Seelenanker von Torao (From Lust to Heart [Penguin x Law]) ================================================================================ Kapitel 18: Der Preis des Schweigens ------------------------------------ Als einer der Ersten hatte Penguin eines der Außendecks betreten, kaum dass die Polar Tang aufgetaucht war. Doch anders als seine Kameraden war er nicht hier, um in erster Linie die angenehme Seebrise zu genießen, nachdem sie wieder etliche Stunden im auf Dauer recht stickigen Uboot zugebracht hatten. Er stand an der Reling, beide Unterarme auf eben jene gestützt und seine Mütze tief ins Gesicht gezogen, nur um ungestört seinen Gedanken nachzugehen. Es war nun schon eine Weile her seit er Law und Shachi alleine gelassen hatte, doch bereits beim Schließen der Tür war ihm eins klar gewesen: Das war der Zeitpunkt, vor dem er sich in den letzten Tagen so sehr gefürchtet hatte. Der Moment in dem er endgültig akzeptieren musste, dass sein Platz an Laws Seite nur vorübergehend gewesen war und nun einer anderen Person dauerhaft gehörte. Sicherlich sprachen sich die beiden immer noch aus. Penguin hoffte jedoch, dass der Arzt sein Wort halten und nicht doch wieder auf Tuchfühlung mit seinem Freund gehen würde, solange er sein Vertrauensproblem nicht zumindest ihm gegenüber gelöst hatte. Denn seinen kleinen Bruder verletzt zu sehen war wohl das Einzige auf der Welt, das er seinem Käpt’n niemals hätte verzeihen können. Wieder fiel ihm ein, wie Law unter Tränen davon gesprochen hatte, er hätte Shachi bereits wehgetan. Seit er dies gesagt hatte, ging es Penguin immer wieder durch den Kopf, doch vermutete er, dass Law nur dieser Meinung war, weil er nie seine Gefühle dem Jüngeren gegenüber gezeigt geschweige denn ihn während seiner Krankheit hatte sehen wollen. In Penguins Augen waren dies keine Vergehen und er war mehr als überzeugt, dass Shachi sich dadurch nicht verletzt fühlte – das hätte er ihm als sein bester Freund längst anvertraut. Und von nun an würde Law sicher alles erdenkliche tun, um den Jüngeren glücklich zu machen. Penguin sah die beiden bereits nebeneinander stehend – glücklich. Seite an Seite. Er senkte den Kopf und seufzte leise: „Ich hoffe, ich komme schnell damit zurecht” „Womit?” Ruckartig riss er den Kopf hoch, als ihn jemand dies fragte und sich zeitgleich zu seiner Rechten mit dem Rücken und den Ellenbogen an die Reling lehnte. Er schob seine Mütze etwas höher und sah die Person an: „Verdammt, erschreck mich nicht!” „Ach komm”, Ban grinste etwas und zog an seiner Zigarette, ehe er den Rauch in die Luft bließ, „als ob ich dich groß erschrocken hätte. Du hast nicht mal gezuckt.” „Trotzdem schleicht man sich nicht so an”, erwiderte der Andere trocken. „Trainiere endlich dein Observationshaki und du merkst sowas vorher.” Der Blonde konnte das aus eigener Erfahrung sagen, denn in dieser Technik war er Penguin schon lange voraus. „Allerdings, so in Gedanken wie du gerade warst, hätte es dir wohl auch nichts genützt.” Penguin wandte den Blick wieder aufs Meer: „Ich sollte überhaupt mal wieder trainieren.” „Nach der letzten Woche solltest du dir vielleicht erstmal Ruhe gönnen. Ich glaube, du warst deutlich mehr auf den Beinen als jeder andere von uns.” Aus dem Augenwinkel blickte Penguin zu ihm zurück. „Bist du gekommen, um mir Ratschläge zu geben?” Seine Stimme klang ungewollt schroff. Ban schmunzelte kurz und schnaufte: „Deine Laune und dass du hier so rumhängst und grübelst, lässt mich schon wieder vermuten, dass deine gemurmelten Worte gerade eben etwas mit dem Käpt’n zu tun haben.” „Selbst wenn, ginge es dich nichts an.” Bisher war Penguin froh gewesen, dass sein Gegenüber in letzter Zeit nicht mehr dieses heikle Thema angesprochen hatte, aber zu erwarten, dass es gar nicht mehr passieren würde, war dumm, wenn man Ban auch nur halbwegs kannte. „Möglich. Aber wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann hau’s raus.” Einmal mehr sprach wohl der Freund aus dem Anderen. Doch Penguin wies ihn erneut zurück: „Ich brauche deine Ratschläge wirklich nicht.” Was hätte er auch anderes tun sollen? Er konnte mit niemandem über seine Gefühle reden. Und selbst wenn er es gekonnt hätte, was hätte es geändert? Nichts. „Eigentlich bin ich auch zu dir gekommen, weil ich gerade deinen Rat brauche. Aber wenn dir das momentan nicht passt, können wir es auf später verschieben.” Ban drückte sich wieder vom Metall weg. Er suchte seinen Rat? Penguin war überrascht. Es kam nicht jeden Tag vor, dass ausgerechnet der blonde Raucher jemanden um Hilfe bat. Daher und auch weil Ban es nicht verdiente, nochmal von ihm zurückgewiesen zu werden, sah er ihn nun interessierter an. Außerdem wollte er einem Freund immer helfen, wenn er konnte. Und vielleicht würde Bans Anliegen ihn von seinen Gedanken ablenken. „Nein, das passt schon. Worum geht’s?”, erkundigte er sich daher. Ban blickte kurz hinauf zum oberen großen Außendeck auf dem sich einige andere Crewmitglieder tummelten, bevor er beobachtete, wie zwei ihrer Freunde aus dem Hauptteil des Schiffes über das Deck, auf dem sie beide waren, zum Aufenthaltsraum gingen, der nur auf diesem Weg zu erreichen war. „Lass uns das woanders bereden!” Er wandte sich zum Gehen und sah Penguin abwartend an. Dieser richtete sich auf. Es musste etwas Wichtiges, vielleicht sogar heikles sein, wenn Ban nicht wollte, dass andere Ohren es mitbekamen. Penguin nickte und folgte ihm wenig später ins Schiffsinnere. Letztlich fanden beide sich in der Kabine wieder, die Ban sich mit Wakame und zwei anderen teilte. Penguin schloss die Tür hinter sich und zog seine Mütze vom Kopf, die er in die Hosentasche seines nur halbangezogenen Overalls steckte. Es kam eher selten vor, dass er sich bei anderen in der Kajüte wiederfand. Die Räume waren schlichtweg zu klein, als dass man sich darin groß aufhalten wollte. Immerhin war dieser hier deutlich größer als die kleine Kammer, die er mit Shachi bewohnte. Aber hier schliefen auch vier Personen. Und während bei ihm und seinem besten Freund Shachis Sammelsurium aus Figuren und anderen Dingen dazu beitrug, dass es etwas unaufgeräumt wirkte, glichen die Bewohner dieser Kajüte dies durch Wäsche und Zeitschriften, von denen nicht nur eine auf dem Cover von einer wenig bis gar nicht bekleideten Frau geziert wurde, auf dem Fußboden zwischen den beiden Hochbetten aus. An und für sich störte Penguin sich nicht daran, auch wenn er in der letzten Woche die meiste Zeit in der wohl ordentlichsten Kajüte an Bord verbracht und sich doch irgendwie sehr an die Ordnung und Übersichtlichkeit gewöhnt hatte. Verdammt! Wieder führten ihn seine Gedanken zu seinem Käpt’n. Dabei hatte er doch gehofft, Ablenkung zu finden, wenn er seinem Freund folgen würde. Aber so leicht war das wohl nicht. „Hier!” Penguin sah vom Durcheinander auf dem Boden auf, als Ban durch eben jenes zu ihm zurückwatete und ihm einen klein zusammengefalteten Zettel hinhielt, den er soeben aus einem der beiden Nachttische geholt hatte. Fragend nahm er ihn entgegen und begann ihn aufzufalten. Das Papier entpuppte sich größer als ursprünglich vermutet. Als er es letztlich ganz geöffnet hatte, weiteten sich Penguins Augen schlagartig. „So habe ich auch geschaut, als ich es neulich aus der Zeitung gefischt habe. Ich weiß nicht, wie das schon wieder passieren konnte.” Ban klang nun alles andere als erfreut. Und Penguin teilte dieses Gefühl umgehend, angesichts des offiziellen Steckbriefes in seinen Händen, die sich nun etwas fest um das Papier schlossen, sodass es leicht an den Rändern zerknitterte. Darauf war das Foto ihres Käptn’s und augenblicklich war dem Schwarzhaarigen die Summe darunter ins Auge gesprungen: Sein Kopfgeld belief sich nun auf dreihundert Millionen Berry - damit hatte es sich erneut um fünfzig Millionen erhöht. „Warum?” Penguins Augenbrauen zogen sich finster zusammen. „Es wurde erst erhöht, kurz nachdem wir Amazon Lily verlassen und die beiden lächerlichen Piratenbanden wenig später besiegt hatten.” „Das wollte ich dich eigentlich fragen. Vielleicht ist die Marine der Meinung, dass fünfzig Millionen nicht genug waren. Immerhin hat er dem Strohhut geholfen. Aber um ehrlich zu sein werde ich das Gefühl nicht los, dass er irgendetwas hinter unserem Rücken treibt, was viel mehr dafür verantwortlich ist. Und ich hatte gehofft”, Ban verschränkte die Arme vor der Brust, „dass du vielleicht etwas darüber weißt.” Penguin sah kurz auf. Seine Miene war immer noch ernst. „Warum sollte ich mehr wissen als du? Du hast ein ziemlich falsches Bild. Wie ich dir schon neulich gesagt habe: Ich stehe ihm nicht näher als du.” Wieder schmerzte es bei seinen eigenen Worten in Penguins Brust . Doch natürlich ließ er sich das nicht anmerken und blickte wieder auf das Fahndungsblatt, von welchem ihn der Mann, den er liebte, mit einem etwas frechen Lächeln auf den Lippen ansah. Ban antwortete: „Du hast bei mir den Eindruck erweckt, seit du dich in der Bar so aufgeregt hast. Und du hast dich in den vergangenen Tagen wirklich mehr als selbstaufopfernd um ihn gekümmert.” Auch wenn er damit voll ins Schwarze traf und Penguin dieses nur zu gut wusste, blieb dieser gefasst: „Du kennst mich schlecht, wenn du denkst, dass das irgendetwas zu bedeuten hätte. Ich würde wohl sogar dir jedes Körperteil hinterhertragen, wenn man es dir im Kampf abschlagen würde.” Ban wusste wie hilfsbereit Penguin war und dieses „sogar dir” nur eine Stichelei unter eigentlich wirklich guten Freunden war. Dementsprechend begegnete auch er ihm mit etwas Humor: „Kann ich schriftlich haben, dass das auch für meinen Schwanz gilt? Der ist mir nämlich besonders wichtig.” Penguin schnaufte kurz spöttisch, dabei weiter auf Laws Foto blickend: „Als würdest du dir ausgerechnet DEN abhacken lassen. Eher rammst du dir doch die Klinge deines Gegners selbst durchs Herz.” „Auch wieder wahr”, witzelte der Andere, bevor Penguin wieder zum Ernst der Sache zurückkehrte. „Vielleicht hängt die Erhöhung auch mit dem Piraten zusammen, mit dem er sich neulich alleine angelegt hat”, überlegte er und dachte dabei an Laws Schusswunde, die inzwischen weitestgehend verheilt war. Jeder wusste, dass die Spuren, die ihr Käpt’n nach einem Kampf hinterließ, auch die Marine mittlerweile schnell zum Anführer der Heart Pirates führten. Schließlich gab es wohl sonst niemanden auf der Welt, der seine Gegner zerstückelt zurückließ ohne sie getötet zu haben. Ban jedoch hatte dagegen einen Einwand: „Dann müsste das ein ganz schönes Kaliber gewesen sein, damit es der Marine fünfzig Millionen wert ist. Aber bis auf den Schuss hat er nichts abbekommen. Nicht, dass wir uns missverstehen und du mir wieder vorwirfst, mir würde es an Respekt ihm gegenüber mangeln, aber für die Summe müsste er es mit einer ordentlichen Hausnummer aufgenommen haben. Und dann wäre auch er nicht nur mit dieser Kleinigkeit davon gekommen, wenn er alleine war.” Penguin konnte nicht abstreiten, dass da etwas Wahres dran war. Fünfzig Millionen setzte die Marine sicher nicht auf jemanden aus, der nur eine Eintagsfliege erschlagen hatte. Aber Laws übersichtliche Blessuren ließen wirklich nicht darauf schließen, dass sein Gegner allzu viel zu bieten gehabt hatte. Ban wiederholte daher seine Vermutung: „Eine nachträgliche weitere Erhöhung wegen der Sache mit dem Strohhut erscheint mir selbst für die Dumpfbacken der Regierung zu unlogisch. Er tut irgendwas, wovon wir nichts mitbekommen, die Marine aber schon. Und wofür sie ihn jetzt nochmal hochgestuft haben. Anders kann ich es mir nicht erklären.” Penguin schwieg und blickte weiter auf den Steckbrief. Nun erinnerte er sich wieder daran, wie er Law auf dem Flur angetroffen hatte, nachdem er angeschossen worden war, und wie dieser nicht zum ersten Mal den Lagerraum, zu dem nur er Zutritt hatte, verschlossen hatte. Hing es möglicherweise damit zusammen? Auch Ban, der genau wie der Rest der Crew von diesem Raum wusste, dachte wohl in selbige Richtung: „Vielleicht versteckt er sogar irgendetwas vor uns hier auf dem Schiff. Und wir sind alle so blind und bekommen es nicht mit.” Penguin reagierte nun unerwartet abrupt: „Möglich. Aber selbst wenn, wird er mir nicht mehr davon erzählen als dir.” Er begann den Steckbrief wieder zusammenzufalten. „Schade”, der Unterton in Bans Stimme klang irgendwie merkwürdig, „aber eigentlich hatte ich auch nicht wirklich Hoffnung, dass es anders sein könnte. Er ist eben wie er ist. Letztlich wollte ich dich auch nur fragen, ob du der Meinung bist, dass wir ihn ihm geben sollten? Ich meine, ob er schon wieder fit genug ist. Schmecken wird es ihm sicher nicht.” „Hast du ihn deswegen aus der Zeitung genommen?” Penguin sah ihn an. Ban nickte: „Ich dachte mir nach unserem Gespräch an dem einen Morgen an Deck, dass es auch so schon genug gibt was ihm zusetzt, auch ohne Grippe. Da fiel mir ein, welches Gesicht er immer gemacht hat, wenn sonst ein Steckbrief von ihm in der Zeitung war, und dass ihm das in dem Zustand wohl noch weniger bekommen würde. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass wieder ein neuer veröffentlicht werden würde, aber ich dachte mir sicher ist sicher. Also habe ich jeden Morgen die Steckbriefe erst durchgesehen, bevor du oder sonst jemand die Zeitung zu ihm gebracht hat. Als ich den dann vor einigen Tagen entdeckt habe, habe ich ihn direkt einkassiert. Erst wollte ich ihn sogar gleich über Bord werfen, da ich ohnehin draußen war. Aber irgendwann muss er ja davon erfahren. Und er wird mich wohl so schon dafür lynchen.” Aufmerksam lauschte der Schwarzhaarige der Erklärung des Anderen, bevor er wieder auf das gefaltete Papier in seiner Hand sah. „Das wird er vermutlich”, stimmte er zu, „aber ich finde du hast die richtige Entscheidung getroffen. Zwar ging es ihm eh so bescheiden, dass er die Zeitungen bis heute noch nicht alle durch hat, aber wenn ihm der Steckbrief dennoch in die Hand gefallen wäre, wäre das definitiv nicht gut gewesen.” Ban schien etwas erleichtert, dass sein Freund bestätigte, dass er zum Wohle ihres Käptn’s gehandelt hatte. „Du hättest es mir aber sagen können”, kam anschließend jedoch der Vorwurf, wobei Penguin ihm wieder ins Gesicht blickte. „Und dich damit noch mehr belasten? Ich denke, du hattest genug um die Ohren und andere Sorgen.” Ban hielt ihm die Hand hin, um das Flugblatt wieder entgegen zu nehmen. Allerdings händigte Penguin es ihm nicht aus, da er noch über Bans Worte nachdachte, zeigten sie ihm doch wieder einmal, dass er ein wahrer Freund war. „Hmm”, antwortete er jedoch nur, „und was hast du nun vor? Willst du ihn ihm jetzt bringen?” Ban hielt ihm die Hand weiter hin: „Wenn du der Meinung bist, dass das seiner Gesundheit jetzt nicht mehr schaden würde. Aufregen wird er sich so oder so, alleine schon weil ich es ihm vorenthalten habe.” „Wird er vermutlich. Aber im Moment”, Penguin musste kurz überlegen, wie er den Satz fortführte, „will er ungestört sein.” „Dann gebe ich ihm den später”, schlug Ban vor. Penguin jedoch steckte überraschend den Steckbrief in eine seiner hinteren Hosentaschen: „Erledige ich, wenn ich wieder zu ihm gehe. Er will euch alle noch etwas meiden, auch wenn er nicht mehr ansteckend ist, nur um kein Risiko einzugehen.” Nun ließ Ban die Hand sinken, legte jedoch die Stirn unter seinem Stirnband in Falten: „Denk aber nicht mal dran, den Rüffel, der mir gebührt, einzustecken.” Penguin schmunzelte: „Sicher nicht. Den kannst du dir später schön selbst abholen.” „Denk an meinen Schwanz, falls der dran glauben muss!”, grinste Ban. Sein Gegenüber musste lachen: „Solange er deine Arme und Hände dran lässt, kannst du den selbst aufsammeln.” Trotz der eigentlich ernsten Angelegenheit, über die sie eben noch gesprochen hatten, lachten beide – innerlich hoffend, dass auch ihrem Käpt’n nicht jedes Lachen vergehen würde, sobald er den Steckbrief in Händen hielt. Der Tag strich dahin. Penguin, der es noch nicht wieder gewagt hatte zur Kapitänskajüte zurückzukehren, da er nicht wusste, ob Shachi noch dort war, versuchte sich im Maschinenraum durch Arbeit von seinen missmutigen Gedanken abzulenken. Ohnehin hielt er es für nötig, seinen Freunden hier wieder zur Hand zu gehen. Dass es nicht viel zu tun gab und nicht nur Ban ihm inzwischen gesagt hatte, er solle sich lieber etwas Ruhe gönnen, ignorierte er schlichtweg. Erst als er zum wiederholten Mal nicht mitbekam, dass einer seiner Kameraden ihn ansprach, weil er wieder begonnen hatte zu grübeln, wurde Ban, der erneut Zeuge davon geworden war, lauter. „Verdammt, Alter”, fuhr er ihn an, was wirklich im gesamten Raum gut zu hören war, da sie segelten und daher die Maschinen nahezu gänzlich schwiegen, „jetzt hau’ dich aufs Ohr, bevor ich dich ins Bett prügel!” Der Angesprochene legte sein Werkzeug beiseite und seufzte: „Aye.” Inzwischen fand er selbst, dass er den Anderen wenn überhaupt nur im Weg stand, als dass er hier nützlich war. Somit verließ er unter den Blicken seiner Freunde den stickigen Raum, nicht mitbekommend, das ein Hauch Besorgnis in Bans Augen geschrieben stand. Auf dem verlassenen Gang blieb er kurz stehen und blickte auf seine etwas schmutzigen Hände. Auch sein Overall und seine nackten Arme wiesen den ein oder anderen Ölstreifen auf. Doch der Grad der Verschmutzung war nichts im Gegensatz zu dem, mit dem er sonst nach der Arbeit die Duschen aufsuchte. Dennoch erschien es ihm viel, nachdem seine Haut in den letzten Tag gänzlich sauber geblieben war. Nicht, dass es ihm etwas ausmachte, schmutzig zu werden, alles was ihn gerade daran störte war, dass es ihm erneut bewusst machte, dass sein Platz an Bord nicht der war, den er sich so sehr wünschte. Er mochte zwar seine Aufgabe, schraubte mit Vergnügen an der Technik herum und hielt gerne mit den Anderen das Schiff in Gang. Doch er hätte keine Sekunde gezögert, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, seine Tätigkeit der vergangenen Woche wieder im vollen Umfang aufnehmen zu können. „Ich wünschte, diese Hände könnten sich weiterhin weniger um die Maschinen kümmern als um dich.” Er presste die Lippen bei diesem Gedanken fest zusammen. Natürlich wollte er nicht, dass es Law wieder schlecht ging. Alles was er damit meinte war, dass er sich generell ganz offen um ihn kümmern und sorgen wollte und dass Law sich ihm anvertraute und nach seiner Hand griff, wenn er sie brauchte. Es war so unfassbar schwer, sich damit abzufinden, dass dem nie so sein würde. Die Hände sinken lassend, schlug er langsam den Weg zu seiner Kabine ein, wie er es immer tat bevor er duschen ging. Fälschlicher Weise rechnete er wieder damit, einen verlassenen Raum zu betreten. Doch auch dieses Mal überraschte ihn Shachi, als er auf seinem Bett lag – mit geschlossenen Augen, ohne Oberteil und erschöpft wirkend. Umgehend schoss Penguin nur eins durch den Kopf: Warum? Warum dieser Anblick? Es konnte nur eins bedeuten: Law hatte nicht Wort gehalten. War nicht alles schon schlimm genug? Musste er ihm, Penguin, damit noch mehr zusetzen? Aber wie hatte er ihn auch um so etwas bitten können? Es war eine Sache zwischen dem Arzt und Shachi, die ihn rein gar nichts anging. Leise schloss er die Tür hinter sich. Dennoch schlug sein Freund, der wohl nur etwas eingedöst war, die Augen auf. „Oh, Peng.” Er richtete sich auf. „Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken. Dachte du wärst noch bei ihm.” Umgehend wandte der Ältere sich wie schon neulich dem Schrank zu, um Shachis Blick auszuweichen. „Beim Käpt’n?”, fragte der Jüngere. Er nannte ihn nicht bei seinem Namen? Hatte Law ihn noch nicht darum gebeten? Doch sicherlich. Shachi tat es nur vor ihm nicht. Wissend, dass der Kleinere ihn noch ansah, nickte Penguin lediglich. Es dauerte einen Augenblick, bevor Shachi leise sprach, den Blick dabei nun abgewandt: „Nein, ich habe mit ihm über alles geredet, was es zu bereden gab. Und er sollte sich noch ausruhen.” Bei letzterer Aussage konnte Penguin sich ein höhnisches Schnaufen nicht verkneifen, erschien sie ihm doch absurd, nach dem was beide offensichtlich getan hatten. „Was?”, kam es daraufhin irritiert von seinem Freund. „Nichts”, Penguin schloss den Schrank wieder. „Bin duschen.” Ohne einen weiteren Blick zu Shachi oder diesem noch die Möglichkeit zu geben, irgendetwas zu sagen, war er wieder aus dem Raum. Innerlich verurteilte er sich für dieses Verhalten. Es gab keinen Grund, dass er ihn wieder so behandelte, schließlich hatte Shachi sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er hätte sich für ihn freuen sollen. Aber er konnte es gerade nicht – noch nicht. Zudem spürte er, wie ein Anflug von Wut gegenüber Law sich in ihm breit machte, weil diesem Sex scheinbar wichtiger war als Vertrauen gegenüber dem Menschen, die er liebte. Wobei ihm das vorallem so nahe ging, weil es Shachi betraf. Noch niedergeschlagener als zuvor ging er in Richtung Duschraum und zog dabei seine Mütze, die er, seit er bei Ban in der Kabine gewesen war, nicht wieder aufgesetzt hatte, aus der Tasche. Dabei fiel ihm ein, dass das nicht das Einzige war, was er in seinen Taschen mit sich trug. Er blieb stehen, zögerte kurz und zog dann den Steckbrief aus der Hose. Sein Blick fiel auf das Stück Papier: Vielleicht war es dumm gewesen, Ban die Sache aus der Hand zu nehmen. Er wollte jeden Kontakt zu ihrem Käpt’n jetzt erst Recht meiden. Aber er konnte nun auch nicht einfach zu Ban gehen und sagen, er hätte es sich anders überlegt. Wie hätte das ausgesehen? Der Raucher hätte sich sicher wieder sein eigenes Bild zusammengereimt. „Ich könnte ihm den jetzt eben geben und mich dann aus der Affäre ziehen, weil ich duschen will”, überlegte er schweigend. Aber wer wusste, wie Law reagieren würde? Vielleicht würde es ihm wieder sichtlich schlechter gehen? Dann konnte er doch nicht einfach gehen. Andererseits –. „Das ist nicht meine Aufgabe. Dann schicke ich eben Shachi zu ihm. Der muss eh lernen damit umzugehen, dass Law nicht so unverwundbar ist, wie er denkt.” Damit war die Sache für ihn beschlossen, sodass er sich wenig später vor Laws Kabine wiederfand. Beinahe wäre er einfach so hereinspaziert, bevor ihm einfiel, dass auch diese Freiheit ihm nun wohl wieder genommen war. Mit ernster Miene klopfte er an und trat ein, als man ihn von der anderen Seite hereinbat. Umgehend und wie ferngesteuert fiel sein Blick aufs Bett. Nicht nur, weil er sich daran gewöhnt hatte dort als erstes prüfend hinzusehen, sondern viel mehr um festzustellen, dass es kaum verwüstet sondern fast ordentlich gemacht war. Sein Käpt’n hatte vermutlich schon damit gerechnet, dass er, Penguin, nochmal wiederkehren würde, weshalb er alle verräterischen Spuren seines Tuns mit Shachi hatte verwischen wollen. Als Zweites fiel ihm auf, dass Law den Tee auf dem Nachttisch wohl nicht mal angerührt hatte, da die Tasse immer noch voll war. Aber das war wohl jetzt ebenfalls nicht mehr seine Baustelle. „Ach, du bist es”, kam es dennoch überrascht vom Schreibtisch, wo Law saß, scheinbar eine der Zeitungen studierte, und sich nun zur Tür umgedreht hatte. Im Gegensatz zu Shachi war er gänzlich bekleidet – sicherlich ebenfalls nur Tarnung. Das Überraschen in Laws Stimme setzte Penguin einmal mehr zu. Scheinbar rechnete der Andere schon gar nicht mehr mit ihm. So schnell konnte es also gehen. Dass Law in Wirklichkeit überrascht war, weil er bei ihm mit keinem Klopfen mehr gerechnet hatte und daher gedacht hatte, dass jemand anderes vor der Tür stand, zog er nicht in Erwägung. „Sind die Duschen kaputt?” Erst bei dieser Frage sah Penguin richtig zu ihm und bemerkte, wie der Jüngere ihn etwas ungläubig musterte. Er sah kurz an sich hinab, bevor er wieder ernst zu ihm zurückblickte: „Nein, ich bin auf dem Weg dahin. Ich wollte dir vorher nur das hier geben.” Festen Schrittes ging er um das Bett herum, wobei ihm nicht entging, wie Laws Blick weiter an seinem Körper haftete. Wirkten seine Muskeln im dreckigen Zustand gerade etwa noch anziehender auf ihn, als sie es sonst schon immer getan hatten? Dem Blick nach ja. Aber es spielte keine Rolle mehr. Zumindest nicht für Penguin. Er versuchte es zu ignorieren und reichte ihm das Papier. Den Blick immer noch auf seine nicht bedeckten Oberarme gerichtet, nahm der Arzt es entgegen, bevor er es schaffte, sich von dem ungewohnten Anblick zu lösen und es aufzufalten. Sein Gesichtsausdruck, der durchaus wieder einen Hauch Lüsternheit angenommen hatte, schlug in einen sehr ernsten um. Ein Moment verging. Penguin überlegte, was gerade in seinem Gegenüber vorging. „Wieso ist er nicht in der Zeitung?” Diese Frage war zu erwarten gewesen. „Ban hat ihn herausgenommen, damit er dir im kranken Zustand nicht noch mehr zusetzt. Und damit hat er meiner Meinung nach genau richtig gehandelt”, verteidigte Penguin seinen Freund. „Hmm.” Die Antwort war knapper als er es erwartet hatte. Und noch viel weniger hatte er mit der folgenden Reaktion Laws gerechnet, als dieser das Papier vollkommen zerknüllte und gleichgültig in den Abfall warf. „Das ist alles?”, sprach er aus, was er dachte. Law sah wieder auf die Zeitung und antwortete desinteressiert: „Was erwartest du sonst?” „Dass du mir zum Beispiel sagst, woher die fünfzig Millionen plötzlich kommen?” Eigentlich hatte Penguin das nicht sagen wollen, da er keine Offenheit des Anderen erwartete. „Frag doch die Marine oder noch besser die Weltregierung. Was weiß ich, was in den Hohlköpfen vorgeht. Und was sind schon dreihundert Millionen”, beiläufig blätterte der Arzt um, bevor er ebenso monoton weitersprach, „wenn man viel wertvolleres hat, wofür die Leute einem an den Kragen wollen?” Die Zeitungsseite noch nicht ganz umgeschlagen, hielt Law plötzlich wie erstarrt inne. Offensichtlich hatte er wieder etwas kundgetan, was er für sich hatte behalten wollen. Dabei sah es ihm nun wirklich nicht ähnlich, dass ihm so etwas einfach herausrutschte. Auch Penguin war überrascht, fasste sich jedoch wieder: „Und das wäre?” Law brauchte einen Augenblick, ehe er seine kühle Fassade zurückerlangte und die Seite gänzlich umschlug: „Unwichtig. Geh lieber duschen, bevor dein ölverschmierter Körper mich wieder auf Dummheiten bringt, die du mir ja noch nicht wieder erlauben willst.” Penguin wusste nur zu gut was er meinte. Und auch wenn es ihm schmeichelte, ja ihn sogar selbst etwas erregte, dass Law seinen optischen Zustand noch anziehender fand als sonst, beherrschte er sich, dem nachzugeben. Er wandte sich zum Gehen, blieb jedoch an der Tür nochmals kurz stehen und sprach aus, was für ihn längst beschlossene Sache war: „Ich werde sie dir nie wieder erlauben. Jedenfalls nicht mit mir.” Damit fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und er ließ einen Mann zurück, der erneut wie versteinert auf das graue Papier vor sich blickte. Was hatte er da gerade gesagt? Meinte er das ernst? Aber warum? Was hatte er, Law, verbrochen, dass Penguin diesen völligen Schlussstrich zog? „Wegen meinem Vertrauen?”, ging es ihm durch den Kopf. Er erinnerte sich, als er Penguin offenbart hatte, dass er auch ihm beim Sex nicht vertrauen konnte. Hatte ihn das so sehr getroffen? Vermutlich. Law schloss die rechte Hand, die er zwischenzeitlich auf das Zeitungspapier gelegt hatte zur Faust und zerknüllte damit nun auch die Seite. Er hatte gehofft, Penguin würde das nicht allzu sehr mitnehmen und so würde er weiter in den Genuss kommen mit ihm zu schlafen, sodass er immer noch etwas von seiner Nähe hatte, die er nicht ganz missen wollte. Aber scheinbar hatte er da falsch gelegen. Sein mangelndes Vertrauen machte wirklich alles kaputt. Nun war ihm auch klar, warum er ihn schon am Vormittag zurückgewiesen hatte. „Aber es geschieht mir so recht.” Verbissen kniff der junge Arzt die Augen zu, wobei er zurecht vermutete, dass er Penguin an diesem Tag nicht mehr zu Gesicht bekommen würde. Erst am nächsten Morgen kam es wieder dazu und zwar als Law ohne Vorankündigung plötzlich in der Kombüse stand, wo der Großteil der Crew saß und frühstückte. „Käpt’n!” Nicht nur Bepo strahlte vor Freude über beide Ohren als er in der Tür stand und ihn erstmalig seit Ausbruch seiner Krankheit wieder zu Gesicht bekam. Eilig sprang der Eisbär auf, spurtete auf Law zu, schloss ihn in seine Arme und drückte ihn fest an sich: „Ich bin so froh, dass es dir wieder gut geht.” Er war zweifelsohne der Einzige an Bord, der in dieser Form überreagieren durfte, ohne Konsequenz fürchten zu müssen. „Diese Momente in denen sich unser Vize aufführt wie ein zu groß geratenes Haustier, das sein Herrchen vermisst hat, sind und bleiben einmalig”, witzelte einer der Anderen. Law weiter festhaltend, wandte Bepo seinen Kopf herum und funkelte ihn zornig an, dabei auch durchaus seine scharfen Fangzähne zeigend: „Das Haustier frisst dich gleich als zweites Frühstück!” Doch sein leichter Zorn wich umgehend, als er neben sich ein leises Lachen hörte, was auch dem Rest der Crew mehr als gefiel. Law klopfte seinem Vertreter etwas mit der Handfläche auf die Brust: „Danke, Bepo, dass du die Chaoten an meiner Stelle so gut im Griff hattest in den letzten Tagen. Aber wenn du so weiter machst, brichst du mir wohlmöglich das Rückgrat und dann musst du die Aufgabe weiterhin übernehmen.” Der Bär realisiert nun, wie fest er den schmalen menschlichen Körper an sich gedrückt hatte, ließ umgehend von ihm ab und verbeugte sich reumütig: „Entschuldigung.” Wieder schmunzelte Law und tätschelte ihm kurz den herabgebeugten Kopf, bevor er auf seinen freien Platz am Kopf des Tisches zuging. Jeder der Anwesenden beobachtete ihn dabei mit einem freudigem Lächeln auf den Lippen, dem seine Rückkehr in ihre Runde zugrunde lag – jeder bis auf einen. Und das entging auch Law nicht. Im Augenwinkel sah er Penguin, der mit am Tisch saß und nicht mal aufsah. Er blickte einfach nur emotionslos auf seinen Teller, während sogar Shachi neben ihm dieses Mal breit lächelte. Jedoch reagierte der Chirurg nicht darauf, sondern setzte sich und bekam sogleich von Dai einen Kaffee vor die Nase gestellt. Endlich wieder Kaffee. Das erschien Law nach seiner unfreiwilligen Tee-Kur gerade wie der Himmel auf Erden. „Danke”, reagierte er, als Tomo ihm auch schon die Zeitung zuschob. Law nahm sie entgegen und schmunzelte abermals, sich innerlich freuend, dass seine Mannschaft so sehr aus dem Häuschen war. Und es fühlte sich auch für ihn unerwartet gut an. Ihm war es nie so bewusst gewesen, aber ihm hatte es tatsächlich gefehlt mit seinen Leuten zusammen zu sein. Noch vor seiner Erkrankung hätte er felsenfest behauptet, dass es ihm völlig unbedeutend war. Aber in diesem Augenblick stellte er fest, dass das eine glatte Lüge gewesen wäre. Penguin hatte wohl doch ein Stück Recht gehabt, als er ihm gesagt hatte, dass sie längst mehr waren als nur eine Gruppe von Individuen – dass sie so etwas wie eine Familie waren. „Wie fühlst du dich?”, erkundigte Kanaye sich. „Wieder gut genug, um jeden von euch zu zerlegen, wenn er Scheiße baut.” Law sah ihn mit einem weiteren Schmunzeln auf den Lippen an. „Alles klar”, lachte der Andere. Law sah zu Penguin hinüber, doch seine Haltung war unverändert. Nicht mal als Shou über ihn sprach, reagierte er äußerlich: „Wir hatten schon gedacht, dass du die Bazillenschleuder verjagt hast, weil er hier war, du aber bis gerade nicht.” Nun wurde Laws Blick ernst und er sah Shou an: „Hör auf ihn so zu nennen!” Dass Penguins Augen sich nun minimal weiteten, während er auf das Onigiri starrte, dass er sich gerade unauffällig genommen hatte, entging dem Arzt. „Aber es ist doch so passend!”, grummelte Shou. Kanaye widersprach: „Ist es nicht. Das habe ich dir schon mehrfach erklärt. Bazillen und Viren sind unterschiedliche Dinge.” „Das zum Einen”, mischte Law sich ein, „und zum Anderen nennt ihn niemand mehr von euch so oder ähnlich.” Er sah durch die Runde, welche nun etwas ehrfürchtiger zurückblickte. „Aber er hat dich angesteckt”, versuchte Shou ein letztes Mal seinen so geliebten Spitznamen für Penguin zu retten. Doch vergebens, wie Law ihm deutlich machte: „Mag sein. Aber ohne Penguin würde ich wahrscheinlich jetzt noch nicht wieder hier sitzen – vielleicht sogar gar nicht mehr. Also Schluss mit dem albernen Namen und keine Widerworte mehr.” Bei seinen letzten Worten sah er wieder durchdringend Shou an, der sich nun etwas kleiner machte. Zu aller Verwunderung war es jedoch Penguin, der nun den Mund aufmachte und dabei gleichgültig an seinem Tee nippte: „Tu nicht so als hätte ich irgendwas weltbewegendes getan, Käpt’n. Tee an dein Bett stellen hätte hier jeder hinbekommen.” Die Blicke wanderten zu ihm und wieder zurück zu ihrem Anführer. Dieser jedoch blieb gefasst, obwohl ihm sein Titel aus Penguins Mund wieder missfiel, nahm seine Kaffeetasse auf und antwortete trocken: „Ich sagte doch, dass ich keine Widerworte mehr hören will. Lebt damit, dass es jetzt wieder ist, wie ich es sage.” „Aye, Käpt’n!”, schoss es augenblicklich aus dem Jüngsten heraus. Penguin hingegen zischte nur leise in seine Tasse: „Tzz. Aye.” Als hätten auch die Grandline und sein Schiff darauf gewartet, dass Law erst wieder genesen war, bevor sie an fremden Ufer anlegten, verkündete Bepo dem Arzt gegen Mittag, dass sie noch an diesem Tag endlich die nächste Insel erreichen würden, wenn sie so weiter segelten oder auf Motorbetrieb umstellen würden. Die Nachricht verbreitete sich schnell in der Mannschaft und sorgte für große Freude nachdem sie in letzter Zeit durch Laws Verfassung den Großteil der Zeit unter Wasser und damit im Schiff eingesperrt verbracht hatten. Laws eigene Freude hielt sich in Grenzen. Generell machte er keine Jubelsprünge, wenn sie neues Territorium betraten, schließlich wusste man nie, was einen erwartete. Aber heute wurde seine Stimmung besonders vom Vortag gedrückt, an dem er hatte verstehen müssen, dass nun zwischen ihm und Penguin alles wieder so sein würde wie einst, bevor er sich im Suff seinem Verlangen hingegeben hatte. Zwar hatte er selbst mehrfach gesagt, er wolle dahin zurück, doch wusste er ja nur zu gut, dass das eigentlich nicht der Wahrheit entsprach. Aber nun war es wohl die Wahrheit. Denn Penguin zeigte ihm auch an diesem Tag sehr deutlich, wie ernst es ihm war. Die ohnehin schon recht kühle Distanz der letzten Tage war nun endgültig auf ihrem Maximum angelangt. Mehr Abstand ging wohl nicht mehr, solange keiner von ihnen von Bord sprang. Dass damit der Abstand zwischen ihnen nicht nur körperlich sondern auch mental viel weiter war, als früher, bevor alles angefangen hatte, war Law mehr als bewusst. Und es gefiel ihm überhaupt nicht. Selbst wenn er sich einreden wollte, dass es ihm egal sein konnte, misslang ihm dies kläglich. Aber wie sollten sie wieder zur ursprünglichen Normalität zurückkehren nach allem was war? Ging das überhaupt? Bis vorgestern hatte Law noch gedacht, der größte Konflikt bestünde zwischen ihm und Shachi. Aber der war wohl nie so groß gewesen, wie er gedacht hatte. Zumindest erschien er ihm beigelegt, auch wenn er sich tief in seinem Inneren immer noch dafür Schelte erteilte, dass er den Jüngeren ausgenutzt hatte. Aber jetzt hatte er diese stille Auseinandersetzung mit Penguin. Und diese lag ihm merkwürdiger Weise noch viel schwerer im Magen. Ob es sich auch einfach so geradebiegen ließ wie es bei Shachi den Anschein gemacht hatte? Und wenn ja, wie sollte er es angehen? War wirklich sein fehlendes Vertrauen das Problem? Oder stieß er Penguin unbewusst mit etwas anderem von sich? In der Hoffnung, dass die frische Luft an Deck, die nun sogar er nach all den Tag in seiner Kajüte zu schätzen wusste, ihm beim Nachdenken helfen würde, trat er mit seinem Schwert auf der Schulter hinaus. Doch scheinbar war er nicht der Einzige, der im Meerwind Zuflucht suchte. Ausgerechnet Penguin saß im Schneidersitz an der Reling am Bug, die Mütze tief ins Gesicht gezogen und die Arme verschränkt. War er eingeschlafen? Law ging näher an ihn heran. Vom unteren Außendeck schallte das Gespräch zwischen einigen Crewmitgliedern an sein Ohr. Aber er schenkte dem keine Beachtung. Stattdessen ging er nach kurzem Innehalten auf den Älteren zu und hockte sich vor ihn, sodass er in sein Gesicht sehen konnte: Er schlief tatsächlich. Law musste kurz schmunzeln, bevor er gegen den Schirm seiner Mütze schnippte. Abrupt schlug Penguin die Augen auf und sah ihn irritiert an. „Geh ins Bett!” Der Jüngere bemühte sich zu lächeln, trotzallem was in ihm vorging und was nur noch verstärkt wurde, als er in die inzwischen so vertrauten dunklen Augen sah. Penguin rieb sich den Nacken und richtete sich auf: „Geht schon. Bin nur kurz weggenickt.” Law folgte ihm zunächst mit dem Blick, bevor auch er sich wieder aufstellte. „Du musst hundemüde sein, so viel wie du geleistet hast. Du hast kaum geschlafen”, sagte er ruhig. „Quatsch, mir geht’s bestens. Und wir legen bald an”, Penguin sah zum Horizont an dem die angekündigte Insel bereits zu sehen war, „da werde ich gebraucht.” „Das bekommen wir auch ohne dich hin. Mir wäre es wirklich lieber, du würdest dir einfach richtig Schlaf gönnen”, wiederholte der Arzt. „Sagst ausgerechnet du, Käpt’n?” Wieder hatte er es getan: Seinen Titel statt seines Namens benutzt. Zwar bestand die Möglichkeit, dass sie jemand hörte, sodass es so sicher besser war. Aber dennoch klang es für Law aus Penguins Mund wiederholt unangenehm. „Machst du das mit Absicht?”, fragte er letztlich. Penguin sah ihn aus dem Augenwinkel an: „Was?” „Mich wieder so anzusprechen? Ich weiß, wir sind hier nicht unbedingt alleine”, Law sprach deshalb nun auch wesentlich leiser, „aber das gerade kam mir wie schon gestern übertrieben betont von dir vor.” Penguin konnte nicht verleugnen, dass er tatsächlich etwas mehr Betonung in das „Käpt’n” gelegt hatte, als er es für gewöhnlich getan hätte. Vielleicht hatte er damit nun auch verraten, wie er innerlich wirklich fühlte und Law suchte deswegen nun das Gespräch, um ihn zu vertrösten? Aber welche Rolle spielte das noch? Er sah wieder weg: „Tut mir leid. Ich versuche nur wieder alles so werden zu lassen, wie es war. Aber das fällt mir auch nicht allzu leicht. Die letzten Tage sind an mir nicht ganz spurlos vorbeigegangen und es ist merkwürdig, dich wieder so zu sehen. Auch wenn es mich natürlich freut, dass du so schnell wieder gesund bist, wo es anfangs so schlimm war.” „Ganz gesund bin ich noch nicht. Ich sollte eigentlich auf dich hören und noch kürzer treten. Aber das fällt mir schwer”, gab Law nun erstmals zu. „Dass es so schnell ging, habe ich außerdem nur dir zu verdanken.” „Ich sagte doch schon beim Frühstück, dass ich nichts Besonderes getan habe. Stell mich nicht als Helden hin.” Penguin sah ihn weiterhin nicht an. „Doch das hast du. Du”, Law schluckte kurz, „weißt selbst, dass du mehr getan hast, als mir nur Tee zu bringen. Viel mehr.” Auch wenn er fast flüsterte und der Wind bald lauter war als seine Stimme, verstand Penguin jedes Wort. Dennoch reagierte er nicht. „Ich weiß”, fuhr Law letztlich fort, „dass ich mich falsch verhalten habe und nicht ehrlich zu dir war. Ich hätte dir von Anfang an sagen sollen was Sache ist. Aber ich kann es nicht mehr ändern.” „Das erwarte ich auch nicht”, antwortete der Ältere ruhig. „Was erwartest du dann von mir?”, wollte Law wissen. „Nichts. Nur dass du mir die Zeit gibst, wieder zu mir selbst zu finden und mich mit der Sache zu arrangieren. Und vor allem dass du versuchst, wenigstens Shachi zu vertrauen.” Seine letzten Worte irritierten den Arzt. Wieso Shachi wieder? Wieso wollte er, Penguin, nicht in erster Linie selbst sein Vertrauen? Hatte er völlig aufgegeben, dass er dazu je in der Lage sein konnte? Law wollte sich mit der freien rechten Hand auf die Reling stützen und Penguin von der Seite ansehen, um ihn danach zu fragen, als urplötzlich und unerwartet ein heftiger Ruck durch das gesamte Schiff ging, der so immens war, dass Laws Hand den Stahl verfehlte und ins Leere griff. Das Uboot schaukelte enorm und er drohte das Gleichgewicht zu verlieren, gar über Bord zu gehen. Doch in weniger als einer Sekunde packte ihn Penguins Hand und zog ihn an sich, wo er ihn abrupt fest mit beiden Armen an sich drückte, während der Boden unter ihren Füßen stark schwankte, wie er es sonst höchstens bei heftigen Stürmen tat. Doch Penguins Stand war fest. Nicht eine Sekunde drohte er die Balance zu verlieren, sodass er einfach so ausharrte, seinen Käpt’n weiter gut festhaltend. Nur langsam ließ das Schaukeln wieder nach. Nicht aber Penguins Griff. Law starrte über seine Schulter hinweg. Seine Hände hatten perplex den Weg auf die feste Brust des Anderen gefunden, während sein Schwert noch gerade so in seiner eigenen linken Armbeuge klemmte. Und genau wie Penguin hatte er gerade keinen Platz in seinem Kopf, um über die Ursache der ungewöhnlichen Erschütterung an sich nachzudenken. Hatte er solch eine Situation nicht schonmal erlebt? Damals? Im betrunkenen Kopf, bevor sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten? Wieder spürte der Chirurg das Herzklopfen des Anderen unter seinen Fingern und konnte es sogar wieder einmal hören. Allerdings war er sich wieder nicht sicher, ob es nicht vielleicht doch sein eigenes war. Denn auch sein Herz pochte ebenso spürbar. Und das auch noch, als das Schiff wieder relativ ruhig im Wasser lag. Auch drang jeder leise Atemzug des Anderen an sein Ohr. Zweifelsohne konnte auch er seinen Atem umgekehrt hören, war dieser nun doch deutlich hastiger. Immer noch ließ Penguin ihn nicht los, sodass ihr Körperkontakt intensiver und länger war, als in den letzten fünf oder sechs Tagen zusammen. Doch anders als damals am Hafenbecken, verspürte Law nicht mal ansatzweise das Bedürfnis, sich wegzudrücken. Ganz im Gegenteil schlossen sich seine Hände sogar unbemerkt minimal in Penguins Overall. „Alles in Ordnung?”, hörte er die dunkle Stimme an seinem Ohr flüstern. Law nickte kaum merklich: „Ja.” Eigentlich war das gelogen. Gar nichts war in Ordnung. Bis eben hatte er noch gedacht, das für ihn immer noch unerklärliche Verlangen nach Penguins Nähe eindämmen, gar gänzlich unterdrücken zu können. Doch jetzt erschien es ihm noch stärker als zuvor. So stark, dass er sogar heimlich hoffte, eine weitere Erschütterung würde folgen und ihm Anlass geben, seinen Griff im weißen Stoff noch zu verstärken. Doch bis auf ein wiederholtes leichteres Ruckeln blieb sie aus. Dennoch dauert es noch einige Augenblicke, bis Penguin seine Umarmung lockerte. Law hatte keine Ahnung, wie sehr in seinem Kopf ganz ähnliches vorging und dieser Zwischenfall sein Vorhaben, zu ihrer ursprünglichen zwischenmenschlichen Beziehung zurückzukehren, beinahe in das gänzliche Gegenteil wieder hatte umschlagen lassen. Er wusste nicht, wie sehr Penguins Arme ihn am liebsten nie wieder losgelassen hätten. Langsam zog Law den Kopf zurück und sah in die Augen des gleichgroß gebauten unmittelbar vor sich. Vermutlich ein Fehler, da ihn diese noch mehr dazu verleiteten alle Gedanken an Abstand zu seinem Gegenüber schlagartig vernichten zu wollen. Dabei war dies doch Penguins Wunsch, den er zu akzeptieren hatte. Aber wieso ließ er ihn dann immer noch nicht gänzlich los? Wieso blickten seine Augen starr zurück? Irritation und Unsicherheit las Penguin zu Recht aus den graublauen Iriden vor sich. Allerdings deutete er beides falsch und ging einmal mehr davon aus, Law sei einfach nur überrumpelt von seinem Handeln. Zugegebener Maßen, er hatte über dieses nicht nachgedacht. Dazu hatte im letztlich auch die Zeit gefehlt. Einmal mehr hatte er sich von seinen Gefühlen leiten lassen. Natürlich hätte er so oder so nicht zugelassen, dass Law über Bord ging, nur dass er ihn so fest an sich gepresst hatte und nun immer noch nicht von ihm abließ, obwohl es inzwischen wirklich keine Kunst mehr war an Deck zu stehen, war mehr als ein eindeutiges Zeichen für seine wahren Gefühle. Und er spielte mit dem Gedanken, sie seinem Gegenüber nun doch klar und deutlich zu offenbaren. Seine Augen huschten flüchtig über die schmalen, aber, wie er noch genau wusste, weichen Lippen des Jüngeren. Ein Kuss In diesem Moment: Er wäre Ausdruck genug gewesen, um Law all seine Gefühle für ihn eindeutig offen zu legen und keine Zweifel zu lassen. Denn dass von seiner Seite gerade keine sexuellen Gedanken im Spiel waren, hätte dieses Mal wohl auch er verstanden. Doch anstatt sich auf die des Arztes zu legen, wozu sein Herz ihn gerade nötigen wollte, öffneten sich seine eigenen Lippen letztlich und ließen die nüchterne Rationalität sprechen, wenn auch in einem etwas unsicheren Tonfall: „Du solltest unter Deck gehen, bevor das nochmal passiert.” Law spürte wie die Kraft von Penguins Armen um ihn herum nachließ und er sicher gehen musste, dass er genug Halt auf seinen eigenen Beinen hatte. Innerlich widerwillig lösten seine Finger sich aus dem Anzugstoff. Sein Mund stimmte jedoch zu: „Ich denke auch.” Der Körperkontakt brach endgültig ab. Law schulterte sein Kikoku wieder und wich Penguins Blick aus. Er war sichtlich verwirrt von der soeben geschehenen Situation. Das was sie eigentlich beredet hatten, war dadurch vergessen. Und somit auch die Chance jegliche Missverständnisse aus der Welt zu schaffen. Zielstrebig verschwand der Arzt wieder im Schiff. Penguin sah ihm nach. Ein Teil in ihm bereute, ihn gehen gelassen zu haben. Aber seine Vernunft sagte ihm, dass es richtig gewesen war. Laws Verwirrung wäre andernfalls wohl nur noch größer geworden. Und im unwahrscheinlichen Fall, dass er doch eine winzige Chance hatte, Laws Herz für sich zu gewinnen, wollte er ihn nicht vor die Entscheidung zwischen sich und Shachi stellen. Und obendrein lag es ihm nach wie vor fern, sich in eine offene Rivalität mit seinem besten Freund zu begeben und diesen unglücklich zu machen. Penguin war sich sicher, dass er selbst den Riss in seinem eigenen Herzen, auch wenn er ihm gerade enorm erschien, besser wegstecken konnte als Shachi – zumindest früher oder später. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)