G.A.B.T. von Rigel (Grand Anime Booze Touring) ================================================================================ Kapitel 2: Zimhagan und der Schrecken des Meeres ------------------------------------------------ Die rasante Reise endete mit einem Mal, als sie am Boden landeten. Sie befanden sich auf einer großen Plattform, umgeben von einer goldenen, halb transparenten Kuppel. Unter ihnen ein gähnender Abgrund, in dem sich fliegende Fahrzeuge tummelten und viele, schienenartige Verbindungen auf denen ähnliche Transport-Plattformen umher fuhren wie die ihre und sie alle fuhren einem riesigen Gebäudekomplex aus goldenem Glas entgegen: Der Residenz der Regierung. Bevor sie diese erreichten, bogen sie in eine Häuserreihe ein, die so gigantisch hoch war, daß ihnen der Weg dazwischen wie der Canyon zwischen zwei Felswänden erschien. Schließlich stoppte das Gefährt an einem breiten Steg, der zu einer Verbindung zwischen zwei Gebäudesäulen führte, die von den Gebäuden selbst noch um gut fünfzig Meter überragt wurde. „Da wären wir. Gelhzazarh, ein großer Wohnkomplex der Stadt mit etwa 500.000 Einzelappartements. Hier werdet ihr sicher eine Unterkunft finden, aber Vorsicht: diese Gebäude sind riesig und erst einmal werdet ihr die Anmeldung suchen müssen. Und jetzt wird gezahlt“, erklärte der Bote und sie alle bezahlten den Preis, der von ihnen verlangt wurde. „So, ich danke herzlichst, aber nun muss ich euch wieder verlassen, wir sind immerhin nur fürs Transportieren zuständig. Wie ihr nun in der Stadt herumkommt, ist selbstredend eure Aufgabe. Vielleicht bis bald.“ Damit entschwand er bereits wieder in unbekannte Gefilde und ließ sie allein zurück. Hier standen sie nun inmitten einer gewaltigen Metropole mit so vielen Einwohnern und keiner Ahnung, wo sie überhaupt hingehen sollten. „Vielleicht... hätten wir uns vorher einen Stadtführer besorgen sollen“, maulte Yosuke (teddsanische Fachsprache? Oh Gott! Ganz nebenbei ist ein Stadtführer über Zimhagan an die 300 Seiten lang)... „Möglicherweise steht noch etwas in dem Flugblatt, was wir bisher übersehen hatten. Schauen wir noch einmal hinein“, schlug Scarlet vor. Da ihnen in diesem Moment sowieso nichts Besseres einfiel, entschlossen sie sich, eben dies zu tun und auf der Rückseite des Flugblattes fanden sie tatsächlich etwas, das sie verwunderte. „Da steht: Gilhiad-Adnebhshar P12 3-X4 Port Town. Was hat das zu bedeuten?“ Momoko rätselte einen Moment lang an dem seltsamen Schriftzug herum, bis sich die bisher schweigsame Yuri aus dem Hintergrund meldete und bekannt gab: „Ähm, Port Town ist eine wohlbekannte Hafenstadt des Planeten. Sie liegt nördlich von uns an der Küste des nächsten Kontinents und ist über Fährschiffe zu erreichen.“ „Mann, du kennst dich ja richtig aus, Yuri. Woher weißt du das alles“, fragte Hinagiku erstaunt und auch die anderen sahen sie begeistert an, als sie errötend gestand: „Ich habe mich - als ich die Sprache lernte - auch mit Kultur und Geographie des Planeten beschäftigt, weil ich mehr darüber erfahren wollte. Und ich habe so einiges gelernt. Fragt mich einfach, wenn ihr etwas wissen wollt. Ich glaube, ich kenne mich ganz gut aus.“ Über den Gingas Kontinent Zimhagan war nichts weiter als ein auf Papier gezeichneter Entwurf, als die Imperialisten regierten und nicht viel mehr, als der Krieg ausbrach. Unglücklicherweise wurde die Basis, in welcher auch die Entwicklungspläne und die Konzeption der Stadt lagen, angegriffen und somit gingen alle Pläne buchstäblich in Rauch auf. Elektronisch blieben die Pläne erhalten. Bedauerlicherweise fielen diese nach dem Ende des Krieges der Übergangsrepublik in die Hände, die sie bis ins Jahr 2344 unter Verschluss hielten. Es dauerte schließlich 70 Jahre, bis sie endlich vollendet war. Die heutige Residenz der Regierung war ursprünglich als Einkaufszentrum geplant, doch der Vizepräsident erzwang letztendlich die Umgestaltung. Größter Nachteil für die etwa 120 Millionen Einwohner der Stadt sind die langen Pendlerwege, wenn man jeden Tag von einem Ende der Stadt ans andere Ende gelangen muss, was für manche eine Reise von insgesamt (Hin- und Rückweg eingeplant) 2400 Kilometern bedeuten konnte. Ein Defizit, das heutzutage durch die schnellen und günstigen Verkehrswege ausgeglichen wird. Viele aber sind ausgewandert, weil sie das beengte und erdrückende Stadtleben nicht mehr ertragen konnten (Teddsaner sind und bleiben wohl immer gemütliche Wesen, denen Ruhe und Frieden über alles gehen). Die Sonne stand tief, das erkannten sie am abendroten Glimmen, welches über die Gipfel der Gebäude hinwegstrahlte. „Was sollen wir jetzt genau machen? Port Town ist auf einem anderen Kontinent, wie Yuri sagte. Wie kommen wir bitte auf einen anderen Kontinent und wer sagt uns, daß wir dort wirklich Anhaltspunkte finden, woher dieses Flugblatt stammt (gar keine so abwegige Idee, da Teddsaner Menschen bis auf die Unterwäsche ausnehmen, wenn sie die Möglichkeit sehen)“, äußerte Momoko. Alle Blicke richteten sich auf Yuri, die verlegen auf der Stelle trat und eine Antwort zu finden suchte. „Wir könnten ja eine Überfahrt mit der Fähre wagen. Zimhagan besitzt eine direkte Verbindung zur Nordküste. Wenn wir die erreichen, können wir eine Fähre nach Port Town nehmen und dort weitersehen. Was haltet ihr davon? So können wir die Überfahrt auf einer Fähre genießen (???) und werden das erste Mal teddsanische Fähren sehen (so sehr unterscheiden die sich von den Irdischen auch nicht, der Gründer der teddsanischen Rasse war ein Erdling).“ Die anderen blickten einander zweifelnd an. Momoko aber meldete sich nach einigem Überlegen zu Wort und sprach entschlossen für alle: „Gut, einverstanden. Versuchen wir an die Nordküste zu kommen, es ist immer noch besser, als weiter in diesem riesigen Technikloch zu bleiben.“ Alles nickte... Sie durchquerten also einen langen beleuchteten Korridor, der sie durch eine der Häuserwände hindurch zu einer Plattform auf der anderen Seite führte, wo sie des Abendlichtes ansichtig wurden und eine Transporterplattform fanden. Da die Fahrtziele samt und sonders auf teddsanisch formuliert waren, bestanden sie auf Yuris Hilfe. Sie suchte in der digitalen Liste und ihr Finger hielt bei der Bezeichnung „Kelrhebh-Açarhebh“ „Hier steht Kelrhebh-Hafen und ehrlich gesagt kann ich mir im Moment keinen anderen Hafen in der Stadt vorstellen, denn Flughafen heißt Reyghçerhebh. Dort müssen wir also hin. Steigt auf und dann geht es los.“ Yuri berührte die Bezeichnung, die aufleuchtete, ehe sich die Kuppel über ihnen schloss und sich die Plattform in Bewegung setzte. Die Plattform raste ihrem Ziel entgegen, durch den dichten Wald aus Türmen und Gebäudeblöcken und über gähnende, vor Fluggefährten wuselnde Abgründe. Über ihren Köpfen zog der Nachmittagsdämmerhimmel hinweg und unter ihnen das rasante Leben der größten teddsanischen Stadt mit ihren unzähligen Häuserschluchten, an deren Ende sich auf dem Boden die Massen drängten, um ihre Geschäfte zu erledigen und nur wenige die Zeit zur teddsanischen Ruhe fanden. Nach 20 Minuten, in denen sie dort gesessen hatten, verlangsamte sich die Plattform endlich, die Kuppel fuhr herunter und sie glitten durch eine gläserne Röhre in eine Halle hinab, in der sich Teddsaner und Menschen sowie einige Boten herumtrieben. Von der Hafenhalle aus gelangten sie über ein breites Rollband in den hell erleuchteten Eingangsbereich. Hier fühlten sie sich nicht mehr so eingeengt, weil durch den Ausgang der Halle Abendsonne und Seeluft hereinkamen. Reisefieber machte sich daher in ihnen breit, als sie durch das große Bogentor auf das weitläufige Hafengelände hinaus traten. Die Schiffe vor Anker glitzerten im goldenen Licht des Abends und ließen die drei Freundinnen und ihre Begleiter in romantischen Gedanken schwelgen. Den verklärten Blick auf ihren Gesichtern schrieben die dort anwesenden Teddsaner aber eher dem Einfluss von Drogen zu, die auch am Hafen von Zimhagan leichter zu bekommen waren, als man dachte. Plötzlich lenkte ein anderes Schiff ihre Aufmerksamkeit auf sich, das einer irdischen Fähre sehr ähnlich war. Davor sah man bereits den hintersten Schwanz einer Schlange von Leuten, die sich den Weg ins Innere bahnten. Die Freundinnen befürchteten das Schlimmste und Yuri wandte sich geistesgegenwärtig an zwei Teddsaner, die etwas weiter entfernt an einer Fahrplanliste standen und redeten. Sie überwand ihr Unbehagen diese Sprache zu sprechen und fragte: „Fhasnor, xezhsor-jen quep tilhen, sakhurh irhashir-ça yelglha sas?“ (Übersetzung: Entschuldigung, können Sie mir sagen, wann die nächste Fähre „geht“ – eine passende Alternative zu „abfährt“, da die Teddsaner „fahren“, also quinhen eher nur für Gefährte mit Rädern verwenden). Der Teddsaner hatte sie gut verstanden und, hämisch grinsend, antwortete er knapp: „Çihihi, ibdj-çyr chesthra.“ (Übersetzung: «Kichern», in 5 Minuten). Yuris Augen weiteten sich panisch, sie rief erschrocken: „Was?! Dann fährt sie ja gleich ab!“ Als sie sich umwandte, um mit den anderen loszulaufen, rief ihr der Teddsaner immer noch äußerst schadenfroh hinterher: „Haha, ponerh, ya breghsa samen!“ (Übersetzung: Haha, ihr müsst wohl rennen!) Und das taten sie, denn in den verbleibenden vier ein halb Minuten mussten sie immerhin noch etwa 800 Meter bis zum Schiff zurücklegen. Nun wünschten sie sich fast, daß die Zeit diesmal ein wenig langsamer vergehen möge, denn zumindest Yuri wusste von der himmelschreienden Unpünktlichkeit teddsanischer Fähren und der Wartezeit, bis eine Neue kam (ein halber Tag, wenn man Pech hatte und wenn man ganz viel Pech hatte, verpasste man die nächste auch noch, weil diese dann nämlich eine halbe Stunde früher kam, als sie sollte). Puh, ein Glück, das haben wir geschafft, dachten sie alle, schnaufend und erledigt am Boden kniend, als sie endlich an Bord waren und sich just in diesem Moment die schwere Stahlbüchse vom Pier trennte und auf das in tristem Nachtgrau versunkene Meer zuschipperte. Nun befanden sie sich auf der Reise nach Port Town (einer Stadt, die nicht nur den Ruf hat finster zu sein, es laufen auch noch finsterere Geschäfte dort, wenn man sich dieses scheinbar unschuldige Flugblatt ansieht...) Die Freundinnen und Freunde befanden sich in der Empfangshalle mit ornamentalem Steinboden und dem Schalter direkt vor sich. Ein weiterer Anflug von Panik aber hinderte sie daran, das prunkvolle Ambiente zu bestaunen. „Moment, haben wir überhaupt ein Ticket“, sprudelte es aus Hinagiku heraus und Scarlet fasste sich prompt an den Kopf, weil alle dies vergessen hatten. „Keine Sorge, wir können immer noch am Schalter eines bekommen“, beruhigte Yuri. Trotzdem wandten sich ihr nun einige, wutverzerrte Visagen zu, die im Chor keiften: „Wieso hast du uns das nicht eher gesagt?!“ Yuri beeilte sich darauf, um an den Schalter zu kommen und Tickets für sie alle zu besorgen und wandte sich an den dort sitzenden Teddsaner in Uniform. „Dyrha mos nascid talnjamhen narhes adnoshibh.“ (Übersetzung: Ich möchte gern eine Fahrkarte kaufen) Der Teddsaner sah erst jetzt zu ihr auf. „Gowes agorh“, fragte er gelangweilt (Übersetzung: Welcher Art?). Yuri stutzte, sie musste nachdenken, was bestimmte Wörter hießen. „Skhra...“ war deshalb ihr einziges Wort (Zögerwort, ähnlich „äh...“). „Bijhunabhal ozwarh“, fragte sie darauf (Übersetzung: Paarweise vielleicht?). „Derhidtcha-Mivhos? Jea, ça badgens“, erwiderte der Teddsaner (Übersetzung: Doppelzimmer? Ja, das geht/funktioniert). „Nascad, non neghshi-irhes tam derhidtcha-mivhos. Ça corhes-sekh“, schloss sie das Ganze ab (Übersetzung: Gut, dann nehmen wir 4 Doppelzimmer. Was kostet das?). „Maçi-Shogerh Vesbarha-Tezzhdhories.“ (Übersetzung: Alles zusammen 17 Tedds Dollar – ein Schnäppchen, das sind 40,80 € oder 5719,72 Yen für acht Personen). Yuri bezahlte mit Unterstützung der anderen. „Ich frage mich wie die rausfinden wollen, wenn jemand mal vergisst“ - dabei machte Hinagiku Anführungszeichen mit den Fingern - „sein Ticket zu lösen.“ Ticketsünder Du solltest es besser nicht darauf ankommen lassen. Ganz davon abgesehen, dass man ohne gültiges Ticket an Bord einer solchen Fähre in keine Kabine herein kommt, keine Waren kaufen und kein Essen bestellen kann, sind in die Tickets Chips eingearbeitet, die von Sensoren im Fußboden des Schiffes erfasst werden. Der Bordcomputer weiß also ganz genau, wie viele Passagiere an Bord Tickets besitzen und kennt ihre Personalien. Aus der Differenz mit der Gesamtzahl der Passagiere ergibt sich die Zahl derer, die kein Ticket besitzen. Und weil auch die Personalien dieser Leute vor betreten des Schiffes aufgenommen wurden, werden diejenigen gern einmal per Lautsprecher (für alle anderen Passagiere hörbar und es gibt für Teddsaner nichts schlimmeres als öffentlich bloßgestellt werden) aufgefordert, (zum Teufel nochmal) in die Empfangshalle zu kommen und ihr (sch...verfl...) Ticket zu lösen. Zudem darf man für jede halbe Stunde, die das Ticket zu spät gelöst wird, fünf Prozent auf den Ticketpreis drauf zahlen. Löst man es also erst zwei Stunden, nachdem man an Bord gegangen war, zahlt man schon 20 % mehr. Das erste, was sie nun (wie jeder, der an Bord einer Fähre war) zu tun hatten, war es, ihre Kabinen aufzusuchen (kurios ist: Das Teddsanische kennt so eine Differenzierung wie Kabine nicht. Raum ist Raum und deshalb ist alles Mivhos. Meistens aber nennen Teddsaner die Kabinen auf den Fähren „Baphos“ – und das bedeutet „Büchse“; eine Anspielung darauf, daß die meisten Teddsaner recht genervt von der Größe der Kabinen sind). Die Freunde aber hatten schon genug damit zu tun, diese überhaupt erst einmal zu finden in dem Labyrinth an Kabinen und Zimmern, als sie die langen mit grünem Teppich ausgelegten Gänge durchforsteten, immer auf der Suche nach einer gescheiten Zahlenfolge, während alle Zahlen, die sie fanden, völlig willkürlich verteilt schienen (die Anordnung der Räume war für Teddsaner völlig normal, aber nicht für Menschen). Nachdem sie endlich die vier Doppelzimmer 1854 - 1857 gefunden hatten, wollten sie sich ihre Kabinen ansehen, doch Momoko hielt sie auf: „Hey, Leute, wisst ihr zufällig, wo Jamapi steckt?“ Die ganze Gruppe wurde wieder aufgescheucht, sah sich prüfend zu allen Seiten um und wollte schon ein verzweifeltes „Oh Nein“ von sich geben, als die kleine Knubbelkugel anscheinend aus dem Nichts wieder auf Momokos Schulter landete. „Momokochen, es gibt da was interessantes, das ich euch sagen muss“, teilte er mit. „Jamapi, wie kannst du uns nur so einen Schrecken einjagen? Wir haben schon gedacht, du bist verschwunden oder auf dem Teller eines Teddsaners gelandet“, schimpfte Momoko (ja, das IST ein Risiko. Bei seinem Anblick wäre für einen Teddsaner die naheliegende Assoziation: Riesen-Germknödel mit Blaubeer-Topping) „Tut mir leid, aber ich habe da eine Veranstaltung entdeckt, die ganz lustig sein könnte. Da ist vor einem verdunkelten Saal ein Plakat ausgehängt, auf dem steht, daß heute Abend ein Konzert mit Live-Musik stattfinden soll.“ (mir schwant Übles, gaaanz Übles. Solche Veranstaltungen sind der Grund, weshalb alle anderen Schiffe und Boote diese Fähren fürchten wie den Klabautermann) „Das hört sich toll an, Jamapi“, sagte Momoko begeistert, die nur an eines dachte (na klar, mit Yosuke tanzen). Die anderen sahen dagegen eher skeptisch aus (würden sie die Wahrheit kennen, sähen sie eher todessehnsüchtig aus). „Ich weiß nicht. Woher sollen denn die Teddsaner Live-Musik haben und vor allem: Wer soll die singen“, fragte Hinagiku (recht so, immer schön hinterfragen, bevor man blindlings ins Unglück rennt). „Das würden wir dann schon sehen, außerdem könnte so ein Abend die beste Gelegenheit sein, sich zu entspannen“, meinte Yuri (sich zu VERspannen trifft es besser, und zwar in epileptischer Schockstarre). „Na gut, ich denke, wir haben uns für heute genug abgehetzt, da werden wir uns die Erholung einfach mal gönnen“, entschied Momoko (ich zitiere aus Max und Moritz: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe). Die anderen nickten und gingen, doch ehe Yuri ihnen folgen konnte, berührte eine vertraute Hand sanft ihre Schulter und eine warme Stimme fragte von hinten: „Yuri, kann ich dich kurz sprechen?“ Sie wandte sich zu Kazuya um, mit dem sie einen Moment in die Kabine verschwand. Beide saßen auf dem Bett, als Kazuya begann. „Yuri... bitte glaub mir. Das neulich in unserer Welt tut mir wirklich aufrichtig leid.“ Yuri schüttelte den Kopf. „Es war nicht deine Schuld. Ich habe darüber nachgedacht. Du wolltest mich doch nur auffangen und ich hätte mir sicher weh getan, wenn ich hingefallen wäre. Du hast mich gerettet. Mir tut es leid, daß ich sofort so aus der Haut gefahren bin. Ich hätte besser aufpassen sollen. Ist schon gut. Ich bin nicht böse.“ Sie küsste ihn auf die Wange, lief selbst feurig rot an und Kazuya (der, wenn er ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, nicht weniger schüchtern war als Yuri) verließ als erster die Kabine. Yuri blieb noch einen Moment dort sitzen mit klopfendem Herzen und rasenden Gedanken, dann aber gesellte sie sich zu den anderen, um sich das Schiff anzusehen. An Deck hatte schon die Dunkelheit die Welt ringsum verschluckt, daher sah man bloß noch die Lichter Zimhagans wie Glühwürmchen in der Ferne. Dann aber trennte sich die Gruppe: Scarlet zog mit Hiromi los (jedoch nicht um ihrer Gesellschaft Willen, sondern um sie zu bewachen wie ein Schießhund). Momoko hakte sich bei Yosuke unter, Yuri schlenderte Hand in Hand mit Kazuya davon und Hinagiku verschränkte die Arme im Nacken und spazierte selbst los. Takuro blieb allein zurück. Jamapi war auf Anraten Momokos zu seiner eigenen Sicherheit in der Kabine geblieben. Der Dampfer war bis unter das Deck mit Geschäften vollgestopft, wovon 65 % Spirituosen führten, 30 % Fressalien feilboten und die restlichen 5 % alle möglichen Arten von fragwürdigen Pülverchen, Räucherstäbchen, Tabak oder Pillen verkauften. Die Tour über das Schiff endete für alle in der Empfangshalle. Kazuya wollte Yuri ein wenig imponieren und hatte daher (heimlich) in seinem Wörterbuch nachgeschlagen. Nun wandte er sich recht holprig an den Empfangsmitarbeiter: „Sakurh gambadhs çe gilmho-çadhz?“ (Übersetzung: Wann beginnt das Konzert?). Der Teddsaner musste schmunzeln, doch nicht wegen der unbeholfenen Aussprache: „Hehe, tes thorser ça gilmho? Tes nogh rivher tes tilher sokhbaos.“ (Übersetzung: Hehe, das nennst du Konzert? Du weißt nicht, wovon du redest.) Damit war Kazuya leider überfordert, weil er mit einer Uhrzeit gerechnet hatte und bevor er vergeblich das Wörterbuch quälte, steckte er es lieber weg und setzte ein Lächeln auf, zu dem er nickte, als würde er verstehen (für Teddsaner jedoch ein klares Anzeichen, daß es nicht so war). Yuri kam ihm zu Hilfe und fragte nachdrücklicher: „Nascid warbhes-rivh mos, sakurh çe gilmho gambadhs.“ (Übersetzung: Ich würde gern wissen, wann die Vorstellung beginnt.) Der Teddsaner hörte zu lachen auf und antwortete kurz und bündig: „Threa derhbeçakh-çen horhies.“ (Übersetzung: Um 21:00 Uhr) Sie hakte noch einmal kurz nach: „Ponerh, ibdj torhesbarh chesthra?“ (Übersetzung: Also, in 30 Minuten?) „Che mas marh“, erwiderte der Empfangsbeamte (Übersetzung: So ist es). Sie wandte sich ab und ging, ohne den Teddsaner weiter zu beachten. Kazuya bildete lieber die Nachhut, denn wegen des misslungenen Teddsanisch-Versuchs kam er sich nun etwas dumm vor. Es waren noch 30 Minuten bis zur Show, als Scarlet sich plötzlich an die Gruppe wandte und ihre Kleidung kritisierte. „Also eines steht fest: Wenn es dort Musik gibt, können wir in diesem Kleidern nicht dazu tanzen.“ (das ist keine Musik, zu der man tanzen möchte, sondern eher schreiend davon rennen) Die anderen stimmten dem zu, doch hatten sie nicht damit gerechnet etwas mitnehmen zu müssen. „Na, dann tanzen wir halt so“, protestierte Hinagiku, „Ist doch nichts dabei. In der Disco trägt man ja auch keine Abendgarderobe.“ „Wir müssen gar nicht so tanzen“, wandte Scarlet schnell ein, „wenn wir etwas benutzen, das wir sowieso immer bei uns haben.“ Den anderen fiel es von den Augen wie Schuppen. „Genau, jama. Ihr verwandelt euch in Liebesengel.“ „Es sind zwar Kleider für den Kampf, aber... sie sind schön genug, um damit zu tanzen“, meinte Momoko und Yuri schloss sich schwärmend an: „Ist das romantisch, dann kommt es uns vor, als würden wir alle schon heute Hochzeit feiern.“ Los marschierten sie und betraten die Music-Lounge. Zu ihrer großen Überraschung entdeckten sie jetzt schon einige Personen, die mit einem Glas Hochprozentigem nur noch halb an der Theke hingen oder unter den Tischen dort lagen. „Was ist denn mit denen los“, fragte Hiromi. Auch die anderen konnten sich darauf nicht unbedingt einen Reim bilden (wer es gekonnt hätte, wäre spätestens jetzt freiwillig von Bord gegangen) Anmerkungen zu den Sauf-Phasen: Ihr seid einem schrecklichen Geheimnis auf der Spur, das den Liebesengeln bevorsteht und nicht einmal die zauberhaften Vier werden sie davor retten können (jedenfalls nicht, wenn sie sich nicht in ein paar superschalldichte Ohrstöpsel verwandeln können). Dazu aber später mehr. Es gibt bei solchen Veranstaltungen in der teddsanischen Welt immer viele Menschen und Teddsaner, die grölen, kotzen oder sich besaufen (wenn sie noch können). Das ist so Tradition und Teddsaner suchen im Grunde immer nach einer passenden Gelegenheit, um sich selbst abzufüllen. Ehrenhaft war ja sogar, daß es diesmal sogar einen tieferen Sinn hatte, sich ins Delirium zu saufen, denn es diente dem Selbstschutz. Die Schluckspechte hier teilten sich in 4 Gattungen: Die Vor-Säufer: Sie wissen von der Gefahr, der sie sich aussetzen werden und versuchen sich bestmöglich vor dem Konzert zu schützen, indem sie sich vorher so gut wie möglich zuschütten (6,9 Promille und eine Valium reichen meist). Sie sind informiert und kommen daher am glimpflichsten weg. Andere haben es dagegen nicht so gut. Die Last-Minute-Säufer: Das sind diejenigen, die keine Ahnung hatten und erst kurz vor dem Konzert erfahren, was ihnen blüht. Dann versuchen sie, in aller Eile so viel zu saufen wie es geht, schaffen das aber meist nicht und sind deswegen die Mehrzahl derer, die nach dem Konzert über der Rehling hängen und den Blick aufs (vollgekotzte) Meer „genießen“. Die Standard-Säufer: Das waren jene, die das Konzert als Anlass nahmen, sich zu besaufen und meistens hatten sie es während der Veranstaltung auch bitter nötig. Denn sie merkten erst, was vor sich ging, wenn sie es am eigenen Leib spürten. Die Nach-Säufer: Das sind die ärmsten Schweine, wenn das ganze gelaufen ist. Denn dann liegen sie jammernd unter den Tischen und fragen sich, wieso sie nicht zu den Vor-Säufern gehört haben und saufen danach so viel wie es geht, damit sie wenigstens eine gewisse Aussicht auf einen geruhsamen Schlaf haben, anstatt die ganze Nacht schlafwandelnd von einem singenden Freddy Krüger im Schlafrock kreuz und quer über das Schiff gejagt zu werden. Trotz des Alkoholgeruchs, der besonders Yuri (einer feinen Dame aus gutem Hause) überhaupt nicht zusagte, setzten sie sich dort auf freie Plätze und bestellten sich einen Saft. Der Saftbetsand auf dem Schiff war an Abenden wie diesen sowieso so gut wie nie gefährdet. Eigentlich war die „Lounge“ sehr schön mit dem gedämpften Licht auf der Tanzfläche. Die darum verteilten Tische lagen völlig im Dunklen, hatten aber leuchtende Ränder und wirkten auf diese Art wie kleine beleuchtete Inseln. Es dauerte nicht mehr lange, bis die Freundinnen und Freunde feststellten, daß sich auf dem Schiff wohl doch mehr Leute befanden, als sie anfangs angenommen hatten. Der Raum füllte sich, er wurde schummrig erleuchtet, während man die Vorhänge zuzog. Und schließlich ging es pünktlich los, nachdem schon die ersten Liter verschiedener Spirituosen geflossen waren... Ein Überlebenstipp: Man verziehe sich lieber nach Möglichkeit an das andere Ende des Schiffes, warte bis 04:30 Uhr und dann komme man vorsichtig zurück! Live-Konzert – Das Grauen beginnt Diejenigen, welche die Live-Musik singen sollten, waren drei Teddsaner in Lederjacken, die unglaublich „cool“ aussahen (besonders die Lederjacken, die viel zu klein waren, so daß man nur darauf wartete, daß die Nähte endlich platzten...). Als das erste Lied begann, erwogen die hier versammelten Helden spontan, selbst mit dem Alkohol anzufangen. Ja, Teddsaner waren unglaublich „kreative“ Sänger, denn sie trafen Töne, von denen die meisten Musik-Professoren nicht mal wussten... meistens waren es aber leider nicht die, die sie hätten treffen sollen. Dieses kleine Defizit konnte aber weder die Schönheit ihrer Stimmen noch die Poesie ihrer Texte oder die Eleganz ihrer Bewegungen schmälern. Die Liedertexte bargen eine solche Ausdruckskraft, daß Goethe und von Eichendorff blass geworden wären (leichenblass). Und erst die unvergleichliche Sinnhaftigkeit dieser Texte, die fast philosophische Tiefe erreichte. Und die tänzerischen Fähigkeiten überstiegen die der Liebesengel noch bei weitem... Na, merkt ihr wie die Ironie aus diesen Zeilen in eurer Gesicht springt, dann wie eine eisige schwarze Soße an eurem Rücken herunterläuft und euch einen kleinen Vorgeschmack von dem Schrecken liefert, der dahinter steckt? Ohne Weichzeichnen gesagt: Die Texte waren so poetisch, daß sie sich in einem Satz wiedergeben ließen, der nicht mal einer war: „Mxt-d-kn-zn Spack!!!“ Und sie waren so sinnvoll wie... Eine Katze mit Krähenflügeln, die, einen Regenschirm hochhaltend, ihren dreibeinigen Yorkshire-Terrier auf einem rosa Fahrrad über ein Hochspannungskabel spazieren fährt... Dazu kamen Bewegungen, die aussahen wie die eines fetten, gehbehinderten Pinguins, der nach 5,9 Promille und einer Bekanntschaft mit der Schiffsschraube immer noch glaubte, tanzen zu können. Die Musik und den Gesang, das Schlimmste von allem, konnte man sich kaum vorstellen. Es hatte aber Ähnlichkeit mit dem rostigen Quietschen einer verstimmten Violine aus dem Jahr 5000 v. Chr. (daß es zu jener Zeit keine Violinen gab, ist absolut richtig) zusammen mit der aufs Grausamste (also gar nicht) entstellten Stimme einer gehörnten Operndiva – wem der Anwesenden angesichts solchen Ohrenschmauses auch noch Hörner gewachsen sind, blieb unklar... Die andächtigen Vor-Säufer würden sich am nächsten Morgen zwar vorkommen, als hätte jemand während der Nacht mit einem Nebelhorn versucht, ihren Kopf als Aufblasboot zu missbrauchen, würden aber auch froh darüber sein, die Live-Musik lebendig überstanden zu haben... Nach nicht mal 15 Minuten waren die Nerven der Freunde dermaßen zum Zerreißen gespannt, daß es Yuri als erster reichte, die in ihrem ästhetischen Empfinden so sehr gestört war, daß sie abrupt aufstand, zur Bühne marschierte, dem Haupt„sänger“ das Mikrofon wegschnappte und ihn anfuhr: „Djuther tes ma whao?“ (Übersetzung: Warum verschwindest du nicht?). Äußerst beifälliges Klatschen von allen Anwesenden, die noch halbwegs wussten, wer sie waren und wo sie sich befanden. Der Bandleader sah sie einen Moment entsetzt an und begann dann wild mit den Fäusten vor ihr herumzufuchteln. Yuri tat es nun aber schon wieder leid, daß sie so wütend und unbeherrscht gewesen war und sie lenkte ein: „Fhasnor, whao-nogh jasa-ya narhes barhaçekh? Jea, non xezhsi marh-chiegh gotha-jadhen.“ (Übersetzung: Entschuldigung, warum macht ihr nicht eine Pause? Wir können ja so lang weitermachen.) Nun hörte der Teddsaner mit dem Fuchteln auf und grinste. „Çe mas nascad. Çe mas nascad-warh! Non djasi...çenrha!“ (Übersetzung: Das ist gut. Das ist sehr gut! Wir hauen ab... vorerst!) Mit diesen Worten hörten die Musiker zu spielen auf und verließen die Bühne. Sie gingen zur Bar und bestellten sich Drinks zur Erfrischung. Nun erst brach er richtig los, der Jubel der Gepeinigten über ihre Erlösung und der Befreiung vom Joch der (akustischen) Körperverletzung – und wieder einmal, so wird es in den Geschichtsbüchern stehen, haben die Liebesengel die Welt gerettet! „Jetzt hast ausnahmsweise du uns mal in was reinmanövriert, Yuri... Keiner von uns kann doch wirklich professionell singen“, sagte Momoko kleinlaut, als Yuri zu den anderen zurückkam. „Oh doch, ich glaube, wir können singen und ich werde es beweisen, weil ich als Erste nach vorn gehe.“ „Das ist sehr mutig von dir, Yuri“, lobte Kazuya, wurde aber nach diesen Worten am Handgelenk gepackt und mit auf die Bühne genommen, wo auch er singen sollte. Hinagiku deutete mit dem Daumen auf die an der Bar sitzenden Teddsaner. „Tss, besser als DAS da sind wir allemal.“ Das stimmte allerdings, denn obwohl die Liebesengel keine musikalische Sonderausbildung hatten, war für die gequälten Ohren alles außer den krächzenden Teddsanern Engelsgesang! Daher wunderte es auch kaum jemanden, daß man den Engeln der Liebe begeistert Beifall klatschte, als sie ihre Gesangseinlage "virgin love" beendet hatten. Nun waren Momoko und Yosuke mit dem Singen an der Reihe, während die anderen entweder zu der Musik tanzten oder sich setzten und etwas tranken (natürlich alkoholfrei, denn der meiste Alkohol war eh schon versoffen oder schwappte soeben die gierigen Kehlen der Sänger herunter). Nachdem Yuri und Kazuya ausgiebig gesungen und getanzt hatten, saßen sie zusammen am Tisch und sahen den anderen zu, während die dort Anwesenden zu fetzigen Liedern mitgrölten oder zu ruhigeren schunkelten. „Sag mal, Kazuya... Hast du eigentlich schon einmal an... eine Hochzeit gedacht...“, fragte Yuri errötend. „Ja, das habe ich. Ich fand den Gedanken in der Welt der Engel Hochzeit zu feiern sehr schön. Damals habe ich all die Paare gesehen, als ich in der Garde tätig war, und ich war meistens dabei, wenn zwei Engel heirateten. Ich habe einen Entschluss gefasst, als mich ein wunderschöner Engel in weißer Rüstung vor dem dämonischen Elixier rettete. Diesen Engel möchte ich heiraten. Doch erst möchte ich ihn hier als Mensch heiraten und dann im Reich der Engel. Denn ich liebe dich als Yuri und als Lily...“ Sie strahlte über das ganze Gesicht. Seine Hand, die ihre Wange streichelte, verdeckte deren Rötung. „Ich bin... noch nie glücklicher gewesen, Kiiro. Ich wünschte, es könnte für immer so bleiben.“ „Wenn ich auch nur ein einziges glückliches Leben mit dir verbringen kann, käme keine Ewigkeit dagegen an.“ „Das hast du schön gesagt“, flüsterte Yuri mit glänzenden Augen. Er hielt ihre Wange, blickte ihr tief in die Augen und fügte hinzu: „Viele können dir schöne Worte sagen, doch das hier kommt nur von mir.“ Darauf küsste er sie mit aller Hingabe. Yuri schloss die Augen, spürte den Schwindel dahinter, sie öffnete sie wieder, spürte den Schwindel davor und wie ihr süß die Kraft aus dem Körper gesogen wurde. Die romantische Stimmung endete jäh. „Hinagiiikuuu! Bitte nicht, du weißt doch, ich... ich kann nicht tanzen“, winselte Takuro, als er von Hinagiku in Richtung Tanzfläche geschleift wurde. „Dann lernst du es eben. Ich habe keine Lust, den Abend ohne tanzen zu verbringen, nur weil du Jammerlappen Schiss hast.“ Schließlich kamen Momoko und Yosuke wieder an den Tisch und setzten sich. Getanzt hatten sie schon so viel, daß ihnen die Füße schmerzten. „Pfirsichtörtchen, erinnerst du dich eigentlich noch, als wir in der Schule noch einmal Hochzeit gefeiert hatten nachdem Satania besiegt war? Da haben wir auch soviel getanzt. Und du sahst in dem Kleid unglaublich schön aus.“ Momoko errötete und stieß ihm sanft den Ellenbogen in die Seite. „Na, du Schleimer... musst du jetzt damit anfangen?“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Plötzlich kam ein Teddsaner, der einfach so im vorbeigehen sagte: „Giçanh-thop gomhesh byjhakhon bilhijhakege?“ (Übersetzung: Schon mal übers F... nachgedacht?). Spontan lief Yuri puterrot an und wagte kaum noch zu sprechen. Die anderen, die ja nicht verstanden hatten, was er gesagt hatte, fragten sie neugierig: „Was regst du dich so auf, Yuri? Was hat er denn gesagt?“ Yuri schüttelte absolut verlegen den Kopf. „Nein, das... das kann ich nicht sagen... das geht einfach zu weit...“ „Ich will das jetzt wissen, was hat er gesagt? Wenn du’s mir nicht sagst werde ich im Wörterbuch nachschauen“, beharrte Hinagiku (Bilhijhakege steht nicht im Wörterbuch, darauf gebe ich dir Brief und Siegel). Yuri zögerte, doch schließlich rang sie sich dazu durch, eine Antwort zu geben: „Er sprach von... nun... äh... wie soll ich sagen? Das gehört auch zur Partnerschaft... erst küsst man sich doch... und dann...“ Weiter kam sie nicht, denn Hinagiku plapperte wieder einmal dazwischen: „Spann uns nicht so auf die Folter, was meinst du?“ „Fieken“, schrie ein Teddsaner von hinten, hatte es aber falsch ausgesprochen. „Was? Ich weiß beim besten Willen nicht, was er meint“, meckerte Hinagiku, bis Yuri ein Einfall kam und sie wieder die Stimme hob: „Jetzt weiß ich. Was tut man in der Hochzeitsnacht?“ Nun endlich hatten es alle verstanden und liefen auch gemeinschaftlich rot an. Die Teddsaner aber, die noch klar denken konnten, brachen über diese (in ihren Augen) spießige Erklärung nur in schallendes Gelächter aus. „Keiner von uns hat bisher...“, begann Scarlet vorsichtig, bekam aber nur von allen ein pikiertes „Ssshhh!“ zu hören. „Nein, aber sprechen wir hier besser nicht über dieses Thema. Ich halte das für das falsche Umfeld“, sagte Yuri und darauf schwiegen sie. Um 23:45 endlich kamen die Musiker zurück, waren aber mittlerweile so besoffen, daß ihre Stimmen durch den Alkohol und die leisen Lieder einigermaßen erträglich geworden waren. Die Liebesengel hatten somit ihre Schuldigkeit getan und zogen sich auf ihre Quartiere zurück, um die Nacht dort zu verbringen. Alle gingen zeitig ins Bett und während Yuri nur peinlich berührten Herzens in ihrem Pyjama vor Kazuya treten mochte, hatten die anderen keine Probleme... wirklich keine? Doch, da gab es nämlich zwei in der Gruppe, die schon seit längerer Zeit zusammen waren und deswegen viel weniger Berührungsängste haben sollten. Diese beiden standen nun tomatenrot in ihrer Kabine voreinander und konnten nicht entscheiden, wer sich als erster umziehen sollte. Momoko und Yosuke nämlich... „Jetzt mach schon, Momoko, du musst dich schon umziehen, wenn wir schlafen wollen.“ Sie blickte zu Boden und wirkte fast ein wenig betrübt. „Irgendwie hatte dieser Teddsaner ja recht. Liebesengel leben auch nicht ewig. Wir leben ein Leben und sterben eines Tages. Wenn wir die Liebe, das kostbarste Geschenk in diesem Leben, nicht völlig auskosten, haben wir doch einen Fehler begangen, oder? Ich möchte nicht gerne sterben und wissen, daß ich etwas verpasst oder falsch gemacht habe...“ Ich...“ Sie wurde rot, noch mehr als davor und versuchte es noch einmal: „Ich... möchte nicht als Jungfrau sterben...“ Sie fühlte plötzlich Yosukes Hände auf den Schultern und wollte erst zurückweichen, doch er hielt sie, zog sie an sich und ließ ein Gefühl der Geborgenheit und Wärme in ihren Körper fahren. „Noch nicht... ich habe das Gefühl, daß bald der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Und ich denke, es gibt sicher einen Ort, an dem man uns nicht dafür verfolgen oder verspotten wird, daß wir Engel und Dämon sind. Komm, gehen wir schlafen. Es war eine lange Nacht.“ Sie nickte, beide küssten sich noch einmal zärtlich, bevor sie sich getrennt umzogen und die Betten aufsuchten, denn das war bitter nötig... Kenneth, der Kenner: Wer das jetzt noch nicht verstanden hat: die Gruppe war in männlich und weiblich aufgeteilt. Soll heißen, Kazuya und Takuro teilten sich ein Zimmer, so wie Scarlet und Hiromi, Yuri und Hinagiku. Lediglich Momoko und Yosuke schliefen in einer Kabine (allerdings in getrennten Betten). Der nächste Morgen kam schnell und die ersten, die halbwegs nüchtern aus den Betten kamen, waren die Liebesengel, die nicht nur NICHT betrunken waren, sondern auch noch die Musiker davon abgehalten hatten, die ganze Besatzung des Schiffes in einen komatösen Zustand zu versetzen. So fanden sie bald die Kantine, in der das Frühstück serviert worden war (3 Stunden vorher), denn die Lautsprecher der Kabinen hatte irgendein technikbegeisterter Nach-Säufer wohl sabotiert, um lange genug schlafen zu können. Um einen Snack zu bekommen, reichte es trotzdem noch. Anschließend gingen sie an Deck und stellten fest, daß das Wetter angemessen war, um schwimmen zu gehen (nicht im Meer, obwohl ich auch gerne mal gesehen hätte wie 8 Leute der Fähre hinterher schwimmen). Sie entschieden alle, ein wenig schwimmen zu gehen, denn die meisten fettbäuchigen Wasserverdränger (genannt ‚Teddsaner’ ) lagen außerhalb auf Decken und schliefen, was sie sowieso schon fast den ganzen Tag taten (wenn sie nicht gerade Essen in sich hineinstopften, soffen oder irgendetwas Undefinierbares rauchten). Glücklicherweise, hatten die Frauen, wenn sie auch sonst nichts mitgenommen hatten, ihre Badesachen dabei, weil sie die Möglichkeit in Betracht gezogen hatten, schwimmen zu gehen. So konnten sie also bei warmen 22° ins Wasser gehen (bald sollte es sehr viel kälter werden). Letztlich war es aber nur Hinagiku, die sich ins Wasser traute, während die anderen draußen zu bleiben pflegten und sich in Gespräche vertieften, aus denen sie bald unsanft befreit werden sollten. Takuro, der Hinagiku von außerhalb zusah, bemühte sich, sie nicht direkt anzusehen, denn sonst wurde er rot und dies war ihm äußerst unangenehm und so verbarg er sein Gesicht die meiste Zeit hinter einem Zeitungsblatt (verdächtig daran: die ganze Zeitung war auf teddsanisch und er verstand kein Wort). Durch Hinagikus überaus selbstbewussten und eleganten Schwimmstil angespornt, kamen auch einige Teddsaner zum Baden. Und wenn diese erst begonnen hatten, herzukommen, war es nur noch eine Frage der Zeit bis der Riesenklops auftauchte. Und so geschah es dann auch, als mit Poltern und Quietschen ein gewaltiger, fassförmiger Teddsaner erschien, der etwa das Zehnfache von Hinagikus Gewicht haben dürfte (im Klartext: über 400 kg Lebendgewicht). Unter ihm bogen sich schon die Leitersprossen des Sprungturms und erst das Brett. Das war wirklich zum Bersten gespannt. Hinagiku, die es mit der Angst zu tun bekam, schwamm schnell gen Beckenrand und brachte sich hinter Takuro in Sicherheit. Tatsächlich war so ein gewaltiger Wuchtbrummer die wahre Massenvernichtungswaffe, denn wenn er sprang wurden alle unter ihm zerquetscht. Alle, die in seiner Nähe im Wasser gewesen waren, schleuderte die Druckwelle dermaßen gegen den Beckenrand, daß sie sich alle Knochen brachen und die Flutwelle aus dem Becken spülte die am Rand Liegenden vom Schiff herunter. Schlimmstenfalls hätte es das ganze Schiff gespaltet (gut, das war übertrieben, aber es ist die geeignete Warnung)... So kam es, daß die Freunde und alle anderen außerhalb des Beckens eine ziemlich unfreiwillige Dusche abbekamen und die im Wasser befindlichen ihre Zähne hinterher an einem Finger abzählen konnten. Für den Rest des Tages wollten sie sich danach lieber nicht mehr auf weitere böse Überraschungen mit Teddsanern einlassen, sie würden wohl früh genug noch mehr als genug davon erleben (stimmt allerdings). So waren sie wirklich froh, als gegen 21:00 Uhr abends, nachdem sie gespeist hatten, der Lautsprecher (mittlerweile wieder in Takt) verkündete: „Boçorhakh! Boçorhakh! Ça yelglha werha-idhsas chieghan-ibdj çukanh Port-Town-Bihaç! Negshor-çy-jen maçi jgç’adarh jenhes baphos, eydhya. Delhal.“ (Übersetzung: Achtung! Achtung! Die Fähre wird in Kürze im Hafen von Port Town einfahren! Bitte nehmen Sie sämtliches Gepäck aus Ihren Kabinen mit. Danke.). Nur Yuri hatte es verstanden und übersetzte für die anderen, woraufhin die Räumungsaktion der Kabinen begann. In der Empfangshalle sahen sie abermals lauter Teddsaner, die eine Flasche Alkohol am Mund hatten und eifrig den Inhalt zu leeren versuchten (eine uralte, teddsanische Tradition ist es auf einer Seereise, kurz vor dem Einlaufen des Schiffes eine bereits am Vortag angebrochene Flasche Alkohol zu leeren, noch ehe das Schiff angelegt hat – dies erklärt auch, weshalb sich so viele Menschen, die das versuchen, gleich nach dem Anlegen in ärztliche Behandlung begeben müssen). Denn Freunden blieb kaum Zeit den Hafen von Port Town zu bewundern, ehe sich die grölenden Teddsaner ihren Weg aus dem Schiffsbauch bahnten. Nachdem sie gerade ihre Flaschen geleert hatten, waren sie schon wieder auf der Suche nach der nächsten Gaststätte (denn bekanntermaßen machte Alkoholkonsum hungrig und die deftigen Speisen danach wiederum durstig, so daß Teddsaner sehr gern das eine dem anderen folgen ließen). Der hereinbrechende Abend tauchte den Himmel in violettes Rot und den Hafen in Stille, nachdem die Teddsaner verschwunden waren. Im Osten - jenseits der Wasser - sahen sie das schemenhafte Gobadhra-Gebirge und davor - auf den nun friedlichen Wogen - sahen sie große Gebilde, die an grasbewachsene Muscheln erinnerten, aus deren Innern Lichter drangen... die legendären, schwimmenden Hotels von Port Town. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)