns Füße“, gab er widerwillig Auskunft, denn jetzt zögerte Sasuke-kun nicht länger, sondern verließ mit seinen Füßen Narutos Beine und stellte sie zu beiden Seiten auf den sicheren Boden, um hinab zu denen Narutos zu wandern. Das hatte Kakashi eigentlich so lange als möglich vermeiden wollen, doch der Schwarzhaarige ließ ihm keine Wahl.

„Und jetzt?“, wollte dieser wissen.

„Jetzt macht ihr gemeinsam Liegestützen“, improvisierte Kakashi.

„Gemeinsam?“, kam es zeitgleich von Naruto und Sasuke. Sie blickten sich ins Gesicht und glaubten wieder, in einen Spiegel zu sehen. Sie waren sich ziemlich sicher, dass der überraschte und zugleich peinlich berührte Ausdruck bei beiden derselbe war.

„Ja, ihr stemmt euch oder den jeweils anderen von euch weg“, erklärte Kakashi, was ihm gerade eingefallen war. „Du, Sasuke-kun, wirst dich dann wieder so weit hinunterlassen, wie du kannst. Und Naruto-kun senkt dich gleichzeitig mit ab. Probiert das mal.“ Wie erhofft, befolgten die beiden diese Anweisung und bemerkten erst, als beide ihre Arme einknickten, wie nahe sie dabei dem Gesicht des anderen kamen.

Sasuke nahm sofort seinen Hals ein Stück zurück, was jedoch eine sehr unangenehm verrenkte Position war, die gleich zwei Nachteile hatte. Er drückte dadurch seinen Rücken mehr durch und jetzt berührten sich auch stellenweise ihre Beine. Und wenn Naruto ihn so weit absenkte, wie es nur ging, dann trafen auch ihre Schöße aufeinander.

„Nicht so tief, Usuratonkachi“, zischte Sasuke jetzt und stemmte sich selbst wieder höher. Sein Körper begann zu schwitzen. Er wusste nicht einmal sicher, ob das etwas mit der Anstrengung der Übung zu tun hatte oder einfach mit der momentanen Lage an sich. Jedenfalls war er froh, dass Naruto die Finger mit seinen verschränkt hatte, sodass er einen sicheren Halt hatte trotz seinen feuchten Händen.

Der Blonde blickte unsicher zu Sasuke auf. Er wusste nicht, ob er die Übung richtig machte, weil Kakashi nichts mehr dazu sagte, sondern nur schweigend zusah. Er wusste aber, dass Sasuke mit der Umsetzung der Aufgabe nicht zufrieden war. Vor allem mit dem vollen Körpereinsatz.

„So, jetzt drehen wir den Spieß noch ein letztes Mal um“, kündigte Kakashi nach einer Weile an. „Verschränkt einmal auch die Fußzehen miteinander.“

„Waaas?!“, kam es synchron aus den Mündern der beiden. Sie vermieden es, den anderen daraufhin anzusehen.

„Hopp, hopp“, drängte Kakashi nur. „So geht es viel schneller.“

Umständlich versuchte Sasuke, mit seinem Fuß irgendwie Halt an dem des anderen zu finden. Aber das war gar nicht so einfach. „Das funktioniert so nicht“, knurrte Sasuke. „Er hat zu fette Zehen.“

Oi, Teme!“, fuhr der Blonde ihn an. „Nimm das sofort zurück!“

Kakashi klatschte in die Hände. „Ihr seid mir zu langsam. Wenn ihr nicht in 20 Sekunden damit fertig seid, dann kassiert ihr eine Extraübung. Eine extra schwere.“

Die Worte zeigten Wirkung. „Halt einfach still“, zischte Sasuke und versuchte, seine Fußzehen in die kleinen Zwischenräume zwischen denen Narutos zu quetschen. Es war ein seltsames Gefühl, die Zehen so weit zu spreizen. Die Haut dazwischen wurde so gut wie nie beansprucht. Irgendwie fühlte es sich deshalb wie eine intime Berührung an.

„Und jetzt schön steif machen“, sagte Kakashi in diesem Moment und ließ Sasukes Augen sich damit ein ganzes Stück weiten. „Körperspannung ist das Stichwort.“ Der Schwarzhaarige musste in diesem Moment überhaupt nichts bewusst tun; sein Körper verkrampfte sich ganz von selbst. „Und hepp!“, sagte Kakashi nur und legte eine Hand an Narutos Taille und eine an Sasukes, gab den beiden gleichzeitig einen Schubs in dieselbe Richtung und drehte sie – als Einheit – um 180 Grad, sodass nun wieder Naruto oben und Sasuke unten lag. „Und jetzt noch einmal ein paar Liegestützen.“

„Im Ernst?“, kam es von Naruto, der seine Muskeln vorhin etwas unbedacht belastet hatte, als er minutenlang Sasuke in der Luft gehalten hatte.

„Ja, im Ernst“, gab Kakashi nur zurück und Naruto seufzte, bevor er mit der Arbeit begann.

Sasuke konnte nur noch daran denken, wann die Übung endlich zu Ende sein würde. Jedes Mal wenn Narutos Gesicht zu seinem herunterkam, fürchtete er, dass der Blonde seine Lippen berühren würde. Wenn er es versuchen sollte, könnte er nichts dagegen tun; er könnte nicht ausweichen. Seine einzige Chance wäre es, ihn hinaufzustemmen, doch das würde er wahrscheinlich, selbst wenn ihn seine Arme in dem Moment nicht im Stich ließen, nicht rechtzeitig schaffen. Er bereitete sich jedoch darauf vor, starrte dem anderen wachsam in die Augen. Doch der Blonde starrte nur zurück, konzentriert. Er konzentrierte sich jedoch in keiner Weise auf die Übung, sondern lediglich darauf, seinen Körper nicht zu tief zu senken. Er wusste, wenn Kakashi nicht neben ihnen gestanden hätte, hätte er jetzt nicht mehr widerstehen können. Sasukes Lippen waren geöffnet. Er keuchte leise vor Anstrengung bei jedem Vorgang. Er versuchte, seinen Atem zurückzuhalten, wenn der Blonde ihm zu nahe kam. Dieser allerdings dachte gar nicht darüber nach, das selbst zu tun. Und so spürte Sasuke die ganze Zeit seinen heißen Atem auf seinem Gesicht.

Lange wiederholten sie das Auf und Ab, während ihr Trainer nur schweigend daneben stand. Irgendwann zückte er sein Buch und begann zu lesen. Wenn Naruto das mitbekommen hätte, hätte er sich vielleicht einen Kuss gestohlen.

„Ich kann nicht mehr, Kakashi-sensei!“, jammerte Naruto irgendwann. Der Schweiß glänzte auf seiner Stirn und er spürte ihn seinen Rücken hinablaufen. Selbst der Zwischenraum zwischen seinen Zehen fühlte sich feucht an. Er wusste nicht einmal, ob von ihm oder von Sasuke. Ebenso wie bei seinen Händen. Doch da war er sich sicher, dass es von beiden kommen musste. „Ich habe Hunger, dattebayo!

„Gut, gut“, gab ihr Trainer einfach diskussionslos nach. „Dann machen wir für heute Schluss.“

„Wirklich?“, fragte Naruto hoffnungsvoll und hielt inne.

Für heute?“, wiederholte Sasuke gleichzeitig. Es würde eine weitere Trainingseinheit dieser Art geben?

„Ja“, kam es fröhlich als Antwort für beide zurück. „Wir treffen uns morgen wieder um dieselbe Zeit am selben Ort. Jaa, ne!“ Und weg war er.

Naruto ließ sich jetzt erschöpft fallen. Seine Arme wollten ihn nicht mehr tragen. Seine Muskeln streikten. Seine Fußzehen taten weh. Er atmete erleichtert aus. Es tat unglaublich gut, diese Anspannung loszulassen.

Oi!“, kam es plötzlich ganz nah neben seinem Ohr. „Geh runter von mir, Dobe!“ Erst jetzt realisierte Naruto wirklich, dass sein Kopf auf Sasukes Schulter lag. Und sein gesamter Körper auf dem des anderen. Er hatte noch immer seine Hände mit denen Sasukes verschränkt und ebenso seine Zehen. Beides löste er jetzt ungeschickt; vor allem die Fußzehen schienen sich miteinander verbunden zu haben. „Runter – von – mir!“, kam es jetzt gepresst und plötzlich stießen Hände Naruto zur Seite. Er rollte von Sasuke herunter, doch die Zehen ihres einen Fußpaares hatten sich noch immer nicht voneinander gelöst. Der Schwarzhaarige ging nun hin und half mit seinen Fingern nach. Als er fertig war, sagte er: „Deine Füße stinken, Usuratonkachi.“

Wütend stand Naruto vom Boden auf, als Sasuke das auch tat. Dieser zog sich jetzt sein Oberteil und seine Schuhe wieder an und ignorierte Naruto dabei erfolgreich. Der Blonde schmollte derweil. Als Sasuke ohne ein Wort in Richtung Dorf zurückging, ging Naruto neben ihm her. Längere Zeit herrschte Schweigen.

Dann ergriff Naruto das Wort. „Gehen wir jetzt zu Ichiraku?“

„Nein“, kam es barsch zurück.

„Aber du hast die Wette verloren!“, protestierte er sofort.

„Ja, aber es war nie die Rede davon, wann ich den Preis dafür zahlen muss“, entgegnete Sasuke.

„Das darf ja wohl der Gewinner bestimmen!“, wandte Naruto ein.

„So genau haben wir das vorher nicht geklärt“, meinte der Schwarzhaarige nur.

„Hey, das ist nicht fair, Teme!“, rief der Blonde wütend. Er hatte sich bereits so sehr auf das Essen gefreut. Aber Sasuke ließ sich nicht mehr umstimmen.

„Ich bin weg“, war alles, was er sagte, bevor er in die Straße zu seinem Zuhause einbog. Enttäuscht ging Naruto ebenfalls nach Hause und machte sich ein Ramen-Fertiggericht. Nach dem Essen schlenderte er mit einer Milchpackung in der Hand zum Fenster und ließ seinen Blick durch das Dorf schweifen. Es fiel ihm sofort ein Haarschopf ins Auge, der nur von Sakura sein konnte. Er ging näher an die Glasscheibe und kniff seine Augen zusammen, um erkennen zu können, was sie tat. Er glaubte zuerst, dass sie einem Haus einen neuen Anstrich verpasste, doch dann sah er, dass es keine Farbe war, die sie auftrug, sondern ein Plakat. Ein Filmplakat.

Naruto runzelte die Stirn. War das Sakuras Aufgabe? Jetzt sah er eine zweite Person die Leiter hinaufsteigen, auf der Sakura stand. Naruto erkannte einen Büschel grauer Haare.

„Sakura-chan!“, frohlockte Kakashi, als er zu ihr hinaufkam. Die Gemeinte funkelte mit wütenden Augen auf ihn herab, sodass er einen Moment zögerte weiterzugehen. „Meine Arbeit ist für heute getan. Soll ich dir helfen?“, fragte er dennoch.

„Mit nur einer Leiter könnte das schwierig werden“, meinte sie nur und arbeitete weiter. „Aber wenn ich dieses Plakat aufgehängt habe, dann mache ich sowieso Schluss für heute. Und ob ich morgen damit weitermache, ist auch noch nicht ganz sicher. Ich werde mit Tsunade-sama darüber sprechen, ob das wirklich ihr Ernst sein kann. Die Zeit wäre wesentlich besser investiert, wenn –“

„Nein, nein, Sakura-chan“, versuchte Kakashi ihre Wut zu bremsen – und vor allem ihren Gedankengang. Der Hokage wusste von dieser speziellen „Mission“ natürlich nichts. Tsunade ging davon aus, dass Sakura von Kakashi trainiert wurde. Also, richtig trainiert wurde. „Der Hokage sollte mit solchen Dingen nicht belästigt werden. Und insgesamt: Ein Ninja sollte seine Mission nie in Frage stellen.“

„Aber das hier ist doch vollkommen absurd!“, regte sie sich trotzdem auf. „Was ist das überhaupt für ein fürchterlich kitschiger Film, für den ich hier Werbung mache?“ Kakashi sah dabei zu, wie Sakura wild mit den Armen fuchtelte. Er glaubte, sie könnte jeden Moment ihr Gleichgewicht verlieren, wenn sie so weitermachte. Deshalb hielt er vorsichtshalber, mit etwas Abstand, eine Hand unter ihren Hintern – und hoffte, dass ihre Balance nicht so gut war wie die Sasukes. Aber das schien sie zu sein, denn sie stand felsenfest auf der Leitersprosse. Kakashi wartete noch eine Weile ab und ließ sie ihrer Wut Luft machen, doch als dann noch immer nichts geschah, half er ein wenig nach und rüttelte an der Leiter.

„Ich finde das wirklich un– Kyaa!“, entfuhr es Sakura erschrocken, als sie sich an der Leiter festklammerte. „Was war das?“, fragte sie und schaute hinab zum Boden, als glaubte sie, jemand würde von dort unten versuchen, die Leiter umzuwerfen.

„Keine Ahnung“, log Kakashi und nahm erst seine Hand zurück, als Sakura grimmig auf seinen Arm und ihm dann in die Augen starrte. Ihre Brauen zuckten dabei heftig. „Aber zum Glück war ich gerade da, um zu helfen. Ha, ha, ha, ha.“ Er kratzte sich unschuldig am Hinterkopf.

„Shannarooo!“, schrie Sakura, holte aus und schleuderte ihren Lehrer von der Leiter fort und hinunter auf die Straße.
 

~
 

Kapitel 2 – Die Ergänzung der Elemente – oder auch: Naruto in seinem Element

Sasuke stand am Geländer der Brücke angelehnt und fragte sich, wie es sein konnte, dass er jetzt sogar als Erster hier stand. Den ganzen Morgen schon hatte er mit dem Gedanken gespielt, das heutige Training zu sabotieren und einfach nicht zu erscheinen. Doch wieder hatte er Narutos Lächeln zwischen den nassen Haarsträhnen in seiner Erinnerung gesehen und wusste, dass allein die Chance auf eine zweite Gelegenheit, dieses Lächeln zu sehen, ihn dazu zwang herzukommen. Und deshalb war er jetzt hier und wusste noch nicht recht, ob er es bereuen sollte oder nicht. Vor allem jetzt, da Naruto breit grinsend auf Sasuke zukam.

Der Schwarzhaarige hatte keine Ahnung, was mit dem anderen passiert sein musste, dass er nicht ebenso sehr wie er diese seltsamen Trainingsmethoden Kakashis fürchtete, die auch heute auf sie warteten.

„Warum grinst du so ekelhaft breit, Usuratonkachi?“, fragte er, als der andere nur noch wenige Meter von ihm entfernt war.

„Ich habe etwas Tolles herausgefunden“, antwortete Naruto nur vage.

„Wow“, machte Sasuke unbegeistert und vor allem desinteressiert.

„Du willst doch sicher wissen, was das ist, oder?“, meinte Naruto und stieß dem anderen mit dem Ellenbogen in die Rippen. „Na? Na? Na?“

„Sag es einfach“, kam es schließlich genervt von Sasuke. Er hatte den Blick abgewandt.

Naruto machte noch eine Spannungspause, bevor er sagte: „Ich habe mein Element herausgefunden.“

„Wow“, sagte Sasuke nur ein weiteres Mal. „Na und?“

Na und?!“, entfuhr es Naruto ungläubig. „Ich habe die letzten beiden Tage und Nächte in jeder freien Minute trainiert und kann jetzt mein Element sogar schon richtig einsetzen, dattebayo!

„Ich kann schon, seit ich ein kleines Kind bin, das Feuerelement einsetzen“, konterte Sasuke kalt.

Naruto zog eine Schnute. „Das ist nicht fair. Das ist ja auch angeboren.“

Sasuke schnaubte. „Angeboren ist es nicht. Ich musste es auch erst trainieren.“

„Wirklich?“, staunte Naruto. Er hatte einmal gehört, dass der ganze Uchiha-Clan das Feuerelement beherrschte. Er war davon ausgegangen, dass sie einfach von Geburt an die Fähigkeit besaßen.

„Außerdem kann ich das Blitzelement auch schon einsetzen“, ließ Sasuke ihn noch, wie nebenbei, wissen.

„Was?! Du beherrschst schon zwei Elemente?!“, kam es schockiert von dem Blonden. Sasuke schaute nur arrogant auf den anderen herab. „Das ist nicht fair!“

„Es kann nicht jeder gleich gut sein“, sagte der Schwarzhaarige schulterzuckend. Naruto kochte vor Eifersucht. Kakashi schüttelte den Kopf. Es ist doch schon wieder Zeit einzuschreiten. Wenn ich sie noch länger hier stehen lasse, dann streiten sie sich nur noch mehr.

„Yo!“, verriet er nun gutgelaunt seine Anwesenheit. „Seid ihr startklar?“ Die Antwort, die er bekam, war ein doppeltes lautes Seufzen. „Oje, oje.“ Er klatschte in die Hände. „Auf, auf! Keine Müdigkeit vortäuschen! Jetzt lernen wir eine neue Technik!“ Zumindest bei Naruto wirkte diese Ankündigung. Er schien gleich viel entschlossener und bereitwilliger, alles mitzumachen, was auch kommen würde. „Folgendes“, begann Kakashi auch gleich zu erklären. „Es geht heute nicht nur darum, mit dem Körper des anderen im Einklang zu arbeiten, sondern diesen Körper auch zu verstehen.“

„Das darf nicht wahr sein“, murmelte Sasuke so leise, dass man es kaum hörte. Kakashi hatte ihn zwar verstanden, tat aber so, als hätte er nichts mitbekommen.

„Zunächst ist es ganz einfach“, fuhr er fort. „Ihr müsst nur atmen.“ Sasukes Augenbrauen hoben sich vorwurfsvoll. Sofort korrigierte Kakashi sich: „Ihr müsst synchron atmen.“ Sasuke konnte sich nicht davon abhalten, eine Hand an seine Stirn zu legen. Kakashi ignorierte auch dies. „Es ist besonders wichtig, den Körper des Partners zu verstehen, mit dem man eine neue Combo-Technik erlernen will.“

„Combo-Technik?“, wiederholten beide nun etwas erstaunt. Kakashi antwortete ihnen absichtlich nicht, sondern fuhr fort zu erklären, damit er weiterhin auch Sasukes volle Aufmerksamkeit hatte.

„Stellt euch einmal voreinander“, wies er die beiden nun an. Mit gemischten Gefühlen befolgten sie die Anweisung. „Ein Stückchen näher“, setzte er noch hinzu, als sie mehr als einen Meter voneinander entfernt stehen blieben. Jeder machte noch einen Schritt nach vorn und sie schauten sich kurz in die Augen. Dann blickten sie zur Seite zu Kakashi. „Und jetzt atmet langsam ein und aus.“ Die beiden taten, wie ihnen geheißen. Und automatisch passte sich der eine dem anderen an. Naruto holte ein wenig langsamer Luft und Sasuke ein wenig schneller, bis sie schließlich gleichmäßig und gleichzeitig ein- und ausatmeten. Sie kontrollierten immer wieder, ob sich der Brustkorb des anderen zur selben Zeit hob und senkte wie der eigene. Ihren Trainer, der das bemerkte, brachte das auf eine Idee. Beziehungsweise auf eine gute Ausrede. „Zieht am besten eure Oberteile aus, damit der andere besser eure Bewegungen sehen kann.“

„Wir waren doch schon synchron“, warf Sasuke ein, während Naruto sich bereits auszuziehen begann.

„Das mag sein, aber die Übung geht ja jetzt noch weiter“, entgegnete Kakashi vage. Sasuke gab seufzend nach und zog sein Shirt aus, warf es achtlos ins Gras. Ihr Trainer wartete, bis die beiden oberkörperfrei waren, bevor er fortfuhr: „Versucht einmal, genau die Aura des anderen zu spüren. Das Chakra, das durch seinen Körper fließt.“

Konzentriert schaute sich Naruto Sasukes Oberkörper an, als könnte er den Chakra-Fluss mit bloßen Augen sehen. Sasuke wurde ganz nervös unter diesem Blick. „Aber schön im Rhythmus bleiben“, erinnerte Kakashi die beiden ans Atmen, denn sie kamen allmählich aus dem Takt. „Rhythmus ist alles.“ Kakashi schaute amüsiert vom einen zum anderen, während sie wieder zur Synchronität fanden. „Könnt ihr den Chakra-Fluss des anderen schon spüren?“

„Ich glaube, ich spüre sein Chakra pulsieren“, murmelte Naruto und Sasuke schaute ihn überrascht an. Er fürchtete, dass er seinen raschen Puls sehen konnte. Möglicherweise in seiner Halsschlagader. Zu allem Übel trieb diese Befürchtung seinen Herzschlag nur noch mehr an.

„Sehr gut, Naruto-kun“, lobte Kakashi und schaute dann fordernd zu Sasuke. „Spürst du auch Naruto-kuns Chakra?“

„Ja“, antwortete Sasuke unsicher. „Natürlich.“ Er war recht geübt darin, Auren zu spüren, und Naruto stand schließlich unmittelbar vor ihm.

„Kannst du dann auch sagen, in welche Richtung es durch seinen Körper fließt?“ Bevor Sasuke etwas tun oder sagen konnte, fügte Kakashi sogleich an: „Ohne dein Sharingan einzusetzen.“

Sasuke schnaubte. „Wie soll ich das sehen können?“

„Du sollst es nicht sehen, du sollst es spüren“, belehrte Kakashi ihn. „Kommt noch einen Schritt näher“, schlug er dann vor. Die beiden gehorchten und standen nun so nahe voreinander, dass nur noch eine flache Hand zwischen ihre Brustkörbe passte, wenn beide gleichzeitig einatmeten. „Schließt einmal die Augen und fühlt nicht in euch, sondern in den anderen hinein.“ Beide probierten es aus. Kakashi ließ ihnen ein wenig Zeit, bevor er fragte: „Spürt ihr es?“

Naruto schüttelte den Kopf. „Die Richtung kann ich nicht sagen, nein.“

„Ich glaube, es ist im Uhrzeigersinn“, sagte Sasuke schließlich.

„Sehr gut, Sasuke-kun!“, lobte Kakashi. Naruto hingegen kniff die Augen stärker zusammen, wollte sich zu höchster Konzentration zwingen. Wenn Sasuke nicht nur geraten, sondern es wirklich gespürt hatte, in welche Richtung sein Chakra floss, dann wollte Naruto das auch herausfinden, wie es bei Sasuke war. „Du kannst deine Hände an seine Brust legen, vielleicht spürst du es dann“, meinte Kakashi und musste sich ein Schmunzeln verkneifen, als er Sasukes Augen auffliegen sah. Entsetzt schaute er jedoch nicht seinen Trainer an sondern dessen Schüler, der gerade die Hände hob, um den Rat anzunehmen. Naruto ließ seine Augen geschlossen, als er seine Finger an Sasukes Haut legte und zu spüren versuchte, was mit seinen Händen eigentlich nicht spürbar war. Was mit seinen Händen aber spürbar war, war der schnelle Herzschlag in dieser Brust. Naruto bemerkte ihn sofort, glaubte jedoch zuerst, es wäre das Chakra, das darin pulsierte. Als er schließlich begriff, was es wirklich war, flatterten langsam seine Augen auf und er schaute in Sasukes, die sich kurz darauf allerdings abwandten.

„Wofür müssen wir wissen, in welche Richtung das Chakra des anderen fließt?“, fragte der Schwarzhaarige eilig an Kakashi gewandt, um das Thema zu wechseln. Und die Blickrichtung.

„Die Richtung spielt vielleicht gar keine so große Rolle“, gab der Trainer zu, weil ihm keine plausible Erklärung dafür einfiel. „Aber ihr müsst spüren lernen, wann und wo der andere sein Chakra einsetzt. Das ist essentiell für die neue Technik, die ihr heute lernt.“

„Lernen wir sie heute auch wirklich?“, fragte Sasuke skeptisch.

„Doch, doch, auf jeden Fall!“, sagte Kakashi sofort heiter. „Wir fangen sogar sofort damit an.“ Jetzt nahm Naruto langsam seine Hände von Sasukes Brust. Er bemerkte, dass es scheinbar keinen Grund mehr gab, nach der richtigen Richtung seines Chakra-Flusses zu suchen. Sie waren bereits einen Schritt weiter. Seltsamerweise fiel es ihm aber nicht leicht, seine Finger von Sasukes Haut zu lösen. Dieses rasche Pulsieren dahinter war einfach faszinierend.

„Ihr stellt euch jetzt einmal nebeneinander dorthin und schaut in Richtung Fluss. Ihr werdet jetzt eine Technik zusammen ausführen.“

„Zusammen?“, wiederholte Naruto, der sich darunter offensichtlich nichts vorstellen konnte. Nach einem Moment fragte er: „So wie Kiba und Akamaru?“

„So ähnlich“, wich Kakashi der Frage aus.

„Können wir uns dafür wieder anziehen?“, fragte Sasuke dazwischen.

„Besser nicht“, war Kakashis Antwort, die er nicht weiter erläuterte. „Also. Wir verwenden jetzt Katon: Goukakyuu no Jutsu.“ Narutos Augenbrauen hoben sich, so hoch sie konnten. „Dazu formt ihr die Fingerzeichen, deren Abfolge du zunächst lernen musst, Naruto-kun.“

Dieser schaute einfach nur perplex. „Und dann?“, wollte er verwirrt wissen. „Dann kann ich diese Technik doch trotzdem nicht einsetzen, oder? Ich beherrsche das Feuerelement ja gar nicht.“

„Mit Sasuke zusammen schon“, antwortete Kakashi.

„Und was nützt es uns, zu zweit eine Technik zu können, die ich auch allein kann?“, wollte Sasuke wissen.

Ich wusste, dass er irgendwann schwierige Fragen stellen würde, dachte Kakashi grimmig. „Das werdet ihr dann schon noch sehen“, wich er wieder nur aus. „Es ist schließlich nur die Grundlage für die neue Technik“, versuchte er sich herauszureden. „Noch kann ich es euch auch nicht versprechen, dass es funktioniert. Es liegt an euch, ob ihr die Fähigkeiten dazu besitzt.“

„Wir kriegen das hin!“, rief Naruto angespornt. „Wir werden diese Technik in Nullkommanix meistern!“

„Das ist die richtige Einstellung“, lobte Kakashi und freute sich, dass es mit Naruto so einfach war und Sasuke sich von ihm mitziehen ließ. „Du bringst ihm jetzt am besten einmal die Fingerzeichen bei, Sasuke-kun. Und dann erkläre ich alles weitere.“ Der Schwarzhaarige seufzte laut, bevor er sich an die Arbeit machte. Naruto stellte sich ein wenig ungeschickt an; er konnte sich einfach nicht auf die simple Aufgabe konzentrieren, sich die richtige Reihenfolge der Zeichen zu merken.

„Nein“, verzweifelte Sasuke schon nach wenigen Sekunden. „Zuerst das Handzeichen für Affe, dann Wildschwein. Nicht anders herum.“

„Okay“, sagte Naruto entschlossen und versuchte es nochmals, sich zu konzentrieren. Kakashi beobachtete die beiden und hoffte sehnlichst, dass hier und heute keine Unfälle passieren würden. Die zwei schienen beide etwas durch den Wind zu sein. Konzentration war für Naruto im Moment ein Fremdwort und Sasuke konnte nicht richtig arbeiten, weil er ständig auf den nackten Oberkörper des anderen starrte. Aber da müssen sie jetzt durch. „Ich hab’s!“, rief Naruto begeistert aus.

„Wow“, kam es unbegeistert von Sasuke zurück. „Eine Glanzleistung.“

„Na, na“, unterbrach Kakashi die beiden sofort, bevor der Blonde sich zu sehr aufregen konnte. „Jetzt stellt ihr euch wieder nebeneinander hin. Naruto-kun, du wirst nur mit der linken Hand die Bewegungen für das Jutsu machen. Du, Sasuke-kun, wirst nur deine rechte Hand benutzen.“

„Waaas?! Warum, Kakashi-sensei?“, brach es aus Naruto heraus.

„Was soll das bringen, Sensei?“, wollte nun auch Sasuke wissen.

„Versteht ihr nicht, dass ihr damit euer Chakra kombiniert und etwas noch Stärkeres aus der Technik machen könnt?“, fragte Kakashi und hoffte, dass das halbwegs einleuchtend klang. Er hatte nämlich keine Ahnung, wovon er da sprach und ob das Ganze funktionieren würde. Aber Narutos Augen begannen zu leuchten und Sasuke entging das nicht.

„So?“, fragte er, hob seine rechte Hand und machte damit nur den rechten Teil des ersten Handzeichens.

„Genau“, stimmte Kakashi zu. „Und Naruto-kun macht die zweite Hälfte.“

Der Blonde hob nun seine linke Hand und legte sie an die Sasukes, damit zusammen das richtige Handzeichen entstand. Es war ein kompliziertes Umdenken, nur einen Teil des Ganzen zu tun, für beide. Und sie wussten nicht, wie sie sich hinstellen sollten, damit ihnen ihre Körper zwischen ihren Armen nicht im Weg waren. Momentan standen sie Schulter an Schulter.

„Und jetzt das nächste Zeichen“, trieb Kakashi sie voran. Es sah sehr ungeschickt aus, wie beide ihre Hände wieder voneinander lösten und sie in anderer Position wieder zusammenzufügen versuchten.

„Quetsch deine Finger nicht einfach so zwischen meine!“, beschwerte Sasuke sich.

„Macht die Übung erst einmal langsam“, riet Kakashi. „Verinnerlicht die Bewegungen, damit der Ablauf fließender wird. Macht ein und dasselbe Handzeichen besser mehrmals hintereinander, bis es klappt.“

Die beiden versuchten, sich auf ihre Finger zu konzentrieren, doch das ständige Gefühl, die Schulter des anderen an sich gedrückt zu haben, lenkte sie ab. Sie wussten insgesamt nicht, was sie mit ihrer freien Hand machen sollten. Deshalb hing sie tatenlos zwischen ihnen herunter, was aber auch bedeutete, dass sie sich auf ganzer Länge berührten. Dass Sasuke seine linke Hand in die Hosentasche steckte, machte es nicht besser. So versteckte er nur seine Finger, aber der Rest des Armes berührte immer noch den Narutos.

Sasuke versucht wohl, noch immer gut dazustehen. Kakashi musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Die Bewegungen der beiden waren so ungelenk, dass man wirklich sagen konnte, dass sie zusammen zwei linke Hände hatten. Im Prinzip war es auch so, denn Naruto war Rechtshänder und Sasuke Linkshänder – und beide mussten die jeweils andere Hand benutzen. Das hatte Kakashi schon absichtlich so angeordnet.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Handzeichen einmal alle zusammen ausprobiert hatten. Sie sollten dann versuchen, sie hintereinander vorzuführen, doch da kam es zu regelmäßigen Zusammenstößen und Verhakungen.

„Das geht so nicht!“, sagte Sasuke frustriert.

„Ja, ich glaube, so wird das wirklich nichts“, pflichtete Kakashi ihm bei, der sich hinter die beiden gestellt hatte. „Ihr steht einfach noch zu weit voneinander weg.“

Überrascht und empört drehten die beiden ihre Köpfe nach innen, um über ihre linke, beziehungsweise, rechte Schulter zu ihrem Trainer zu blicken. Dabei kamen sie dem Gesicht des jeweils anderen gefährlich nahe. Sie hielten sofort inne, als sich ihre Nasen berührten.

Augenblicklich schreckten beide zurück. Sie ließen ihre Hände los und machten einen Schritt zur Seite.

Das war knapp, dachte Sasuke, dessen Wangen sich rasant rot färbten.

Ein Fast-Kuss, dachte Naruto und war sogar ein wenig enttäuscht. Es hätte ihr vierter Unfallkuss werden können.

„Ihr tut nun Folgendes“, begann Kakashi, um sowohl ihre Aufmerksamkeit zurückzubekommen, als auch um die peinliche Situation zu überspielen. „Sasuke-kun stellt sich nicht neben, sondern hinter Naruto-kun.“ Die beiden hörten ihm noch nicht wirklich zu, weil sie noch zu sehr mit ihren Gedanken und ihrem Körper beschäftigt waren. „Wenn Naruto-kun seine Hand nahe vor seinen Oberkörper hält, dann kann Sasuke-kun diesen Ort auch leicht erreichen.“ Sasuke schüttelte den Kopf. Er kam nicht ganz mit. Zu viele Empfindungen überfluteten sein Bewusstsein. „Du kannst Naruto-kun einfach über die Schulter schauen. Versucht es mal.“ Vollkommen perplex blieben beide an Ort und Stelle stehen. „Das haben wir gleich.“ Kakashi schritt ein und stellte Naruto mit dem Gesicht Richtung Fluss hin, dann zog er Sasuke herüber und stellte ihn hinter ihn. Er nahm Narutos linke Hand und Sasukes rechte und führte sie vor Narutos Brust zusammen, wo er die Finger miteinander verschränkte. Nun wurden vor allem die Wangen des Blonden immer dunkler, denn Sasuke berührte nun auch seinen Rücken, und der rechte Arm, den er um ihn gelegt hatte, engte seinen Oberarm ein.

„Am besten nimmst du deinen Arm zur anderen Seite, damit er nicht im Weg ist“, beschloss Kakashi, der gerade kritisch sein Werk betrachtete. „Und du hältst diesen Arm am besten fest, damit Naruto sich nicht auch noch darauf konzentrieren muss.“ Er ging hin und verschränkte nun auch die freien Hände der beiden miteinander an Narutos linker Hüfte. „Perfekt“, meinte er abschließend und nickte zufrieden. Sasuke, dessen Wangenfarbton Narutos nun Konkurrenz machte, wollte ein Stück zurückweichen, doch dazu hatte er nicht wirklich die Möglichkeit, vor allem, weil das seine Hand, zusammen mit der Narutos, nur gegen dessen Brust gedrückt hätte. „Schön vorne bleiben“, sagte Kakashi leichthin und schob ihn gegen den anderen, sodass nun auch sein Schoß den Hintern des Blonden berührte.

Sasuke keuchte schockiert auf, wodurch er in Narutos Nacken eine Gänsehaut auslöste. Keiner rührte sich in den nächsten Sekunden. Wie versteinert standen sie da und konzentrierten sich nur darauf, nicht zu schnell oder zu laut zu atmen. Das Gefühl des anderen Körpers so nahe am eigenen und ihn an so vielen Stellen berührend, war ungewohnt, beängstigend und maßlos verunsichernd. Niemand wagte es mehr, sich auch nur zu regen, weil jede Bewegung nur noch zu mehr Körperkontakt oder gar zu Körperreibung geführt hätte.

„Aber du solltest schon noch über seine Schulter schauen können“, kam es plötzlich von Kakashi, der seine beiden Hände nahm, sie an Sasukes Kopf legte und diesen ein Stück nach rechts schob. „Damit du sehen kannst, was du tust. Und vor allem, was der andere tut.“ Doch momentan tat keiner von ihnen etwas und wusste auch nicht, wann sie das je wieder vorhatten. „So. Jetzt versucht es noch mal. Ich mache solange Pause.“ Mit diesen Worten entfernte sich Kakashi und machte sich auf den Weg zu Sakura. Er würde heute nicht denselben Fehler wie gestern machen und die beiden mit seiner Anwesenheit stören. Auch nicht als Kagebunshin auf einem Baum. Das hatte gestern auch die ganze Romantik zerstört. Dieses Mal sollte es anders sein. Und nachdem er gerade so viel nackte Haut und so viel scheue Liebe gesehen hatte, konnte er auch nicht anders, als Sakura einen Besuch abzustatten.

Auch als Kakashi bereits außer Sicht- und Hörweite war, rührten sich die beiden immer noch nicht. Und jede Sekunde machte die Situation schlimmer. Lange hielt Sasuke das nicht mehr aus. Vor allem spürte er, dass sein Körper nicht nur erstarrt war, sondern der Teil, der gegen Narutos Hintern gepresst war, nicht nur steif war, sondern sich auch regte.

Entsetzt zuckte sein Körper zurück. Jetzt konnte er nicht mehr warten. Er löste gleichzeitig die Verschränkung zwischen beiden Händen und flüchtete nach hinten.

„Das ist doch völliger Schwachsinn, dass das etwas nützen soll!“, beschwerte Sasuke sich. „Nicht mit mir! Ich gehe jetzt.“

„Wa-Warte!“, sagte Naruto sofort und Sasuke hielt tatsächlich inne. „Wir können doch nicht einfach gehen!“

„Ich kann das“, meinte Sasuke nur, zögerte aber loszugehen. Naruto nutzte diese Chance.

„Lass es uns doch noch einmal versuchen“, sagte er eilig. „Wir können doch einfach Kakashis Angabe ignorieren und es auf unsere Art versuchen.“ Sasuke zögerte noch immer. „Ich glaube, dass das wirklich funktionieren könnte. Dass wir zusammen eine starke neue Technik kreieren können.“

Sasuke war hin und her gerissen, ob er es versuchen wollte. Ob er es zulassen wollte. Einerseits wollte er weg von hier, weit weg von der Möglichkeit, noch einmal in so eine Situation zu kommen. Doch andererseits sah er diese hoffnungsvollen Augen und wollte dieses Funkeln nicht von Enttäuschung ersetzen lassen.

„Einen Versuch“, sagte er knirschend. „Ich geb dir nur einen Versuch.“ Seine Augen leuchteten auf. Und Sasuke war bereits froh über seinen Entschluss.

Yooshi!“, rief Naruto motiviert. „Los geht’s!“ Er bestand darauf, dass sie die Hände wechselten, damit jeder seine stärkere Hand benutzen konnte. Sasuke stellte die Bedingung, dass sie dazu nebeneinander stehen bleiben sollten. „Okay, versuchen wir es“, sagte der Blonde, als das geklärt war, und sie positionierten sich. Sasuke nahm zögerlich die ihm dargebotene Hand in seine. Er richtete seinen Blick geradeaus und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass sie trotzdem extrem nahe beieinander standen. „Se, no!“, gab Naruto das Startsignal und sie begannen, zusammen die Siegel zu formen.

„Das war falsch, Dobe“, kam es sofort von Sasuke. Er nahm seine zweite Hand hinzu, um die Position der Finger von Narutos Rechter zu korrigieren. Dieser wunderte sich, dass der andere sich nicht aufregte und die ganze Sache sofort hinschmiss, sondern ihm half und ihn ruhig verbesserte. Er hätte auch einfach den Kopf schütteln und gehen können. Aber das tat er nicht. Er gab dem Blonden eine Hilfestellung und meinte dann: „Noch einmal von vorn.“

Naruto lächelte glücklich und gehorchte. Sie versuchten es erneut und dieses Mal klappte es. Am Ende sagten sie im Chor: „Katon: Goukakyuu no Jutsu!“, und pusteten beide über ihren zusammengeschlossenen Händen in die Luft – und tatsächlich funktionierte es. Es entstand eine große Feuerkugel, die sich in den Augen der beiden widerspiegelten, als sie sich daraufhin ansahen. Jetzt zeichnete sich auch auf Sasukes Gesicht ein Lächeln ab. Zwar war es allein sein Verdienst, weil Naruto einfach nicht wusste, dass er nicht nur Luft aus seinem Mund pusten sollte, sondern auch Chakra, aber das war vorerst egal. Das Erfolgserlebnis blieb. Und das Lächeln in Narutos Gesicht auch.

„Noch mal!“, rief er glücklich und Sasuke tat ihm den Gefallen ein weiteres Mal, bevor er ihm erklärte, dass er ein wenig mehr Einsatz zeigen musste, indem er nicht nur die Bewegungen mitmachte, sondern auch Chakra beisteuerte. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Blonde das begriffen hatte. Sasuke ließ ihn so lange pusten, bis er mit seinem Sharingan das Chakra deutlich aus seinem Mund kommen sehen konnte. Dann erst, als Naruto vollkommen außer Atem war, gönnte er ihm eine Minute Pause, bevor sie es erneut versuchten. Dieses Mal klappte es noch besser. Der Feuerball war jetzt um einiges größer. Und Narutos Augen strahlten deshalb umso heller.

Sugee!“, rief er begeistert aus und hüpfte auf und ab, seine Hand noch in Form des letzten Siegels mit der des Schwarzhaarigen verschränkt. Er legte die andere Hand noch bekräftigend auf seine Schulter, als er hinzufügte: „Die Kugel war riesig! Ne, Sasuke?“

„Ja, ja, Dobe“, sagte der Angesprochene nur. „Das war gar nicht schlecht.“

„Das war klasse!“, rief Naruto aus. Er ließ keine Abschwächung ihrer Leistung zu. „Komm, noch mal!“

Sasuke zögerte. Er war bereits ziemlich erschöpft, dennoch konnte er dem anderen seinen Wunsch nicht abschlagen. Sie wiederholten die Technik noch zweimal, wobei bei der letzten Vorführung keine allzu große Flamme mehr herauskam.

Erschöpft ließ Naruto sich jetzt ins Gras fallen. „Ah, bin ich fix und alle!“ Sasuke zögerte, doch setzte sich dann neben ihn auf den Boden. Er fühlte sich auch ziemlich kraftlos und ihm war unglaublich heiß. Das Feuer hatte sein Gesicht und seine Fingerspitzen nahezu versengt. Der Schweiß lief ihm die Schläfe und den Rücken hinab.

„Kakashi wird begeistert sein“, sagte der Blonde abschließend. Sasuke schnaubte nur leise. Er war sich da nicht so sicher. Wobei Kakashi wahrscheinlich sogar so tun würde, als ob, um die beiden nicht zu entmutigen. Damit sie auch weiterhin seine bescheuerten Trainingsmethoden mitmachten. Aber Sasuke war das recht, solange nur dieses Lächeln und dieses Funkeln in Narutos Augen nicht aufhörte.

Der Schwarzhaarige schaute auf den anderen hinab. Das Lächeln in seinem Gesicht hielt sich wirklich hartnäckig. Und plötzlich – ohne großen Zusammenhang – erinnerte er sich an seinen gestrigen Traum. Er sah wieder, wie der Blonde zu ihm herüberkam und sich über ihn beugte. Wie er die Lippen auf seine legte…

Er riss seinen Blick von Naruto und somit von seiner Erinnerung, schüttelte den Kopf. Nicht abdriften, sagte Sasuke sich ruhig, aber bestimmt. Er warf wieder einen Blick zu Naruto hinab, doch blieb damit länger hängen als geplant, und ertappte sich auch noch bei der Überlegung, sich selbst zu dem anderen hinunterzubeugen und ihn zu küssen. Er beschloss sofort, sich selbst auf den Rücken zu legen, damit er nicht mehr die Möglichkeit hatte, das zu tun oder auch nur zu dem anderen hinabzublicken, was ihn scheinbar dazu verleitete, über so etwas nachzudenken. Dass er, wenn er lag, dennoch zur Seite und Narutos Lächeln im Profil sehen konnte, bemerkte er erst, als es soweit war. Zu allem Übel drehte Naruto ihm nun auch noch sein Gesicht zu, sodass er ihn direkt anlächelte.

Sasuke wollte die Augen verschließen, doch er konnte nicht. Er lächelte etwas perplex zurück. Und plötzlich änderte sich der Ausdruck in Narutos Gesicht. Das Lächeln verschwand ganz langsam, machte einem eher erstaunten Blick Platz. Sasukes Lächeln verblasste ebenso, denn er wusste noch nicht, was gerade geschah. Und plötzlich erhob sich Narutos Oberkörper, wie in Sasukes Traum, und der Blonde drehte sich um, stellte sich auf Hände und Knie. Mit offenem Mund und rasant beschleunigendem Herz starrte der Schwarzhaarige Naruto an, während dieser sich ihm weiter näherte. Sasuke hörte nichts mehr außer dem Rauschen in seinen Ohren, sah nichts als diesen nackten Oberkörper und dieses Gesicht mit den großen blauen Augen.

Er wird doch nicht wirklich… Wie in meinem Traum…, dachte Sasuke, doch Naruto rückte tatsächlich immer näher, vernichtete den Abstand zwischen den beiden. Der Blonde wusste nicht wirklich, was er tat. Er handelte, ohne groß nachzudenken. Ohne sich über die Reaktion des anderen, die Konsequenz seines Vorhabens, Gedanken zu machen, schaute er ihm in die Augen und küsste ihn.

Die beiden starrten sich an. Ihre Lippen lagen aneinander, doch das schien für einen Moment keinen mehr zu interessieren. Wichtig war jetzt nur, was ihre Augen sagten. Bei Sasuke war es eindeutig Fassungslosigkeit. Bei Naruto war es eine überraschte Frage. Wenn er sie hätte aussprechen müssen, hätte er wohl gesagt: „Darf ich das wirklich tun?“ Sasuke antwortete dieser Frage nicht. Deshalb nahm Naruto seinen Kopf zurück, nur ein paar Zentimeter, und sagte: „Gomen.“ Sasukes Fassungslosigkeit wurde noch größer. Er entschuldigte sich? Wofür? Wofür hatte er ihn dann überhaupt erst geküsst? Und dann schloss Naruto die Augen und küsste ihn erneut.

Das Maß der Fassungslosigkeit Sasukes war nun nicht mehr in Worte zu fassen. Naruto presste seine Lippen sanft auf seine, wieder und wieder, und änderte ständig ihre Position, als wüsste er einfach nicht, wie das, was er tat, tatsächlich funktionierte. Und so war es auch. Es war sein erster – absichtlicher – Versuch, jemanden zu küssen. Und er stellte sich dabei nicht gerade geschickt an. Sasuke hatte auch noch niemanden richtig geküsst, das hieß, nicht mehr als nur die Lippen eines anderen berührt – in allen Fällen übrigens bisher Narutos –, aber er wusste dennoch, dass ein richtiger Kuss etwas anderes war. Das interessierte ihn in diesem Moment jedoch recht wenig, denn er überlegte immer noch, wie er reagieren sollte.

Er hatte gerade beschlossen, seine Augen zu schließen, um es vielleicht besser spüren zu können, was er tun sollte, hatte das aber nur einen Augenblick lang getan, da erschreckte die beiden ein lautes Klacken. Sofort schlugen sie die Augen auf, schauten sich an und schließlich um. Nichts bewegte sich, doch das mechanische Geräusch war definitiv aus ihrer unmittelbaren Nähe gekommen. Sein erster Gedanke war, dass jemand in eine Falle getreten war. Sofort sah er Kakashi vor seinem inneren Auge, wie er an einem Bein in der Luft baumelte. Aber das glaubte er nicht, dass seinem Trainer so etwas passieren würde. Doch egal, wer es gewesen war, Sasuke wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie diese Szene für einen Außenstehenden aussehen musste: die Kleider auf dem Boden, beide oberkörperfrei, übereinander, die Köpfe auch jetzt nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Und das Schlimmste war: Er wusste nicht sicher, ob Naruto gesehen hatte, dass er seine Augen kurz geschlossen gehabt hatte. Er schaute sich unruhig um – die meiste Nervosität kam von der Nähe zu Naruto und der Frage, ob dieser nun glaubte, dass er sich auf den Kuss eingelassen hatte – und machte deutliche Anstalten aufzustehen. Der Blonde, der das bemerkte, rückte von ihm ab. Der Moment war vorbei.

„Was war das?“, fragte Sasuke schließlich, als er aufgestanden war.

„Ich habe keine Ahnung“, murmelte Naruto, während er sich umsah. „Aber ich glaube, es kam von oben.“

„Von oben?“, wiederholte Sasuke und schaute hinauf in die Baumkronen. Kakashi – ob als Affe oder in welcher Form auch immer – würde sie doch nicht etwa schon wieder beobachten? Er konnte sein Chakra definitiv nicht in der Umgebung spüren. Außerdem hatte sich das Geräusch eigentlich tatsächlich eher mechanisch angehört. Und nach einem Blick mit seinem Sharingan wusste er es sicher, dass niemand in der Nähe war.

„Sollen wir nachsehen gehen?“, fragte Naruto jetzt und schaute zu Sasuke herüber.

„Nein, es ist niemand da“, antwortete dieser ihm und schaltete sein Sharingan wieder aus. Fasziniert schaute Naruto dabei zu, wie die roten Iris verschwanden. „Ich weiß zwar nicht, was es war, aber ich denke, es ist nicht so wichtig.“

Kakashi, der gerade wieder bei Sakura auf der Leiter stand, wäre erleichtert gewesen, wenn er das mitbekommen hätte. Aber er hätte Sasukes Aussage auf jeden Fall widersprechen müssen.

„Und was machen wir dann jetzt?“, fragte Naruto etwas unsicher. Er überlegte, wie sie wieder zu ihrer vorigen Tätigkeit zurückkehren könnten.

„Ich denke, Kakashi wird früher oder später wieder zurückkommen“, meinte Sasuke. „Wir sollten also auf jeden Fall hier bleiben.“

Naruto nickte, wusste nicht, was er sagen sollte. Er überlegte, ob Sasuke es zulassen würde, wenn er ihn einfach wieder küsste. Aber Sasuke mied seinen Blick, schaute sich im Wald um oder sah hinab auf seine Füße. Nicht weit davon lag sein Shirt, das er jetzt vom Boden aufhob. Naruto öffnete den Mund, wollte ihn davon abhalten, sich wieder anzuziehen, doch er wusste nicht, wie. Er konnte schlecht sagen: „Nein! Bleib halbnackt!“ Deshalb schwieg er und schaute selbst auf den Boden zu seinem Shirt. Er dachte aber nicht im Entferntesten daran, es anzuziehen. Ihm war noch immer ziemlich heiß.

Dann herrschte lange Zeit Stille. Sie hatten zwar schon oft zusammen warten müssen – meistens, wie jetzt, auf Kakashi –, doch nie war es eine so unangenehme Stille gewesen. Ihr Kuss lag unausgesprochen zwischen ihnen in der Luft. Keiner wagte es, dieses Thema anzuschneiden. Sasuke war es viel zu peinlich, was passiert war; er konnte mit dieser Situation noch nicht umgehen. Naruto dagegen würde zwar gerne etwas dazu sagen – und vor allem danach handeln –, doch er fand die richtigen Worte nicht und spürte nur allzu deutlich, dass es nicht einfach war, diese zu wählen. Ein falscher Satz und Sasuke würde ihm das vielleicht ewig nachtragen. Ganz zu schweigen davon, dass es ihm weitere Chancen auf solche Momente mit dem Schwarzhaarigen verbauen könnte. Er wusste ohnehin nicht, wie hoch die Chance war, dass sich noch einmal eine solche Gelegenheit ergab, jetzt da Sasuke wahrscheinlich eher zweimal darüber nachdenken würde, bevor er sich dem anderen näherte oder ihn unbekümmert näherkommen ließ. Auch jetzt konzentrierte Sasuke seine Sinne allein darauf, Narutos Position im Auge zu behalten, ohne ihn dabei anzusehen.

Mit dieser Spannung in der Luft standen sie einige Minuten da. Gerade als Naruto zu sprechen ansetzte und vorschlagen wollte, dass sie doch noch einmal ihre neue Technik ausprobierten, da knackte ein Ast in einigen Metern Entfernung. Ihr erster Gedanke war es natürlich, dass ihre Wartezeit zum Glück bereits beendet war, da Kakashi zurück zu sein schien, doch als ein weiteres Knacken aus einer anderen Richtung folgte, schauten sie alarmiert um sich und griffen zu ihren Waffen. Gerade noch rechtzeitig, in Sasukes Fall, um den Kunai auszuweichen, die auf ihn zuflogen. Entsetzt schnappte Naruto nach Luft, doch mehr Zeit hatte er nicht, denn da kamen auch schon die ersten Shuriken auf ihn zu.

Im nächsten Moment erfüllte das Klirren von Metall auf Metall den Wald und alles ging so schnell. Noch bevor Naruto einen Gegenangriff starten konnte, schlang sich ein Seil um seine Beine. Er fiel – mit dem Gesicht zuerst – ins Gras, denn seine Hände waren ebenfalls bereits zusammengebunden.

Kuso“, fluchte Sasuke, der das beobachtet hatte, und kämpfte sich seinen Weg zu Naruto durch. Doch er hatte keine Chance, da zwei in schwarz gekleidete Shinobi ihm zuvorkamen, Naruto packten, ihn dem einen über die Schulter warfen und – unter lauten Protestrufen des Blonden – mitnahmen, während drei andere vermummte Gestalten Sasuke angriffen. Durch den Anblick des verschleppten Narutos und vor allem dessen Hintern über der Schulter des Shinobi, war der Schwarzhaarige einen Moment unaufmerksam und bemerkte den vierten Angreifer nicht, der hinter ihm auftauchte und ihn mit einem Schlag in den Nacken außer Gefecht setzte.

Als er wieder zu sich kam, war Narutos schadenfrohes Lachen das erste, was er hörte. „Ha, ha“, machte dieser. „Kakashi hatte recht“, meinte er. „Du wirst wohl immer bewusstlos.“

„Das wärst du auch, wenn man dich überhaupt hätte schlagen müssen, um dich zu verschleppen“, konterte Sasuke, während er sich aufsetzte und umsah. Sie waren noch immer im Wald, aber nicht mehr beim Fluss. Er war nun ebenso gefesselt wie Naruto. Zwei der Shinobi, die sie gefangen genommen hatten, saßen bei einem Lagerfeuer. Die anderen schienen sich in der Nähe aufzuhalten. Sie unterhielten sich lautstark. Sie schienen keine Angst zu haben, dass man sie entdeckte. Die Metallplatten an ihren Stirnbändern zeigten ein Symbol, das Sasuke noch nie zuvor gesehen hatte. Es sah ein wenig aus wie zwei kleine Herzchen.

„Wer sind diese Typen und wo haben sie uns hingebracht? Und warum?“, fragte Sasuke leise, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch die Ninja schienen überhaupt keine Notiz von ihnen zu nehmen.

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Naruto.

„Du musst doch gesehen haben, wo sie uns hingebracht haben?“, meinte Sasuke empört. „Schließlich warst du ja nicht bewusstlos.“

„Das habe ich nie behauptet“, sagte Naruto nun schmollend.

Sasuke seufzte. „Das darf nicht wahr sein“, murmelte er. „Also“, begann er im Flüsterton. „Ich befreie mich aus den Fesseln, während du die beiden dort im Auge behältst“, erklärte er. „Dann binde ich dich los und wir fliehen in Richtung Westen, in Ordnung?“

„Wo ist Westen?“, fragte Naruto nur.

Sasuke knirschte mit den Zähnen. „Folg mir dann einfach.“

„Okay“, willigte Naruto ein und schaute Sasuke dabei zu, wie er sich von den Fesseln zu befreien versuchte.

Sasuke bemerkte das und meinte: „Du sollst die beiden da drüben im Auge behalten.“

„Ach so“, sagte Naruto eilig. „Ja.“ Er schaute zum Lagerfeuer herüber, über dem – köstlich duftend – etwas gebraten wurde, das verlockend nach Hühnchen aussah.

Kuso“, fluchte Sasuke kurz darauf wieder.

„Was ist?“, fragte Naruto nach.

„Die Entfesselungstechnik funktioniert nicht“, meinte Sasuke. „Jemand wollte wohl sichergehen, dass ich mich definitiv nicht befreien kann.“

„Was für eine Technik soll das denn sein?“, wollte der Blonde wissen.

„Zum Fesselnlösen vielleicht?“, fragte Sasuke sarkastisch zurück. „Sag mir jetzt bloß nicht, dass du die nicht kennst.“ Als Naruto nicht antwortete, sondern ihn nur mit fragenden Augen ansah, seufzte er. „Okay, denk mit. Wie kommen wir hier wieder raus?“ Sasuke schaute sich an, wie Naruto gefesselt war. Zusätzlich zu den Seilen, die seine Arme und Beine zusammenbanden, war auch noch ein dünneres Seil um seinen Bauch gebunden, das seine Hände dort festzurrte. Zudem war das Ende dieses Seils an einen Pfahl gebunden, gegen den er sitzend lehnte. Er konnte sich also kaum bewegen. Von Sasuke dagegen waren nur die Hände gefesselt, diese dafür aber umso üppiger und so erbarmungslos fest, dass er keine Chance hatte, sich alleine daraus zu befreien.

„Ich würde meine Fesseln ja versuchen durchzubeißen, aber ich komme nicht ran“, meinte Naruto plötzlich und zog an den Seilen, die seine Hände an seinen Körper banden. „Kannst du es nicht versuchen?“, fragte er jetzt und reckte sich Sasuke entgegen, so gut er konnte. Er stellte sich dazu mit angewinkelten Beinen unbeholfen auf seine Füße und wanderte mit ihnen so weit von seinem Pfahl weg, wie er konnte.

„Bleib sitzen!“, zischte Sasuke und schaute nach, ob die Shinobi am Lagerfeuer bereits die Unruhe bemerkt hatten. Sie lachten und unterhielten sich vergnügt weiter über eine Buchreihe eines gewissen Jiraiyas, wie es schien. „Ich komm zu dir rüber, das ist viel unauffälliger“, erklärte der Schwarzhaarige leise und tat dies mit größter Vorsicht. Als er den anderen erreicht hatte, indem er langsam mit den Knien übers Gras gerutscht war, bemerkte er allerdings, was es bedeutete, dessen Fesseln lösen zu wollen. Vor allem als Naruto die Knie spreizte, um Sasuke sitzend Platz zu machen für seinen Kopf.

„Was ist?“, fragte Naruto, als der andere zögerte. Er schaute zu seinen Händen hinab, die in seinem Schoß lagen, und begriff plötzlich, was den anderen hatte innehalten lassen. Einen Moment schauten sie sich an und es herrschte Stille. „Mach besser schnell, bevor sie uns bemerken“, sagte Naruto mit Blick zu den Shinobi.

Sasuke zögerte noch, doch was sollte er tun? Hatte er eine Wahl? Sie hatten keine Ahnung, was diese fremden Shinobi mit ihnen anstellen würden. Weitaus Schlimmeres wahrscheinlich als das, was Sasuke nun tun musste. Doch als er sich hinunterbeugte, zwischen Narutos Beine, tief in seinen Schoß, konnte er sich nichts Schlimmeres vorstellen als das. Vorsichtig setzte er seine Zähne an, um so wenig wie möglich zu berühren dort unten, doch allein dass er dort atmen musste, gefiel ihm nicht. Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie heiß Narutos Atem gestern gewesen war, als er dasselbe bei seinen Handgelenken getan hatte. Doch da waren diese weit entfernt von seinem Schoß gewesen. Sasukes Kopf wurde hochrot und knallheiß. Der einzige Trost für ihn war, dass Naruto das nicht sehen würde, weil er die Shinobi im Auge behielt – dachte er, denn als er während dem Reißen und Nagen an den Seilen zu Narutos Gesicht aufsah, fand er die blauen Augen des anderen starr auf sich gerichtet.

Sasukes Augen weiteten sich jetzt mehr als sichtbar. Er konnte nicht umhin zu bemerken, dass auch auf Narutos Wangen ein roter Schleier lag. Und dieser peinlich berührte Blick machte die Situation noch unerträglicher für Sasuke, denn es zeigte, dass auch der andere sich der Intimität bewusst war. Er hatte das Seil jedoch fast durchgebissen. Er konnte jetzt nicht aufgeben. Er nuschelte etwas durch das Seil hindurch, nickte mit seinem Kopf in Richtung Lagerfeuer und Naruto verstand. Sofort riss er seine Augen von dem Anblick, den Sasuke zwischen seinen Beinen bot. Doch nicht für lange, denn er konnte die Tätigkeit des anderen nicht ignorieren. Und er musste sehen, was dieser tat, wenn er sich so nahe einer so empfindlichen Stelle befand, die ein Mann instinktiv beschützen musste.

„Sasuke“, flüsterte Naruto jetzt und der andere schaute auf, ohne mit dem Nagen aufzuhören.

„Maf?“, fragte Sasuke unverständlich, doch der Blonde hörte es allein an seinem genervten Tonfall, was es bedeutete: „Was? Was ist? Was soll das? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst die am Lagerfeuer nicht aus den Augen lassen? Starr mich nicht so an!“

Naruto zögerte, bevor er sein Anliegen vorbrachte: „Ich muss pinkeln.“ Sasuke hielt einen Moment inne. Das war das Letzte, was er in dieser Situation aus dem Mund des anderen hatte hören wollen. Diese Frustration über diese Aussage packte Sasuke jetzt in seine Attacke auf das Seil und schaffte es nach kurzer Zeit tatsächlich, es durchzubeißen.

„Danke“, sagte Naruto erleichtert, als Sasuke zurückwich und seinem Schoß wieder mehr Raum und Privatsphäre gab.

„In meiner Gürteltasche sind noch Kunai“, flüsterte Sasuke jetzt, ohne das Lagerfeuer aus den Augen zu lassen.

„Okay“, sagte Naruto, als er die Fesseln von seinen Händen schüttelte, „aber ich komme nicht ran.“ Seine Hände waren zwar befreit, doch sie waren noch immer an seinen Bauch gebunden. Und dieser wiederum an den Pfahl. Sasuke blieb nur die Option, seine Gürteltasche so nahe an Narutos Hände zu bringen, dass er hineingreifen konnte. Das – wie er mit einem unguten Gefühl im Magen feststellen musste – bedeutete, dass er Naruto seinen Hintern hinhalten musste.

Das ist nur ein Traum, wiederholte er immer wieder in seinem Kopf, als er sich umwandte und rückwärts immer näher zu dem Blonden heranrückte, bis seine Finger seine Tasche erreichen konnten. Sasuke versuchte immer wieder, seine Augen auf das Lagerfeuer gerichtet zu lassen, doch er konnte nicht anders, als im Sekundentakt über seine Schulter zu Naruto zu schauen, bis dieser endlich in die Gürteltasche gegriffen, dort – für Sasuke deutlich spürbar – herumgewühlt und ein Kunai herausbefördert hatte.

Jetzt drehte Sasuke sich wieder um und hielt Naruto seine gefesselten Hände hin. Vorsichtig zerschnitt dieser die Seile, bevor Sasuke ihm die Waffe abnahm und ihn von den Fesseln um seinen Bauch befreite. Zusammen machten sie sich gerade an den Fußfesseln des Blonden zu schaffen – wobei Naruto mit seinen Händen Sasuke nur im Weg war –, da rief plötzlich eine Stimme: „Hey! Sie haben sich befreit!“ Alarmiert sprangen beide auf die Beine, auch wenn Naruto danach noch nicht viel tun konnte, denn sie hatten die Seile um seine Knöchel noch nicht entfernt. Sasuke reagierte schnell und durchschnitt in einem Rutsch die restlichen Fesseln.

„Ist unser Plan jetzt immer noch zu rennen?“, wollte Naruto eilig wissen.

„Nein, Dobe! Natürlich nicht, kämpf!“, sagte Sasuke nur und griff an. Viel mehr als dieses eine Kunai hatte er allerdings nicht mehr. Die meisten Waffen hatte er bereits bei dem Überfall auf sie benutzt.

Kagebunshin no Jutsu!“, schallte es durch den Wald und Sasuke warf einen Blick über seine Schulter, bevor er einen der beiden am Lagerfeuer angriff. Er sah Naruto mit zwei Shuriken in der Hand auf ihn zulaufen. „Hier!“, rief er und gab Sasuke im Vorbeigehen eines davon, bevor er auf den anderen Shinobi losging. Nach einem Schlag in die Magengrube ging dieser zu Boden und so standen die beiden, mit Shuriken bewaffnet am Feuer und sahen sich um. Es dauerte nicht lange und die anderen vier kamen auf sie zu. Gleichzeitig warfen Naruto und Sasuke die Shuriken und rannten hinterher. Diejenigen, die rechtzeitig auswichen, wurden – in Sasukes Fall mit einem Kunai, in Narutos mit bloßen Fäusten – angegriffen, die beiden, die getroffen worden waren, verpufften noch im Flug.

„Bunshin?“, fragte Sasuke verwirrt, doch er hatte keine Zeit, sich mehr Gedanken darüber zu machen, denn die restlichen zwei leisteten noch Widerstand. Doch nach einem Kick Narutos konnten sie auch das nicht mehr. Sie lösten sich ebenso in Rauch auf.

„Waren das alle?“, fragte Naruto.

Sasuke entgegnete: „Die Frage ist eher: Wo sind diejenigen, von denen die Bunshin stammen?“

Plötzlich hörten sie ein Klatschen. Verwirrt schauten sie sich um. „Nicht schlecht, nicht schlecht“, gratulierte Kakashis Stimme ihnen von irgendwoher. Sie hatten ihn noch nicht entdeckt. Jetzt sprang er von einem Ast und landete, für beide sichtbar, in der kleinen Lichtung.

„Kakashi-sensei!“, rief Naruto überrascht aus, als hätte er seinen Trainer nicht bereits an seiner Stimme erkannt.

„Das war schon sehr gut“, lobte dieser weiter, als Sasuke sein Kunai endlich sinken ließ.

„War das ein Test?“, fragte der Schwarzhaarige sofort.

„So könnte man es nennen, ja“, antwortete Kakashi.

„Sollte das unser Teamwork zeigen?“, fragte Naruto.

„Genau“, meinte Kakashi nur. „Ihr habt wirklich harmonisch zusammengearbeitet. Ich wusste doch, dass das Spezialtraining Früchte tragen würde.“ Er deutete auf das Lagerfeuer. „Zur Belohnung gibt es jetzt Mittagessen. Haut rein.“

Naruto freute sich riesig und strahlte zu Sasuke herüber. Dieser konnte gar nicht anders, als sich ebenfalls zu freuen. Dieses Lächeln war schon wieder Belohnung genug für ihn.

„Aber ich muss zuerst dringend aufs Klo!“, rief Naruto plötzlich, als wäre ihm das bei Sasukes Anblick wieder eingefallen. „Aber nicht ohne mich anfangen!“, meinte er noch, bevor er in die Büsche verschwand. Sasuke schüttelte den Kopf und verzog sich selbst in eine andere Richtung, um sich ebenfalls zu erleichtern. Eine so gute Gelegenheit kam wahrscheinlich heute nicht wieder. Als beide zurückgekommen waren, setzten sich die drei um das Lagerfeuer und aßen die Hühnchen, deren Geruch den dreien ohnehin schon seit einer Weile in den Nasen lag. Während dem Essen erzählte Naruto Kakashi noch einmal, was passiert war, bis Sasuke ihn daran erinnerte, dass er das bereits wissen musste, wenn es Kagebunshin von ihm selbst gewesen waren.

Ano ne, ano ne!“, begann Naruto aufgeregt, als alle Hühnchen verschwunden waren. „Wir haben unsere Technik verbessert!“

„Technik?“, fragte Kakashi überrascht, während er das Feuer mit einer kleinen Wassertechnik löschte. „Ah, die neue Technik!“, rief er dann – schlecht gespielt – aus. „Na, dann lasst mal sehen“, meinte er nur und stellte sich demonstrativ wartend hin.

„Komm, Sasuke!“, rief Naruto begeistert und stellte sich Schulter an Schulter mit dem Schwarzhaarigen und hielt seine rechte Hand bereit. Widerwillig führte Sasuke seine Hand zu der Narutos. Sie wiederholten die Prozedur von heute Morgen, als hätten sie das Training nie unterbrochen. „Katon: Goukakyuu no Jutsu!“, sagten sie, nachdem sie die Siegel geformt hatten, und pusteten so viel Chakra heraus, wie sie nur konnten. Die riesige Feuerkugel hatte kaum Platz auf der Waldlichtung.

„Wow“, staunte Kakashi nach einem Moment der Sprachlosigkeit. „Unglaublich – äh – genau so habe ich mir das vorgestellt!“ Insgeheim dachte er: Naruto hat also die Führung übernommen. Moment. Bedeutet das, meine Vermutung war falsch und Naruto ist von beiden der dominantere Part? Sehr interessant. Wer hätte das gedacht. Da muss ich meine Trainingsmethoden wohl etwas anpassen… Aber was wundert es mich noch bei unserem Number-One-Surprising-Ninja?

„Kann ich die Technik jetzt eigentlich auch allein?“, fragte Naruto auf einmal und wartete gar nicht erst eine Antwort ab, sondern probierte es einfach aus. „Katon: Goukakyuu no Jutsu!“, hallte es ein weiteres Mal durch den Wald, doch eine Feuerkugel gab es nicht noch einmal zu sehen. „Warum funktioniert es nicht, Kakashi-sensei?“, fragte er nun.

„Hm…“, machte dieser nachdenklich. „Ich denke, du hast einfach kein Talent für das Feuerelement.“

„Waaas?!“, brauste Naruto auf.

Warui, warui“, winkte Kakashi sofort ab. „Ich hätte es vielleicht anders formulieren sollen“, murmelte er dann und sagte wieder lauter: „Das ist überhaupt nicht schlimm. Man kann nicht für alle Elemente geeignet sein.“

„Man kann schon“, warf Sasuke ein, nur um Naruto zu ärgern.

„Du bist das ja auch nicht, bäh!“, sagte der Blonde und streckte dem anderen die Zunge heraus.

„Noch nicht“, kam es arrogant vom Schwarzhaarigen zurück.

„Was ich sagen will, ist“, schaltete sich Kakashi nun wieder ein. „Das war nur ein Test, um herauszufinden, ob Naruto-kun auch eine Affinität für das Feuerelement besitzt. Das ist zwar nicht der Fall, aber dafür haben wir ja bereits herausgefunden, dass du das Windelement beherrschen kannst. Ne, Naruto-kun?“ Der Blonde nickte übertrieben stolz. „Und das passt perfekt in diesem Fall. Denn Wind und Feuer ergänzen sich unglaublich gut.“ Jetzt horchten beide auf. „Das eine bestärkt das andere. Zusammen könnt ihr damit eine unglaublich mächtige Attacke kreieren. Viel stärker als das hier eben.“

„Wirklich?“, kam es sofort von Naruto. Kakashi nickte. Und dann erinnerte sich der Blonde wieder, was sein Trainer gesagt hatte, als sie vor zwei Tagen herausgefunden hatten, welches Element in Naruto steckte: „Das ist geradezu perfekt“, hatte er gesagt. „Ein besseres Element hättest du dir nicht aussuchen können.“

Wir ergänzen uns, wiederholte Naruto noch einmal in seinem Kopf und schaute zu Sasuke herüber.

„Wenn ihr wollt, probieren wir das auch noch gleich aus“, meinte Kakashi.

„Aber klar doch!“, kam sofort Narutos Reaktion.

Sasuke sagte zunächst gar nichts, doch Kakashi nahm das als ein Ja und sagte: „Naruto stellt sich jetzt einmal auf die Brücke, mit Blick den Fluss hinauf“, koordinierte Kakashi die Übung. „Und Sasuke stellt sich hinter ihn und legt ihm eine Hand an den Rücken.“ Diese Anweisung gefiel dem Schwarzhaarigen gar nicht. Die Körpernähe zum anderen, dessen nackte Haut ständig an seiner spüren zu müssen, brachte ihn ganz durcheinander. Er folgte dem Blonden und zögerte, seine Handfläche an sein Schulterblatt zu legen. „Und jetzt“, begann Kakashi und unterbrach sich selbst. „Nein, Moment. Entschuldigt. Anders herum, anders herum.“ Er gestikulierte, rührte mit seinem Zeigefinger in einer imaginären Schale Pudding. Sasuke rechnete fast damit, dass er seinen Finger auch noch abschlecken würde. Ich habe immer noch das Bild von meiner alten Rollenverteilung im Kopf. Naruto ist der Seme und somit in diesem Fall natürlich hinten. „Sasuke, zieh bitte dein T-Shirt aus“, warf er dann noch ein. Widerwillig folgte der Schwarzhaarige der Anweisung, auch wenn er nicht genau wusste, warum. Wahrscheinlich war es einfach deshalb, weil er nicht wusste, wie er dagegen argumentieren sollte. Was er als Begründung nennen sollte, warum er das vor Naruto nicht so gerne tat. „Und jetzt legt Naruto-kun seine Hand an Sasuke-kuns Rücken, und während Sasuke-kun seine Feuerattacke macht, steuert Naruto-kun – und das ist wichtig – im richtigen Moment den Wind bei. Versucht das mal.“

Etliche Male hörten die drei: „Katon: Goukakyuu no Jutsu!“, aus Sasukes Mund und sahen die Feuerkugel langsam übers Wasser schweben, doch Narutos Wind ließ auf sich warten.

„Du hast doch gesagt, du würdest das Element beherrschen!?“, meinte Sasuke irgendwann frustriert und Kakashi sah von seinem Buch auf.

„Ja, das dachte ich auch“, sagte Naruto niedergeschlagen. „Mit den Blättern hat es funktioniert.“

„Ihr bekommt das schon noch hin“, meinte ihr Trainer zuversichtlich. „Manche Dinge brauchen Zeit. Hierbei braucht ihr aber vor allem den Einklang mit dem Partner.“ Kakashi ging hin, nahm Narutos linke Hand und legte sie auch noch an Sasukes Rücken. „Du musst spüren, wann Sasuke-kun die Technik einsetzt, um die Stelle zu finden, an der du selbst einsetzen musst.“ Er schob Naruto näher an Sasuke heran, drückte ihn gegen den anderen, sodass nicht nur seine Hände, sondern auch seine gesamten Unterarme an Sasukes Rücken auflagen. „Versucht es noch einmal.“ Und durch Zufall – Kakashi selbst war überrascht – funktionierte es dieses Mal. Die Feuerkugel rollte nicht einfach durch die Luft übers Wasser, nein, sie schoss regelrecht darüber hinweg und ihre Flammen züngelten fast doppelt so hoch. „Seht ihr, geht doch“, meinte Kakashi nur, als hätte er das die ganze Zeit vorhergesehen.

Naruto rüttelte begeistert an Sasukes Schulter. „Hast du das gesehen? Hast du das gesehen?“, fragte er aufgeregt, weil der Schwarzhaarige noch gar nichts dazu gesagt hatte.

„Natürlich habe ich es gesehen, Dobe“, schnaubte Sasuke, konnte aber das Lächeln nicht unterdrücken, als er über seine Schulter zu dem anderen zurückschaute.

Kakashi lächelte ebenfalls unter seinem Mundschutz und klappte nun sein Buch zu. Für heute war es genug. Und ein schöneres Happy End konnte der Tag fast nicht haben. Und Kakashi war gespannt auf das, was er heute Abend noch auf seinem kleinen Fernsehbildschirm sehen würde. Er klopfte gegen eine der vielen Taschen an seiner Weste und versicherte sich, dass sich die Videokassette noch darin befand, die er, als die beiden bewusstlos waren, aus der Kamera genommen hatte. Sie schien voll zu sein, zumindest hatte das Gerät nicht mehr gefilmt, als er es geholt hatte. „So. Ihr geht jetzt besser nach Hause. Ihr müsst ausgeschlafen sein für morgen.“

„Wieso? Wird das Training da noch härter?“, wollte Naruto wissen.

„Nein, morgen gibt es erst einmal eine kleine Trainingspause“, kündigte Kakashi an.

„Was? Warum?“, fragte Naruto, der auf keinen Fall mit diesem Spezialtraining aufhören wollte. Aus diversen Gründen. Dass er dadurch tatsächlich neue Techniken lernte, war dabei mehr als nebensächlich geworden.

„Wir haben morgen eine Mission“, erklärte Kakashi. „Die geht natürlich vor. Aber danach werden wir das Training definitiv fortsetzen. Die Fortschritte, die ihr macht, sind erstaunlich.“

Sasuke konnte keinen wirklich großen Fortschritt bei sich feststellen, aber er war dennoch erleichtert, dass sie das Training nicht beendeten, jetzt da es tatsächlich interessant zu werden schien –, auch wenn er fast noch mehr erleichtert war, dass er dann erst einmal einen Tag zum Ausruhen hatte nach diesen zwei Tagen anstrengenden Spezialtrainingstagen. Anstrengend allerdings mehr auf andere Weise als nur körperlich.

„Also dann, um die gewöhnliche Zeit am Eingangstor“, waren Kakashis letzte Worte, bevor er die Hand hob und verschwand.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Naruto daraufhin, nicht ohne Hintergedanken. „Sollen wir noch weitertr–?“

„Ich gehe nach Hause“, fiel Sasuke ihm ins Wort. Naruto holte Luft, doch sparte sie sich erst einmal auf und folgte ihm.

„Lädst du mich heute bei Ichiraku ein?“, fragte er hoffnungsvoll, nachdem sie eine Weile still nebeneinander hergegangen waren.

„Nein“, antwortete Sasuke schlicht, wandte sich ab und ging ohne ein weiteres Wort. Er brauchte jetzt wirklich einmal eine Minute oder zwei für sich. Insgeheim wollte er sich diese Versprechung für einen Tag aufheben, an dem er nicht so viel Zeit mit dem Blonden verbracht hatte und nicht wusste, wie sonst er das ändern sollte. Naruto, der von diesen Gedanken natürlich nichts wusste, war enttäuscht und fragte sich, ob Sasuke seine Spielschuld überhaupt je begleichen würde. Vor allem aber wollte er wissen, wie der andere jetzt einfach nach Hause gehen konnte, nach dem, was heute zwischen den beiden gewesen war.
 

~

Was tue ich hier eigentlich?, fragte Naruto sich ein paar Minuten später, als er mit einem großen Umweg zu Sasukes direkter Route auf das Haus zuhechtete, in dem der Schwarzhaarige wohnte. Er wollte noch mehr Zeit mit ihm verbringen, wollte eine weitere Chance herauszufinden, was das zwischen ihnen war, doch er wusste nicht, wie er den anderen dazu bringen sollte, dem zuzustimmen. Er hoffte noch, dass ihm spontan ein Plan einfallen würde; immerhin würde er definitiv vor dem anderen ankommen. Das allerdings mit nur wenigen Minuten Vorsprung. Was sollte er in dieser Zeit schon ausrichten können? Würde ihm so schnell etwas Gutes einfallen? Als er ankam, schwebte ihm zunächst vor, sich ein geeignetes Versteck zu suchen, von dem aus er den anderen beobachten konnte, in der Hoffnung, dieser würde irgendwie verraten, was er dachte oder fühlte. Doch als er sich durch das Fenster in Sasukes Wohn- und Schlafzimmer hereingeschlichen hatte, stand er erst einmal nur verblüfft da. Die Wohnung war so tadellos aufgeräumt, dass sie beinahe zu glänzen schien. Naruto staunte. Der Vergleich zu seinem eigenen kleinen Reich war… schwierig. Nirgends lagen Wäscheberge oder irgendwelcher Müll. Das Bett war ordentlich gemacht und jeder Gegenstand schien seinen festen Platz zu haben. Auf der Kommode stand neben einem Wecker nur ein einziges gerahmtes Foto. Es war das von Team 7.

Erst als Naruto ein Klicken im Türschloss hörte, erwachte er aus seiner Starre und verfiel sofort in Panik. Sasuke war schon hier und er hatte noch nicht einmal annähernd einen Plan, geschweige denn die Möglichkeit, noch unentdeckt zu fliehen. Hastig suchte er den Raum ab, der allerdings so gut aufgeräumt und auch noch so spärlich eingerichtet war, dass es kaum – bis gar keine – Versteckmöglichkeiten gab. Die Tür im Flur öffnete sich, ihm lief die Zeit davon und so schnappte er sich den Wecker von der Kommode, ließ ihn in der obersten Schublade – Oh, mein Gott! – unter Sasukes Unterwäsche verschwinden und verwandelte sich mithilfe eines Henge no Jutsu selbst in einen Wecker.

Sasuke seufzte ausgiebig, als er seine Wohnung betrat. Erst jetzt konnte er wirklich spüren, wie erschöpft er war. Sein Kopf schien wie taub vor Überanstrengung. Er zog sich die Schuhe aus, legte seine Gürteltasche auf den Nachttisch und warf sich auf sein Bett. Dort seufzte er noch einmal ausgiebig und legte seinen Unterarm über seine Augen. „Das darf nicht wahr sein“, murmelte er. Naruto lauschte gebannt seinen Worten. Mehr sagte er jedoch nicht. Er nahm nur seinen zweiten Arm noch hinzu und legte beide Handflächen nebeneinander an die Stirn, bevor er einen frustrierten Laut von sich gab. Der Wecker schaute ratlos zu ihm herüber und fragte sich, was durch den Kopf des Schwarzhaarigen ging. Wenn Naruto nur gewusst hätte, dass der andere gerade an nichts anderes denken konnte als an die vergangenen Tage mit ihm, dann hätte er sich wahnsinnig gefreut, hätte es vielleicht sogar gewagt, sich zurückzuverwandeln, und hätte Sasuke einfach wieder geküsst. Einen weiteren niedergeschlagenen Seufzer von sich gebend stand dieser schließlich auf und zog sich in einer fließenden Bewegung sein Shirt über den Kopf. Das Ziffernblatt des Weckers färbte sich ein wenig rot. Sasuke warf das Kleidungsstück auf den Boden, bevor sich seine Finger an seinem Gürtel zu schaffen machte. Der zuvor weiße Wecker wurde zunehmend rötlicher. Sasuke stand auch noch in perfekter Sichtweite vor ihm, als er sich auch noch die Hose auszog. Dann folgten noch die Socken, die ebenfalls auf dem Kleiderhaufen landeten, den Sasuke jetzt unter den Arm nahm und aus dem Raum trug.

Der Wecker konnte nur mit großen Augen hinterhersehen, wie sich der fast nackte Körper aus dem Raum bewegte. Ironischerweise konzentrierte sich Narutos Blick zuletzt auf genau das, was noch bekleidet war. Als auch Sasukes Hintern aus dem Raum verschwunden war, wusste Naruto nicht, ob er aufatmen sollte oder nicht. Einerseits war jetzt die perfekte Chance, um sich noch heimlich aus dem Staub zu machen, doch andererseits war jetzt auch die perfekte Chance, um noch mehr zu sehen. Als er das Rauschen des Wassers hörte, spielte er mit dem Gedanken, sich in etwas Kleines zu verwandeln, das sich ins Bad schleichen könnte, eine Maus vielleicht oder eine Kakerlake. Doch im Endeffekt war das Risiko zu groß, dass Sasuke ihn dann zertreten würde. Also, absichtlich. Er beschloss, dass es besser war, hier zu warten. Er hoffte nur, dass das die richtige Entscheidung war und sich später noch einmal eine Gelegenheit ergeben würde, um unbemerkt zu entkommen. Spätestens wenn der andere schlief, würde er sich wohl hinausschleichen können – dachte er. Wäre es aber nicht noch viel schlimmer, wenn er ihn auch noch nachts in seiner Wohnung erwischte? Was würde er erst dann von ihm denken? Er konnte es schon hören, wie er sich ungeschickt herauszureden versuchte: „Nein, nein! Ich habe mich nicht erst nachts hier reingeschlichen! Ich bin schon seit Stunden hier!“

Die Zweifel nahmen mit jeder Minute zu und Naruto überlegte, ob er nicht doch besser sein Glück nicht zu sehr ausreizen sollte. Schließlich hatte er eben Sasuke bereits fast nackt gesehen, was noch einmal bestätigt hatte, was für eine starke Reaktion dies in seinem Körper auslöste. Außerdem hatte Sasuke deutlich gezeigt, dass er frustriert war. Die Gründe dafür lagen zwar nicht klar auf der Hand, aber Naruto wollte sich einbilden, dass es daran lag, dass er es bereute, nicht auf den Vorschlag des gemeinsamen Ramen-Essens eingegangen zu sein, oder einfach daran, dass er allgemein momentan nicht sicher wusste, was er wollte, was er fühlte und was er fühlen wollte. Naruto ging es ähnlich, aber er hatte längst beschlossen, dass er es um jeden Preis herausfinden wollte, wohingegen Sasuke eher entschieden hatte, diese Fragen zu verdrängen, so gut er konnte.

Narutos Gedanken begannen sich zu überschlagen, als er bemerkte, dass die Geräusche der Dusche gestoppt hatten. Und sie lösten sich in Luft auf, als Sasuke – nur mit einem Handtuch umgebunden – zurück ins Zimmer kam.

Seine nassen Haare hingen ihm ins Gesicht und Naruto fühlte sich sofort an ihre Schwimmübung erinnert. An das Nebeneinanderliegen im Gras. Und schließlich an ihren Kuss heute Mittag.

Er konnte nur starren, wie sich der schlanke Körper durch den Raum bewegte. Er erwischte sich dabei, wie er hoffte, dass das Handtuch sich lösen würde. Und er spürte, wie allein die Vorstellung das Blut in seinem Körper anders verteilte.

Zielstrebig kam Sasuke nun auch noch direkt auf die Kommode zu – und somit auf den Wecker. Naruto bemühte sich stillzuhalten, auch wenn er in diesem Moment nichts lieber gewollt hätte, als fortzulaufen und seine Scham zu verbergen. Die nackte Brust des anderen kam immer näher, wurde in den Augen des Weckers immer größer. Sasuke öffnete die oberste Schublade – Oh, nein! – genau die Schublade, in die Naruto den echten Wecker gelegt hatte – dem Blonden blieb das Herz stehen. Wenn Sasuke den Wecker jetzt finden würde, wüsste er genau, dass der andere – also er selbst – eine Fälschung war. Und Naruto wollte sich gar nicht ausmalen, wie der Schwarzhaarige dann reagieren würde.

Sasuke nahm sich eine frische Unterhose von dem Stapel und schob die Schublade wieder zu. Zu Narutos Glück hatte er den Wecker nicht bemerkt. Er wollte aufatmen, doch das konnte er erst, als Sasuke sich weiter entfernt hatte. Nach zwei Schritten allerdings löste dieser das Handtuch um seine Hüften und warf es auf das Fußende des Bettes. Der Wecker bekam nun eine knallrote Farbe – und keine Luft mehr. Naruto spürte, wie sich der kürzeste der drei Zeiger des Weckers von allein anhob und gegen das Glas drückte.

Zum Glück hatte Sasuke schnell seine Unterwäsche angezogen und griff unter sein Kopfkissen, von wo er seinen Schlafanzug hervorholte. Diesen zog er nun ebenfalls an und setzte sich dann aufs Bett, um dort seine Haare trocken zu rubbeln. Naruto schaute fasziniert dabei zu und beruhigte sich so automatisch wieder ein wenig bei dieser friedlichen Szene. Auch wenn die Schmetterlinge im Bauch nicht verschwanden.

Plötzlich schaute Sasuke direkt zu ihm herüber. Als hätte er seinen Blick bemerkt. Naruto erstarrte in seiner Reglosigkeit. Zum Glück wanderten Sasukes Augen auch gleich weiter, nachdem er die Uhrzeit abgelesen hatte. „Hm?“, machte Sasuke jetzt jedoch überrascht und blickte zum Wecker zurück, dessen Zeiger mucksmäuschenstill hielten. Verdammt, verdammt!, fluchte Naruto innerlich und erinnerte sich wieder, was er war – oder zumindest, was er darstellen sollte – und schickte hastig den Sekundenzeiger los. Hoffentlich würde Sasuke sich nichts weiter dabei denken, dass die Uhr einen kleinen Herzstillstand gehabt hatte. Das jedoch war es gar nicht, was Sasuke bemerkt hatte. So kurz, wie er auf das Ziffernblatt geschaut hatte, war ihm die Bewegungslosigkeit überhaupt nicht aufgefallen, was er allerdings registriert hatte, war eine seltsame Andersartigkeit des Weckers an sich. Er schien mehr orange als weiß zu sein, vor allem aber war etwas anderes nicht ganz richtig. Sasuke stand vom Bett auf und trat mit gerunzelter Stirn näher. Naruto wusste nicht, was er tun sollte. Er versuchte, sich auf seine Aufgabe – das Sekundenzählen – zu konzentrieren, aber Sasukes Annäherung scheuchte jetzt mehr als nur ein paar Schmetterlinge auf und brachte den Wecker vollkommen aus dem Takt.

„Wie kann denn das…?“, murmelte Sasuke vor sich hin und streckte seine Hand nach dem Wecker aus. Naruto verlor die Kontrolle. Er atmete unregelmäßig, bewegte den Sekundenzeiger mal vor, mal zurück, und konnte es auch nicht verhindern, noch stärker rot anzulaufen. Er hat mich, dachte Naruto entsetzt. Jetzt gibt es kein Entkommen mehr. Sasukes Hand schloss sich um den Wecker. Naruto hoffte immer noch, dass er ihm nur einen Schlag verpassen und ihn dann wieder absetzen würde. Was, wenn er ihn in den Mülleimer warf?

Sasuke schüttelte den Wecker ein paar Male kräftig und brachte Narutos Inneres damit noch mehr in Unruhe. Dann klopfte er gegen das Glas und der Blonde begriff, dass das, was Sasukes Aufmerksamkeit erregt hatte, unter anderem der nach oben gebogene Stundenzeiger war. Panisch überlegte Naruto hin und her, ob er nun den Zeiger wieder gewaltsam hinunterdrücken sollte, doch das würde Sasuke dann nicht entgehen und ihn nur noch mehr verraten. Deshalb ließ er es sein, ebenso wie das Sekundenzählen, das er bei all der Panik wieder vergessen hatte. Verwundert drehte Sasuke den Wecker in seinen Händen und machte sich an der Abdeckung der Batterien zu schaffen.

Naruto wusste nicht, wie ihm geschah. Alles, was er spürte, waren Sasukes Hände und vor allem seine warmen Finger, die sich in ihn hineinbohrten, um die Batterien herauszuholen. Naruto spürte deutlich, dass er das nicht mehr lange aushalten würde. Er war bereits an dem Punkt, an dem er nicht mehr wusste, was schlimmer war: diese Tortur auszuhalten oder sich jetzt zurückzuverwandeln und Sasuke wissen zu lassen, was genau er gerade in der Hand hatte und worin er gerade herumpulte. Naruto starb fast vor Scham. Vor allem, weil er sich nicht zu sehr verkrampfen durfte, denn so bekam Sasuke die Batterien nicht aus ihm heraus.

Endlich nahm der Schwarzhaarige seine Finger zurück und stellte den Wecker – mitsamt Zubehör – auf dem Schrank ab. Naruto war so erleichtert, dass er endlich wieder richtig durchatmen konnte, doch er fühlte sich so entblößt. Seine Abdeckung lag neben ihm und er spürte die Kälte an seiner Hinterseite, vor allem jetzt, da Sasukes warme Finger nicht mehr da waren. Wenn der Schwarzhaarige nicht noch im Raum gewesen wäre, hätte Naruto sich jetzt definitiv aus dem Staub gemacht. Dieses Erlebnis musste er erst einmal verarbeiten – und er musste dringend etwas gegen den verbogenen Zeiger tun. Doch Sasuke blieb im Zimmer, ging nur an die Schublade eines kleinen Telefontisches und nahm etwas heraus, bevor er wieder zum Bett – nein, zur Kommode – zurückkam. Naruto konnte nur noch starren, als er die Batterien in Sasukes Händen sah. Hh…!!! Mehr konnte er in diesem Moment nicht denken. Als Sasuke den Wecker wieder hochhob, war Naruto der Ohnmacht nahe. Er wusste, was jetzt kommen würde. Er versuchte, sich mental darauf vorzubereiten, doch das konnte er nicht. Er konnte es nur bereuen, dass er nicht die Flucht ergriffen hatte, als Sasuke ihm kurz den Rücken zugekehrt hatte. Jetzt hielten seine Finger ihn fest, drückten gegen die kleinen, aber für ihn großen Stromspeicher und pressten sie somit gegen Narutos Körper. Dieser war so angespannt, dass er fürchtete, dass die Batterien dem anderen wieder entgegenschießen würden. Als beide endlich hielten, drehte Sasuke sich das Ziffernblatt des Weckers zu und der Blonde begriff, dass er jetzt funktionieren musste, wenn er diesen Tag lebend überstehen wollte. Es brauchte all seine Körperbeherrschung, sowohl diese beiden Fremdkörper in sich festzuhalten, als auch den Sekundenzeiger in glaubwürdiger Geschwindigkeit zu bewegen. Einundzwanzig, zweiundzwanzig…, versuchte er ruhig zu zählen. Die Gefahr, dass er zu schnell war, war ziemlich groß, doch Sasuke bemerkte es nicht, dass nicht jede Sekunde exakt gleich lang war. Er wunderte sich nur, dass der Stundenzeiger nach wie vor so weit nach oben geklappt war. Er schüttelte jedoch nur leicht den Kopf und drehte dann an dem Rad, um die Uhrzeit einzustellen. Denn auch das hatte Naruto falsch gemacht. Er zeigte über zwei Stunden zu spät an. Sasuke korrigierte das und Naruto wusste gar nicht, wo genau er dazu gerade an seinem Körper herumschraubte. Jede Berührung ging ohnehin durch seinen ganzen Körper. Seine Nerven waren zum Zerbersten angespannt. Bitte lass es jetzt zu Ende sein…

Tatsächlich machte Sasuke nun die Klappe über den Batterien wieder zu und stellte den Wecker zurück an seinen Platz auf der Kommode. Dann wandte Sasuke sich ab und setzte sich aufs Bett. Naruto war dankbar für diesen Abstand und für die herbeigesehnte Berührungslosigkeit, aber der Druck in seinem Körper war noch immer da. Die Batterien drückten bereits so stark gegen die Abdeckung, dass er fürchtete, dass sie aufspringen würde. Deshalb flehte er den Schwarzhaarigen stumm an, dass er den Raum verlassen sollte. Er wollte hier raus. Und vor allem wollte er die Batterien aus sich heraus haben.

Lange Sekunden saß Sasuke nur auf seinem Bett und tat nichts, als vor sich auf den Boden zu starren. Er schien nicht vorzuhaben, sich demnächst von der Stelle zu bewegen. Das gefiel Naruto gar nicht, der nicht mehr wusste, wie lange er noch durchhalten würde. Es war ein besonders unangenehmes Gefühl, die kalten Batterien in sich stecken zu spüren. Vom Bett aus schaute Sasuke dann auch noch lange zu ihm herüber – oder eher zu dem Bilderrahmen – und zwang ihn, seine Funktionen als Uhr zu erfüllen. Diese Minuten waren die mit Abstand schlimmsten seines bisherigen Lebens.

Plötzlich rührte sich Sasuke wieder und Naruto verfolgte angespannt, wie er sich mit dem Handtuch in der Hand erhob und in Richtung Hausflur entfernte. Der Blonde schätzte, dass er nicht lange in diese Richtung verschwinden würde – wahrscheinlich nur zu einem kleinen Wäscheraum gleich nebenan –, doch er konnte nicht mehr warten. Er würde jetzt jede Chance nutzen, um dieses drückende Gefühl loszuwerden. Deshalb verwandelte er sich zurück, schnappte sich die fortschießenden Batterien, bevor sie geräuschvoll auf dem Boden aufgekommen wären und sprang aus dem Fenster, das er leise wieder zuschob, bevor er, so schnell er konnte, nach Hause rannte. Erst dort angekommen, blieb er stehen und atmete tief durch. Er blickte auf die Batterien in seiner Hand und warf sie auf seinen Esstisch. Er rieb sich seinen Hintern, um das seltsame Gefühl darin zu verwischen. Er wagte es noch eine Weile nicht, sich tatsächlich hinzusetzen. Und auch dann nur auf sein weich gepolstertes Bett.

Sasuke hatte nichts bemerkt. Er ging durch sein Wohn- und Schlafzimmer in die Küche, um sich etwas zum Abendessen zu machen. Naruto dagegen hatte absolut keinen Appetit mehr.

Kakashi saß derweil bei sich zu Hause und aß Popcorn, während er auf seinen Fernsehbildschirm starrte. Dort konnte er beobachten, wie sich Naruto über das Gras zu Sasuke herüber bewegte. Als der Blonde seine Lippen auf die des Schwarzhaarigen legte, sog Kakashi scharf die Luft ein und ein Stück Popcorn blieb ihm im Hals stecken. Er hustete und schlug sich gegen die Brust, bevor er nach der Cola griff und das Popcorn hinunterspülte. Als er damit fertig war, sah er, wie sich Naruto seinen Kopf erneut zu Sasuke herabsenkte, doch bevor seine Lippen die des anderen ein weiteres Mal berührten, wurde der Bildschirm schwarz. Das Band war zu Ende und das Abspielgerät stoppte mit einem lauten Klacken. Verdammt!, fluchte Kakashi innerlich und schrieb sich auf seine mentale Einkaufliste, dass er sich unbedingt eine Videokassette mit längerer Aufnahmezeit kaufen musste.
 

~
 

Kapitel 3 – Gummikugelprobleme – oder auch: Gruselgeschichten im Bett

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 4 – Große Kleidungsstücke – oder auch: Kleine Zelte

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 5 – Liegestreik – oder auch: Wenn etwas fällt

Am nächsten Morgen erwachte Naruto mit der Nase gegen eine Stoffwand gedrückt. Verwirrt drehte er den Kopf weg von ihr und sah, im Zwielicht ihres Zeltes, dass Sasuke neben ihm lag, sein Kopf an seine Schulter gekuschelt. Der Blonde hob seine Augenbrauen und versuchte, sich zu erinnern, was passiert war. Es dauerte nicht lange und er erinnerte sich wieder an jede Einzelheit. Wie Sasuke sich auf ihn gerollt hatte, wie er ihn geküsst, wie er seinen Körper berührt, wie er ihn zum Beben gebracht hatte. Das Letzte, an was er sich erinnerte, waren Sasukes heiße Mundhöhle und seine Lippen an den seinen.

Naruto konnte es nicht fassen, dass der andere das mit ihm getan hatte. Vor allem jetzt, als er in das friedlich schlafende Gesicht des Schwarzhaarigen blickte, konnte er sich nicht vorstellen, wie der andere ihn anblicken würde, wenn er jetzt die Augen aufschlug. Aber noch spielte es keine Rolle. Noch wollte er einfach nur die Nähe zu ihm genießen. Deshalb bewegte er sich so wenig wie möglich und schloss wieder die Augen.

Als Sasuke kurz darauf seine Lider öffnete, schaute er verwirrt um sich. Der Stoff des Shirts zu allen Seiten war beengend. Die Decke des Zeltes war leicht gespannt, weil ihre Beine ziemlich weit auseinanderlagen und so den Stoff dehnten, doch sie war tief, die Luft darunter stickig. Trotzdem zögerte der Schwarzhaarige, sich zu bewegen und sich aus dieser leicht unangenehmen Wärme zu befreien. Er schaute den anderen an, wie jeden Morgen, und dachte unwillkürlich an die vergangene Nacht zurück.

Sofort schien der Sauerstoff noch knapper zu werden, als er das ohnehin schon war. Er dachte daran, wie er über den anderen hergefallen war. Wie er seinen Körper verschlungen hatte, mit Haut und Haaren – und gewissen Körperflüssigkeiten. Es war keine Absicht gewesen. Naruto hatte ihm zwar sogar signalisiert, dass er kurz davor gewesen war zu kommen, und dennoch hatte Sasuke nicht rechtzeitig aufhören wollen. Er hatte nicht genug bekommen können von diesem Keuchen und Stöhnen des anderen. Es hatte ihn süchtig gemacht. Und bevor er sich es versah, hatte er eine zähe Flüssigkeit in seinem Mund gespürt und war zurückgewichen. Natürlich war es da bereits zu spät gewesen. Und der Schwarzhaarige hatte es aus einem Reflex heraus auch instinktiv geschluckt, weil es bereits so weit hinten in seinen Rachen geschossen war. Naruto hatte sich daraufhin – nachdem er wieder einigermaßen atmen konnte – etliche Male entschuldigt, doch Sasuke konnte ihm nichts vorwerfen. Deshalb war er nur zu seinem Kopf hinaufgerutscht, hatte seinen Hals geküsst, mehrere Male, unter dem ständigen „Gomen, Sasuke, gomen“ des Blonden, und hatte den Kopf geschüttelt, bevor er ihn auf den Mund geküsst hatte. Naruto hatte daraufhin endlich – zwangsläufig – mit seinen Entschuldigungen aufgehört und hatte den Schwarzhaarigen an sich herangezogen. Eng aneinandergeschmiegt waren sie schließlich eingeschlafen. Sasuke spürte es, dass er sich in dieser Nacht nicht sonderlich oft umgedreht hatte. Die Seite, auf der er lag, tat ihm etwas weh. Er musste annähernd die ganze Nacht darauf gelegen sein, aus Mangel an alternativen Liegepositionen wahrscheinlich.

Naruto bemerkte jetzt an der Geschwindigkeit seines Atmens, dass Sasuke wach geworden war, und schlug die Augen auf, schaute zu ihm herüber. Dunkle Augen trafen auf helle. Beide rührten sich eine Zeit lang nicht mehr. Naruto hatte Angst, den anderen zu überfordern in dieser ohnehin schon nicht ganz einfachen Situation; Sasuke fürchtete schlicht, dass er irgendetwas falsch machen könnte, ohne zu wissen, was das sein könnte oder was es zur Folge haben würde. Und so starrten sie sich lange an.

Irgendwann wagte Naruto es, etwas Unverfängliches zu sagen: „Guten Morgen.“

„Morgen“, murmelte Sasuke zur Antwort und machte jetzt erste Anstalten, seine Arme von Narutos Körper zu nehmen. Er hatte nämlich seine Hände beide auf dem Bauch des anderen liegen. Und zusätzlich noch ein Bein über denen des Blonden. Diese Kontakte löste der Schwarzhaarige nun mit gerötetem Gesicht. Nur die Verbindung ihrer Hände konnte er nicht brechen, auch wenn jetzt, als er seinen Arm von dem anderen fortzog, ein lautes Knacken zu hören war.

Beide schauten auf die blaue Kugel hinab, die keine richtige Kugel mehr war. Sie war an mehreren Stellen eingefallen, sah zunehmend wie eine Rosine aus. Und jetzt entdeckten sie auch den Riss, der – dem Geräusch nach – eben entstanden sein musste.

„Es zerkrümelt“, sagte Sasuke atemlos, seine peinliche Berührtheit für den Moment vergessend. Naruto öffnete den Mund, wusste jedoch nicht, was er dazu sagen sollte. Er konnte nicht viel Positives daran finden. Er spürte genau, dass der andere sich von ihm lösen wollte. Dass er Abstand wollte.

„Halt mal dagegen“, sagte der Schwarzhaarige jetzt und zog seinen Arm fort von dem Blonden. Dieser folgte nur halbherzig der Aufforderung, tat, als hätte er kaum Kraft für so etwas so früh am Morgen.

„Es geht noch nicht“, behauptete Naruto einfach. „Lass uns erst einmal aufstehen. Es wird schon bald von selbst abfallen, auch ohne Gewalt.“

„Wer hat behauptet, dass sich das meiste mit Gewalt lösen lässt?“, fragte Sasuke und zog stärker.

„Das tut weh“, sagte Naruto, auch wenn das nicht unbedingt der Fall war. Zumindest nicht körperlich. Es war mehr der Gedanke, dass er die Verbindung zu ihm verlieren würde, der schmerzte.

„Jetzt hab dich nicht so“, meinte Sasuke und nahm seine freie Hand noch hinzu, um beidseitig ziehen zu können. Naruto konnte es nicht verhindern. Aber Sasuke schaffte es zum Glück nicht. Nicht allein.

„Jetzt hilf mir doch“, sagte dieser empört. „Nur noch ein bisschen mehr und es reißt bestimmt.“

„Ich will jetzt hier raus“, ließ der Blonde ihn wissen und suchte die Öffnungen des Shirts. Sasuke, der es endlich aufgab, die Kugel zerreißen zu wollen, seufzte und überlegte einen Moment, ob sie das Shirt nicht besser wieder anziehen sollte, als es auszuziehen. Doch dann erinnerte er sich daran, dass sie sich ohnehin bald richtig anziehen mussten, deshalb konnten sie es auch gleich –

Er erschrak. „Das Spezialtraining!“

„Was ist damit?“, wollte Naruto wissen und hielt inne, als er gerade den Saum des Shirts in die Finger bekommen hatte.

„Der Wecker hat nicht geklingelt“, stellte Sasuke fest.

„Dann wird es wohl auch noch nicht so spät sein. Also, ich bin noch ziemlich müde“, meinte der Blonde, doch Sasuke interessierten solche Vermutungen nicht. Er befreite sie beide von dem zeltartigen Shirt und schaute zu seinem Wecker auf. Er zeigte erst Viertel vor Sieben an. Der Schwarzhaarige warf einen Blick aus dem Fenster und bezweifelte, dass es um diese Jahreszeit bereits so hell sein würde um diese Uhrzeit. Deshalb wanderten seine Augen zu der Wanduhr und er erschrak ein weiteres Mal: Viertel nach Neun.

„Wir sind zu spät!“, meinte er schockiert und blickte Naruto an. Dann schaute er zum Wecker zurück und stellte fest, dass er nicht mehr tickte. Der Sekundenzeiger hielt mucksmäuschenstill. „Aber wie…?“ Er runzelte die Stirn und murmelte: „Ich habe doch erst die Batterien gewechselt… Wie kann das sein?“

Bei dem Wort „Batterien“ war der Blonde mit einem Mal hellwach. Aber er hatte gelernt und machte dieses Mal genau das, was er schon letztes Mal bei dem Thema hätte tun sollen. Er zuckte mit den Schultern.

Sasuke verengte die Augen zu Schlitzen. Er überlegte, ob der andere tatsächlich die Batterien herausgenommen hatte, damit sie verschlafen würden. Aber wozu? „Egal, wir müssen uns jetzt beeilen“, sagte Sasuke und stand auf. Ein letztes Mal – und zum ersten Mal mit dieser Eile – gingen sie zusammen ins Bad, auf die Toilette, putzten sich die Zähne und zogen sich an.

„Die Nachttischlampe brennt noch“, stellte Naruto mit einem kleinen Lächeln fest. Sasuke, mit einem roten Schleier auf den Wangen, ging hin und schaltete sie aus.

„Wir müssen los“, sagte er lediglich, und nachdem sie ihre Schuhe angezogen und die Haustür hinter sich abgeschlossen hatten, sprinteten sie zum Treffpunkt. Über eine halbe Stunde zu spät kamen sie dort an, doch von Kakashi war keine Spur zu sehen. Außer Atem standen sie da und schauten sich um. Er war weit und breit nicht zu entdecken.

„Glaubst du, er ist wieder gegangen, weil wir nicht pünktlich da waren?“, fragte Naruto.

„Vielleicht ist er auch – wie immer – zu spät und war noch gar nicht hier“, meinte Sasuke und setzte sich auf die Brücke, lehnte erschöpft gegen das Geländer. Naruto tat es ihm gleich. Er fühlte sich seltsam. Seine Stimmung war so gedrückt. Er wusste, dass es daran lag, dass Sasuke nichts mehr wollte, als diese Kugel zu zerstören. Es störte den Blonden unglaublich, dass er diesem Ziel nun schon sehr nahe war. Was jedoch fast noch mehr an ihm nagte, war, dass der andere noch kein Wort über die vergangene Nacht verloren hatte.

Aber natürlich hatte er das nicht. Naruto hatte es auch nicht erwartet, er hatte es sich nur gewünscht. Doch wenn diese Kugel nicht alle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte, hätte er das Thema selbst ansprechen können. Und vielleicht hätte Sasuke – und wenn es nur ein Wort gewesen wäre – etwas dazu gesagt, das die Geschehnisse der Nacht irgendwie realer machte. Etwas, das ihm zeigte, dass der andere die Stunden auch genossen hatte. Etwas, das ihn hoffen ließ, dass es nicht die letzte gemeinsame Nacht gewesen war.

Er wusste, dass das, was zwischen ihnen passiert war, eigentlich darauf hindeutete, dass es wieder passieren würde, doch das drohende Verschwinden der Kugel machte Naruto unsicher. Wenn der Schwarzhaarige erst einmal die Möglichkeit hatte, eine Distanz zwischen die beiden zu bringen, dann würde er es tun. Und Naruto hatte keine Ahnung, wie er ihn davon abhalten sollte. Wie er ihn dann wieder an sich heranziehen sollte.

Er hatte gewusst, dass diese Verbindung nicht für ewig sein würde, doch er hatte gehofft, dass drei Tage ausreichten, um den anderen – auch ohne diese klebrige Masse – an sich zu binden. Naruto schaute auf sie hinab, diese blaue Kugel, die längst keine Kugel mehr war. Er betrachtete ausgiebig ihre Dellen, Risse und Falten. Bis Sasuke zu sprechen begann: „Wofür haben wir uns nur so beeilt?“ Er fuhr sich mit einer Hand frustriert durch die Haare. „Wir hätten es uns denken sollen, dass er noch nicht da ist. Schließlich ist es ja nur Training und keine Mission.“

„Wir hätten mindestens noch etwas frühstücken sollen“, sagte Naruto dazu nur.

„Ja, stimmt“, pflichtete Sasuke ihm bei. „Mit komplett leerem Magen sollte man sowieso nicht unbedingt trainieren.“

„Wollen wir dann noch zu mir gehen und frühstücken?“, schlug Naruto vor.

Sasuke zögerte, wägte ab, ob Kakashi sich in nächster Zeit hier blicken lassen würde, oder ob es sich doch eher noch um Stunden handeln würde. „Okay“, stimmte er dem Vorschlag schließlich zu. „Deine Wohnung ist näher und dort liegen auch noch ein paar Sachen von unserem ersten gemeinsamen Einkauf, die man zum Teil wahrscheinlich bald essen sollte.“ Er hatte ohnehin nicht sonderlich große Lust auf diese Spezialübungen. Wenn es nach ihm ginge, könnten sie heute auch ausfallen. „Essen wir besser erst noch etwas. Und wenn er dann vor uns hier sein sollte, ist er selbst schuld. Uns hat er schließlich auch warten lassen.“

Nicht lange zwar, aber…, dachte Naruto, doch er sagte es nicht laut, war froh, dass der andere überhaupt eingewilligt hatte. „Dann los“, sagte Naruto und sprang auf, zog Sasukes Arm mit sich hinauf und bereute es sofort, denn die blaue Kugel gab wieder ein lautes Knacken von sich. Er ermahnte sich selbst zur Vorsicht. Sasuke dagegen zwang sich zur Rücksichtslosigkeit und zog sich an Narutos Arm komplett hinauf, riskierte damit zwar, dass er den anderen näher an sich heranzog, doch das war es ihm wert, wenn er dadurch die blaue Masse überstrapazierte und schließlich zum Brechen bringen würde.

Naruto wusste das, spürte Sasukes Absicht, und senkte den Blick. Schweigend gingen sie den Weg zurück in die Dorfmitte. Nicht weit von Narutos Wohnung sahen sie unerwarteterweise Kakashi mitten auf der Straße stehen. Bei ihm war Sakura, mit einem durch und durch glücklichen Lächeln im Gesicht, wie man es bei ihr selten sah. Die Ursache dafür war ziemlich offensichtlich: Sie hatte ein kleines getigertes Kätzchen auf dem Arm.

„Kakashi-sensei“, entfuhr es Naruto überrascht und erst jetzt entdeckte ihr Trainer die beiden jungen Shinobi.

„Ah, Naruto-kun, Sasuke-kun“, meinte Kakashi gezwungen fröhlich, während er sich am Hinterkopf kratzte. „Ich wollte gerade zum Treffpunkt kommen“, erklärte er, was ganz offensichtlich eine Lüge war.

„Aber?“, wollte Sasuke wissen, sich dessen bestens bewusst.

„Ich wurde aufgehalten, wie ihr seht“, sagte er nur. Naruto und Sasuke schauten synchron von Kakashi zu Sakura, zu der Katze und wieder zurück zu Kakashi, bevor dieser hinzufügte: „Ich wollte euch ohnehin nur mitteilen, dass das Training heute ausfällt.“

„Was? Warum?“, platzte Naruto gleich mit den offensichtlichen Fragen heraus.

„Ich muss mich um das Kätzchen hier kümmern“, war Kakashis simple Erklärung. „Aber morgen machen wir dafür eine größere Mission.“

„Oh, okay“, meinte Naruto leicht irritiert. Diese Planänderung kam ziemlich überraschend. Er schaute auf das Tier hinab und dann hinauf in Sakuras Gesicht. Das Mädchen beachtete ihre Gesellschaft kaum, weil sie so fixiert auf das kleine Fellknäuel in ihren Armen war. Kakashi dagegen hatte gerade weder Augen für Sakura noch für das Kätzchen. Er starrte an ihnen vorbei, als war er in Gedanken. Naruto folgte seinem Blick, doch konnte dort nur einen Mann und eine Frau entdecken, die er beide nicht kannte. Mit gerunzelter Stirn beobachtete Naruto Kakashi dabei, wie er seinen starren Blick von den beiden in der Ferne losriss und sich hastig – und vor allem übertrieben laut und deutlich – mit Sakura über das Kätzchen unterhielt. Er stellte sich dabei ganz nahe an sie heran, streichelte die Katze nun ebenfalls, als wäre sie plötzlich der Mittelpunkt der Erde für ihn.

Sasuke wollte losgehen, doch Naruto zog nur ganz leicht an seinem Arm, um ihn zu stoppen. Der Schwarzhaarige fragte nicht, was los war, sondern beobachtete einfach ebenfalls, was vor sich ging.

„Ah, Yamato!“, sagte Kakashi fröhlich, nachdem er so getan hatte, als hätte er den Jounin erst jetzt entdeckt, da er nur noch ein paar Meter von der kleinen Gruppe entfernt war. „Gut, dass ich dich hier treffe.“ Yamato schaute überrascht, als Kakashi seine Unterhaltung mit der schwarzhaarigen Frau neben ihm unterbrach. „Ich werde morgen mit Sakura-chan auf Mission sein“, erklärte Kakashi abrupt. Dass Sasuke und Naruto noch dabei sein würden, ließ er geflissentlich aus. Die beiden bemerkten das, doch sagten nichts dazu, betrachteten die Szene nur sprachlos. „Könntest du solange auf das arme Ding hier aufpassen?“, bat Kakashi den anderen Jounin.

„Ich?“, fragte Yamato überrumpelt. Kakashi nickte nur und sah zu, wie der jüngere Trainer sich die Katze ansah und gar nicht anders konnte, als zu lächeln bei dem Anblick, den das kleine Tier bot.

Die Frau neben ihm reagierte etwas anders, hielt sich die Hand vor die Nase. Sakura, die das sah, fragte höflich: „Entschuldigen Sie, sind Sie allergisch gegen Katzen?“

„Ja, genau so ist es“, antwortete die Schwarzhaarige. Kakashi konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, das aber niemand sehen konnte durch die Stoffmaske hindurch. Wenn Yamato tatsächlich zustimmen sollte, dann würde das bedeuten, dass er weniger Zeit für diese Frau haben würde. Und hoffentlich, dachte Kakashi, würden so viele Katzenhaare an seinen Kleidern hängen bleiben, dass er nicht einmal ohne Katze in ihre Nähe kommen konnte, ohne dass sie niesen musste.

„Wir gehen dann jetzt“, sagte Sasuke, der sich ungewöhnlich überflüssig vorkam. Es reichte ihm, was sie gesehen hatten. Er verabschiedete sich und ging weiter in Richtung Narutos Wohnung. „Seit wann hat Kakashi-sensei eine Katze?“, murmelte er, als sie sich ein Stück von den vieren entfernt hatten – oder von den fünfen, wenn man die Katze mitzählte. „Ist er nicht eigentlich mehr der Hundetyp, mit dem ganzen Rudel Suchhunde, das er hat?“

„Stimmt, eigentlich schon“, musste Naruto ihm beipflichten. Er blickte zurück zu den anderen und sah, dass Kakashi gerade wieder weder der Katze noch Sakura irgendwelche Aufmerksamkeit schenkte. Er schaute konzentriert in die andere Richtung den Weg hinauf, in die Yamato mit der schwarzhaarigen Frau verschwand. Naruto runzelte die Stirn. Irgendetwas war hier seltsam. Unbemerkt war er langsamer gegangen und spürte jetzt Sasuke an seinem Arm ziehen. Ein leises Knacken brachte ihn dazu, den Blick von Kakashi abzuwenden. Er würde noch früh genug erfahren, was das zu bedeuten hatte, was er eben gesehen hatte. Jetzt gab es erst einmal Wichtigeres zu klären. „Was machen wir jetzt mit unserem freien Tag?“, stellte er die einzig wichtige Frage für ihn.

„Ich gehe nach Hause“, wollte Sasuke sagen, doch er wusste, das konnte er nicht. Er blickte auf die Kugel zwischen ihnen und wusste, dass er bleiben oder den anderen mitnehmen musste, egal, wohin er gehen wollte.

„Ich will nach Hause“, meinte Sasuke trotzdem laut. Er war sich bewusst, dass er, obgleich er das gesagt hatte, noch immer Narutos Wohnung ansteuerte. Aber schließlich konnten sie auch noch immer daran vorbei und zu ihm nach Hause gehen.

„Wollen wir nicht trotzdem bei mir frühstücken?“, kam es sofort hoffnungsvoll von dem Blonden. Seine großen Augen schauten den Schwarzhaarigen flehend an, womit er jedem Dackel Konkurrenz gemacht hätte.

„Doch, können wir machen“, gab Sasuke sich geschlagen und Naruto bemerkte den ständigen Blick zu der Kugel hinab. Es war, als erwartete er, dass sie jeden Moment abfiel. Und Naruto befürchtete auch, dass sie das tun würde. Die Stimmung beim Frühstück und auch danach war dementsprechend angespannt. Nachdem sie alles vom Esstisch wieder abgeräumt hatten, standen sie zunächst ratlos mitten in der Küche. „Und was jetzt?“, wollte Sasuke wissen.

„Trainieren wir doch selbst ein bisschen“, war Narutos Vorschlag. „Dazu brauchen wir Kakashi-sensei ja nicht unbedingt.“

Es war offensichtlich, dass der Schwarzhaarige nicht allzu angetan war von dieser Idee. Aber sie hatten in den letzten Tagen nur unregelmäßig trainiert, das gefiel ihm auch nicht. Wenn diese Kugel nur endlich weg wäre, dachte er griesgrämig. Sasuke spürte den Blick des Blonden auf sich. Und er hatte gesehen, wie er zu ihren noch verbundenen Händen hinabgeschaut hatte. „Von mir aus“, sagte er jetzt schnell. „Ein bisschen Training sollte heute auf jeden Fall noch sein.“

„Okay!“, kam es von Naruto enthusiastisch. Er begab sich ins Wohn- und Schlafzimmer. Hier war am meisten Platz auf dem Boden.

„Wir können mit Liegestützen anfangen“, schlug Sasuke vor. „Normale Liegestützen“, setzte er gleich noch hinzu. Nicht, dass der andere noch an Kakashis Version dachte.

„Nebeneinander dann, meinst du?“, fragte Naruto, der ernsthaft hatte überlegen müssen. Er hatte sich bereits zu sehr an Kakashis Trainingsmethoden gewöhnt.

Gleichzeitig ließen sie sich zum Boden hinab und suchten eine gute Position und vor allem eine gute Balance mit der Kugel, die über die Holzdielen wegzurutschen drohte. Naruto löste das Problem mit einem Handtuch, das er unter der Kugel platzierte. Lange stemmten sie sich daraufhin schweigend nebeneinander vom Boden nach oben, beide in ihre eigenen Gedanken vertieft. Und doch rankten sie sich praktisch um dasselbe. Wie es sein würde, wenn sie voneinander getrennt sein würden. Wie viel Zeit sie dann noch mit dem anderen verbringen würden. Ob Kakashi ihr Spezialtraining dennoch weiterführen würde.

Immer wieder ertappten sie sich gegenseitig dabei, wie sie auf die blaue Kugel zwischen ihnen starrten. Sie knackte immer noch ab und zu, vor allem jetzt, da sie sich beide mit der Hälfte ihres Gewichtes darauf abstützten. Naruto hatte zunehmend das Gefühl, dass Sasuke diese Übung mit Absicht gewählt hatte und er sie erst beenden würde, wenn ihre Hände auseinanderbrachen.

Irgendwann ließ sich Naruto deshalb einfach auf den Boden sinken, nahm schon einmal sein eigenes Gewicht von der Kugel. Sasuke schaute zu ihm hinab, hielt inne, bevor er fragte: „Was ist?“

„Können wir noch etwas anderes machen als nur Liegestützen?“, wollte Naruto wissen.

„Schlag etwas vor“, sagte Sasuke nur und überlegte, ob er indessen weitermachen sollte, während der andere nachdachte. Er entschied sich dagegen und stand auf. Naruto erhob sich ebenfalls, zwangsläufig, um nicht zu sehr an der Kugel reißen zu müssen, aber er wollte es auch, denn sein Entschluss war gefasst.

Er wusste, dass der andere es gerade nicht riskierte, angekettet und ungeschützt neben ihm auf dem Boden zu liegen. Er spürte es wohl, was Naruto dann früher oder später getan hätte. Doch das konnte er auch im Stehen tun. Und vielleicht sogar noch besser. Vielleicht war es, weil die Verbindung zwischen ihnen nicht mehr lange halten würde, eine nur noch einmalige Gelegenheit.

Ohne Vorwarnung griff der Blonde um den Körper des anderen herum, presste seine Hand auf dessen Rücken und warf sich mit ihm aufs Bett. „Was zum…?!“, konnte Sasuke nur beginnen, dann waren Narutos Lippen bereits gegen seine gepresst.

Der Schwarzhaarige starrte mit offenen Augen auf die geschlossenen Lider des anderen. Er konnte es nicht glauben, wie egoistisch der Blonde handelte. Wie wenig er danach fragte, was Sasuke selbst wollte. Wie konnte er sich einfach gewaltsam nehmen, was er wollte? Das konnte der Schwarzhaarige auf keinen Fall zulassen. Er würde sich nicht unterwerfen, auf keinen Fall. Er schob den anderen grob von sich, drehte zeitgleich seinen Kopf zur Seite, aus der unmittelbaren Reichweite von Narutos Lippen.

„Sag mal, spinnst du? Was soll das?“, wollte er wissen und schaute jetzt wieder zu dem Blonden auf, Wut in seinen Augen. Dieser sah keinen anderen Ausweg, als es einfach noch einmal zu probieren. Er nahm seinen Arm unter dem Rücken des anderen heraus, was dieser zuerst als einen Rückzug deutete, doch dann legte Naruto diese Hand an die Wange des Schwarzhaarigen und küsste ihn wieder. „Hey!“, rief dieser wütend, als er erneut seine Lippen von denen des Blonden befreit hatte. „Hör auf damit!“

Naruto klammerte sich jetzt wieder, so gut er konnte, an Sasuke fest, presste sein Gesicht in seine Halsbeuge. Dieser zerrte an der Schulter des Blonden, doch bekam ihn nicht von sich los. Er griff deshalb um den anderen herum und Naruto freute sich bereits, dass er die Umarmung erwiderte, da rollte Sasuke sie zur Seite, rollte sich über ihn und gewann die Oberhand. So schien es. Der Blonde hielt sich jedoch unverändert fest, ungeachtet der Schwerkraft, tat nichts anderes mehr, sagte nichts, wollte nichts, als dass Sasuke ihn bei ihm sein ließ.

Nach einer Weile gab der Schwarzhaarige es auf, den anderen von sich zerren zu wollen, ließ sich erschöpft zur Seite fallen. „Was soll das werden, Usuratonkachi? Ein ‚Liegestreik’?“

Naruto nahm seinen Kopf zurück, schaute ihm in die Augen, zögerte nicht zu antworten: „Das, was es braucht, um dich dazu zu bringen, hier zu bleiben, auch nachdem die Kugel zerbrochen ist.“

Sasukes Mund blieb offen stehen. Er war sich bestens bewusst, dass dem anderen das nicht entgehen konnte, da er ihm direkt ins Gesicht blickte. Aber er konnte es nicht ändern. Er war fasziniert von dieser Direktheit. Dieser Offenheit. Diesem direkten Blick dieser offenen Augen. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er starrte nur in diese Augen und wartete darauf, dass sie ihm auch nur einen kleinen Teil ihres Mutes abgaben. Naruto dagegen wartete darauf, dass der andere bejahte. Dass er auch nur nickte, als Antwort auf diese indirekte Frage. Er konnte es nicht.

Obwohl sie sich beide nicht bewegten, hörten sie plötzlich ein Knacken aus der blauen Kugel. „Bleib hier“, brach es jetzt aus dem Blonden heraus, nachdem er seinen Blick von ihren nur noch schwach verbundenen Händen gelöst hatte. Er streckte seinen Arm nach dem anderen aus, griff nach seiner Schulter. Sasuke holte zwar Luft, doch konnte nicht sprechen, konnte auch nicht nicken. „Na?“, drängte Naruto nach einer Antwort. „Na?“

„Ich…“, begann Sasuke, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, was er sagen sollte. Er wollte einfach nur, dass der andere still war, damit er denken konnte. Doch noch bevor der Schwarzhaarige auch nur irgendetwas Aussagekräftiges entgegnet hatte, hörten sie ein weiteres Knacken, ein lauteres noch, und beide mussten zu ihren Händen hinabschauen. Es war, als lebte die Kugel. Oder besser noch: als starb sie.

„Versprich es mir“, flüsterte Naruto und sie schauten sich wieder in die Augen. Die blaue Masse knackte noch lauter und plötzlich brach etwas mit einem Klirren. Beide starrten wortlos auf ihre Hände. Dann hob Sasuke seinen Arm von der Matratze und sie sahen, mit großen Augen, wie er sich hindernislos aus der Kugel löste.

Beide schauten sich jetzt an, starrten sich an. Sasuke mit einem fassungslosen Blick, Naruto mit einem furchtsamen Ausdruck in den Augen. Beide wussten, weshalb.

Sasuke konnte lange nur zurückstarren, versuchte, das Gefühl der Freiheit zu begreifen, an das er schon fast nicht mehr geglaubt hatte. Und Naruto hatte Angst, dass der andere seine neu gewonnene Freiheit sofort ausnutzen würde.

Als der Blonde zu den Scherben ihrer Verbindung hinabblickte, fehlten ihm die Worte. Er glaubte, er müsste etwas tun, um das Verschwinden Sasukes zu verhindern, doch gleichzeitig wagte er es nicht, fürchtete, dass er ihn so noch schneller vertreiben würde. Aber nach einer Weile schaute er wieder auf und stellte fest, dass Sasuke sich noch immer nicht gerührt hatte. Wenn er hätte gehen wollen, hätte er es längst getan, dachte der Blonde. Stattdessen streckte der Schwarzhaarige jetzt seine Hände aus, griff nach der Kugel und dem Handgelenk Narutos – und brach es aus der blauen Masse heraus. Seine Hand löste sich nicht ganz so problemlos davon ab wie Sasukes. An ihr blieben noch Bruchstücke von der Kugel hängen. Naruto bemerkte das jedoch gar nicht, schaute gar nicht hin, denn er starrte nur Sasuke an. Seine Augen huschten hin und her, suchten sein Gesicht ab, nach einer Erklärung, auch nur nach einem Hinweis. Es verriet allerdings nicht viel. Es zeigte hauptsächlich, dass er sich selbst wunderte, was er gerade tat.

Er ließ Narutos Hand los, hatte sie zuvor behutsam auf der Matratze abgelegt. Den Blonden aber interessierte das nicht; der andere war noch da. Er war noch nicht fortgelaufen. Zwar hatte er noch keine Antwort gegeben, doch Naruto brauchte nicht zwingend eine Antwort in Worten. Er machte einen Satz in seine Richtung, presste den anderen näher an sich, rollte sich auf ihn, sodass die federnde Matratze unter ihnen auf und ab wippte. Und als sich auf Sasukes Gesicht langsam ein unsicheres kleines Lächeln ausbreitete, war das Antwort genug. Mehr als das.

Naruto konnte bei dem Anblick nichts anderes tun, als selbst zu lächeln, wusste nicht, wie er sonst reagieren sollte, wie er seiner Freude Ausdruck verleihen sollte. Und Sasukes Lächeln wurde sicherer, als er diese Freude auf sich übergehen spürte. Doch sie, sowie das Lächeln der beiden erstarb, als unter ihnen ein lautes Klacken zu hören war.

„Was war das?“, fragte Sasuke erschrocken. Dann folgte ein zweites klackendes Geräusch und eines, wie etwas über die Holzdielen rollte. Beide zuckten noch einmal zusammen und hoben dann den Kopf, reckten den Hals, blickten vorsichtig über den Bettrand hinaus und sahen eine Batterie gegen den Nachttisch rollen.

Sasuke wollte gerade erleichtert sein, dass es nichts mit Kakashi zu tun zu haben schien, dann erkannte er die Batterie als solche, wie er eine in seinen Wecker getan hatte. Eigentlich. Aber er erinnerte sich auch, wie dieser Wecker heute Morgen die falsche Uhrzeit angezeigt hatte. Als wären die neuen Batterien niemals tatsächlich dort angekommen, wo sie sollten.

„Wo kommen die Batterien her?“, fragte er jetzt und schaute Naruto, eine Erklärung fordernd, an. „Das sind doch meine, oder nicht?“, meinte er harsch und der Blonde ging automatisch auf Abstand, nahm beschwichtigend die Arme hoch, zeigte seine leeren Handflächen, als könnte ihn das unschuldig machen. Doch weder tat es das, noch beruhigte es den anderen, der sich nun sicher war, ins Schwarze getroffen zu haben. Und allmählich begann er zu spüren, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Er konnte es auch sehen, dass der Blonde dieses Thema unter keinen Umständen weiter ausführen wollte. Und dafür musste es einen Grund geben.

„Nein, wie kommst du darauf?“, log dieser jetzt sehr schlecht. „Das sind meine Batterien.“

„Und warum waren sie dann, wie es scheint, unter der Matratze versteckt?“, fragte Sasuke und warf den anderen von sich, der sich nicht mehr an ihm festklammerte. Er stand auf und hob die Batterie vom Boden auf, schaute sie sich noch einmal genauer an und war sich ganz sicher, dass es eine von jenen war, die er in seinen Wecker getan hatte. Jetzt sah er auch die andere Batterie, die gegen einen Stellfuß des Bettes gerollt und dort liegen geblieben war. Sie war von einer anderen Marke, weil er von der einen nur noch eine letzte gehabt hatte. Es war also eindeutig: Aus irgendeinem Grund hatte Naruto seine Batterien geklaut.

Sasuke versuchte, sich daran zu erinnern, wo er diese zuletzt gesehen hatte. Und wie sie dann hierhergekommen sein konnten. Er hatte sie in den Wecker getan, auch wenn er sich gewundert hatte, dass sie sich fast gar nicht hatten hineinzwängen lassen. Ebenso wenig wie sich die alten Batterien hatten leicht herausholen lassen. Aber wenn die neuen Batterien hier in Narutos Zimmer waren, fragte er sich jetzt, welche waren dann bei ihm zu Hause im Wecker? Hatte Naruto die alten wieder aus der Schublade geholt und in den Wecker zurückgetan? Und wann hätte er das tun sollen? Und warum? Und warum hätten sie dann noch funktionieren sollen für eine gewisse Zeit? Schließlich hatte der Wecker gestern noch getickt und auch laut geschellt, als er ihn in seiner Kommode gefunden hatte. Hatte der Blonde – in ihrer gemeinsamen Nacht bei Sasuke – die Batterien wieder ausgetauscht? Das war unmöglich. Sie waren die ganze Zeit zusammen gewesen, zwangsläufig. Aber wann hätte er das sonst tun sollen? Und, verdammt noch mal, warum überhaupt?!

„Sag es jetzt endlich!“, verlangte Sasuke. Seine Geduld war am Ende. „Was versuchst du zu verheimlichen? Was hast du gemacht?“ Er griff an Narutos Kragen.

„Du wirst mich auch ganz sicher nicht…“ Naruto schluckte. „…umbringen oder so?“

„Das entscheide ich, nachdem du mir die Wahrheit gesagt hast“, sagte Sasuke nur und fragte sich mittlerweile wirklich, was sich der andere geleistet hatte. „Spuck es jetzt endlich aus, wenn du willst, dass ich keine Ausnahme mache und einmal ein Versprechen nicht halte.“

Er würde ihn nicht zum Essen einladen? Würde er so weit gehen? „Ich…“, begann der Blonde jetzt und schloss die Augen, um sich ganz darauf konzentrieren zu können, so schnell er konnte zu sprechen, damit er die Beichte so schnell wie möglich hinter sich brachte. „Ich habe mich als dein Wecker getarnt.“

„Du hast was?“, fragte Sasuke und ließ endlich seinen Kragen los – fassungslos. Es hätte den Blonden nicht gewundert, wenn der andere ihn nicht verstanden hätte. Er glaubte, wirklich noch nie so hastig gesprochen zu haben.

„Ich wollte an dem Abend noch Zeit mit dir verbringen, aber du wolltest nicht mit mir Ramen essen gehen, deshalb habe ich mich in deine Wohnung geschlichen.“ Der Blonde holte tief Luft, um auch den Rest in einem Rutsch, ohne zu atmen, loszuwerden. „Und als du reingekommen bist, musste ich mich schnell verstecken, habe aber kein Versteck gefunden, also habe ich den Wecker in der Schublade verschwinden lassen und mich selbst als Wecker getarnt.“

„Stopp, stopp, stopp“, sagte Sasuke und hob seine Hand. „Du warst der Wecker?“ Naruto zögerte zu nicken. In Sasukes Kopf spielte sich die Szene noch einmal ab, wie er die Klappe geöffnet, die Batterien herausgepult und die neuen hineingezwängt hatte. Er versuchte, sich vorzustellen, dass er das nicht mit einem Wecker, sondern mit Naruto getan hatte.

Sofort ließ er die Batterie in seiner Hand zu Boden fallen. Sein Puls begann zu rasen, ebenso wie seine Wut, die hauptsächlich von der peinlichen Berührtheit kam. Dass er sich zuvor darüber geärgert hatte, dass der andere in seiner Wohnung herumspioniert hatte, war fast nebensächlich geworden. „Bist du eigentlich bescheuert?!“, brach es jetzt aus ihm heraus und er wusste nicht, wie er mit dieser Wut umgehen sollte. Er wollte nicht auf Naruto losgehen, auch wenn sein Körper das wollte. „Was soll das?! Warum tust du so was?!“

„Es war keine Absicht“, murmelte Naruto, der unsicher auf dem Bett kniete, es nicht wagte aufzustehen und Sasuke in irgendeiner Form näher zu kommen.

„Keine Absicht?“, fragte dieser entrüstet.

„Ich habe eben Panik bekommen“, erklärte Naruto.

„Panik? Vor was?“, wollte Sasuke wissen. „Vor mir?“

„Davor, dass du mich erwischst“, antwortete Naruto kleinlaut.

„Wieso? Was hast du denn in meiner Wohnung gemacht?“, fragte Sasuke sofort beunruhigt. Er stellte sich vor, wie der andere an seiner getragenen Wäsche geschnüffelt hatte, und seine Ohren wurden noch röter.

„Nichts!“, sagte Naruto eilig, bevor der andere alle Möglichkeiten in seinem Kopf durchgehen konnte. „Gar nichts! Ich bin ja nur zwei Minuten vor dir hier gewesen.“

Dieses Argument ließ Sasuke zählen, denn er wusste schließlich, dass er sich nicht lange, bevor er seine Wohnung erreicht hatte, vom Blonden verabschiedet hatte. Aber er begriff es dennoch nicht, konnte und wollte es auch nicht begreifen, was passiert war, denn in seinem Kopf drehte sich alles nur noch um diesen Wecker und was er mit ihm getan hatte – vollkommen unwissend, was er tatsächlich mit seinen Fingern getan hatte. Nicht einmal Naruto hätte es ihm genau sagen können. Und der Schwarzhaarige hätte niemals gefragt.

„Ich gehe“, beschloss Sasuke und ging zur Tür. Noch bevor er sich seine Schuhe angezogen hatte, war Naruto bei ihm und entschuldigte sich, doch Sasuke wollte das nicht hören. Nicht jetzt. Er musste erst einmal seine Gedanken ordnen. Und dazu musste er hier weg.

„Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich, ohne dem anderen ins Gesicht blicken zu können. Verzweifelt, aber ratlos, sah Naruto dem anderen nach. Er hätte nichts sagen können, was Sasuke aufgehalten hätte, das wusste er.

Niedergeschlagen schloss er die Tür und ging – ohne Eile, denn er hatte keine Ahnung, was er mit dem Rest des Tages anfangen sollte – zurück ins Schlafzimmer. Er sah die Batterien am Boden liegen und verfluchte sich dafür, dass er die dumme Idee gehabt hatte, sie unter der Matratze zu verstecken. Aber andererseits hätte Sasuke sie sonst noch viel früher gefunden. Nein, sein Fehler war es gewesen, darauf zu bestehen, dass sie bei ihm zu Hause frühstückten. Wenn sie zu Sasuke gegangen wären, wäre vielleicht alles anders gekommen.

Der Blonde ließ sich auf sein Bett fallen, hörte ein Knacken und drehte den Kopf, betrachtete die Überreste der blauen Kugel. Er streckte die Hand danach aus und berührte sie mit seinem Finger. Sie war mittlerweile steinhart.

Der Blonde schloss die Augen, versuchte, sich aufzuraffen, sich abzulenken, doch er rührte keinen Finger mehr. Er konnte nichts gegen diese Lethargie tun. Es war, als hätte Sasuke all seine Energie mitgenommen. Als hätte er ihm die Batterien herausgenommen.

Sasuke erging es nicht viel anders. Kaum hatte er sein Zuhause erreicht, warf er sich auf sein Bett und schloss die Augen. Er wollte sich auch nicht mehr bewegen. Er versuchte, noch einmal in Ruhe über das Problem nachzudenken, doch schon den ganzen Weg hierher hatte er an nichts anderes gedacht und war es bereits satt. Außerdem hatte er festgestellt, dass all das Grübeln nichts nützte. Was passiert war, war passiert. Und was genau passiert war, hatte noch keiner ausgesprochen. Wahrscheinlich würde es auch nicht mehr laut gesagt. Und es war wohl besser so. Vielleicht könnten sie es auf diese Art einfach vergessen.

So lag Sasuke nun – zeitgleich mit Naruto – im Bett und dachte an die vergangenen Tage zurück. An all den Spaß, den sie zusammen gehabt hatten. An ihre lächelnden Gesichter in so vielen Situationen. An die eigenartigen Übungen und diese verhängnisvolle Mission, die alles verändert hatte. Sasuke schaute auf seine linke Hand hinab und sah einen leicht blauen Schimmer. Eine dünne Schicht der Chakra-Masse war zurückgeblieben, die er zuerst gar nicht gesehen hatte, doch jetzt schimmerte sie im Sonnenlicht, das zum Fenster hereinfiel. Er hob seine Hand, wendete und musterte sie. Er war froh, noch ein Überbleibsel der Verbindung zu Naruto sehen zu können. Einen Beweis zu haben, dass die letzten Tage nicht nur ein Traum gewesen waren.

Den Rest des Tages taten die beiden nicht mehr viel. Sie lagen die meiste Zeit in ihrem Bett. Naruto versuchte, sich vom Fernseher ablenken zu lassen, aber ohne Erfolg. Er konnte nur daran denken, wie er das zusammen mit Sasuke getan hatte. Wie sie sich über den Film von Shikamaru amüsiert hatten. Sasuke wusste auch nichts mit sich anzufangen. Eine der wenigen Dinge, zu denen er sich bringen konnte, war, dass er sich um seinen Wecker kümmerte, der ihn morgen wieder einmal pünktlich aufwecken sollte. Aber sonst fand er keine Beschäftigung. Er wollte nicht trainieren, er wollte nicht die Wohnung saubermachen. Er begriff, dass er das vor allem deshalb nicht wollte, weil er Angst hatte, die Spuren zu verwischen, die der andere hinterlassen hatte. Die Handtücher, die er einfach über Stühle gehängt oder am Badewannenrand hatte liegen lassen. Die Kleider, die er im Bad ausgezogen und einfach irgendwohin geworfen hatte. Das dreckige Geschirr vom vergangenen Tag, das sie noch nicht gespült hatten. In fast jedem Raum fand Sasuke Spuren von dem Blonden. Und er wollte sie nicht verschwinden lassen.

Eigentlich hatte er sich vorgenommen, Wäsche zu waschen, doch nicht nur weigerten sich seine Hände, die Sachen, die der andere in der Wohnung verteilt hatte, aufzuheben und in den Wäschekorb zu werfen, als er den Schlafanzug, den er Naruto geliehen hatte, in die Hand nahm, ertappte er sich sogar dabei, wie er sich damit zurück aufs Bett setzte und sein Gesicht in den Stoff presste, um den Geruch des anderen einzuatmen. Als Sasuke das endlich bemerkte, schloss er genervt aufstöhnend die Augen und ließ sich rückwärts auf die Matratze fallen, einen Arm beschämt vor seine geschlossenen Lider haltend. Es war derselbe Arm wie der, der den Schlafanzug hielt und so legte er den Stoff unabsichtlich über sein Gesicht und atmete weiter den Duft ein. Er kam sich so fürchterlich vor. Es war ihm peinlich, wie er sich aufführte. Und er hoffte mit allem, was er hatte, dass ihn niemand heimlich beobachtete. Er seufzte und nahm das Kleidungsstück von seinem Gesicht, legte es neben seinen Kopf. Er konnte es nicht mehr leugnen, dass er den Blonden bereits vermisste.
 

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Kapitel 6 – Heiße Quellen – oder auch: Feuchte Träume

Nach einer fast schlaflosen Nacht, in der Naruto und Sasuke immer wieder aufgewacht waren, nur um festzustellen, dass neben ihnen nicht der jeweils andere lag, sondern die zweite Betthälfte leer und kalt war, fanden sich die beiden müde – und viel zu früh – am Treffpunkt ein. Sasuke nur ein paar Minuten später als Naruto. Der Blonde blickte auf, sein Gesicht schien noch unschlüssig, wie es reagieren sollte. Ob es sich offensichtlich freuen sollte, wie es das wollte, oder ob es sich zurückhalten und den anderen nicht überfordern sollte. Denn durch ein Lächeln von ihm würde sich der andere vielleicht dazu gezwungen fühlen, ebenfalls zu lächeln oder irgendwie zu reagieren. Deshalb versuchte er es mit einem relativ neutralen Ausdruck und meinte: „Guten Morgen.“

„Guten Morgen“, wiederholte Sasuke steif und stellte sich mit einigem Abstand zum Blonden mitten unter den Torbogen. Eigentlich hätte er sich gerne angelehnt, doch dazu hätte er entweder direkt neben dem anderen warten müssen, der selbst an die Wand gelehnt dastand, oder er hätte sich auf die andere Seite stellen müssen, was ihm wiederum zu drastisch erschien. Er war sich sicher, dass Naruto sehr enttäuscht gewesen wäre, hätte er das getan. Deshalb stand er nun auf offenem Feld und ärgerte sich, dass er sich nicht anlehnen und somit zumindest ansatzweise den Eindruck erwecken konnte, dass er nicht unglaublich angespannt war.

Naruto dagegen gab nun die stützende Wand auf und trat, wenn auch nur einen kleinen Schritt, nach vorn. Er wollte jetzt, da weder Sakura noch Kakashi hier waren, die Chance nutzen, um sich noch einmal zu entschuldigen und zu versuchen, beide wieder in den neutralen Stimmungsbereich zu bringen – zumindest solange die Mission andauerte. Danach, so zuversichtlich wie er war, erhoffte er sich mehr.

„Sasuke“, sprach er den Schwarzhaarigen an, um seinen auf seine Füße gerichteten Blick auf sich zu ziehen. Unsicher schaute der Angesprochene auf. Er ahnte bereits, was jetzt kommen würde. „Es tut mir leid wegen dem, was passiert ist, dattebayo.“ Er zögerte fortzufahren. „Die Sache mit dem Wecker. Das wa–“

Mir tut es leid“, unterbrach der andere ihn sofort, mied den überraschten Blick des Blonden und schaute zur Seite, in Richtung Dorfmitte, als wollte er sich versichern, dass ihnen niemand zuhörte. Die einzigen, die um diese Zeit hier waren, waren die beiden Wachposten in ihrem kleinen Häuschen nicht weit vom Eingang, aber diese unterhielten sich gerade und schenkten den beiden keine Beachtung. Dennoch wollte Sasuke kein Risiko eingehen, sprach leise, als er fortfuhr: „Ich bin selbst schuld, dass ich nicht erkannt habe, dass das nicht mein Wecker sein konnte.“

„Was? Warum?“, fragte Naruto jetzt überrascht und kratzte sich daraufhin peinlich berührt am Hinterkopf. „War mein Henge no Jutsu so schlecht?“

„Nein, aber ich habe gleich gemerkt, dass irgendetwas seltsam war“, erklärte Sasuke. „Ich bin nur einfach nicht auf die Idee gekommen, dass jemand so bescheuert sein und sich in einen Wecker verwandeln würde.“ Ein Schmunzeln huschte über Sasukes Lippen, das Naruto gerne eingefangen und an diesen Mund gepinnt hätte. Aber er war froh genug, dass der andere überhaupt so guter Laune war. Zwar wirkte die Stimmung noch sehr unsicher, als könnte eine Kleinigkeit sie bereits zum Einsturz bringen, doch der Blonde hatte befürchtet, dass es viel schlimmer sein würde: dass der Schwarzhaarige überhaupt noch nicht wieder mit ihm sprechen würde.

„Ich hätte es spätestens daran erkennen müssen, dass die Sekundenzeiger mal vorwärts und mal rückwärts gegangen sind“, meinte Sasuke mit einem Kopfschütteln. Auch jetzt brach wieder ein kleines Lächeln in seinen Augen durch. Er schnaubte. „Und dass der eine Zeiger so komisch nach oben gebogen war“, erinnerte sich der Schwarzhaarige jetzt – und hielt inne, sein Gesicht versteinert. Er musste unwillkürlich an die gemeinsamen Nächte der beiden denken und daran, was sie in diesen getan hatten. Denn der nach oben gebogene Zeiger erinnerte ihn jetzt stark an etwas, das eng mit dem Blonden und diesen drei Nächten verbunden war. Etwas, das Sasuke von dem anderen berührt und sogar in seinem Mund gehabt hatte.

Erschrocken schaute er auf und sah genau das, was er jetzt gerade nicht hatte sehen wollen: Narutos peinlich berührtes, knallrotes Gesicht.

Verdammt, dachte der Blonde. Warum hatte Sasuke genau diesen Aspekt des Weckers noch ansprechen müssen? Das hatte die mühsam aufgebaute Stimmung wieder zerstört.

Sofort wandte der Schwarzhaarige den Blick wieder ab, wollte verbergen, dass seine Ohren ebenso rot wurden wie die des anderen. Er hat mich nackt gesehen, schlussfolgerte Sasuke jetzt. Er erinnerte sich, dass er sich an diesem Abend im Schlafzimmer umgezogen hatte, weil er vergessen hatte, frische Unterwäsche mit ins Bad zu nehmen.

Sprachlos vor Verlegenheit standen sie nun da und konnten sich nicht mehr anschauen. Die Minuten schienen zu Stunden zu werden. Nicht nur Naruto, sondern auch Sasuke war erleichtert, als Sakura in der Ferne auftauchte. Der Blonde entdeckte sie zuerst und meinte: „Sakura kommt.“

Sasuke war froh, dass ihr Gespräch, das noch so unbeendet mitten im Raum stand, damit in den Hintergrund rückte und der Kunoichi mit den lachsfarbenen Haaren Platz machte. Eines allerdings beunruhigte ihn, während diese näher kam. „Du verlierst kein Wort über auch nur irgendetwas, was in den letzten fünf Tagen passiert ist“, sagte Sasuke schnell und so leise, dass es wie eine Drohung wirkte.

„O-Okay“, stotterte Naruto und sofort schossen ihm tausende von Fragen durch den Kopf: Was sollte er tun, wenn Sakura ihn danach fragte? Sollte er sie anlügen? Sollte er etwas erfinden? Sollte er lieber Sasuke antworten lassen, weil es bei ihm selbst zu offensichtlich sein würde, dass er zu lügen versuchte? Musste er dem anderen dazu ein Zeichen geben oder würde er es von alleine tun?

„Guten Morgen!“, rief Sakura schon von Weitem fröhlich.

„Guten Morgen, Sakura-chan!!“, begrüßte Naruto sie fast etwas zu fröhlich, sodass man seine Anspannung wahrscheinlich sogar aus der Entfernung hören konnte. Sasuke warf Naruto einen warnenden Blick zu. Dieser verzog das Gesicht zu einer angespannten Grimasse. Der Schwarzhaarige ahnte Schlimmes. Er wird alles ausplaudern, dachte er mit einer seltsam ruhigen Endgültigkeit. Und bald weiß es das ganze Dorf.

„Ist Kakashi noch nicht da?“, fragte Sakura, als sie die beiden erreicht hatte. „Heute bin ich extra spät gekommen, damit ich nicht so lange warten muss.“ Sie seufzte. „Seid ihr schon lange da?“

Naruto zögerte, unsicher bei jedem Wort, das er mit Sakura wechseln musste, aus Angst, etwas Falsches zu sagen, das Sasuke ernsthaft sauer auf ihn machen würde. Hastig sagte er: „Nein, noch nicht so lange.“

„Ah!“, machte Sakura jetzt überrascht und zeigte zuerst auf Naruto, dann auf Sasuke. Der Blonde hatte das ungute Gefühl, dass die junge Frau mit ihren weiblichen Instinkten und eigenartigen Antennen für alles, was sich an Wellen auffangen ließ, sofort sah oder eben spürte, dass etwas zwischen den beiden vorgefallen war. Und etwas war da noch etwas untertrieben. Sasuke teilte diese böse Vorahnung. Entsetzt tauschten sie einen Blick. Dann sagte Sakura: „Eure Hände sind wieder auseinander!“

„Ach so, ja“, meinte Naruto und kratzte sich hinterm Ohr. „Seit gestern.“

Sakuras Augen leuchteten auf. „Wie war es eigentlich, alles zusammen machen zu müssen?“, wollte sie nun wissen. Ihre Augen funkelten vor Neugier. „Wenn ich mir vorstelle, ich wäre tagelang mit Ino zusammengekettet… Gott, wie schrecklich!“ Sie schüttelte den Kopf. „Bei Männern ist das vielleicht nicht ganz so schlimm, aber…“ Sie ließ den Satz unvollendet. Plötzlich zuckte ihr Kopf nach oben. „Oh mein Gott, heißt das, ihr habt zusammen…?“

Sasukes Augen weiteten sich. Wusste Sakura aus irgendeinem Grund von Narutos täglicher Routine?

Der Blonde starrte ebenso erwartungsvoll und furchtsam das Mädchen an, das jetzt fortfuhr: „Gott, habt ihr wirklich…?“ Ihre Augen weiteten sich. Sasuke spürte, wie seine Hände schwitzig wurden. Narutos Augenbraue zuckte nervös. Er schaute immer wieder Hilfe suchend zu Sasuke herüber, der Sakura jedoch auch nicht mehr davon abhalten konnte, weiterzusprechen: „Ihr habt wirklich…?“ Den Schwarzhaarigen juckte es in den Fingern, seine Hand über Sakuras Mund zu legen und kein Wort mehr aus ihrem Mund kommen zu lassen. „…zusammen in einem Bett geschlafen?“

Erleichtert atmete Sasuke tief durch. Naruto antwortete nach einem ausgiebigen Seufzen: „Ja, klar.“

„Es blieb uns ja nichts anderes übrig“, warf Sasuke ein, um noch einmal zu verdeutlichen, dass das ein unangenehmer Umstand gewesen war.

„Und was habt ihr dann den ganzen Tag über gemacht?“, fragte Sakura weiter und sowohl Sasuke als auch Naruto beteten, dass Kakashi gleich hier sein würde. Doch von diesem war noch nichts zu sehen. Und da er bereits zu spät war, wenn auch nur ein paar wenige Minuten, war die Chance nun einmal hoch, dass er noch wesentlich später kommen würde.

„Ich muss…“, begann Naruto aus einer Kurzschlussreaktion heraus. „…noch mal zurück nach Hause!“

„Was? Warum?“, fragte Sakura und schaute auf die Uhr.

„Ich habe etwas liegen lassen!“, kam er mit der Standardausrede schlechthin.

„Aber Kakashi wird vielleicht jeden Moment hier sein“, meinte Sakura entrüstet. „Eigentlich sollte er ja schon hier sein…“ Sie befürchtete vor allem, dann auch noch auf Naruto warten zu müssen, während Kakashi bereits hier war. Was viel schlimmer war, so sehr wie er zur Zeit an ihr klebte. Sie wusste nicht, was momentan los war, wunderte sich vor allem, dass ihr Trainer ganz anders war, wenn sie allein waren. Immer nur in der Öffentlichkeit kam er ihr so unnötig nahe – ein Umstand, den sie überhaupt nicht einordnen konnte. Was bezweckte Kakashi damit? Wollte er sie einfach nur in den Wahnsinn treiben? Sie hatte manchmal jedoch das Gefühl, dass es eigentlich recht wenig mit ihr selbst zu tun hatte.

„Ich beeil mich!“, rief Naruto nur, bereits im Laufen. „Ich bin gleich wieder zurück, dattebayo!“ So schnell der Blonde konnte, machte er sich aus dem Staub, blieb aber bereits hinter der ersten Ecke wieder stehen, wo die beiden ihn nicht mehr sehen konnten. Dort atmete er zunächst tief durch. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde, mit jemand anderem als Sasuke darüber zu sprechen, was in den letzten Tagen passiert war. Und nicht einmal das konnte er sich wirklich vorstellen. „Anschnittsweise“ – so wie eben – war das Höchste der Gefühle. Mehr hatte er nicht erwartet und mehr konnte er auch nicht erwarten. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie schwer im Prinzip jede einzelne Frage zu diesen Tagen zu beantworten war. Egal, wer sie stellte. Und egal, worum sie sich drehte. Selbst um die banalsten Dinge wie essen, schlafen und auf die Toilette gehen. Diese fünf Tage waren wie ein komplett anderer Abschnitt. Sie waren wie ein neues Leben. Etwas, das einfach noch zu unbekannt war, um Antworten darin zu finden. Mit jemandem über Dinge zu reden, die man selbst noch nicht begreifen konnte, führte nicht weit. Und es führte in diesem Fall mit größter Wahrscheinlichkeit direkt ins Verderben. Deshalb hatte er die Flucht ergriffen. Mit Sakura über die vergangenen Tage zu reden, war, wie durch einen Fallenparkour zu laufen, während man von Sasuke gejagt wurde, der einem den Hals umdrehte, wenn man in ein Fettnäpfchen trat oder zu lange zögerte weiterzugehen.

Nachdem das Gefühl, gejagt zu werden, nachließ, bemerkte Naruto, dass er sich auch so in eine etwas ungeschickte Lage manövriert hatte. Er wusste nicht, wie lange er bereits weg war – es konnten aber nur ein paar Minuten gewesen sein – und er wusste nicht, ob Kakashi bereits da war und die drei jetzt nur noch auf ihn selbst warteten. Außerdem wusste er noch nichts, was er als Ausrede benutzen könnte, wenn Sakura ihn fragte, was er vergessen und angeblich gerade geholt hatte. Es gab nicht viel, was er bei sich trug, von dem er behaupten konnte, dass es vorher noch nicht da gewesen war, außer vielleicht seine Unterwäsche. Aber er sollte vielleicht besser nicht behaupten, dass er bis eben keine Unterhose getragen hatte.

Er haderte noch eine Weile mit sich, dann ging er zurück zu den beiden und hoffte einfach, dass keiner fragen würde. Kakashi war leider auch noch nicht da. Sakura schwieg zum Glück, als er die beiden erreichte. Sie stand mit verschränkten Armen mitten auf dem Weg. Sasuke hatte sich mittlerweile an die Mauer gelehnt, an die Stelle, an der Naruto vorhin selbst gestanden hatte. Er schwieg ebenso.

„Was ist Sakura über die Leber gelaufen?“, fragte der Blonde im Flüsterton.

„Kakashi-sensei war es jedenfalls nicht“, antwortete Sasuke.

Nach mehreren Minuten gedämpften Fluchens aus Sakuras Richtung, erschien Kakashi endlich. „Tut mir leid, ihr drei“, sagte er entschuldigend. „Ich musste mich noch versichern, dass sich jemand in meiner Abwesenheit um das kleine Kätzchen kümmert.“ Naruto hob fragend die Augenbrauen. Er überlegte, wem sein Trainer das anvertrauen würde. Und aus irgendeinem Grund musste er sofort an diesen Yamato denken. „Jemand war sich noch unschlüssig, ob er… dieser Aufgabe gewachsen war“, erklärte Kakashi vage.

„Aah, nein!“, fluchte dieser Jemand in dem Moment. „Nicht dorthin!“ Er schnappte sich die kleine Katze, die gerade auf seinen Holzboden pinkelte – direkt neben den Karton, den er als provisorisches Katzenklo verwendete. Warum nur habe ich mich breitschlagen lassen?, fragte er sich jetzt gequält. Er hätte Kakashi abweisen können. Er hätte ihn zu jemand anderem schicken können. Aber nein, er hatte sich beschwatzen lassen. Und wofür? Er blickte auf das Kätzchen, dem er auch nicht böse sein konnte.

Was ist überhaupt mit Kakashi los?, brauste er innerlich auf. Warum drehte er seit ein paar Tagen so durch? Was war passiert? Hatte er etwas Falsches gesagt? Yamato verstand es nicht. Seit er ihm Saara, eine Kunoichi aus Sunagakure und alte Schulfreundin Yamatos, vorgestellt hatte, war er so seltsam gestimmt. Er fragte sich, ob der andere gekränkt war, weil er ihn noch kein einziges Mal zum Essen mit ihr mitgenommen hatte. Seit Saara da war, hatte er ziemlich viel Zeit mit ihr verbracht, was ja auch kein Wunder war, schließlich hatte er sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen und sie war nur auf der Durchreise. Und es gab auch einen gewissen Grund, weshalb er Kakashi da nicht dabei haben wollte.
 

~

„Ähm, Kakashi-sensei?“, fragte Naruto einige Stunden später an diesem Tag, als ihr Trainer an einer Kreuzung nicht denselben Weg zurückging, den sie gekommen waren. „Müssen wir nicht da lang?“ Unsicher zeigte er in die eine Richtung, die, da war er sich ziemlich sicher, der richtige Reiseweg war.

„Nein, wir machen einen kleinen Umweg“, meinte er, ohne anzuhalten.

„Aber es wird doch schon dunkel“, sagte Sakura. „Sollten wir nicht sicherheitshalber die kürzeste Route nehmen?“

„Keine Panik“, versicherte Kakashi. „Es verläuft alles nach Plan. Ich hatte von Anfang an vor, hier in der Nähe die Nacht zu verbringen.“ Alle drei Schüler schauten nicht sehr zuversichtlich auf den Rücken ihres Lehrers. „Die Mission heute war ein voller Erfolg und deshalb habe ich beschlossen, euch zu einem Kurzaufenthalt in ein berühmtes Onsen einzuladen.“

„Echt?“, meinte Naruto ganz aus dem Häuschen. Sasuke hob nur seine Augenbrauen.

„Ein Onsen?“, kam es unbegeistert von Sakura. „Mit gemischten Bädern?“, fragte sie misstrauisch. Die Annäherungen ihres Lehrers machten sie bereits paranoid.

„Nein, natürlich nicht“, antwortete Kakashi schnell und hustete ein wenig auffällig. In diesem Moment kamen sie nämlich an einem Wegweiser vorbei, der groß Werbung machte für die gemischten Bäder des Onsens um die Ecke. Kakashi hatte so etwas bereits befürchtet, deshalb hatte er sich von Jiraiya auch gleich die Wegbeschreibung zum nächsten Onsen geben lassen. Es spielte sowieso keine Rolle. Er konnte Yamato gegenüber schließlich trotzdem behaupten, dass sie in dem Onsen mit den gemischten Bädern gewesen waren. Auch wenn er sich noch immer nicht sicher war, ob diese Eifersuchtsmasche überhaupt funktionierte. Noch hatte er keinen Erfolg verzeichnen können.

„Cool, dattebayo!“, freute Naruto sich weiter. „Ich liebe Onsen!“ Sasuke warf dem Blonden einen flüchtigen Blick zu. Das glückliche Lächeln zu sehen, erinnerte ihn wieder an ihren ersten Spezialtrainingstag, als er ihn, mit nassen Haarsträhnen im Gesicht, angelächelt hatte. Als der Blonde seinen Blick von Kakashis Rücken ab- und ihm zuwandte, wusste Sasuke im ersten Moment nicht zu reagieren. Er spürte nur, das sich bereits ein kleines Lächeln auf seinen eigenen Lippen abgezeichnet hatte. Er überlegte, es sofort zu löschen, doch er tat es nicht. Er war einfach zu froh, dass der andere wieder bester Laune war. Während ihrer Mission war er nicht so aufgeblüht. Da war er ungewöhnlich still gewesen. Er hatte für einen Moment wohl einfach ihre Probleme vergessen. So wie Sasuke selbst auch.

Eine gute Stunde später allerdings war von der guten Stimmung nicht mehr viel zu spüren; es waren nur noch gemischte Gefühle. Denn da hatten sie das andere Onsen erreicht, in dem nur noch ein einziges Einzelzimmer frei war. Sakura wehrte sich vehement gegen Kakashis Vorschlag, für alle – aus Gleichgerechtigkeitsgründen, wie er meinte – Doppelzimmer zu nehmen, weil diese günstiger waren. Und natürlich, weil es noch viel besser wäre, Yamato erzählen zu können, dass er sich mit Sakura ein Zimmer geteilt hatte. Aber daraus wurde definitiv nichts.

„Ich will ein Einzelzimmer!“, beharrte Sakura.

„Willst du mich arm machen, Sakura-chan?“, versuchte Kakashi es auf die Mitleidstour. Doch es nützte nichts.

„Das ist mir egal!“, sagte sie schroff. „Ich teile mir kein Zimmer – mit niemandem von euch!“

Kakashi seufzte. „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als Sakura das Einzelzimmer zu überlassen. Ich fürchte, dann muss ich für mich allein ein Doppelzimmer nehmen. Wie einsam…“

Sasuke sagte gar nicht zu dem Thema. Draußen war es bereits stockdunkel. Sie hatten mit Mühe und Not noch den Weg hierhergefunden, und das nicht ohne Stolpern durch die Dunkelheit. Sie hatten also nicht mehr die Wahl, noch nach Hause zu gehen, vor allem auch, weil sie einen noch viel zu weiten Weg vor sich hatten. Was also hätte er sagen sollen? Wenn nicht mehr Zimmer frei waren, war da nichts zu machen. Außerdem musste er an die vergangene Nacht denken, in der er sich unglaublich einsam gefühlt hatte ohne den Blonden. Auch wenn er eine angespannte Stimmung erwartete, freute er sich dennoch, dass er in dieser Nacht nicht allein sein würde.

„Jetzt entspannen wir uns erst einmal in einem heißen Wasserbad“, kündigte Kakashi fröhlich an und klatschte in die Hände. „Auf, auf! Bringt eure Sachen auf eure Zimmer und dann geht es in die verdiente Ruhephase.“ Ihr Trainer hielt mit grinsenden Augen den beiden jungen Shinobi einen Schlüssel hin. Sasuke nahm ihn mit einem leichten Knurren wegen dieser unangebrachten Fröhlichkeit an und ging los, die Treppe hinauf. Naruto folgte ihm schweigsam. Als der Schwarzhaarige ihnen die Tür aufgeschlossen hatte, betraten sie den Raum und stellten mit Überraschung fest, dass das Zimmer ziemlich geräumig war. So würden sie ihre Betten recht weit auseinanderziehen können. Beide wussten nicht so wirklich, ob sie das gut oder schlecht finden sollten. Naruto dachte einerseits, dass es wohl besser war, Sasuke noch ein wenig Freiraum zu lassen, doch andererseits wollte er das nicht. Er wollte eine Wiedergutmachung für die vergangene einsame Nacht.

„Ich nehme den Futon hier“, erklärte er das linke Bett zu seinem und warf seinen Rucksack daneben und seine Jacke darauf. Dieser Futon lag an der Fensterseite, mit großem Abstand dazu, mehr als der andere von der Wand entfernt lag, weshalb Sasuke mit seinem Futon nicht so weit von ihm fortrücken konnte, wie Naruto es mit seinem könnte – was er natürlich nicht tun würde. Sasuke beschwerte sich nicht, stellte seinen Rucksack gegen die Wand und verließ den Raum wieder. Naruto, nachdem er noch einen Blick zum Fenster hinausgeworfen hatte, folgte ihm. Zusammen gingen sie die Treppe wieder hinab und in die Umkleide, ließen sich am Eingang Handtücher und Bademäntel geben. In getrennten Kabinen zogen sie ihre Kleider aus und banden sich ein Handtuch um die Hüfte. Beide wurden unwillkürlich daran erinnert, wie sie zusammen geduscht hatten.

Sie legten gerade ihre Kleider in die dafür vorgesehenen Fächer, als Kakashi in den Raum kam. Er hob wortlos die Hand zum Gruß, in der sich eine Quietscheente befand. Sasuke und Naruto hoben nur die Augenbrauen – der eine entsetzt, der andere überrascht und amüsiert. „Ich hoffe, dafür werfen Sie mich nicht raus“, flüsterte Kakashi hinter hervorgehaltener Hand noch, bevor die beiden die Umkleide verließen und sich in einem beheizten Raum wiederfanden, der dazu gedacht war, sich gründlich zu waschen, bevor sie in das Quellwasser steigen durften.

„Wow!“, rief Naruto aus. „Das Becken ist ja riesig!“ Heißer Dampf versperrte ihnen die Sicht. Es gab ohnehin nur wenige schwache Lampen um das Becken herum, die es nicht sonderlich stark erhellten. Naruto wirbelte zu Sasuke herum, der gerade das Handtuch lösen und ins Wasser steigen wollte. Jetzt hielt er inne, bis der Blonde seinen Blick wieder abwandte. Dann stieg Sasuke eilig ins Becken und legte sich das Handtuch zusammengefaltet auf den Kopf. Naruto tat es ihm gleich und folgte ihm. Sasuke fand es gar nicht gut, dass der andere ihm auf Schritt und Tritt folgte. Es war fast, als glaubte er noch immer, an ihn gekettet zu sein.

„Abstand“, sagte Sasuke simpel, als Naruto erneut zu ihm aufrückte, nachdem er dezent zurückgewichen war. Der Blonde schlug die Augen nieder und nickte. Natürlich, sie waren hier nicht einmal allein – auch wenn es nur ein älterer Mann war, der um diese Zeit noch badete. Außerdem hätte Sasuke das wahrscheinlich ebenso wenig in trauter Zweisamkeit zugelassen.

In diesem Moment kam auch schon Kakashi ins Freie und die beiden schauten auf, stellten mit einem mindestens inneren Kopfschütteln fest, dass ihr Trainer seinen Mundschutz noch immer trug, auch wenn er sonst nur mit einem Handtuch bekleidet war.

„Na, Kakashi-sensei“, meinte Naruto kritisch. „Kann die Maske nicht mindestens beim Baden weg?“

„Gibt es einen Grund dazu?“, fragte er nur und Naruto gab es auf. Er war sich sicher, dass er eines Tages erfahren würde, was sich unter der Maske und all den Masken darunter befand. Kakashi wurde gerade von besonders dichtem Nebel eingehüllt, als er sein Handtuch entfernte und ins Wasser stieg. Sasuke hatte ohnehin den Blick abgewandt; er wollte es gar nicht sehen, was auch immer es zu sehen gab. Naruto dagegen hätte schon hingeschaut, wenn der Nebel nicht gewesen wäre, aber er dachte sich dabei nichts. Er hatte Jiraiya und Iruka schon häufiger nackt gesehen. Kakashi seufzte, als er es sich auf einem der Steine unter Wasser bequem machte. „Ich hatte schon seit Tagen vor, mit euch in ein Onsen zu gehen“, sagte er dann. „Allein zur Belohnung für euer hartes Spezialtraining.“

Sasuke schnaubte. „Da wären wir aber nicht mitgekommen. Schließlich mussten wir die Kugel trocken halten.“

„Ach ja, stimmt“, meinte Kakashi, obwohl er sich dessen genau bewusst gewesen war. Er hatte nur nicht die richtige Mission dafür gefunden, die weit genug entfernt war, dass er die beiden zu einer Übernachtung hätte bringen können. Und in den vier Tagen, die sie die Kugel an der Backe, beziehungsweise an der Hand, gehabt hatten, hatte sich keine solche Mission finden lassen. „Aah, wunderschön hier, nicht?“, meinte Kakashi jetzt. „Und so wenig los.“ Nur eine einzige weitere Person war in dem Männerbecken zu sehen. Es war ein nicht mehr allzu junger Mann; Kakashi schätzte ihn auf 40; Sasuke schätzte ihn auf 45; und Naruto schätzte ihn auf 50, Jiraiyas Alter. In Wahrheit war er erst 35, sah nur schon ziemlich alt aus.

Kakashi setzte sein Quietscheentchen ins Wasser, gab ihm einen kleinen Schubs und schaute ihm dann zu, wie es übers Wasser dahintrieb. „Ah, schade, dass Sakura sich nicht dazu hat bringen lassen, ein Zimmer mit einem von uns zu teilen“, seufzte Kakashi und führte sein Selbstgespräch weiter. „Jetzt muss ich ganz allein in einem riesigen Doppelzimmer schlafen… Ist das nicht irgendwie traurig?“ Ich würde ja fragen, ob die beiden sich ein Dreibettzimmer mit mir teilen, doch ich will die Turteltäubchen ja nicht stören. Obwohl die Stimmung heute etwas gedrückt war. Ich frage mich, was ich wieder verpasst habe… Schuld daran, dass ich es nicht weiß, ist eindeutig dieses kleine Kätzchen, das mir aber ziemlich gute Dienste erweist. Yamato ist ganz entzückt von dem kleinen Ding. Und dadurch hatte ich nicht nur einen Grund, heute Morgen zu ihm zu gehen; ich würde auch einen Grund haben, das morgen wieder zu tun. Und vielleicht würde ich ihn fragen, ob er das Tier bei sich aufnimmt und mich, so oft ich will, ihn – äh, die Katze natürlich – besuchen lässt.

„Entschuldigen Sie“, erhob der 35-Jährige im Becken jetzt das Wort. Der männliche Teil von Team 7 drehte gleichzeitig den Kopf und schaute zu dem Mann herüber. „Ich wollte nicht lauschen, aber ich konnte gerade nicht verhindern zu hören, dass Sie, unnötigerweise wie es scheint, ein Doppelzimmer belegen. Ich selbst habe noch kein Zimmer gebucht, weil ich eigentlich heute noch weiterreisen wollte, doch jetzt ist es schon so spät geworden, weil ich hier drin die Zeit vergessen habe. Deshalb wollte ich nachfragen, ob Sie sich die Kosten für das Zimmer nicht mit mir teilen möchten.“

Kakashis Augenbrauen hoben sich langsam. Das ist ja fast noch besser, dachte er. Warum sollte er Yamato auch mit einer Frau eifersüchtig machen? Warum nicht gleich mit der direkten Konkurrenz? Dass diese „Konkurrenz“ nicht gerade sehr hübsch war, brauchte er ja nicht zu erwähnen. Beziehungsweise, er würde die Realität vor Yamato wohl etwas beschönigen müssen. „Aber gerne!“, freute Kakashi sich und schwamm näher zu dem Mann herüber, ließ die zwei Jüngeren allein in ihrer Ecke zurück – mit der Quietscheente. „Dann haben wir beide etwas davon“, hörten sie Kakashi noch sagen, bevor die Unterhaltung mit dem Mann so sehr in den Hintergrund abdriftete, dass keiner der beiden mehr ein Wort verstand. Ihre Gedanken waren einfach lauter.

Beide fragten sich, ob sie etwas sagen oder einfach schweigend baden sollten. Sich zu unterhalten, war aber gerade gar nicht so einfach. Zu viel war passiert und zu wenig war besprochen. Und hier war auch nicht der richtige Ort, um das nachzuholen. Deshalb schwiegen sie lange Zeit. Nach einer Weile versuchte Naruto, sich zu entspannen und das heiße Wasser zu genießen, doch genau in diesem Moment ergriff Sasuke unerwartet das Wort: „Danke übrigens, dass du mich mit Sakura hast alleine dastehen lassen.“ Naruto begriff erst nicht, warum der Schwarzhaarige dabei die Zähne so zusammenpresste, doch dann bemerkte er die Ironie in seiner Stimme. „Nett, dass ich mich allein damit rumschlagen durfte.“

„Ich dachte, es wäre besser, wenn ich mich nicht verplappere“, sagte der Blonde kleinlaut. Darauf sagte Sasuke nichts mehr. War das der Grund, weshalb er so schlecht gelaunt gewesen war, als Naruto zu den beiden zurückgekommen war? War es gar nicht die „allgemeine Stimmung“, dieses Unbehagen, das er erwartet hatte nach den letzten Geschehnissen? Sondern Sakuras löchernde Fragen? „Was hat Sakura denn gefragt?“, wollte der Blonde wissen.

„Nicht viel“, antwortete der Schwarzhaarige. „Nachdem ich ihr auf zwei Fragen keine Antwort gegeben habe, hat sie es aufgegeben.“

„Heißt das dann nicht auch, dass eigentlich du der Grund warst, warum sie so schlecht gelaunt war?“, fragte Naruto jetzt mit einem kleinen Lächeln, als er sich an Sakuras Fluchen erinnerte.

„Das kann schon sein“, meinte Sasuke nur; es interessierte ihn offensichtlich recht wenig, wenn es so war. „Aber Kakashis Verspätung hat bestimmt auch seinen Teil dazu beigetragen.“

„Wahrscheinlich“, sagte Naruto nur und konnte das Lächeln nicht unterdrücken. Er warf auch einen kurzen Blick zu seinem Trainer herüber, der sich angeregt mit dem 35-Jährigen unterhielt. Von dem, was er aufschnappte, schien es um ein Buch zu gehen. „Weißt du, was mir aufgefallen ist?“, fragte er dann. „Du hast versprochen, dass du mich bei Ichiraku einladen würdest, sobald die Kugel weg ist.“

„Dazu gab es ja bisher nicht wirklich Gelegenheit“, murmelte Sasuke. Naruto, der am gestrigen Abend zu Ichiraku gegangen war, in der Hoffnung, Sasuke dort anzutreffen, wusste, dass es mindestens eine Gelegenheit gegeben hatte. Doch er sagte nichts, wollte dem anderen nichts vorwerfen.

„Wie wäre es, wenn ich jedes Essen ohne dich bei Ichiraku aufschreiben lasse und du die komplette Rechnung bezahlen musst, wenn wir dann endlich essen gehen?“ Er hatte bereits gestern die Rechnung nicht bezahlen können, weil er – vor lauter Hoffnung, dass Sasuke da sein und ihn einladen würde – seinen Geldbeutel vergessen hatte.

„Was für eine dreiste Methode, um mich zu zwingen, meine Wettschuld schneller zu begleichen“, merkte Sasuke an. Naruto war überrascht von dieser Reaktion. Es klang, als hätte er dem bereits zugestimmt. „Und wehe, du hast bereits einen Haufen Schulden dort.“ Naruto kratzte sich am Hinterkopf und senkte den Blick. Dabei warf er aus Versehen sein zusammengefaltetes Handtuch vom Kopf. Hastig holte er es aus dem Wasser und wringte es aus. Misstrauisch geworden fragte Sasuke jetzt: „Soll das heißen, du hast tatsächlich dort bereits Schulden?“

Der Blonde nickte. „Aber nur von gestern“, rückte er jetzt doch mit der Sprache heraus.

Sasukes Augen würden größer. Also war er wirklich gestern dort, stellte der Schwarzhaarige entsetzt fest. Er hatte selbst am vorigen Abend auch mit dem Gedanken gespielt, zu Ichiraku zu gehen, hatte sich aber nicht getraut, weil er nicht gewusst hatte, wie er Naruto hätte begegnen sollen, wenn er ihn dort angetroffen hätte. Und er hätte ihn angetroffen, wie er jetzt erfahren hatte. Wäre ich doch auch nur hingegangen, ärgerte er sich insgeheim. Dann hätte er es bereits hinter sich. Wenn er könnte, würde er ihn auch hier zum Essen einladen – ohne dass es jemand mitbekam natürlich –, aber das konnte er nicht, da alles bereits auf Kakashis Rechnung ging. Außerdem war er sich sicher, dass Naruto das nicht zugelassen hätte. „Nein, es muss Ichiraku sein!“, hörte er ihn bereits sagen. Tatsächlich sagte er jetzt mit gerunzelter Stirn: „Was ist?“ Sasukes Gesichtsausdruck war eindeutig zu geschockt, fand Naruto. Schockierte es ihn wirklich so sehr, dass er dort ab und an aufschreiben ließ?

„Nichts“, sagte der Schwarzhaarige nur knapp und wandte schnell den Blick ab.

„Hey, ihr zwei. Wir gehen aufs Zimmer“, kündigte Kakashi jetzt an und bewegte sich mit dem 35-Jährigen auf den Ausgang zu. Sasuke und Naruto nickten nur und schwiegen, während sie die beiden beobachteten, wie sie, ihre Unterhaltung nicht abreißen lassend, in den Waschbereich zurückgingen. Ihr Gelächter hallte noch eine ganze Weile von den Wänden des Waschraumes. Die zwei Zurückgebliebenen schauten sich nach allen Seiten um und mussten feststellen, dass sie die Letzten im Becken waren. Von hinter einer Trennwand hörten sie aus der Ferne das Gekicher von Frauen. Das andere Bad musste wesentlich üppiger belegt sein.

„Ah!“, machte Naruto plötzlich und Sasuke erschrak beinahe. „Kakashi hat sein Quietscheentchen vergessen!“

„Das wird schon keiner klauen“, meinte der Schwarzhaarige nur. Er spielte bereits mit dem Gedanken, wieder aus dem Wasser zu gehen, doch er wollte nicht so direkt seinem Trainer und dem 35-Jährigen folgen. Eigentlich wollte er sich auch zuerst noch entspannen, was ihm bisher noch nicht wirklich gelungen war. Jetzt allerdings schwieg Naruto gerade für eine Weile und gab ihm die Chance dazu, wenn er es nur schaffte, die nervtötend hohen Frauenstimmen in der Ferne auszublenden. Naruto versuchte dasselbe und schaffte es ohne Probleme. Er war müde; schließlich hatte er in der vorigen Nacht kaum geschlafen.

Irgendwann hörte Naruto ein Plätschern und schaute auf. Sasuke hatte sich von seinem Stein erhoben, sodass ihm das Wasser nur noch bis knapp über die Hüften ging. Dabei hatte er seine Arme aus dem Wasser gehoben und schien sie in der Nachtluft kühlen zu wollen. Sie dampften sichtbar im Halbdunkel.

„Ist dir nicht auch langsam zu warm?“, fragte er und Naruto hätte bejaht, wenn er nicht gewusst hätte, dass der andere dann ganz sicher das Becken verlassen hätte. Sasuke schaute ihn fragend an, nachdem er eine ganze Zeit lang keine Antwort gegeben hatte. Naruto blickte wortlos mit offenem Mund zurück. Durch seinen Kopf gingen gerade ganz andere Dinge. Er wurde sich mit einem Schlag bewusst, was das bedeutete, dass die beiden jetzt allein waren. Er wusste, dass der andere gerade nichts am Körper trug als transparentes, heißes Wasser. Und er wusste, dass der andere nur eine Armlänge von ihm entfernt war, ein Abstand, der jetzt immer kleiner wurde, da Naruto langsam auf ihn zuschwamm.

„Was…?“, begann Sasuke leise, als er das bemerkte. Er ließ seine Arme sinken, tauchte mit ihnen wieder ins heiße Wasser – unbeabsichtigt zum Körper des Blonden hinab, der sich ihm nun entgegendrängte. Naruto wusste, dass er gerade einiges riskierte, aber die Gelegenheit erschien ihm zu perfekt, um sie verstreichen zu lassen. Sasukes Gesicht sagte jedoch etwas ganz anderes zu dieser Situation. Er wollte hier weg, ganz offensichtlich. Aber Naruto war schneller. Bevor der Schwarzhaarige auch nur ein Stück hatte rückwärts schwimmen können, hatte der Blonde seine Arme um die Brust des anderen gelegt. Jetzt zog er ihre Körper aneinander und schlang seine Beine um Sasukes Hüften. Der Schwarzhaarige war entsetzt und dadurch bewegungsunfähig für den Moment, und als Naruto ihm in die Augen sah und die Lippen auf seine legte, war er das auch für längere Zeit.

Naruto vergaß die kichernden Frauen nebenan, hörte nichts mehr, gar nichts mehr. Als würde die Welt stillstehen. Er spürte nur noch den anderen, wollte nur noch ihn spüren, und sein Kopf sagte ihm, dass das richtig war. Sasuke zögerte noch einen Augenblick länger, dann küsste er ihn zurück, legte ebenfalls seine Arme um ihn und erwärmte die dampfgefüllte Luft noch ein wenig mehr.

Naruto glaubte, dass die beiden seufzten und keuchten, doch er hörte nichts. Als hätte jemand den Ton abgestellt. Doch es spielte keine Rolle, denn Sasuke war da, er konnte ihn spüren, er durfte ihn berühren, solange niemand anderes das Bad betrat. Aber es war bereits so spät, dass keiner mehr daran glaubte.

Plötzlich zerrte etwas an seiner Schulter. „Was treibt ihr beiden da?“ Naruto löste seinen Mund von Sasukes und warf einen Blick nach hinten, sah – unerwarteterweise – Sakura hinter sich stehen. Entsetzt schaute er sie an, wunderte sich noch, dass sie komplett angezogen bei ihnen stand – mitten im Wasser, doch er konnte nicht lange darüber nachdenken, da packte ihn etwas von der anderen Seite.

„Oi“, sagte Sasuke und rüttelte ein weiteres Mal an Narutos Schulter. Er hatte bemerkt, dass der Blonde seltsame Geräusche von sich gab und vor sich hinmurmelte. Er sah, dass der andere die Augen geschlossen hatte und sein Gesicht sehr rot war. „Hey, du solltest aus dem Wasser“, sagte Sasuke jetzt, doch der andere reagierte nicht. Er sackte nur immer mehr zur Seite ab, sodass Mund und Nase unter Wasser zu kommen drohten. Schnell reagierte der Schwarzhaarige und griff um den anderen herum, hob seinen Körper etwas an, zu spät allerdings, um das Handtuch auf Narutos Kopf davor zu bewahren, ins Wasser zu fallen. Der Blonde lehnte sich sofort gegen Sasuke. Sein Kopf legte sich auf dessen Schulter, seine Arme hingen kraftlos herunter. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, Usuratonkachi.“ Sasuke wusste nicht, was er tun sollte. Der andere musste dringend aus dem heißen Wasser, aber das bedeutete, dass er ihm, der nackt war, dabei helfen musste, ebenfalls nackt. Er konnte ihn aber auch nicht einfach los- und ertrinken lassen.

Die eine der beiden Hände, die ohne Narutos Zutun im Wasser drifteten, berührte jetzt einen Teil Sasukes, der ebenso ohne sein Zutun im Wasser driftete. Der Schwarzhaarige zuckte zusammen und hielt den anderen ein wenig mehr auf Abstand. Selbst im Schlaf begrapschte er ihn. Er war sich eigentlich sehr sicher, dass der andere gerade nicht bei Bewusstsein war, aber das würde er trotzdem noch büßen.

„Sakura“, hörte er jetzt aus dem Gemurmel Narutos heraus. Sasuke presste seine Kiefer aufeinander und musste sich schwer zusammennehmen. Wie konnte er ihn betatschen und dabei auch noch an Sakura denken?! Sasuke spielte jetzt ernsthaft mit dem Gedanken, den anderen einfach absaufen zu lassen. Doch er konnte nicht. Vor allem nicht mehr, als er ein weiteres Wort aus Narutos Mund aufschnappte: „Sasuke…“

Dieser seufzte und drehte Naruto jetzt so, dass er ihn auf seine Arme nehmen konnte. Im Wasser war das noch kein Problem, doch als er aus dem Becken steigen wollte, stellte er zwei Dinge fest: Er war bereits auch ziemlich geschwächt durch den langen Aufenthalt im heißen Wasser – seine Muskeln waren so weich wie die Frotteehandtücher – und er hatte Schwierigkeiten, nicht in Narutos Schoß zu schauen, in dem jetzt zwar die beiden Hände des Blonden lagen, sie aber dort nichts, was hätte bedeckt sein sollen, verdeckten. Es sah eher aus, als würde er seiner täglichen Routine nachgehen.

Sasuke senkte schnell seinen Kopf und ließ das Handtuch, das dort oben lag, in den Schoß des anderen fallen. Jetzt war immerhin das Gröbste verdeckt. Nur ein Teil der Spitze schaute noch heraus, wogegen Sasuke leider nichts tun konnte, weil er keine Hand dafür frei hatte. Er hoffte nur, als er komplett aus dem Wasser stieg, dass er wirklich niemanden mehr antreffen würde, denn sein eigenes Handtuch war nicht da, wo es sein sollte: um seine Hüften. Er musste also komplett nackt in die Umkleiden gehen, nur von Naruto verdeckt.

Gerade als die beiden hinter der Tür zum Waschraum verschwanden, verpuffte das im Wasser vergessene Quietscheentchen. Kakashis Augen weiteten sich in diesem Moment kurz, als er die Infos seines Kagebunshin bekam. Dann seufzte er und hob sein Sake-Becher. Er hatte gehofft, dass die beiden das Entchen mit auf ihr Zimmer nehmen würden, um es ihm morgen zurückzugeben und ihn bis dahin die beiden noch etwas ausspionieren zu lassen. Doch Sasuke hatte auch ohne Quietscheente alle Hände voll zu tun. Der Blonde war nicht gerade leicht und dazu auch noch sehr unhandlich, da er sich nicht an ihm festhielt und seine Arme immer aus seinem Schoß zu fallen und auch gleich das Handtuch mit ihnen zu reißen drohten. Sasuke erwischte sich bei dem Gedanken, dass es ihm gerade lieber wäre, wenn Naruto wieder Weckerform hätte. Oder besser noch Shuriken-Form, dann hätte er sogar einen Haltegriff –

Sasuke hielt inne. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

Wo hielt er den Blonden eigentlich, wenn der andere in der Form eines Shuriken war? Wo hatte er da seine Finger? In welchem Lo–? Er stoppte seine Gedanken. Nein, da wollte er gar nicht darüber nachdenken. Vor allem nicht jetzt.

Hastig huschte er durch den Waschraum zurück in die Umkleide. Dort angekommen, setzte er den Blonden auf der Bank in der nächstbesten Kabine ab, schloss schnell mit einer Hand die Tür, während er ihn mit der anderen gegen die Wand drückte, damit er nicht nach vorn oder zur Seite kippte. Jetzt setzte er ihn so hin, dass er für einen Augenblick hoffentlich so sitzen bleiben würde, nahm nach kurzem Zögern das kleine Handtuch von dessen Schoß und band es sich – konzentriert auf die eigenen Finger schauend und nirgends anders hin – selbst um die Hüfte, bevor er die Kabine verließ und zu den Regalfächern hechtete, wo er ihre Kleider holte – holen wollte, denn er fand nur die Kleider Narutos. Sasuke wusste genau, dass er seine eigenen ins Fach daneben gelegt hatte, doch da waren sie nicht mehr.

„Was zum…?“, murmelte er jetzt und schaute noch einmal in alle Fächer hinein. Sie waren allesamt leer bis auf das mit Narutos Kleidern. Frustriert fluchte er mit zusammengebissenen Zähnen, während er nach den Stoffen griff, um damit schnell zurück in die Umkleide zu gehen, in der der Blonde zum Glück noch aufrecht saß und noch nicht die Fließen geküsst hatte. Sasuke konnte es nicht verhindern, dass er den Körper des Blonden betrachtete – von oben bis unten. Wobei er in der Mitte am längsten hängen blieb.

In der oberen Mitte war dieses faszinierende schwarze Muster auf seiner leicht sonnengebräunten Haut, die er schon mit Küssen übersät hatte, und in der unteren Mitte war etwas, womit er schon mehr gemacht hatte als das.

Hastig wandte er seine Augen ab, doch dann erinnerte er sich, dass Naruto praktisch dasselbe mit ihm getan hatte – als Wecker! – und so schaute er wieder hin. Nach ein paar Sekunden musste er seinen Blick jedoch wieder losreißen. Er konnte das nicht. Er wollte nicht jeden einzelnen Flecken Haut auswendig lernen, ohne dass der andere davon wusste. Was nicht heißen sollte, dass er es gerne unter Narutos Aufsicht tun würde. Aber er wollte es auch nicht heimlich tun. Und das auch noch in einer Situation, in der er mit diesem Körper praktisch alles tun konnte, was er wollte.

Konzentration, ermahnte er sich. Nicht vom eigentlichen Problem abschweifen. Ich muss ihn nach oben ins Bett bringen – ungesehen. Trotzdem würde er das sicher nicht halbnackt tun. So viel stand für Sasuke fest. Er blickte auf die Kleider in seiner Hand hinab und schaute noch einmal in Narutos rotes Gesicht. Er schien friedlich zu schlafen. Der Schwarzhaarige hoffte, dass es so war. Wenn er herausfand, dass diese Röte nur etwas mit Verlegenheit zu tun hatte, weil der Blonde ab und zu unbemerkt die Augen öffnete, dann würde er sein blaues Wunder erleben. Jedenfalls, ob er wollte oder nicht, würde er jetzt nicht in eine andere Kabine gehen und riskieren, dass der Blonde sich derweil den Schädel brach. Er wollte bleiben und zur Stelle sein, wenn man ihn brauchte.

Nach einem weiteren Blick in das gerötete Gesicht des anderen, drehte Sasuke dem Blonden den Rücken zu, löste das Handtuch um seine Hüften und legte es zurück in Narutos Schoß. Er bekam fast eine Gänsehaut, als er darüber nachdachte, wo dieses Handtuch nun überall gewesen war. Dann zog er sich hastig an, warf dabei immer wieder einen Blick in Narutos Gesicht. Er hatte allerdings schon Probleme damit, die Unterwäsche des anderen anzuziehen. Nicht, dass er nicht hineingekommen wäre – Narutos Kleider waren ihm eher zu weit –, aber er zögerte, weil er genau wusste, dass das in seinen Händen eine bereits getragene Unterhose war, die also noch viel länger das bedeckt hatte, was das kleine Handtuch gerade bedeckte. Er zögerte einen Moment zu lange, denn Narutos Kopf fiel jetzt zu seiner Brust hinab und zog den Oberkörper mit. Er kippte nach vorn, gegen den Schwarzhaarigen – mit dem Gesicht gegen dessen nackten Hintern.

Eine Gänsehaut überzog Sasukes gesamten Körper, der sich ansonsten nicht mehr rührte. Er war wie zu einer Salzsäule erstarrt. Eine Salzsäule, deren Gedanken rasten. Er fühlte sich einerseits ertappt bei dem Versuch, die Unterwäsche des anderen zu missbrauchen, und andererseits fühlte er sich selbst belästigt. Er glaubte zuerst, der Blonde wäre wach, dachte im ersten Moment auch noch, dass es „nur“ seine Hand war, die an seinem Hintern lag, doch er spürte den Atem des anderen heiß an seiner Pobacke.

Als Sasuke es wagte, den Kopf zu drehen, war er sich bei dem Anblick des mit offenem Mund und vollkommen entspannten Gesichtszügen halb dasitzenden, halb daliegenden Naruto zwar sicher, dass er schlief und nichts davon mitbekam, was er hier tat – zum Glück, dachte Sasuke –, doch das änderte nichts daran, dass er wusste, was hier passierte. Dass er wusste, dass der Blonde gewissermaßen seinen Hintern küsste.

Hastig ließ Sasuke nun die Unterwäsche los, ließ sie um seine Knöchel zu Boden fallen, streckte seine Hände nach den Schultern des anderen aus und schob ihn zurück, lehnte ihn wieder gegen die Kabinenwand. Weil er es mit dieser peinlich berührten Hast tat, schlug Narutos Hinterkopf etwas unsanft gegen das harte Material. Er stöhnte auf und seine Stirn runzelte sich. Oh Gott, er wacht auf, dachte Sasuke panisch und zog sich ohne einen weiteren Gedanken die Unterhose hoch, die um seine Fußgelenke lag.

Dann starrte er wieder in das Gesicht, das sich jetzt gegen die rechte Kabinenwand kuschelte, ohne die Augen aufzuschlagen. Sasuke seufzte erleichtert auf, zog sich aber dennoch schnell die restlichen Kleider über. Er kam nicht umhin zu bemerken, dass sie stark nach dem anderen rochen. Leider – nach ihrer Mission heute – jedoch auch ziemlich stark nach Schweiß.

Sasuke rümpfte die Nase etwas und versuchte dann, sich mental zu wappnen. „Yoshi“, sagte er leise und zupfte noch einmal vorsichtig das kleine Handtuch in Narutos Schoß zurecht, bevor er den Körper hochhievte und vor sich hertrug. Er öffnete die Tür mit dem Ellbogen und horchte zuerst, bevor er sich auf den Flur hinauswagen würde. Tatsächlich hörte er dort Kakashis Stimme aus dem Speisezimmer kommen. Es schien, vor allem von der Art her, wie er sprach, als hätte er schon einiges getrunken. „De nekschte Runde geht auf mik, altes Haus!“ Sasuke hob die Augenbrauen, konnte sich nach diesem Ausspruch aber sicher sein, dass sein Trainer nicht auf dem Weg aus der Bar heraus war, sondern noch vorhatte, dort ein Weilchen zu bleiben. Deshalb wagte er sich jetzt weiter vor, durch den Türrahmen und den Flur entlang. Mühsam schleppte er den leblosen Körper, der wie ein nasser Sack in seinen Armen lag, die Treppe hinauf. Als er gerade oben angekommen war, öffnete sich eine Tür und Sasuke blieb wie versteinert stehen. Mit Entsetzen sah er Sakura aus ihrem Zimmer kommen und – nach schrecklichen zwei Sekunden, in denen sie die Tür hinter sich schloss und sich umdrehte – in Richtung Toiletten gehen. Erleichtert atmete Sasuke auf. Unentdeckt ging er weiter und erreichte ihr eigenes Zimmer. Dort hatte er nur leider das Problem, dass er ihren Zimmerschlüssel in Narutos Hosentasche gesteckt hatte; was hätte er auch anderes tun sollen? Jetzt musste er Naruto irgendwie anlehnen oder ablegen, damit er die Tür aufschließen konnte. Er entschied sich für Ersteres und stellte den Blonden auf die Beine, wobei das Handtuch natürlich herunterfiel. Er ärgerte sich, dass er nicht daran gedacht hatte, es dem anderen umzubinden. Eigentlich hatte er sogar daran gedacht, doch er wollte nicht zu viel an dem Blonden herumfummeln, wenn dieser jeden Moment aufwachen könnte. Doch jetzt wäre es noch unpraktischer, wenn er aufwachen und bemerken würde, dass er nackt vor ihm stand, während er ihn festhielt und gegen die Wand neben der Tür drückte. Das tat Naruto jedoch nicht. Er schlief einfach weiter, träumte scheinbar auch weiter, denn er murmelte noch immer vor sich hin. Jeder, der jetzt vorbeikommen würde, würde aus dem Anblick, den die beiden boten, zusammen mit dem Lärm aus der Bar, erst einmal schließen, dass Sasuke den Blonden abgefüllt hatte, um ihn ins Bett zu kriegen, aber dann selbst so betrunken war, dass er ihn bereits vorher ausgezogen hatte. Der Schwarzhaarige war nämlich auch knallrot im Gesicht, was aber nur an seiner peinlichen Situation lag. Das Einzige, was für einen Außenstehenden nicht sofort nachvollziehbar war, war, dass – wenn das kleine Handtuch am Boden nicht zählte – nirgends Kleider verstreut lagen. Es konnte ja keiner ahnen, dass die Kleidungsstücke, die Sasuke gerade trug, eigentlich die des Nackten waren.

Sasuke presste seine linke Hand gegen Narutos Brust, kramte mit der anderen nach dem Schlüssel, dann, als er ihn endlich gefunden hatte, schloss er die Tür auf, gab ihr einen Schubs und nahm daraufhin seine zweite Hand wieder zu Hilfe, hob den anderen in seine Arme und ging durch den Türrahmen in den Raum hinein, der für diese Nacht ihr gemeinsames Schlafzimmer sein würde. Es war bereits das dritte Zimmer, das sie in den vergangenen vier Tagen teilten, stellte Sasuke fest.

Er legte den Blonden – wie von diesem gewünscht – auf den Futon am Fenster. In diesem Moment kam Sakura von der Toilette zurück, in der sie nur die Hände hatte waschen wollen. Sasuke horchte auf, als er ihre Schritte auf dem Flur hörte, schaute zur offenen Tür zurück. Er hatte keine freie Hand gehabt, um sie zu schließen; wenn sie nach innen aufgegangen wäre, hätte er sie zutreten können, doch sie ging ungewöhnlicherweise zum Flur hin auf, und der Versuch, sie zuzumachen, mit Naruto auf dem Arm, hätte wahrscheinlich dazu geführt, dass er ihn hätte fallen lassen oder dass er mindestens Beine oder Kopf gegen Tür oder Rahmen hätte schlagen lassen. Jetzt jedenfalls wusste er genau, dass er es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde, die Tür zu schließen, bevor Sakura an ihr vorbeiging. Er konnte also nur noch hoffen, dass sie zur Abwechslung einmal nicht neugierig sein und deshalb auch nicht zur offenen Tür hereinsehen würde. Wenn der Mond nicht so hell gewesen wäre, hätte sie vielleicht beim Blick-hinein-Werfen auch gar nichts erkannt, wenn Sasuke still genug gehalten hätte. Doch der Mond war voll und hell. Es schien fast, als schwebte er direkt vor ihrem Fenster. Und das Licht, das vom Flur hereinfiel, erhellte die beiden zusätzlich noch etwas von der anderen Seite. Als Sakura, die immer sehr neugierig war, an der Tür vorbeikam und auch noch das kleine Handtuch sah, das dort am Boden lag, blieb sie sogar stehen, um in den Raum hineinzuspähen. Sasuke, der sie über seine Schulter entsetzt anstarrte, rührte sich dennoch nicht.

„Sasuke-kun?“, fragte Sakura überrascht.

„Ja?“, fragte er mit etwas Verzögerung zurück.

„Was ist los? Warum hast du kein Licht angemacht?“, wollte sie wissen und trat näher, durch den Türrahmen hindurch.

„Kein Licht anmachen!“, rief er und warf eilig die Bettdecke über Naruto, um ihn vor Sakuras Blicken abzuschirmen. Ganz abgesehen davon, dass er nicht wollte, dass Sakura falsche – oder schlimmer noch: richtige – Schlüsse zog, wollte er nicht, dass sie von sich sagen konnte, dass sie Naruto einmal komplett nackt gesehen hatte. Irgendwie wollte er, dass er der Einzige war, der das von sich behaupten konnte.

Sakura gehorchte, nahm ihre Hand vom Lichtschalter zurück, und kam näher. „Ist etwas passiert?“

Sasuke stand jetzt auf, brachte etwas Abstand zwischen sich und Naruto. „Nein, nein“, sagte Sasuke aus einem Reflex heraus, um Sakura loszuwerden. Doch dann bemerkte er, dass es vielleicht klüger wäre, nicht zu behaupten, es wäre alles normal, wenn er Naruto ins Bett brachte. Das klang ja, als würde er das jeden Tag tun. „Er ist nur im Becken bewusstlos geworden“, schob er deshalb noch hinterher.

„Und warum trägst du seine Kleider?“, fragte Sakura mit verwirrtem Blick auf Sasukes Outfit. Dieses unwichtige Detail hatte der Schwarzhaarige bereits wieder vergessen.

„Ich fürchte, mir wurden die Kleider geklaut“, sagte er jetzt und blickte an sich hinab. Er wollte gar nicht wissen, wie er in ihren Augen gerade aussah – verdächtig, wahrscheinlich. Hoffentlich würde sie ihm glauben und einfach wieder gehen. Das schien die Kunoichi jedoch vorerst nicht vorzuhaben.

„Warum sollte jemand deine Kleider klauen?“, fragte sie weiter. „Ich meine, sie sehen schon cool aus, aber…“ Sie räusperte sich. „Und warum benutzt ihr nicht die Bademäntel im Schrank?“, wollte sie dann wissen und deutete in die Ecke des Raumes.

„Bademäntel?“, echote Sasuke jetzt und ging sofort zu besagtem Schrank herüber. Er war froh, etwas anderes zu tun zu haben, als angespannt mitten im Raum herumzustehen. Tatsächlich hingen dort zwei Frotteemäntel, die die beiden nur hätten mit hinunter nehmen müssen. Sie waren davon ausgegangen, dass sie in den Umkleiden welche finden würden, wie sie auch die kleinen Handtücher dort gefunden hatten. Aber eigentlich hatte keiner wirklich darüber nachgedacht. Ihnen ging momentan einfach zu viel durch den Kopf. Zu viel vom jeweils anderen.

„Und er ist wirklich okay?“, fragte Sakura jetzt und ließ sich zu Naruto hinab, legte ihm eine Hand auf die Stirn. Sasuke kam sofort zu dem Futon zurück, in dem der Blonde lag. Er befürchtete, dass Sakura die Decke zurückschlagen und feststellen würde, dass Naruto nackt darunter lag. Zwar hätte sie auch so darauf kommen können, wenn er selbst die Kleider des Blonden trug, doch vielleicht ging sie davon aus, dass er ihn mindestens in ein großes Handtuch gewickelt hatte. Erst jetzt bemerkte Sasuke, dass er in der Eile nicht einmal richtig danach gesucht hatte. Irgendwo waren bestimmt Handtücher zu holen – größere als dieses winzige, das vor der noch immer offen stehenden Tür lag. Er wollte sie schließen. Und er wollte Sakura vorher aus dem Zimmer geworfen haben.

„Ja, es geht ihm gut“, sagte Sasuke nun hastig. „Er muss nur wieder abkühlen und sich ausschlafen.“

„Dann solltest du ihn aber vielleicht nicht ganz so warm zudecken“, meinte Sakura und griff nach dem Rand der Decke.

Sasuke packte sofort Sakuras Handgelenk. „Ich kümmere mich schon um ihn“, sagte er jetzt. „Geh du ins Bett.“

„O-Okay“, sagte sie unsicher und erhob sich. „Wenn du meinst.“

„Ja, alles kein Problem“, sagte Sasuke zuversichtlich und begleitete Sakura zur Tür. Dort hob er noch schnell das Handtuch auf, zog den Schlüssel aus dem Schloss und wünschte der Kunoichi eine gute Nacht. Dann zog er die Tür zu und atmete erst einmal tief durch. Als ihm dabei der Schweißgeruch von Narutos Kleidern in die Nase stieg, zog er diese sofort aus und warf sie auf den Boden. Hier hatte er jetzt immerhin seinen Rucksack mit ein paar wenigen frischen Kleidern. Es wäre fair gewesen, wenn Kakashi ihnen gesagt hätte, dass sie mehr davon mitnehmen sollten. Keiner hatte gewusst, dass sie die Nacht woanders als zu Hause verbringen würden. Jetzt würde er wohl oder übel in seinem einzigen frischen T-Shirt schlafen und es morgen auch den ganzen Tag tragen müssen. Er war froh, jetzt auch aus der Unterwäsche Narutos herauszukommen. Der Gedanke verursachte immer noch Gänsehaut. Aber es gefiel ihm nicht, dass er sich dazu im selben Raum ausziehen musste, in dem auch Naruto war.

Als er schließlich mit frischer – eigener – Unterwäsche und einem Shirt bekleidet dastand und auf den friedlich schlafenden Naruto hinabschaute, verspürte er den Drang, sich zu ihm unter die Decke zu kuscheln. Er riss seinen Blick los. Nein, das konnte er nicht tun. Nicht ungefragt. Auch wenn er sich sicher war, dass der andere nichts dagegen haben würde, er konnte seine Zustimmung nicht einfach voraussetzen und tun, was er wollte. Außerdem war er sich momentan nicht mehr sicher, wozu er eigentlich fähig war; er spürte, dass er gerade sehr egoistische Dinge tun könnte. Und wollte.

Er schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, hatte er beschlossen, dass er Naruto noch etwas anziehen musste, bevor er schlafen ging. Er sollte sich schließlich nicht erkälten. Sasuke wusste genau, dass da noch ein ganz anderes Motiv dahintersteckte, dennoch warf er jetzt die Jacke des Blonden von dessen Rucksack herunter und suchte darin nach dem, was er auch fand: frische Unterwäsche und ein sauberes T-Shirt. Langsam, als glaubte er wirklich, er könnte den anderen aus seinem Tiefschlaf holen, schlug er die Decke zurück und legte zunächst Narutos Oberkörper frei. Das Mondlicht tat etwas Faszinierendes mit seiner Haut und dem Zeichen auf seinem Bauch. Sasuke streckte die Hand aus und ließ seine Finger sachte darüberstreichen. Seine Haut war noch sehr warm und so unglaublich weich.

Der Schwarzhaarige beugte sich jetzt zu Narutos Bauch hinab und küsste ihn, wollte ihn mit seinen Lippen berühren; er wusste nicht, warum. Seine Hände wollten den Körper ebenso anfassen, fuhren federleicht von seiner Brust bis hinab zum Bauch. Dort schoben sie die Decke weiter nach unten, stoppten erst, als Naruto sich regte. Sofort hielt Sasuke inne und starrte in Narutos Gesicht. Dieses drehte sich auf die Seite und schmatzte einmal im Schlaf. Das brachte Sasuke wieder in die Realität zurück. Auch wenn keine Gefahr zu herrschen schien, dass der andere ihn ertappte, fragte er sich jetzt, was er eigentlich hier tat. War das nicht noch schlimmer als alles andere bisher? Schlimmer als das, was Naruto heimlich getan hatte? Er hatte immerhin nur geschaut, nicht auch noch angefasst. Aber Sasuke konnte sich kaum beherrschen. Er war in dem Bann dieses Körpers gefangen.

Gewaltsam entriss er sich dem, griff nach den Kleidern, die er achtlos neben die Matratze gelegt hatte, und begann, die Unterhose über Narutos Füße zu stülpen. Er zog sie nach oben, bis sie nicht mehr weitergehen wollte, weil sie sich nicht unter den Hintern schieben ließ, auf dem Naruto mit einem Großteil seines Gewichtes lag. Sasuke schob langsam – von einem Prickeln in seinem Nacken begleitet – eine Hand unter dieses Körperteil und hob es an, zog mit der anderen den Stoff hinauf. Nur eines hatte sich bisher nicht unter dem Stoff verstauen lassen. Der Schwarzhaarige hob jetzt den Gummibund der Shorts an und schob behutsam alles darunter, was darunter gehörte.

Sasuke spürte seine Ohren heiß werden. Noch nie hatte er so etwas mit einem fremden Körper getan. Von niemandem hatte er solche private Stellen berührt – außer Naruto.

„Sasuke?“ Der Kopf des Gemeinten zuckte nach oben, erstarrte, als er in Narutos Gesicht sah. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er schämte sich augenblicklich abgrundtief für das, was er getan hatte. Er schwor sich, alles zu tun, um das wieder gut zu machen. Er würde sich vor dem Blonden auf die Knie werfen und ihn um Verzeihung anflehen, wenn es sein musste.

Doch Narutos Augen waren geschlossen. Es dauerte eine Weile, bis Sasuke begriff, dass der Blonde nur wieder im Schlaf gesprochen hatte. Unglaublich erleichtert atmete er tief durch. Ihm fiel ein Fels vom Herzen. „Komm…“, kam es jetzt leise über Narutos Lippen. Und Sasuke, auch wenn er wusste, dass er gerade nicht gemeint war, kam zu ihm hinaufgerutscht, nahm seinen Arm und zog ihn durch den Ärmel des T-Shirts. Dasselbe tat er mit dem anderen und schließlich hielt er den Hinterkopf mit einer Hand nach oben, zog den Stoff darunter hindurch und schlussendlich auch über das Gesicht. Er achtete dabei darauf, dass er es nicht zu stark streifte. Dann zupfte er das Shirt noch ein wenig unter dem Rücken des Blonden hindurch und schob den Stoff auch über seine Brust, doch das tat er nur so weit, dass das Siegel noch nicht bedeckt war. Er wollte es noch ein wenig betrachten. „Sasuke?“, kam es wieder leise aus Narutos Mund. Der Schwarzhaarige ließ seine Finger innehalten, die das schwarze Muster nachfuhren. Langsam schaute er auf, wollte sich nur versichern, dass der Blonde noch immer friedlich schlief, doch er schaute ihn an – mit offenen Augen.

Erschrocken starrte Sasuke in das schläfrige, aber überraschte Gesicht. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, dass der andere noch aufwachen würde, nach allem, was ihn nicht hatte aufwecken können. Doch jetzt lag er da, den Hals etwas zur Seite gebogen, um besser zu Sasuke blicken zu können.

„Sasuke, was…?“, begann Naruto und der Schwarzhaarige wich zurück, wollte am liebsten im Boden versinken. Jetzt hatte er ihn dabei ertappt, wie er heimlich ihn – seinen Körper – angestarrt und auch noch zärtlich berührt hatte. „Was ist passiert?“

Sasuke öffnete den Mund, doch ihm fiel keine Ausrede ein. Es gab absolut keinen harmlosen Grund dafür, Naruto am Bauch zu streicheln. Und Sasuke hoffte inständig, dass der Blonde nicht noch mehr mitbekommen hatte. „Wir waren doch eben noch im Onsen-Becken…“, murmelte Naruto und schaute sich dann um, versuchte seine Lage zu begreifen. Der Schwarzhaarige wollte beinahe aufatmen, doch Narutos Augen wurden immer wacher, schienen zu leuchten zu beginnen, als sie in Sasukes Gesicht blickten.

„Du bist ohnmächtig geworden“, sagte Sasuke schnell, bevor Naruto sich in seinem Kopf selbst etwas zusammenspinnte.

„Oh“, machte der Blonde zunächst nur. „Und wer hat mich hierhergebracht?“ Sasuke schluckte. „Und angezogen?“ Sollte er behaupten, dass es Kakashi gewesen war? Konnte er sich denn noch an irgendetwas erinnern?

Plötzlich lächelte Naruto und Sasuke starrte ihn nur fasziniert an. Das Mondlicht spiegelte sich in seinen großen Augen. Man konnte einfach nicht wegsehen. Dann streckte der Blonde seinen Arm aus und griff nach Sasukes Hand, die gerade noch in seiner Reichweite auf dem Boden lag. Der Schwarzhaarige konnte nichts dagegen tun. Naruto zog ihn in seinen Bann, zog ihn zu sich heran, legte ihn auf sich und küsste ihn.

Sasuke wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte eigentlich alles tun, um den Eindruck zu zerstören, den er dem Blonden gerade vermittelt hatte. Und auch wenn diese Einladung verlockend war, wollte er nicht nachgeben, wollte nicht zugeben, dass es das war, was er selbst auch wollte. Er wollte vor allem nicht, dass der andere glaubte, er könnte das immer und überall tun, wie er Lust dazu hatte. Aber diese Lippen waren so warm, sie waren so weich und berührten ihn so zärtlich. Nur ganz sanft küssten sie ihn, als wären sie zu einem forscheren Kontakt gerade gar nicht fähig. Seine Arme hielten ihn ebenfalls locker fest, lagen praktisch nur auf dem Rücken des anderen. Sasuke glaubte, dass der Blonde Rücksicht auf ihn nahm. Dass er ihn nicht zu sehr drängen wollte, weil er spürte, dass er sich schnell von der Situation überfordert fühlte. Doch auch bei dieser schonenden Methode Narutos gab es ein Problem, denn irgendwann schien überhaupt keine Initiative mehr von dem Blonden auszugehen und Sasuke fühlte sich dazu gezwungen, selbst Taten sprechen zu lassen. Vor allem als die Lippen an Sasukes Mund komplett innehielten, ihn nicht einmal mehr noch leicht küssten, wurde dieses Gefühl unangenehm stark.

Sasuke zögerte, öffnete seine Augen, sah Narutos erwartungsvoll geschlossenen. Er konnte es förmlich spüren, wie der andere auf eine Aktion von ihm wartete. Doch Sasuke konnte dieser stillen Aufforderung nicht nachkommen. Er konnte es nicht. Er wollte nicht die treibende Kraft sein. Nicht derjenige, dem man die Schuld zuschieben konnte, wenn irgendetwas schiefging. Er schloss die Augen und legte seine Wange an die des anderen. Es kostete ihn bereits Überwindung genug, nicht zurückzuweichen.

Er dachte daran zurück, was er bereits alles mit dem anderen getan hatte, wie viel er davon sogar selbst – mit Eigeninitiative – getan hatte, doch das schien alles in weite Ferne gerückt. Er konnte nicht mehr nachvollziehen, wie er je so viel Mut hatte aufbringen können. Doch er wusste, dass es kein richtiger Mut gewesen war; es war eher eine höhere Gewalt gewesen. Ein Trieb in ihm, den er nicht einmal hätte stoppen können, wenn er es gewollt hätte.

Sasuke erwartete, dass Naruto etwas sagen würde. Oder dass er – und das hoffte er – doch wieder die Führung übernahm. Aber er tat nichts. Er wartete noch immer. Der Schwarzhaarige wurde innerlich immer unruhiger. Dieser Erwartungsdruck wurde immer deutlicher spürbar. Er musste etwas tun, wenn er ihn ausgleichen wollte. Er musste handeln. Er musste sich einen Ruck geben. Er hoffte, wenn er nur den Anfang machte, dass Naruto dann mit einsteigen und alles Weitere übernehmen würde.

Deshalb hob er jetzt wieder den Kopf, schaute auf Narutos Gesicht hinab, auf seine geschlossenen Augen, die ihre Zuversicht nicht zu verlieren schienen, egal, wie lange sie warten mussten. Er schien unglaublich großes Vertrauen in ihn zu haben. Und Geduld. Ungewöhnlich viel Geduld. Sasuke dankte es ihm im Stillen, schloss selbst die Augen, wagte sich vor, wagte sich tiefer hinab, und küsste den anderen.

Zunächst tat er das sehr zurückhaltend, mit vielen kleinen kurzen Berührungen. Der Blonde ging noch nicht darauf ein, als wollte er sagen: „Das reicht mir noch nicht.“ Deshalb wollte Sasuke den Kuss intensivieren, presste seine Lippen etwas stärker gegen die des Blonden, und öffnete schließlich auch den Mund. Naruto schien überrascht, öffnete ebenso seine Lippen, ließ Sasukes Zunge zu sich hinein. Schüchtern wagte sich diese vor. Doch kurz darauf löste sich Narutos Arm von Sasukes Rücken und fiel auf die Bettdecke.

Der Schwarzhaarige hielt inne. Er nahm den Kopf zurück und schaute in Narutos Gesicht, dann auf den leblosen Arm, und zurück in Narutos Gesicht, das mit geschlossenen Augen und offenem Mund weiteratmete. Und dann begriff er: Naruto schlief.

Sasuke keuchte. Hatte er schon die ganze Zeit geschlafen? Hatte er nur deshalb keine Initiative mehr gezeigt? Sasuke hatte sich also vollkommen unnötig Stress gemacht. Ruhig stellte er fest: Er hatte einen Schlafenden geküsst. Mit Zunge.

Er kam sich so dumm vor. Frustriert, aber vorsichtig, nahm er jetzt auch den zweiten Arm von seinem Rücken, löste sich von Naruto und stand auf. Er raufte sich die Haare, blickte dabei auf den friedlich Schlafenden hinab und ließ sich sogleich wieder in die Knie sinken. Er zog den Stoff des T-Shirts über Narutos Bauch und zog darüber wiederum die Bettdecke. Dann ging er zu seinem eigenen Futon herüber und legte sich hinein, starrte mit offenen Augen an die Zimmerdecke. Nicht einmal in Gedanken fand er Worte für dieses Gefühlschaos in ihm.

Eine Gänsehaut überzog seinen kompletten Körper. Die Matratze und die Bettdecke unter und über ihm waren noch kalt. Sasuke drehte den Kopf und schaute zu Naruto herüber, dessen Gesicht vom Mondschein erhellt war. Dann rückte er herüber, schlüpfte unter das eine Ende von Narutos Bettdecke und ließ sich von Narutos Nähe wärmen.
 

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Kapitel 7 – Marionetten zum Frühstück – oder auch: Nachtisch vor dem Essen

Als Sasuke aufwachte, fand er sich selbst an Naruto herangekuschelt daliegend. Langsam – und doch so schnell es ging, ohne auf sich aufmerksam zu machen – rückte er fort von ihm, zurück auf seinen eigentlichen Schlafplatz. Dort hielt er ganz still und lauschte. Narutos Atem war stetig; er schlief. Zumindest war Sasuke sich da relativ sicher. Gestern hatte er das allerdings auch nicht unterscheiden können, hatte es nicht bemerkt, wann der andere aufgewacht war – mitten in dem Streichelvorgang seines Bauches.

Sasukes Gesicht lief bei der Erinnerung daran noch ein weiteres Mal rot an. Warum hatte er sich nur erwischen lassen? Warum hatte Naruto gerade da aufwachen müssen? Wobei, dachte Sasuke jetzt, es wäre wahrscheinlich noch schlimmer gewesen, wenn er aufgewacht wäre, als ich ihm alle noch herausschauenden Körperteile in die Unterhose geschoben habe… Er schüttelte den Kopf. Egal, wann er aufgewacht wäre, beschloss Sasuke, es wäre jedes Mal eine peinliche Situation für ihn gewesen. Allein die Frage zu beantworten, wie Naruto hierher ins Zimmer gekommen war, war schon schlimm genug gewesen, selbst wenn Sasuke alle schrecklichen Details weggelassen hatte, wie sein Begaffen von Narutos Körper – und vor allem Schritt – und die unfassbare Tatsache, dass der Blonde seinen Hintern geküsst hatte. Auch jetzt bekam er wieder eine Gänsehaut, als er nur daran dachte, wie sich Narutos heißer Atem dort angefühlt hatte und vor allem das Gefühl seiner Nasenspitze, die genau in die Ritze gefallen war.

Sasuke setzte sich ruckartig auf. Er musste aufhören, darüber nachzudenken. Er musste sich auf andere Gedanken bringen. Aber auch als er aufgestanden war, hatte er nicht viele Möglichkeiten, sich abzulenken. Nicht in diesem Raum. Und diesen Raum zu verlassen, bedeutete, Naruto hier allein zu lassen.

Na und?!, fuhr er sich in Gedanken jetzt selbst an. Das kann mir doch egal sein! Er war frustriert. Wenn Naruto gewusst hätte, wann seinem Körper zu heiß wurde, dann wäre das alles nicht passiert!

Das würde er ihm irgendwie heimzahlen. Er wusste nur noch nicht wie. Er würde sich jetzt beim Zähneputzen Gedanken darüber machen. Mit diesem Vorsatz ging er zu seinem Rucksack, holte sich seine Zahnbürste heraus und stapfte zur Tür. Naruto schlief seelenruhig weiter. Gerade als er die Türklinke hinunterdrücken wollte, hielt Sasuke inne. Er trug nur Unterwäsche und ein T-Shirt. Seine Kleider von gestern waren verschwunden. Er schaute zu Narutos Kleidern auf dem Boden zurück und rümpfte die Nase. Nein, das würde er sicher nicht noch einmal anziehen. Wobei die Hose wahrscheinlich gar nicht so sehr stinken würde, aber dennoch wollte er nicht noch einmal in diesem Outfit gesehen werden.

Sein Blick fiel jetzt auf den Kleiderschrank. Er ging herüber, holte einen der beiden Bademäntel heraus und warf ihn sich um. So konnte er sich auf jeden Fall vor die Tür wagen.

Ein leises Schmatzen ließ Sasuke zum Blonden herüberschauen. Bei dem Anblick stellte er fest, dass ihre Futons noch immer so nahe beieinander lagen wie zu Anfang. Ursprünglich hatte Sasuke überlegt, sie, wenn auch nur ein Stück, auseinanderzuziehen, doch daran hatte er gestern Nacht nicht mehr gedacht. Jetzt holte er das nach. Er schnappte sich die Enden der Matratze und zog sie so weit von dem Blonden weg, wie er nur konnte. Erst als er mit dem Hintern gegen die Wand stieß, ließ er es gut sein. Als er sich wieder Richtung Tür entfernen wollte, bemerkte er, dass seine Bettdecke zu unberührt dalag – zu unbenutzt. Er griff mit beiden Händen in den Stoff und durchwühlte ihn kräftig, sodass es so aussah, als hätte er tatsächlich darin geschlafen – sehr unruhig sogar. Zufrieden mit seinem Werk verließ er – mit Zahnbürste und Schlüssel bewaffnet – das Zimmer.

Als die Tür ins Schloss gezogen wurde, wachte Naruto auf und schaute sich verwirrt um. Er befand sich allein im Raum, entdeckte den Futon des anderen fast ganz an der Wand bei Sasukes Rucksack. Hatte der Schwarzhaarige so weit von ihm entfernt geschlafen? Enttäuscht zog er einen Schmollmund. Dann versuchte er, sich an den gestrigen Abend zu erinnern, doch er wusste nicht mehr, was passiert war, nachdem Kakashi das Becken verlassen hatte. Der Blonde rieb sich den Hinterkopf. Eigentlich fühlte er sich ganz normal, sein Kopf schien nicht zu platzen und auch nirgends anders spürte er Schmerzen. Warum konnte er sich dann nicht mehr erinnern?

Naruto schlug die Bettdecke zurück und stand auf, wollte die Wahrheit herausfinden. Als Erstes schaute er aus dem Fenster, als erwartete er Sasuke dort in den Baumkronen. Dann schaute er an sich hinunter und fragte sich, wann er sich diese frischen Kleider angezogen hatte. Ob er sich diese Kleider angezogen hatte. Er konnte sich nicht erinnern. Er schaute auf seinen Rucksack hinab, der noch offen dastand, ließ dann seinen Blick durch den Raum schweifen, entdeckte dadurch seine Kleider, die alle auf einem Haufen vor dem Kleiderschrank lagen. Er runzelte die Stirn. Er konnte sich wirklich nicht daran erinnern, wie sie da hingekommen waren. Zuletzt hatte er sie in ein Fach in der Umkleide gelegt, das wusste er noch. Aber danach…

Jetzt öffnete er den Schrank, dessen Türen nur angelehnt waren, und entdeckte einen Bademantel darin und einen leeren Kleiderhaken. Sasuke musste wohl gerade den zweiten tragen. Den Schrank hätten sie wohl schon gestern öffnen sollen. Wenn hier bereits Bademäntel hingen, hatten sie in der Umkleide wahrscheinlich nicht noch einmal welche bekommen.

In dem Moment wurde sich Naruto bewusst, dass sie sich gestern nichts zum Anziehen mit hinunter in die Umkleide genommen hatten. Und in diesem Raum befand sich nichts, dass er sich nach dem Baden angezogen hätte und hier wieder ausgezogen hatte, denn sonst würde es irgendwo herumliegen; seine verschwitzten Kleider hätte er jedenfalls nur ungern frisch gebadet wieder angezogen. Handtücher lagen auch keine herum, nur ein einziges dieser kleinen Tücher, die gerade noch ausreichten, um das Nötigste zu bedecken, lag neben Sasukes Rucksack. Was hatte er also angehabt, auf dem Weg nach hier oben?

Naruto hob seine Hose vom Boden auf und roch daran. Gut, die konnte er noch einmal anziehen. Sie roch sogar gar nicht schlecht. Er schnupperte noch einmal daran. Seine Augen weiteten sich. Jetzt erkannte er den Geruch, auch wenn er nur sehr schwach war: Es war Sasukes.

Was bedeutete das? Hatte er seine Kleider getragen? Oder hatte er so lange an ihnen geschnüffelt, dass sie schon seinen Geruch angenommen hatten? Das konnte der Blonde so gar nicht mit dem Charakter des Schwarzhaarigen vereinen. Er hob sein T-Shirt vom Boden auf und roch auch an diesem, doch hier war keine Spur von Sasukes Geruch auszumachen. Der Schweißgestank übertünchte alles. Zuletzt griff er noch nach seiner Unterhose und schnupperte – mit viel Abstand zur Nase – daran, um festzustellen, dass auch sie ein wenig anders roch als sonst. Mit einem Blick zu dem Futon an der Wand fragte er sich, wie diese Dinge alle zusammenpassen sollten. Er warf die Kleider wieder zurück, zog sich nur die Hose über. Jetzt wollte er erst einmal Sasuke finden und eine Erklärung dafür hören, dass er sich an den Rest des gestrigen Abends nicht mehr erinnern konnte.

Gerade als Naruto nach der Klinke gegriffen hatte, öffnete sich die Tür von selbst und zog ihn aus dem Zimmer heraus. Sasukes Augen weiteten sich, als er Narutos Gesicht auf sich zukommen sah. Sofort hielt er inne und starrte dem Blonden erschrocken in die Augen, die nur wenige Zentimeter von seinen entfernt waren. Er hatte sich ohnehin vor der Konfrontation mit dem Blonden gefürchtet, doch so plötzlich und unausweichlich hatte er nicht mit ihr gerechnet.

„Morgen“, murmelte Sasuke mit gesenktem Blick. Er hoffte, dass er noch einen Moment Zeit hatte, sich wieder zu sortieren, bevor die unvermeidlichen Fragen kamen.

„Morgen“, echote Naruto, trat hinter sich, zurück in den Raum, um dem anderen Platz zu machen. „Wo warst du?“

„Zähne putzen“, antwortete er knapp und Naruto entdeckte die Zahnbürste in seiner Hand. Sasuke schloss die Tür hinter sich und packte die Zahnbürste in seinen Rucksack zurück. Er mied Narutos Blick. Seinen fragenden Blick. Er spürte es, dass gleich eine weitere Frage kommen würde. Eine schwierigere. Und er lag richtig.

„Was ist… gestern passiert?“, wollte Naruto zögernd wissen.

Sasuke wusste nicht, wie er auf eine so allgemeine Frage antworten sollte. Deshalb antwortete er auch sehr schmucklos: „Das habe ich dir schon gestern gesagt. Du bist im Wasser bewusstlos geworden.“ Das sollte ihm als Antwort ausreichen.

„Bin ich?“, fragte Naruto überrascht und fragte sich, wann der andere ihm das gesagt hatte. Sasuke wandte sich jetzt zu ihm um und schaute ihn lange nur an.

„Du kannst dich nicht daran erinnern?“, fragte er und fragte gleichzeitig sich selbst, welche Antwort auf diese Frage ihm lieber wäre. Einerseits wäre es praktisch, wenn er nichts von Sasukes Bereitschaft wusste, ihn zu küssen und sich zu ihm ins Bett zu legen. Doch andererseits hatte er gehofft, dass der andere mindestens noch wach gewesen war, als er begonnen hatte, ihn aus freien Stücken zu küssen – was ihn schließlich einiges an Überwindung gekostet hatte.

„Ich erinnere mich an nichts mehr außerhalb vom Wasserbecken“, antwortete Naruto ehrlich. Sasuke keuchte leise. Er hatte es geahnt. „Was ist?“, fragte der Blonde unsicher, der die Wut des anderen anschwellen spüren konnte. „Was habe ich…?“

„Nichts“, schnappte Sasuke nur und widmete sich wieder seinem Rucksack, auch wenn er nicht wusste, was er mit diesem oder seinem Inhalt tun sollte.

„Jetzt komm schon“, quengelte Naruto hilflos. „Habe ich irgendetwas… gemacht?“

Sasuke warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „An was denkst du dabei?“

Der Blonde zuckte unsicher mit den Schultern, auch wenn er genau wusste, an was er dabei dachte: Wenn er über Sasuke hergefallen war, wäre das ein guter Grund, weshalb er zum Schlafen seinen Futon so weit von ihm weggezogen hatte.

„Es ist nichts Schlimmes passiert“, behauptete Sasuke und bemerkte, dass er sich das selbst einzureden versuchte. „Außer dass man mir scheinbar meine Kleider geklaut hat.“

„Man hat was?“, fragte Naruto verwirrt nach.

„Meine Kleider waren jedenfalls nicht mehr da, als wir in die Umkleide zurückgekommen sind“, meinte Sasuke nur; er wollte es ja selbst nicht glauben, dass man ihm wirklich die Kleider stehlen würde.

„Und was hast du nach dem Baden dann angezogen?“, fragte Naruto weiter. Sein Blick fiel auf seine eigenen Kleider am Boden. Sasukes Blick fiel ebenso dorthin.

„Es ging leider nicht anders“, sagte er nur und konnte einen roten Schimmer auf den Wangen nicht verhindern.

Naruto schaute den anderen aufmerksam an. Er wollte es noch immer nicht glauben. „Das heißt, du hast wirklich meine getragenen Kleider angezogen?“ Der Schwarzhaarige reagierte noch nicht, mied nur seinen Blick. „Auch meine Unterwäsche?“

„Ich wollte dich nicht nackt durchs Haus tragen!“, brach es aus Sasuke heraus.

„Aber wie hast du mich dann durchs Haus getragen, wenn nicht nackt? Was soll ich denn dann angehabt haben, wenn du meine Kleider anhattest?“, fragte der Blonde, der genau wusste, dass diese Kleider, die er trug, aus seinem Rucksack kommen mussten, der die ganze Zeit hier gestanden hatte. Und wenn der Schwarzhaarige seine Kleider getragen hatte, dann…

„Aber du warst nackt, nicht ich!“, brach es aus Sasuke heraus. „Dir kann das ja egal sein, schließlich warst du bewusstlos“ Und es hat uns sowieso niemand gesehen.“ Er fügte noch leise murmelnd hinzu: „Außer Sakura.“

„Sakura hat uns gesehen?“, fragte Naruto nach, der unwillkürlich an seinen Traum denken musste. „Davon habe ich geträumt.“

„Sie hat dich aber nur zugedeckt gesehen!“, warf Sasuke schnell ein. Dann erst begriff er, was Naruto gesagt hatte, und dass es keine Beschwerde gewesen war. „Du hast davon geträumt?“, fragte er jetzt entsetzt. War er vielleicht doch zwischendurch wach gewesen und wusste nur nicht, ob es Traum oder Realität war? „Was genau hast du geträumt?“

Der Blonde zögerte. Er glaubte nicht, dass der Inhalt des Traumes Sasuke gefallen würde. Ganz abgesehen davon, dass er es wahrscheinlich nicht für gut befinden würde, dass seine Träume von ihm in letzter Zeit nur noch erotischer Art waren.

„Also“, begann er langsam. „Angefangen hat mein Traum im Onsen.“

„Das wundert mich nicht“, warf der Schwarzhaarige ein. „Dort bist du auch eingeschlafen.“

„Und dann haben wir uns geküsst“, fuhr Naruto fort und schaute unsicher zu Sasuke auf.

„Okay“, sagte dieser jetzt. „Gut, dass du weißt, dass das nur ein Traum war. Denn das ist nicht passiert.“

„Nicht im Wasser, meinst du“, korrigierte Naruto und Sasuke schaute ihn aufmerksam an. Also erinnerte er sich doch?

„Wie meinst du das?“, fragte Sasuke etwas atemlos.

„Na ja, es ist ja nicht so, als hätten wir uns noch nie…“ Naruto begann, sich nervös am Hinterkopf zu kratzen. „Oh, und wir haben uns sogar schon einmal im Wasser…“

„Stopp!“, sagte Sasuke harsch und machte eine Handbewegung, die dasselbe auch ohne Worte vermittelte. Er wollte solche Dinge noch viel weniger laut ausgesprochen hören. Es reichte ihm, dass er sie wusste. Und dass er daran beteiligt gewesen war. Und dass er es nicht verhindert hatte. „Gut, und weiter?“

„Dann stand Sakura plötzlich hinter uns im Wasser“, fuhr Naruto fort zu erzählen. „Aber dich hat das gar nicht interessiert. Du hast mich einfach weitergeküsst.“ Sasuke schluckte. Er wusste ganz sicher, dass es nur ein Traum war, von was der Blonde da erzählte, und dennoch war es ein realitätsnahes Problem. „Dann sind Kakashi-sensei, Yamato-sensei, Iruka-sensei, Kiba, Shino, Ino, Chouji, Choujis Vater – ohne T-Shirt – aufgetaucht, aber das hat dich trotzdem nicht interessiert. Du hast mich ausgezogen – obwohl ich davor eigentlich schon keine Kleider mehr angehabt hatte, aber irgendwie dann wieder doch – und dann war da plötzlich ein Bett mitten auf dem Wasser…“

„Okay, ich gehe jetzt frühstücken“, beschloss der Schwarzhaarige abrupt und bewegte sich zur Tür. Bereits auf dem Weg hielt er wieder inne. Er bemerkte, dass er noch immer den Bademantel trug. Konnte er sich so im Speisesaal blicken lassen?

„Soll ich für dich nach deinen Kleidern suchen?“, fragte Naruto jetzt vorsichtig. Wie er befürchtet hatte, blockte Sasuke das Angebot vollkommen ab, als wäre es eine Beleidigung für ihn.

„Nein, das kann ich schon selbst“, sagte er und öffnete jetzt die Tür. Naruto ging ihm nach, schloss die Tür hinter ihnen, bevor er Sasuke die Treppe hinunter in das Speisezimmer folgte. Dort saß Sakura bereits an einem der Tische und trank Tee.

„Das wird aber auch mal Zeit, dass mindestens ihr hier seid“, beschwerte sie sich gleich. „Dass Kakashi-sensei noch nicht wach ist, wundert mich auch nicht, ich habe ihn gestern Nacht noch lange durch das Haus grölen gehört – hätte ich doch besser nicht das Einzelzimmer direkt an der Treppe und überm Speiseraum genommen“, dachte sie laut. Dann richtete sie wieder ihren Blick abwechselnd auf die zwei Jungs vor sich. „Aber ich hatte gehofft, dass mindestens ihr beide früher aufkreuzen würdet. Wart ihr schon baden oder wie?“, fügte sie bei dem Anblick von Sasuke im Bademantel hinzu.

„Nein, waren wir nicht“, stellte Sasuke schlecht gelaunt klar und setzte sich Sakura schräg gegenüber, statt direkt vor sie. Er schien keine Lust auf ihre Gesellschaft zu haben. Und vor allem nicht darauf, ihre Worte auf direktem Weg und kurze Distanz hören zu müssen. Naruto hatte jetzt nicht mehr groß die Wahl, setzte sich zwangsläufig Sakura gegenüber. Kurz darauf kam die Bedienung und sie bestellten ihr Frühstück.

„Einen Teufel werd ich tun und noch länger auf Kakashi warten“, war Sakuras Kommentar dazu, bevor sie so viel bestellte, wie sie allein gar nicht essen konnte. Es war eindeutig, dass sie es ausnutzte, dass alles auf Kakashis Rechnung ging. Beziehungsweise, es war offensichtlich ihre Rachestrategie.

In diesem Moment kam ihr Trainer in den Raum, sein nicht verdecktes Auge sichtbar müde. „Ich habe kein Auge zugetan“, röchelte er, als er sich neben Sakura auf die Sitzbank fallen ließ. „Mein Mitbewohner hat die ganze Nacht durch fürchterlich geschnarcht.“ Er rieb sich über die matte Stirn. „Nicht einmal meine Ohrstöpsel haben etwas genützt. Dazu war die Tonlage einfach zu tief. Das ganze Bett hat vibriert…“ Oh!, dachte Kakashi überrascht. Das ist vielleicht etwas, das ich Yamato gegenüber – aus dem Kontext gerissen – erwähnen sollte…

„Das hört sich nach einer schlaflosen Nacht an“, kommentierte Sakura mitleidlos.

„Also er hat definitiv gut geschlafen, das hat man gehört“, meinte Kakashi, als würde er diese Feindseligkeit seiner Schülerin gar nicht bemerken. „Ich dagegen bin erst so spät eingeschlafen, dass ich es gar nicht gemerkt habe, dass er aufgestanden und gegangen ist.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann von Glück sagen, dass er mir das Geld für das Zimmer dagelassen hat und sich nicht einfach so davongemacht hat.“ Er hat mir sogar eine Nachricht hinterlassen und sie zum Geld auf den Nachttisch gelegt, sodass es so aussah, als wäre es für etwas ganz anderes gewesen… Kakashi stellte sich vor, wie er Yamato davon erzählen würde: „Ich habe mich sofort unglaublich gut mit dem Mann verstanden. Nach unserer aufregenden Nacht hat er mir heimlich Geld zugesteckt. Dabei hätte eher ich ihn bezahlen müssen für diese wundervollen Stunden.“ Das musste einfach wirken. Wenn Yamato nach dieser Aussage nicht eifersüchtig werden würde, dann würde er es nie tun.

Prompt wurde das üppige Frühstück an den Tisch gebracht. „Oh, ihr habt schon für mich mitbestellt?“, meinte Kakashi positiv überrascht und zog den einen Teller zu sich heran, den die Bedienung eigentlich vor Sakura abgestellt hatte. Man konnte es sehen, dass es in dieser innerlich zu brodeln begann, doch sie sagte nichts. Sie vertröstete sich damit, dass sie noch immer nachbestellen konnte. So würde es immerhin nicht kalt werden.

Sasuke griff gerade nach seinem Löffel und wollte ihn in die Suppe tauchen, da spürte er etwas Warmes an seiner Wade. Es war wie ein leichter Windhauch, doch er spürte es so gezielt an einer Stelle, dass es etwas anderes sein musste. Es fühlte sich definitiv seltsam an. Seltsam fremd.

Jäh zuckten seine Beine nach oben. Automatisch ließ er den Löffel in die Suppe fallen und hielt sich mit beiden Händen am Tisch vor ihm fest. Er befürchtete, das Gleichgewicht zu verlieren, doch auf einmal kamen seine Füße wieder auf dem Boden auf, als hätte man sie einfach fallen gelassen. Verwirrt starrte Sasuke geradeaus auf Kakashi, der mit nur einer Hand lässig seine Suppe trank. Er widerstand dem Drang, unter den Tisch zu sehen und nachzuschauen, ob dort jemand etwas Eigenartiges mit seinen Beinen anstellte. Doch er wusste es und er spürte es, dass dort niemand war. Jemand oder etwas steuerte seine Beine von innen.

Auf einmal stellte sich sein linker Fuß auf den Schuh des rechten und sein rechtes Bein wurde nach oben gezogen, aus dem Schuh heraus. Sasuke konnte nicht mehr anders, lehnte sich ein Stück zurück und schaute unter den Tisch. Er sah nur, wie sich sein linker Fuß wieder zurück auf den Boden stellte, als wäre nichts gewesen. Als wäre er nicht aus der Reihe getanzt und auf seinem Schuh gelandet. Der Schwarzhaarige schaute wieder über den Tisch, blickte ins Nichts und versuchte zu begreifen, was gerade vor sich ging. Dann bewegte sich, vollkommen ohne sein Zutun, seine entschuhte Ferse nach rechts. Als würde sie magnetisch dort hingezogen. Zu Naruto.

Im nächsten Moment spürte Sasuke das Bein des Blonden unter seiner Sohle. Er konnte nichts dagegen tun. Seine Beine hatten sich verselbständigt. Naruto erstarrte, als etwas Warmes sein Bein streifte. Ein nackter Fuß rieb sich an seiner Wade. Nackte Fußzehen zogen den Stoff nach oben, als wollten sie die Haut darunter spüren. Alles, was Sasuke in diesem Augenblick wirklich wollte, war, sich in Luft aufzulösen.

Naruto schaute von seiner Suppenschüssel auf, drehte seinen Kopf ganz langsam zu ihm herüber. Er konnte es an dem leichten Zucken seines Halses sehen, dass Sasuke das bemerkte, doch er wagte es nicht, den Blonden anzusehen. Was Naruto irgendwie nachvollziehen konnte. Doch wie war es überhaupt zu dieser Situation gekommen? Was dachte er sich hierbei? Und überhaupt? Was bedeutete das? Was bezweckte er damit? Was wollte er für eine Reaktion von ihm? Und wie konnte er diesen Annäherungsversuch, selbst wenn er ihn wirklich ernst meinte, was Naruto noch stark bezweifelte, hier in aller Öffentlichkeit wagen?

Sasukes Blick ließ nicht annehmen, dass er die Antwort auf diese Frage wusste. Er war entsetzt, seine Augen so weit aufgerissen, als hätte man ihm ein Schwert in den Rücken gerammt. Oder als hätte Naruto eine Hand in seinen Schoß gelegt. Dabei war es Naruto, der schockiert sein müsste. Schließlich war es Sasuke, der ihn gerade an ungewöhnlichen Stellen berührte.

Der Blonde wandte seinen Blick wieder ab, schaute in seine Suppenschüssel, die er noch immer vor sein Gesicht hielt. Er ließ sie jetzt sinken. Was sollte er tun? Sollte er einfach weiteressen, als wäre nichts? Was würde Sasuke dann denken? Dass es für den Blonden vollkommen in Ordnung war, dass er mit ihm füßelte? Das war es natürlich auch, doch es kam so unerwartet. Gestern haben wir kaum miteinander gesprochen, die Nacht hat er kilometerweit von mir entfernt verbracht, eben noch hat er mich angepampt, und plötzlich… Aber selbst wenn es für Naruto sehr sprunghaft war, was Sasuke hier tat, sollte er ihm nicht vielleicht doch zeigen, dass er nichts dagegen hatte? Sollte er ebenso aus seinem Schuh schlüpfen und den anderen imitieren? Natürlich hatte er schon darüber nachgedacht, solche Dinge zu tun – zuletzt beim Frühstück bei ihm zu Hause –, aber er hätte es niemals gewagt. Jetzt erschien es ihm, als hätte er es problemlos riskieren können, aber gleichzeitig irgendwie auch nicht. Er war verwirrt. Er konnte es einfach nicht fassen, was Sasuke da tat. All diese Gedanken waren jedoch augenblicklich fort, als sich plötzlich eine Hand auf seinen Oberschenkel legte.

Sasuke wollte sterben in diesem Moment. Er konnte es nicht glauben, was sein Körper hier tat. Das war zwar nicht das erste Mal, dass er Naruto so unsittlich berührte, aber dieses Mal hatte er wirklich keinerlei Kontrolle darüber. Er wollte bewusst seine Hand zurückziehen, die jetzt Narutos Oberschenkel entlang zu wandern begann, doch es gelang ihm nicht. Seine Finger streiften über den Stoff seiner Hose, fuhren bis zu seinem Knie hinab und an der Innenseite des Schenkels wieder hinauf.

Naruto saß stocksteif da, starrte auf die Tischplatte vor sich, sah weder Suppenschüssel noch den bisher unangerührten Frühstücksteller. Sein Atem stockte. Sein Körper reagierte bereits auf die intimen Berührungen. Er spürte ein Prickeln und ein leichtes Ziehen in den Lenden.

Er hätte nicht gedacht, dass sich seine Fassungslosigkeit jetzt noch steigern könnte, doch das tat sie, als Sasukes Hand seinen Schoß an einer unmissverständlichen Stelle zu reiben begann.

Jetzt konnte der Blonde nicht mehr anders, musste zu Sasuke herüberschauen. Er wollte den Gesichtsausdruck des anderen sehen, den er zeigte, während er so etwas tat – im Beisein mehrerer Leute, bekannter wie unbekannter Sorte, von denen hoffentlich – und so hofften beide – keiner mitbekam, was sich unter dem Tisch gerade abspielte. Sasukes Blick war nach wie vor nur eine Maske des Entsetzens. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er musste Naruto irgendwie klarmachen, dass er nicht dafür verantwortlich war, was sein Körper tat. Doch wie sollte er das tun? Wie sollte er ihm das begreiflich machen? Er glaubte zwar, so wenig Kontrolle er gerade auch über sich hatte, dass er noch hätte sprechen können, wenn er gewollt hätte, doch was hätte er sagen können, um sich in ein besseres Licht zu stellen? Und wie hätte er dabei verhindern sollen, dass Kakashi oder Sakura etwas davon mitbekamen? Oder sollten sie besser etwas davon erfahren? Schließlich wurde er kontrolliert. Was, wenn der Feind ihn steuerte? Aber kein Gegner würde zu solchen Mitteln greifen. Niemand würde zu solchen Mitteln greifen, außer vielleicht…

Sasuke schaute zu seinem Trainer auf, stellte fest, dass dieser nur mit seiner rechten Hand aß und er die andere unter dem Tisch hatte. An der Haltung seiner linken Schulter erkannte man, dass er seine linke Hand gerade zu etwas benutzte. Er bewegte sie, da war sich Sasuke ganz sicher. Aber wie sollte er…? Und dann kam ihm die Antwort: Kugutsu no Jutsu, die Puppenspieltechnik. Kakashi hatte sie wahrscheinlich kopiert. Und jetzt zog er im Hintergrund unbemerkt die Fäden.

Doch warum? Sasuke dachte an das Spezialtraining, das er ihnen aufgehalst hatte. Der Schwarzhaarige hatte gleich am ersten dieser speziellen Trainingstage geahnt, dass Kakashi ein bestimmtes Ziel verfolgen musste. Er hatte nur nicht wirklich verstanden, welches. Teamwork, wie er gesagt hatte, war eine Sache. Das war auch immerhin eine recht einleuchtende Sache. Aber das allein konnte es nicht sein. Das hatte Sasuke nie geglaubt. Und vor allem konnte das, was sich jetzt gerade abspielte, nichts mehr damit zu tun haben. Auch wenn Sasuke sich ziemlich sicher war, dass Kakashi hinter all dem steckte, war er aber, wenn es darum ging, die Motive zu verstehen, noch immer nicht schlauer. Denn was hätte Kakashi davon, dies zu tun – außer vielleicht seinen Spaß?

Naruto schaute jetzt in seinen Schoß hinab, wollte es mit eigenen Augen sehen, dass es wirklich die Hand von Sasuke war, die sich dort zu schaffen machte. Und es war sie, ohne Zweifel. Das machte es noch einmal unglaublicher, es tatsächlich – auch noch im Tageslicht – zu sehen, was der andere mit ihm machte.

„Habt ihr keinen Hunger?“, fragte Sakura plötzlich und die Köpfe der beiden zuckten nach oben. Sie schauten Sakura an, als sprach sie nicht nur Arabisch mit ihnen, sondern als sah sie auch wie ihr schlimmster Albtraum aus. Kakashi schaute ebenfalls auf, begriff, dass Sakura sich wundern musste, dass die anderen beiden nichts aßen; Sasuke hatte sein Essen noch nicht einmal angerührt, nur den Löffel bisher. Und Naruto hatte bislang nur ein wenig von seiner Suppe geschlürft. Das sollte er dringend ändern, wenn er den Spaß noch nicht enden lassen wollte.

Auf einmal begann Sasukes linke Hand, nach dem Essen vor sich zu greifen. Ungeschickt versuchte sie, es zwischen ihre Finger zunehmen, was mehr als nur einmal misslang. Es schien wie ein Ablenkungsmanöver. Eines, das erst recht für Naruto verwirrend sein musste. Was musste dieser denken, wenn Sasuke seelenruhig zu essen begann, während er ihm mit der anderen Hand noch immer kräftig über die Hose rubbelte?

Und Sasuke hatte recht, der Blonde wunderte sich jetzt natürlich umso mehr. Das passte nicht zu dem Schwarzhaarigen – noch weniger als die Sache an sich, dass er ihn hier in aller Öffentlichkeit anfasste. Naruto war jetzt hin und her gerissen, spürte Sakuras erwartungsvollen Blick. Er hatte nur zwei Möglichkeiten: zu essen, als wäre nichts, oder Sasuke zu stoppen. Die Bewegungen von Sasukes Hand hatten nicht nachgelassen, eher zog die Geschwindigkeit nun an. Nein, das hielt er keine Sekunde länger aus. Nicht hier.

Plötzlich packte Narutos Hand nach der in seinem Schritt und hielt sie fest, hielt sie gegen sich gepresst, damit sie sich nicht mehr bewegen und Reibung erzeugen konnte. Er brauchte eine Sekunde Zeit, um nachzudenken. Etwas, das er bei so viel Reibung einfach nicht konnte.

Kakashi spürte sofort, dass da ein Hindernis war. Etwas, das seine „Marionette“ sich nicht einwandfrei bewegen ließ. Und er wusste sehr bald, was das war, denn Naruto bemerkte schnell, dass er auch nicht einfach hier sitzen bleiben konnte, wenn er dazu Sasukes Hand permanent gegen seine Weichteile gepresst halten musste – und er hatte es ausprobiert, seinen Griff wieder zu lockern, in der Hoffnung, dass der Schwarzhaarige die Botschaft verstehen und ihn – solange sie unter Augenzeugen waren – in Ruhe lassen würde, doch der Spielraum hatte Sasukes Finger nur sofort dazu gebracht, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Und so stand Naruto kurz darauf abrupt auf, wandte sich wortlos vom Tisch ab und zog Sasuke mit sich aus dem Raum. Kakashi trennte schnell die Chakra-Fäden ab, damit er den einen, und somit den anderen, nicht an diesem Vorhaben hinderte.

„Was war das denn?“, fragte Sakura, aber aß mit dem Blick zur Tür weiter.

„Ich glaube, die beiden hatten eine kleine Rangelei“, meinte Kakashi nur fröhlich und widmete sich wieder seinem Frühstück – jetzt mit beiden Händen.

„Was soll das?!“, regte Sasuke sich auf, als sie fast die Treppe erreicht hatten.

„Was sollte das?!“, fragte Naruto nur zurück und zeigte auf seinen Schoß, von dem Sasuke genau wusste, was seine Hand, die bis eben dort gelegen hatte, in dieser Region getrieben hatte. Deshalb sagte er dazu vorerst nichts. Als eine Angestellte den Flur betrat, zog er den Blonden eilig die Treppe hinauf. Dort schloss er ihr Gästezimmer auf, zerrte den anderen in den Raum hinein und sprach erst wieder, nachdem er die Tür ins Schloss gezogen hatte.

Das“, sagte er und deutete vage auf Narutos Unterkörper. Jetzt erst bemerkte er, dass er noch immer die Hand des Blonden hielt, die er nun schnell losließ. „Das war ich nicht.“

„Was?“, fragte Naruto irritiert. „Du willst behaupten, du warst es nicht, obwohl ich es mit eigenen Augen gesehen habe?“

„Ich schwöre es dir, es war Kakashi-sensei“, sagte Sasuke ruhig.

Der Blonde schaute ihn stumm und ungläubig an. Eine Augenbraue hatte er nach oben gezogen, die sagte: „Willst du mich für dumm verkaufen?“ Dass Sasuke nicht darauf einging, störte den Blonden, aber er ignorierte es. „Ist das dein Ernst?!“, fragte er stattdessen. „Warum musst du es auf andere schieben? Steh dazu, was du getan hast!“ Er zeigte auf die Hand, die nicht den Schlüssel hielt. „Diese Hand war es und keine andere! Und Kakashi kann dich wohl schlecht dazu zwingen, deine Hand in meinen…“

„Doch!“, unterbrach Sasuke schnell, bevor der andere es auch noch laut aussprach. „Er hat die Puppenspieltechnik angewandt!“

„Die was?“, fragte Naruto nur. „Fang jetzt nicht an, irgendwelche Dinge zu erfinden, dattebayo!“

„Ich erfinde nichts!“, protestierte Sasuke. „Glaubst du wirklich, ich würde das, was meine Hand da getan hat, tatsächlich aus freien Stücken tun? Direkt vor Kakashi-sensei und Sakura?! Mitten in einem Restaurant?! Beim Essen?!“

Jetzt hielt Naruto inne, um zu überlegen. Ihm fiel auch kein Argument dafür ein, weshalb er diesen Ort und diese Zeit dafür gewählt hatte. „Das kam mir auch komisch vor, aber…“

„Nichts aber!“, wandte Sasuke ein. „Niemals hätte ich das getan, wenn ich die Wahl gehabt hätte!“ Naruto zog einen Schmollmund und verschränkte die Arme. Der andere hatte zwar Recht, dass es sehr unwahrscheinlich war – das hatte der Blonde ja selbst gedacht –, aber es so darzustellen, als wäre es das Letzte, was er je tun würde…

„Du hast es schon einmal gemacht“, argumentierte Naruto deswegen jetzt und dachte an die zweite Nacht in seinem Bett.

„Das war etwas anderes!“, beschwerte Sasuke sich.

„Warum war das etwas anderes?“, wollte Naruto wissen. „Weil da kein Stoff mehr dazwischen war?“

„Sei still jetzt!“, wollte der Schwarzhaarige ihn zum Schweigen bringen. Er schloss die Augen. Es war ihm zu unangenehm, über diese Dinge zu sprechen. Vor allem versuchte er sich manchmal immer noch einzureden, sie wären nie passiert.

„Sasuke?“, fragte Naruto jetzt leise und der Schwarzhaarige öffnete seine Augen wieder, um zu sehen, dass der Blonde einen letzten Schritt auf ihn zu machte. Der Zimmerschlüssel kam mit einem lauten Klirren auf dem Boden auf, als ihre Lippen aufeinandertrafen. Doch es störte sie nicht. Sasuke überlegte zwar noch, ob er es zulassen sollte, was Naruto gerade eingeleitet hatte, doch der Schlüssel oder das Geräusch änderten nichts an seiner Entscheidung.

Naruto hatte seine Hand an Sasukes Hinterkopf gelegt, die andere an seine Taille. Er küsste den anderen unmissverständlich leidenschaftlich. Und Sasuke spürte diese Leidenschaft auch hart gegen seinen Unterleib pressen. Er wollte zurückweichen, doch kein Schritt weit hinter ihm war bereits die Tür und schon drückte Naruto ihn gegen das Holz.

Sasuke keuchte auf, aber Naruto ließ ihn kaum wieder Luft holen; er versiegelte seinen Mund mit seinem eigenen, brach dieses Siegel jedoch sogleich wieder mit seiner Zunge. Sasuke stöhnte leise und erwiderte jetzt den Kuss. Der Blonde presste sich nun umso stärker gegen den anderen Körper und konnte sich nicht davon abhalten, die Aufmerksamkeit des anderen auf die Stelle zu lenken, die gerade am meisten davon brauchte.

Sasukes Augen weiteten sich, als Naruto nach seiner Hand griff und sie gegen seinen harten Schritt presste. Sofort fühlte sich der Schwarzhaarige überrumpelt und überfordert, stieß den anderen von sich. Dieser schaute ihn zuerst gekränkt an, dann blickte er über seine Schulter, sah, dass die Futons wieder in der Mitte des Raumes beieinander lagen, die Decken wie auch ein kleiner Kleiderstapel darauf fein säuberlich zusammengelegt; es musste eine Angestellte hier gewesen sein. Kurzerhand zog Naruto Sasuke herüber, wollte ihn aufs Bett schubsen, doch das ließ der Schwarzhaarige nicht so einfach mit sich machen. Er blieb standhaft, wehrte sich, doch letztendlich konnte er nichts tun, als der Blonde sich an ihm festklammerte und sich mit seinem ganzen Gewicht gegen ihn warf, um ihn zu Fall zu bringen. Sie landeten – Naruto auf Sasuke – auf der dünnen Matratze und der Schwarzhaarige schaute beinahe furchtsam in die blauen Augen über ihm. Diese schlossen sich jetzt, kurz bevor Naruto seine Lippen wieder auf die Sasukes treffen ließ. Das war der Moment, in dem sich der Widerstand des Schwarzhaarigen in Luft auflöste. Er spürte den Körper des Blonden an so vielen Stellen an sich, spürte dessen Wärme, dessen Leidenschaft, dessen Bedürfnis. Alles schien sich auf ihn zu übertragen. Fast als würde Naruto nun selbst die Fäden ziehen. Und zeitgleich noch Sasukes Gefühle steuern.

Der Blonde kramte jetzt nach dem Band, das den Bademantel Sasukes zusammenhielt, löste die Schlaufe und schob den Stoff zu allen Seiten weg. Jetzt reagierte der Schwarzhaarige, der Narutos zum Teil harten Weichteile nun deutlicher durch den Stoff seiner Unterwäsche hindurch spüren konnte. Er rollte sich mit dem Blonden herum, rollte sich auf ihn und küsste ihn wieder, ohne die Augen zu öffnen. Dann begann er, ihn auszuziehen, zog ihm zuerst das T-Shirt über den Bauch und über den Kopf, dann zerrte er die Hose von ihm, wollte ihn auch noch von der Unterwäsche befreien, doch den Blonden interessierte das gerade nicht. Er presste wieder Sasukes Hand gegen seinen Schoß, rieb sie dagegen, wollte ganz offensichtlich Erleichterung, so schnell es ging.

Sasuke kam dieser Bitte nach, hielt sich nicht mit dem letzten Kleidungsstück auf, sondern holte nur das heraus, was er brauchte, was sich ihm bereits entgegendrängte, und begann, daran auf und ab zu fahren. „Schneller“, stöhnte Naruto und Sasuke lief ein Schauer den Rücken hinunter. Er kam der Bitte nach, beschleunigte seine Bewegungen. „Mehr“, keuchte der Blonde und Sasuke spürte, wie seine eigene Unterwäsche immer enger wurde. Er kam nicht umhin, sich neben der Erfüllung seiner Aufgabe Narutos perfekten Körper anzusehen, ebenso wie das Muskelspiel, das vor allem an Bauch und Beinen zu beobachten war. Es endete, indem sich alle Muskeln einmal gleichzeitig anspannten und nach einem lauten Stöhnen aus dem Mund des Blonden wieder entspannten.

Das, was aus dem Körper Narutos herausschoss, landete zum Teil auf seinem eigenen Bauch und zum Teil auf seiner Hose, die neben ihm lag. „Verdammt“, fluchte Sasuke leise und suchte in der Umgebung etwas, mit dem er den Fleck gleich wegwischen könnte. Das hatte sich allerdings erledigt, als sich im nächsten Moment Narutos Hand an diese Stelle legte und die Flüssigkeit dort verwischte. Dann hoben sich beide Arme Narutos und versuchten, kraftlos nach dem Schwarzhaarigen zu greifen. Dieser kam ihm entgegen und ließ sich auf Narutos Bauch hinunterziehen – mitten in die kleine Pfütze dort.

„Verdammt“, fluchte Sasuke ein weiteres Mal und entfernte sich mit seinem Oberkörper von Naruto, um den Fleck zu betrachten. Er hoffte, dass es man es nicht mehr sehen würde, wenn es getrocknet war. Aber er glaubte es nicht.

Der Blonde schaute nur ahnungslos von dem Fleck zu Sasukes Gesicht und zog den anderen noch einmal zu sich hinab, küsste ihn, berührte ihn und zog ihm schließlich das T-Shirt aus. Er warf es achtlos neben das Bett. Daraufhin wälzte er Sasuke auf den Rücken, legte sich über ihn. Sasuke wusste natürlich, dass jetzt die Revanche kam. Er zögerte auch, fragte sich, ob er es zulassen sollte. Was, wenn Kakashi oder Sakura nach ihnen suchten, weil sie so erklärungslos davongestürmt waren? Wobei Kakashi ja wissen musste, was das Problem gewesen war. Aber was, wenn Sakura an der Tür klopfte? Was sollten sie dann tun? Und würde man auf dem Flur sein Stöhnen hören?

Seine Überlegungen waren vergessen, als Narutos Hände seine Unterwäsche hinabschoben und seine Zunge an seinem empfindlichsten Körperteil entlangfuhr.

So hatte Sasuke sich die Revanche nicht vorgestellt. „Man vergeltet gleiches mit gleichem, Naruto“, sagte er leise und in einem Atemzug, um dem anderen nicht zu zeigen, wie unregelmäßig er bereits atmete.

„Hm?“, machte der Blonde nur, ließ den Schwarzhaarigen die Vibration dieses langgezogenen Wortes deutlich spüren, denn er hörte dabei nicht auf, Sasukes Haut von allen Seiten zu befeuchten. Er leckte an dem, was sich ihm entgegenreckte, als wäre es ein Eis am Stiel. Sasuke schmolz dahin. Er wollte seine Hände irgendwo in Naruto hineinkrallen, doch dieser wehrte sie ab, fürchtete, dass sie ihn nur von dem abhalten wollten, was er tun wollte. Und so blieb dem Schwarzhaarigen nichts anderes übrig, als seine Finger in der Bettdecke zu vergraben und zu versuchen, das Stöhnen in seiner Kehle zu ersticken. Es gelang ihm nicht.

Naruto kostete die Situation aus, zögerte das Ende des Ganzen hinaus, indem er immer wieder langsamer wurde. Er hatte längst seine Lippen um Sasukes Männlichkeit geschlossen, sie komplett in sich aufgenommen, sie mit seiner Zunge befeuchtet und geknetet, doch immer und immer wieder brach er ab, kurz bevor Sasuke den Höhepunkt erreichte.

Dobe“, keuchte dieser, nachdem das zum etlichen Male passiert war. „Bring es zu Ende.“ Er wagte es, die Augen zu öffnen und zu seinem Schoß hinabzuschauen. Naruto schlug jetzt seine Lider auf und blickte zurück, ein teuflisches Funkeln in seinen Augen. Es sagte alles: „Ich entscheide hier.“ Und das tat Naruto auch. Er quälte Sasuke weiter, bis er zu flehen begann: „Naruto“, stöhnte er. „Bitte, Naruto…“ Jetzt löste der Schwarzhaarige seine Fingernägel aus der Bettdecke und vergrub sie in den blonden Haaren, zwang den Kopf tiefer, zog ihn wieder höher, schob ihn wieder tiefer – bis Naruto dem Einhalt gebot. Er hielt beide Handgelenke Sasukes fest, beschleunigte aber gnädigerweise jetzt die Bewegungen seines Kopfes. Sasukes Fingern gefiel es nicht, in der Luft zu schweben, sie wollten sich wieder irgendwo versenken. Naruto spürte das und verschränkte seine Hände mit denen Sasukes, die sich daraufhin in die Matratze unter sich pressten und so fest zudrückten, dass es beiden wehtat. Sasuke stöhnte ein letztes Mal auf und entspannte seine Finger dann wieder. Dieses Mal hatte Naruto seinen Kopf rechtzeitig zurückgezogen, und das war klug gewesen, denn er hatte einiges aus den Tiefen Sasukes herausbefördert, doch leider hatte dieses „Einiges“ somit freie Bahn und bekleckerte Narutos Hose ein weiteres Mal.

Den Blonden störte das nicht, ihn interessierte das gar nicht. Er legte sich auf den Schwarzhaarigen und küsste ihn. Als er ihre Lippen wieder voneinander trennte, flüsterte er: „Eigentlich hatte ich das schon gestern Abend machen wollen.“ Sasuke schlug die Augen auf und schaute in Narutos lächelnde. „Aber irgendwie verlief nichts nach Plan. Ich kann mich nicht mehr an die Nacht erinnern und am Morgen warst du meilenweit weg von mir.“

Sasuke mied den Blick des Blonden. „Ich habe nicht da geschlafen, wo der Futon vorhin noch lag“, gab er jetzt zu.

„Hast du nicht?“, fragte Naruto hoffnungsvoll verwirrt.

„Nein“, sagte Sasuke nur. Er hatte nicht vor, das genauer zu erläutern. Der Blonde musste sich mit dieser Antwort zufriedengeben. Und das tat er. Er lächelte und küsste ihn ein weiteres Mal.

Ein Klopfen an der Tür unterbrach den Kuss. Sasuke schlug sofort alarmiert die Augen auf, starrte zur geschlossenen Tür. Naruto tat es ihm gleich, wartete, was passieren würde, ob sich jemand melden würde.

„Ah, Sakura!“, hörte man Kakashis Stimme jetzt auf dem Flur. „Gib den beiden noch einen Moment.“ Sasuke und Naruto starrten sich in die Augen. „Lass uns noch einen Nachtisch essen, ja?“

„Mann“, beschwerte Sakura sich. „Worauf warten wir eigentlich? Was passiert hier, von dem ich als Einzige nichts weiß?“ Kakashi sagte noch etwas Beschwichtigendes, das die beiden Jungs im Zimmer aber nicht mehr verstehen konnten, da sich die Stimmen in Richtung Treppe entfernten.

„Wir sollten… wieder runtergehen“, sagte Sasuke jetzt leise. Naruto nickte, weil er kein Argument dagegen fand, das der Schwarzhaarige zählen gelassen hätte. Sobald Naruto von Sasuke heruntergegangen war, zog dieser sich schnell die Unterhose über, die der andere ihm nur die Oberschenkel hinabgeschoben hatte. Dann setzte er sich auf und schaute sich nach seinen verstreut liegenden Kleidern um. Dabei entdeckte er auf dem Futon neben ihnen den kleinen Kleiderstapel, der sich als Sasukes verschwundene Kleider entpuppte. Oben auf diesem Stapel saß ein Quietscheentchen.

Man muss wohl gedacht haben, dass das mir gehört. Wie peinlich…, dachte Sasuke und legte es zur Seite. Darunter kam unerwarteterweise etwas kleines Hellblaues zum Vorschein. Es war ein quadratisches kleines Päckchen, das man von allen Seiten aufreißen konnte. Sasuke erkannte sofort, was es war und schaute panisch zu Naruto herüber, der zum Glück jedoch damit beschäftigt war, seine Kleider zusammenzusuchen, weshalb er es nicht bemerkte, dass Sasuke das Kondom in seiner Hosentasche verschwinden ließ, bevor er sich diese Hose eilig überzog.

Wer hat das hier dazugelegt?, fragte Sasuke sich. Das Hausmädchen etwa? Mit wild klopfendem Herz stand er jetzt erst einmal eine Weile da und schaute zu Naruto, der sich gerade seine Hose anzog, die bereits einige sichtbare Flecken hatte. „Wir sollten vielleicht versuchen, das auszuwaschen“, sagte der Blonde und kratzte sich am Hinterkopf. Dann bemerkte er, dass Sasuke nicht reagierte. „Was ist?“

„Nichts“, sagte Sasuke schnell und griff nach seinem Shirt. Er schnupperte daran, bevor er es anzog. Nicht nur war es akkurat zusammengelegt worden, es roch auch frisch und sauber. „Es scheint, als wären meine Kleider deshalb weg gewesen, weil man sie gewaschen hat“, ließ Sasuke den Blonden wissen. Ein Glück, dass ich nicht das T-Shirt mit den Spritzflecken anziehen muss… „Aber das hätte man mir ruhig vorher sagen können.“ Und ich habe schon gedacht, das wäre auch Kakashis Werk gewesen…

Naruto schaute sich jetzt nach seinen Sachen von gestern um, die noch auf dem Boden gelegen hatten, als sie das letzte Mal hier im Raum gewesen waren, aber jetzt waren sie weg. „Es sieht so aus, als hätten sie jetzt dafür meine Kleider zum Waschen mitgenommen.“

„Die Frage ist, wie schnell du sie wieder zurückbekommst“, merkte Sasuke an. Und ein paar Minuten später – wieder am Frühstückstisch – erfuhren sie, wie schnell genau.

„Die nette Frau meinte, in weniger als vier Stunden sind eure Kleider gewaschen und getrocknet“, erklärte Kakashi.

„Vier Stunden?“, echote Sasuke.

„So lange müssen wir jetzt noch hier bleiben, oder wie?“, wollte Sakura wissen, die offensichtlich nach Hause gehen wollte. Sie hatte nicht gefragt, wo Naruto und Sasuke hinverschwunden waren. Sasuke fragte sich, was Kakashi ihr erzählt hatte, um sie zum Schweigen zu bringen. Und vor allem fragte er sich, warum er ihm das Kondom zu den Kleidern gelegt hatte. Er versicherte sich immer wieder, ob es noch in seiner Tasche war.

„Genau“, verkündete Kakashi mit einer Freude, die keiner so richtig teilen konnte. „Dann können wir uns frisch und munter auf den Nachhauseweg machen.“

„Können wir dann noch meine Hose mitwasch–?“, begann Naruto zu fragen, der zwar versucht hatte, die Flecken mit ein wenig Wasser herauszubekommen, doch so richtig hatte es nicht funktioniert.

„Nein“, unterbrach Sasuke ihn. „Darauf warten wir nicht auch noch.“

„Aber die Fleck–“, wollte Naruto argumentieren, doch Sasuke stand unter dem Tisch auf seinen Fuß und schaute ihn warnend an. „Okay“, murmelte der Blonde kleinlaut.

Kakashi hob die Augenbrauen. Ach ja, dachte er jetzt. Das hätte ich ja fast vergessen. Mit diesem Gedanken ließ er seinen Bunshin in Quietscheentenform verpuffen und ließ die Infos auf sich einströmen. Für geschlagene zwei Minuten saß er stocksteif da und sah die Bilder, die die kleine gelbe Ente gesehen hatte.

„Kakashi-sensei?“, fragte Sakura zum wiederholten Male. „Kakashi-sensei!“, rief sie dann, als sie die Blutbahn aus der Nase ihres Trainers kommen sah. Das riss Kakashi aus seinem Tagtraum und er zückte schnell ein Taschentuch, wischte sich das Blut weg.

„Nichts passiert, keine Panik!“, sagte er nur beruhigend und hob die Hand. „Also, genießen wir die letzten Stunden hier, bevor wir aufbrechen! Auf ins Wasser!“
 

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„Und was machen wir jetzt im Wasser?“, fragte Sasuke, als die drei im Becken saßen. „Zwangsentspannen?“

„Etwas viel Besseres“, meinte Kakashi, ohne sich die Enttäuschung anmerken zu lassen, dass er sich gerne noch etwas entspannt hätte nach dieser Nacht. „Ich habe beschlossen, die Gelegenheit hier zu nutzen, um euer Spezialtraining weiterzuführen.“

„Was?“, kam es begeistert von Naruto. „Echt?“

Katon haben wir ja bereits geübt“, erklärte Kakashi. „Jetzt soll sich herausstellen, ob ihr auch Suiton beherrscht.“

Sasuke zog die Augenbrauen nach oben. „Feuer und Wasser? Wie unwahrscheinlich ist das denn, dass ich beides beherrsche?“

„Das stimmt, nur sehr wenige legendäre Shinobi haben eine solche Fähigkeit“, behauptete Kakashi und kramte gleichzeitig in seinem Gedächtnis, aber es fiel ihm auf Anhieb kein einziger außer der fünfte Mizukage ein. „Ich will einfach nur wissen, ob einer von euch zu dieser legendären Sorte gehört.“

Narutos Augen strahlten allein bei dem Gedanken, dass Kakashi auch nur in Erwägung zog, dass er zu diesem Schlag gehören konnte. Dass er nicht einmal das Feuerelement beherrschte, bedachte er gerade nicht. Sasuke wusste genau, dass Kakashi sich gerade etwas aus den Fingern sog, und versuchte zu begreifen, was ihr Trainer vorhatte. Er musste dabei immer wieder an die kleine blaue Folienverpackung denken, die in seiner Hosentasche steckte, wo sie hoffentlich sicher war. Seine Hose hatte er – zur Sicherheit – auf ihrem Zimmer liegen lassen, wo er sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und seinen Bademantel wieder umgeworfen hatte – ein Bademantel, der noch immer auf Narutos Futon ausgebreitet dagelegen hatte, als sie vom Frühstück wieder heraufgekommen waren. Und auch wenn Sasuke auf Anhieb keine Flecken entdecken konnte, wusste er genau, dass dieses Kleidungsstück nicht mehr als sauber bezeichnet werden konnte.

„Also“, sagte Kakashi langsam, damit er noch einen Moment Zeit hatte, um zu überlegen, was er als Nächstes sagen sollte. Vielleicht sollte ich Improvisationskünstler werden, dachte er kurz bei sich. „Wir fangen mit Folgendem an“, meinte er dann laut. Sasuke schwante nichts Gutes. „Genau“, sagte Kakashi noch unnötigerweise zu sich selbst und griff hinter seine Ohren. Naruto und Sasuke staunten nicht schlecht, als ihr Trainer die Gummihalterung von dort löste und seine Maske abnahm. Na gut, eine seiner Masken. Die oberste, um genau zu sein. Ohne Vorwarnung riss er dann auch noch den Stoff in der Mitte durch und sagte: „So, die bindet ihr euch jetzt um Arme und Beine.“

„Höh?“, machte Naruto irritiert, nahm aber die Stofffetzen mit jeweils einem Gummiband entgegen.

„Wie bei der Schwimmübung letztes Mal auch?“, fragte Sasuke nur. Wenn es jetzt wieder wie die Schwimmübung von vor einer Woche sein würde, war es ja eigentlich gar nicht so schlimm. Diese Übung war immerhin eine der harmloseren gewesen. Kakashi nickte und Sasuke nahm Naruto eines der Gummibänder ab, stülpte es über dessen linke Hand, schob es nach oben bis über den Ellenbogen und steckte dann seinen eigenen Arm hindurch. Naruto schaute nur fasziniert dabei zu, wie der Schwarzhaarige ihre nackte, nasse Haut in diesem Prozess aneinanderschmiegte.

Sasuke mied diesen Blick. Er wusste nicht, warum er sich schon wieder entschieden hatte, einfach mitzuspielen. Er könnte mindestens einmal versuchen, Kakashis Einfälle zu kritisieren, sagte er sich, seine Vorgaben abzuändern – zu seinen Gunsten. Aber er machte einfach mit, blind. Nein, leider nicht blind, stellte er fest. Denn als Naruto begriffen hatte, was sie tun sollten, versuchte er, sich das andere Band um das Bein zu legen, was um einiges schwieriger war, weil es unter Wasser war. Deshalb, um mit den Händen überhaupt an ihre Füße zu kommen, entschied sich Naruto, das nicht nur im Stehen zu versuchen, sondern dazu auch an eine flachere Wasserstelle zu gehen, damit er – und eben leider auch Sasuke – besser sehen konnte, was er tat. Aber Sasuke wollte das eigentlich gar nicht sehen, wie er das Knie hochzog und seinen Chinchin auf seinem Schenkel an die Wasseroberfläche schob.

Sasukes Kopf lief knallrot an. Panisch schaute er zu Kakashi herüber, hoffte, dass dieser das nicht gesehen hatte und daher auch nicht wusste, warum er so rot im Gesicht war. Er sollte denken, es war nur das heiße Wasser. Doch Kakashi schaute den beiden natürlich aufmerksam zu, blickte von Narutos Schenkel in Sasukes Gesicht auf und sah ganz genau, weshalb es so urplötzlich knallrot wurde. Er machte auch keinen Hehl daraus, dass es so war, was den Rotton noch dunkler werden ließ.

Nach ein paar weiteren peinlichen Sekunden hatte Naruto das Gummiband endlich an Ort und Stelle gebracht – um ihre beiden Fußgelenke – und testete auch gleich aus, ob er sich so noch gut bewegen konnte. Dabei zerrte er natürlich an Sasuke, der befürchtete, dass der Blonde ihn ebenfalls entblößen würde. Deshalb zog er ihn wieder ins tiefere Gewässer. Sich durchs Wasser zu bewegen, bedeutete für die beiden, Arme und Beine am jeweils anderen streifen zu lassen. Diese ständige Nähe war immer noch etwas, an das er sich gewöhnen musste, doch solange Sasuke es verhindern konnte, dass es ihre Hüften oder andere intimere Stellen waren, die aneinander rieben, war er halbwegs zufrieden mit der Situation.

„Und jetzt?“, fragte Sasuke und blickte unsicher zu Kakashi auf. Zur Antwort kam auf den Schwarzhaarigen ein Schwarm kleiner Enten zugeflogen. Sie platschten vor den beiden ins Wasser und schaukelten dort hin und her, schauten sie mit ihren großen Augen an.

„Eure Aufgabe ist es, eines von diesen Entchen an Land zu bringen, also hinter mir“, erklärte Kakashi jetzt und deutete mit seinen Händen den Bereich an. Sasuke schaute von der gelben Masse vor sich zu seinem Trainer auf. Wo hatte er jetzt all diese Quietscheentchen her?

„Nur eins davon?“, fragte Naruto.

„Ihr könnt auch versuchen, es mit mehreren zu schaffen, aber zunächst müsst ihr es mit einem hinkriegen“, sagte Kakashi. Er war zuversichtlich, dass den beiden das nicht so schnell gelingen würde.

„Wir sollen die Enten also einfach aus dem Becken werfen?“, fragte Naruto.

„Werfen, schießen, schlagen – vollkommen egal“, meinte Kakashi. „Ihr müsst nur schneller sein als ich.“

Die beiden jungen Shinobi schauten sich an. Sie wussten, dass sie hochkantig aus dem Onsen geworfen würden, wenn sie zu laut sein oder auch nur bei so einem Unfug gesehen werden würden. Deshalb hatte ihr Trainer wahrscheinlich auch etwas so Kleines und Leichtes ausgesucht wie diese Enten. Damit würden sie wohl keinen allzu großen Schaden anrichten.

Sasuke nickte Naruto zu und griff mit seinem freien Arm nach einer Hand voll Enten. „Okay“, sagte er. „Alles, nur nicht über den Zaun werfen.“ Er fürchtete schon jetzt, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie Ärger bekamen.

Naruto nickte und schaufelte sich so viele Quietscheentchen vor sich und packte so viele, wie er mit einer Hand nur halten konnte. „Bin bereit.“

„Dann fangt an“, war Kakashis Startzeichen.

Sasuke war der Erste, der warf; kurz darauf folgte Narutos erster Entenschwarm, denn er warf gleich eine ganze Handvoll. Doch alle kamen blitzschnell zurückgeschossen. Kakashis Arme schossen so flink aus dem Wasser und pfefferten die Enten zurück, dass die beiden die gelben Blitze kaum abwehren konnten. Sie hörten das kurze Quietschen der Enten mehr, als dass sie die Enten selbst sahen.

Als der Entenregen aufgehört hatte, schaute Sasuke mit zusammengekniffenen Augenbrauen zu seinem Trainer, der im dampfenden Wasser stand, als würde er schon seit Stunden dort warten. Aber das unruhige Wasser um ihn herum verriet ihn.

Sie versuchten es mit unglaublich schnellem, unglaublich hohem und mit angetäuschtem Werfen, doch an Kakashis Händen kam kein einziges Entchen durch.

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen“, sagte Sasuke leise und Naruto schaute zu ihm auf, nickte, schwieg aber.

„Keine Bunshin“, sagte Kakashi, noch bevor Naruto seine Handflächen aneinandergelegt hatte – was er vorgehabt hatte. „Schließlich geht es um euer Teamwork, nicht nur um deins, Naruto-kun. Es sind insgesamt nur Taijutsu erlaubt. Ich will nicht, dass meine Quietscheentchen verkokelt, geschmolzen oder sonst wie verunstaltet werden.“ Als Nachgedanke fügte er noch hinzu: „Und ich will nicht rausgeworfen werden.“

„Okay“, sagte Sasuke. Dann war es offensichtlich, was Kakashi von ihnen wollte. Wie er gesagt hatte: Teamwork. Es ging einzig und allein um Absprachen, eine gemeinsame Taktik. Er beschloss. „Ich werfe nach links und du gleichzeitig nach rechts.“

Naruto nickte. Das klang nach einem Plan. „Okay.“

Kakashi lächelte. „Es ist ein kleiner Nachteil, dass ich euch bestens hören kann, aber je nachdem wie gut ihr eure Würfe timt, schaffe ich es vielleicht wirklich nicht, alle abzufangen.“

Er schaffte es. Jedes einzelne Entchen. Sie waren einfach zu leicht, flogen deshalb nicht schnell genug – nicht schnell genug für jemanden wie Kakashi. Naruto und Sasuke gingen sogar dazu über, ein Signal zu geben, um synchron zu werfen, doch es dauerte noch seine Zeit, bis sie tatsächlich zur selben Zeit die Ente losließen. Doof war nur, dass sie unterschiedlich stark warfen und somit hatte Kakashi doch noch Zeit, um von der rechten Ecke in die linke zu kommen. Nach einer Weile sagte Sasuke: „Timeout. Wir müssen etwas an unserer Strategie ändern, sonst schaffen wir es nie. Komm her.“ Der Blonde schaute ihn überrascht an. Noch näher konnte er praktisch nicht kommen, aber das wollte der Schwarzhaarige gar nicht. Er wollte den anderen nur vorwarnen, dass er gleich mit seinen Lippen ganz nahe an sein Ohr kommen würde, um dort hineinzuflüstern: „Wir nehmen unsere zusammengebundenen Hände unter Wasser und wenn ich deine Hand drücke, wirfst du nach links.“

„Okay“, stimmte Naruto zu und nickte.

Sasuke erklärte weiter: „Und wenn ich auf deinen Fuß stehe, dann wirfst du nach rechts.“

„Warum darf ich nicht auf deinen Fu–?“, wollte Naruto fragen, doch der andere unterbrach ihn schnell, bevor er alles ausplauderte, indem er es demonstrierte und auf seinen Fuß trat. „Hey!“, beschwerte sich der Blonde.

„Du spielst jetzt gefälligst nach meinen Regeln mit oder wir schaffen diese Aufgaben nicht“, zischte Sasuke, mit seiner Geduld am Ende und seinem Stolz bereits angekratzt. Die Übung war ihm im ersten Moment so einfach erschienen, doch sie hatten sie noch nicht einmal annähernd bestanden. Das zehrte an seinem Selbstbewusstsein und ließ ihn keine Kompromisse mit dem Blonden eingehen. Er sagte sich zwar immer wieder, dass das heute das letzte Mal sein würde, dann würde er dieses Spezialtraining ganz sicher beenden; und er versuchte, sich auch immer wieder einzureden, dass Naruto ihm ein Klotz am Bein war und er es nur deshalb nicht schaffte. Aber das änderte nichts daran, dass sein Ehrgeiz geweckt war.

Kakashi grinste. Er konnte sich denken, weshalb Naruto gerade protestiert hatte, doch selbst wenn Sasuke seine Strategie laut verraten hätte, wäre es nicht sehr einfach gewesen, dagegen anzukommen. Das merkte Kakashi jetzt, denn ohne ein Signal zu geben, warfen die beiden wieder jeweils ein Entchen in seine Richtung – gleichzeitig und in unterschiedliche Ecken.

Kakashi zeigte vollen Einsatz. Mit den Fingerspitzen konnte er das zweite gerade noch so weit vom Kurs abbringen, dass es nicht im Ziel landete. Jedoch zögerten Sasuke und Naruto nicht und warfen die nächsten Entchen, auf das Kommando des Schwarzhaarigen hin synchron, aber dieses Mal wechselten sie die Seiten, sodass Naruto nach links warf und Sasuke nach rechts. Dadurch waren die Flugbahnen der Enten vollkommen andere als zuvor, kreuzten sich auch noch, und das kam für Kakashi so unerwartet, dass er es zwar noch zu Sasukes Wurfgeschoss schaffte, aber nicht mehr rechtzeitig zu Narutos. Beide hatten in die absolut äußerste Ecke gezielt, damit Kakashi einen möglichst weiten Weg von der einen Ente zur anderen haben würde. Der Jounin warf sich aus dem Wasser, sprang quer durch das Becken; es störte ihn nicht, dass er dabei komplett nackt durch die Luft flog. Die beiden jungen Shinobi schauten ohnehin gerade nur auf die Ente, die auf den Beckenrand zuraste, dort direkt an der Kante aufschlug und – zurück ins Wasser fiel.

„Dobe!“, schnauzte Sasuke den Blonden jetzt an. „Du hattest freie Bahn!“

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Naruto, während er sich am Hinterkopf kratzte. „Ich war so konzentriert darauf, schnell genug zu werfen, dass ich gar nicht mehr wirklich gezielt habe…“

Sasuke fluchte. „Das darf doch nicht wahr sein! Wir hätten gewonnen, wenn du nur gescheit geworfen hättest!“

„Sorry“, sagte der Blonde kleinlaut. „Beim nächsten Mal schaffe ich es garantiert.“

„Jetzt fehlt uns aber der entscheidende Vorteil der Überraschung“, beschwerte Sasuke sich und spürte, wie Naruto in diesem Moment seine Hand drückte. Überrascht schaute er den Blonden an, zögerte aber nicht länger, als er das verschmitzte Lächeln dort sah und warf die Ente – zeitgleich mit Naruto. Der Schwarzhaarige hätte es dem Blonden nicht zugetraut, dass er selbst einen neuen Angriff einleiten würde. Kakashi, der ebenso wenig mit einem erneuten Wurf der beiden gerechnet hatte – vor allem während sie sich noch stritten –, hechtete los und schlug zuerst das Entchen aus Narutos Hand auf der linken Seite ins Wasser und versuchte dann, auch noch zu dem anderen zu kommen, das er aber nur noch mit den Fingerspitzen erwischte, was es ein wenig vom Kurs abbrachte, aber nicht davon abhielt, sein Ziel zu erreichen: trockenes Land.

„Ha ha! Es hat funktioniert!“, rief Naruto fröhlich und wollte in die Luft springen, doch Sasukes Gewicht, das an ihm festgemacht war, hielt ihn zurück. „Siehst du? Es hat funktioniert. Das war ein noch viel besserer Überraschungsmoment!“

Sasuke schnaubte. „Da hast du noch einmal Glück gehabt, Usuratonkachi.“

Naruto lächelte Sasuke an, der jetzt, als er demonstrativ seine Arme miteinander verschränken wollte, bemerkte, dass der Blonde unter Wasser noch immer seine Hand hielt. Beim Auf- und Abspringen hatte er sie immer wieder gedrückt, um seiner Freude mehr Ausdruck zu verleihen, aber auch danach hatte er sie nicht losgelassen. Sasuke wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Er selbst hielt die Hand des anderen nicht wirklich fest – nur ganz leicht.

„Jetzt habt ihr mich drangekriegt“, sagte Kakashi in diesem Moment. „Gute Arbeit, ihr beiden. Gute Teamarbeit vor allem“, sagte er anerkennend und ließ seine Bunshin-Entchen verpuffen. Die jungen Shinobi schenkten dem keine Beachtung. „Ich glaube, das Training hat euch wirklich etwas gebracht.“ Vielleicht, dachte Kakashi jetzt, sollte ich einfach Tsunade fragen, ob sie mich und Yamato in ein solches Spezialtrainingsprogramm steckt…

„Heißt das, unser Training ist abgeschlossen?“, fragte Sasuke, plötzlich hellhörig geworden, dass Kakashi von ihrem Spezialtraining in der Vergangenheit sprach. Eigentlich wollte Sasuke in den letzten Tagen fast nichts lieber, als dass das Ganze endlich ein Ende hatte, aber jetzt… Jetzt fürchtete er, dass Kakashi bejahen würde.

Dieser überlegte, aber ihm fiel auf Anhieb keine Übung mehr ein. Er war einfach zu müde, um allzu kreativ zu sein. Außerdem hatte ihn die Übung gerade ziemlich verausgabt. Er hätte einen Tick länger überlegen und sich etwas einfallen lassen sollen, was ihn außen vor ließ. Aber dafür war es jetzt zu spät. Er konnte nur noch eines tun, um sich komplett aus der Affäre zu ziehen. „Ja, ich denke, ihr habt bestanden.“

„Aber“, begann Sasuke, ohne darüber nachzudenken. Er hatte gehofft, dass Kakashi es sich nicht nehmen lassen würde, dieses Spiel weiterzutreiben. Vielleicht wusste er allerdings auch schon, dass er sein Ziel bereits erreicht hatte. Schließlich musste er sich seinen Teil gedacht haben, als die beiden vom Frühstückstisch verschwunden und plötzlich mit anderen Kleidern ¬– mit teilweise mehr Flecken – zurückgekommen waren. Auch dass er Sakura davon abgehalten hatte, länger ihre Zimmertür zu belagern, sprach eigentlich für sich. Was sollte Kakashi jetzt auch noch mehr wollen?

Naruto schaute Sasuke überrascht an, als dieser Widerworte zu geben begann. Er konnte es nicht fassen, dass der Schwarzhaarige nicht: „Gott sei Dank!“, ausrief, die Gummibänder durchriss, die ihre Arme und Beine zusammenhielten, und einfach ging. Das wäre jetzt die beste Gelegenheit dazu gewesen. Es wäre der einfachste Weg, um nicht mehr diese Übungen machen zu müssen, doch Sasuke schien sich zu sträuben. Er schien das nicht beenden zu wollen. Und er hatte noch immer nicht Narutos Hand von seiner abgeschüttelt.

„Es hieß, wir würden Suiton lernen“, argumentierte Sasuke schnell. Er spürte deutlich den Blick des Blonden auf sich, aber schaute weiterhin Kakashi an.

Dieser schlug sich gerade mental gegen die Stirn. Ich sollte nicht immer so große Töne spucken… „Ja, natürlich, stimmt“, sagte er schnell. „Aber ich glaube fast, dass ich es schon sagen kann, dass ihr kein Talent dafür habt.“

„Wie bitte hätte man das an dieser Übung feststellen sollen?“, fragte Sasuke ungläubig.

Verdammt, fluchte Kakashi innerlich. Jetzt sollte ich mich nicht noch tiefer reinreiten. Ich habe einen Ruf zu wahren. „Gut, wenn ihr darauf besteht, dann machen wir jetzt noch eine Übung. Vielleicht könnt ihr mich ja doch vom Gegenteil überzeugen.“

Narutos Mundwinkel zuckten nach oben. Er verstand nicht ganz, was vor sich ging, aber wenn es bedeutete, dass Sasuke etwas unternahm, um mehr Zeit mit ihm zu verbringen, dann war das für Naruto definitiv ein Anlass zur Freude.

Kakashi überlegte dieses Mal unverhohlen, mit einem Finger an den von einer Maske verborgenen Lippen. „Dann stellt euch mal Rücken an Rücken“, meinte er schließlich und beobachtete, wie Naruto sich zur Seite drehte und so weit nach hinten rückte, dass er den anderen berührte. Sasukes Körper versteifte sich, als er den Hintern des anderen an dem seinen spüren konnte. Er rührte sich keinen Millimeter mehr. „Und jetzt nehmt ihr eure Hände vor euch…“

„Das geht nicht, wenn wir die Arme zusammengebunden haben“, sagte Sasuke sofort, noch bevor er es versucht hatte. Naruto dagegen zog in diesem Moment seinen – und somit auch Sasukes – Arm zu sich, zog den Schwarzhaarigen dadurch noch ein Stück enger an sich heran.

Sasuke überlegte, den anderen von sich zu schieben, doch das hätte bedeutet, gegen eine nackte Stelle seines Körpers drücken zu müssen. Also ließ er es bleiben, trat einen kleinen Schritt nach vorn – weiter konnte er auch nicht – und löste immerhin eine Pobacke von der des Blonden. Die andere war durch den Zusammenhalt ihrer Arme und Beine zu nahe, als dass er sich von ihr entfernen könnte.

„Eine Hand reicht wahrscheinlich auch“, sagte Kakashi nur, woraufhin Sasuke ihm einen giftigen Blick zuwarf. „Eure stärkeren Hände habt ihr ja frei“, fügte er noch hinzu. „Die haltet ihr vor euch, knapp übers Wasser.“ Beide befolgten die Anweisungen. „Und jetzt versucht ihr, das Wasser zu bewegen.“

Naruto hob die Augenbrauen. „Bewegen?“, echote er.

„Ja, mit eurem Chakra“, erwiderte Kakashi.

„Hm“, machte Naruto und konzentrierte sich auf die Wasseroberfläche vor sich. Sasuke dagegen war gerade zu überhaupt keiner Konzentration fähig. Er konnte nur den nackten Hintern an seinem spüren und zwang seinen Körper, nicht darauf zu reagieren, zwang seine Gedanken in eine andere Richtung, doch er fand keine. Er konnte nur in einer Linie denken, vor und zurück. Zu dem, was er noch kommen sah, und zu dem, was hinter ihm lag. Er konnte es noch immer nicht fassen, was der andere bereits mit ihm getan hatte, und was er selbst mit dem anderen getan hatte. Aber jetzt schien sich alles nur noch darum zu drehen. Ob es wieder passieren würde. Wo es wieder passieren würde. Und wann.

Plötzlich spürte er eine Strömung unter Wasser. Luftblasen stiegen an seinem Oberschenkel entlang auf. Sasuke hob den Kopf, starrte geradeaus. Er hoffte schwer, dass das nicht das war, was er gerade befürchtete. Naruto stand direkt hinter ihm. Wenn die Luftblasen irgendwoher kamen, dann von ihm. Sasuke schnüffelte vorsichtig in die Luft. Er konnte zum Glück nichts Auffallendes riechen.

„Sehr gut, Naruto-kun“, komplimentierte Kakashi in diesem Moment und Sasuke ließ seine Hand ins Wasser sinken, schaute über seine – und Narutos – Schulter hinab zu dessen Hand und sah, wie sich dort ein Strudel gebildet hatte. Er überlegte, erleichtert auszuatmen, doch noch war er sich nicht sicher, ob es wirklich nur der Strudel gewesen war. „Und jetzt versuch, das Wasser in die Luft zu bringen.“

„In die Luft?“, fragte Naruto nach und der Strudel bewegte sich unregelmäßiger, wodurch Luftblasen entstanden, die wiederum an Sasukes Bein aufstiegen. Jetzt war er zuversichtlicher, dass ihm nicht gleich noch ein unangenehmer Geruch in die Nase steigen würde.

„Ja, nach oben“, sagte Kakashi und deutete mit seinem Daumen zum Himmel hinauf. Naruto hob automatisch seine Hand an, hoffte einfach, dass das Wasser mitziehen würde. Doch das tat es nicht; der Strudel wurde schwächer und löste sich schließlich auf.

„Das war aber schon sehr gut“, sagte Kakashi. Mit nur einer Hand auch noch, dachte er bei sich. „Wirklich nicht schlecht.“ Dann schaute er zu Sasuke, der nicht einmal mehr so tat, als würde er es versuchen, die Übung zu meistern. Kakashi konnte es sehen, dass der Schwarzhaarige mit dieser Situation nicht so gut umgehen konnte wie der andere. „Versucht es noch einmal.“

Eilig hob Sasuke seine linke Hand wieder aus dem Wasser, versuchte, sich zu konzentrieren. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis man bei ihm Ergebnisse sehen konnte. Und sobald Naruto sich ein Stück vor oder noch mehr gegen ihn lehnte, war es wieder vorbei mit der Konzentration und auch mit seinem kleinen Wasserstrudel. Frustriert ging Sasuke nach dem x-ten gescheiterten Versuch hin und schob den anderen von sich. „Ich brauche ein bisschen mehr Platz“, murmelte er nur. Naruto war ein wenig gekränkt, doch nach einem Blick zu Kakashi, der Sasuke beobachtete, sah der Blonde, dass die Gesichtsmaske seines Trainers zwischen seinen Lippen eingeklemmt war bei dem Versuch, sich ein Grinsen zu verkneifen. Das ließ ihn über seine Schulter zu Sasuke schauen und bemerken, dass dieser einen hochroten Kopf hatte. Naruto kombinierte richtig und nahm an, dass es ihre Pose gewesen war, die ihm so unangenehm war. Jetzt schlich sich auch auf sein Gesicht ein Lächeln.

Kakashi bemerkte das, schaute vom einen zum anderen und machte es sich dann im Wasserbecken bequem. Er hatte sein Ziel erreicht: Jetzt hatte er erst einmal Pause. Er griff nach seinem Buch, das er noch vor der ersten Übung in sein kleines Handtuch gewickelt und sich an den Beckenrand gelegt hatte, und begann zu lesen. Es verging einige Zeit, bis Kakashi es zu spüren begann, dass das Wasser auch um seinen Körper herum in Bewegung war. Er schaute von seinem Lieblingsroman auf und sah, dass das gesamte Becken von zwei Strömungen beherrscht war. Die eine ging von Narutos Hand aus und die andere von Sasukes. Kakashi schlug sein Buch zu und legte es zurück auf das zusammengefaltete Handtuch am Beckenrand. Fasziniert beobachtete er das Geschehen, wagte es aber nicht, etwas zu sagen. Er wollte die beiden nicht unterbrechen. Sie waren gerade hoch konzentriert, versuchten, ganz langsam, ihre Hände nach oben zu bewegen, und das Wasser mit ihnen. Naruto scheiterte zuerst. Aber nicht bevor er den Rand seines Strudels ein gutes Stück aus dem Wasser gehoben hatte. Als dieser jetzt einbrach, entstand eine Welle, die nicht nur zu Sasukes Strudel herüberschwappte, sondern diesen auch wegzuschwemmen schien. Es war aber mehr die Veränderung von Narutos Körperposition, die Sasukes Konzentration wegspülte, denn der Blonde ließ enttäuscht die Schultern sinken und fluchte leise, was den Schwarzhaarigen ablenkte und auch seinen Strudel abflauen ließ. Als er das bemerkte, gab er auf. Er brauchte ohnehin eine Pause.

„Sehr gut, ihr beiden“, lobte Kakashi und klatschte in die Hände. „Ihr seid wirklich gut darin.“

„Legendär gut?“, fragte Naruto hoffnungsvoll.

Kakashi überlegte, was er sagen könnte, um nicht allzu demotivierend zu sein. „Schon fast legendär, ja.“

„Dann weiter!“, motivierte sich Naruto selbst und nahm wieder seine Position ein.

„Aber ihr solltet es nicht übertreiben im heißen Wasser“, sagte Kakashi. Er wusste schließlich, was gestern hier passiert war. „Ich denke, ich gehe jetzt besser raus. Wenn ihr wollt, könnt ihr natürlich noch weitermachen.“

Naruto blickte über seine Schulter zu Sasuke. Dieser öffnete den Mund, obwohl er die Antwort noch nicht wusste. Aber als er den hoffnungsvollen Blick des Blonden sah, war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. „Okay, ein bisschen noch“, sagte er schließlich und Naruto freute sich wie ein Kleines Kind, dem man eine Stunde länger Fernsehen erlaubt hatte.

„Dann bis später“, meinte Kakashi, als er sich mit seinem Handtuch und seinem Buch auf dem Kopf auf den Ausgang zu bewegte. „Um 13 Uhr essen wir noch hier, dann machen wir uns auf den Heimweg“, ließ er die beiden wissen, bevor er verschwand.

„Wenn wir so weitermachen, beherrschen wir in kürzester Zeit alle Elemente!“, meinte Naruto enthusiastisch. Sasuke schnaubte nur, denn er wusste, dass das, was sie hier taten, noch nichts mit Suiton zu tun hatte. Aber wenn Naruto das glauben wollte, sollte er es glauben. Wenn es ihn so glücklich lächeln ließ, war Sasuke alles recht.

Einige Zeit später, nachdem sie noch ein wenig geübt hatten, seufzte Naruto, als die Anspannung von ihm abfiel und der Wasserstrudel sich auflöste. Er wischte sich über die Stirn. Dort glänzte nun nicht mehr nur Wasserdampf, sondern mittlerweile auch einiges an Schweiß. Sasuke, der das erschöpfte Seufzen gehört hatte, schaute über seine Schulter und meinte: „Oh nein. Dieses Mal warte ich nicht, bis ich dich aus dem Wasser tragen muss.“

Naruto drehte sich zu ihm um, sodass sie schräg voreinander standen, ihre Arme und Beine noch immer aneinandergebunden. „Du hast mich wirklich von hier bis aufs Zimmer getragen?“, fragte er, neugierig geworden.

„Hatte ich eine andere Wahl?“, fragte Sasuke und setzte noch hinzu: „Außer dich absaufen zu lassen natürlich.“

Naruto lächelte. Das war so typisch Sasuke. „Moment“, dachte er dann laut. „Heißt das, du hast mich vollkommen nackt hier raus und durch das ganze Hotel getragen?“

Sasuke biss sich auf die Lippen. Hätte er doch nur nichts gesagt. „Ich hatte keine andere Wahl, Usuratonkachi“, sagte er nur noch einmal bestimmter.

„Hat dich jemand dabei gesehen?“, fragte der Blonde dann.

„Solltest du nicht eher fragen, ob dich jemand dabei gesehen hat?“, wollte Sasuke wissen.

„Doch“, gab Naruto nach kurzer Überlegung zu, auch wenn er daran gerade gar nicht gedacht hatte. „Aber für dich wäre es ja viel peinlicher gewesen, wenn dich jemand gesehen hätte mit mir auf dem Arm. Komplett nackt.“

Sasuke war erstaunt, dass Naruto sich dessen bestens bewusst zu sein schien. „Ich hätte dich umgebracht, wenn mich jemand so gesehen hätte“, sagte er nur und verschränkte die Arme vor der Brust. Naruto lächelte, sagte nichts dazu. „Wir machen jetzt endlich diese Dinger ab“, meinte Sasuke dann, wie von der Tarantel gestochen, und verkniff sich den Kommentar, dass sie überhaupt keine Funktion bei den Übungen gehabt hatten, vor allem bei der zweiten. Hastig riss er den Gummi von ihren Armen herunter. Er konnte jetzt nicht mehr länger untätig herumstehen, an den Blonden gebunden bleiben und sich vom ihm anlächeln lassen. Sasuke war hier im Wasser schon heiß genug.

Naruto hob bereits seinen Fuß an, doch Sasuke kam ihm zuvor, beugte sich selbst hinunter und zog das Gummiband von ihren Fußgelenken. Er wollte den Anblick von vorhin nicht noch einmal erleben. „Gehen wir raus“, sagte er jetzt schnell und wusste für einen Moment nicht, was er mit den beiden Stoffmaskenhälften Kakashis machen sollte. Im Becken lassen konnte er sie aber auch nicht. Eigentlich hätten sie gar nichts mit ins Wasser bringen dürfen. Es wunderte ihn ohnehin, dass man sie nicht hinausgeworfen hatte. Kakashi musste ein guter Stammkunde sein. Sasuke entdeckte in dem sonst leeren Becken noch das Quietscheentchen, das sie erfolgreich an Land befördert hatten. Kakashi musste es vergessen haben, dachte er. Zumindest waren alle anderen Entchen verschwunden.

Er zog die beiden Gummibänder um sein rechtes Handgelenk, schwamm herüber zum Beckenrand, sammelte die Ente ein und schwamm wieder zurück. „Die sollten wir Kakashi zurückgeben“, sagte er dann zur Erklärung. Naruto griff jetzt nach seinem Handtuch, das er – wie auch Sasuke – für die Übungen an den Rand gelegt hatte. Sasuke wartete, bis der Blonde ein paar Schritte ins flachere Wasser gemacht hatte und damit beschäftigt war, sich sein Handtuch umzulegen, bevor er seinen Blick von Narutos nacktem Hintern losreißen konnte und diesen Schritt selbst wagte. Genau in diesem Augenblick entschied sich Naruto allerdings dazu, über seine Schulter nach dem Schwarzhaarigen zu schauen. Eilig versuchte dieser, sich zu bedecken, doch durch den Schreck ließ er sein Handtuch ins Wasser fallen. Sofort ging er in die Knie, um mindestens das dampfende Wasser den Anblick seines Schoßes verschleiern zu lassen. Nur leider schwamm das, was er am liebsten vor dem anderen verborgen hätte, an der Wasseroberfläche. Naruto konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wütend wringte der Schwarzhaarige das Handtuch aus, nur um festzustellen, dass der Blonde ihn noch immer beobachtete und auf ihn wartete, sodass sich Sasuke kurzerhand entschied, das Handtuch unter Wasser umzulegen, da es ohnehin schon nass war. Im Stehen wringte er das Wasser dann wieder ein wenig aus, damit er nicht allzu viel davon mit in die Umkleide nahm.

Naruto ging jetzt voraus, nahm sich ein Handtuch von einem Stapel – ein Stapel, der gestern nicht dort gewesen war, da war sich Sasuke sicher – und nahm seine Kleider aus seinem Regalfach, bevor er damit in eine Umkleide schlenderte. Sasuke machte es ihm gleich, legte nur das Quietscheentchen zuerst in eines der Fächer, bevor er mit seinen Sachen in eine Umkleidekabine ging.

„Gehen wir dann gleich zum Essen?“, fragte Naruto, kurz nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sasuke zögerte, sich auszuziehen. Er wollte sich nicht mit Naruto unterhalten, während er sich unten herum abtrocknete.

„Ich habe eigentlich noch überhaupt keinen Hunger“, antwortete er.

„Wir könnten auch erst noch einmal auf unser Zimmer gehen“, schlug Naruto vor, während er sich reinen Gewissens trocken rubbelte.

Sasuke, der nicht sicher war, ob das nur ein Kompromissvorschlag sein sollte oder ob dieser Vorschlag mit Hintergedanken verbunden war, zögerte. „Was sollen wir auf dem Zimmer bitte tun?“, fragte er zuerst. Sofort hatte er wieder Bilder von nach dem Frühstück im Kopf.

„Die Aussicht auf dem Balkon ist doch klasse“, argumentierte Naruto und das beruhigte Sasuke ein wenig, diese unschuldige Antwort.

„Okay“, sagte Sasuke abschließend und löste jetzt das nasse Handtuch um seine Hüfte. Er begann, sich abzutrocknen, als Naruto wieder zu sprechen ansetzte.

„Ich glaube, ich habe Liegestühle dort stehen sehen.“

„Sehr schön“, bemerkte Sasuke mit wenig Enthusiasmus und wartete dann, ob der andere jetzt schwieg. Als das ein paar Sekunden lang der Fall war, fuhr er fort, sich abzutrocknen.

„Weißt du, wie spät es ist?“, fragte der Blonde dann.

„Nein, warum?“, kam es mit einem Seufzen zurück. Sasuke war jetzt wirklich genervt von der Tatsache, dass er sich nicht ungestört anziehen konnte. Immer wieder hielt er inne, um zu antworten.

„Ich wollte nur wissen, wie viel Zeit wir haben, bis wir Mittag essen“, erläuterte Naruto, während er sich sein T-Shirt überzog. Dann nahm er sein Handtuch mit aus der Umkleide und warf es in einen dafür vorgesehenen Wäschekorb. „Bist du immer noch nicht fertig?“, fragte Naruto, der sehen konnte, dass die Umkleide, in die Sasuke hineingegangen war, noch abgeschlossen war.

„Nein, und das liegt an dir, also lass mich mal für einen Moment in Ruhe und tu irgendetwas anderes als quasseln!“, brach es aus Sasuke heraus. „Fön deine Haare, irgendwas!“

„Oh, okay“, sagte Naruto überrascht und schaute sich im Raum um. Da lag tatsächlich ein Fön. Gerade als er darauf zugehen wollte, hielt der Blonde inne. Warum will Sasuke das überhaupt?, fragte er sich nun. Wollte er etwa fünf Minuten für sich? Etwa für seine tägliche Routine? Und dazu sollte er Krach machen, damit er nichts davon mitbekam? Es ergab alles einen Sinn. Neugierig geworden, schlich Naruto näher an Sasukes Umkleidekabine heran, presste sein Ohr dagegen. Er hörte das Rascheln von Kleidern. Narutos Augenbrauen hoben sich.

Sasuke zog sich gerade sein T-Shirt über und seufzte. Endlich war der Blonde still. Als er zu seiner Hose griff, bemerkte er, dass es fast etwas zu still war für Narutos Verhältnisse. Er hielt inne, sein Fuß in der Luft, seine Hose in der Hand. „Naruto?“, fragte er in den Raum hinein. Plötzlich hörte er etwas von über sich, schaute auf und sah Narutos erschrecktes Gesicht im Fall von der Stellwand der Umkleide.

Er war abgerutscht bei dem Versuch, von oben in die Kabine hineinzuschauen. Es hatte ihm nicht gereicht, nur das Rascheln aus der Umkleide zu hören; er wollte wissen, was Sasuke wirklich tat. Vor allem nachdem er ihn hatte aufseufzen hören. Als er dann seinen Namen gerufen hatte, hatte er sich erschreckt, den Halt verloren und stürzte nun hinab, direkt auf den Schwarzhaarigen, der in T-Shirt und Unterwäsche dastand, bisher nur mit einem Fußgelenk durch eines der Hosenbeine.

Er warf Sasuke zu Boden, drückte ihn gegen die kalten Fließen, presste die Luft aus seinen Lungen. „Gomen, gomen, Sasuke“, entschuldigte sich Naruto sofort und versuchte, von ihm herunterzugehen, doch der Schwarzhaarige schien den gesamten Boden der Kabine auszufüllen. Der Blonde wusste nicht, wo er mit seinen Armen oder Beinen hinsollte, vor allem mit seinen Ellbogen und Knien. Sasuke öffnete die Augen und sah nichts als Schwarz. Es war Narutos Schulter, die ihm die Sicht versperrte.

„Geh runter von mir, Dobe“, war alles, was er zunächst sagen konnte. Er spürte an diversen Stellen an seinem Körper, wie sich blaue Flecken bildeten. Er stöhnte auf vor Schmerzen, als der Blonde sich auch noch bewegte und seine Knochen an diesen Punkten noch tiefer in sein Fleisch drückte. Naruto hielt sofort inne, was die beiden natürlich kein Stück weiterbrachte, aber der Blonde war so fasziniert, Sasuke unter sich stöhnen zu hören.

„Beweg dich, Usuratonkachi!“, befahl Sasuke und Naruto rutschte ein Stück tiefer, auf der Suche nach einem Platz für seine Hände. Er fand ihn neben Sasukes Kopf und neben seiner Hüfte. Dort stemmte er sich nach oben, bemerkte aber, dass er beim Tieferrutschen seine Füße unter der Kabinenwand hindurchgeschoben hatte und seine Waden jetzt gegen die Unterseite dieser stießen.

„Mach jetzt, Dobe!“, drängelte Sasuke, der selbst nicht sehr bequem dalag, ganz abgesehen von Narutos zusätzlichem Gewicht.

„Ich kann nicht“, murmelte der Blonde zur Antwort, bei dem Versuch, seine Beine zurückzuziehen. Das Resultat daraus war nur, dass er sein Knie zwischen Sasukes Beine schob.

„Hey!“, beschwerte sich dieser. „Was soll denn das?“

„Ich stecke fest“, erklärte Naruto und der Schwarzhaarige dachte dabei natürlich zuerst, dass er behauptete, dass er zwischen seinen Beinen feststeckte, und schob deshalb empört den Oberschenkel des Blonden von sich fort. „Nein, nein, stopp!“, protestierte dieser, weil Sasuke seinen Fuß wieder unter die Stellwand schob. „Mein Bein muss unter der Wand raus.“ Jetzt begriff Sasuke und nahm seine Hände wieder zurück. Er wollte Naruto helfen, von ihm herunterzukommen, doch er konnte nicht viel mehr sehen als die Decke des Raumes und den blonden Haarschopf.

Naruto rutschte auf Händen und Knien wieder nach vorne, brachte sein Gesicht auf die Höhe des anderen und vergaß in dem Moment, was er eigentlich vorgehabt hatte. Er schaute in Sasukes Augen, dann auf dessen Lippen und zögerte nicht mehr lange, bevor er seinen Kopf tiefer sinken ließ.

Sasuke zögerte, wusste, dass er dem anderen deutlich machen musste, dass er nicht nach Belieben tun und lassen konnte, was er wollte, doch er schmeckte den Mund des anderen und dachte: Na gut, noch dieses eine Mal. Er küsste den Blonden zurück, legte seine Arme um dessen Oberkörper und bedauerte beinahe, dass er bereits vollständig angezogen war, doch momentan konzentrierte er sich mehr auf die Lippen des Blonden, vor allem als sie sich öffneten. Sasuke tat es ihm nach einem kurzen Moment gleich, machte den Weg frei für Narutos Zunge, die er mit seiner empfing.

Der Blonde konnte sein Glück kaum glauben, als der Schwarzhaarige bereitwillig seinen Mund öffnete, nach nur einem kurzen Zögern. Langsam aber sicher hatte er ihn da, wo er ihn wollte. Er konnte sich ein teuflisches Grinsen nicht verkneifen und ließ seinen Körper jetzt auf Sasukes niedersinken, sodass er einen Arm frei hatte, um seine Hand in dessen Nacken zu versenken. Der Schwarzhaarige hob nun auch seine Hände vom Boden, legte sie auf den Rücken des anderen und ließ sie dort auf und ab fahren. Er wusste selbst nicht, was er tat. Er seufzte in den Kuss und schämte sich sofort dafür. Wie konnte er so offensichtlich zeigen, dass das genau das war, was er wollte?

Narutos Körper presste sich immer mehr gegen den am Boden liegenden und brachte Sasuke so noch stärker zum Keuchen. Er konnte es nicht verhindern. Er hätte sich auf die Zunge gebissen, doch gleichzeitig hätte er dann auch die des Blonden erwischt. Und Naruto schien es nicht mehr vorzuhaben, seine Zunge wieder zurückzuziehen. Er schien immer weiter vordringen zu wollen, erkundete bereits Sasukes Backenzähne.

Der Schwarzhaarige hatte eine Hand in Narutos Nacken fahren lassen und presste die andere gegen den unteren Teil seines Rückens, drückte den Schoß des Blonden gegen seinen, sodass auch Naruto jetzt aufkeuchte. Er unterbrach den Kuss für einen Moment, ließ seine Augen aber geschlossen, dann legte er seine Lippen wieder auf die Sasukes und nahm seine Hand aus dessen Nacken, ließ sie über seine Brust fahren, seinen Bauch hinab, bis zu dessen Hüfte.

In diesem Moment hörte Sasuke Stimmen näher kommen. Er griff nach Narutos Handgelenk und nach dessen Schulter, brachte den Körper über sich zum Stillstand. Beide lauschten, hörten die Schritte, dann die sich öffnende Tür, die die Stimmen lauter werden ließ. „Das ist ja unglaublich! Das wir uns so wiedertreffen!“, sagte Jemand. Schnell zog Sasuke den Blonden an sich hinauf, die Beine unter der Tür heraus und brachte sie so aus der Sichtweite der „Neuankömmlinge“.

„Ja, so ein toller Zufall“, stimmte Kakashi der fremden Stimme lachend zu und jetzt erstarrten die beiden jungen Shinobi am Boden noch mehr. Sie blickten sich erschrocken an. Sasuke wusste sofort, dass ihr Trainer es an ihrem Chakra spüren würde, dass sie beide hier im Raum waren. Und mit einem simplen Blick schräg unter die Umkleidekabinenzeile würde er auch sehen, wo genau sie waren: am selben Ort, übereinander gestapelt.

„Erinnerst du dich noch an damals?“, fragte Kakashi jetzt enthusiastisch und an diesem Punkt bezweifelte Sasuke schon fast, dass sein Trainer gerade auf irgendwelche Chakra-Ströme achtete. Trotzdem rührte der Schwarzhaarige sich keinen Millimeter, zwang auch den Blonden dazu und wartete. Der Unbekannte lachte. „Natürlich. Das war schon eine tolle Zeit damals.“ Der Mann legte seine Sachen ab und begab sich in eine Umkleide. Kakashi, der sich nach seinem letzten Tauchgang nur einen Bademantel umgelegt hatte, legte diesen jetzt in ein Fach und folgte dann dem anderen, wartete vor dessen Umkleide, ließ die Unterhaltung derweil aber nicht abbrechen. „Weißt du noch, die Mission in Sunagakure, Toshi?“, fragte er, bevor er sich gegen die Kabinenwand lehnte. Sasuke hatte die Bewegungen der Füße beobachtet und schaute jetzt unwillkürlich auf, als Kakashi näher trat. So nahe wie Sasukes Kopf an dieser Wand lag, konnte er jetzt zwischen die nackten Beine seines Trainers sehen, der nichts als ein Handtuch um seine Hüften trug. Hastig schloss Sasuke die Augen und Naruto, der von seiner Position aus nicht mehr als bis zu den Fußgelenken sehen konnte, runzelte fragend die Stirn, wagte es aber nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben.

„Ich glaube, das werde ich nie vergessen“, redete Kakashi weiter. Seine Stimme klang träumerisch. Dann fügte er noch leiser hinzu: „Vor allem diese eine Nacht.“ Eine vielsagende Stille entstand. Der unbekannte Shinobi hielt ebenfalls hörbar inne. Als das Rascheln seiner Kleidung verstummte, hätte man eine Stecknadel fallen hören.

Plötzlich war das Geräusch einer sich öffnenden Kabinentür zu hören. Kakashi grinste und trat zwei Schritte nach vorn, bevor er die Tür wieder hinter sich schloss. Sasuke beobachtete vom Boden aus mit Entsetzen, wie sich Kakashis Fußpaar zu den fremden in die Umkleide bewegte. Dann hörten sie etwas Unmissverständliches. Sasuke drehte den Kopf, starrte Naruto fassungslos ins Gesicht. Das, was gerade zu hören war, waren unmissverständlich Knutschgeräusche. Und auch das hörbare Atmen, das leise Seufzen und das Rascheln von Stoff ließen auf eine wilde Küsserei schließen. Es dauerte nicht lange und das Handtuch, das bis eben noch um Kakashis Hüfte gebunden gewesen war, fiel zu Boden, nicht weit von Sasukes Bein. Die Augen des Schwarzhaarigen wurden immer größer. Er wollte hier weg. Er wollte es sich gar nicht vorstellen, was die beiden in der Kabine nebenan taten.

Sasuke gab Naruto stumm Zeichen, deutete mit seinem Zeigefinger in Richtung Ausgang. Der Blonde begriff, was der andere ihm sagen wollte, fand es aber eigentlich mehr als interessant, was sich hier gerade abspielte. Irgendwie wollte er noch nicht gehen. Er wollte wissen, wohin das Ganze mit den beiden älteren Shinobi führen würde. Und schon fast unbewusst wollte er sich auch etwas von den Techniken der Erfahreneren abschauen. Zumindest wirkte es auf ihn – wie auch auf Sasuke –, als gehörte ihr Trainer zu dieser Sorte. Naruto allerdings wusste, dass der Schwarzhaarige da nicht mit sich diskutieren lassen würde. Zumal sie auch keine Möglichkeit hatten, in dieser Situation zu diskutieren. Also versuchte er es jetzt erneut, sich aufzurichten, was aber immer noch nicht einfacher geworden war, vor allem weil er jetzt auch noch darauf achten musste, kein Geräusch dabei zu machen.

Sasuke tippte ihm mit zwei Fingern gegen die Schulter und gewann so Narutos Aufmerksamkeit zurück. Er schaute wieder auf, sah, dass der Schwarzhaarige ihm seine Handflächen als Podeste hinhielt, genau wie bei ihrer Liegestützenübung. Naruto schaute einen Moment überrascht, doch dann nahm er diese Hilfestellung dankend an. Der Schwarzhaarige wollte sich nicht eingestehen, dass diese bescheuerten Übungen Kakashis ihnen tatsächlich etwas zu nützen schienen, aber es war Naruto offensichtlich eine große Hilfe beim Aufstehen.

Als der Blonde sicher auf beiden Beinen stand, bot er Sasuke seine Hände an, der sich daraufhin von ihm hinaufziehen ließ. Der Schwarzhaarige griff nach seiner Hose, die ihm noch immer um nur ein Fußgelenk hing, und zog sie sich vollständig über. Dabei fiel etwas kleines Hellblaues aus der Tasche heraus.

Entsetzt starrte Sasuke auf den Boden zu dem Kondom hinab, dann hinauf zu Naruto, der ihm ins Gesicht blickte und sich jetzt wunderte, warum der andere ihn ansah, als wäre er ein Geist. Deshalb verfolgte er den Blick des Schwarzhaarigen zurück zum Boden. Hastig bückte sich Sasuke, schnappte sich das Kondom und steckte es zurück in seine Tasche, bevor der Blonde hatte erkennen können, was es war. Dieser glaubte, einen Kaugummi gesehen zu haben. Doch weshalb hätte Sasuke wegen eines heruntergefallenen Kaugummis so knallrot anlaufen sollen?

Eilig winkte Sasuke jetzt in Richtung Kabinentür, zu der sich Naruto daraufhin umdrehte und die er leise öffnete. Die wenigen Geräusche, die sie auf dem Weg zum Ausgang machten, wurden problemlos von Kakashi und dem Unbekannten übertönt. Sie keuchten mittlerweile lautstark, so intensiv war ihr Atem raubender Kuss.

Sasukes Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die Tür hinter sich schloss. Er atmete einmal tief durch, bevor er – immer noch schweigend – dem Blonden bedeutete, dass sie nach oben gehen sollten. In ihrem Zimmer angekommen und die Tür hinter sich geschlossen, brach es aus Sasuke heraus: „Was war das gerade?“

„Was meinst du?“, fragte Naruto zurück. Er dachte einen Moment an den kleinen „Unfall“, der Naruto in Sasukes Kabine hatte fallen lassen, dann an den vermeintlichen Kaugummi und Sasukes entgeistertes Gesicht bei dem Anblick, und dann an –

„Kakashi-sensei natürlich!“, sagte Sasuke entrüstet. Warum war der Blonde nicht so schockiert wie er selbst? Hatte er etwa schon häufiger solche Dinge beobachtet?

„Ja, verrückt, nicht?“, meinte Naruto und hatte nur eines im Sinn. „Ich muss kurz aufs Klo. Bin gleich wieder da!“ Mit diesen Worten ging Naruto eilig zur Tür. Jetzt war es an Sasuke, die Stirn zu runzeln. Er schaute dem Blonden nach, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Er verließ den Raum ohne ein weiteres Wort und Sasuke selbst war sprachlos. Er würde doch nicht… Mit diesem Gedanken ging er ebenfalls zur Tür, öffnete sie und schaute nach, ob Naruto wirklich nach links zu den Toiletten gegangen war oder doch eher nach rechts zur Treppe. Er befürchtete nämlich, dass er vorhatte zu spannen. Sasuke wusste nicht warum, aber irgendwie glaubte er, dass der andere sich etwas davon versprach. Schon unten in der Umkleide schien er nicht so begeistert von der Idee gewesen zu sein, zu fliehen.

Tatsächlich sah er Naruto aber gerade die Tür zu den Toiletten öffnen. Erleichtert schloss Sasuke die Zimmertür wieder und sah es nicht mehr, wie die zu den Toiletten gleich wieder aufging und ein Kagebunshin Narutos sich die Treppe hinunterstahl. Er schlich sich in die Umkleide, hörte dort noch immer das Atmen der beiden Männer aus einer der Kabinen kommen. Naruto, der wusste, in welcher sich die beiden aufhielten, ging auf Zehenspitzen herüber, kletterte langsam die Stellwand hinauf und schaute über den Kabinenrand. Seine Augen weiteten sich vor Neugier, noch bevor er etwas sehen konnte. Sie weiteten sich noch einmal, als er tatsächlich sah, was dort gerade geschah. Er saugte die Bilder und all die Informationen in sich auf. Er betrachtete die Szene vollkommen objektiv, als wäre es ein Tutorial für „männliche Leidenschaft“.

Irgendwann brach der schwarzhaarige Mann, der von Kakashi mit Toshi angesprochen worden war, den Kuss und Kakashi öffnete ebenfalls die Augen, nahm seinen Kopf zurück. Naruto reckte seinen Hals, doch konnte dennoch nicht sehen, was gerade nicht mehr von Kakashis Maske verdeckt war, die nämlich am Boden lag. Sein Trainer stand leider mit dem Rücken zu ihm.

Die beiden Shinobi blickten sich lange ins Gesicht, bevor der eine zu sprechen begann. „Schau mich nicht so an“, sagte Kakashi leise und ließ einen Finger den Kieferknochen des anderen entlangfahren; seine andere Hand war um den nackten Oberkörper vor sich geschlungen. „Ich weiß genau, dass du nicht Toshi bist.“ Die Augen des Schwarzhaarigen weiteten sich. „Und glaubst du wirklich, dass ich noch Interesse an ihm hätte? Die Sache ist doch schon ewig her.“

„Woher…?“, fragte der Ertappte. Sein Mund blieb offen stehen.

„Ich würde dein Chakra überall wiedererkennen“, antwortete Kakashi. „Und jetzt beende endlich dieses fürchterliche Henge no Jutsu.“

Der Schwarzhaarige, der offensichtlich doch nicht Toshi hieß, schlug die Augen nieder und formte das Siegel, das die Technik auflöste. Rauch verhüllte Narutos Sicht nach einem leisen: „Puff!“ Als der Nebel sich wieder verzogen hatte, erkannte der Blonde, dass „Toshi“ keine schwarzen Haare mehr hatte, sondern braune, und er wusste sofort, dass es der Mann war, den sie am Tag vor ihrer Abreise aus Konoha auf der Straße getroffen hatten. Denjenigen, den Kakashi gebeten hatte, auf seine kleine Katz aufzupassen. „Das war ein schlechter Plan, Tenzou-san.“

Naruto runzelte die Stirn. Ich dachte, er heißt Yamato, wunderte er sich. Letztes Mal hat er ihn ziemlich sicher noch Yamato genannt.

„Was wolltest du testen?“, fragte Kakashi jetzt und legte auch noch seinen zweiten Arm um die Taille des anderen, presste ihre Körper näher aneinander. „Meine Treue?“ Yamatos Gesicht rötete sich. Er wusste nicht, wie er sich erklären sollte. Kakashi wartete, doch es kam keine Antwort. „Apropos Treue“, sagte er dann schließlich selbst. „Was ist eigentlich mit Saara?“, fragte Kakashi. „Hast du einen Bunshin für sie in Konoha gelassen?“

„Nein, wieso sollte ich?“, fragte Yamato zurück.

„Wolltest du mich mit ihr eifersüchtig machen?“, fragte Kakashi geradeheraus.

„Nein“, sagte Yamato irritiert. „Wer würde so etwas tun?“ Kakashi ignorierte diese Frage. Dass das genau die Methode war, die er selbst mithilfe von Sakura bei ihm versucht hatte anzuwenden, verschwieg er geflissentlich. „Wie kommst du darauf?“, wollte Yamato wissen.

„Weil du so viel Zeit mit ihr verbucht hast in den letzten Tagen“, war Kakashis Erklärung.

„Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen und sie reist schon übermorgen wieder ab“, argumentierte Yamato. „Was hätte ich tun sollen?“

„Mich mitnehmen“, sagte Kakashi sofort. „Bei der Führung durch die Stadt, zum Essen mit ihr.“

Yamatos Augenbrauen hoben sich. „Also warst du tatsächlich eifersüchtig? Und du hast uns beschattet?“

„Lenk nicht vom Thema ab“, meinte Kakashi. „Warum hast du mich ihr nur kurz vorgestellt und mich dann wieder abgewimmelt?“

Yamato seufzte. „Ich wollte nicht, dass du mit dabei bist, weil Saara…“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Sie erzählt immer aus Kindertagen. Von irgendwelchen peinlichen Geschichten, an die ich mich nicht einmal erinnern kann. Ich wollte nicht, dass du das mit anhörst.“

Jetzt hoben sich Kakashis Augenbrauen. „Das ist alles?“, wollte er wissen. Yamato nickte. „Dafür habe ich mir so einen Kopf gemacht? Mich gefragt, was mit dir los ist, ob sie deine Jugendliebe ist und ich deswegen vollkommen aus dem Bilde bin?“ Yamato war erstaunt, dass Kakashi seine Gedanken so offen preisgab. „Seit Monaten bemühe ich mich um dich und du hältst mich nur auf Abstand“, warf er dem Braunhaarigen vor.

„Ich wusste nicht wirklich, ob du es Ernst mit mir meinst“, gab Yamato zu.

„Also war das hier doch ein Test“, schlussfolgerte Kakashi und der andere nickte. Kakashi seufzte. Unschuldige Augen blickten ihn an. Er wurde sich mit einem Mal wieder bewusst, dass Yamato, nur in Unterwäsche gekleidet, vor ihm stand und ihre Hände um den nackten Oberkörper des jeweils anderen lagen. „Aber wenn du schon einmal hier bist…“, sagte er mit verführerischer Stimme. „Bleiben wir dann noch eine Nacht?“

Yamato schüttelte langsam den Kopf. „Ich kann nicht, ich muss zurück… wegen Saara.“

Kakashi verzog das Gesicht. „Kann das nicht ein Bunshin tun?“, wollte er wissen. Der Braunhaarige sah ihn ernst und stumm an. Wenn er gekonnt hätte, hätte er seine Arme vor der Brust verschränkt. Aber an diesem Platz stand bereits Kakashi. „Ist ja schon gut“, gab dieser jetzt nach. „Mindestens einer meiner Schüler will sowieso längst zurück nach Hause. Aber“, sagte er nachdrücklich und legte einen Finger unter Yamatos Kinn, „dafür versprichst du mir, dass ich mit zum Verabschiedungsessen für Saara kommen darf.“

„Aber dann war ja alles umsonst, all diese Missverständnisse und dieser ganze Stress“, argumentierte Yamato.

„Das ist meine Entschädigung“, beschloss Kakashi.

„Und was ist meine Entschädigung?“, fragte Yamato entrüstet.

„Die kommt jetzt“, sagte Kakashi leise und küsste ihn. „Nur eine Frage noch“, meinte er, nachdem er sich von den Lippen des anderen gleich wieder gelöst hatte. Es gefiel ihm, dass Yamato bereits die Augen geschlossen hatte und nicht erfreut darüber schien, dass er den Kuss abgebrochen hatte, bevor er richtig begonnen hatte. „Wer kümmert sich gerade um mein kleines Kätzchen?“

„Ein… Bunshin von mir“, gestand Yamato mit gesenktem Blick.

„Dann pass auf, dass er nicht verpufft“, sagte Kakashi leise.

Der Braunhaarige schaute unsicher auf. „Warum sollte er…?“, begann er.

„Das wirst du gleich sehen“, war alles, was Kakashi sagte, bevor er den anderen wieder zu küssen begann.
 

~

Nachdem Naruto von der Toilette zurückgekommen war, hatten sich er und Sasuke, wie vorher besprochen, auf den Balkon begeben. Allerdings hatten sie dort nicht, wie erwartet, zwei Liegestühle vorgefunden, sondern nur einen – einen breiten Pärchenliegestuhl. Naruto zuckte nur unsicher mit den Schultern. Wer wusste, ob er nicht vielleicht sogar gesehen hatte, dass da nur ein Stuhl stand. Nach langem Zögern ließ sich Sasuke schließlich doch dazu überreden, diesen zu zweit zu benutzen. Für ihn stand jedenfalls fest, dass Naruto gerade nur eines im Sinn hatte: die von Kakashi unterbrochene Szene weiterzuführen. Was Sasuke daran am meisten störte, war, dass er das selbst auch wollte. Was so ziemlich der einzige Grund war, weshalb er sich auf den Liegestuhl hatte bringen lassen. Aber was sollten sie jetzt auch anderes tun vor dem Mittagessen und ihrer Abreise? So argumentierte er in seinem Kopf. Außerdem, so sagte er sich, hatte er sich immerhin lange widerwillig gezeigt. Bestimmt für zehn Sekunden.

Sich mental darauf vorbereitend, hatte sich der Schwarzhaarige auf dem Liegestuhl niedergelassen. Naruto setzte sich jetzt neben ihn, ließ aber noch so viel Platz zwischen den beiden wie nur möglich, indem er sich ganz an den Rand quetschte und seine Hände auf seinen Schoß legte. Was Sasuke mächtig irritierte, aber er sagte nichts.

Naruto machte es sich bequem, seufzte und schloss die Augen. Dann tat er nichts mehr. Er quasselte nicht vor sich hin, fiel nicht über ihn her. Er entspannte sich einfach nur. Er lag da, als wäre er vollkommen zufrieden mit der Welt. Das konnte der Schwarzhaarige nicht nachvollziehen. Ganz abgesehen davon, dass er selbst immer ziemlich unruhig war, wenn der Blonde ihm so nahe war, musste er auch immer wieder an ihre Küsserei am Umkleidenboden denken. Und ob er wollte oder nicht, sehnte er sich jetzt danach zurück. Kaum hatte er sich nämlich – ironischerweise nach Narutos Sturz – selbst auch fallen gelassen und hatte nahezu ungeniert die Küsse des anderen erwidert, dabei den Körper des Blonden an sich gepresst und ihre Umgebung vollkommen vergessen, da hatte Kakashis Erscheinen die Szene unterbrochen. Er wollte Naruto – vorhin wie auch jetzt – nahe bei sich, wollte ihn spüren, wollte wissen, dass er da war und das ebenfalls wollte. Aber ausgerechnet jetzt hielt er Abstand. Jetzt, da er die perfekte Gelegenheit hatte. Warum? Er drehte langsam den Kopf, blickte Naruto ungesehen in das friedlich lächelnde Gesicht. Oder war es ein Grinsen?

Der Blonde spürte die Unruhe und die Verwirrung Sasukes deutlich. Auch sein intensiver Blick entging ihm mit geschlossenen Augen nicht. Aber er wartete. Er wollte wissen, was der Schwarzhaarige jetzt tun würde, in dieser Situation, in der er nicht sehr viele Möglichkeiten hatte. Im Prinzip hätte er nur in das Lokal gehen oder einen Spaziergang machen können; in das Onsen oder auch nur in die Umkleide hätte er sich sicher nicht noch einmal gewagt, nach dem, was er dort erlebt hatte. Wenn er also dazu verdammt war, die Zeit mit Naruto zu verbringen, wie würde er sie dann nutzen?

Der Blonde wartete. Er wollte einfach wissen, ob Sasuke auch selbst zur Tat schreiten würde. Es störte ihn nicht übermäßig, dass jegliche Initiative bisher von ihm selbst ausgegangen war, aber jetzt bot es sich gerade an, es einmal zu testen, was Sasuke wollte und wozu er bereit war. Wie weit er von selbst gehen würde.

„Naruto?“, fragte die Stimme des Schwarzhaarigen jetzt leise, als wollte er den Blonden nicht erschrecken.

„Hm?“, machte der Gemeinte nur und musste sich schwer zurückhalten, nicht die Augen zu öffnen und den anderen so fordernd anzusehen, dass dieser mit größter Wahrscheinlichkeit die Flucht ergreifen würde. Und Sasuke dachte definitiv gerade darüber nach, einfach mit: „Nichts“, zu antworten und daraufhin stillschweigend sitzen zu bleiben. Aber das tat er nicht. Er nahm seinen Mut zusammen und tat das, wofür dieser ausreichte: eine Konversation.

„Ich würde gerne etwas von dir wissen“, begann der Schwarzhaarige unsicher. Es gab da eine Frage, die ihm seit gestern Abend nicht mehr aus dem Kopf ging.

Naruto öffnete jetzt doch die Augen und schaute Sasuke an. Diesem wäre es lieber gewesen, wenn er das nicht getan hätte. Der Schwarzhaarige zögerte. „Wie…“ Er schluckte zweimal, nur um festzustellen, dass das nichts nützte. „Wie gefällt es dir hier?“, fragte er dann eilig und schaute über das Balkongeländer, um den anderen in seiner peinlichen Berührtheit nicht ansehen zu müssen.

Naruto runzelte die Stirn. Er hatte eine wesentlich intimere Frage erwartet und es war offensichtlich, dass es auch eine hätte werden sollen, aber Sasukes Mut hatte ihn im letzten Moment verlassen.

„Gut“, gab Naruto trotzdem zur Antwort. Vielleicht brauchte der andere noch etwas Zeit, einen einfachen Einstieg in diese Unterhaltung. „Ich finde es schön hier. Und ich mag Onsen“, sagte er schulterzuckend. Sasuke nickte, wusste nicht, was er dazu sagen sollte. „Und dir? Wie gefällt es dir hier?“, fragte der Blonde zurück, um die Unterhaltung nicht im Sand verlaufen zu lassen.

„Ja“, sagte Sasuke und schaute sich um, sah sich zum ersten Mal wirklich flüchtig die Umgebung an. „Es ist schon schön hier.“ Dann schwiegen sie wieder. Sasuke verfluchte sich. Wie konnte es so schwer sein, sich ganz normal mit dem anderen zu unterhalten? Naruto machte es ihm sogar noch so leicht, wie es nur ging, und dennoch war es schwer für den Schwarzhaarigen. „Ich hätte nicht erwartet“, meinte Sasuke nach einer Weile, „dass Kakashi-sensei hier einen Bekannten treffen würde, den er… so gut kennt.“ Es war die nächste Stufe. Der Einstieg in eine etwas kompliziertere Thematik. Doch nicht für Naruto.

„Ja“, schmunzelte dieser. „Damit habe ich auch nicht gerechnet.“

„Ob er uns tatsächlich nicht bemerkt hat?“, fragte Sasuke sich laut. Naruto schaute zu ihm herüber. „Was, wenn er nur nichts gesagt hat?“

„Glaubst du nicht, dass er viel zu… abgelenkt war?“, fragte der Blonde.

„Ich hoffe es“, seufzte Sasuke und legte beide Handflächen gegen sein Gesicht. Er versuchte, sich nicht an die dort gesehenen Bilder zu erinnern. Und an die Geräusche.

Naruto beobachtete Sasuke lächelnd. Am liebsten hätte er nach seinen Handgelenken gegriffen, sie zur Seite gezogen und die Lippen darunter geküsst. Aber er wollte doch sehen, ob Sasuke auch von sich aus auf ihn zukam. Eigentlich. Aber eigentlich konnte er das auch an einem anderen Tag testen.

Der Blonde nahm seine Arme von seinem Schoß, legte sie neben sich auf den Liegestuhl, wollte sich gerade darauf abstützen, da ließ Sasuke seine Hände von seinem Gesicht fallen und legte sie ebenfalls neben sich ab – eine davon auf den Handrücken von Narutos Hand.

Erschrocken schaute er hinab auf ihre übereinander gelegten Hände und zog seine sofort wieder zurück. „Tschuldige“, murmelte er hastig und legte seine Handflächen auf seine Oberschenkel. Naruto seufzte innerlich. Das war eben genau etwas, für das er sich nicht hätte entschuldigen, sondern einfach noch weitergehen sollen.

Daraufhin herrschte wieder längere Zeit Stille, bis Sasuke den Mut zusammengekratzt bekam, um zu fragen: „Wie fühlt es sich…“, begann er und Naruto horchte auf, „für dich eigentlich an… wenn ich dich als Shuriken halte?“ Er wagte es, zu Naruto herüberzuschauen. Dieser schaute ihn überrascht an. Diese Sprachlosigkeit nutzte der Schwarzhaarige, um es gleich hinter sich zu bringen und hinzuzufügen: „Und wo… Wo halte ich dich da genau fest?“

Narutos Gesicht lief jetzt in Sekundenschnelle rot an. Warum hatte der andere sich darüber Gedanken gemacht? „Also“, druckste der Blonde herum und Sasuke befürchtete das Schlimmste. „Es ist, als würdest du in mich hineingreifen.“ Sasukes Körper wurde so steif wie das Holz, aus dem der Liegestuhl unter ihm gemacht war. Warum hatte er nur diese Frage unbedingt stellen müssen? Er wollte es eigentlich gar nicht wissen. Er wollte es nicht in Worte gefasst hören. „Als würdest du komplett durch mich hindurchkommen mit deinen Fingern.“ Sasuke bemerkte, dass er den Atem anhielt, so sehr fürchtete er sich vor dieser Erklärung. „Mitten durch meinen Körper. Als hätte ich ein durchgehendes Loch…“ Naruto schaute an sich hinunter; ihm schienen die Begrifflichkeiten zu fehlen. „…vom Bauchnabel bis zum…“ Sasuke schloss die Augen, als könnte ihn das vor dem folgenden Wort schützen. Doch das konnten sie nicht. „…Rücken“, endete Naruto schließlich und Sasuke atmete erleichtert aus. Er hatte etwas anderes erwartet.

„Okay“, sagte der Schwarzhaarige jetzt und schlussfolgerte: „Also ist es nichts Schlimmes.“

„Schlimm nicht, denke ich“, meinte Naruto.

„Sondern?“, fragte Sasuke sofort.

„Na ja“, antwortete Naruto zögerlich. „Es fühlt sich eben schon sehr… komisch an.“

„Komisch“, echote der Schwarzhaarige.

„Ja“, sagte Naruto langsam, auf der Suche nach einer besseren Erklärung. „Es kann schon sein, dass mein Körper da irgendwie reagiert.“

„Reagiert?“, fragte Sasuke und kam sich zunehmend bescheuert vor, wie er alles nur nachplapperte.

„Du weißt schon“, wich Naruto einer konkreten Antwort aus und nickte in seinen Schoß.

„Was?!“, entfuhr es Sasuke schockiert, der sich unwillkürlich aufsetzte. „Das ist nicht dein Ernst!?“ Naruto zuckte entschuldigend mit den Schultern und hob schützend seine Hände. Der Schwarzhaarige holte wütend tief Luft und baute sich furchteinflößend über dem Blonden auf, der sich tiefer in den Liegestuhl zu drücken versuchte. Was ihm nicht gelang, da er aus Holz war.

Sasuke wollte den anderen anschreien, ihn irgendwie zurechtweisen, doch er wusste nicht, wie er das anstellen sollte. So wütend er auch war, ihm fiel nichts Besseres ein, als den anderen böse anzustarren. Dazu, wie er jetzt feststellen musste, hatte er sich jedoch ein Stück zu weit mit seinem Oberkörper nach vorn gewagt, und zu schnell; er verlor das Gleichgewicht und musste sich mit seinen Händen abstützen. Auf die Schnelle fand er dazu nur die Rückenlehne und die Kante der Sitzfläche unter Narutos Hintern.

Plötzlich lag Sasuke halb über dem anderen, ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt. Naruto war überrascht, wunderte sich, dass der andere wirklich die Initiative ergriffen hatte. Dabei war es eigentlich ein kleiner Unfall gewesen; nur wusste der Blonde das nicht. Aber so oder so war Sasuke jetzt hier und musste sich entscheiden, was er tun sollte.

Lange sahen sich die beiden in die Augen. Sasuke hatte niemals vorgehabt, den ersten Schritt auf den anderen zuzutun. Doch ohne dass er das wollte, hatte er eben das gerade getan. Zumindest musste es für Naruto so aussehen. Vor allem weil Sasuke noch immer nicht zurückgewichen war.

Genau das war es, was dem Blonden Hoffnung machte. Er schaute mit leuchtenden Augen zu ihm auf und wartete, gespannt darauf, was der Schwarzhaarige tun würde. Sein Gesichtsausdruck ließ eher darauf schließen, dass er seine Annäherung wieder zurücknehmen würde. Doch dann senkte sich Sasukes Kopf jäh ein Stück tiefer, was ihn noch erschreckter in Narutos Augen starren ließ. Die Hand des Schwarzhaarigen war vom Rand des Liegestuhls abgerutscht und hatte erst neuen Halt finden müssen – auf dem Boden. Jetzt waren ihre Lippen nur noch Millimeter voneinander entfernt.

Sasuke wusste, dass er jetzt auch nicht mehr zurückzuweichen brauchte, nun, da er schon so weit gekommen war. Damit würde er sich nur zum Feigling bekennen. Und deshalb wagte er jetzt den letzten ersten Schritt. Vorsichtig, als könnte er etwas falsch machen, ließ er seine Lippen auf die des Blonden treffen.

Wie Naruto erwartet hatte, war es noch einmal etwas anderes, nicht zu wissen, ob und wann etwas passieren würde. Nicht die Kontrolle über die Situation zu haben, war etwas eigenartig Spannendes. Und er genoss es. Nur nicht sehr lange, denn er konnte sich lediglich die ersten Sekunden lang zurückhalten, dann war er derjenige, der die Führung übernahm und die Küsserei steuerte.

Gerade als Sasuke versuchen wollte, seine Hand vom Boden zu nehmen und sich wieder etwas aufzurichten, presste der Blonde seinen Körper gegen ihn und machte das unmöglich. Stattdessen nahm Sasuke jetzt seine rechte Hand von der Rückenlehne des Liegestuhls und legte sie auf Narutos Schulter, ließ sie seinen Nacken entlang und seinen Hals hinauf, in seine Haare fahren.

Der Blonde, der bemerkte, wie bedenklich und wahrscheinlich unbequem Sasuke sich nur auf seinem linken Arm abstützte, lehnte sich jetzt zur Seite, legte sich quer über die Breite des Liegestuhls, zog den Schwarzhaarigen mit und legte ihn über sich. Sasuke ließ das zu, hieß diese Positionsveränderung eher willkommen, öffnete nur noch ein letztes Mal kurz die Augen und schaute auf die geschlossenen Narutos, bevor er seine eigenen zufallen ließ und wieder dessen Lippen küsste.

Die Hände des Blonden schienen Sasukes Körper abzusuchen; er fuhr über seine Schultern, seinen Rücken, die Körperseiten entlang, über den Rücken wieder zurück und darüber hinweg bis zu seinem Hintern. Dort fuhr er in die Gesäßtaschen hinein und jagte dem Schwarzhaarigen eine Gänsehaut über den ganzen Körper.

Sasuke entwich ein Keuchen. Das trieb Naruto dazu an, ihren Kuss noch zu vertiefen und den Hintern unter seinen Handflächen noch stärker zu bearbeiten. Er begann ihn, durch den Stoff hindurch, zu massieren. Als eine der beiden Hände nach vorn wanderte und sich dort spielerisch in Sasukes Hosentasche schob, flogen die Augenlider des Schwarzhaarigen erschrocken auf. Das Kondom, dachte er entsetzt und hielt augenblicklich Narutos Hand fest. Es dauerte einen Moment, bis der Blonde tatsächlich reagierte und sein Handeln stoppte. Er spürte etwas Gezacktes an seinen Fingerspitzen.

Gott, was wird Naruto von mir denken, wenn er das in meiner Hosentasche findet? Sasuke zog blitzschnell Narutos Hand aus seiner Tasche, wartete noch einen Augenblick, aber nichts passierte mehr. Sie hatten noch immer ihre Münder aneinandergepresst, doch keiner bewegte sich. Sasuke löste jetzt seine Lippen von denen des Blonden und nahm seinen Kopf ein Stück zurück. Er wollte in Narutos Gesicht sehen, wollte wissen, ob der andere wusste, was seine Finger in seiner Hosentasche gefunden hatten. Doch Naruto schaute ihn nicht an, seine Augen waren noch geschlossen. Er zuckte lediglich in diesem Moment, als hätte ihm der Kontaktabbruch einen Stromschlag verpasst. Sasuke schaute irritiert auf die geschlossenen Lider des Blonden. Sofort musste er an die vergangene Nacht denken, aber Naruto konnte doch nicht schon wieder eingeschlafen sein.

Der Schwarzhaarige lehnte sich noch ein Stück weiter zurück, wollte sich einen Überblick über die Situation verschaffen, aber er verstand nicht, was gerade passierte. Schlafen konnte Naruto jedenfalls nicht, denn sein Gesicht war angespannt, seine Augenbrauen, wie überrascht, nach oben gezogen. „Naruto?“, fragte Sasuke besorgt und schaute sich dann um. Er konnte nur eine Erklärung dafür finden: Kakashi. Was, wenn er sich unter ihrem Balkon befand oder in einem der Bäume und von dort aus versuchte, Naruto zu steuern, so wie er heute morgen Sasuke gesteuert hatte? Er konnte jedoch niemanden entdecken und auch keine Aura in der Nähe spüren. Dennoch setzte er nun sein Sharingan ein und suchte Narutos Körper nach irgendwelchen Fäden oder Unregelmäßigkeiten in seinem Chakrafluss ab. Es schien alles normal zu sein, bis auf das, dass seine Aura rasant stärker zu werden schien. „Naruto?“, fragte Sasuke erneut, doch der Blonde reagierte nicht. Er starrte gedankenverloren geradeaus, durch seine Augenlider hindurch. „Naruto?“, fragte Sasuke noch einmal, jetzt wirklich beunruhigt. Die Miene des anderen veränderte sich noch immer nicht. Mit großen geschlossenen Augen schaute er ins Nichts. „Naruto“, sagte Sasuke panischer und rüttelte leicht an dessen Schulter. In dem Moment blinzelte der Blonde. Irritiert schaute er sich um, als wüsste er nicht mehr, wo er war. „Was ist los?“, wollte Sasuke wissen, noch immer nicht sicher, ob alles in Ordnung war.

„Nichts!“, sagte Naruto jetzt hastig, setzte sich ein Stück auf und gestikulierte wild mit seinen Händen, was Sasuke noch weiter zurückzwang. Er rutschte auf den Knien über den Liegestuhl und der Blonde zog bei dieser Gelegenheit seine Beine unter dem anderen heraus und beteuerte: „Gar nichts!“ Naruto konnte wirklich nicht lügen. Sasuke runzelte die Stirn. Was war denn das für eine Reaktion? Hatte der Blonde das absichtlich gemacht? Aber warum? Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. Er konnte Naruto gerade einfach nicht begreifen, aber vielleicht war es besser so.

Naruto konnte dem anderen nicht in die Augen blicken, nicht nach dem, was er gerade gesehen hatte. Er konnte Sasuke doch nicht ins Gesicht schauen, während er sich unwillkürlich vorstellte, wie es sein würde, wenn er dasselbe mit ihm machte, was Kakashi eben mit Yamato getan hatte.

„Ich muss auf die Toilette“, sagte er eilig und stand auf. Erst jetzt erinnerte er sich, dass Sasuke ihn gerade noch geküsst hatte. Wäre sein Bunshin, nach getaner Spionagearbeit, bei dem Versuch, unbemerkt aus der Umkleide zu fliehen, in dem Moment nicht abgerutscht, rückwärts zu Boden gestützt und verpufft, wäre der Kuss vielleicht noch weitergegangen. Aber jetzt war es schwierig, diese Situation wiederherzustellen. Außerdem musste er seine Gedanken erst einmal wieder von einem gewissen Thema abbringen.

„Schon wieder?“, fragte Sasuke perplex und wollte jetzt doch wissen, was Narutos seltsames Verhalten zu bedeuten hatte. Aber der Blonde sprang auf und ging zur durch die offen stehende Balkontür, durchquerte den Raum und öffnete die Zimmertür, vor der er Sakura stehen sah.

„Ich wollte euch gerade zum Essen holen“, erklärte sie und nahm ihre Hand wieder hinunter, mit der sie hatte anklopfen wollen. „Es ist gleich 13 Uhr.“

„Oh, okay“, sagte Naruto. „Ich bin nur kurz auf der Toilette.“

„Okay“, sagte Sakura schulterzuckend. „Kommst du, Sasuke?“

„Ja“, sagte der Schwarzhaarige, ließ sich aber mächtig Zeit mit dem Aufstehen. Er wollte nicht unnötig viel Zeit mit dem Mädchen allein verbringen. „Ich komme gleich nach“, sagte er deshalb.

Sakura seufzte und schloss die Tür. „Gut, lasst mich doch alle alleine“, murmelte sie vor sich hin. „Ich bin hier zwar die einzige Frau und kenne keine einzige andere Frau hier, aber lasst ihr Männer mich doch auch noch sitzen.“

Sasuke wartete noch ein paar Minuten, doch Naruto kam nicht zurück. Er fürchtete, dass er direkt in den Speisesaal hinuntergegangen war. Er konnte auch nicht erwarten, dass er noch einmal einen Abstecher in ihr Zimmer machte, weil der Blonde wohl davon ausging, dass Sasuke bereits mit Sakura hinuntergegangen war. Der Schwarzhaarige seufzte und machte sich auf den Weg zum Mittagessen. Am Fuß der Treppe stieß er auf Kakashi. Im ersten Moment wusste der Schwarzhaarige gar nicht, was er sagen sollte. Er konnte nur daran denken, was er vor nicht einmal einer Stunde in der Umkleide gesehen hatte. Aber dann sah er Kakashis freundliches Grinsen und musste in Aussicht auf das Mittagessen an etwas vollkommen anderes denken: das Frühstück.

„Kakashi-sensei“, sagte Sasuke jetzt, nutzte die Gelegenheit, mit seinem Trainer allein zu sein. Dieser schaute überrascht auf, wusste nicht, was er von der ernsten Tonlage seines Schülers halten sollte. „Dieses Mal will ich keine Tricks“, sagte Sasuke mutig. „Ich will in Ruhe essen.“

Kakashi hob anerkennend die Augenbrauen. „Woher wusstest du, dass ich es war?“

„Es war mir klar, dass niemand der Anwesenden eine solche Technik gelernt haben würde“, erklärte Sasuke. „Und es war nur einer da, der sie kopiert haben könnte.“

„Sehr gut“, lobte Kakashi. „Du bist wirklich ein außergewöhnlich guter Shinobi. Glückwunsch. Du hast die Prüfung bestanden.“

In Sasuke sprudelte die Wut hoch. Er wusste genau, dass das keine Prüfung gewesen war. Das war wieder nur ein billiger Vorwand im Nachhinein, um zu rechtfertigen, was Kakashi getan hatte.

„Es war ein Test, um zu sehen, ob du deinem Teampartner vertraust.“ Sasuke horchte auf, runzelte aber misstrauisch die Stirn. Noch machte es keinen Sinn für ihn. „Du hattest nur zwei Möglichkeiten: entweder Naruto zu beschuldigen, dass er dich kontrollierte, oder jemanden anderen. Ebenso hatte Naruto die Möglichkeiten, anzunehmen, dass du selbst so handelst, oder davon auszugehen, dass du kontrolliert wirst.“ Sasuke war milde beeindruckt. Er hatte nicht erwartet, so einen versteckten Sinn darin zu finden. Nicht einmal, wenn Kakashi ihn sich noch im Nachhinein hatte einfallen lassen. „Und nachdem, was ich gesehen habe, habt ihr euch beide gegenseitig vertraut.“ Sasuke stockte der Atem bei der Frage nach dem, was Kakashi gesehen hatte. Was hatte er gesehen? Hatte er sie etwa beschattet? Wann, wie, wo? Aber diese ungestellten Fragen beantwortete Kakashi nicht mehr, sondern schlenderte zufrieden vor sich hin pfeifend in das Speisezimmer. Dort saßen bereits Naruto und Sakura und warteten ungeduldig. Der Blick des Blonden war eine seltsame Mischung aus Scham und Erleichterung. „Können wir jetzt endlich essen und verschwinden?“, hörte Sasuke die Kunoichi fragen, als er eintrat.

„Natürlich“, sagte Kakashi fröhlich. „Und für den Rückweg haben wir sogar einen Gast.“

„Einen Gast?“, fragte Sakura irritiert. In diesem Moment kam Yamato zur Tür herein, als hätte Kakashi ihm sein Signalwort genannt. Naruto schaute vielsagend zu Sasuke herüber. Dieser fing seinen Blick auf und deutete ihn intuitiv richtig. Der Schwarzhaarige hatte den „Partner“ Kakashis in der Umkleide zwar nicht gesehen, doch wer sollte dieser Mann sein, wenn nicht die Bekanntschaft, die Kakashi hier zufällig getroffen hatte? Schnell ignorierte Sasuke die auffälligen Blicke des Blonden. Er wollte vor seinem Trainer auf keinen Fall durchscheinen lassen, dass er von irgendetwas irgendetwas wusste. Er wollte sich nicht verraten. Doch Kakashi wusste ohnehin bereits Bescheid. Seit er seine Bunshin-Ente, die in einem der Regalfächer gelegen hatte, hatte verpuffen lassen, wusste er, dass die beiden einiges mehr mitbekommen hatten als sie sollten. Aber er hatte einfach nur noch Yamato gesehen.

„Yamato-kun wird uns zurück nach Konoha begleiten“, eröffnete Kakashi seinen Schülern. Yamato blieb mit einem unsicheren Lächeln vor ihrem Tisch stehen und hob grüßend die Hand. Sasuke schaute zu Yamato auf und runzelte die Stirn. Auch wenn er den Mann in der Umkleide nicht gesehen hatte, war er sich doch sicher, dass Kakashi diesen dort „Toshi“ genannt hatte. Und bei der Erwähnung des Namens „Yamato“ erinnerte sich der Schwarzhaarige jetzt auch, dass er diesen Shinobi schon einmal mit Kakashi in Konoha gesehen hatte. Das war nur zwei Tage her.

„Hey“, sagte Kakashi jetzt milde verärgert. „Wo bleibt eure Höflichkeit? Sagt mindestens Hallo.“ Sakura reagierte als Erste – sie wusste natürlich auch nichts von dem, was die beiden Jungs wussten. Dann murmelten aber auch diese eine schüchterne Begrüßung. Kakashi wunderte sich natürlich nicht sonderlich darüber; er war nur froh, dass er Yamato nichts davon erzählt hatte, was seine Ente gesehen hatte. Wenn er davon gewusst hätte, hätte er den Braunhaarigen wohl nicht dazu bekommen, mit ihnen jetzt zu Mittag zu essen und sich ihnen für den Rückweg anzuschließen. Yamato hatte schon so stark darauf bestanden, dass sie nicht gleichzeitig in das Speisezimmer kamen. Er meinte, das könnte die drei jungen Shinobi bereits Verdacht schöpfen lassen. Doch für zwei von ihnen war es dazu längst zu spät.
 

~

Auf dem Rückweg gingen Kakashi und Yamato voraus, hinter den beiden ging Sakura und mit etwas Abstand folgten Sasuke und Naruto. Als sich die beiden Ältesten gerade besonders lautstark unterhielten – über das Wetter und sonstige unverfängliche und doch sehr auffällig unauffällige Themen –, stupste Sasuke den Blonden an und murmelte kaum verständlich: „Ich dachte, er heißt Toshi.“

„Was?“, fragte Naruto irritiert. „Toshi?“

„Pscht!“, machte Sasuke wütend. Er begriff, dass es eine dumme Idee gewesen war, dieses Thema hier anzusprechen, aber er war noch immer ein wenig verwirrt und hatte das ungewöhnliche Gefühl, dass Naruto da mehr wusste und ihm ein wenig Erleuchtung bringen konnte.

Dieser verstand nun, als Sasuke einen Finger an seine Lippen legte und zu Yamato nach vorne sah, was er meinte und vermeiden wollte. Zum Zeichen dafür nickte er und imitierte Sasukes Signal. Der Schwarzhaarige war sich trotzdem nicht sicher, ob er seine Frage nicht auf später verschieben sollte. Aber die anderen drei schienen in ihre Unterhaltung vertieft – Sakura hörte zumindest aufmerksam dem Gespräch vor sich zu – und Naruto schaute ihn mit fragenden Augen an. Wie hätte er ihn enttäuschen und auf später vertrösten sollen?

„Wer ist Toshi?“, fragte Sasuke jetzt leise, aber deutlich, um Missverständnisse und Wiederholungen auszuschließen.

Naruto überlegte, wie er das erklären sollte, beugte sich dann im Gehen zum Schwarzhaarigen herüber, legte eine Hand an sein Ohr und flüsterte: „Er hat sich nur als Toshi ausgegeben mit einem Henge no Jutsu.“ Sasuke hob die Augenbrauen. So war das also. Aber, warum? Warum hätte Yamato so etwas tun sollen? Und hieß das, Kakashi hatte das nicht gewusst, als er ihn geküsst hatte? Hatte er ihn dann enttarnt, war ihm aber – wie es schien – dennoch nicht böse, obwohl er nicht den geküsst hatte, den er dachte? Narutos Erklärung warf noch viel mehr Fragen auf als sie beantwortete.

„Und dann?“, fragte Sasuke, wusste gar nicht, welche Frage er zuerst stellen sollte.

„Dann haben sie trotzdem weitergemacht mit…“, fuhr Naruto fort und Sasuke wollte ihm bereits den Mund zuhalten, weil es einfach nicht zu funktionieren schien, dass er es ihm kurz, mit unauffälligen und nicht peinlichen Worten, erklärte. Doch als Naruto seinen Satz unvollendet ließ und seinen nächsten begann, nahm er seine Hand, die nach vorn gezuckt war, wieder zurück und lauschte den Worten des Blonden: „Kakashi-sensei hat es sowieso von Anfang an gewusst, dass es Yamato war. Es war nur ein Treue-Test.“

Sasuke runzelte die Stirn, schaute perplex in Narutos Augen. „Was?“

„Ein Treue-Test“, sagte Naruto noch einmal lauter und jetzt drückte Sasuke ihm tatsächlich die Hand gegen den Mund. Entsetzt schaute er nach vorn, sah, dass Sakura über ihre Schulter zu ihnen zurückblickte und die Stirn runzelte bei dem Anblick, den die beiden boten. Schnell gab Sasuke den Mund des Blonden wieder frei und ging auf etwas mehr Abstand.

„Was denn?“, fragte Naruto, der Sakuras Blick noch nicht einmal bemerkte. „Du hast doch gefragt, dattebayo!“

Sakura schüttelte den Kopf und schaute wieder nach vorn. Deshalb bedeutete Sasuke dem Blonden jetzt, dass er still sein und gar nichts mehr sagen sollte. Er fuchtelte zuerst wütend mit seinen Armen und machte dann ein Kreuz vor seiner Brust.

„Aber“, fing Naruto an, verstummte jedoch sofort, als der Schwarzhaarige ihm einen warnenden Blick zuwarf.

„Später!“, zischte Sasuke ihm zu. Das hätte er schon viel früher tun sollen. Der Blonde schwieg jetzt, dachte daran, dass das wohl bedeutete, dass sie nachher noch Zeit alleine verbringen würden und lächelte zufrieden. Sasuke atmete tief durch. Dann dachte er noch einmal darüber nach, was der andere gesagt hatte, und plötzlich fiel ihm auf, dass Naruto die ganze Zeit bei ihm gewesen war und eigentlich gar nicht mehr über diese Sache wissen dürfte als er. Wie also konnte er all das so sicher sagen? „Woher weißt du das alles überhaupt?“, flüsterte er jetzt, bevor er sich stoppen konnte.

Naruto schaute ihn überrascht an. Schließlich hatte der Schwarzhaarige ihm eben gesagt, dass er still sein sollte, wieso stellte er ihm dann schon wieder die nächste Frage? Aber es spielte keine Rolle; er mochte es auch, mit ihm zu tuscheln und sozusagen mit ihm unter einer Decke zu stecken ¬– sowohl im übertragenen Sinne als auch buchstäblich. Er ging näher neben Sasuke her, bemühte sich, noch leiser zu sprechen, als er antwortete: „Kakashi hat ihn gezwungen, das Henge no Jutsu aufzulösen, bevor sie… noch weiter gegangen sind.“ Ein leichter Schleier lag auf Narutos Wangen bei der Erinnerung daran.

„Moment!“, entfuhr es Sasuke dann und er musste sich selbst bremsen. Er schaute hastig nach vorn zu den anderen, dämpfte dann seine Stimme wieder und flüsterte: „Du hast… gespannt?“ Das letzte Wort war kaum noch zu hören.

Naruto schaute einen Augenblick erschrocken, nickte dann beschämt. Er hatte komplett vergessen, dass er das vor dem Schwarzhaarigen hatte geheimhalten wollen. „Na ja“, druckste er herum. „Nur ein bisschen…“

„Ich will es gar nicht wissen“, beschloss Sasuke, richtete seinen Blick wieder nach vorn und ging mehr auf Abstand. Naruto öffnete den Mund, Sasuke hörte es, wie er Luft holte und zu sprechen ansetzte, deshalb hob er eine Hand und meinte: „Später, okay?“

„Okay“, lächelte Naruto und freute sich auf zu Hause.

Als sie das Eingangstor zu Konoha erreichten, verabschiedete sich Sakura sofort und machte sich aus dem Staub. „Eigentlich wollte ich ihr noch sagen, wann unsere nächste Mission sein wird“, sagte Kakashi seufzend. „Aber egal“, meinte er dann und richtete sich an seine übrigen beiden Schüler. „Wir sehen uns frühestens übermorgen.“ Mit diesen vagen Worten wandte er sich um und entfernte sich. Yamato war irritiert, warum er sich nicht von ihm verabschiedete, doch das klärte sich, als Kakashi hinzufügte: „Kommst du, Yamato-kun?“

Perplex schaute er dem anderen nach, wandte sich dann an Sasuke und Naruto: „Hat mich gefreut, ihr beiden“, sagte er eilig und folgte Kakashi. „Ich hatte jetzt eigentlich vor nach Hause zu gehen, Kakashi-senpai“, hörten sie den Braunhaarigen sagen.

„Ich auch“, entgegnete Kakashi. „Ich muss doch sehen, wie es meiner Katze bei dir zu Hause geht.“

„Du kannst dich doch nicht einfach selbst einladen“, beschwerte sich Yamato.

„Du siehst doch, dass es geht“, hörte man Kakashi noch sagen, dann wurde ihre Unterhaltung in der Ferne unverständlich.

Naruto schaute lächelnd zu Sasuke herüber. „Kommst du noch mit zu mir?“

„Nein“, antwortete Sasuke sofort und ging los in Richtung seines eigenen Zuhauses. Der Blonde seufzte. Er hätte es wissen müssen, dass so direkte Fragen bei dem Schwarzhaarigen nicht funktionieren würden. „Wir sehen uns später“, verabschiedete sich Sasuke, ohne den Blonden anzusehen.

„Später?“, fragte Naruto und seine Miene hellte sich auf. „Gehen wir da zu Ichiraku?“, rief er dem anderen hinterer, der sich bereits ein gutes Stück entfernt hatte.

„Mal sehen“, sagte Sasuke nur und hob zum Abschied andeutungsweise die Hand. Naruto schaute ihm mit einem vorfreudigen Lächeln nach.

„Naruto-kun?“, fragte plötzlich eine Stimme neben dem Blonden.

Er wandte sich um und meinte überrascht: „Ah!“ Mehr sagte er nicht.

„Ich hoffe, du weißt, wie ich heiße, Naruto-kun“, sagte Shino.

Der Blonde kratzte sich am Hinterkopf. „Natürlich weiß ich das!“ Er sagte seinen Namen jedoch nicht. Stattdessen fragte er: „Was gibt’s?“

„Nichts“, sagte Shino. „Ich wollte nur Hallo sagen.“

„Oh, okay“, sagte Naruto verwirrt.

„Ihr geht heute Abend bei Ichiraku essen?“, fragte Shino dann.

„Was?“, fragte Naruto und kratzte sich noch einmal am Hinterkopf. Er wusste genau, dass Sasuke nicht begeistert davon sein würde, wenn jemand davon Wind bekommen würde, dass er den Blonden zum Essen einladen musste und warum; und Naruto selbst wollte eigentlich niemand anderen dabeihaben. Aber was sollte er zu Shino sagen, der offensichtlich ihre letzte Unterhaltung mit angehört hatte? „Nun ja“, antwortete er zögerlich. „Noch ist es nicht sicher. Ich fürchte, das ist von Sasukes Laune abhängig.“

„Aha“, machte Shino nur. Daraufhin herrschte Stille.

„Ich muss jetzt gehen“, meinte Naruto dann und entfernte sich rückwärts ein paar Schritte von Shino.

„Okay“, sagte dieser mit seiner ruhigen Stimme. „Vielleicht sieht man sich dann heute Abend.“

„Ja, vielleicht. Bis dann!“, sagte der Blonde noch, bevor er sich umwandte und losging. Auf dem Weg nach Hause überlegte er, ob er das Essen mit Sasuke nicht vielleicht noch einmal verschieben sollte, damit sie ungestörter waren.

„Was ist denn das hier?“, fragte Kakashi, als er die Wohnung Yamatos betrat. Er schaute sich im Raum – ehemals das Wohnzimmer – um und sah spätestens alle zwei Meter ein anderes Katzenspielzeug auf dem Boden liegen. An den Wänden reihte sich Kratzbaum an Kratzbaum. In der einen Ecke des Raumes stand ein großes Miniatur-Bauwerk, das aussah wie ein Tempel mit Katzenskulpturen. Alles aus Holz natürlich. Der Raum war kein Wohnzimmer mehr, sondern ein hölzernes Paradies für Katzen. Inmitten dieses Paradieses – dieses Chaos – saß Yamatos Bunshin und spielte angeregt mit dem kleinen Kätzchen, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt.

Kakashi drehte den Kopf zum echten Yamato herüber, der ebenfalls nur starren konnte. Schließlich hatte er nicht gewusst, was sein Bunshin hier anstellen würde. Ein roter Schleier legte sich über seine Wangen. Eilig formte er das Siegel und ließ seinen Doppelgänger – was die kleine Katze gewaltig erschreckte – sich in Luft auflösen. Das allerdings hatte für Yamato zur Folge, dass jetzt die Erinnerungen und Eindrücke des Bunshin auf ihn einströmten und er wie in Trance dastand. Immer deutlicher zeigte sich dadurch ein warmes Lächeln auf dessen Lippen. Kakashi schmunzelte. Der Doppelgänger musste eine schöne Zeit mit dem Kätzchen gehabt haben. Kakashi griff jetzt um den anderen herum, schloss die Tür hinter ihm, schob seinen Mundschutz unter sein Kinn und zog den Braunhaarigen, der praktischerweise gerade nicht fliehen konnte, in einen Kuss.

Mit ein wenig Verzögerung bemerkte dieser das und Yamatos Lächeln verschwand für einen überraschten Moment, nur um dann noch strahlender zurückzukehren.
 

~
 

Kapitel 8 – Shinos Einsatz – oder auch: Liebesfilme

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 9 – Auf Jiraiyas Spuren – oder auch: Tomaten, Ramen und sonstige Vorlieben

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nicol1971
2018-11-13T19:26:44+00:00 13.11.2018 20:26
Hahaha
Ich hab mich kaputt gelacht
Tolle Story und toll erzählt
Kakashi ist ja noch perverser als Jiraja
Mach weiter so
LG
Antwort von:  BondingTails
14.11.2018 06:59
Dann hab ich mein Ziel ja erreicht. :) Freut mich immer wieder, wenn ich Leute zum Lachen bringen kann.
Danke auch für diesen tollen Kommentar. <3
Von:  BlackDeahtHD
2014-11-03T20:53:45+00:00 03.11.2014 21:53
Tolle FF :D Hab nur eine Frage! Könntest du mir die Adult Kapitel schicken?
Von:  KamuiMegumi
2014-11-02T20:12:52+00:00 02.11.2014 21:12
Sehr schöne FF. Hab den ganzen Tag zum lesen gebraucht... und irgendwie ist das Ende auch noch offen... find ich.
Vielleicht liest man daher ja nochmal etwas von den Trainingserfolgen Kakashis; -)
Von: abgemeldet
2014-11-02T19:55:19+00:00 02.11.2014 20:55
hi
deine ff hat mir sehr gut gefallen ^^
mach weiter so

lg kai


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