Seelenanker von Torao (From Lust to Heart [Penguin x Law]) ================================================================================ Kapitel 10: Irrgarten der Emotionen ----------------------------------- „Wir haben wirklich Glück ausgerechnet jetzt auf dieser Insel zu sein”, grinste Shou breit, als er zufrieden auf den Berg aus Essen vor sich blickte. Die Tatsache, dass an diesem Abend alles nur die Hälfte kostete, nutzten er und seine Kameraden nicht nur beim Alkohol aus. Während der Jüngste beherzt in eine Keule des üppigen Braten biss, lehnte sich Dai vom Nachbartisch zu ihm hinüber. „Klingt fast als würde dir mein Essen nicht schmecken.” Dass das nicht der Fall war, wusste der Smutje, dennoch sah er ihn grimmig an. „Natürlif fmeckt ef mür!”, entgegnete sein Gegenüber mit vollem Mund. Dai grinste als Kanaye Shou ermahnte: „Mach den Mund leer bevor du sprichst!” Obwohl er offensichtlich mit der Brünetten, die sich mittlerweile auf seinem Schoss niedergelassen hatte, beschäftigt war, entging dem Schwarzhaarigen nicht das frevelhafte Benehmen des Anderen. Shou schluckte den Bissen hinunter und grummelte: „Ich muss mir das immer sagen lassen, dabei macht der Käpt’n das auch oft.” „Aber ansonsten benimmt er sich im Gegensatz zu dir”, lachte Dai hinter ihm. Der Jüngste schob schmollend die Unterlippe vor, während Wakame sich nun erhob und einen Arm um die Taille der Dame zu seiner Linken legte. „Wenn du so werden willst wie er, dann solltest du an einem anderen Punkt ansetzen.” Lachend wuschelte er ihm im Vorbeigehen durch sein rotes Haar, bevor er in Richtung Treppe, die zu den Gästezimmern führte, davonging. Shou murmelte nur etwas Unverständliches, ehe er wieder vom Fleisch abbiss. Ban, der überraschender Weise noch nicht mit den drei Schönheiten, die ihn schon den ganzen Abend umwarben, verschwunden war, sondern sich auch gerade gierig dem Essen widmete, schmunzelte: „Wobei du dir eh lieber ein anderes Vorbild suchen solltest. Mich zum Beispiel.” Ein schnippisches Lachen seitens Kanaye war zu vernehmen. „Eh? Hältst du dich für besser als der Käpt’n?” Shou hob skeptisch eine Augenbraue. Der Jüngere war entweder mal wieder zu naiv oder aber zu angetrunken, um zu merken, dass der Andere nur witzelte. „Na, wer sitzt denn hier? Er oder ich?” Ban deutete vielsagend auf die Damen neben und hinter sich, die ihm ihre volle Aufmerksamkeit zukommen ließen, obwohl er sich gerade mehr der Nahrungsaufnahme widmete. „Ich bin also ganz klar besser als unser langweiliger Käpt’n. Eigentlich sollte ich wohl der Käpt’n sein.” Aufgrund seines ironischen und überspitzten Untertons wurde Shou nun klar, dass er das nicht ernst meinte, sodass auch er grinste. Doch das Grinsen und Lachen, dass sich auch auf die anderen angeheiterten Crewmitglieder, die das mitbekommen hatten, übertragen hatte, wich schlagartig als unerwartet jemand die Dame zu Bans Rechten beiseite schob, ihn am Kragen packte und von seinem Stuhl hochzog. „Hast du dich gerade über deinen eigenen Käpt’n lustig gemacht?” Purer Zorn stand in Penguins Gesicht geschrieben. Unruhe machte sich breit. Die Frauen wichen erschrocken zurück. Kanaye hob die Hand, um seinen Kameraden zu beschwichtigen: „Oi, Penguin, komm runter!” Dai und Shou, der hastig seine Keule auf den Teller warf, sprangen auf, um ihn von Ban los zu lösen. Der Stirnbandträger blickte ihn jedoch eher irritiert an: „Wo kommst du denn auf einmal her? Warst du nicht oben beschäftigt?” Doch Penguins Augen funkelten ihn unter dem Schirm der Mütze, die er unerwartet trug, weiter wütend an und festigte seinen Griff, wobei er Ban näher an sich ranzog: „Ich habe dich gefragt, ob du dich gerade über Law lustig gemacht hast? Hälst du dich für besser als ihn?” Er schrie nun regelrecht, sodass noch mehr Gäste auf sie aufmerksam wurden. Dass er Laws Namen aussprach, was innerhalb der Crew eigentlich unüblich war, nannten sie ihn in der Regel doch bei seinem Titel, merkte er nicht. Ebenso wenig wie die wirschen Blicke seiner Kameraden. „Penguin!” Dai und Shou versuchten nun energischer dazwischen zu gehen. Und auch Kanaye und einige Andere waren im Begriff aufzustehen, um ihren Kameraden, dem solche Ausraster eigentlich gar nicht ähnlich sahen, auf den Boden zurückzuholen. Nun verfinsterte sich auch Bans Gesichtsausdruck, während er energisch Penguins Handgelenk fasste und es von seinem Kragen wegzog: „Alter, das war ein Witz! Was ist los mit dir?” Diese Frage war mehr als berechtigt, wenn man in Betracht zog, dass solche kleineren Scherze und Stichelein innerhalb der Crew keine Seltenheit waren und jeder, auch ihr Anführer, egal ob anwesend oder nicht, sie von Zeit zu Zeit abbekamen. Deswegen waren sie sich noch nie gegenseitig an die Gurgel gegangen. „Ein Witz?”, giftete Penguin lauthals zurück, während drei seiner Freunde ihn gänzlich von seinem Ziel losrissen und fest im Griff hielten, was jedoch nichts daran änderte, wie aufgebracht er Ban anfuhr, „Mach noch einen Witz auf seine Kosten und ich breche dir jeden Knochen einzeln!” „PENGUIN!” Kanaye, der sich ebenfalls erhoben und dafür sogar die junge Frau von seinem Schoss geschoben hatte, mischte sich nun auch stärker ein, „Mach mal halblang! Es gibt keinen Grund, dass du dich gerade so aufregst.” Doch der Andere sah das ganz anders. „Also findest du es in Ordnung, wenn jemand so respektlos gegenüber unserem Käpt’n ist?” „Ich bin nicht respektlos ihm gegenüber! Und wie viel Respekt ich ihm zahle weißt du ganz genau. Unterstell mir nie wieder, ich hätte keinen Respekt vor ihm!”, knurrte der Blonde nun. „Ach ja? Für mich sieht das nicht danach aus.” Penguin riss sich los, schritt auf den Gleichgroßgebauten zu und blieb erneut dicht vor ihm stehen, so dass der Schirm seiner Mütze seine Stirn berührte. Der Andere wich allerdings keinen Zentimeter zurück. „Wir können gerne vor die Tür gehen und ich erkläre dir auf meine Art und Weise, wie viel Respekt ich ihm gegenüber habe.” Penguin wollte gerade darauf eingehen, als Shou sich energisch dazwischen schob und die Streithähne erneut auseinander brachte, wobei sie sich über seinen Kopf hinweg weiterhin zornig anstarrten: „Jungs, bleibt aufm Teppich!” Jean Bart, gegen den Penguin aufgrund seiner Größe nur wenig ausrichten konnte, wenn er ihn nicht ernsthaft verletzen wollte, packte ihn am Arm und zog ihn weiter weg, während Kanaye auf Ban einwirkte, der sich mit der Brust gegen Shous Hand lehnte, als würde er Penguin hinterherstürmen wollen. „Setz dich wieder, das Essen wird kalt!” Er drückte auf seine Schulter, um ihn dazu zu bewegen, sich wieder niederzulassen - mit Erfolg. Ban wandte seinen nun düsteren Blick von Penguin, der von seinen Freunden nun außer Hörweite zu einem anderen Tisch, an dem sich die Mannschaft niedergelassen hatte, buchsiert worden war, ab. „Ich und keinen Respekt dem Käpt’n gegenüber.” Damit hatte er ganz offensichtlich den wunden Punkt des Rauchers, der sogleich eine Zigarette aus seiner Hosentasche fischte, erwischt. Es war auch nicht verwunderlich, denn eigentlich wusste jeder, wie der Blonde, der nach Bepo das erste Crewmitglied gewesen war, über den Arzt dachte. Selbst wenn auch er des Öfteren Sprüche aus Bans losem Mundwerk ausgesetzt war, so hatte noch nie jemand an Bans Respekt und Loyalität ihm gegenüber gezweifelt. „Ich bin der Letzte, der ihm keinen Respekt entgegenbringen würde.” Wütend zündete er die Zigarette an und zog energisch daran, wobei sein starrer, grimmiger Blick nun auf das Essen auf dem Tisch gerichtet war. „Wissen wir”, kam es ruhig von Kanaye, während dieser sich wieder setzte. Der Andere pustete den Rauch in die Luft und schnaufte: „Dann soll er sein Maul halten! Der spinnt doch!” Eigentlich kamen Penguin und Ban sehr gut miteinander aus. Doch über diese Sache würde Letzterer möglicherweise nicht so schnell hinwegsehen können. „Er hat vielleicht nur zu viel getrunken”, überlegte Shou, der sich ebenfalls wieder niedergelassen hatte. „Selbst wenn.” Der Ältere war nach wie vor nicht zu beschwichtigen. „Ich wundere mich, dass er überhaupt wieder hier ist.” Kanaye blickte verwundert zum Tisch, wo Penguin nun saß und ähnlich wie Ban grimmig auf die Holzplatte starrte, während im Lokal allmählich wieder Ruhe einkehrte. Shou überlegte laut, während er wieder auf seinem Essen kaute: „Vielleischt haddest du Rescht und er konnde nischt so lange und ischt jetzt fruschtriert.” „Hmm.” Der Schwarzhaarige jedoch sah weiter nachdenklich zu ihrem Freund hinüber, während Ban nicht mal auf das, was Shou gesagt hatte, einging, obwohl das sonst wohl sein Einsatz gewesen wäre. „Gestern Shachi, heute du. Was ist denn los mit euch?” Tomo, der sich aufgrund der Auseinandersetzung vom Pokertisch losgelöst und nun neben Penguin niedergelassen hatte, sah ihn fragend an. Es kam nicht oft vor, dass es solche Unruhe in der Crew gab. Und wenn, dann war selten Shachi und noch viel weniger Penguin, der eigentlich zu den ruhigeren, besonnenen Mitgliedern gehörte, der Auslöser. Umso verwunderter waren seine Freunde nun. Doch Penguin ignorierte die Frage und blickte erzürnt auf den Krug in seiner Hand, den ihm soeben einer seiner Kameraden zugeschoben hatte. Er war sich nicht sicher, ob es noch gut war weiter zu trinken, da er die massive Menge Alkohol, die er bereits eher am Abend zu sich genommen hatte, deutlich in seinem Kopf spüren konnte. Andererseits hoffte er, der Rausch würde seine Gedanken betäuben. Denn die drehten sich inzwischen nur noch um ihn: Law. Und um seine Erkenntnis, dass er sich in etwas völlig Hoffnungslosem verrannt hatte. Jeder Versuch, es nicht wahrhaben zu wollen, scheiterte binnen Sekunden. Nachdem er die Frau fortgeschickt hatte, hatte er noch eine Weile auf dem Bett gesessen und gegrübelt. Wobei er eher sich selbst verflucht hatte und sein, wie er selbst fand, naives Verhalten. Er hätte einfach mehr nachdenken sollen, bevor es hatte soweit kommen können. Doch jetzt war es zu spät. Seine Gefühle waren außer Kontrolle geraten. Und er musste der Tatsache ins Auge sehen, dass er Tag für Tag in seiner Nähe sein würde ohne ihm jemals wirklich nahe zu sein. Gleichzeitig musste er akzeptieren, dass Shachi es dafür umso mehr war. Bereits jetzt schmerzte es immens. Und auch, wenn er noch nie in so einer Situation gewesen war, wusste er: Es würde noch schlimmer werden, je näher sich Law und Shachi kommen würden - obwohl er beide, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, liebte. Aber das war eben auch der Grund aus dem er sich vorgenommen hatte, den Schmerz stillschweigend zu ertragen. Er konnte sich nicht zwischen sie stellen. Und genauso wenig konnte er davonlaufen, zumal das ihm nicht ähnlich gesehen hätte. Hätte er die Mannschaft verlassen, hätte er Shachi, ohne den er seit vierzehn Jahren keinen einzigen Tag mehr verbracht hatte, zurücklassen müssen. Vielleicht wäre Shachi ihm auch gefolgt, aber dann hätte dieser ebenfalls gelitten, da er Law hätte zurücklassen müssen. Das wollte Penguin noch viel weniger. Fest umklammerte seine Hand den Henkel des Krugs, sodass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Im Gegensatz zu dem Trinkbecher hatte er jedoch seine Gefühle kein Bisschen im Griff. Auch jetzt, wo er wieder angezogen war und hier saß, kochten sie über. Das war auch der Grund, warum er Ban so angefahren hatte. Penguin war einer der Wenigen, der die Geschichte des Kettenrauchers kannte. Ban verdankte Law sein Leben. Er wusste daher ganz genau, wie loyal er ihrem Anführer gegenüber war und dass er wahrlich wohl als Letzter seinen Respekt ihm gegenüber verlieren würde. Und seine Stichelein und Scherze waren wirklich nichts Außergewöhnliches. Wäre Law zugegen gewesen hätte dieser sogar mit Sicherheit wie immer selbstsicher gekontert und noch einen drauf gesetzt. Dennoch hatten Bans Worte, die Penguin gerade noch aufgeschnappt hatte, ihn wahnsinnig wütend gemacht. Und er verstand es selbst nicht. Vielleicht weil er Law in den vergangen Wochen so nahe gekommen war und nun wusste, dass ihr nach außenhin so taffer Käpt’n in seinem Inneren ziemlich unsicher war - auch was seine Rolle als Käpt’n anging. Schließlich fürchtete er auch immer noch, dass irgendjemand von ihrer Affäre Wind bekam. Aber Moment! War er nicht zu dem Schluss gekommen, dass Law das ohnehin alles nur behauptet hatte, damit Shachi nicht davon erfuhr? „Argh!” Mit diesem Ausruf setzte er den Krug wieder an seine Lippen, um seine Gedanken, die ihn selbst nur noch verwirrten, im Suff zu ertränken. Seine Kameraden, die das mitbekamen, sahen ihn irritiert an. Dennoch antwortete er nach wie vor auf keine Frage oder Ansprache. Die Anderen gaben aus diesem Grund irgendwann auf noch aus ihm herausbekommen zu wollen, was genau los war, und überließen ihn dem Alkohol - wohl in der Hoffnung, er würde am nächsten Morgen wieder der Alte sein. Irgendwann knallte Penguin den Holzkrug, den er nun schon zum vierten Mal geleert hatte, vor sich auf den Tisch und stand auf. Auf die Frage seiner Freunde, wo er denn hin wolle, da sie wohl Sorge hatten, er würde wieder einen Streit vom Zaun brechen, antwortete er nur knapp „Schiff” und ging in Richtung Ausgang. Seine Mütze zog er dabei tiefer ins Gesicht. Seit seinem Ausraster mieden ihn die Frauen ohnehin. So konnte er auch ohne aufgehalten zu werden die Gaststätte verlassen. Er war so oder so weiterhin in seinem Gedankenkarussell gefangen und bemerkte auch nicht den skeptischen und immer noch etwas finsteren, aber auch nachdenklichen Blick, den Ban ihm nachwarf. Der Meerwind wehte Penguin augenblicklich um die Nase, kaum dass die Tür hinter ihm zugefallen war. Doch auch die klare, kühle Nacht konnte die Wogen in seinem Kopf nicht glätten. Die Straßen waren inzwischen nicht mehr allzu voll. Es war bereits nach Mitternacht und die meisten Händler hatten begonnen ihre Stände abzubauen. Der Lärm aus dem Lokal hinter ihm dröhnte wieder dumpf an seine Ohren. Viel lauter und deutlicher dagegen glaubte er sein eigenes Blut zu hören, wie es unruhig in seinem Kopf pulsierte. Inzwischen war er wirklich nicht mehr nüchtern. Dennoch war er sich sicher, es alleine zum Schiff zu schaffen. Ohnehin wollte er gerade keine Gesellschaft. Langsam ging er los in Richtung Hafen. Die Menschen und bunten Lampen um ihn herum flogen an ihm vorbei als wären sie nicht existent. Es gab nur eine Person, die ihn kurz aus seinen Gedanken reißen konnte: Ein gebrechlich wirkender Mann, der ihn unachtsam im Vorbeigehen anrempelte. Beide blieben stehen. Der Mann wollte sich entschuldigen, doch alles was aus seinem Mund kam war ein starker Hustenanfall. Penguin spürte dabei neben seinem Atem auch wie etwas von seinem Speichel in seinem Gesicht landete, da er es wohl nicht für nötig hielt, sich abzuwenden oder die Hand vor den Mund zu nehmen. Sein Blick wurde noch finsterer: In seiner aktuellen Laune hätte er ihn am liebsten gepackt und dafür zu Kleinholz verarbeitet. Doch noch konnte er sich beherrschen, wischte sich mit dem Handrücken über die betroffene Stelle, ließ das anschließend gestammelte „Verzeihung” ebenso wie den Mann selbst links liegen und setzte seinen Weg fort. Das war einfach nicht sein Tag. Aber wann würde das je wieder der Fall sein, jetzt wo er realisiert hatte, wie er wirklich für Law fühlte und wie vergebens diese Gefühle waren? Das erste Mal in seinem Leben empfand er so für jemanden - und das nun ausgerechnet für ihn. „Gerade dieser störrische Esel, der nie Hilfe”, ein Schluckauf unterbrach Penguin, während er vor sich hinknurrte, “annehmen will. Er ist so ein Idiot. Er ist so stur und verschlossen… und… einsam… und… zerbrechlich.” Der Pirat wurde immer langsamer und leiser beim Aussprechen dieser Adjektive. Wieder kam ein Laut des Schluckaufs über seine Lippen, während sein Gesichtsausdruck von wütend auf traurig umschlug. Auch wenn sein Kopf gerade stark benebelt war, so hatte er deutlich jenes Bild vor Augen, das Law ihm schon oft, wenn auch sicher unbeabsichtigt vermittelt hatte - das Bild eines Menschen, der Schreckliches erlebt hatte und versuchte alleine damit fertig zu werden, letztlich aber daran scheiterte. „Was soll ich machen? Ich kann ihn nicht einfach wieder fallen lassen, nur weil er Shachi liebt. Ich kenne Shachi. Er wird nie in der Lage sein zu verstehen, was in ihm alles vorgeht. Dazu ist er zu naiv. Und er würde nur weinen, sobald er es begreifen würde.” Penguin blieb stehen, zog seine Mütze vom Kopf und sah hoch zur Mondsichel am klaren Nachthimmel, wobei der Wind einige seiner Haare in sein Gesicht blies. Er hatte sich doch so fest vorgenommen, Law zu helfen und ihn aus der emotionalen Einsamkeit, in der er sich befand, zu befreien. Aber wie sollte er das nun anstellen? Es würde ihm selbst vermutlich enorm wehtun. „Verdammter Mist!” Wütend schlug er mit der Faust gegen die Straßenlaterne neben der er stehen geblieben war, „Ich Idiot hätte mir eher darüber Gedanken machen sollen, was ich da tue.” Aber hätte es etwas geändert? Er wäre wahrscheinlich trotzdem nie auf die Idee gekommen, dass er sich in seinen Käpt’n verlieben würde. Schließlich kannte er ihn nun schon lange und hatte noch nie so für ihn empfunden. Doch jetzt, wo er ihm so nahe gekommen war, körperlich und auch bis zu einem gewissen Punkt seelisch, spürte er, wie sehr er den Arzt für sich und ihm noch näher kommen wollte. „Vergiss es”, überlegte er weiter, “alles was du tun kannst, ist den Rückzug antreten. Und beide unterstützen so gut du kannst.” Er schluckte. Wie schlimm würde der Schmerz in seiner Brust noch werden? Wie aus einem bösen Traum erwacht starrte Law auf Shachi, der auf allen Vieren und splitterfasernackt vor ihm auf dem Bett kniete - und zitterte. „Was tue ich hier wieder?”, schoss es ihm durch den Kopf. Es war ein leises schmerzliches Wimmern des Jüngeren gewesen, das den Chirurgen so urplötzlich in seinem Handeln hatte innehalten lassen. Wobei diese Situation nicht neu war. Aber selbst dann wenn Law Shachi gefragt hatte, ob er aufhören sollte - und das hatte er das ein oder andere Mal und auch vor wenigen Momenten getan, wenn auch nicht gerade einfühlsam - hatte der Jüngere es verneint. Dabei war es mehr als offensichtlich, wie sehr der Andere das was sie hier taten nicht mochte. Dennoch sagte er nie etwas und ließ sich stets von seinem Käpt’n in solche erniedrigen Posen dirigieren. Allerdings wurde dieser nun endgültig von seinem Gewissen gestoppt: „Ich weiß, dass er es nicht mag. Warum tue ich es dennoch?” Law nahm seine Hände vom Becken des Jüngeren. Dieser sah darauf unsicher über die Schulter zu ihm. „Käpt’n?” Seine Stimme klang als würde er befürchten etwas falsch gemacht zu haben. Als ihre Blicke sich trafen und Law in die smaragdgrünen Augen sah, fühlte es sich an, als würde sein Blut gefrieren. Doch nicht wegen der Iriden des Anderen, spiegelten diese doch so unfassbar viel Unschuld und Gutmütigkeit wieder. Es war seine eigene Kälte, die er gerade mehr denn je realisierte. Was war nur los mit ihm? Wie hatte er so grausam werden können? Wurde er nun doch wie er? Wie jener Mann, den er so sehr hasste und am liebsten tot sehen wollte? „Ich will dir nicht wieder wehtun.” Laws Worte klangen ungewohnt unsicher. Shachi setzte sich auf und sah ihn überrascht aber auch irritiert an. „Das ist schon in Ordnung. So schlimm ist… es nicht”, er stockte kurz verlegen, bevor er lächelte, „du weißt schon was du tust. Ich vertraue dir, dass du nicht zu weit gehst.” Seine letzten Worte trafen den Älteren wie ein Schlag ins Gesicht. Er wusste schließlich überhaupt nicht mehr, was er hier tat. Und zu weit gegangen war er längst. Vor allem aber, dass er ihm vertraute, ließ Laws Mimik weiter erstarren. Schließlich wandte er den Blick ab, erhob sich und zog hastig seine Hosen hoch, bevor er eben so schnell seinen Pulli wieder überzog. „Tut mir Leid, Shachi.” Mit diesem fast schon gekeuchten Worten, griff er sein Schwert und verließ nahezu fluchtartig den Raum, nicht sehend, wie Shachi hinter ihm noch eine Hand nach ihm ausstreckte, um ihn aufzuhalten, bevor er sie auch schon wieder sinken ließ und sich Tränen in seinen Augenwinkel bildeten. Mit leerem Blick lehnte der Arzt sich mit dem Rücken gegen die Wand auf dem Flur und blickte zu Boden. Er war sich gerade nicht sicher, ob er froh war, dass sein Verstand sich dieses Mal noch halbwegs frühzeitig eingeschaltet und ihn gebremst hatte, bevor er dem Anderen erneut hatte Schmerzen bereiten können. Aber warum ließ Shachi es überhaupt immer wieder zu, wo er es doch nicht mochte? Hatte er so viel Respekt, ja vielleicht sogar Angst vor ihm? War er zu einem furchteinflößenden Monster geworden, ohne es selbst zu realisieren? Immer noch hatte er Shachis Blick vor Augen. Er mied sonst generell jeden Augenkontakt, wenn er mit ihm schlief und sorgte jedes Mal dafür, dass er ihm den Rücken zuwendete. Warum? Weil er die ganze Zeit befürchtet hatte, in diesen Augen zu sehen, was er eben erkannt hatte? Dass sie ihm zeigen würden, was für ein schlechter Mensch er war? Oder einfach nur, weil sein tiefstes Inneres ihn so hatte erniedrigen wollen? Aber wollte er das? Nein eigentlich nicht. Überhaupt nicht. Er musste endgültig einen Schlussstrich ziehen. Und wenn seine Kontrollsucht es nicht ertragen konnte, was er mit Penguin tat, dann würde er eben darauf verzichten. Es war alles andere als in Ordnung, wie er den Jüngeren ausnutzte. Das Geräusch, das entstand wenn eine der Türen zu den Außendecks geöffnet und wieder geschlossen wurde, schallte durch die Gänge. Hastig drückte der Arzt sich von der Wand weg, wollte er doch nicht, dass man ihm seine innere Unruhe anmerkte. Schritte kamen von links und verstummten nicht weit von ihm entfernt. Law sah zur Seite. Allerdings hatte er wohl nicht mit der Person gerechnet, die nur zwei Meter von ihm entfernt Halt gemacht hatte: „Penguin.” Die Augen des Anderen wurden von seiner Mütze verdeckt. Er schwieg. „Du bist schon wieder da? Ist irgendwas passiert?” Law sah ihn skeptisch an, da er nicht mit seiner frühen und vor allem alleinigen Rückkehr gerechnet hatte. Doch weiterhin sah der Ältere ihn nicht an und brachte ihm nur ein knappes, kurzes „Nein” entgegen. „Klingt aber anders.” Der Blick des Anderen wurde durchdringend, im nächsten Moment jedoch erschrocken, als Penguin ohne Vorankündigung die Distanz zwischen ihnen überbrückte, ihn fest zurück gegen die Wand drückte, seine Lippen auf die seinen presste und im nächsten Moment schon fast gewaltsam seine Zunge in Laws Mund glitt. Für einen Moment erstarrte der Arzt, bevor er ihn energisch von sich stieß. „Spinnst du?!”, zischte er sichtlich wütend, sodass es kaum im leeren Gang wiederhallte. Wieder hatte der Andere den Blick gesenkt. „Ja”, murmelte er, ehe er an ihm vorbeizog, die Tür zu seiner Kabine öffnete und darin verschwand. Law blieb noch verwirrter als zuvor zurück. Was war nun auch noch mit Penguin los, dass er sich plötzlich so verhielt - und das hier auf dem Flur? Seine Hand umschloss erneut fest sein Schwert. Penguin blieb stehen, kaum dass er den Raum betreten hatte. Das Licht brannte und auf dem Boden lagen Shachis Anziehsachen verstreut. Er hob den Kopf etwas und blickte auf das Bett seines Freundes. Die Form der Bettdecke verriet, dass Shachi gänzlich darunter lag. Schlief er schon? War alles in Ordnung? Penguin war sich nicht sicher. Sein Instinkt sagte ihm, dass dem nicht so war. Dennoch redete er sich in Gedanken etwas Anderes ein: „Natürlich ist alles in Ordnung. Er ist nur müde. Die beiden hatten sicher Spaß.” Wieder verstärkte sich das beklemmende Gefühl in seiner Brust. Während er mit einer Hand seine Mütze vom Kopf zog und sie fest umklammerte, blickte er weiter in besagte Richtung. „Ich würde mich so gerne richtig für euch freuen, aber ich kann es nicht. Noch nicht”, ging es ihm weiter durch den Sinn. So sehr er es auch versuchte, der Schmerz war einfach zu groß. Dabei verstand er nicht mal, warum das so war. Er wusste doch ohnehin kaum etwas über Law und war ihm bei Weitem nicht so nahe, wie er es sich wünschte. Wie konnte es dann nur so wehtun? Er schaltete das Licht aus, warf die Mütze bei Seite auf den Stuhl am Fußende von Shachis Bett und begann sich auszuziehen. Hatte er das gerade auf dem Gang wirklich getan? Hatte er wirklich für eine Sekunde seine Gefühle und sein Verlangen sein Handeln kontrollieren lassen, ohne es zu realisieren? Er war sich nicht sicher. Gerade wirkte alles so irreal. Das lag eindeutig an seinem Alkoholpegel. Vielleicht machte auch er ihn so sensibel und schon am Morgen würde alles wieder anders sein. Mit dieser winzigen Hoffnung im Sinn legte Penguin sich nur in Boxershorts in sein Bett und blickte nochmal zu Shachi hinüber, dessen Bett er im fahlen Licht, das von draußen hineinfiel, gerade noch so erkennen konnte. Letztlich drehte er sich jedoch herum und ihm den Rücken zu, nicht ahnend, dass sein Freund unter seiner Decke die Luft anhielt, um das Schluchzen, das in seiner Kehle drückte, zu unterdrücken. Als hätte ihn der finale Verlauf des Abends mit Shachi nicht schon genug zerstreut, belastete Law nun auch noch Penguins Verhalten. Inzwischen saß er wieder hinter verschlossener Tür in seiner Kajüte am Schreibtisch und blickte hinaus in die Nacht. Da das Schiff mit dem Bug zum Meer gerichtet vor Anker lag, hatte er von seiner Kajüte aus freie Sicht auf die schwarzen Wellen und den Himmel. Doch der Sinn dafür fehlte dem jungen Arzt - besonders jetzt. Der Rum im Atem und auf der Zunge des Anderen war ihm nicht entgangen. Hatte er ihn schon mal so betrunken erlebt? Law konnte sich nicht daran erinnern. Aber an den Moment selbst dafür umso besser. Und immer noch klopfte sein Herz wie verrückt in seiner Brust. Zunächst war es vor Schreck gewesen, hatte er damit schließlich nicht gerechnet. Doch letztlich musste er feststellen, dass es vor Aufregung war. Auch wenn er immer noch wütend war, dass Penguin ihm außerhalb seiner Kabine, wo sie theoretisch Andere hätten sehen können, so nahe gekommen war, musste er sich eingestehen, dass es ihn wieder erregt hatte, wie forsch der Andere gewesen war. Ihm war längst bewusst, dass ihm diese Art unglaublich gut gefiel und sein Verlangen verstärkte, doch verstand er nicht, warum dem so war. Er wollte eigentlich über alles an Bord die Kontrolle haben. Und auch in seinem bisherigen Liebesleben, das eigentlich wenn nur aus Sex mit fremden Frauen bestanden hatte, hatte immer er die Zügel in der Hand gehalten. Alleine der Gedanke daran, es nicht zu tun, wäre ihm lächerlich vorgekommen. Aber bei ihm war es so anders. Und trotzdem verfluchte er sich nach wie vor dafür, war er doch immer noch der Käpt’n auf diesem Schiff. „Und letztlich lasse ich es doch eh nur zu, weil ich durch meine Teufelskräfte aus der Nummer jederzeit rauskomme.” Er hob seine Hände auf Augenhöhe und blickte auf seine Handflächen. „Er denkt ich hätte ihm heute früh dabei vertraut. Überhaupt redet er immer wieder von Vertrauen. Aber ich kann es nicht. Weder ihm, noch sonst jemandem.” Wieder hallte in seinem Kopf wieder, was Shachi zuletzt zu ihm gesagt hatte. Er vertraute ihm. Jeder hier an Bord tat das. Nur er tat es umgekehrt nicht. Und nur er alleine kannte den Grund dafür. Die Ereignisse seiner Kindheit, die jedes Vertrauen in ihm zerstört hatten, waren zu schwerwiegend, um etwas daran zu ändern. Egal wie oft Penguin davon sprach, er solle seiner Mannschaft vertrauen. Er ballte die Hände zu Fäusten. „Selbst wenn du mich tausendfach darum bittest, ich kann es nicht.” Die Gewissheit, nichts daran ändern zu können, schnürte Law fast die Luft ab, angesichts der Tatsache, wie viel Vertrauen ihm seine Crew entgegenbrachte. Er wusste, es würde der Moment kommen, an dem er dieses Vertrauen aufs Tiefste erschüttern und sie enttäuschen würde. Denn sie würden ihm sicher nicht ewig weiter unwissend folgen. Und mit jedem Tag, mit dem er weiter über seine Pläne schwieg, würde diese Enttäuschung größer werden. Aber einfach zu erklären, was er vor hatte, stand nicht zur Debatte. Die Folgen waren zu unabsehbar. Möglicherweise würden Einige sich von ihm abwenden, auch wenn alle in der Crew sich ihm gegenüber mehr als loyal verhielten. Ohnehin war dies wohl nur der Fall, weil Law den meisten von ihnen mal das Leben gerettet hatte. Möglicherweise fühlten sie sich einfach dazu verpflichtet ihm blind zu folgen. Aber würde er ihnen erzählen, welch waghalsiges Vorhaben er sich vorgenommen hatte, würden sie ihn wahrscheinlich für verrückt erklären. Außerdem wollte er sie nicht unnötig in Gefahr bringen. Je mehr sie wussten, umso größer war das Risiko, dass sie stärker in die ganze Angelegenheit verwickelt wurden. Und das wollte er vermeiden. Nicht ohne Grund war er auch bemüht sein eigenes Kopfgeld gering zu halten, auch wenn das schon längst gescheitert war. Jede weitere Erhöhung verursachte bei ihm nur weitere Kopfschmerzen. Aber zumindest sorgte er so gut es ging und bisher recht erfolgreich dafür, dass Alles, was der Weltregierung Anlass gab, die Summe, die auf einen seiner Männer ausgesetzt war, weiter hochzusetzen, auf seine Kappe zu nehmen. Auch wenn es ihm nicht immer gelang, so war die Differenz zwischen seinem eigenen und den Kopfgeldern seiner Leute beachtlich. Und das lag nicht daran, dass Letztere im Kampf kleine Fische waren. Aber wenn es darum ging Dinge zu vertuschen und zu verdrehen, war er wahrlich ein Naturtalent. Dass einige Crewmitglieder darauf öfter zähneknirschend reagierten, waren sie doch stolz auf ihr Kopfgeld, nahm er einfach schweigend hin. Nach außen hin mochte es scheinen, als wäre er geltungssüchtig. In Wirklichkeit wollte er jedoch nur verhindern, dass seine Mannschaft mehr Schwierigkeiten bekam. Sie sollten ihre Freiheit und ihre Leben als Piraten genießen und nicht wie er selbst auf der Jagd und zeitgleich auf der Flucht sein. Überhaupt wollte er sie nicht unnötig mit seinen Problemen belasten. Denn sie drückten schon genug auf seinen eigenen Schultern. Jeden Tag fürchtete er Angriffe durch andere Piraten, möglicherweise sogar durch welche, die es nicht nur auf sein Kopfgeld sondern noch viel mehr auf seine Teufelskräfte abgesehen hatten. Ein weiteres Geheimnis, das er verschlossen mit sich herumtrug. Zumindest würde er sich wohl bald die Marine vom Hals halten und sich stärker auf sein eigentliches Ziel konzentrieren können. Doch dazu musste er erstmal das emotionale Chaos in seinem Inneren beseitigen. Wobei sich dies mehr als schwierig gestaltete. Wieder nagte die Reue an ihm, wegen dem was er mit Shachi tat und seinem mangelnden Vertrauen gegenüber seiner Crew, die es wohl wirklich mehr als verdient hatte, dass er es ihnen schenkte. Und dazu noch das Gefühl, dass ihm die Sache mit Penguin völlig außer Kontrolle geraten war und dieser sich eben auch noch zu allem Überfluss merkwürdig, wohlgleich er betrunken war, verhalten hatte. „Fuck.” Laws Schläfe pochte. Erschöpft von dem Durcheinander in seinem Kopf, legte er die Stirn in seine Hände und schob die Finger dabei in seinen Haaransatz. Penguin hatte mit einer Sache definitiv Recht: In ihm ging viel zu viel vor. Ein komplexer, verwirrender Gedankengang jagte den nächsten. Aber wie sollte er etwas daran ändern? Wo sollte er mit all den Gedanken, Sorgen und zum Teil Ängsten hin, die tagein und tagaus an ihm nagten? Und nun auch noch die Sache zwischen ihm, Penguin und Shachi, die ihn völlig zu überfordern schien - als hätte er nicht schon genug zu bewältigen. Würde er sein Ziel je erreichen, wenn er jetzt schon das Gefühl hatte, von all dem erdrückt zu werden? Er löste seine linke Hand von seinem Kopf und legte sie auf seinen rechten Oberarm. Die Wunde begann wieder zu schmerzen. Das Dröhnen des Antriebs surrte durch die Stahlwände des Ubootes. Shachi riss die Augen auf und saß im nächsten Moment kerzengerade im Bett. Er blickte zum Fenster, durch welches das Tageslicht den Raum erhellte. Sein nächster Blick ging auf den Wecker auf seinem Nachttisch. „Verdammt!” Mit diesem Ausruf sprang er nackt aus seinem Bett, packte nach seinen Boxershorts am Boden und stolperte, während er sie anzog, zu Penguins Koje hinüber. Sein Freund schlief mit dem Rücken zu ihm gewandt. „Peng! Wach auf!”, rief er ihm entgegen, stieß ihn einmal kräftig an der Schulter an, hastete zum Stuhl in der Zimmerecke und griff nach seinem Overall. Während er auch ihn anzog drehte der Andere sich etwas zu ihm herum und sah ihn müde über die Schulter an. „Hmm?” „Wir haben verschlafen!” Panisch schloss er seinen Anzug, setzte sich aufs Bett und stieg in seine Schuhe. Penguin drehte sich etwas mehr und sah ebenfalls auf die Uhr, bevor auch er realisierte, wie spät es war und dass sie gerade ausliefen. Schon im nächsten Augenblick stand er aufrecht im Raum und fing ebenfalls an sich in Windeseile anzuziehen. Für die Morgentoilette hatten sie beide keine Zeit. Genauso wenig um über das nachzudenken, was am Abend vorgegangen war. Alles was gerade zählte war so schnell wie möglich an ihre Posten zu gehen. Nicht dass das Schiff sinken würde, wenn sie nicht mithelfen würden. Aber wenn ihr Käpt’n eins wirklich hasste, dann wenn jemand seine Aufgaben vernachlässigte. Und beim An- und Ablegen hatte niemand von ihnen im Bett zu liegen, solange er nicht gesundheitlich angeschlagen war. Denn diese Prozesse waren trotz all der Technik an Bord recht komplex, sodass jede Hand gebraucht werden konnte. Penguin hatte gerade seinen Overall geschlossen und fuhr sich einmal grob mit der Hand durch die zerzausten Haare, als es an der Tür klopfte. „JA!”, rief Shachi etwas übertrieben laut. Es war Wakame, der sie von außen öffnete: „Hey, ihr Schlafmützen! Der Käpt’n schickt mich. Ich soll euch in den Hintern treten. Ihr sollt sofort bei ihm antanzen. Er ist draußen auf dem oberen Deck und klingt gar nicht begeistert.” Innerlich zuckten beide bei diesen Worten zusammen, während sie nach ihren Mützen griffen. Sie wussten schließlich ganz genau, wie Law sein konnte, wenn man ihn wirklich verärgerte. Und auch wenn dazu Einiges gehörte, wenn er schon einen der Anderen vorbeischickte, um sie zu holen, dann musste er wirklich vor Wut kochen. „Mist!”, zischte Shachi und stolperte gefolgt von Penguin, der seine Schnürsenkel nur in seine Stiefel gesteckt hatte, auf den Flur. „Ich drücke euch die Daumen, dass er nicht allzu wütend ist.” Wakame sah den Beiden nach, wie sie in Richtung Deck davonspurteten. Die Nacht war für Law mehr als kurz ausgefallen. Er war nur kurz am Schreibtisch eingenickt. Ansonsten hatte seine innere Unruhe ihn kein Auge zumachen lassen. Und noch immer wütete es in ihm. Alles was er mit Hilfe von Tabletten in den Griff bekommen hatte, waren die Schmerzen in seinem Arm. Sichtlich übernächtigt, aber dennoch aufrecht stand er auf dem höchsten Außendeck der Polar Tang über dem Operationsraum und beobachtete, wie sie langsam aus dem Hafen ausliefen. Abermals war da jedoch kein Platz in seinem Kopf für das Bild, das die immer kleiner werdende, idyllische Hafenstadt im Sonnenlicht abgab. Innerlich kochte er momentan. Zum Einen, weil er mit seinen Gedanken nicht fertig wurde, zum Anderen, weil er soeben zufällig etwas aufgeschnappt hatte, als Shou sich mit einem der Anderen unterhalten hatte. Beide hatten ihm zunächst nicht erzählen wollen, worum es ging, vermutlich um ihren Kameraden zu decken. Letztlich hatte er es aber aus dem Jüngeren herausbekommen. Und wenn der Rothaarige ihm nicht so kleinlaut von Penguins Ausraster am Abend in der Bar erzählt hätte, wäre ihm aufgrund der Masse an ungeordneten Gedanken in seinem Kopf eventuell nicht mal aufgefallen, dass weder Penguin noch Shachi wach war. Es war noch nie vorgekommen, dass einer von Beiden verschlafen oder aus anderem Grund das Ablegen versäumt hatte. Dafür gab es andere Kandidaten in der Crew. Und auch wenn es ihm momentan bei ihnen beiden schwer fiel, sie dafür zu tadeln, so wollte er nicht, dass irgendjemand der Anderen Verdacht schöpfte, dass etwas zwischen ihnen im Argen lag, nur weil er sie verschonte. Daher hatte er Wakame geschickt, um sie zu wecken. Doch besonders bei Shachi wusste er nicht, wie er in dieser Situation handeln sollte, wenn er daran dachte, wie er mit ihm umging. Er wollte ihn eigentlich nicht noch schlechter fühlen lassen. Denn dass er das tat, dafür sorgte er, Law, schon genug, war sich der Arzt sicher. Ganz anders verhielt es sich mit Penguin. Jegliches Verlangen nach ihm war in weite Ferne gerückt. Er war wütend über das was er eben erfahren hatte - und enttäuscht zu gleich. Und dazu kam noch die Wut auf sich selbst, dass er es soweit hatte zwischen ihnen kommen lassen und weil er unfähig war, mit seinen Problemen fertig zu werden und seine Gedanken zu ordnen. Und Law wusste, es würde ihn sehr viel Selbstbeherrschung kosten, zwischen dem, was Penguin sich erlaubt hatte, und dem, was nur ihn selbst betraf, zu unterscheiden. Aber er wollte auf keinen Fall all seinen Ärger und Frust an ihm auslassen. Die Tür hinter ihm ging auf und zwei Paar Füße eilten hörbar heraus. Law hatte der wieder zufallenden Tür zwar den Rücken zugekehrt, wusste aber genau, wer nun einige Meter hinter ihm stand. „Schön dass ihr auch schon auf seid. Ich hoffe Wakame hat euch nicht zu unsanft geweckt.” Der sarkastische Unterton in seiner Stimme war unüberhörbar. „Entschuldigung, Käpt’n”, stammelte Shachi. Penguin schloss sich dem an: „Tut uns Leid.” Laws finsteren Blick, der aufs Meer gerichtet war, konnten sie nicht sehen, sich aber sehr wohl denken. Wie sooft trug er sein Schwert über der rechten Schulter, während seine linke Hand in seiner Hosentasche verweilte. Der Wind wehte stärker als am Abend und blies den Saum des schwarzen offene Hemds, das Law über seinem T-Shirt trug, zur Seite. Die rote Kordel an seiner Schwertscheide schlug immer wieder leicht gegen die Krempe seines Huts. Doch er stand weiterhin wie festgewachsen da. „Ihr habt wirklich Glück, dass meine Laune gerade so miserabel ist, dass ich nicht mal Lust habe, euch auseinander zu nehmen”, gab er zähneknirschend zu, ihre Entschuldigung außer Acht lassend, bevor er sich nun doch umdrehte. Doch sein Blick fiel lediglich auf Penguin, wie auch Shachi auffiel, dessen eigene Augen wieder hinter seiner Sonnebrille verborgen waren, sodass weder sein Freund noch sein Käpt’n sehen konnten, wie sein Augenmerk immer wieder zwischen ihnen hin- und herhuschte. Der Ältere sah nur kurz zurück, bevor er seinen Blick senkte. Die stahlgrauen Augen zeigten deutlich, dass Law gerade nichts von ihm hören wollte. „Auch wenn ich ab und an mehr als nur den Esstisch mit euch teile”, zischte er sehr leise, um sicher zu gehen, dass niemand auf dem unteren Außendeck ihn hören konnte, „heißt das noch lange nicht dass ihr hier tun und lassen könnt was ihr wollt. Wir sind auf der Grandline. Wenn hier jeder macht wozu er gerade Lust hat und pennt bis in die Puppen, obwohl klar ist dass wir ablegen, können wir auch gleich zur nächsten Marinebasis fahren und uns selbst ausliefern.” Nach wie vor haftete Laws Blick nur an Penguin. Er konnte Shachi nicht ansehen. Und zu mehr als diesen Worten, die Beiden galten, war er nicht in der Lage. Sein Kopf schmerzte urplötzlich. Zumal er auch gerade über Anderes viel wütender war als über das Verschlafen. Doch das ging nur den Älteren etwas an, neben dem er nun stehen blieb, als er festen Schrittes auf die Tür zuging. „Und DIR vertrauen wäre das Dümmste, was ich tun könnte, wenn du dich offensichtlich nicht mal selbst unter Kontrolle hast.” Diese Worte flüsterte er zwar so leise, dass nur Penguin sie hören konnte, aber dennoch scharf und bedrohlich. Die Augen des Anderen weiteten sich, während sie weiter auf die Holzplanken zu seinen Füßen starrten. Im nächsten Moment fiel die Tür abermals zu. Während Shachi sich nun umdrehte und etwas geknickt auf die Tür, durch die Law ins Schiffsinnere verschwunden war, schaute, brach in seinem Freund innerlich alles zusammen. Erst jetzt war der Abend wieder völlig präsent in seiner Erinnerung. Er war sich nicht sicher, was Law gemeint hatte: Ob er nur davon gesprochen hatte, wie er ihn im Korridor regelrecht überfallen hatte, obwohl er wusste, dass der Arzt auf keinen Fall wollte, dass jemand von ihnen erfuhr, oder aber, ob ihm jemand berichtet hatte, wie er in der Kneipe aus der Haut gefahren war. Um das alleinige Verschlafen ging es ganz sicher nicht. Wenn er von Letzterem wusste, dann war er darüber sicher nicht begeistert. Nicht nur, dass er mit seinem Verhalten ein schlechtes Licht auf die ganze Mannschaft geworfen hatte, sondern auch, weil Law wahrscheinlich befürchtete, dass ihr Geheimnis bei ihm doch nicht sicher war, wenn er in so einer Situation die Kontrolle verlor. Penguin schluckte unmerklich. Eins war jedenfalls gewiss: Er hatte jegliches Vertrauen, dass Law ihm entgegengebracht hatte, dieses Mal endgültig zerstört. Er hätte jede Strafe für sein Verschlafen auf sich genommen. Aber die Worte, die er ihm gerade entgegengebracht hatten, waren unfassbar schmerzlich. Es war schlimm genug, wenn der eigene Käpt’n so etwas zu einem sagte und einem jedes Vertrauen entzog. Aber es von der Person zu hören, in die man sich verliebt hatte, war um ein Vielfaches schlimmer. Aber es war seine alleinige Schuld, wusste der Schwarzhaarige. Er hatte sich all diese Fehltritte selbst zuzuschreiben. Aus dem Augenwinkel sah Shachi wie regungslos sein Freund war. Er wusste weder von der Auseinandersetzung mit Ban noch davon, was zwischen ihm und Law am Abend auf dem Flur kurz passiert war. Er versuchte zu lächeln: „Hey, da haben wir noch mal Glück gehabt. Ich dachte wirklich, er zerlegt uns.” Penguin sagte nichts. Laws Teufelskräfte zu spüren zu bekommen wäre ihm wesentlich lieber gewesen als das was er zuletzt zu ihm gesagt hatte. Sein Freund bemerkte, dass der Ältere immer noch wie in Trance dastand. „Dass ihn das jetzt so mitnimmt, hätte ich nicht gedacht”, überlegte er. Shachi selbst versuchte für den Moment jeden Gedanken daran, wie der Abend für ihn geendet war, zu verdrängen. Andernfalls würde er wieder in Tränen ausbrechen. Und das wollte er nicht. Nicht jetzt, wo er sah, wie sein bester Freund offenbar ohnehin schon litt. Er fasste ihn am Arm und versuchte ihn mit seiner fröhlichen Art aufzuheitern: „Komm, lass uns unsere Arbeit machen, bevor er es sich anders überlegt und zurückkommt. Ich mag nicht in Einzelteilen von ihm an die Schiffswand getackert werden.” „Mhm”, war alles was Penguin antwortete, bevor er seinem Freund zum Maschinenraum folgte. Law war allerdings weit davon entfernt, es sich anders zu überlegen und sie doch mehr zur Rechenschaft zu ziehen. Es hatte seinen guten Grund, warum er so hastig verschwunden war. Nicht nur, dass die Situation zwischen ihm und den Beiden ihn ohnehin belastete. Er hatte sich plötzlich auch körperlich nicht mehr gut gefühlt. Als er vor ihnen gestanden hatte war ihm urplötzlich kalt und sogar etwas schwindelig geworden. Und der zunächst dumpfe Kopfschmerz war inzwischen immens stark. Daher war auch seine Standpauke so knapp ausgefallen. Nach einem kurzen Abstecher zur Brücke, um dort nach dem Rechten zu sehen, hatte er sich daher wieder in seine Kajüte zurückgezogen. Dort lag er nun mit dem Rücken auf dem Bett, einen Unterarm auf seine Stirn gelegt, während er ein Bein nach dem Ausziehen der Schuhe nicht mal mehr aufs Bett hatte bewegen können, sodass es nun schlapp heraushing. Müde sah er zur Decke. „Das muss der Schlafmangel sein. Mein Körper macht das wohl nicht mehr lange mit.” Er wusste selbst nur zu gut, wie sehr er sich mit seiner Lebensweise schadete. Aber was sollte er machen, wenn ihn immer wieder quälenden Gedanken vom Schlafen abhielten? Wenn er diese ohnehin überwältigende Menge an Dingen in seinem Kopf wenigstens hätte halbwegs ordnen können. Doch momentan fehlte ihm dazu wohl mehr die Kraft denn je. Wahrscheinlich war es das Beste, wenn er nun, wo sie auf offener See waren und er ohnehin bereits den Befehl zum Tauchen gegeben hatte, doch ein paar Stunden schlafen würde. Er wollte sich noch aufrichten, um zur Tür zu gehen und abzuschließen. Doch die einzigen Bewegung, die sein Körper noch zu Stande brachte, war seine Augen zu schließen, bevor sein Arm von seiner Stirn glitt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)