Grimm-Time with Werewolves - Grimmige Zeiten für Werwölfe von hikabella (TeenWolf X GRIMM) ================================================================================ Prolog: Was zuvor geschah... ---------------------------- Seit dem verhängnisvollen Kampf mit dem Nogitsune, der Allison am Ende das Leben gekostet hatte, waren inzwischen schon einige Wochen vergangen. Wochen, die einiges an Veränderungen mit sich gebracht hatten. Zunächst schien es einigermaßen ruhig in der Stadt zu bleiben. Eine willkommene Abwechslung, wie jeder an den Kämpfen Beteiligte nur bestätigen konnte. Eine Zeit, um Wunden heilen zu lassen – innerlich wie äußerlich.   Dann kam der erste Vollmond… und nichts war mehr ruhig und friedlich wie die Tage zuvor.   Denn beim Aufgehen des Vollmondes… verwandelte sich Stiles zum ersten Mal selber in einen Werwolf. Keiner war davon mehr überrascht, als Scott und er selber. Denn Stiles hatte ‚den Biss‘ nie erhalten… Aber der ‚Dark-Stiles‘ hatte es. Und was keiner (nicht einmal Deaton) erwartet hatte - der Biss übertrug sich auf den echten Stiles, nachdem sich der Nogitsune in der Schule in Rauch aufgelöst hatte. Damit bestand Scott’s Rudel jetzt offiziell ausschließlich aus übernatürlichen Wesen. Und es war nun auch endlich ein echtes Rudel. Scott hatte ja bisher immer gezögert, diesen Schritt zu gehen, ihre Verbindung mit letzter Konsequenz anzuerkennen. Aber mit seinem besten Freund als ersten eigenen Beta, waren alle Bedenken vom Tisch. Sie waren eine Gemeinschaft, eine Familie, ein Rudel. Und als Zeichen ihrer Verbindung trug nun jeder der sechs ein silbernes Triskele um den Hals (Deaton hatte die jahrelang in seiner Praxis aufbewahrt, bis es wieder ein wahres Rudel in der Stadt geben würde).   Nach ersten… Startschwierigkeiten war nun wieder so etwas wie… ‚Normalität‘ in Beacon Hills eingekehrt. Die Schüler unter ihnen gingen wieder zur Schule und Derek… der hatte eine neue Berufung gefunden: Damit er mehr Zeit mit allen verbringen konnte (das macht man halt in einem Rudel so…), hatte er einen Job an der BHHS angenommen. Er war nun der Assistenz-Coach und mitverantwortlich für das erfolgreiche Lacrosse-Team der ‚BHHS Cyclones‘. Nicht, dass damit alles einfacher wurde, aber es gab ihm immerhin einen legitimen Grund in der Nähe der Schüler zu sein, ohne dass er zu viel Aufmerksamkeit erregen würde. Zumindest in der Theorie… Kapitel 1: Eine unerwartete Reise --------------------------------- „Ähh Coach, könnten Sie das bitte noch mal sagen?“ Der Junge glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Normalerweise war Stiles ein sehr aufgeweckter Typ. Immer voller Tatendrang, sich begeistert in das nächste Abenteuer stürzend, womit er seinen besten Freund Scott mehr als einmal in arge Bedrängnis gebracht hatte. Aber nicht heute und nicht in diesem Fall. „Was machen wir nächste Woche?“ Coach Finstock warf seine Brust nach vorne und pumpte stolz den Oberkörper auf, wie ein stolzierender Gockel. „Ich sagte, denkt an den 3-Tages-Ausflug nach Portland nächste Woche. Unsere Partnerschule will sein Lacrosse-Team weiter aufbauen und hat uns gebeten sie zu besuchen und ein wenig was vorzuführen.“ Er blickte äußert zufrieden drein. Scott stöhnte innerlich auf. „Und das konnten Sie uns nicht früher sagen, weil?“ Immerhin war er der Captain der Mannschaft. Wenn einer die Entscheidungen des Coach hinterfragen durfte, dann er… theoretisch… manchmal… in ganz seltenen Fällen. Natürlich versuchte er es immer wieder, aber der Coach war meistens etwas… Nun ja, er war eben der Coach. Da ging nichts drüber, nichts drunter und nichts zwischendurch. Und da ja alle Schüler ihren Coach liebten (so dachte er jedenfalls – außer natürlich Greenburg, aber das war ein eigenes Kapitel), waren selbstverständlich auch alle mit seinen Entscheidungen völlig einverstanden. Doch dieses Mal… „Coach, es ist Anfang Dezember. Portland liegt in Oregon, nicht Kalifornien.“ „Sehr gut erkannt, McCall“, er klopfte seinem besten Spieler mit einem nachdrücklichen Nicken und einem Ausdruck väterlichen Stolzes in den Augen auf die Schulter. „Du hast in Geographie tatsächlich aufgepasst. Du wirst es noch weit bringen.“ Er drückte Scotts Schulter noch einen Moment länger, kostete diesen Augenblick aus. Dann nahm er die Hand runter und Strich Scotts Einwand wieder aus dem Gedächtnis. Er ließ seinen Blick durch die Umkleidekabine schweifen und betrachtete seine Mannschaft. „Also, wenn sonst nichts weiter ist, hier sind die Einverständnis-Erklärungen, die eure Eltern bis morgen unterschrieben haben müssen und dann an mich zurückgehen.“ Er drückte einem der Spieler einen Stapel bedruckter Blätter in die Hand und deutete ihm diese auszuteilen. Leise murrend aber folgsam tat er es. „Aber Coach“, versuchte es Scott noch mal. „Ich wollte damit sagen, dass so eine lange Tour nicht ganz billig ist und…“, er hüstelte und blickte kurz zu Boden, „nicht jede Familie kann spontan so eine Reise… finanzieren.“ Etliche Schüler, die um Scott herum standen nickten zustimmend und mit einem besorgten Ausdruck in den Gesichtern. Der Coach schaute verblüfft drein. „Finanzieren? Wovon redest du Scott?“ Scott rollte innerlich die Augen. „Na die Kosten für Busfahrt, Hotel, Verpflegung?“ Finstock rieb sich nachdenklich das Kinn. „Hab ich das nicht erwähnt? Muss ich wohl. Hätte ich es gesagt, dann hättest du das selbstverständlich gewusst und nicht die Entscheidung deines geliebten Coach in Frage gestellt.“ Scott hob in einer abwehrenden Geste die Hände. „Ich stelle gar nichts in Frage Coach, es ist nur…“ „Schon gut Scott, ich verstehe, dass du als Captain nicht für dich, sondern für die Mannschaft fragst, falls einer von denen das nicht mitbekommen hat und sich jetzt nicht traut was zu sagen. Guter Junge.“ Und wieder drückte er Scott stolz die Schulter. Dann stemmte er die Fäuste in die Hüften und warf einen strahlenden Blick in die Runde. „Das ist doch das Beste daran, wir sind eingeladen, Jungs! Das heißt, die andere Schule bezahlt uns den kompletten Trip. Haben wohl einen reichen Sponsor gefunden, der das Team finanziert, und der übernimmt auch unsere kompletten Reisekosten.“ Etwas leiser setzte der Coach ein, „Ich wünschte nur wir hätten auch einen Sponsor für das Team“, dazu, während die Kabine erfüllt war von begeisterten Rufen. Dann griff er nach seiner Pfeife, und bevor noch ein weiteres Wort fallen konnte, ertönte ein schriller Pfiff und die Jungs schnappten sich ihre Helme und Schläger und machten sich automatisch auf dem Weg zum Spielfeld.   Auf dem Weg nach draußen spürte Scott, wie jemand an seinem Trikot zog und er blickte über die Schulter. Wie er sich schon gedacht hatte war es sein bester Freund, der seine Aufmerksamkeit verlangte. Stiles sah sehr besorgt drein. Scott manövrierte sie beide einen Schritt zu Seite, um den anderen nicht im Weg zu stehen und sah seinen Beta mit hochgezogener Augenbraue an. „Scott, das können wir nicht machen.“ Stiles' Stimme hatte etwas Panisches an sich und seine Gesichtsakrobatik bewegte sich irgendwo zwischen Begeisterung, Angst, Ungläubigkeit und Fluchtgedanken. Scott sah sich vorsichtig um, ob jemand ihr Gespräch mithören konnte. Dann senkte er die Stimme, so dass nur ein Werwolfsgehör, oder jemand, der sein Ohr direkt an seinen Mund halten würde, etwas davon verstehen konnte. „Stiles, ich bin auch nicht begeistert, aber du hast den Coach gehört, wir müssen da hin fahren.“ Er seufzte. „Was mich viel mehr stört, so weit im Norden ist richtiger Winter. Es ist kalt, nass und vielleicht liegt sogar Schnee. Und ich hab nicht mal mehr eine passende Winterjacke. Bin seit Jahren nicht mehr aus Kalifornien rausgekommen…“ „Warum solltest du das auch?“, meinte Stiles. „Aber das ist nicht der Punkt, Scott.“ Stiles fing an zu zappeln, als müsste er dringend aufs Klo. Sein innerer Wolf schwankte wohl zwischen Angriff und Flucht. Den Coach killen für diese Schapps Idee oder sich in der Kabine verstecken. Möglicherweise für den Rest seines Lebens. ‚Wäre das eigentlich ein so schlimmes Schicksal? ‘, dachte Stiles und badete einen Moment in dieser Vorstellung. Scott verdrehte die Augen. „Du machst dir Sorgen wegen dem Vollmond?“ „Natürlich, ich…“ „McCall!“, brüllte ihnen die Stimme des Coach entgegen. „Wilinsky! Braucht ihr ne Extraeinladung?“ Scott seufzte. „Na komm, wir können das jetzt im Augenblick eh nicht ändern. Lass uns spielen, Stiles.“ Er nahm ihm beim Arm und zog ihn in Richtung Spielfeld. Diese Ankündigung erklärte immerhin, warum Derek sich heute vom Training ferngehalten hatte. Bis zum Abend, wenn sie sich wie üblich an seinem Haus treffen würden, sollte sich Stiles wohl wieder beruhigt haben. Dank Scott natürlich. Wem auch sonst… ***   Aber Scott hatte sich geirrt. Derek war keineswegs vor ihnen „geflohen“. Nein, er hatte einfach wichtigeres zu tun. Und zwar (man höre und staune), im Auftrag des Coach! Derek hatte schon nichts Gutes geahnt, als ihn der Coach mit einem breiten Grinsen nach der Mittagspause in seinem Büro empfangen hatte. Ein begeisterter Coach Finstock war eine gruselige Angelegenheit, die mit Vorsicht zu genießen war. Und da er nun mal der neue Assistent war (warum hatte er den Job noch mal angenommen?), wurde ihm kurzerhand die Aufgabe übertragen, die für seinen ‚Boss‘ einfach nur lästig war. Und so saß er jetzt im Büro seines Vorgesetzten über dem Papierkram, den so ein Schulausflug mit sich brachte. Einschließlich arrangieren und koordinieren von Transport und Übernachtung. Dann sollte vor Ort ja auch ein Programm geboten werden, das über das bloße Spielen hinausging (Schule halt, da musste alles einen pädagogischen Wert haben…) und das Ganze bereits für Montag und am besten bis gestern. Es war zum Haare raufen. Und dann müsste er später noch seinen Onkel Peter kontaktieren. Auch wegen der Fahrt. Zum einen sollte wenigstens ein Hale ein Auge auf die Stadt haben, wenn er und Scott unterwegs waren (nicht, dass es groß einen Unterschied machen würde, aber es würde sicherlich Peter schmeicheln), und zum anderen wollte er abklären, ob es eventuell ein lokales Rudel in Portland und Umgebung gab, das sie über ihren Aufenthalt informieren mussten. Wölfe waren sehr territorial, und er hatte wirklich keine Lust auf irgendwelche Streitigkeiten, weil ein portländischer Wolf möglicherweise dachte, sie würden mit feindlichen Absichten in fremde Gebiete eindringen. Nein, das musste er echt nicht haben. Mit einem halben Ohr bekam er mit, dass das Training zu Ende ging, aber er war noch lange nicht fertig. Das einzig Gute daran, dass er die Organisation machen musste war, dass er das Hotel (oder wahrscheinlicher Motel, er musste wegen des Budgets noch mal schauen) auswählen konnte. Was bedeutete, er würde eines in Wald nähe suchen. Nächste Woche war Vollmond und Stiles hatte sein Shifting noch nicht 100% unter Kontrolle. Wäre in der Gegend ein Wald, dann könnten sie wenigstens schnell von den anderen wegkommen, bevor ein Unglück geschah. Und er würde versuchen dafür zu sorgen, dass auch Malia mitreisen konnte. Vielleicht als Betreuerin oder so. Er wollte die Kojotin nicht mit Peter alleine in der Stadt lassen, wenn er es vermeiden konnte. Und immerhin war sie seine Cousine, da hatte er eine gewisse Aufsichtspflicht über sie (nicht dass außerhalb des Rudels jemand darüber Bescheid wüsste…). Für Kira und Lydia fiel im leider spontan keine gute Entschuldigung ein, warum die beiden mitreisen sollten. Vielleicht konnte ja Lydia eine aus dem Hut zaubern. Jetzt musste er erst mal feststellen, wie man so kurzfristig einen Reisebus mieten konnte.   ***   Später am Abend saßen die Jungs bei Stiles daheim mit dem Sheriff um den Küchentisch herum. Derek hatte das Training abgesagt, er hätte zu viel zu tun in Vorbereitung für die Fahrt. Stiles hielt das nur für eine Ausrede, sagte aber lieber nichts. Sonst würde ihm Derek gleich noch ein paar Extra Trainingseinheiten aufbrummen. Sein Dad las gerade die Einverständniserklärung und presste die Lippen zusammen. Sein Blick wanderte zwischen Scott und seinem Sohn hin und her. „Haltet ihr das für eine gute Idee?“, fragte er und deutete auf den Zettel. Die beiden Jungs tauschten einen kurzen Blick aus. „Wir haben leider keine große Wahl, Dad“, antwortete Stiles. „Scott hat schon versucht ihn umzustimmen, aber wenn der Coach sich was in den Kopf setzt, dann bringen ihn keine zehn Pferde mehr davon ab.“ „Höchstens ein Pfeil in den Bauch“, witzelte Scott und erntete dafür einen vernichtenden Blick seines Betas. Der Sheriff atmete tief durch und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Man konnte förmlich sehen, wie es in seinem Hirn arbeitete. Also beeilte sich Scott einzuwerfen, „Die Reise ist übrigens komplett gesponsert. Wir brauchen uns um nichts zu kümmern, außer unserem Gepäck.“ Stilinski zog eine Braue hoch. „Sag an, wie praktisch. Taschengeld ist davon natürlich ausgenommen, oder?“ Stiles legte den Kopf schief und unterdrückte ein Grinsen. „Naja, also ich wäre da sicher nicht abgeneigt ein bisschen was extra zu kriegen… Alleine die Reparatur des Vergasers letzten Monat hat wieder…“ Er brach ab, als er unter dem Tisch einen Tritt von Scott spürte. Der Blick des Alphas sagt ‚Darum geht es ihm gar nicht…‘ ‚Nicht? ‘ ‚überlegte Stiles. Er sah Scott weiter an, doch der regte sich nicht. Er wartete darauf, dass Stiles selber kapierte, was seinen Vater bewegte. ‚Um was…‘ Scott seufzte und rollte mit den Augen. Er zog eine Braue hoch und warf einen blitzschnellen Blick aus dem Fenster in Richtung zunehmender Mond. Oh… stimmt... „Mach dir keine Sorgen um mich, Dad“, beeilte er sich daraufhin zu sagen. „Scott ist dabei und Derek ebenfalls. Die beiden werden schon auf mich aufpassen. Wir können ja sicherheitshalber ein paar Ketten mehr einpacken…“ Der Blick, den der Sheriff daraufhin den beiden Jungs zuwarf besagte eindeutig ‚Ich will sowas gar nicht wissen! ‘ Er atmete tief durch und wandte sich dann an Scott. „Bist du sicher, dass ihr das ohne Probleme hinbekommt? Bis Portland reichen meine Befugnisse nicht, ich kann euch da also nicht raushauen. Und solange dein Dad nicht Bescheid weiß er auch nicht, FBI hin oder her.“ „Also wir werden uns definitiv zurück halten und versuchen keinen Ärger zu machen“, versprach Stiles. ‚Aber wir können das nicht für den Rest der Menschheit garantieren‘ schwebte am Ende ungesagt zwischen ihnen. Leider musste das reichen. Er konnte nichts versprechen, worauf er keinen Einfluss hatte. Keiner konnte wissen, was auf sie zukommen mochte. Sie konnten nur für sich selber sprechen. Und der Sheriff wusste das. Müde rieb er sich übers Gesicht. „Na schön“, seufzte er. „Hab ich eine Wahl?“, fragte er resigniert und zückte seinen Kugelschreiber. Stiles dachte einen Augenblick über diese Frage nach, während sein Dad den Zettel unterschrieb und kurz zum Kalender schaute, um das Datum zu überprüfen, bevor er es eintrug. „Eine Idee hätte ich“, grinste Stiles und breitete die Arme aus. „Verhafte den Coach. Ohne ihn werden wir garantiert nicht fahren.“ Am Ende war er nur noch ein ‚Tadaa‘ von einem Zauberer entfernt, der gerade seinen tollsten Trick vorgeführt hatte und nun vom Publikum bejubelt werden möchte. Applaus, Applaus, Applaus… Der Sheriff zog die Stirn in Falten und seufzte laut. Offenbar fand er das ganz und gar nicht witzig. „Vielleicht sollte ich eher dich verhaften, Sohn. Da hätte ich dich wenigstens die ganze Zeit unter Aufsicht und aus unseren Zellen kannst du bestimmt nicht ausbrechen, oder?“ Er hatte es rein rhetorisch gemeint, aber Stiles sah nur neugierig zu Scott hinüber und stützte den Kopf auf seine Hand auf. „Keine Ahnung, könnte ich?“ Scott war dieses Thema sichtlich ein wenig unangenehm. Er rutschte auf dem Stuhl hin und her, bevor er antwortete. Es war ja nicht  so, dass er sich damit nicht schon bereits hatte auseinandersetzen müssen. Immerhin hatte er schon einmal einen Vollmond auf dem Revier erlebt, bei dem er und Derek versuchten hatten Isaac zu befreien. Das wusste der Sheriff aber nicht und er hatte zu der Zeit auch noch keine Ahnung von Werwölfen in Beacon Hills gehabt. Und die Zellenbauer genauso wenig. „Vermutlich schon, ja“, kam die zögerliche Antwort. „Wirklich?“, Stiles war über die Maßen begeistert. Er fing sofort an Fluchtpläne zu schmieden, für den Fall, dass es irgendwann mal nötig werden sollte auszubrechen. Scotts Räuspern holte ihn wieder in die Gegenwart zurück. ‚Aufgeschoben ist nicht aufgehoben‘, dachte er und setzte die Idee auf seine interne To-Do-Liste. Der Sheriff zog eine Braue hoch, schob seinem Sohn das unterschriebene Formular zu und betrachtete beide Jungs einen Moment lang nachdenklich. Wahrscheinlich war gerade seine Cop-Seite am Abwägen, ob er potentielle jugendliche Kriminelle vor sich hatte oder nicht. Schließlich siegte die Vater-Seite und er trommelte leicht mit den Fäusten auf dem Tisch. Er hatte eine Entscheidung getroffen. „Ok, Jungs. Ich will euch mal glauben, dass ihr euch nicht absichtlich in irgendwas Verrücktes und gefährliches stürzen werdet. Aber…“, und hier hob er schnell und nachdrücklich den Zeigefinger, da Stiles schon begeistert hatte aufspringen wollen, „aber, ihr bleibt in Dereks Nähe, haltet euch aus allem raus und sollte irgendwas passieren und sei es nur, dass einer von euch stolpert und sich das Knie aufschürft, gebt ihr mir sofort Bescheid. Ist das klar?“ „Aber wenn wir uns verletzen heilt das doch gleich…“ „Haben wir uns verstanden?“, wiederholte der Sheriff nachdrücklich. Stiles lies genervt die Schultern hängen und zog eine Schnute. Mit seinem Dad war es einfach nicht möglich zu reden, wenn es um so was ging. Da war er eisern. „Ja, Sir“, murmelte er. „Scott?“ Offenbar wollte er das von beiden hören. „Ja, Sir“, nuschelte auch Scott. Stilinski schüttelte den Kopf. „Ich bereue das sicher noch… Und jetzt ab mit euch, ihr habt doch garantiert noch was vor.“ Und mit einem kleinen Nicken entließ er die beiden, die wie vom Blitz getroffen aufsprangen und mit übernatürlicher Geschwindigkeit die Küche verließen. „Und grüße deine Mutter von mir“, rief er noch hinterher. Dann wandte er sich wieder der Zeitung und dem Kreuzworträtsel zu, bei dem ihn die Jungs unterbrochen hatten.   ***   Melissa hatte mal wieder eine Spätschicht. Was heißt ‚mal wieder‘, eigentlich schob sie inzwischen fast täglich diese Schicht. Zusätzlich zu ihrer normalen. Sie brauchte die extra Stunden dringend. Das Haus finanzierte sich schließlich nicht von alleine, und Scott sollte sein selbstverdientes Geld in seine eigenen Anschaffungen, wie sein Motorrad stecken. Es reichte schon, wenn er gelegentlich was zu den Lebensmitteleinkäufen beisteuerte. Sie durfte nie vergessen, obwohl ihr Sohn ein Werwolf und der Alpha seiner Gruppe, oder eher ‚Rudel‘ wie es bei ihnen hieß, war und seit dem regelmäßig mal mehr mal minderschwere Krisen ihr aller Leben durcheinander brachten, er ging schließlich noch in die High-School. Scott war gerade mal erst 17. Heute war zum Glück ein eher ruhiger Abend. Sie hatte schon andere erlebt. Auch ohne übernatürliche Wesen, die in Beacon Hills einfielen, war es besonders freitags und samstags sehr belebt auf den Fluren der Notaufnahme. Hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene, die etwas zu wild gefeiert hatten und nun die eine oder andere Platzwunde behandeln lassen mussten, oder die gleich wegen Alkoholvergiftung mit Blaulicht eingeliefert wurden. Sie war nur froh, dass ihr Sohn und seine Freunde nicht in diese Kategorie fielen. Soweit sie gehört hatte, war zumindest Lydia früher doch einer Party mehr oder weniger nicht abgeneigt gewesen, aber das hatte sich geändert, seit dem ihr Exfreund, dieser Jackson, weggegangen war.   Und so schaute sie etwas überrascht auf, als ihr auf einmal ihr Sohn samt seinem Sozius entgegen kam. In einer Hand hielt er eine weiße Tüte, die ihr ‚warmes Essen‘ zuflüsterte. „Mein liebevoller Sohn bringt seiner armen überarbeiteten Mutter Essen zur Arbeit.“ Sie nahm die Tüte entgegen und steckte einmal kurz die Nase hinein. Hmm, chinesisch. Dann knotete sie die Tüte zu und stellte die Portion hinter dem Schalter der Notaufnahme auf ihrem Tisch ab. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich wieder zu Scott und Stiles um. „Und was verschafft mir dieses Vergnügen? Habt ihr was angestellt, oder habt ihr nur geplant was anzustellen?“ Scott verzog das Gesicht. „Darf ich nicht auch einfach mal so meiner Mom was zu essen zur Arbeit bringen?“ Melissa zog nur eine Braue hoch. „Warum machen das die Erwachsenen eigentlich immer“, meinte Stiles und deutete auf Melissas Mimik. „Dieser Blick, kein Wort, aber immer dieser Blick.“ Scott drehte sich halb zur Seite, um seinen besten Freund anzusehen und zog gleich seiner Mutter eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. Stiles wedelte mit dem Finger vor Scotts Nase herum. „Jetzt fang du nicht auch noch an. Warum macht ihr das alle?“ Melissa wischte einmal mit der Rechten vor sich durch die Luft und zog damit wieder die Aufmerksamkeit der Jungs auf sich. „Also was ist los ihr Zwei? Bekomme ich jetzt mal eine vernünftige Antwort?“ Scott warf seinem Beta einen Blick zu. Beide schienen einen Moment stumme Zwiesprache zu halten. Dann sah Stiles Scott böse an und streunerte rüber zum Message Board. Melissa wusste zwar, dass er trotzdem alles hören konnte wenn er wollte, aber sie wusste seine Diskretion zu schätzen. Scott kramte inzwischen aus seiner Hosentasche ein offiziell aussehendes Blatt mit dem Logo der Beacon Hills High-School hervor. Bevor er es ihr gab, überflog er selber noch mal. „Der Coach hat uns heute… mit einer Ankündigung überrascht“, begann er und reichte dann das Blatt weiter. „Er sagt, das Team soll nächste Woche nach Portland zu einem Freundschaftsspiel fahren. Und bevor du fragst“, er hob die Hand, um seine Mom abzuhalten, etwas darüber zu sagen ob der Coach… nun ja… ob er noch alle beisammen hätte, „die Reise ist komplett gesponsert. Wir müssen also nichts bezahlen.“ Melissa atmete erleichtert auf. Sie hatte schon beinahe einen Herzanfall bekommen, bei dem Satz ‚nach Portland… fahren‘. Sie schaute auf den Zettel und begann zu lesen. Laut diesem Formular sollten die Spieler für 3 Tage und 4 Nächte eine Bustour nach Portland unternehmen. Eine dortige Partnerschule (von der Melissa zugegebenermaßen bis zu diesem Moment noch nie gehört hatte), wollte seine Mannschaft etwas aufmöbeln und hatte um Unterstützung und ein Freundschaftsspiel gebeten, da die BHHS Cyclones die letzte Landesmeisterschaft gewonnen hatten. Sie sah ihren Sohn an, rechnete kurz nach und schaute dann doch lieber noch auf der großen Wandkalender, nur um sicher zu gehen. Sie runzelte die Stirn. „Scott, ihr wisst aber schon…“, sie deutete auf das Symbol am Kalender, einen kleinen, fein umrissenen Kreis, der für den nächsten Dienstag eingetragen war. Und damit mitten in die Reisezeit fiel. Sie warf einen schnellen Blick zu Stiles, der noch immer beschäftigt tat und die einzelnen Anschläge sorgfältig zu studieren schien. Ihr Sohn nickte resigniert. „Das wissen wir Mom, aber leider ist Vollmond keine qualifizierte Entschuldigung in den Augen des Coach.“ „Weil er nicht weiß, was wir wissen“, konterte Melissa. „Willst du es ihm etwas erzählen?“ „Wohl kaum.“ Sie legte den Kopf schief und überlegte. „Soll ich euch ein medizinisches Attest besorgen? Irgendwas, was Stiles vorübergehend vom Spielen abhalten würde?“ „Selbst dann müsste ich trotzdem mitfahren, sofern ich nicht bettlägerig bin.“ Melissa machte überrascht einen halben Sprung zur Seite. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Stiles zu ihnen getreten war. Von Scott kannte sie das ja inzwischen, aber dass Stiles jetzt auch ein Werwolf war, daran hatte sie sich noch nicht gewöhnen können. Scott nickte bedächtig. „Da hat er Recht. Das ganze Team oder gar nicht. Aber mach dir keine Sorgen, Derek ist ja auch da und wir passen gemeinsam schon auf ihn auf.“ „Und du bist jetzt hier, weil?“ „Weil ich den unterschriebenen Zettel morgen dem Coach auf den Tisch legen muss.“ „Morgen schon?“ Melissa fand das nicht lustig. Wie lange hatten die Jungs das schon gewusst mit der Reise? War das die alte Taktik erst im letzten Moment mit der Sprache rauszurücken, um das Donnerwetter möglichst klein zu halten? „Und ihr habt das wirklich erst heute erfahren? Ganz sicher?“ Sie deutete auf das Datum auf dem Zettel. Es war von letzter Woche. Beide Jungs hoben abwehrend die Hände und sahen ernsthaft überrascht aus, dass man ihre Motive in Frage stellte. Und ausnahmsweise wirkte es sogar mal glaubhaft. „Ja, Mom. So ist der Coach eben. Vermutlich hat ihn heute die Verwaltung angemahnt endlich die unterschriebenen Zettel vorzulegen, sonst hätte er Montag an der Schule mit einem Bus auf uns gewartet und sich gefragt, warum keiner eine Reisetasche gepackt hätte.“ Stiles nickte bekräftigend. „Ist schon vorgekommen, wie ich gehört habe.“ Sie seufzte. „Also habe ich eigentlich keine Wahl, oder?“ „Und schon wieder. Warum sagen alle Erwachsenen eigentlich immer das gleiche?“, murmelte Stiles und rieb sich das Kinn. „Mein Dad hat vorhin fast genau dasselbe gesagt… Es sollte mal jemand eine wissenschaftliche Abhandlung darüber verfassen, welche Formulierungen bevorzugt von Eltern verwendet werden, um ihre Kids runterzumachen…“ Melissa verzog den Mund zu einem unterdrückten Grinsen. „Ich bin sicher, das hat schon mal jemand gemacht Stiles, aber du kannst es ja nächstes Mal in Englisch als Projekt vorschlagen.“ Stiles hatte unterdessen bereits sein Handy gezückt und die Google-App geöffnet, um gleich mal nach diesem Thema zu suchen. Die Augen fest auf das kleine Display geheftet sagte er, „da fällt mir ein, wir sollten von meinem Dad Grüße ausrichten.“ Sein Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen und er wackelte mit den Brauen… und kassierte dafür von Scott eine Kopfnuss. Melissa seufzte, griff in ihre Brusttasche, nahm einen der Stift daraus und unterschrieb den Zettel. „Ich muss euch wohl kaum sagen, dass ihr bitte vorsichtig sein sollt.“ Ihr Sohn schüttelte verneinend denn Kopf. „Das hat der Sheriff schon ausführlich erledigt. Danke Mom“, er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und steckte das Formular wieder ein. Sie drückte ihren Jungen einmal und wuschelte Stiles durch die Haare. „Ich wünsche dir einen ruhigen Abend“, sagte Scott zum Abschied und bewegte sich in Richtung Ausgang, wie immer mit seinem Kumpel Stiles an der Seite, den er am Arm haltend hinter sich herzog. „Euch auch“, rief sie zurück und bemerkte, dass Blaulicht am Eingang auftauchte. Sie seufzte, nahm ihr Klemmbrett und eilte zur Tür, um den Neuzugang in Empfang zu nehmen. Kapitel 2: Portland, wir kommen! -------------------------------- Der Sonntag war den ganzen Tag über diesig, der Himmel wolkenverhangen. In höheren Lagen sollte es in der kommenden Nacht sogar schneien.   Derek hatte das zweifelhafte Vergnügen, sich auch weiterhin um alles kümmern zu müssen. Er fragte sich ernsthaft, wie es die Jahre zuvor bloß alles geklappt haben konnte, aber er vermutete, dass der Elternrat einen großen Anteil zum Gelingen beigetragen hatte. Sonst hätten sie nicht so schnell und einfach einen Assistenten für den Coach bewilligt. Sie wollten diese Arbeit vermutlich nicht mehr selber machen müssen…   Der Bus stand schon bereit, die Gepäckfächer geöffnet, damit die Ausrüstung eingeladen werden konnte. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Scott und Stiles sollten demnächst erscheinen. Sie wollten noch vor den anderen da sein, um das ‚spezielle Gepäck‘ unterzubringen, bevor jemand etwas davon mitbekam und Fragen stellen konnte. Die Ketten würden unterwegs vermutlich ein wenig klirren, aber zwischen all der Ausrüstung sollte das hoffentlich nicht weiter auffallen.   Derek konnte nicht sagen warum, aber dieser ganze Ausflug machte ihn nervös. Und das hatte weiß Gott nichts mit dem Vollmond zu tun. Er wollte nichts herbeireden, darum hatte er auch Scott gegenüber nichts von seinen Bedenken geäußert, aber er hatte eine böse Vorahnung. Stiles würde ihn vermutlich wieder als 'Schwarzseher' bezeichnen, aber er bevorzugte eben 'better save than sorry'.   Er warf erneut einen Blick auf seine Uhr und kramte dann sein Handy hervor.   Keine Nachricht.   Derek war ein geduldiger Mensch... Werwolf... was auch immer... aber er würde erst wieder in Ruhe durchatmen können, wenn die beiden da wären.   Das heißt... vielleicht nicht einmal dann.   Da er nichts weiter machen konnte, als zu warten, begann er einfach schon damit, die Ausrüstung einzuladen. Wenn seine Hände beschäftigt wären, würde das seinen Kopf vielleicht etwas ablenken.   ***   Melissa hatte wieder Schicht, darum hatte sein Dad angeboten Scott mit dem Gepäck zur Schule zu fahren. Und da der Sheriff genau wie Melissa Dienst hatte, saßen nicht nur Scott und sein Dad im Auto, sondern auch Stiles auf dem Rücksitz.   Jeder der drei machte sich im Stillen so seine Gedanken über die bevorstehende Fahrt, darum war keiner von ihnen groß zu Smalltalk aufgelegt.   Nach einer gefühlten Ewigkeit des unangenehmen Schweigens bog der FBI-Agent endlich auf den Parkplatz der Schule ein und kam neben dem Bordstein zum Stehen. Erleichtert den wachsamen Augen von Scott’s Dad entgehen zu können, stiegen die Jungs aus, bevor noch der Motor erstarb. Sie beeilten sich, zuerst nach dem ‚schweren‘ Gepäck von Stiles zu greifen, bevor Rafael Gelegenheit hatte sich über den Inhalt oder besser das Gewicht zu wundern.   Und so hatten die Beiden schon ihre Taschen über die Schulter geworfen, bevor Agent McCall selber aus dem Auto aussteigen konnte. Der Mann steckte die Hände in die Hosentaschen und druckste ein wenig herum. Er war noch nie ein Mensch vieler Worte gewesen, aber für seinen Sohn versuchte er offenbar sich zu bessern, sich zu öffnen. Scott wiederum versuchte geduldig mit ihm zu sein. Sie hatten es hier schließlich mit dem einen Menschen zu tun, der es einfacher fand Stiles‘ Dad einem Amtsenthebungsverfahren auszusetzen nur um seinen Sohn wieder zu sehen, statt einfach mal anzurufen oder eine Karte zu schicken.   Der junge Alpha war ohnehin zwiegespalten was das Verhalten seines Vaters anging. Seit der Nogitsune/Oni-Geschichte, wo er selber beinahe gestorben wäre, hatte Rafael McCall versucht wieder Kontakt zu ihm zu bekommen. Ab und zu fuhr er bei ihnen zu Hause vorbei, aß mit seinem Sohn zu Abend, wenn Melissa arbeiten musste und hatte sogar schon bei einem oder zwei seiner Lacrosse-Spiele auf der Tribüne gesessen und die BHHS Cyclones angefeuert.   Einerseits störte es Scott, dass sein Dad sich so einfach nach all den Jahren wieder in sein Leben zu drängen begann. Andererseits… war es nicht genau das, was er sich immer gewünscht hatte?   Was er sich jedoch mit Sicherheit nicht gewünscht hatte war eine duselige Abschiedsszene. Er war schließlich nur 4 Tage weg. Sein Dad hatte sich dagegen jahrelang nicht blicken lassen. Und trotzdem, wenn Scott ihn nun ansah, hatte der Mann einen… väterlich besorgten und traurigen Ausdruck im Gesicht. Als würde er seinen kleinen Jungen für 2 Monate ins Sommercamp schicken. Scott stöhnte innerlich auf.   Stiles sah beide abwechselnd an. Bei einem „Vater-Sohn“-Moment wollte er sich nicht unbedingt einmischen. Er tippte Scott auf die Schulter und deutet auf ‚die Tasche‘. „Scott, ich bring das mal eben zu Derek, ok? Danke fürs mitnehmen, Mr. McCall“, meinte er noch, bevor er die Hand zum Gruß hob und in Richtung Bus davonging.   „Kein Problem“, antwortete der und hob ebenfalls die Hand. Aber Stiles sah es schon nicht mehr.   Jetzt war er mit Scott alleine. In seinen Augen leuchtete stolz auf seinen Sohn, den Captain der erfolgreichen Lacrosse-Mannschaft von Beacon Hills, aber auch Sorge. Konnte der Junge allen Erwartungen gerecht werden? Dann wanderte sein aufmerksamer Blick über die kleine Tasche, die Scott dabei hatte. Rafael deutete auf die Tasche. „Hast du wirklich alles dabei, Scott? Das sieht so wenig aus…“   Scott hüstelte verlegen und rieb sich den Nacken. „Sind ja nur 3 Tage, da brauche ich kein großes Gepäck. Das wichtigste hab ich dabei, keine Sorge. Und die Ausrüstung hatten wir eh Freitag schon in der Schule deponiert, die geht extra.“   Seinem Dad war der Unterton nicht entgangen. ‚Das wichtigste‘. Nervös strich er sich die Krawatte glatt. „Also, ich hab mit deiner Mom geredet“, begann er.   ‚Oha, jetzt kommt‘s‘, dachte Scott.   Rafael fuhr sich nervös mit den Fingern durch die Haare. „Ja, also…“   Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Also hob er kurz die Hand. „Warte einen Moment“. Dann ging er wieder zum Kofferraum, beugte sich vor um etwas herauszuholen und brachte schließlich eine voluminöse Tüte zum Vorschein. „Ja, also, ich war schon mal dienstlich in Portland, falls ich das noch nicht erzählt habe. Eine Mordserie, mehrere zerfetzte Leichen im Wald um Mt. Hood. Grauenhafte Angelegenheit… Haltet euch besser von dort fern, Scott.“   Scott hob die Brauen und legte den Kopf schief. „Ihr habt doch den Täter verhaftet, oder?“   „Ja schon“, bestätigte sein Dad, „aber Portland ist eine seltsame Gegend. Merkwürdige Dinge geschehen dort.“   „In Beacon Hills sind wir einiges gewöhnt was Merkwürdigkeiten angeht, wie du weißt.“   „Ja, ich habe die Akten gesehen…“ Rafael winkte ab und presste Lippen zusammen auf der Suche nach den richtigen Worten. Er machte eine wage Geste mit der Hand. „Sagen wir einfach, wo Beacon Hills merkwürdig ist, ist Portland blutig. Passt also bitte auf euch auf, ok?“   „Ich tu was ich kann“, versprach Scott und wartete darauf, dass sein Vater zum Punkt kam. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah Stiles mit Derek am Gepäck stehen. ‚Noch blutiger als Beacon Hills? ‘, dachte er bei sich. Kaum zu glauben... aber sein Dad kannte ja auch nicht alle blutigen Details ihrer Abenteuer. Also was wusste er schon...   „Was ich eigentlich sagen wollte, ich weiß, dass es dort oben um diese Jahreszeit verdammt kalt sein kann. Und Melissa erwähnte vor einiger Zeit, dass ihr keine Winterkleidung habt, weil es hier ja…“ Er zögerte einen Moment, fand nicht wirklich die richtigen Worte, räusperte sich dann und drückte Scott einfach die Tüte in die Hand. „Hier, ist für dich. Ich wünsche euch eine gute Fahrt, kommt heil zurück, ok?“ Er umarmte seinen Sohn schnell und kräftig, machte den Kofferraumdeckel zu und stieg ins Auto, flüchtete fast. Er winkte Scott noch einmal zu, dann fuhr er los und ließ ihn verwundert alleine zurück.   Sein Dad machte sich ernsthafte Sorgen um ihn… Und er hatte nicht mal ansatzweise eine Ahnung davon, wie gefährlich das Leben seines Sohnes tatsächlich war. Voller Gewissenbisse kaute Scott auf seiner Unterlippe herum. Irgendwann würde er seinen Dad über sein anderes Leben aufklären müssen, aber dieser Tag war nicht heute.     Stiles erschien nur einen Augenblick später wieder neben ihm. Er klopfte ihm auf den Rücken und griff nach seiner Tasche. „Was hat er dir gegeben?“, fragte er neugierig. Scott machte die Tüte auf, warf einen Blick hinein und zeigte dann Stiles den Inhalt. Es war eine Daunenjacke.   „Wow“, sagte Stiles und klopfte Scott auf den Oberarm. „Dein Dad will nicht, dass sein Sohnemann friert. Gibt es eine schönere Methode ‚Ich hab dich lieb‘ zu sagen, als durch eine warme Jacke? Na komm, wir müssen unsere Sachen fertig verstauen, bevor der Coach kommt.“ Mit diesen Worten zog er seinem Freund die Tasche von der Schulter und marschierte zurück zu Derek, der beide mit einem schiefen Grinsen empfing.   „Irgendwelche Last-Minute-Informationen, die du uns geben willst, Derek?“, fragte Scott und deutete mit dem Daumen hinter sich auf die Stelle, wo eben noch das Auto gestanden hatte. „Wenn es nach den Worten meines Dad geht, dann ist Portland scheinbar ein noch gefährlicheres Pflaster als Beacon Hills. Kaum zu glauben nach allem, was hier passiert ist… Und es gibt ganz sicher keine Werwölfe dort?“   Der Ältere schüttelte mit dem Kopf. „In Portland gibt es aktuell kein Rudel, also sollten wir von der Seite aus keine Probleme bekommen. Und Peter hat versprochen ‚ein wachsames Auge‘ auf die Stadt hier zu haben, während wir weg sind.“   Voller Zweifel blickten sich Scott und Stiles an. Ein wachsames Auge… das konnte ja was werden. Hoffentlich suchten sich potentielle neue Gegner nicht gerade diese Woche aus, um sich in Beacon Hills breit zu machen. Da hätte sie zumindest leichtes Spiel. Scott griff nach seiner Tasche, die noch neben Stiles auf dem Boden stand und stopfte die neue Jacke hinein, bevor er sie zu den anderen Sachen in den Bus stellte.   „Malia konnte ich leider nicht einschmuggeln“, seufzte Derek, „aber Lydia hat versprochen sich um sie zu kümmern. Meinte was von Pyjama-Party und das sie sich nun endlich mal um trockene Haare kümmern wollte.“ Derek zuckte mit den Schultern. Details in Mädchenangelegenheiten waren ihm zu unwichtig und ehrlich gesagt auch zu hoch.   „Und Kira?“, fragte Scott.   „Ist wohl laut Lydia ebenfalls eingeplant, aber ob die Arme auch schon von ihrem Glück weiß…“   Stiles kicherte. „Lyds ist eine Naturgewalt. Sie wird einfach dazu geholt, ob sie will, oder nicht. Widerstand ist zwecklos. Arme Kira.“   „Und arme Malia“, stimmte Scott zu. „Aber dann hab ich wenigstens einigermaßen Ruhe, beim Gedanken daran, wie weit weg wir die nächsten Tage von den anderen sind.“ Unbewusst griff er nach dem silbernen Anhänger, der unter seinem Shirt verborgen war. Es war das erste mal seit… oh seit eigentlich von Anfang an, als er zum Werwolf wurde, dass aus der Stadt rauskam und (zumindest Teilweise) dabei sein Rudel zurück lassen musste.   Er war ein Alpha, verständlicherweise machte ihn das nervös. Es spaltete seine Kraft und machte ihn verwundbarer. Daher war es umso wichtiger, dass auch Derek mitfuhr. Scott dachte mit Schrecken an die Übernachtung in diesem verfluchten Motel letztes Jahr. Nur dank des beherzten Eingreifens des 'Team Human', also Lydia, Allison und Stiles, hatten er und die anderen Werwölfe diesen Ausflug überleben können.   Stiles hatte ja inzwischen die Seiten gewechselt und war nun als Mitglied des 'Team Werwolf' leider genau so anfällig wie Scott für gewisse Dinge. Ohne menschliche Begleitung, ohne Lydia und Kira, die beide gegen Wolfsbane immun waren, brauchte Scott alle Augen und Ohren als Begleiter, die er nur kriegen konnte. Derek hatte zwar offensichtlich versucht, die Mädels einzuschmuggeln auf dieser Tour, aber leider gab es keine stichhaltigen Argumente. Ihnen blieb also nur Daumendrücken, dass ausnahmsweise alles glatt ging.   Danny wäre ja notfalls auch noch verfügbar, als einziger „Normalo“ in seinem Freundeskreis, aber er wollte den Goali nicht mit hineinziehen, wenn es sich vermeiden ließ. Trotzdem, von allen Jungs aus dem Team war er der Einzige, dem Scott so weit vertraute, dass er ihm die ganze Sache ofenbaren würde, wenn’s drauf ankam.   ***   Die Spieler sollten sich gegen 17 Uhr am Haupteingang der Schule einfinden. Geplant war, dass der Bus eine halbe Stunde später bereits losfahren würde. Nach Portland hatten sie eine ziemliche Strecke vor sich, also sollte die Fahrt hauptsächlich nachts stattfinden, damit sie morgens rechtzeitig zur ersten Stunde in der dortigen High-School ankommen würden.     Schließlich waren alle Schüler angekommen, das Gepäck verstaut und der Bus zur Abfahrt bereit. Mit Klemmbrett bewaffnet überprüfte Derek noch einmal die Anwesenheit auf Vollständigkeit und gab die Zimmeraufteilung aus. Dann wurden die Türen geschlossen und es ging los.     Scott und Stiles saßen zusammen in der vorletzten Reihe, schräg hinter ihnen Derek. Der Coach hatte vorne Platz genommen und die restlichen Schüler hatten sich nach Lust und Laune verteilt.   Dem Himmel sei Dank (obwohl Derek auch gerne das Lob entgegennahm, immerhin war es sein Verdienst) mussten sie nicht in einem der alten Schulbusse fahren, sondern hatten tatsächlich einen echten Reisebus zur Verfügung: verstellbare Rückenlehnen, Kopf- und Fußstützen, geradezu traumhaft!   Stiles holte nach einer Stunde Fahrt leicht verschämt sein Kissen aus dem Rucksack. Er stopfte es halb unter den Kopf und halb in den Rücken, bevor er sich zusammen rollte und die Augen zumachte. Ohne sein Kissen konnte Stiles einfach nicht schlafen, und so kurz vor dem Vollmond war es nicht gut, wenn er zusätzlich noch wegen Schlafmangels gereizt wäre.   Es war eine lange Fahrt. Scott und Derek unterhielten sich anfangs noch eine Weile leise, doch als der allgemeine Schnarch-Pegel anstieg zog sich Derek in die Ecke zurück und starrte aus dem Fenster, während Scott ebenfalls versuchte ein wenig zu ruhen. Kapitel 3: Spaghetti mit roter Soße ----------------------------------- Viele Stunden später erreichten sie endlich die Stadtgrenze von Portland und der Coach nutzte unbarmherzig seine Trillerpfeife, um die Jungs zu wecken. Stiles rutschte fast unter den Vordersitz vor Schreck, bei dem plötzlichen Lärm.   Pünktlich zu 8 Uhr stand die Meute gähnend und augenreibend am Haupteingang der anderen High-School. Der dortige Coach und der Rektor nahmen sie in Empfang und führten sie zur Aula. Zunächst standen eine langweilige Begrüßung durch den Rektor, den Coach und den Sponsor auf dem Plan. Dann sollten ein gemeinsames Aufwärmen beider Teams und ein leichtes Training folgen. Mittags würden alle zusammen in der Schulmensa essen. Man hatte ihnen versichert, dass das Essen dort ausgezeichnet wäre (was ja auch das mindeste war, wenn sie schon einen eigenen zahlungskräftigen Sponsor für eines der zahlreichen Sportteams gewinnen konnten).   Nach ein paar einführenden Worten stellte der Coach die Mannschaft vor. Der ominöse Sponsor hatte bedauerlicher Weise kurzfristig abgesagt, aber er wollte auf jeden Fall das Testspiel am Dienstag ansehen.     Nach dem das offizielle Programm durch war, stellten sich die Schüler beider Mannschaften anschließend in zwei Reihen auf, die Captains ganz vorn einander gegenüber, und liefen dann aneinander vorbei um sich die Hände zu schütteln.   Scott fiel dabei auf, dass einige der Jungs einen etwas sonderbaren Geruch an sich hatten, aber es waren definitiv keine Werwölfe. Aber ganz normal war es auch nicht.   Nachdem man ihnen den Weg zur Gäste-Umkleide gezeigt hatte, holten die BHHS-Jungs ihre Ausrüstung und warfen sich in ihre Trainingsanzüge. Es war kühl in Portland, aber zum Glück noch nicht soo kühl. Ein schwacher Nebelschleier schwebte über dem Grün, als sie aufs Spielfeld kamen, aber wenigstens regnete es nicht (was hier wohl häufiger vorkam, wie der andere Coach meinte).   Scott führte seine Leute in ein lockeres Lauftraining, bevor die andere Mannschaft aus der Kabine kam. Während die BHHS Spieler zwar die gleichen Trikots, Hosen und Stutzen samt Schützer trugen, so waren ihre restlichen Sportsachen wild zusammengesetzt und dem Geschmack des jeweiligen Trägers entsprechend gehalten. Die andere Mannschaft dagegen, dort hatten alle sogar passende Trainingsanzüge mit Namen und Nummern.   Coach Finstock nahm das mit einem Murren zur Kenntnis. Er ließ die Spieler nicht aus den Augen, als er sich etwas zu Derek hinüber lehnte und meinte „wir sollten dringend einen Dresscode einführen… oder einen Sponsor an Land ziehen. Kennen sie nicht was Passendes?“   Derek biss sich leicht auf die Unterlippe. Theoretisch schon, aber er wollte keine Aufmerksamkeit auf das Familienvermögen der Hales lenken. Das brauchte nicht unbedingt jeder zu wissen. Allerdings erwartete der Coach auch nicht wirklich eine Antwort von ihm. Er griff einfach nur nach seiner Pfeife und rief die Spieler zu sich, um Anweisungen für das Training zu geben.   ***   Knapp drei Stunden später war das Training für den Tag beendet und alle durften unter die Dusche. Darauf hatten sich Scott und Stiles am meisten gefreut. Der Geruch von knapp 40 verschwitzten Teenagern war für jede empfindliche Nase schwer zu ertragen. Und für Werwölfe ganz besonders.   Nun begann der angenehme Teil des Tages, Mittagessen!     Ihre Gastgeber hatten mehrfach betont, wie gut doch die Schulmensa sei und so reihten sich die Besucher aus Kalifornien erwartungsvoll in die lange Schlange bei der Essensausgabe ein.   Scott war weiter vorne in der Reihe der Wartenden. Als Captain seiner Mannschaft und wegen seiner eindrucksvollen Demonstration als Abwehrspieler machten ihm die anderen respektvoll Platz und versuchten ihn mit ein wenig Smalltalk besser kennenzulernen. Man wusste ja nie, wem man später vielleicht in irgendwelchen College-Mannschaften wiederbegegnen würde. Da konnte es nie Schaden schon beizeiten entsprechende Kontakte zu knüpfen.   Dementsprechend saß er bereits am Tisch, als Stiles endlich an der Reihe war. Murrend stellte der wenig später sein Tablett auf dem Tisch ab und setzte sich gegenüber von Scott hin. Sofort griff er nach dem Brötchen und biss erst mal ein großes Stück ab. Dann nahm Stiles einen tiefen Zug aus der Wasserflasche.   „Durst?“   „Du hast ja keine Ahnung…“ Stiles hielt die Flasche weiter in den Händen und ließ den Blick durch den Saal wandern. Ein paar der portländischen Spieler nickten ihm zu, als sich die Blicke trafen. Ein oder zwei taxierten ihn wiederum, als würden sie überlegen, woher sie ihn vielleicht kannten, und schauten schnell weg, als die Blicke sich trafen. Äußerst verdächtig.   „Sag mal, ich dir irgendwas an den anderen Schülern aufgefallen?“, fragte er schließlich mit leiser Stimme und beugte sich etwas zu Scott über den Tisch.   Scott, der nur lustlos in seinem Essen rumgestochert hatte (es war eigentlich sehr lecker, Spaghetti mit Tomatensoße und etwas das ‚Piccata Milanese‘ hieß) blickte auf und seine Augen leuchten einen Sekundenbruchteil rot auf.   „Du hast es auch bemerkt?“, fragte er und zog die Stirn in Falten. „Ich dachte schon, ich hätte es mir nur eingebildet.“ Vorsichtig warf er einen prüfenden Blick über die Schulter in Richtung Theke, hoffentlich ohne übermäßig verdächtig zu erscheinen. „Oder auch bei der Frau an der Ausgabe. Ich hatte das Gefühl, sie wäre bei meinem Anblick leicht zurückgezuckt.“ Er nahm ebenfalls einen Zug aus seiner Wasserflasche. Die merkwürdige Stimmung in der Mensa hatte ihm eine trockene Kehle verursacht.   „Ich glaube nicht, dass es dein Anblick war“, ertönte leise Dereks Stimme. Die Köpfe von Scott und Stiles schnellten zur Seite. Derek saß alleine am entfernten Ende des Tisches. Sein Kopf war über das Essen gebeugt, aber sein Blick traf den der beiden Jungen. „Die Frau muss irgendwas gespürt haben. Sie verströmte jedes Mal einen Hauch von Panik, wen einer von uns dreien vor ihr stand.“ Er wickelte etwas von den Nudeln auf seine Gabel und biss davon ab. Dann warf er einen kurzen Blick zu beiden Seiten, ob jemand sie beobachtete und sprach dann weiter. „Mir ist dieses Verhalten aber noch bei einigen anderen aufgefallen. Mal mehr, mal weniger deutlich. Und jedes Mal waren es welche von den Schülern, die mir selber auch etwas eigenartig vorkamen.“   Stiles, der inzwischen angefangen hatte ein Schlachtfeld auf seinem Teller zu veranstalten, brummte nur zustimmend.   „Ja, hier sind definitiv einige nicht-menschliche Personen unter den Schüler zu finden. Vielleicht auch welche unter dem Personal. Bist du sicher, dass Peter dir alles über Portland gesagt hat?“, fragte Scott skeptisch.   „Er sagte wortwörtlich ‚um andere Werwölfe brauchst du dir in Portland keine Sorgen zu machen, die gibt es dort nicht‘.“   Scott fing an sein Fleisch zu schneiden. Die Parmesan-Panade war ausgesprochen lecker stellte er fest. ‚Ich wünschte nur unsere Kantine würde Mal sowas gutes anbieten‘, seufzte er innerlich. An Derek gerichtet fuhr er fort, „aber mal im Ernst, Peters Formulierung kann alles oder gar nichts bedeuten. Wir wissen schließlich aus eigener Erfahrung, dass es noch mehr da draußen gibt als nur Werwölfe.“   Stiles nickte, während ihm noch die Nudeln halb aus dem Mund hingen und verspritzte dabei etwas von der Soße. Scott zuckte schnell zurück, brachte sich und sein T-Shirt in Sicherheit vor dem roten Regen.   „Vorsicht“, raunte Derek. „Du bewegst dich zu schnell…“ Ihm war das plötzliche Glitzern in den Augen eines der Spieler des Portländer Teams aufgefallen. „Denk dran, wir sind inkognito hier und wollen es möglichst auch bleiben.“   „Dann sag Stiles, dass er beim Essen besser aufpassen soll“, beschwerte sich Scott.   „Er ist dein Beta, bring ihm einfach bessere Manieren bei…“   „Hey“, maulte Stiles, als er den Mund wieder frei hatte, „ich bin auch im Raum und kann euch hören, wisst ihr?“   Derek seufzte nur.   „Selbstgespräche?“   Derek war so auf der Gespräch mit Scott konzentriert gewesen, er hatte gar nicht mitbekommen, dass sich ihm jemand gegenüber an den Tisch gesetzt und ihn angesprochen hatte. Erst als sich Coach Finstock räusperte und ihn anstarrte hob er überrascht den Kopf. „Hmm?“   Der Portländer Coach legte den Kopf schief und grinste. „Führen Sie öfters Gespräche mit Ihrem Essen?“, fragte er belustigt und deutete auf den Teller. „Sollen wir Sie beide lieber alleine lassen?“   „Oh“, meinte Derek und schluckte schnell den Bissen hinunter, bevor er mit einer Serviette den Mund abwischte. „Nein nein, schon gut, ich hab nur laut Gedacht.“   Der Mann nickte. Er war groß gewachsen, sportlich, braune Haare, die Schläfen von silbernen Strähnen durchsetzt. Und obwohl er nicht mehr ganz so jung war, wirkte er durchtrainiert und bereit es mit jedem aufzunehmen, der es wagte ihn herauszufordern. ‚Ein Kämpfer‘, dachte Derek bei dem Anblick. Wäre der Mann ein Werwolf gewesen, hätte Derek darauf gewettet, dass er ein Alpha war. Auch ohne seine Augenfarbe zu sehen. Er strahlte die Arroganz eines Mannes aus, der genau wusste, dass er über allen anderen stand. Und trotzdem hatte er etwas Animalisches an sich. Diese Duftnote… Derek konnte den Geruch nicht zuordnen, aber der Coach war definitiv nicht menschlich. Er sollte besser vorsichtig sein, mit allem was er sagte.   „Und schmeckt‘ s?“, fragte der Portländer Coach eine Minute später. Wie hieß er noch mal, White? Schneid? Blight? Ein Blick auf das Notizbuch neben ihm auf den Tisch verriet Derek schließlich, dass sein Name Albright war. Naja, da war er zumindest dicht dran gewesen.   „Für eine Schul-Mensa sogar sehr gut“, antwortete Derek wahrheitsgemäß und schnitt ein Stück vom Fleisch ab.   Coach Finstock machte begeisterte Bewegungen mit den Armen und zog Grimassen, während er den Mund voller Essen hatte. „Hmmm hmm hm hmmm!“, stimmte er nach dem Tonfall zu urteilen anscheinend zu.   Das Lächeln auf Albrights Gesicht daraufhin wirkte aufgesetzt, erreichte nicht seine Augen, aber seine Stimme war freundlich genug, als er antwortete. „Das freut mich zu hören.“ Er nahm ebenfalls das Besteck zur Hand und schnitt sich etwas vom Fleisch ab. „Ich fragte gerade Ihren Coach, was heute noch bei Ihnen auf dem Plan steht, Derek. Er meinte das wüssten Sie besser als er.“   Derek schnaubte belustigt. Welche Ehre… „Nichts Großartiges eigentlich. War ja ne lange Fahrt. Wenn alle mit dem Essen fertig sind wollten wir erst mal zum Quartier und einchecken. Später steht noch eine Stadtrundfahrt auf dem Programm und bis zum Abend haben die Jungs dann Zeit zur freien Verfügung.“   Albright nickte und spießte etwas Salat auf. „Portland ist in der Tat nicht gleich um die Ecke.“ Er warf einen abschätzenden Blick in die Runde. „Die Jungs werden sicher müde sein. Schade eigentlich.“ Er zuckte mit den Schultern und biss vom dem Salatblatt ab.   „Teenager haben große Energiereserven“, warf Coach Finstock zwischen zwei Bissen ein. „Besonders meine Jungs, oder Derek?“. Er klopfte dem schwarzhaarigen mit vollem Elan auf den Rücken, so dass der fast sein Essen über den Tisch gespuckt hätte. Der Coach wirkte beinahe beleidigt, dass jemand seinen Schülern mangelnde Ausdauer unterstellte. „Was schlagen sie vor?“, fragte er herausfordernd.   Doch Coach Albright winkte ab. „Lassen sie nur. Ihr Assistent hat schon recht, die Jungs müssen erst mal ankommen. Ansonsten hätte ich vorgeschlagen gemeinsam eine Runde in den anliegenden Waldgebieten joggen zu gehen. Etwas frische Luft für Stadtkinder…“   Derek wischte sich mit einer Serviette über den Mund und zog dann eine Braue hoch. „Bei uns gibt es jede Menge Wald. Und wir sind regelmäßig darin unterwegs. Wir sind schließlich nicht aus L.A., wissen Sie?“ Unbewusst schaute er kurz in Richtung seines Alphas, der sich bei dem Kommentar ein Lächeln nicht verkneifen konnte.   Der Coach war Dereks Blick gefolgt und warf nun seinerseits einen prüfenden Blick auf Scott und Stiles. „Ach so?“, mit einem Mal scheinbar nur noch milde interessiert, wandte er den Blick wieder ab und piekte ein Stück Tomate auf die Gabel und verspeiste sie. Etwas leiser und wie es schien ausschließlich an Derek gerichtet fügte der Mann hinzu „das kann ich mir gar nicht vorstellen…“   Der ironische Unterton entging Derek nicht.   ‚Verdammt‘, er verfluchte sich innerlich für seine eigene Dummheit. Das war ihm aus Versehen rausgerutscht. Er hatte Albright nicht noch zusätzlich auf Scott aufmerksam machen wollen…   Der Mann wusste irgendwas. Oder er ahnte was. Normalerweise machten nur Jäger solche Andeutungen. Oder andere Werwölfe, die auf Machtspielchen aus waren.     Auch Scott musste dieser Gedanke gekommen sein, denn seine Haltung war plötzlich steif geworden. Er hörte auf, so zu tun, als würde er essen, legte seine Gabel ab und sagte laut „Ich geh mir mal die Hände waschen, Stiles.“   Sein Beta reagierte auf die Ankündigung mit großen, eulenhaften Augen. Er warf Derek einen schnellen Blick zu und legte dann ebenfalls seine Gabel aufs Tablett. Im Gegensatz zu Scott hatte er fast alles verspeist. Er war ja schließlich noch ‚im Wachstum‘, wie er immer behauptete. Hieß er dachte, wenn er nur ordentlich Eiweiß und Kohlehydrate aufnehmen würde, bekäme auch er bald einen werwolfsmäßigeren muskulösen Oberkörper. Sehr zu seiner Enttäuschung war er bisher immer noch eher schlaksig. Dummerweise lag das Problem viel mehr in seiner mangelnden Trainingsbereitschaft, als in seiner Ernährung, aber das interessiert Stiles natürlich nicht die Bohne.   Scott stand vom Tisch auf und räusperte sich. Stiles beeilte sich ebenfalls aufzuspringen. „Warte, ich komme mit. Muss auch mal wohin…“   „Wir treffen uns am Bus in 5 Minuten“, murmelte Scott unhörbar für normale Ohren und verließ dicht gefolgt von Stiles die Mensa.   Derek wünschte er könnten ihnen sofort folgen, aber das würde die Fassade endgültig zum Einsturz bringen. Und das konnte er nicht riskieren, denn das Glitzern in Albrights Augen verhieß nichts Gutes…   ***   Der nächste Waschraum war ein Stück den Flur runter. Da er laut verkündet hatte, sich die Hände waschen zu wollen, gingen Scott und Stiles tatsächlich dort hinein. Stiles warf einen Blick unter die Kabinentüren, aber es war niemand zu sehen.   Scott lachte leise bei dem Anblick.   „Was?“, fragte Stiles, nach dem er sich wieder aufgerichtet hatte. „Warum lachst du?“   Scott schüttelte den Kopf. Dann legte er den Finger an seine Lippen und forderte Stiles auf still zu sein. Anschließend zeigte er auf sein rechtes Ohr und deutete dann in Richtung der Kabinen.   Stiles stöhnte und schlug sich auf die Stirn. Er hatte mal wieder nicht an seine neuen Fähigkeiten gedacht. Natürlich, er konnte sich das Nachschauen eigentlich sparen. Er brauchte bloß zu lauschen, ob Herzschläge in der näheren Umgebung zu hören waren.   Scott tätschelte ihm aufmunternd die Schulter. „Du gewöhnst dich schon noch dran. Nimm’ s gleich mal als Übung.“   Was Stiles dann auch tat. Er konzentrierte sich auf sein Gehör. Langsam erweiterte er den Radius, so dass er jedes Geräusch im Raum hören konnte.   ‚Plopp… plopp… plopp…‘ Das Geräusch ging Stiles durch und durch, er schauderte. Tropfende Wasserhähne waren sowas von nervig, aber er versuchte das Geräusch auszufiltern. Immerhin das konnte er schon einigermaßen. War auch dringend geboten, ansonsten konnte jemand mit so einem Gehör irgendwann wahnsinnig werden, wenn er Geräusche nicht auszublenden vermochte. Und weil er noch nicht so richtig darin geübt war absichtlich zu lauschen, reichte er mit seinen Sinnen unbeabsichtigt noch weiter auf den Flur hinaus. Er konnte plötzlich zwei Jungs entfernt reden hören. Über sein Team reden hören!   „…hast du das gesehen vorhin? Mann war der schnell…“   „Gute Reflexe“, antwortete eine andere Stimme. „So einen Ball zu fangen… das war schon erstklassig.“   „Ja, schon, aber ich glaub das war mehr als das.“   Stiles zog die Stirn in Falten stupste den Alpha an. Mit einem Kopfnicken deutete er Richtung Flur. Dann zeigte er erst auf sein Ohr und deutete dann auf die gleiche Stelle bei Scott.   „Was ist?“, fragte Scott, aber Stiles schüttelte nur den Kopf und meinte nur leise: „Der Flur. Hör einfach zu…“   Was Scott dann auch tat.   Die Schritte der beiden waren langsam näher gekommen, nach zwei weiteren wurde es ruhig. Sie mussten stehengeblieben zu sein. Das Rascheln von Stoff deutete an, dass die Jungs sich auf der Stelle bewegten. Vermutlich sahen sie sich um, ob sich jemand in der Nähe aufhielt. Scheinbar wollten sie nicht belauscht werden.   ‚Pech‘, dachte Stiles mit einem Grinsen. Sie hatten nicht mit dem feinen Gehör von Werwölfen gerechnet.   „Was meinst du?“, fragte nun also die zweite Stimme noch leiser als vorher.   „Naja“, druckste der andere herum. „Ich hab zwar keine Aufwallung gesehen, aber die müssen Wesen sein. Sowohl der Captain, als auch sein Kumpel. Ich hab da so ‘n Riecher für sowas.“   Scott und Stiles sahen sich überrascht an. ‚Die reden über uns beide‘, kam tonlos über Stiles‘ Lippen.   ‚Was ist Aufwallung? ‘, entgegnete Scott. Die Stimmen an sich konnten sie beide natürlich keiner Person direkt zuordnen, aber es schienen welche vom hiesigen Lacrosse-Team zu sein, mit denen sie vorhin zusammen trainiert hatten.   „Und wie kommst du darauf?“, fragte der andere schließlich mit einem skeptischen Unterton.   „Ehrlich mal, hast du nicht zugesehen?“   „Ich hab selber gespielt, Dave, und zwar in der Abwehr. Da achte ich eher weniger auf den gegnerischen Torraum, sondern mehr auf die Angreifer.“   Dave stöhnte. „Gut, dann achte das nächste Mal drauf. Dieser McCall, was der eingesteckt hat, einfach Wahnsinn. Und sein Kumpel ebenfalls. Der sieht ohne Polster so schmächtig aus, da muss was hinter stecken.“   „Steroide vielleicht?“   „Ne, ich hab vorhin in der Essenschlange mal drauf geachtet, beide riechen nicht nach Drogen, aber eindeutig anders als Kehrseiten.“   „Hmm…“, der Zweite schien noch immer nicht überzeugt zu sein. „Und was glaubst du, was die beiden sein könnten? Blutbader?“   „Also bei den Reflexen würde ich eher auf Jaguareté tippen, aber die sind nur schnell, nicht stark…“   „Dann doch Blutbader?“   „Was hast du nur immer mit deinen Blutbadern, Mike?“, fragte Dave genervt.   „Weiß nicht, ich kenne halt nicht so viele verschiedene Wesen… Es sei denn…“   „Es sei denn was?“   „Ach, schon gut. Komm, ich muss noch an meinen Spind vor der nächsten Stunde.“ Mike lief nach den Geräuschen zu urteilen ein paar Schritte weiter, wurde aber anscheinend gleich wieder von seinem Begleiter aufgehalten. Es wurde wieder still im Flur.   „Es sei denn was?!“, verlangte Dave zu erfahren.   Mike hüstelte. „Also, Stärke, Ausdauer und Schnelligkeit… ich kenne nur eines, was das alles vereint und keine Aufwallung hat…“   „Du meinst doch nicht etwa… Grimm?“, Dave schien schockiert zu sein. „Aber… aber das kann nicht sein! Und dann gleich zwei davon?“   „Vielleicht auch drei“, ergänzte Mike in einem verschwörerischen Unterton. „Ich glaub dieser Assistenztrainer gehört auch zu denen…“   „Spinnst du?“, Dave brüllte fast. Was auch immer ein ‚Grimm‘ sein mochte, es jagte diesem Jungen scheinbar eine Heidenangst ein.   „Pschhht, nicht so laut“, flüsterte Mike nervös. „Ich will die nicht noch auf uns aufmerksam machen…“   „Meinst du das im Ernst? Drei Grimms? Hier an unserer Schule?“   „Naja, ich kann mich ja irren und sie können sich einfach nur besonders gut beherrschen und es sind doch Blutbader…“   „Hoffen wir’s mal. Und jetzt komm, ich will nicht zu spät zu Mathe kommen.“   Es waren wieder Schritte von zwei Personen zu hören, die sich schnell entfernten.   Scott und Stiles sahen sich an.   „Das war… seltsam“, fasste Stiles das Gehörte zusammen. Er öffnete langsam die Tür einen Spalt breit und blickte erst rechts, dann links den Flur runter, ob jemand zu sehen war. „Lass uns zum Bus gehen, wir sollten dringend mit Derek reden.“   Scott nickte bedächtig. „Irgendwas läuft hier, von dem wir nichts wissen. ‚Aufwallung‘, ‚Blutbader‘, Grimm‘… Portland ist wirklich ein merkwürdiges Pflaster. Wir sollten uns besser soweit es geht von den anderen fernhalten.“   ***   Scott und Stiles warteten bereits auf Derek, als der es endlich geschafft hatte, den beiden Coachs zu entkommen. Die Jungs blickten nicht sehr glücklich drein, stellte er besorgt fest. „Ihr seht aus, als wüsstest ihr inzwischen mehr über das, was hier vorgeht“, sagte er statt einer Begrüßung.   „Teils teils“, antwortete Scott und schüttelte unglücklich den Kopf. „Wir haben eben zufällig ein… merkwürdiges Gespräch zwischen zwei der Portländer Spieler mitangehört.“   „Nicht nur wir haben bemerkt, dass einige Leute hier anders sind, die haben das auch bei uns festgestellt. Allerdings…“, Stiles machte eine wage Geste mit der Hand. Er wusste nicht so recht, wie er fortfahren sollte.   „Allerdings?“, hakte Derek schließlich nach.   „Allerdings halten die uns nicht für Werwölfe, sondern für etwas, das sich ‚Blutbader‘ oder ‚Grimm‘ nennt“, fuhr Scott fort. „Der eine hat es als ‚Wesen‘ zusammengefasst.“   „Und das scheint nichts allzu ungewöhnliches hier zu sein. Außer man ist ein ‚Grimm‘. Das scheint was ganz seltenes und super gefährliches zu sein“, ergänzte Stiles. „Der eine Typ hat sich jedenfalls fast in die Hosen gemacht, als der andere meinte wir könnten welche sein. Und die beiden Jungs denken, dass wir möglicherweise welche sind, da wir keine… Wie hieß das noch mal Scott?“   „‚Aufwallung‘.“   „Genau, weil wir keine ‚Aufwallung‘ haben. Was auch immer das heißen mag.“ Er zuckte mit den Schultern.   Derek rieb sich das Kinn. Das war zwar nicht wirklich erfreulich, aber es hätte schlimmer kommen können. Immerhin schienen es keine Jäger zu sein. „An welcher Stelle haben wir uns denn verdächtig gemacht, haben die dazu was gesagt?“   „Naja“, antwortete Stiles, „zum einen haben die beim Spielen bemerkt, dass wir beide“, er deutete mit der Hand erst auf Scott und dann auf sich selber, „etwas... stabiler sind und bessere Reflexe haben, als die meisten. Außerdem… riechen wir anders.“   „So wie die für uns“, meinte Derek und presste die Lippen zusammen. Sein Blick wanderte in weite Ferne, als er nachdachte. ‚Grimm‘… irgendwie kam ihm der Begriff bekannt vor. Woher bloß…   „Immerhin scheinen die zwar bessere Nasen, aber kein besseres Gehör zu haben“, merkte Scott an. „Sonst hätten die unser Gespräch belauschen können, und davon sagten die beiden nichts.“   „Was aber nichts heißen muss“, stellte Derek fest. „Was meint ihr, sind diese ‚Wesen‘ harmlos?“   Scott und Stiles zuckten beide mit den Schultern. „Keine Ahnung. Auf dem Feld waren sie jedenfalls nicht übermäßig aggressiv, aber das will ja auch nichts heißen“, stellte der Alpha fest. „Was hältst du von dem Coach?“   Derek verzog das Gesicht. „Den halte ich nicht für so harmlos. Die Andeutungen, die er gemacht hat…“ Er kratzte sich am Hinterkopf. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine Bewegung. Die ersten Mitschüler kamen auf den Bus zu. „Wir reden später weiter“, meinte er leise. „Die anderen kommen vom Essen zurück.“ Beide Jungs nickten und schlenderten ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung. Kapitel 4: Es war einmal in einer (fast)Vollmondnacht ----------------------------------------------------- Das Quartier erwies sich als ein älteres aber gemütliches YMCA, nahe Forrest Park gelegen. Vor dem Haus war eine Bushaltestelle, die einen schnell in die Innenstadt bringen konnte, was die versammelte Jugend natürlich riesig freute. In der unmittelbaren Umgebung um das Haus war nämlich offensichtlich ‚Tote Hose‘ angesagt. Die Jungs wurden auf 4er-Zimmer aufgeteilt. Außer Scott und Stiles, die teilten sich (Wunder oh Wunder) eines zu dritt mit Derek. Es war leider und ganz zufällig nur noch ein einziges Einzelzimmer verfügbar gewesen bei der Buchung. Und als ‚Senior‘-Coach hatte Finstock natürlich Vorrang. Derek hatte da großzügig verzichtet (mal ganz angesehen davon, dass hatte er ohnehin nicht für einen Jota Lust darauf hatte, sich mit dem Coach ein Zimmer teilen zu müssen). Und keiner der Drei war sonderlich böse über das Arrangement. So konnten sie ‚die Tasche‘ im Schrank verstecken, ohne dass einer der anderen Schüler etwas davon mitbekam.   Nachdem sie ihr Gepäck abgeladen hatten, ging es nun auf Stadtrundfahrt.   Portland war eine recht grüne Gegend. An einem Flussdelta gelegen, lebte die Stadt zu einem guten Teil vom Schiffsverkehr. Der Frachthafen war für einen Kalifornier, der Wasser maximal mit San Francisco und ansonsten eher mit Strand und surfen in Verbindung brachte, ein beeindruckender Anblick. Noch beeindruckender war allerdings der Anblick von Mt. Hood in der Ferne. Derek kam nicht umhin zuzugeben, dass er den riesigen Wald zu Fuße des Berges… anheimelnd fand. Er musste später unbedingt mit Scott und Stiles hierher zurückkommen und den Wald erkunden. Dabei fielen ihm wieder die Worte von Coach Albright ein, dass er mit ihnen in den Wald zum Joggen wollte. Dieses Glitzern in dessen Augen… Da steckte auf jeden Fall mehr dahinter. Vielleicht sollten sie doch besser den Wald meiden. Aber andererseits, der war hier in Portland allgegenwärtig. Wie sollte Albright wissen, durch welchen Teil sie streifen würden? Und da war noch die andere Sache. Derek zermarterte sich die ganze Zeit das Hirn, aber er kam partout nicht darauf, wo er den Begriff ‚Blutbader‘ schon mal gehört haben mochte. Und die Bezeichnung ‚Grimm‘… Was war wohl damit gemeint? Kam das von ‚Grimm‘ wie grimmig? So wie man sich unter ‚Blutbad‘ vielleicht jemanden vorstellen konnte, der in Blut badete? Aber warum sollte man eine Todesangst vor jemandem haben, bloß weil er ‚grimmig‘ war? In Blut baden kam ihm da persönlich viel gefährlicher vor. Es sei denn… Er dachte darüber nach, was ihn und seine Leute aufhorchen und ängstigen ließ. Die Antwort war ganz einfach: ein Jäger! Jäger waren das eine, was alle Werwölfe von klein auf an lernten zu fürchten und aus dem Weg zu gehen. Sie waren die Totfeinde der Werwölfe. Und nicht nur der Werwölfe. Alles was sich bewegte und nicht zu 100% menschlich war wurde von ihnen gekillt. Am besten mit einem Schwert in der Mitte durch. Keine Fragen stellen, keine Gnade, einfach töten. Gerard zum Beispiel war das absolute Musterbeispiel eines Jägers gewesen (bevor er selber zum Werwolf wurde, nur um sein armeseliges Leben zu retten und sich vom Krebs zu befreien – Feigling!). Zum Glück hatte dagegen sein Sohn Chris sich nie diesem Kreuzzug angeschlossen. Er hatte noch Ehre im Leib und nahm das Motto der Argents ‚Wir jagen die, die uns jagen‘ sehr ernst. Wer unschuldig war wurde bis zum Beweis des Gegenteils in Ruhe gelassen. Und Dank des Einflusses seiner Tochter hatte er sich schließlich ganz gegen seine Erziehung gewandt und Scott und seinem Rudel zuletzt hilfreich zur Seite gestanden. Nach Allisons Tod war Chris Argent allerdings weggegangen. Raus aus Beacon Hills und wieder zurück nach Frankreich, wo er schon im Sommer einige Monate verbracht hatte. Die Argents stammten ja ursprünglich Frankreich. Vielleicht hatten sie dort einen Stammsitz. Derek hatte keine Ahnung, Chris sprach nicht über seine Familie. Er hoffte nur, dass sich seine Einstellung Scott und ihm gegenüber nicht geändert hatte, wenn sie wieder aufeinander trafen. Aber Jäger blieb Jäger, und wenn Derek darauf tippen sollte, was ein ‚Grimm‘ war, wenn das Wort alleine hier für Angst und Schrecken sorgte, dann musste er für die übernatürlichen Wesen von Portland das Äquivalent zum Jäger für seine Leute sein.   Das konnte natürlich einerseits gut für sie sein, das hieße man würde sie vermutlich in Frieden lassen (wer will sich schon freiwillig mit einem Jäger einlassen? Mal abgesehen von ihm und Scott, nicht wahr…), aber andererseits schien das umgekehrt für manche auch eine Art… Herausforderung darzustellen. Albright wirkte jedenfalls so, als wenn er gerne mal eine Runde im Wald mit ihm Kräfte messen würde. Derek schauderte. Er hatte keine Lust auf Grabenkämpfe. Darum hatte er ja extra Peter gefragt, ob… Moment, natürlich… Peter! Was hatte sein Onkel gesagt? ‚Es gibt keine Werwölfe in Portland‘. Nein, natürlich nicht, weil es andere Wesen hier gab. Und beides vertrug sich offenbar nicht miteinander. Derek schaute auf seine Uhr. Die Rundfahrt sollte gute 2 Stunden dauern und davon war bereits über die Hälfte vorbei. So lange konnte er auch noch warten mit einem Anruf. Weder er noch Scott würden das Thema im Bus erörtern wollen, wo alle mithören konnten. Aber sobald sie wieder auf ihrem Zimmer waren, wäre Peter dran mit Erklärungen.   ***   „Hallo?“, Peters Stimme klang aus dem Lautsprecher von Dereks Handy. „Noch mal von vorne, was ist mit Portland?“ „Oh, hallo Derek, schön dass du anrufst. Ich hatte nicht erwartet so schnell von dir zu hören. Hast du mich vermisst?“ „Unglaublich und wie verrückt“, antwortete Stiles ungeduldig aus dem Hintergrund. „Stiles“, Peter besaß doch echt die Unverfrorenheit erfreut zu klingen. „Wie geht’s dir denn? Spürst du schon den nahenden Vollmond? Wenn du Hilfe bei der Aggressionsbewältigung brauchst ich stehe jederzeit gerne zur Verfügung.“ „Als Punchingball?“ „Als Berater natürlich. Nicht immer gleich so aggressiv, Stiles mein Lieber.“ „Genug jetzt“, mischte sich nun auch Scott ein. „Peter, was weißt du über Portland und seine Bewohner?“ „Scott auch, dann haben wir ja das Rudel wieder zusammen. Aber mal im Ernst, bin ich euer persönliches Wikipedia? Ihr habt doch alle Internet auf euren Handys, schaut doch selber auf der Seite der Touristeninformation nach. Ich bin doch kein Reiseführer. Wenn ihr also nichts Wichtigeres habt, ich hab auch noch was anderes zu tun.“ „Was hast du denn so wichtiges zu tun?“, meinte Stiles abschätzend und zog die Nase kraus. „Muss ich jetzt meinen Tagesplan mit dir abstimmen, Stiles? Ich wusste gar nicht, dass du so ein großes Interesse…“ „Es reicht“, mischte sich Derek wieder ins Gespräch ein. „Peter, ich habe dich Freitag extra gefragt, ob in Portland etwas ist, das ich wissen müsste. Und du sagtest ‚Es gibt dort keine Werwölfe‘.“ „Hab ich gesagt, ja. Mein Gedächtnis ist zwar noch ganz gut, aber bitte. Und?“ „Und? Ich will wissen was du uns nicht gesagt hast“, fauchte Derek. „Hier mag es zwar keine Werwölfe geben, aber dafür rennen hier ‚Wesen‘ und ‚Blutbader‘ und ‚Grimms‘ rum.“ „Ist mir schon mal zu Ohren gekommen. Aber ich kann mich nur wiederholen: und?“ „Und?“, Derek wurde noch lauter, „Und warum hast du mir nichts davon gesagt? Eine Vorwarnung wäre nett gewesen!“ „Derek“, säuselte Peter am anderen Ende, „mach mir nicht zum Vorwurf, dass du dich schlecht ausdrückst. Ich habe nur wahrheitsgemäß deine Frage beantwortet. Keine Werwölfe in Portland. Mehr hast du nicht gefragt. Wer bin ich denn, dass ich dir unerwünschte Ratschläge erteile…“ Scott musste an dieser Stelle den Älteren davon abhalten, auf das Telefon einzuschlagen. Die Technik konnte nun wirklich nichts dafür, dass sein Onkel so ein Arsch war. Derek atmete einmal tief durch und versuchte sich zusammen zu reißen. „Also schön Peter, dann frage ich dich jetzt. Was gibt es in Portland, dass über die nicht vorhandene Anwesenheit von Werwölfen hinaus geht und was wir unbedingt wissen sollten?“ Peter zögerte einen Moment. „Also wenn du so fragst…“ Er schien das zu genießen und wollte den Moment voll auskosten. Derek kochte fast vor Wut. „Ich glaube ich hab im Restaurant-Führer gelesen, dass es in der Altstadt ein wunderbares neues französisches Lokal geben soll, das ‚Raven and Rose‘. Das Essen soll ganz ausgezeichnet sein dort. Ich könnte…“ Was auch immer ‚er könnte‘ erfuhren sie nicht mehr, Derek legte einfach auf. Scott konnte ihm das nicht verübeln.   Derek tigerte im Zimmer auf und ab, während Stiles auf einem der Stühle am kleinen Tisch saß und Scott es sich auf seinem Bett bequem gemacht hatte. Das Telefonat mit Peter war nicht gut gelaufen. Irgendwas wusste er, aber er wollte es Derek nicht sagen. Scott glaubte zwar nicht, dass Peter sie dadurch in Gefahr brachte (andernfalls hätte er sicherlich einen Hinweis fallen lassen), aber es war frustrierend. Besonders für Derek. Stiles eulenhafter Blick folgte dem ältesten ihrer kleinen Truppe hin und her durchs Zimmer, während er Chips aus einer inzwischen doch recht leeren Tüte knabberte. Schließlich blieb Derek stehen und bedachte den jüngeren Beta mit einem finsteren Blick. „Kannst du mal mit dem Essen aufhören? Das Geräusch, was du dabei machst treibt mich noch in den Wahnsinn…“ „Hey“, Stiles hob die leere Hand. „Ganz ruhig, Alter. Ich versuche nur mich hier abzulenken. Der Raum ist nicht so groß wie dein Loft, weißt du? Einen Tag vor Vollmond so dicht gedrängt mit euch beiden in einem Raum und der nervige Geist von Peter in der Luft… irgendwie muss ich ja dafür sorgen, bei Verstand zu bleiben.“ Derek zog eine Braue hoch. Der Blick, den er Stiles daraufhin zuwarf… ‚Bei Verstand bleiben‘? Scott seufzte und schüttelte leicht mit dem Kopf. Seine beiden Betas waren eindeutig gerade dabei sich gegenseitig hochzuschaukeln. Er stand auf und zog seine Schuhe wieder an. „Was machst du da?“, fragte Stiles dann auch prompt. „Meine Schuhe zuknoten.“ Derek schnaubte belustigt auf. „Ach was…“ „Und ihr werdet mich jetzt nach draußen begleiten. Das hält ja keiner mit euch auf so engem Raum aus. Lasst uns etwas im Wald spazieren gehen.“ „Spazieren?“, fragte Stiles ungläubig, sprang aber von seinem Stuhl auf wie ein braver Beta und griff nach seiner Jacke. „Ja, spazieren Stiles. Bewegen an der frischen Luft. Ich hab keine Lust, dass einer von euch beiden dem anderen noch an die Kehle geht und wir dann morgen Blutflecken in den Handtüchern und auf dem Boden erklären müssen. Geschweige denn demoliertes Mobiliar.“ Scott nahm seine neue Jacke vom Haken und zog sie über. Eigentlich brauchte er die nicht unbedingt, aber wenn sein Dad ihm schon so ein teures Geschenk machte, dann wollte er sie wenigstens auch getragen haben. „Kommt ihr?“ Derek grinste schief. Er trug wie immer ständig seine schwarze Lederjacke, als wollte er jederzeit bereit sein loszurennen, falls etwas passierte. Wahrscheinlich war das auch unbewusst so. Aber wer konnte es ihm schon verübeln, wenn man bedachte, dass er gefühlt sein halbes Leben auf der Flucht verbracht hatte? Mit einer einladenden Geste Richtung Tür deutete er Scott voraus zu gehen. „Gehe vor, wir folgen.“   Sie hinterließen an der Rezeption ihren Zimmerschlüssel und trugen sich aus der Anwesenheitsliste aus. Kaum dass sie aus der Tür des YMCA getreten waren umspielte sie auch schon eine kühle Brise. Beinahe automatisch wandten die drei Männer ihr Gesicht in den Wind und atmeten tief ein. Kühle frische Waldluft erfüllte ihre Lugen und weckte das Verlangen zwischen den nahegelegenen Kiefern herumzulaufen. Einige Minuten später hatten sie den Waldrand erreicht. Ein kleiner Wanderweg führte an der Stelle hinein und ohne zu zögern betraten die Werwölfe den Pfad. Es war Winter und die Sonne schon lange untergangen, aber der fast volle Mond beleuchtete den Weg. Und mit ihrer besonderen Nachtsicht konnten sie sich auch ohne zusätzliche Beleuchtung gut orientieren. Der Wald roch alt. Nach feuchter Erde und Laub, nach tropfendem Harz und frischem Grün. Allmählich löste sich ihre Anspannung und die Männer schritten weit aus. Ein Geräusch ließ Derek plötzlich inne halten. Er blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich um und blickte in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. „Was ist?“, fragte Scott leise. Er und Stiles warteten ein paar Schritte weiter und hatten sich ebenfalls umgedreht. Allerdings mehr, um zu sehen, warum Derek stehen geblieben war. Der Ältere kniff leicht die Augen zusammen und war auf Wolfmodus gegangen. Da, ein ganzes Stück zurück des Weges war eine Bewegung zu sehen. Wie ein Mensch, der schnell hinter einen Baum verschwand, weil er sich verstecken wollte. Der leichte Wind, der durch die Zweige wehte, trug den Geruch des Verfolgers an seine Nase. ‚War ja eigentlich klar‘, dachte Derek. Er steckte seine Hände in die Jackentaschen und drehte sich wieder zu Scott. „Ich weiß nicht genau.“ Er seufzte. „Schätze Albrights Neugier hat gesiegt.“ Derek setzte sich wieder in Bewegung und marschierte an Scott und Stiles vorbei, die ihn irritiert ansahen. „Albright?“, fragte Stiles. „Der hiesige Coach?“ Er warf einen Blick zurück und versuchte den Mann im Dunkeln zu erkennen. „Lauft weiter“, meinte Derek daraufhin leise. „Wenn er merkt, dass wir ihn sehen können ist er noch mehr hinter uns her. Es reicht auch so schon, dass er uns auf dem Radar hat. Ich traue dem Typen nicht. Kommt schon“, forderte er die beiden Jungen auf und winkte ihnen ihm zu folgen. Scott mochte es nicht verfolgt und beobachtet zu werden, aber Derek hatte Recht. Sie konnten nur versuchen sich unauffällig zu verhalten und Albright keine weiteren Hinweise auf ihre Fähigkeiten zu geben. „Was ist nur mit Portland los, dass man hier sogar von einem Lacrosse-Coach bis in den Wald verfolgt wird?“, meinte er leise und schloss zu Derek auf. Widerwillig gesellte sich auch Stiles an Dereks andere Seite. Scott konnte fühlen, dass die Anspannung in Stiles wieder anwuchs. „Hey Stiles, was ist? Sorgst du dich um den da?“, er deutete mit dem Daumen hinter sich. Doch der angesprochene schüttelte nur mit dem Kopf. „Ne, der nervt, aber im Vergleich zu manch anderem zu Hause ist das Pipifax…“. Trotzdem scheinbar nervös begann er sich zu kratzen. Erst an den Händen, dann den Oberarmen, dann hinter dem Ohr und schließlich am ganzen Oberkörper. Scott blieb stehen. „Was hast du denn Stiles?“ „Hmm?“, antwortete Stiles verblüfft. „Hab ich was gemacht?“ Ihm war scheinbar gar nicht aufgefallen, dass er sich so viel gekratzt hatte. Derek blieb ebenfalls stehen und hielt Stiles an der Schulter fest. Prüfend sah er ihm ins Gesicht. „Ich kenne dieses Verhalten, Scott. Spürst du irgendwas Ungewöhnliches Stiles?“ Unsicher sah Stiles von ihm zu Scott. „Nein?“ „Wirklich? Mach die Augen zu“, forderte ihn der schwarzhaarige auf. „Atme tief und langsam ein. Dann zähle bis drei und atme langsam wieder aus.“ Der Junge tat wie ihm geheißen. „Gut und wieder langsam ein, bis drei zählen und langsam ausatmen.“ Der Junge wiederholte die Übung ein paar Mal und kam allmählich sichtbar zur Ruhe. Dafür wurde Scott nun nervös. Er zog die Nase kraus. „Derek, riechst du das auch? Was ist das…“ Seine Augen leuchteten rot auf und er begann sich in der unmittelbaren Umgebung umzusehen. „Vorsicht Scott“, raunte Derek. „In dem Dunkel kann man die auch von weitem sehen…“ Doch Scott schüttelte nur den Kopf. Das war jetzt nicht so wichtig. Viel wichtiger war, dass er den Geruch zu erkennen glaubte. „Derek, sag mir bitte, dass ich mich irre“, meinte er und deutete mit der Hand auf einen der Büsche in der Nähe. Der angesprochene seufzte. Er schloss einen Moment die Augen und testete die Luft. Er schüttelte resigniert den Kopf. „Du irrst dich leider nicht. Scheint als hätte dein Dad Recht gehabt uns vor Portlands Wälder zu warnen. Wir hätten doch besser im Hotel bleiben sollen…“ „Wieso? Was hab ich verpasst“, fragte nun auch Stiles. Er beobachtete, wie Scott und Derek einander stumm ansahen und dann gemeinsam den Blick Richtung Albright wandern ließen. „Du glaubst doch nicht…“, begann der Alpha und der Ältere schüttelte sofort verneinend den Kopf. „Nein, ich kann seinen Geruch hier nicht entdecken. So frisch, wie die Spur ist, müsste auch Albright hier zu riechen sein.“ „Spur?“, fragte Stiles wieder. „Hey, klärt ihr mich mal auf?“ „Stiles, hast du dein Telefon dabei?“, fragte Scott statt einer Antwort. „Sicher“, er kramte es aus seiner Hosentasche hervor und hielt es hoch zum Beweis. Scott sah Derek noch immer an. „Du rechts rum, ich links?“, fragte er. Derek nickte zustimmend. Und verschwand leise hinter einem Baum in der angegebenen Richtung. Endlich sah Scott Stiles an. „Geh besser nicht weiter in den Wald. Eigentlich wollte ich das ja vermeiden, aber in Anbetracht dessen, was da hinten passiert ist habe ich keinen Nerv mehr für Spielchen. Wir werden Albright zur Rede stellen, auch wenn er wohl damit nichts zu tun hat. Aber ich will wissen, warum er hinter uns her schleicht. Ruf du inzwischen 9-1-1.“ Er ließ die Maske eines normalen Teenagers fallen und bewegte sich lautlos ins Dunkel, verschmolz mit dem Wald um ihnen. „Halt“, flüsterte Stiles. „Warum soll ich die Cops rufen? Wegen Stalkings?“ „Nein“, flüsterte Scott zurück. „Wegen Mordes…“ Stiles war so perplex, dass er nicht gleich antwortete. „Scott, nein warte, das könnt ihr nicht machen…“ „Das tun wir auch nicht, das hat schon wer anderes erledigt. In dem Busch drei Meter weiter liegt eine Leiche…“ „Wie bitte?“, quietschte Stiles auf. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Und der Abend hätte so schön werden können…   ***   Derek hatte sich inzwischen an Albright vorbei geschlichen und ging nun von hinten auf ihn zu. Er nutzte seine ganze Erfahrung als Wesen des Waldes und der Nacht aus, um sich dem Mann unbemerkt zu nähern. Der Coach bewegte sich ebenfalls in einer Art und Weise die nahe legte, dass er selber auch gewohnt war des Nachts im Wald herumzuschleichen. Aber gegen einen erfahrenen Werwolf war Albright dennoch nur ein Amateur und blutiger Anfänger. Auf der anderen Seite des Weges, dort wo Scott ungefähr sein musste, flatterte es plötzlich und ein Vogel krächzte auf. Derek sah es als Signal und trat auf den Pfad hinaus. „Hallo Coach Albright“, sagte er ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Haben Sie sich verlaufen? Ist ein bisschen spät für Trainingsausflüge, finden Sie nicht?“ Albright war erschreckt zusammengezuckt und erstarrte für einen Moment. Dann drehte er sich langsam zu Derek um. „Mr. Hale“, meinte er und seine Stimme zitterte dabei nur einen Hauch. Ein falsches Lächeln umspielte seinen Mund. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie hier in der Gegend Ihr Quartier haben.“ „Führt ihr Abendspaziergang Sie öfters vom Pfad ab?“ „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Derek“, antwortete Albright konsterniert. „Ich gehe einfach gerne abends in den Wald. Ist das ein Verbrechen?“ „Nur, wenn es nicht um den bloßen Spaziergang geht. Neugier ist der Katze Tot, Coach. Was wollen Sie von uns?“ Der Mann schnaubte belustigt auf. „Wie kommen Sie darauf, dass ich etwas von Ihnen will?“, fragte er und blickte sich unwillkürlich schnell rechts und links über die Schultern. „Ich hatte nur einfach Lust auf einen kleinen Spaziergang.“ „Ganz alleine im dunklen Wald?“ Derek schüttelte nur den Kopf. „Was sagst du dazu, Scott?“ „Erwischt würde ich sagen“, kam nun dessen Stimme einige Meter vor dem Coach aus dem Wald. Langsam trat er hinter einer großen Kiefer hervor und legte den Kopf schief. „Ich kann die Lüge bis hierhin riechen.“ „Ja, ich auch“, stimmte Derek zu und grinste schief. Albright wich einen Schritt zurück und starrte Scott verblüfft an. „Wollen Sie uns vielleicht mal sagen, was das soll?“, fragte der Alpha und machte einige Schritte auf den Coach zu. Der schüttelte endlich seine Lethargie ab, schnaubte einmal kurz und machte dann einen riesen Satz auf Scott zu. Beinahe hätte er den Jungen überrumpelt, aber einen Alpha schlägt man nicht so leicht, wie man möchte. Scott wich seiner ausgestreckten Faust mit Leichtigkeit aus, ergriff das Handgelenk und drehte ihm den Arm auf den Rücken, bevor er ihm einen Schubs gab. Von seinem eigenen Schwung mitgerissen, konnte Albright sich nicht schnell genug drehen, um sich zu fangen, bevor er auf den Boden aufschlug. Er stöhnte laut auf, als sein Gesicht Bekanntschaft mit dem steinigen Wanderweg schloss. Derek war zu dem Mann hinüber gegangen kniete sich locker vor dessen Kopf hin. Er beugte sich etwas hinunter und betrachtete den Coach. „Wir wollen Ihnen mal glauben, dass Sie nichts Böses im Sinn hatten, als Sie uns gefolgt sind. Zumindest wollten Sie uns sicher nichts tun. Aber Stalking ist auch böse, oder Scott?“ „So bringt man es uns jedenfalls in der Schule bei, Derek. Das gehört sich einfach nicht. Und schon gar nicht für einen Mann in Ihrer Position, Coach Albright.“ Scott stellte sich neben Derek und sah auf den Mann runter. „Aber vielleicht sieht ihr Partner, der sich da hinten heute schon ausgetobt hat, das anders“, fuhr Scott fort und deutete mit dem Daumen in Richtung der Stelle, wo Stiles immer noch wartete. Albright kniete auf allen vieren. Der Blick, den er Derek zuwarf war mörderisch. Langsam richtete er sich in eine sitzende Position auf, rieb sich die Hände auf den Oberschenkeln sauber und wischte sich mit dem Handrücken etwas von dem Dreck aus seinem Gesicht, der dort klebte und hinterließ dabei eine dunkle Spur feuchten Sandes auf der Stirn. „Ich habe nicht die geringste Ahnung wovon Sie beide reden. Ok, ich bin Ihnen gefolgt. Nach der Show heute in der Schule war ich eben neugierig, was Sie verbergen“, er deutete mit der Hand erst auf Derek, dann auf Scott, „aber das war auch schon alles.“ „Show?“, fragte Scott ruhig und zog eine Braue hoch. „Welche Show?“ „Ach komm schon“, meinte Albright mit einem genervten Unterton während er mühevoll aufstand. Scott hielt ihm die Hand hin, um ihm zu helfen, aber Albright ignorierte sie. „Kein normaler Schüler kann so viel einstecken, und schon gar nicht, wenn er so offensichtlich nicht Kehrseite ist, wie du.“ Er deutete mit dem ausgestreckten Finger auf Scott und hätte ihm vermutlich am Liebsten in die Brust gepiekt. „Also, was seid ihr?“, wollte er wissen. „Blutbader? Jägerbären?“ „Scott…?“, kam die unsichere Stimme von Stiles an sein Ohr. „Soll ich echt die Cops wegen dem… wegen dem was da im Busch liegt rufen?“ Offenbar hatte die Neugier über seine Warnung gesiegt und der Junge hatte einen Blick ins Gebüsch geworfen. Scott seufzte leise. Anweisungen befolgen war ja noch nie eine von Stiles Stärken gewesen. Derek war unterdessen näher an den Coach herangetreten, um seine Aufmerksamkeit von Scott wegzulenken. Die neue Bedrohung sorgte dann auch dafür, dass der Coach sich zur Seite drehte und stattdessen Derek musterte. Beide Männer duellierten sich mehrere Herzschläge lang mit Blicken. „Weder noch“, antwortete Derek nachdrücklich. „Und ich würden Ihnen empfehlen es dabei zu belassen. Übermorgen sind wir wieder weg und wir wollen bis dahin keinen Ärger haben, in Ordnung? Sonst werden Sie feststellen, dass wir sehr ungemütlich werden können.“ Albright taxierte erst Derek von oben bis unten, dann sah er Scott an. Innerlich tobte er vor Wut darüber erwischt worden zu sein, aber er hatte sich so weit unter Kontrolle, dass er nur verärgert schnaubte. Irgendwas an Dereks Blick musste ihn überzeugt haben, dass der Assistenz-Coach meinte, was er sagte, denn schließlich nickte er. Dann drehte Albright den beiden Werwölfen den Rücken zu und stapfte in Richtung Waldausgang davon. Die beiden zurückgebliebenen sahen ihm nach, soweit sie ihn ohne den speziellen Wolfsblick erkennen konnten. „Scott?“, kam wieder Stiles‘ fragende Stimme. „Wir sind gleich da, Stiles“, versicherte Scott seinem besten Freund. Dann sah er Derek an. „Wollen wir das wirklich durchziehen?“ Derek seufzte. „Das müssen wir wohl. Ihr habt oft genug mit dem Sheriffs Department zu tun gehabt um zu wissen, dass bei Mordermittlungen jede Sekunde zählt. Und Albright weiß jetzt, dass wir hier waren und dass wir etwas im Wald gefunden haben. Die Cops nicht zu rufen würde nur noch mehr Fragen aufwerfen, als das bloße ‚was haben sie noch so spät im Wald gemacht‘. Meinst du nicht?“ Resigniert nickte Scott. „Vermutlich… na gut, was soll‘s, bleiben wir unserem Ruf treu ständig in merkwürdige Fälle verwickelt zu werden. Stiles‘ Dad wird das gar nicht gefallen…“ „Absolut nicht gefallen“, stimmte Derek zu. „Deinem aber auch nicht.“ Scott verzog das Gesicht. „Also mach schon Stiles, ruf bei der Polizei an. Wird noch ein langer Abend, gut dass erst morgen Vollmond ist. Eine Leiche reicht für diese Nacht…“ Kapitel 5: Grimmige Ermittlungen -------------------------------- Keine 20 Minuten später wimmelte es im Wald vor Polizisten und CSI-Ermittlern. Die Tatort-Spezialisten hatten mehrere Flutlichter aufgestellt und der kleine Generator, der sie betrieb stotterte nicht gerade leise vor sich hin. Stiles massierte sich die Schläfen. Das Geräusch fing langsam aber sicher an ihm auf den Nerv zu gehen.   Ein Sgt. Wu hatte sie etwas abseits des Tatortes geführt und ihre Personalien aufgenommen. Die Detectives der Mordkommission würden in Kürze eintreffen und sie sollten so lange hier warten.   Die drei Werwölfe schauten sich unsicher um. Man hatte ihnen heißen Kaffee oder Tee angeboten, aber sie hatten höflich abgelehnt. Mittlerweile war es kälter geworden und Scott war doch einigermaßen froh, die dicke Jacke angezogen zu haben. Stiles trat nervös von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten. „Jetzt hätte ich gerne Fell“, maulte der junge Beta. „Ein Wolf würde bestimmt nicht so frieren im Wind hier.“   „Portland ist eben nicht Kalifornien“, erklang eine Stimme hinter ihnen. Die drei blickten in die Richtung, aus der der Sprecher zu kommen schien. Zwei Männer kamen forschen Schrittes auf sie zugelaufen. Einer war schlank, so Anfang bis Mitte Dreißig, helle Haut, braune Haare und stahlblaue Augen. Der andere war ein stämmiger Schwarzer in den frühen Vierzigern. Beide trugen goldene Badges, die sie als die angekündigten Detectives auswiesen. Sgt. Wu stand ein paar Schritte entfernt und schlug gerade sein Notizbuch zu. Er schien die beiden Neuankömmlinge in den Fall eingewiesen zu haben.   „Die Detectives Griffin und Burkhardt“, stellte der jüngere sie beide vor. „Sie haben die Leiche entdeckt?“   „Jawohl, Sir“, antwortete Derek für sie drei. Die Jungs nickten zustimmend.   Der schwarze Cop blickte auf seine Notizen. „Und Sie sind?“   „Hale, Derek Hale. Ich bin Assistenztrainer des Lacrosse-Teams von Beacon Hills. Und das sind meine Schüler Scott McCall und Stiles Stilinski.“ Er legte erst dem einen, dann dem anderen eine Hand auf die Schulter, um den Cops zu zeigen wer von ihnen wer war. „Wir sind ein paar Tage hier zu Gast bei unserer Partner-Schule für ein Lacrosse-Spiel.“ Nach den Erfahrungen, die Derek bereits mit dem Gesetz gemacht hatte, war es besser von Anfang an alle relevanten Infos rauszugeben, wenn man die Cops schon um diese Zeit raustrieb. Sowas verursachte schließlich keine gute Laune und ein schlecht gelaunter Cop war ein aggressiver Cop. Meistens jedenfalls.   Die beiden hier nickten jedoch nur mit einem neutralen Ausdruck und sahen sich in Tatortnähe um. Scheinbar wollten sie sich erst mal ein Bild von der Situation machen. „Wer von Ihnen hat den Vorfall gemeldet?“, fragte der jüngere.   Stiles hob unsicher die Hand. „Das war ich.“   „Und wer hat die Leiche als erster gesehen?“   „Das war auch ich.“ Stiles hüstelte und blickte Scott leicht verschämt von der Seite an. Scott warf ihm einen ‚ich hab dir doch gesagt du sollst nicht hingehen‘-Blick zu.   Dem Detective musste etwas in Stiles Ton aufgefallen sein. Er legte den Kopf schief und sah Stiles prüfend an. „Aber du warst nicht der erste, der sie bemerkt hat, oder?“   Scott schüttelte den Kopf. „Nein, das war wohl ich.“   „Und wie?“, fragte der andere Cop.   „Wie was?“, fragte Scott überrascht. Was meinte er?   Der schwarze Cop deutete mit der Hand in Richtung des Busches. „Wie konnten Sie die Leiche entdecken? Im stockfinsteren Wald im Vorbeigehen?“   Scott und Derek sahen sich an. Daran hatten sie nicht gedacht. „Ich hab‘s gerochen“, meinte Scott schließlich zögerlich. Es war die Wahrheit, aber ob die Männer das glauben würden…   „Und so finster ist das gar nicht. Immerhin ist morgen Vollmond“, ergänzte Stiles hilfreich.   Die Polizisten sahen sich nur kurz an. Der jüngere nickte und damit war das Thema wohl erledigt. „In Ordnung“, sagte er. „Hank, schau doch mal, was der Coroner sagt, ok?“   Der ältere zog eine Braue hoch, ging aber kommentarlos zu den Männern, die um die Leiche schwirrten und lies seinen Partner mit den drei Zeugen alleine.   „Also sie kommen alle aus Beacon Hills extra für ein Lacrosse-Spiel den weiten Weg bis nach Portland?“   Stiles nickte „Jupp. Wir haben die letzte Landesmeisterschaft gewonnen, da wurden wir um ein Freundschaftsspiel gebeten.“ In seiner Stimme schwang mehr als nur ein Hauch Stolz mit.   „Hmmm“, machte der Polizist und taxierte die drei Männer mit geübtem Blick von oben bis unten. „Hab noch nie ein Spiel gesehen. Harter Sport?“   „Ziemlich“, bestätigte Scott. Dann rümpfte er die Nase und Derek und Stiles taten es ihm im selben Augenblick gleich.   Der Detective hob eine Braue. „Stimmt was nicht?“, fragte er.   Scott räusperte sich und wedelte leicht mit der Hand vor dem Gesicht. Stiles rieb sich die Nase und drehte den Kopf zur Seite. Beide sahen aus, als hätten sie etwas furchtbar Ekliges gerochen und versuchten nun den Gestank aus ihren Nasen zu vertreiben. Was ja auch stimmte. Die CSIs hatten wohl in diesem Moment angefangen irgendwas zu versprühen, das zwar geruchslos für Menschen waren, aber für Wesen mit extrem empfindlichen Nasen eine Tortur darstellten. „Nein, alles in Ordnung, Detective…“, winkte Derek ab. Aber auch er hatte leicht glasige Augen, da er versuchte eine Reaktion zu unterdrücken.   „Burkhardt“, erinnerte ihn der Cop an seinen Namen. „Mr. Hale, was machen Sie eigentlich so spät noch mit zwei ihrer Schüler im Wald?“   „Wir wohnen im YMCA dort hinten“, er wies mit der Hand in die entsprechende Richtung, „und wollten vor dem Zubettgehen einfach noch etwas frische Luft schnappen.“ ‚Und das war sie auch, bis ihr angefangen habt sie zu verpesten‘, dachte er im Stillen.   Burkhardt legte den Kopf schief. „Machen Sie das mit allen ihren Schülern, oder nur mit diesen beiden insbesondere?“   Derek kniff die Augen zusammen. Den Ton kannte er bei Cops. Und ihm gefiel nicht, was der Mann damit ausdrücken wollte. „Wollen Sie mir hier irgendwas Unlauteres unterstellen?“, fragte er gereizt.   „Ich muss Sie das fragen, tut mir Leid“, sagte er und klang keineswegs danach, als würde ihm das leid tun.   „Also schön, Detective Burkhardt. Ich bin mit Scott und Stiles auch außerhalb der Schule persönlich bekannt und wir drei wollten einfach nur ein wenig frische Luft abseits von der Gruppe schnappen. Ist das hier in Portland etwa verboten?“   Der Detective lächelte unverbindlich. „Natürlich nicht. Waren Sie hier allein unterwegs oder haben Sie noch andere Leute gesehen?“   „Wollen Sie damit andeuten, wir bräuchten ein Alibi?“   „Nicht doch, wir wollen nur die Zeitachse klären, ist Routine.“   „Wir sind bis etwa 15 Minuten vor dem Anruf bei der Polizei auf dem Zimmer gewesen. Wir haben uns ordnungsgemäß ausgetragen und sind von dort ohne Umwege hierher zum Wanderweg gegangen, den wir schon früher am Tag im Vorbeifahren während einer Stadtrundfahrt, die wir mit unserer ganzen Mannschaft zusammen unternommen hatten, entdeckt haben. Seit der Rückkehr ins YMCA haben wir mit den anderen gemeinsam zu Abend gegessen und sind dann aufs Zimmer, um zu telefonieren. Ca. Zehn Minuten später sind wir dann wie gesagt losgegangen, um etwas Luft zu schnappen und sind dabei auf den Leichnam gestoßen. Und nun stehen wir hier und frieren uns den Hintern ab, weil wir unserer Pflicht genüge getan und die Polizei über den Fund einer Leiche informiert haben. Außer Scott natürlich, der hat von seinem Dad, einem FBI-Agenten übrigens, noch direkt vor der Abfahrt eine warme Jacke geschenkt bekommen. Aber wir anderen frieren. Und mein Dad wird mir wahrscheinlich Hausarrest bis zum Ende der High-School verpassen, weil wir eine Leiche gefunden haben und uns nicht wie versprochen aus allem raushalten konnten, aber unverhofft kommt eben oft. Hab ich was vergessen?“ Das alles ratterte Stiles in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit herunter, die nahe legte, dass er sich öfters erklären musste. Entsprechend verwirrt wirkte dann auch Det. Burkhardt im ersten Moment. Scott stöhnte nur auf und hielt sich den Kopf.   „Ich denke du hast alles Wesentliche zusammengefasst, Stiles“, kommentierte Derek den Ausbruch. „Du hast nur vergessen zu erwähnen, dass dein Dad der Sheriff von Beacon Hills ist, aber sonst war alles dabei.“   Burkhardt schüttelte nur leicht den Kopf und machte sich eine Reihe von Notizen. „Noch irgendwas, das ich wissen sollte?“   „Da sie es ohnehin überprüfen werden, ich wurde vor einiger Zeit polizeilich wegen Mordverdachts an meiner Schwester gesucht, konnte aber meine Unschuld beweisen und bin seit dem ein unbescholtener Bürger von Beacon Hills“, teilte Derek mit.   Stiles konnte ein amüsiertes Prusten nicht vollständig unterdrücken. ‚Unbescholten‘… wer‘s glaubt…   „Und vielleicht noch, dass der Coach der hiesigen Mannschaft uns vorhin über den Weg lief“, ergänzte Scott. In Dereks Augen blitzte es kurz auf, aber der Junge ließ sich davon nicht beirren.   Dem Polizist war die Reaktion des Älteren natürlich aufgefallen, also bohrte er nach. „Zufällig?“   Derek verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Von unserer Seite aus schon. Der Mann hatte wegen des Besuches heute bei seiner Mannschaft noch eine Frage und konnte damit wohl nicht bis morgen warten.“   „Und welche Frage war das?“   Derek winkte ab. „Nichts Weltbewegendes. Es ging um die Spielweise einiger unserer Jungs.“   Burkhardt warf einen schnellen Blick auf Scott und Stiles. „Und ich vermute mal, damit waren diese beiden hier gemeint, oder?“, stellte er treffsicher fest.   „Selbst wenn, was hat das mit dem Fund der Leiche zu tun?“, fragte Derek und zog die Brauen zusammen. Langsam hielt er es für einen großen Fehler, dass er Scott und Stiles nicht davon abgehalten hatte, die Polizei zu informieren. „Können wir dann endlich gehen? Es ist wirklich nicht gerade warm hier draußen und wir haben morgen noch ein Spiel vor uns. Ich will nicht, dass meine besten Abwehrspieler sich noch erkälten und dann ausfallen.“   Der Polizist warf einen Blick über die Schulter zu seinem Partner, der ihm ein Zeichen gab, zu ihm zu kommen. Er winkte zurück und gab dem anderen Detective zu verstehen, dass er gleich kommen würde. „Eins noch, wie ist der Name dieses anderen Coachs?“   „Albright. Den Vornamen weiß ich nicht, wir haben bisher noch keine Brüderschaft getrunken.“   Burkhardt notierte den Namen. Dann drückte er auf den Knopf seines Kugelschreibers und verstaute ihn zusammen mit dem Notizbuch in der Innentasche seiner Jacke. „Na gut, dass dürfte dann vorerst alles sein. Sgt. Wu hat Ihre Kontaktinformationen?“ Alle nickten bejahend. „Gut, dann dürfen Sie gehen. Wir melden uns, sollten noch Fragen auftauchen. Aber ich würde Sie trotzdem bitten morgen ins Präsidium zu kommen und eine offizielle Aussage zu machen.“   „War ja klar“, murmelte Stiles und zog eine Schnute.   „Selbstverständlich kommen wir vorbei“, betonte Derek und sah Stiles böse an. „Es kann allerdings etwas später am Nachmittag werden, da wir vorher einen sehr engen Terminplan haben.“   „Unser Spiel fängt um 13 Uhr an. Wenn Sie noch nie eines gesehen haben, kommen Sie doch einfach mal vorbei“, schlug Stiles vor.   „Hauptsache Sie kommen. Und falls Ihnen vorher noch etwas einfällt rufen Sie mich bitte an, ok? Hier ist meine Karte“, er griff in seine Jackentasche und förderte eine Visitenkarte zu Tage, die er Derek in die Hand drückte. „Dann einen schönen Abend noch die Herren.“ Sein prüfender Blick wanderte noch einmal kurz über die drei Männer, bevor er sich abwandte und zu seinem Kollegen und der Leiche marschierte.   „Hab ich vorhin was davon gesagt, dass das Gespräch der Portländer Spieler merkwürdig war?“, flüsterte Scott leise. „Diese ‚Unterhaltung‘ eben war noch viel seltsamer.“   Derek nickte zustimmend und antwortete ebenso leise. „Er hat deine Bemerkung mit dem ‚per Geruch entdeckt‘ nicht mit einem Wort in Frage gestellt. Als wäre das hier etwas Alltägliches. Ich hatte nach deiner Antwort beinahe einen Herzkasper bekommen, Scott. Du kannst das einem normalen Polizisten doch nicht einfach an den Kopf werfen. Bei Sheriff Stilinski ist das was anderes, aber hier? Ich dachte schon…“ Er schüttelte erneut verwundert den Kopf. „Portland ist wirklich seltsam…“ Damit setzte er sich flankiert von Scott und Stiles in Bewegung, endlich raus aus dem Wald, der vorerst seine Heimeligkeit verloren hatte.   Stiles warf noch mal einen neugierigen Blick zurück. Wie gerne würde er den CSIs über die Schulter schauen, aber das hier war nicht das Revier seines Dads, der Stiles‘ Freude an Mordfällen nicht gerade gut hieß, aber immerhin dafür sorgte, dass sein Sohn deswegen keine großen Schwierigkeiten bekam.   „Und ich finde immer noch, wir hätten der Duft Spur des Mörders folgen sollen, Scott“, murmelte er leise.   „Nein“, kam prompt seine leise aber bestimmte Antwort. „Und wenn dann schon gar nicht ohne die Mädchen. Wir haben uns ohnehin schon zu weit aus dem Fenster gelehnt, Stiles. Das hier ist nicht unser Territorium, überlass das den örtlichen Behörden. Oder den ‚Grimms‘. Wir haben morgen ein Spiel. Besser wir konzentrieren uns darauf, als auf Leichen, die uns nichts weiter angehen.“   „Jawohl oh mächtiger Alpha, dein Wort ist uns Befehl…“   „Stiles? Halt die Klappe…“   „Bloß gut, dass uns keiner hören kann“, murmelte Derek. „Wer weiß, was die von uns denken würden.“   „Vielleicht, dass wir tatsächlich ‚Grimms‘ sind.“, gab Stiles zurück und kicherte.   „Stiles“, flüsterte nun auch Derek, „halt die Klappe.“ Kapitel 6: Auf der anderen Seite des Zaunes ------------------------------------------- Det. Nick Burkhardt trat zu seinem Partner Hank Griffin, der sich über die Leiche beugte. Wu stand hinter ihm und machte sich Notizen, während die Kriminaltechniker um sie herum schwirrten. „Also was haben wir hier?“ „Ein Weißer, Ende Vierzig, multiple Verletzungen im Brustbereich. Sieht nach Raubtier-Klauen aus“, antwortete Wu und deutete mit seinem Stift auf den Torso. „Zudem ist er ein wunderbares Beispiel für die Lieblingsbeschäftigung der Herzkönigin.“ Nick zog die Stirn in Falten. „Wie bitte?“ Hank seufzte. „Ich dachte gerade du kennst dich mit Märchen aus“, merkte er leise an. Laut sagte er, „Sogar ich weiß, was er meint. Schon mal was von ‚Kopf ab‘ gehört?“ Er malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. Nick ging neben seinen Partner in die Hocke und zog sich die blauen Tatorthandschuhe über. „Nicht jeder hier hat so viel Zeit übrig, um sie mit Comics zu verbringen.“ Er warf Wu einen verschmitzten Seitenblick zu. Der rollte einmal genervt mit den Augen und ging ein paar Meter weiter, um die Detectives mit der Leiche alleine zu lassen. „Touché“, kommentierte Hank grinsend. In dem Moment drang das geflüsterte Gespräch der drei Zeugen an Nicks Ohr. Hank wollte etwas sagen, aber Nick legte den Finger an die Lippen und bedeutete ihm einen Moment damit zu warten. Hank hob zwar fragend eine Braue, aber der ‚lauschende‘ Gesichtsausdruck seines Partners machte ihm deutlich, dass der Detective gerade etwas Interessantes zu hören bekam. Einen Moment später grinste Nick und schnaubte belustigt. ‚Hätten sie wohl gerne…‘ murmelte er zu sich selber. Er lauschte noch ein bis zwei Herzschläge länger, aber es wurde deutlich, dass das Gespräch vorerst beendet war. Hank schüttelte mit gespielter Missbilligung den Kopf. „Was?“, fragte Nick. „Tsetsetse, Det. Burkhardt, einfach so die Leute zu belauschen. Du weißt schon, dass du diese Informationen eh nicht bei Gericht verwenden darfst, richtig?“ Er kassierte dafür einen Knuff auf den Oberarm. „War es wenigstens etwas Wichtiges für den Fall?“ Nick winkte ab. Den Blick, den er Hank dabei zuwarf sagte deutlich ‚erzähle ich dir später und zwar bei Monroe, wenn nicht so viele Uneingeweihte dabei sind‘. Hank zuckte nur mit den Schultern und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Leiche vor ihnen zu. Er hatte schon vor einer ganzen Weile akzeptiert, dass es um Nick Burkhardt herum immer wieder zu seltsamen Begebenheiten kam, die besser in keinem Bericht erwähnt wurden. Wie das ‚Ich habe es gerochen‘. Oh Mann, der Junge sollte sich bis morgen wohl besser eine ordentliche Erklärung ausdenken, bevor noch der Wesenrat davon Wind bekam und er Ärger kriegte. Bloß gut, dass er und sein Partner die Fälle auf den Tisch bekamen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit von Wesenbeteiligug aufwiesen. Jeder andere Cop der Stadt wäre damit schlichtweg überfordert gewesen.   Nick hatte unterdessen angefangen die Kleidung des Toten zu durchsuchen und förderte eine Brieftasche zum Vorschein. Eine kurze Überprüfung ergab einen Führerschein und Namen des Toten. Ein gewisser Frank Porterfield aus Denver, Colorado. „Wow, Mr. Porterfield, weit weg von zu Hause“, kommentierte Hank, als Nick ihm das Dokument hinhielt. „Und zwar beide Teile“, ergänzte sein Partner. Er warf einen Blick zum Coroner. „Todesursache und –Zeitpunkt?“ „Ihnen ebenfalls einen schönen Abend, Det. Burkhardt“, bekam er dann auch prompt zur Antwort. „Warme Nacht heute, was?“ Nick hatte sich unterdessen wieder aufgerichtet und betrachtete den Fundort im Ganzen. „Verdammt wenig Blut hier“, stellte er fest und deutete auf den gesamten Bereich um die Leiche herum. „Bei den Verletzungen sollte doch eigentlich eine große Lache zu sehen sein, oder?“ „Das stimmt“, bekam er zur Antwort. „Alleine schon wegen der Enthauptung.“ „Die, wie ich vermute, nicht hier stattgefunden hat und Postmortal war.“ „Da vermuten Sie richtig“, bestätigte der Mann. „Was den Todeszeitpunkt angeht, der Lebertemperatur nach zu urteilen lag dieser zwischen 3 und 5 Uhr morgens.“ „So lange kann die Leiche aber noch nicht hier liegen, ansonsten wären schon früher am Tag Spaziergänger mit Hund darüber gestolpert.“ „Kann man von ausgehen“, bestätigte der Coroner. „Mehr kann ich Ihnen sagen, wenn wir mit der Obduktion durch sind.“ „Natürlich, Danke.“ Hank hatte die Brieftasche inzwischen in einen Beweismittelbeutel gesteckt und ihn Wu übergeben. „Da war wohl einer kopflos vor Glück“, witzelte Wu auf seine unnachahmliche Art und erntete dafür einen Seufzer von Hank.   ***   Eine halbe Stunde später standen die beiden Detectives bei Monroe auf der Veranda und klopften an die Haustür. Nur Sekunden später öffnete ihnen der Uhrmacher und lies sie in sein Haus. „Hey Jungs, ich nehme nicht an, dass ihr hier seid, um mit Bud und mir das Spiel zu gucken, oder?“ Ein kurzer Blick in das ernste Gesicht von Nick sagte dem Mann offenbar alles was er wissen musste. Er seufzte. Das wurde also wieder einer dieser Besuche. „Ich fürchte nein, Monroe“, bestätigte der Detective seine Vermutung und blieb gleich im Eingangsbereich stehen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihm etwas dringend auf den Nägeln brannte und er so schnell wie möglich in Aktion treten wollte. „Hi Bud!“, rief er trotzdem in den Raum hinein. „Hallo Nick“, kam von dem Untersetzten Eisbiber zurück. Er hatte zwei verschlossene Flaschen in den Händen, die er den Detectives einladend entgegen hielt, als er zu ihnen trat. „Wollt ihr auch ein Bier?“ „Nein Danke“, antwortete Hank mit einem echten Bedauern in der Stimme. „Wir sind dienstlich unterwegs.“ „Oh“, ein ängstlicher Ausdruck breitete sich in seinem Gesicht aus. „Ist was passiert? Natürlich ist was passiert, sonst hätte man euch ja nicht gerufen. Ich meine, wenn nichts passiert wäre, hätte ja auch keiner die Polizei… und wenn ihr, ich meine wenn Nick… dann… ja dann muss natürlich… dann muss was passiert sein, nicht wahr?“ Wie immer, wenn er Angst hatte, wurde er nervös und begann wirres Zeug zu reden. Nick schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Ganz ruhig Bud, mach dir keine Sorge. Schau dir in Ruhe das Spiel an. Ich muss nur Monroe kurz was fragen, ok? Wird nicht lange dauern.“ Er tätschelte Bud jovial die Schulter und drückte ihn sanft, aber bestimmt zurück in Richtung Fernseher. „Oh… ok, Nick. Du weißt, du kannst auf mich zählen, wenn du Hilfe brauchst ja? Ich meine, also wenn ich… du weißt schon, ich könnte…“ „Aber sicher weiß ich das Bud“, versicherte er dem verängstigten Mann mit sanfter Stimme. „Im Augenblick kommen wir erst mal klar, aber wenn ich Hilfe brauche melde ich mich, ok?“ Danach ließ Bud es zu, dass Hank ihn ins Wohnzimmer begleitete und Monroe zog Nick in sein Arbeitszimmer. „Ok, also was ist los. Ganz so einfach kann es nicht sein, sonst wärt ihr nicht hergekommen. Was ist passiert?“ Nick kratzte sich am Kopf. Er war sich bewusst, dass er seinen Freund immer tiefer in seine Welt hinunter zog. Eine Welt die sehr gefährlich für sie alle werden konnte, aber er konnte auch nicht auf die Hilfe des Blutbaders verzichten. Er seufzte. „Vor etwa einer Stunde wurde im Wald nahe des alten YMCA eine Leiche gefunden. Sie war mit Krallenspuren übersäht. Was aber noch schlimmer war, sie wurde enthauptet.“ Monroes Augen flackerten einmal kurz rot auf. „Reaper?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete Nick wahrheitsgemäß. „Zumindest noch nicht. Ich werde mal ein ernstes Wörtchen mit dem Captain reden müssen, falls die Autopsie nichts Besseres ergibt. Vielleicht wissen seine Quellen da mehr. Zu dir komme ich aber aus einem anderen Grund.“ „Und zwar?“ „Ähh… ich weiß das klingt jetzt vielleicht etwas merkwürdig…“ „Aus deinem Mund? Ach was, nur immer raus damit.“ „Ja merkwürdig, aber… ich bin mir vor allem nicht ganz sicher, wie ich das einordnen soll.“ Hank betrat gerade den Raum und sah beide erwartungsvoll an. „Wie wäre es, wenn du damit anfängst uns zu erzählen, was du eigentlich vorhin für ein Gespräch belauscht hast“, meinte er und blieb bei den Männern stehen. Monroe legte den Kopf schief. „Gespräch belauscht?“ Nick schaute etwas peinlich berührt zur Seite. „Naja ihr wisst doch, dass ich nach der Sache mit dem Jinnamaru Xunte sehr viel besser hören konnte.“ Hank und Monroe nickten. An den Vorfall erinnerten sie sich verdammt gut. Diesem Typ das Auge rauszu… brr… alleine bei dem Gedanken daran lief es Monroe eiskalt den Rücken runter. „Nun, seit der Zombie-Geschichte ist es noch besser geworden. Wenn ich möchte, kann ich inzwischen sehr viel weiter entfernte Gespräche hören.“ Seine Freunde sahen sich kurz an. Das war ihnen neu, aber bei Nick war ohnehin alles möglich. „Um zum Punkt zu kommen“, fuhr Nick fort und machte ein paar Schritte durch den Raum. „Die drei Zeugen, die die Leiche gefunden haben. Ich bin mir nicht sicher ob sie Wesen sind oder nicht und wenn ja, was für welche.“ „Ich dachte bei dem Geruchssinn wäre klar, dass die Blutbader sein müssen“, meinte Hank irritiert und folgte Nick mit den Augen durchs Zimmer. „Ich meine, ich habe noch kein anderes Wesen erlebt, dass einen dermaßen feinen Geruchssinn hat, wie ein Blutbader. Zur Erklärung“, sagte Hank und drehte sich zu Monroe um, „einer der Zeugen hat laut eigener Aussage die Leiche ‚gerochen‘. Ich meine, ab einem gewissen Stadium kann jeder normale Mensch eine Leiche riechen, aber die war noch relativ frisch. Und fast blutleer. Und bei den Außentemperaturen gab es auch keine große Insektenaktivität.“ Monroe schwirrte der Kopf. „Ok, ihr habt eine Leiche, die für euch noch nicht riecht, die ich aber vermutlich hätte riechen können. Soweit ist klar. Aber was hat das jetzt mit diesem ominösen Zeugen und dem belauschten Gespräch zu tun?“ „Nun, einer der Jungs, ich glaube das war der, der angerufen hatte…“ „Du meinst den übereifrigen Sheriff-Sohn?“ „Ja, genau den. Also der hat im Gehen den anderen Jungen gefragt, ob sie nicht doch besser der ‚Duft-Spur‘ des Mörders hätten folgen sollen, und der andere antwortete darauf, dass Portland nicht ihr Territorium sei und es sollten sich besser die örtlichen Behörden oder Grimms darum kümmern.“ „Klingt doch vernünftig wenn du mich fragst“, meinte Monroe und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wo ist das Problem?“ „Der interessante Teil kommt ja noch. Der Trainer, dieser Hale, er meinte daraufhin ‚bloß gut, dass uns keiner hören kann…‘. Und da wurde mir klar, dass die drei in einer weit unter der normal hörbaren Lautstärke miteinander redeten.“ Er hielt inne in seiner Lauferei und sah Monroe eindringlich an. „Und das ist mir noch bei keinem Blutbader untergekommen.“ Die Stille, die dieser Eröffnung folgte zeigte Nick, wie unerwartet das für seine Mitstreiter kam. „Ernsthaft? So leise?“ Monroe machte große Augen. „Oh ja“, bestätigte Nick. „Und was noch seltsam war…“ „Da kommt noch mehr?“, meinte Hank. „Langsam mache ich mir echt Sorgen.“ „Zum einen hat der Sheriff-Sohn rumgewitzelt, dass ‚man sie tatsächlich für Grimms halten würde‘, wenn die Leute wüssten, worüber sie sprachen und er nannte seinen Kumpel einen ‚Alpha‘„. Nick machte eine hilflose Geste und sah Monroe fragend an. „Kannst du damit was anfangen?“ Monroe schüttelte nachdenklich den Kopf. „Also vom Geruchssinn her traue ich den Jungs zu Blutbader zu sein, aber so ein Gehör... Nein. Ich meine ich habe ich super Gehör, ich bin schließlich Uhrmacher. Ich muss ja das leiseste Ticken hören können. Aber so leise flüstern, dass sonst kein anderer es hört... nein, so gut bin ich dann doch nicht.“ Er sah den Polizisten mit einem merkwürdigen Blick an. „Das kannst nur du soweit ich weiß, Nick.“ „Aber was ist das mit dem ‚Alpha‘?“, fragte Nick. Monroe kratzte sich am Kinn. „Alphas sind normalerweise die führenden Tiere eines Rudels. Ich wüsste aber nicht, dass der Begriff auch bei Wesen verwendet wird.“ „Und wenn die wirklich Grimms sind?“, fragte Hank. „Alle drei?“, Monroe war entsetzt. „Vielleicht ist das auch einfach nur ein Spitzname vom Lacrosse“, gab Nick zu bedenken. „Und da ist noch was“, ergänzte Hank. „Ist dir nicht aufgefallen, wie wenig beeindruckt die drei vom Anblick einer Leiche, zumal einer geköpften Leiche, waren? Sie haben nicht gezuckt und höchstens vor Kälte gezittert. Im Grunde wirkten sie fast gelangweilt. Normalerweise sehen die Leute nach so einem Anblick aus, als müssten sie sich jeden Moment übergeben.“ „Doch“, gab Nick zu, „hat mich schon gewundert. Aber andererseits, beim Sohn eines Sheriffs und seines vermutlich besten Freundes würde es mich auch nicht überraschen, wenn die öfters mit Tatort-Fotos und so zu tun hatten. Oder schlicht und einfach zu viele blutige Ego-Shooter gespielt hätten.“ „Auch der Coach? Dann müssten die aber enger miteinander zu tun haben, als bloß ‚persönlich bekannt‘ zu sein.“ „Oder es hat mit dem Mordfall an seiner Schwester zu tun, von dem er erzählt hat.“ „Also langsam komme ich nicht mehr mit“, seufzte Hank und schüttelte den Kopf. „Welcher Mord an wem?“ Nick machte eine wage Geste mit der Hand. „Er meinte da wir ohnehin nachforschen würden erzählt er lieber gleich, dass er eine Weile wegen des Mordes an seiner Schwester gesucht wurde. Aber er konnte seine Unschuld beweisen.“ Monroe zog die Brauen hoch. „Und das glaubst du so einfach?“ „Natürlich nicht, wir werden die Geschichte noch überprüfen.“ „Also, nichts gegen dich Nick, du bist Polizist und hast oft genug bewiesen, dass du nicht so ein Grimm bist. Aber ich meine, vielleicht drei weitere in der Stadt... Wow, Nick, wenn das stimmt, dann kann das zu einer Panik führen… Wir müssen den Wesenrat einschalten, die Gemeinde informieren, die…“ „Vielen Dank auch für das Vertrauen“, murrte Nick. „Zum einen, wir wissen ja noch gar nicht, ob sie wirklich Grimms sind. Und zum anderen, wenn wir es nicht erzählen, wie sollte es dann zu einer Panik kommen?“ „Du willst die Wesen in Portland im Unklaren lassen? Nick, das kannst du nicht…“ „Im Unklaren über was, Monroe?“, warf Hank ein. „Ich stimme Nick zu, wir sollten nicht die Pferde scheu machen, so lange wir nicht sicher wissen, was los ist. Und zum anderen, wenn sie hinter der Leiche stecken würden, dann hätten sie sicher nicht die Polizei gerufen, meinst du nicht?“ Nick hob besänftigend die Hände. „Leute, beruhigt euch wieder. Vielleicht sind sie ja gar keine Grimms. Und falls doch, vielleicht sind sie wie ich und… und machen nicht gleich mit jedem Wesen das, was Grimms… halt normalerweise so tun. Zwei davon waren verdammt noch mal noch Teenager und der ältere machte auch nicht den Eindruck, als wäre er ein eiskalter Killer. Wenn ich da an meine Mom denke, die strahlt schon was ganz anderes aus.“ Monroe zögerte einen Moment, bis er seinem Freund in die Augen sah. „Nick, du hast dich noch nie selber gesehen, wenn du auf Jagd bist. Junge, du bist der netteste Grimm, den ich kenne, aber selbst dir möchte ich im Dunkeln im Wald nicht freiwillig in die Quere kommen. Du bist gefährlicher, als du es dir selber eingestehen willst. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede.“ Unbewusst rieb er sich das Kinn, wo der Grimm ihn damals unter dem Einfluss des Cracher-Mortel-Giftes erwischt hatte. Er hätte es gerne geleugnet, aber insgeheim wusste Nick, dass Monroe Recht hatte. Seit dieser Zombie-Geschichte hatte er schon ein paar Mal die volle Wucht seiner Grimm-Wut zu spüren bekommen. Dieser Killerinstinkt, der ihn überrollte und ihn gleichzeitig schneller und stärker als jeden normalen Menschen werden ließ. Ihm war durchaus bewusst, dass er auf einem sehr schmalen Grat wandelte. Wie leicht konnte er diesen Abhang hinunter zu stürzen, wenn er nicht aufpasste. Aber hier ging es um etwas anderes. Wieder einmal standen sich seine Pflichten als Polizist und seine Aufgaben als Grimm gegenseitig im Weg. Sollte sich herausstellen, dass ein Grimm hinter der kopflosen Leiche steckte, konnte das seine ganze bisherige Arbeit gefährden. Das mühevoll aufgebaute Vertrauen der gesetzestreuen Wesen in seine Integrität als Polizist stand auf dem Spiel. „Wisst ihr was, mir reicht das jetzt. Der Coroner sagte doch das Opfer sei zwischen 3 und 5 Uhr morgens getötet worden, oder?“ Hank nickte. „Gut, dann frage ich jetzt einfach diesen Hale, seit wann sie eigentlich in Portland sind, damit das ein für alle Mal geklärt ist, ok?“ Er kramte sein Notizbuch heraus und schlug die Seite mit den Kontaktdaten auf, die Wu ihm vorhin gegeben hatte. Er zückte sein Handy und wählte die Rufnummer. Erst nach dem vierten Klingeln wurde am anderen Ende abgehoben. „Hallo, spreche ich mit Derek Hale? Hier ist noch mal Det. Burkhardt vom Portland Police Department, wir hatte vorhin miteinander gesprochen. Ich wollte nur noch kurz wissen, seit wann Sie eigentlich in der Stadt sind. Seit heute Morgen erst? Ja, natürlich, ist eine weite Strecke von Kalifornien hierher. Ich nehme an, Sie sind die ganze Nacht durchgefahren, oder? Aha… ok. Nein, danke, das war’s schon. Tut mir Leid wegen der späten Störung. Ja, Ihnen auch einen schönen Abend noch. Auf Wiederhören.“ Nick beendete die Verbindung und sah seine Begleiter an. „Streicht die drei als Täter. Zur Tatzeit waren sie mit einem Bus voller Schüler auf dem Highway unterwegs. Wir werden das zwar natürlich noch überprüfen, aber ich denke die Geschichte ist plausibel.“ Er verstaute sein Telefon wieder in der Jackentasche. „Und, fühlt ihr euch jetzt besser? Seid ihr zufrieden?“ Hank hob abwehrend die Hände. „Hey, ich hab doch gar nichts gesagt.“ „Du kannst mir doch nicht vorwerfen, dass ich misstrauisch bin, Nick. Ihr habt immerhin eine geköpfte Leiche gefunden. Da macht man sich halt Sorgen.“ „Was uns wieder zurück zu Feld Eins führt“, seufzte Hank. „Na dann“, meinte Monroe und klopfte beiden Detectives auf die Schultern. „Wollt ihr nicht vielleicht doch noch ein Bier? Hab auch Alkoholfreies im Kühlschrank.“ „Höchstens zum Mitnehmen, ich fürchte es wird wieder Zeit für Recherche.“ „Der Trailer?“, seufzte Hank. „Der Trailer“, bestätigte Nick. Kapitel 7: Eins zu Null für Beacon Hills ---------------------------------------- Derek hielt sein Handy noch in der Hand nach dem Anruf des Detectives. Er zog die Augenbrauen zusammen und blickte das Gerät vorwurfsvoll an, als könnte es höchstpersönlich etwas dafür, dass sie mal wieder in so ein Schlamassel geraten waren. „Heißt das jetzt wir sind als mögliche Täter entlastet oder haben wir uns noch verdächtiger gemacht?“, fragte Scott und sah Stiles erwartungsvoll an. „Was schaust du mich so an?“, fragte er. „Woher soll ich wissen, wann der Typ gekillt wurde. So genau hab ich mir die Leiche nun auch wieder nicht angesehen…“ Genervt schüttelte Derek den Kopf. „Schlimm genug, dass du den überhaupt gesehen hast. Oder das wir überhaupt darin verwickelt wurden.“ Endlich legte er sein Telefon weg und lehnte sich dann mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht ans Fenster. Wie gerne würde er noch mal rausgehen, aber es war wohl besser, wenn sie für den Rest des Abends im Haus blieben. „Was ich immer noch nicht verstehe“, meinte Scott nach einer Weile, „was wollte dieser Albright eigentlich von dir, Derek?“ Der ältere presste die Lippen zusammen. Ohne sich umzudrehen sagte er, „Uns. Was wollte er von uns.“ Scott und Stiles sahen sich überrascht an und dann wieder Derek in Erwartung einer Erklärung. Die aber nicht kam. „Soll heißen?“, hakte Stiles schließlich nach, weil es nicht so aussah, als wenn Derek freiwillig etwas dazu sagen würde. Schließlich drehte er sich doch zu ihnen um und legte den Kopf schief. „Soll heißen ihr informiert besser eure Eltern, damit die Bescheid wissen, falls sich die Polizei bei ihnen meldet und dann wird geschlafen.“ „Dann sag uns was dass im Wald sollte, Derek“, sagte Scott. „Erst danach werden wir mit unseren Eltern reden.“ Derek verzog das Gesicht und stopfte wie üblich seine Hände in die Jackentaschen. Das machte er immer, wenn er eine gewisse Distanz aufbauen wollte, vermutete Scott. Zu seinem oder ihrem Schutz war ihm aber nicht ganz klar. „Tu das nicht“, sagte er bloß mit einem besorgten Ausdruck in den Augen. Derek sah überrascht drein. „Was soll ich nicht tun?“ „Uns ausschließen“, meinte Scott. „Die Angelegenheit geht uns alle etwas an, du musst uns vor nichts beschützen.“ „Beschützen…“. Derek seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Mehr zu sich selber, als zu den anderen, sagte er, „selbst wenn ich es möchte, kann ich es anscheinend nicht. Zumindest nicht gut. Ich bin es einfach nicht gewohnt auf jemanden aufzupassen. Laura hat immer auf mich aufgepasst und danach…“. Er lachte freudlos auf und schüttelte den Kopf „Vielleicht will ich auch einfach nur bei dir die Fehler vermeiden, die mir als Alpha unterlaufen sind, Scott. Ein Alpha schützt die seinen…“ Scott verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Und das tust du doch, Derek. Du beschützt uns, indem du uns sagst was los ist. Wenn wir ohne Vorwarnung auf Gefahren stoßen ist das viel schlimmer, als Bescheid zu wissen.“ Stiles schnaubte belustigt. „Sprach der Alpha, der nur das Telefonat mit seiner Mom hinauszögern will.“ „Sagte der Beta“, konterte Scott, „der nicht dem Sheriff beichten möchte, dass die Polizei von Portland bei ihm anrufen wird.“ „Touché…“ Derek seufzte erneut, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich rittlings drauf. „Ok, du hast ja Recht, Scott. Es ist nur… ich kann nicht genau sagen, was mit Albright ist. Warum der Typ mich nervös macht. Es kamen nur leichte Andeutungen von ihm und ein Glitzern in den Augen. Nicht eindeutiges. Aber er strahlt eine Aura aus, die mir sagt in seiner Gegenwart sehr vorsichtig zu sein. Er ist ziemlich sicher eines dieser ‚Wesen‘, aber er… ich weiß auch nicht…“ Frustriert warf Derek die Hände in die Luft. „Solange wir nicht wissen was er eigentlich ist, wissen wir auch nicht was er von uns will. Aber ich würde wetten, dass sein Interesse an uns weit über das sportliche hinausgeht.“ Bedächtig nickte Scott. „Das denke ich auch. So wie er von der ‚Show‘ gesprochen hat, die wir abgezogen haben sollen… Er wollte unbedingt wissen welche Art ‚Wesen‘ wir sind. Man könnte fast meinen, er wolle uns für irgendeine Showeinlage haben…“ „Oder als würden wir in seinem Sammelalbum fehlen und er will unseren Wert wissen, bevor er uns einsortiert“, witzelte Stiles und warf seine Schuhe in die Ecke, um sich auf seinem Bett breit zu machen. Er faltete in Ermangelung seines Kissens, das immer noch vor dem Fenster auf dem Boden lag, die Finger hinter dem Kopf und machte die Augen zu. Darum bemerkte er auch nicht die alarmierten Blicke zwischen Derek und Scott. „Sag das noch mal, Stiles“, forderte Derek ihn auf. „Als würden wir was?“ „Na du kennst doch Sammelbilder-Spiele, oder? Hast doch bestimmt selber mal als Junge die Baseball-Karten gesammelt, stimmt’s?“ Derek knurrte nur zur Antwort, woraufhin Stiles sich auf die Seite drehte und den Kopf auf seinen Arm stützte. „Mein Dad hat die mal gesammelt und ich hab ihm vor Jahren zum Geburtstag einige der fehlenden Karten geschenkt. Daher kenne ich mit dem Thema einigermaßen aus. Also, es gibt Karten, die sehr häufig auftreten und andere die seltener sind. Und dann gibt es noch die wirklich super seltenen Karten, die einem beim Spiel fast immer den Sieg bringen. Der schnellste Läufer, der stärkste Schläger, die meiste Home-Runs und so. Wenn man einen Satz vervollständigen möchte muss man die einschlägigen Tauschbörsen ständig im Auge behalten. Oft genug wissen die Leute gar nicht, was sie da wertvolles besitzen. Also versucht man abzuchecken, wer tatsächlich was Seltenes zu bieten hat und wer einfach nur Masse statt Klasse bedient. Und wir sind eben scheinbar sowas wie die „Super-Rare“-Karten im Portland-Wesen-Satz. Oder zumindest könnten wir das sein, wenn Albright unsere Kampf-Klasse wüsste. Was er ja gerne täte, wenn wir ihn ließen.“ Er stemmte sich ein wenig hoch und sah sich im Zimmer um. „Haben wir irgendwo noch was zu trinken stehen?“ Keiner antwortete und so stand Stiles wieder auf und schaute in ihre Schränke. In seiner Sporttasche fand Stiles noch eine angefangene Flasche von der Fahrt. Erfreut darüber warf er sich wieder auf sein Bett, das unter ihm verdächtig knarzte und nahm einen tiefen Zug von der Cola. „Stiles“, sagte Scott schließlich nach langem Schweigen und biss sich auf die Unterlippe, „ich weiß nicht wieso, aber irgendwie klingt deine Theorie verdammt logisch… Derek?“ Der stöhnte nur und rieb sich die Stirn. „Warum müsst ihr immer so lange bohren, bis ihr alles wisst? Ich hätte lieber noch etwas in der Idee geschwelgt, dass er euch beide vielleicht einfach nur abwerben will fürs Team, aber das… entweder wir werden alle nach und nach paranoid und sehen Verfolger an Ecken, wo gar keine sind, oder Stiles hat Recht. Es klingt jedenfalls tatsächlich verdammt logisch.“ „Was meint ihr?“, Stiles hatte inzwischen die Flasche geleert und schraubte sie wieder zu. Offenbar hatte er gar nicht mitbekommen, was seine Worte für Überlegungen ausgelöst hatten. „Na die Sache mit den Super-Rares und unserer Kampf-Klasse“, antwortete Scott. „Echt blöd, dass wir niemanden fragen können wegen dieser ‚Wesen‘.“ „Können wir nicht? Hat Lydia nicht noch eine Kopie des Argent‘schen Bestiariums? Vielleicht steht da was drin?“, mutmaßte Stiles. Derek überlegte. „Wäre zumindest einen Versuch wert. Ich rufe sie an, wenn ihr eure Anrufe macht.“ „Ist ja schon gut“, maulte Stiles und kramte sein Handy hervor. „Wir machen ja schon. Da fällt mir ein“, meinte er noch, bevor er wählte, „denkt daran, dass Portland laut der Stadtführung für seine Shanghai-Tunnel berühmt ist. Da wurden früher Seeleute verschleppt und zwangsrekrutiert für Schiffsbesatzungen. Wir sollten also besser die Innenstadt meiden, wenn wir nicht möglicherweise einen der Tunnel von innen sehen wollen.“ Derek massierte sich die Nasenwurzel. „Ok, jetzt hast du es geschafft. Ich bin hiermit offiziell paranoid und werde dieses Zimmer nur noch verlassen, wenn wir mit den anderen zusammen unterwegs sind. Ich rieche förmlich Probleme auf uns zukommen, sobald wir dieses Raum verlassen…“ Scott kratzte sich das Kinn. „Apropos riechen… Was war das eigentlich vorhin im Wald für ein Geruch? Ich dachte schon ich kippe gleich um, und das direkt vor dem Polizisten... War das irgendeine Form von Wolfsbane, die ich noch nicht kenne?“ „Da keiner der Menschen reagiert hat denkbar“, antwortete Derek. „Das hilft übrigens nicht im Geringsten gegen meine Paranoia, wenn du sowas sagst, Scott.“ Er erhob sich von seinem Stuhl. „Wisst ihr was, wir machen das Licht aus und gehen zu Bett. Nachdem ihr bei euren Eltern angerufen habt selbstverständlich“, setzte Derek nach und wackelte grinsend mit den Brauen. Wofür er diesmal prompt die dreckigen Socken von Stiles erntete.   ***   Der nächste Morgen zog grau und bewölkt heran. Die Werwölfe streckten sich und versuchten ihre müden Glieder in Bewegung zu setzen. Keiner von ihnen hatte sonderlich gut geschlafen nach der Unterhaltung vom Vorabend. Melissa war entsetzt gewesen über den Leichenfund. Aber sie machte sich mehr Sorgen, ob das bei Scott und Stiles irgendwelche psychischen Auswirkungen haben könnte, als dass sie sich um einen Anruf der Polizei Sorgen machen würde. Sheriff Stilinski war erwartungsgemäß ‚not amused‘, stimmte aber zu, dass das Melden einer Leiche wichtiger war, als sich rauszuhalten. Er wünschte den Jungs noch viel Erfolg für das Spiel am nächsten Tag, bevor er sich wieder seiner Arbeit widmete. Aber vorher schärfte er seinem Sohn noch einmal ein, dass er aufpassen und sich nicht in etwas Schlimmeres verwickeln lassen solle, als ohnehin schon. Natürlich waren sowohl er als auch Melissa wieder auf Spätschicht in ihren jeweiligen Jobs. Kurz hatte Scott überlegt auch seinem Dad Bescheid zu geben, die Sache dann aber auf den nächsten Tag verschoben. Er hatte keine Lust, dass Rafael sich noch in die Ermittlungen einmischte, ohne gefragt worden zu sein. Bei Lydia war im Hintergrund eine quietschende Malia zu hören gewesen, als sie Dereks Anruf entgegen nahm. Kira war wohl gerade dabei ihr die Haare auszukämmen, nachdem die Banshee der Kojotin die angedrohte Haar Kur verpasst hatte. Spontan konnte sie auch nichts mit den Begriffen ‚Wesen‘ und ‚Blutbader‘ anfangen, aber Lydia versprach später noch einen Blick in die Dateien der Argents zu werfen. Aber da es eine recht umfangreiche Sammlung war, konnte es einige Zeit dauern, bis sie damit durch war. Damit blieb den Jungs nichts anderes übrig als tatsächlich zu warten und schlafen zu gehen.   Beim Frühstück waren die Drei dann auch recht schweigsam, während der Rest der Mannschaft in Aussicht auf das Spiel ziemlich gut gelaunt und ausgelassener Stimmung war. Der Coach nahm das ernste Gesicht von Scott als Ausdruck für seine mentale Vorbereitung und lobte seinen Einsatz fürs Team. Dann entführte er Derek, bevor der auch nur seinen Kaffee austrinken konnte, und zerrte ihn aus dem Saal. „Hast du wirklich über das Spiel nachgedacht?“, fragte Stiles Scott leise. „Nicht im geringsten“, antwortete dieser ebenso leise.   ***   Eine halbe Stunde später saßen alle wieder im Bus, der sie zur Partner-Schule und dem Spiel bringen sollte. Scott, Stiles und Derek saßen erneut ganz hinten im Bus. Der ältere beugte sich zu den Jungs vor und berichtete leise, dass der Coach einen Anruf von der Portland P.D. bekommen hatte, die ihre Story vom Vorabend bestätigt haben wollte. „Finstock wollte keine Szene vor der Mannschaft draus machen, aber er war sehr besorgt, ob ihr beide das Erlebte verkraftet hättet wegen dem Spiel nachher. Er könne auf euch beide nicht verzichten, ‚wenn wir diesen Weicheiern aus Portland zeigen wollen, dass ein Sponsor keine besseren Spieler macht‘„, zitierte Derek. „Ich konnte ihm glaubhaft versichern, dass ihr beide hart im Nehmen seid und nun kann er es nicht abwarten, euch auf dem Spielfeld zu sehen.“ „Und das, wo wir uns eigentlich wegen Albright zurücknehmen müssten“, seufzte Scott. „Miserables Timing, wie immer“, meinte Stiles und zuckte mit den Schultern. Sie waren Kummer in Kombination mit dem Coach gewöhnt. „Ich hab ihm auch gesagt, dass wir nach dem Spiel noch unsere Aussagen auf dem Präsidium machen müssen. Also wenn wir direkt nach dem Abpfiff verschwinden, um Albright aus dem Weg zu gehen wird uns keiner vermissen.“ Scott verzog bei den Worten das Gesicht. „Was?“, fragte Derek. „Ach, das war nur eine etwas… gruselige Wortwahl. Dass uns keiner vermissen würde. Das könnten auch bestimmte Leute ausnutzen.“ „Scott“, sagte Derek und hob abwehrend die Hände. „Fang nicht schon wieder damit an. Rede bitte nichts herbei…“ „Du hast angefangen“, stellte Scott klar. „Und ich werde es beenden“, kommentierte Stiles. „Wir sind nämlich da. Alle aussteigen...“   ***   Während die Jungs aus Beacon Hills sich auf ihr Freundschaftsspiel vorbereiteten, wurde im Portland P.D. weiter in dem mysteriösen Mordfall ermittelt. Det. Nick Burkhardt und sein Partner Hank Griffin saßen an ihren Schreibtischen über den Berichten der Pathologie und der Spurensicherung. Der Besuch im Trailer am Vorabend hatte ihnen keine weiteren Erkenntnisse über mögliche Wesen gebracht, also versuchten sie es jetzt auf die „traditionelle“ Weise, einfach mit guter Polizeiarbeit. „Also unser Opfer Frank Porterfield, laut Autopsie fanden sich in den Kratzspuren auf der Brust nicht-menschliche Zellen“, fasste Hank den Bericht laut zusammen, „aber sie konnten keiner bestimmten Tierart zugeordnet werden und weisen Vermischungen mit menschlicher DNA auf. Daher vermutet das Labor, dass die Proben entweder verunreinigt wurden oder das auf den Klauen bereits Spuren von anderen Opfern vorhanden waren, die dann in die Wunde übertragen wurden. Im Augenblick versuchen sie die einzelnen DNAs voneinander zu trennen, um auf diese Weise vielleicht andere Opfer identifizieren zu können.“ Er schlug die Mappe zu und zog die Stirn in Falten. „Manchmal wünschte ich wirklich, wir könnten dem Labor sagen, dass es eigentlich keine Verunreinigungen sind, sondern Wesen, die dahinter stecken“, seufzte er. „Gibt’s bei dir was Neues?“ Nick blätterte durch den Bericht der Tatortsicherung. Frustriert schüttelte er mit dem Kopf. „Auch nichts wirklich brauchbares an diesem Ende“, sagte er. Doch dann hielt er inne und las eine Passage des Berichtes genauer. ‚Interessant‘, dachte er und hielt seinem Partner die Seite hin. Mit dem Finger deutete er auf den entsprechenden Abschnitt, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte. „Hier lies das mal. Es geht um eine Sprühflasche, die unter der Leiche gefunden wurde.“ „Halb unter der Leiche“, korrigierte Hank, während er den Bericht las. „Ich war dabei, als sie die Flasche eintüteten.“ „Jedenfalls, schau mal was laut Labor darin enthalten war.“ „Wolfsbane“, murmelte Hank und hob dann den Kopf um Nick anzusehen. „Nicht gerade ein klassischer Duftstoff. Und was hilft uns das weiter?“ Er schob seinem Partner die Akte wieder zurück, aber der hob nur eine Augenbraue. „Ok, was hab ich ‚wesentliches‘ übersehen?“ Der Grimm beugte sich vor und senkte die Stimme. „Wolfsbane wird benutzt, um den Geruchssinn eines Blutbaders zu überlisten. Erinnerst du dich an den Fall mit dem vermissten Mädchen im Wald, bei dem ich Monroe das erste Mal getroffen habe?“ Hank nickte. „Als wenn ich den Fall vergessen könnte…“ Mann, das war ne Geschichte gewesen. Er hatte damals schon befürchtet, dass Nick wegen des Angriffes auf seine Tante so durch den Wind war, dass er an jeder Ecke Monster sah, die es gar nicht gab. Oder dass er durchdrehen würde, weil er zum ersten Mal jemanden im Dienst erschießen musste. Er wäre nicht der erste Cop gewesen, der das nicht verkraftet hätte. Heute wusste Hank, dass diese Monster wirklich existierten, aber damals… als Nick in diesem speziellen Fall anfing ihn und sich selber mit irgendeinem Kraut einzureiben, nur damit der Verdächtige sie nicht vorzeitig bemerken würde, da war er kurz davor gewesen seinen Partner einweisen zu lassen. Dann wurde ihm klar worauf Nick hinaus wollte. Er tippte mit dem Finger auf den Bericht und senkte ebenfalls die Stimme. „Du meinst das war dieses Zeug? Das, womit du uns damals eingerieben hast?“ „Genau das“, bestätigte Nick. „Das ist vielleicht endlich der Ansatz, den wir brauchen.“ „Aber warum war das in einer Sprühflasche?“ „Vielleicht wollte einer seinen Hund abrichten und hat das als Strafe verwendet?“ Überrascht richtete Hank sich auf. Er war so in Gedanken gewesen, er hatte gar nicht bemerkt wie Sgt. Wu hinter sie getreten war. „Bitte?“, fragte er verwirrt. „Meine Nachbarin macht das manchmal mit ihrem Köter. Ein lästiges Vieh. Kann es einfach nicht lassen in den Hauseingang zu pinkeln. Bei Katzen helfen Sprühflaschen zwar besser, aber es kommt eh mehr auf den Inhalt an. Hunde haben sehr empfindliche Nasen, wisst ihr? Millionen und Aber-Millionen Riechzellen mehr als wir. Es gibt sogar eine Pflanze, die „Verpiss-Dich“ heißt und gegen pinkelnde Hunde wirken soll. Die Frau wollte eigentlich eine am Eingang einpflanzen, aber der Verwalter war dagegen. Passte nicht in sein ‚Pflanzkonzept‘.“ Wu malte Anführungszeichen in die Luft. „Bin echt froh, dass ich nicht so gut riechen kann. Ich meine, wer will schon das vergammelte Zeug aus den Mülltonnen riechen können. Andererseits, der Duft von frisch gemahlenem Kaffee…“ „Aber warum sollte das dann unter dem Opfer gelegen haben? Er war schließlich laut Bericht kein Hundebesitzer.“ Wu zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich hat ein frustrierter Wanderer die lange vorher in den Wald geschmissen, weil es nichts genützt hat?“, mutmaßte er. „Hast du nun eigentlich was für uns, oder bist du nur einsam“, meinte Nick schließlich. „Ich hab was für euch. Ich habe heute Morgen in dem YMCA angerufen und mit dem vorgesetzten Trainer der Zeugen gesprochen. Er bestätigt ihre Geschichte von der nächtlichen Fahrt. Und er lässt ausrichten, wir sollen seine Spieler nicht zu sehr ablenken. Das sei nicht gut für die Truppe, wenn wir den Captain von seinen Aufgaben fernhalten würden. Wenn sich, und ich zitiere, ‚irgend so ein Idiot im Wald umbringen lässt hat das nichts mit seinen Jungs zu tun‘, Zitat Ende.“ Er reichte Nick die Mappe mit der Niederschrift. „Apropos Kaffeeduft…“ Er ging weiter zur Kaffeemaschine. „Hey, wer die Kanne leer macht hat gefälligst neuen aufzusetzen!“, beschwerte er sich lauthals. Mit der leeren Glaskanne in der Hand und einem leisen Fluch auf den Lippen zog er los, um frisches Wasser zu holen. Die beiden Detectives warteten, bis Wu außer Hörweite war. „Denkst du auch, was ich denke?“, fragte Hank. „Oh ja.“ Der Grimm nickte. Beide standen vom Tisch auf und nahmen ihre Jacken von den Rückenlehnen der Stühle. Schnellen Schrittes verließen sie das Büro, die Akte der Spurensicherung unter den Arm geklemmt.   ***   Die Türglocke gab das wohlbekannte Klingeln von sich, als Nick den Laden von Rosalee Calvert, dem „Spice-Shop“ wie er von allen bloß genannt wurde, betrat. „Hi Nick, Hank“, rief ihnen die junge Frau dann auch gleich fröhlich entgegen. Beide hoben kurz die Hand zum Gruße. „Ich bin gleich bei euch.“ Dann widmete sie sich wieder ihrem Kunden. Einen Augenblick lang konnte Nick in einer Aufwallung einen Eisbiber erkennen, dann wandte er sich schnell ab, um den Mann nicht zu verschrecken. Er wollte Rosalees Kundschaft schließlich nicht vertreiben, in dem die ihn als Grimm erkannten. Der ‚Spice Shop‘ war eine Institution unter den Wesen. Die junge Fuchsbau hatte den Laden vor einer Weile von ihrem verstorbenen Bruder übernommen und arbeitete nun als Apothekerin im Dienste der Wesen von Portland. Wo normale Human-Medizin nicht helfen konnte, sorgte sie mit ihren speziellen Mittelchen nach uralten Rezepten hergestellt für Abhilfe. Das machte sie auch für den Grimm zu einer wertvollen Verbündeten. Wo die Berichte der Grimms aufhörten, machten ihre Bücher weiter. Die einen suchten ein Wesen-Leben schnell zu beenden, die anderen wollten es retten. Die Lösung lag meistens irgendwo dazwischen.   Hank vertrieb sich die Wartezeit wie so oft damit, dass er die Namen der Zutaten in den Regalen las und sich die Inhalte genauer ansah. Wenn er ganz mutig war, dann öffnete er auch schon mal ein Glas und schnupperte an dessen Inhalt. Nur um meistens mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zurück zu zucken und das Glas schnell wieder ins Regal zu stellen. Nick beobachtete ihn gerne dabei und konnte oftmals ein amüsiertes Lachen kaum unterdrücken. Diesmal war Hank aber auf der Suche nach etwas speziellem. „So, kann ich euch helfen Jungs?“, fragte mit einem Mal Rosalee. Das Klingeln an der Tür zeigte an, dass der andere Kunde eben den Laden verlassen hatte. „Ich hoffe doch“, antwortete Hank mit einem charmanten Lächeln. „Habt ihr hier zufällig auch Wolfsbane?“ Rosalee stutzte. „Ja sicher.“ Sie drehte sich um und ging zu einem anderen Regal. Etwas weiter oben stand ein größeres Einmachglas gefüllt mit trockenen Pflanzenteilen. Sie reichte es Hank, der sich natürlich nicht zurückhalten konnte und es öffnete, um daran zu schnuppern. „Und wozu braucht ihr das?“, fragte sie neugierig. „Wofür brauchst du das denn?“, gab Nick die Frage zurück. Rosalee nahm Hank das Glas aus den Händen und etwas von der getrockneten Pflanze aus dem Behälter zwischen die Finger. „In der traditionellen Medizin wird Wolfsbane oder Aconitum in geringen Mengen bei Erkältungen und Fieberanfällen verwendet. Sogar bei Beklemmungen und Todesangst setzten es die Chinesen ein, aber das finde ich dann doch etwas übertrieben.“ Sie reichte das Stück an Nick weiter und machte das Glas wieder zu. „Im Grunde ist es ein starkes Neurotoxin. Tödlich wenn es in größerer Dosis eingenommen wird und es ist auch schon im Laufe der Geschichte immer wieder als Gift verwendet worden. Medea zum Beispiel soll bereits versucht haben Theseus damit zu vergiften. Bei den Wesen wird es dagegen gerne verwendet, um seinen Geruch vor Blutbadern zu verbergen.“ Sie zögerte und sah die beiden Männer an. „Aber ich vermute letzteres wusstet ihr bereits.“ „Kennst du eine Einsatzform, für die man eine Sprühflasche verwenden würde?“, fragte Hank. Die junge Frau machte große Augen und sah erst Nick, dann Hank an. „Ist euch sowas etwa begegnet?“ Statt einer Antwort reichte Nick ihr den Bericht und schlug die entsprechende Seite auf. Rosalee stellte das Glas auf die Theke und legte die Mappe daneben, um sie in Ruhe zu lesen. Nick drehte das Stück Wolfsbane in der Hand hin und her und schnupperte daran. Er konnte dabei nichts Besonderes feststellen, aber er war ja auch kein Blutbader. Und ein besonderer Geruchssinn gehörte nicht zu den speziellen Fähigkeiten eines Grimms. „Das kommt mir irgendwie bekannt vor“, murmelte Rosalee gerade und tippte mit dem Finger nachdenklich auf den Bericht. Ihr Blick wanderte im Raum umher und blieb bei den alten Büchern hängen. „Irgendwo hab ich darüber schon mal was gelesen…“ Sie schob die Leiter, die an das Regal gelehnt war ein Stück weiter, bevor sie sie betrat und die Buchrücken in der obersten Reihe genauer in Augenschein nahm. „Irgendwo hier…“, murmelte sie leise vor sich hin. „Ähh, sollen wir später wieder kommen?“, fragte Nick unsicher. „Hmmm?“, fragte Rosalee abwesend. Sie hielt inzwischen einen dicken Wälzer aufgeschlagen in der Hand und blätterte darin. „Rosalee?“, fragte Nick noch einmal. Diesmal löste sie den Blick vom Buch und sah den Grimm an. „Sollen wir besser später noch mal vorbei kommen?“ „Ist nicht nötig. Ich rufe dich einfach an, sobald ich mehr weiß.“ „Ok“, antwortete Nick. „Brauchst du den Bericht noch?“ Aber Rosalee war wieder in ihren Büchern versunken. „Anscheinend nicht“, meinte Hank und nahm die Mappe von der Theke. Nick zuckte mit den Schultern. „Dann... gehen wir wohl besser. Bis später Rosalee!“ Er winkte ihr einmal zum Abschied, aber die Fuchsbau war zu sehr in ihr Buch versunken, um es zu bemerken.   ***   Auf dem Spielfeld ging es in der Zwischenzeit hoch her. Albright hatte offenbar als Revanche für ihre nächtliche Begegnung sein Team ganz besonders auf Scott und Stiles angesetzt. Die jungen Werwölfe hatten ihre liebe Not, einerseits ihren Job als Verteidiger zu machen und andererseits nicht zu auffällig… unanfällig für die Attacken zu sein. Derek stand am Spielfeldrand und beobachtete die übermäßig brutalen Angriffe der Portländer mit wachsender Wut im Bauch. Immer wieder warf er Albright giftige Blicke zu. Coach Finstock dagegen bekam von dem kleinen Drama auf dem Feld nichts mit. Gott sei Dank. Er feuerte begeistert seine Mannschaft an, rief Anweisungen und schien sich exzellent zu amüsieren. Zur Pause führten dann auch die Cyclones verdienter Maßen mit 3:1. Wobei der Gegentreffer mehr ein Glückstreffer war, als auf Können beruhte. Stiles und Scott setzten ihre Helme ab und gingen zu Derek hinüber, der ihre Trinkflaschen bereithielt. Sie hatten vereinbart, dass sie nichts von ihren Sachen unbeaufsichtigt lassen wollten, da sie Albright nicht über den Weg trauten. Und die Blicke, mit denen er sie bedachte schienen ihnen Recht zu geben. „Was hat der Kerl nur für ein Problem“, murmelte Stiles zwischen zwei tiefen Zügen seines isotonischen Durstlöschers. „Das wüsste ich auch gerne“, antwortete Derek mit finsterem Blick. „Ich habe ihn die meiste Zeit nicht aus den Augen gelassen. Immer wenn ihr eine besonders fiese Attacke abwehren konntet hat die Portländer Bank geschlossen protestiert. Außer ihm. Er hat nur gelächelt, als würde alles zu seiner vollsten Zufriedenheit ablaufen.“ „Wirklich?“, fragte Stiles ungläubig und wischte sich mit dem Ärmel über die verschwitzte Stirn. „Dabei spielen seine Jungs echt miserabel.“ „Nur uns angreifen können sie gut. Man könnte meinen, wir haben es hier mehr mit Footballspielern zu tun…“, meinte Scott und nahm ebenfalls einen tiefen Zug aus seiner Trinkflasche. „Auf jeden Fall sind zumindest Cheerleader bei einem Lacrosse-Spiel doch mal ne nette Abwechslung. Meint ihr wir könnten sowas auch bei uns zu Hause bekommen?“ Auf diese Bemerkung hin verpasste Derek dem Jungen einen Katzenkopf. „Ich denke du bist mit meiner Cousine zusammen?“ „Schon, aber darf ich deshalb keine Cheerleader mehr mögen? Ich meine, die Kleine da vorne zum Beispiel himmelt doch die ganze Zeit Scott an.“ Er deutete in die Richtung der Truppe und zwinkerte Derek frech zu. „Der aber ebenfalls in einer Beziehung ist.“ Derek verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den jungen Beta strafend an. Der schien über Dereks ‚erwachsene‘ Haltung zu dem Thema sehr amüsiert zu sein. Er tätschelte Dereks Schulter und deutete mit seiner Flasche einen Knuff in dessen Rippen an. „Das wissen die doch nicht. Und außerdem ist er der Captain der Mannschaft. Frauen stehen auf sowas. Gönne Scott doch ein wenig Spaß. Oder bist du etwa eifersüchtig? Weil jemand deinen Alpha anhimmelt?“ „Nimm deine Hände von mir, sonst kannst du gleich nicht mehr spielen, Stiles.“ „Ach, das heilt doch ganz schnell wieder.“ „Aber nicht in dreißig Sekunden, wenn ich deine Hände vorher wie trockene Äste zerbreche…“ „Leute, ich stehe neben euch, ok? Beruhigt euch wieder. Vielleicht meint die ja gar nicht mich. Und guckt bitte nicht so deutlich zu denen hin, sonst wird das tatsächlich noch als Einladung…“ „Zu spät“, kommentierte Derek und seufzte. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt. „Hi“, kam das Mädchen zu ihnen an gehüpft. Ihr brauner Pferdeschwanz wippte beim Laufen hin und her. „Hi“, antworteten die Männer im Chor. „Ich wollte nur sagen, wie beeindruckt wir von eurem… Spiel sind“, kicherte sie und hielt sich verschämt ihre Pompons vor den Mund. „Ich bin übrigens Laurie und die Kapitänin der Cheerleader.“ Sie streckte Scott ihre Hand entgegen und strahlte übers ganze Gesicht. Selbst ihre Wangen leuchteten rosa auf. „Hi Laurie, ich bin Scott“, antwortete er automatisch und griff nach ihrer Hand, um sie zu schütteln. In dem Augenblick hatte er den Eindruck von einem… von einem zweiten ‚Wesen‘ unter der Oberfläche. Ungewollt leuchteten seine Augen rot auf und er konnte mit seiner Alpha-Sicht eine Fuchs-Aura um das Mädchen erkennen. Ähnlich wie bei Kira damals. Naja, ähnlich, aber doch ganz anders. Keine Flammen umgaben das ovale Gesicht, sondern tatsächlich Fuchsohren und der Eindruck von weißem und rotbraunem Fell. Das Mädchen schüttelte einmal leicht den Kopf und gelbe Fuchs-Augen zwinkerten ihm zu. Da Scott einigermaßen perplex in seiner Pose verharrte (er war es einfach nicht gewohnt, dass man ihn so offensichtlich an flirtete und dann noch von einem Fuchsmädchen) und sich beide selbst nach Stiles Gefühl Ewigkeiten anstarrten, sah dieser sich schließlich genötigt dazwischen zu gehen. Er hielt ihr seine Hand entgegen und sagte „und ich bin Stiles, sein Bester Freud und das ist Derek, unser Assistenz-Coach. Nett dich kennenzulernen, Laurie.“ Mit leichtem Widerwillen ließ die Cheerleaderin Scotts Hand los und schüttelte einmal kurz die von Stiles. Derek nickte ihr nur zu. Dann sah sie wieder Scott an. Sie beugte sich auf die Zehenspitzen vor und flüsterte ihm ins Ohr. „Blutbad?“ „Sowas ähnliches“, antwortete Scott unsicher. Das Mädchen kicherte wieder. „Dachte ich‘s mir doch. Füchse können sowas riechen, weißt du?“ Sie tippte sich einmal auf die Nasespitze und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. In diesem Augenblick pfiff der Schiedsrichter und rief alle Spieler zurück aufs Feld. „Wir… müssen los“, stammelte Scott unsicher und fummelte umständlich mit seinem Helm herum, während er Derek seine Trinkflasche in die Hand drückte. „War nett dich kennenzulernen.“ „Gleichfalls. Und noch viel Erfolg fürs Spiel“, wünschte sie ihm, während er bereits mit Stiles loslief. „Ach, und Scott?“, rief sie ihm nach und er drehte sich noch einmal fragend zu ihr um. Dann hüpfte sie auf ihn zu und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. „Als Glücksbringer“, flüsterte sie, hüpfte an ihm vorbei und lief zurück zu ihrem Team, das sie mit großem Hallo empfing. Scott stand nur stumm da, wie vom Blitz getroffen, und tastete mit der Hand auf die Stelle, wo ihre Lippen ihn berührt hatten. Stiles schnaubte und drückte Scott seinen Helm aufs Gesicht. „Hier Romeo, aufsetzen und dann Marsch ab aufs Spielfeld. Sie wollte, dass du gewinnst, nicht dass du zur Salzsäule erstarrst und alle Gegner durchlässt. Also komm…“ Kapitel 8: Portlands Finest --------------------------- Auf dem Weg zum Revier wollten Hank und Nick kurz bei Harper in der Pathologie vorbei schauen. Vielleicht hatte sie ja weitere Infos für die beiden parat.   Gerade wollten sie aussteigen, da meldete sich Nicks Handy zu Wort. Er schaute auf das Display, es war Rosalee. „Na da bin ich ja mal gespannt, was sie rausgefunden hat.“   Er hob ab. „Hallo Rosalee, was hast du für uns?“   „Hallo Nick“, ihre Stimme klang gestresst. „Ich wusste doch ich kenne diese Mischung.“   „Dein Ton verheißt nichts Gutes. Ich schalte den Lautsprecher an, Hank und ich sind grad im Auto“, er drückte die entsprechende Taste.   „Hi Rosalee“, meldete sich Hank. „Na dann erzähl mal.“   „Ist gut. Also, ich hab meine Bücher gewälzt und bin auf dieses Mittel gestoßen, das man bei euch in der Flasche entdeckt hat. Es heißt ‘Wolfsmond-Tropfen‘ und wird tatsächlich nur bei Wesen eingesetzt. Und wie in der getrockneten Form auch, kann das Wolfsbane darin benutzt werden, um den Geruchssinn eines Blutbaders zu beeinflussen, aber es wirkt auf Grund der weiteren Zutaten genau gegenteilig.“   Nick und Hank sahen sich besorgt an. „Wie meinst du das?“, fragte Nick. „Ist es dann mehr ein Lockstoff?“   „Zum Teil ja“, bestätigte Rosalee. „Aber vor allem sorgt es dafür, dass die unkontrollierbare Wut eines Blutbaders an den Tag kommt. Und die Person, die mit diesem Zeug eingesprüht wird…“   „…hat dann eine Zielscheibe auf dem Körper, die sagt ‚hier bin ich‘„, beendete Hank den Satz. „Fies.“   „Wenn es nur das wäre“, seufzte Rosalee durchs Telefon. „Die Person ist dann die Zielscheibe. Das rote Tuch für den Stier. Und blind wie ein Stier erfolgen dann auch die Angriffe. Jeder Blutbader, der das riecht wird völlig willenlos und ohne Sinn und Verstand die entsprechende Person angreifen und töten, ohne Rücksicht auf Verluste. Er kennt dann weder Freund noch Feind, nur das Ziel, was er ausschalten muss. Und da der Eigengeruch des Opfers quasi ausgeblendet wird, ist der Blutbader auch nicht mehr in der Lage bekannte Personen von Gegnern zu unterscheiden. Er wird auf Teufel kommt raus zuschlagen, bis schließlich der Geruch des Sprays mit Blut überdeckt ist. Und dann ist es für das Opfer bereits zu spät.“   Hank runzelte die Stirn. „Erinnert mich an das Zombie-Zeug…“   „Im gewissen Sinne ja, Hank“, antwortete Rosalee, „Mit dem Unterschied, dass es für die beeinflussten Blutbader nicht tödlich ist.“   „Nur für die Opfer“, sagte Nick leise. Hank legte ihm eine Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf. ‚Fang nicht wieder damit an, du trägst keine Schuld an dem, was passiert ist‘, sagte sein Blick.   „Ich fasse also zusammen“, meinte Nick, „wir haben eine Flasche voller ‚wenn ich dich rieche bist du tot‘-Spray für Blutbader unter einem Opfer gefunden, dass von Klauenspuren nur so übersäht war. Nett“, kommentierte er und hob eine Braue. „Danke Rosalee, dann wissen wir jetzt wenigstens Bescheid.“ Er wollte schon auflegen, da meldete sich die Fuchsbau noch einmal zu Wort.   „Wartet, ich hab noch mehr rausgefunden.“   „Ich hoffe das sind bessere Nachrichten…“   „Wie man’s nimmt. Ich habe ein Gegenmittel gefunden, dass den Effekt aufhebt und die Blutbader wieder zu Verstand bringt.“   „Das klingt doch gut“, meinte Hank zögernd, „und jetzt kommt das ‚aber‘ vermute ich?“   „Genau, die Herstellung dauert nämlich etwas. Ich habe zwar schon angefangen, aber ich kann das Kochen nicht beschleunigen. Außerdem brauche ich etwas von dem Original-Spray als Grundlage.“   „Hmmm“, machte Hank, „ob wir da so leicht rankommen…“   „Ihr müsst, ohne funktioniert es nicht.“   „Wieviel brauchst du denn? Einen Tropfen, einen Fingerhut voll, ein Glas?“   „2cl müssen es schon sein, ein Schnapsglas voll also. Und noch was, in dem Buch wird erwähnt, dass vereinzelte Personen mit Atemstillstand auf den Original-Spray reagieren. Ähnlich eines Asthma-Anfalles. Die Bronchien reagieren allergisch auf das Wolfsbane und die betreffenden Personen ersticken, wenn sie nicht rechtzeitig mit einem Gegenmittel behandelt werden können.“   „Was, wie ich vermute, auch schon in deiner Zauberküche brodelt.“   „Nein, tut es leider nicht, Hank. Das tritt wohl so unglaublich selten auf, dass es nie näher untersucht wurde und daher habe ich kein Rezept dafür gefunden. Und ich habe leider auch nicht genug Zeit selber eines zu entwickeln. Aber ich vermute normales Asthmaspray dürfte reichen, um das Schlimmste zu verhindern.“   Hank sah Nick fragend an. „Und wo bekommen wir welches her? Ich hab keines auf Lager, du etwa?“   Der Grimm schüttelte verneinend den Kopf. „Vielleicht haben wir sowas im Revier im Notfall-Kit.“   „Falls ihr dort keinen Spray findet, Spritzen mit Anti-Histamin sollten auch funktionieren.“   „Ok, danke Rosalee. Das hat uns wieder mal sehr geholfen. Was würden wir nur ohne dich machen.“   „Kein Problem Nick“, antworte sie. Man konnte das zufriedene Grinsen in ihrer Stimme hören. „Ich sag euch Bescheid, wenn das Gegenmittel für das Wolfsbane-Spray fertig ist. Und Nick…“   Er ahnte schon, was jetzt kommen würde. „Keine Sorge, ich werde Monroe da raushalten.“   „Danke Nick“, seufzte Rosalee beruhigt. „Also bis später“, verabschiedete sie sich.   „Bis später“, antworteten beide Männer gleichzeitig.   ***   „Oh, welch Glanz in meiner Hütte“, merkte die Pathologin Harper in ihrer üblich sarkastischen Art an, sobald sie durch die Tür in ihren Bereich kamen. „Welchem Umstand verdanke ich denn diesen Besuch?“   „Ihrem strahlenden Naturell, Doc, wie immer“, antwortete Hank mit einem schiefen Grinsen.   Doc Harper zog eine Braue hoch. ‚Wenn‘s nur so wäre‘, schien ihr Blick mit leichtem Bedauern zu sagen. „Es geht um euren kopflosen Reiter nehme ich mal an. Folgt mir.“   Sie führte die beiden Detectives zu ihrem Schreibtisch und nahm eine Mappe vom Stapel. Sie schlug sie auf und blätterte darin herum, während sie die Männer zum entsprechenden Tisch führte. Dann schlug sie das Tuch zurück. „Viel Neues hab ich leider nicht für euch. Todesursache scheint der massive Blutverlust auf Grund der Brustverletzungen zu sein. Der Kopf wurde postmortem abgetrennt.“ Harper blätterte ein paar Seiten weiter im Bericht. „Ah da ist es ja.“ Sie hielt den Männern die entsprechende Seite aufgeschlagen hin und Hank nahm sie entgegen.   Der Detective las für Nick laut vor. „Der Kopf wurde mit nur einem durchgezogenen Schnitt abgetrennt. Es sind keine weiteren Verletzungen am Rumpf oder Hals vorhanden, die auf Probeschnitte hindeuten würden. Als Tatwaffe kommt gemäß der Schnittkante nur eine Waffe von mindestens 40cm Klingenlänge mit glatter Schneide in Frage.“ Während er mit einem Ohr zuhörte, war Nick an den Leichnam heran getreten und untersuchte parallel zu Hanks Vorlesen die entsprechenden Stellen.   „Die Tatwaffe trat seitlich in den Hals des Opfers ein und beschrieb einen leichten Bogen durch den Körper. Der Schnittwinkel ist leicht zur Austrittstelle von links nach rechts hin abfallend, was nahelegt, dass der Angreifer wenigstens zum Zeitpunkt des Schlages…“   „…größer als das Opfer gewesen sein muss. Der Täter stand also entweder erhöht, oder das Opfer war nicht mehr zu seiner vollen Größe aufgerichtet.“ Nick warf Hank einen fragenden Blick zu. „Wie groß war das Opfer?“   Sein Partner blätterte zur ersten Seite des Berichtes zurück. „Inklusive Kopf war unser Mr. Porterfield laut Führerschein 1,86 m zu Lebzeiten.“   „Gab es Kratzspuren oder ausgerissene Haare auf dem Kopf?“   Der Grimm trat zwei Schritte zurück und warf mit leicht zusammengekniffenen Augen einen langen, prüfenden Blick auf den Leichnam. Im Hintergrund raschelte das Papier des Berichts, als Hank eine Seite nach der anderen durchging.   „Davon steht hier nichts. Doc?“   „Schon gut schon gut, schauen wir doch noch mal nach.“ Sie zog wieder Gummihandschuhe über und setzte ihre Brille auf. Vorsichtig untersuchte sie die Kopfhaut nach Spuren. „Tatsächlich, es muss ihn jemand um den Zeitpunkt des Todes herum am Haarschopf gepackt haben.“ Sie zog die Handschuhe wieder aus und griff nach dem Bericht in Hanks Händen. Harper zückte einen Kugelschreiber und notierte die Entdeckung auf dem Bogen.   Nick hatte eine Idee. „Wo ist seine Kleidung?“, fragte er. „Schon im Labor?“   „Die ist noch hier. Das Labor sollte sie eigentlich längst abgeholt haben, aber naja, ist grad wieder wenig Personal verfügbar wie es scheint. Thanksgiving ist doch schon längst vorbei. Warum machen die jetzt immer noch alle frei…“ Missbilligend schüttelte sie den Kopf und reichte Nick den großen papiernen Beweisbeutel. Der zog sich seine hellblauen Tatorthandschuhe über, bevor er in den Beutel hinein griff.   „Was suchst du denn?“, wollte Hank wissen und sah dem Grimm über die Schulter.   „Seine Hose“, antwortete Nick in einem Ton, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt und als hätte Hank das auch klar sein müssen. Er fand sie schließlich und breitete sie auf einem der sauberen Stahltische im Raum aus.   „Wollt ihr es euch jetzt hier bei uns gemütlich machen?“, fragte Harper und zog eine Braue hoch. „Ein paar Assistenz-Stellen sind noch frei, wenn ihr Abwechslung braucht. Leichen waschen, Blut aufwischen, Organe wiegen…“   „Hier“, sagte Nick unbeeindruckt und deutete auf die Stellen, wo sich die Knie des Trägers befunden haben mussten. Hank beugte sich etwas vor, achtete aber darauf, dass er nicht versehentlich auf die Hose hauchte und die Spuren verunreinigte und hielt sich daher ein Taschentuch vor den Mund. Er warf Nick einen unbeeindruckten Blick zu.   „Sand“, antwortete er und richtete sich wieder auf. „Und? Er wurde im Wald gefunden. Der ist nicht gerade dafür bekannt komplett zu asphaltiert zu sein.“   „Das ist aber kein solcher Sand. Schau dir die Farbe an. Waldboden ist dunkel, das hier…“   „…ist heller Sand“, stellte Hank überrascht fest, dem aufging worauf Nick hinauswollte.   „Ja, und ich wage zu behaupten, dass unser Opfer gekniet hat, als er starb oder zumindest, als er einen Kopf kürzer gemacht wurde.“   „Wofür auch die Spuren auf der Kopfhaut sprechen würden“, stimmte Hank zu. „Jemand hielt ihn am Kopf fest, während ein anderer zack…“, er holte mit der Linken aus und zerschnitt die Luft vor sich, „den Rest erledigte.   Nick griff noch einmal in die Beweismitteltüte und förderte die Schuhe zu Tage. Sie waren einzeln in Plastikbeutel verpackt worden, um den ursprünglich feuchten Sand aufzufangen, wenn er bis zur Untersuchung im Labor eingetrocknet sein würde. Prüfende Blicke auf die Sohlen ergaben das gleiche Bild. „Kein Waldboden, dafür jede Menge heller Sand.“   Hank hatte sich einen der Schuhe gegriffen und unterzog seinerseits die Sohle einer eingehenden Betrachtung. „Wo hab ich so einen Sand schon mal gesehen…“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Es ist kein feinkörniger Sand, also können wir sowas wie Sandkisten und Beachvolleyball-Hallen ausschließen.“   Nick sah seinen Partner an, als würde der ihn auf den Arm nehmen wollen. „Etwas mehr ernst, ja? Also mich erinnert dieser Sand an einen Wüstenboden. Es gibt zwar Gebiete außerhalb von Portland, die ausgelaugte Böden haben, aber wenn ich mich recht entsinne, dann sind die nicht so hell. Der hier ist ja fast golden. So golden wie der Sand in der Arena…“, seine Gedanken drifteten ab. Wo war das jetzt hergekommen?   Selbst Hank sah ihn alarmiert an. „Du denkst doch nicht…“   Harper trat näher an den Tisch und versuchte Nick über die Schulter zu schauen. „Habt ihr was entdeckt?“   Die Detektives beeilten sich die Kleidungsstücke wieder in die Beweismittel-Tüte zu packen und diese zu verschließen. „Weißt du was, Harper“, meinte Hank und legte halb den Arm um die untersetze Frau, um sie zu ihrem Schreibtisch zurück zu führen, „wenn die im Labor zu wenig Fahrer haben, dann bringen wir einfach kurz die Sachen bei denen vorbei. Wie klingt das?“ Er warf über seine Schulter einen vielsagenden Blick zu Nick rüber. Labor, Probe, Rosalee?   Der Grimm nickte leicht als Antwort. Das war vermutlich ihre einzige Chance an das Zeug zu kommen.   Die Pathologin taxierte ihn mit einem Seitenblick. „Das klingt danach, als hättet ihr es eilig an die Ergebnisse zu kommen. Was wisst ihr, was mir entgangen ist?“   „Wir wissen, dass es keinen besseren Chefpathologen beim Portland Police Department gibt, als unsere hochverehrte Doc Harper.“ Die Frau rollte mit den Augen.   „Ok, ihr wollt es nicht sagen, schon verstanden.“ Sie nahm Hank die Akte wieder ab, suchte ein Formular darin und unterschrieb es. „Hier, wenn ihr dafür unterschreibt könnt ihr es mitnehmen.“ Sie machte ein Kreuzchen an eine andere Stelle und Hank zeichnete gegen. Dann riss er den Durchschlag vom Formular ab und gab den Harper, während er das Original faltete und einsteckte.   „Ach eins noch“, fragte Nick beim Gehen. „Wurden eigentlich auch Material-Spuren der Waffe am Knochen gefunden?“   „Ja, jetzt wo Sie es sagen“, sie blätterte noch mal die entsprechende Seite auf. „Hier steht, dass es Metallspuren gibt. Vermutlich eine Art Bronzelegierung, hart genug, um mit Ausreichend Wucht den Kopf abzutrennen, aber weich genug, das winzige Partikel in der Wunde verblieben sind.“ Sie sah von der Seite auf. „Warum?“   Nick winkte ab, „nur der Vollständigkeit halber. Danke Harper.“ Beide Männer verließen die Pathologie und ließen einmal mehr eine verwundert dreinblickende Pathologin mit ihren stummen Patienten zurück.   ***   „Ok, was machen wir zuerst?“, fragte Hank, sobald sie aus dem Gebäude raus waren. „Labor, Trailer, Captain?“   „In der Reihenfolge würde ich sagen“, antwortete der Grimm. „Rosalee braucht die Lösung so schnell wie möglich und wir brauchen die Laborergebnisse ebenfalls dringend. Wenn es hier um das geht, was ich denke…“   „Löwenspiele, oder?“   Nick wiegte einen Moment lang nachdenklich den Kopf hin und her. „Ich muss erst was im Waffenschrank vom Trailer überprüfen, aber dieser Sand… und dann ein Lockmittel…“   „Und eine geköpfte Leiche nicht zu vergessen.“   „Das auch. Ich fürchte wir haben es wirklich mit einer neuen Arena zu tun.“   „Meinst du der Captain wusste davon?“   „Wenn ja, dann hätte er uns informieren müssen. Aber ich will das von ihm selber hören.“ Dann gab er Hank einen Klaps auf die Schulter. „Und wir beide werden mal wieder die Dienstvorschriften… etwas lockerer auslegen.“   „Ich freu mich schon darauf“, seufzte Hank resigniert.   ***   Knapp vierzig Minuten später hatten sie die gewünschte Probe von der Lösung ‚abgezwackt‘ und fuhren auf dem Weg zum Trailer beim Spice Shop vorbei. Nick hatte ein kleines Probenglas benutzt und es fest verschlossen. Er hatte keine Lust darauf, dass noch ein unbedarfter Kunde etwas davon abbekam und am Ende nachher vielleicht noch Monroe das Zeug roch, bevor das Gegenmittel fertig war.   Daher war Nick auch nicht überrascht, Rosalee alleine im Shop vorzufinden. „Ich hab dir ein Geschenk mitgebracht.“ Vorsichtig griff er in seine Jackentasche und brachte seinen Fang zum Vorschein. „Ich hoffe wirklich die Menge reicht. Du glaubst nicht, was Hank und ich für ein Katz- und Maus-Spiel mit den Laboranten veranstalten mussten, um da ran zu kommen.“   Sie nahm ihm das Glas aus der Hand und betrachtete abschätzend den Inhalt. „Keine Sorge das sollte reichen. Ich werde das gleich mal in die Lösung geben, damit es weg kommt.“   „Monroe ist bei sich zu Hause hoffe ich?“, fragte der Grimm beiläufig und lauschte diskret, ob sich noch weitere Personen im Laden aufhielten.   „Ja, ist er“, rief Rosalee aus dem Nebenzimmer, das sie immer als Labor benutzte. „Er wollte mich erst nicht alleine lassen, aber als ich ihm detailliert beschrieben habe, mit was wir es hier zu tun haben, gab er nach.“   ‚Natürlich‘, dachte Nick. ‚Einen Tropfen auf Rosalee und er würde zum Berserker…‘ Monroe würde es nie riskieren seine Freundin zu verletzten. „Brauchst du noch irgendwas für dein Rezept von uns? Ansonsten müssen Hank und ich weiter.“   Die Fuchsbau erschien in der Tür zum Nebenraum. „Nein, damit habe ich alles beisammen. Ich lasse es dich wissen, wenn das Mittel fertig ist. Ein paar Stunden wird das aber leider noch dauern.“   „Ok, dann bis später. Und viel Erfolg damit…“, er deutete auf Rosalees Apparaturen, die fröhlich blubbernde Geräusche von sich gaben.   „Danke. Bis später, Nick.“   ***   Der Besuch im Trailer ergab genau das, was die beiden Detectives befürchtet hatten. Die wahrscheinlichste Waffe, mit der das Opfer geköpft wurde, ware ein römisches Gladius. Eine der Lieblingswaffen von Löwen und immer noch gerne für den ‚Gnadenschlag‘ in Verwendung. Oder für die abschließende Bestrafung eines Gladiators, der versagt hatte.   „So ähnlich wie bei den Indianern mit Hängen“, murmelte Hank. „Die Seelen der Toten konnten nicht zu Manitu gelangen, wenn der Leichnam erhängt worden war. Wegen der abgeschnürten Kehle, verstehst du?“   Nick zog bloß eine Braue hoch und sah seinem Partner an, als hätte der eben vorgeschlagen nackt durch den Wald zu rennen.   „Was denn?“, fragte Hank und zuckte mit den Schultern. „Andere Kulturen, andere Sitten.“   ***   Auf den nächsten Stopp ihrer Untersuchung freuten sich beide kein bisschen.   Captain Sean Renard, seines Zeichens ihr Vorgesetzter und königlicher Bastard (völlig Wertfrei gesprochen, aber er war nun mal ein halbes Zauberbiest von mütterlicher Seite aus; der Vater war der König von Österreich), saß in seinem Büro am Schreibtisch, den Kopf über Akten gebeugt und notierte sich etwas auf einem Block. Sein aristokratisches Profil wurde nur durch die gerunzelte Stirn gestört. Das Jackett seines maßgefertigter Anzugs hing über der Rücklehne seines Stuhles. An den Aufschlägen des strahlend weißen französischen Oberhemdes blitzten goldene Manschettenknöpfe und die seidene hellblaue Krawatte brachte gegen den distinguierten dunkelgrauen Anzug etwas Farbe ins Spiel.   Nick trat an seine Tür und klopfte, bevor er die Klinke runterdrückte. Er streckte den Kopf durch den Spalt. „Können wir kurz stören?“, fragte er mehr der Form halber. Renard wusste, wenn Nick zu ihm kam, dann nicht aus Jux und Tollerei.   Und so hob der bloß kurz den Kopf, sah seine beiden Detectives für ‚Spezialfälle‘ abschätzend an und winkte sie dann herein. Hank schloss hinter ihnen die Tür, bevor sie sich gegenüber ihres Vorgesetzten auf die Besucherstühle setzten.   Renard schraubte seinen Federhalter zu und legte ihn vor sich auf den Tisch. Die Akte, an der er gearbeitet hatte schlug er zu und legte sie zusammen mit seinem Notizblock in eine Schublade seines Schreibtisches. Dann richtete er sich auf und verschränkte die Hände. „Gentlemen, was kann ich für sie tun?“   „Wir haben ein Problem“, stellt Nick schlicht und einfach fest.   Der Captain kommentierte diese Bemerkung mit einer hochgezogenen Braue. „Wir in ‚Sie‘ oder wir in… ‚Wir‘?“, er deutete mit einem Finger erst auf Nick, dann sich selber.   „Wir“, stellte der Grimm nachdrücklich klar. Er legte die zurückhaltende Maske eines Polizisten ab und brachte seine ganze Autorität als Grimm zum Vorschein. Jedes andere Wesen abgesehen von Sean Renard wäre unter dieser Aura zurückgewichen. Selbst Hank rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum, und er war nur ein normaler Mensch. Dem Captain andererseits entlockte das nicht einmal ein müdes Achselzucken.   „Es gibt starke Anzeichen für eine neue Löwen-Arena in Portland und Umgebung.“   „Bitte?“ War er zuvor wie steht‘s die Ruhe selbst geblieben, bei dieser Eröffnung funkelten die Augen des Royals zornig auf. Dennoch blieb seine Stimme ruhig, als er nonchalant antwortete, „davon wüsste ich aber.“   „Möglicherweise“, bestätigte Nick und bedachte ihn mit einem berechnenden, eiskalten Blick.   „Außer man hat Sie extra außen vor gelassen, damit nicht wieder dasselbe wie bei der letzten Arena passiert“, gab Hank zu bedenken. Er fühlte sich, als würde er zwischen zwei geladenen und feuerbereiten Granatwerfern sitzen. Und er hatte verdammt noch mal genug von diesen Dingern hochgehen sehen, um zu wissen wovon er sprach. Nick hatte die Sache mit Juliette nie ganz verwunden und der Captain war zu stolz, um zuzugeben, wenn er sich irrte oder auch einfach nur über etwas nicht Bescheid wusste. Also versuchte er die Situation zu entschärfen, in dem er einen Kompromiss anbot.   „Da ist natürlich was dran…“, meinte Renard dann auch und rückte sich die bereits perfekt sitzende Krawatte zurecht. Er schnaubte kurz bei dem Gedanken an diesen aufmüpfigen Löwen, der die letzte Arena geleitet hatte. Nick wirkte nicht überzeugt und verschränkte die Arme vor der Brust.   „Also, ich bin gespannt, meine Herren. Wie kommen Sie zu der Annahme, dass es eine neue Arena gibt?“, der Captain lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und tippte sich mit den verschränkten Fingern ans Kinn.   Nick lehnte sich im Gegenzug auf seinem Stuhl nach vorne. „Eine kopflose Leiche wurde gestern im Wald gefunden. Sie war übersäht mit Klauenspuren, der Brustkorb praktisch zerfetzt. Die Krallen konnten keinem Tier zugeordnet werden und in den Wunden wurden ‚verunreinigte DNA-Spuren‘„, Nick malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, „gefunden. Und wir wissen doch beide, was das heißt, Captain. Zudem wurde halb unter der Leiche eine Flasche mit einer… besonderen Substanz gefunden, die Wolfsbane enthielt. Zuverlässige Quellen besagen, dass es sich dabei um einen speziellen Lockstoff für Blutbader handelt, der sie praktisch zu willenlosen Tötungsmaschinen werden lässt.“   Nachdenklich nickte Renard. „‘Wolfsmond-Tropfen‘“, bestätigte er. „Äußerst gefährliches Zeug. Ich habe vor Jahren schon einen Bann darüber für meine Sta… ich meine, für Portland ausgesprochen. Wenn es jetzt tatsächlich doch zum Einsatz kommt, dann ist die Lage in der Tat ziemlich ernst. Aber das besagt noch immer nicht, dass wirklich eine neue Arena existiert. Haben Sie schon irgendeine Spur?“   „Leider nur sehr schwache. Da sich die Betreiber vermutlich extra bemühen nicht unsere Aufmerksamkeit zu erregen, wird das nicht einfach. An der Kleidung und den Schuhen des Opfers haben wir zumindest schon mal speziellen Arena-Sand gefunden. Das Labor kann uns hoffentlich bald die genaue Zusammensetzung sagen, damit wir die Lieferanten nach größeren Bestellungen in der Umgebung abklappern können. Zudem befanden sich Spuren einer Bronzelegierung an den Schnittkanten im Genick.“   Unzufrieden runzelte der Captain die Stirn. „Wirklich eher schwache Spuren.“   „Mehr haben wir nicht, bevor das Labor durch ist“, meinte Hank. „Fingerabdrücke werden noch überprüft, aber bislang keine Treffer. Und das Opfer war von außerhalb, daher können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob er ein Wesen war und wenn ja, welches. Laut Akten hatte er keine Angehörigen, die ihn hätten vermisst melden können. Er ist ein ehemaliger Soldat, Special Forces. Die übliche Geschichte. Kam aus dem Krieg zurück, wurde ehrenhaft entlassen, fand sich danach aber nur schwer wieder im Leben als Zivilist ein. Wechselnde Jobs, wechselnde Städte. Er hat keinen Eintrag ins Polizeiregister, keine Vorstrafen, ja nicht mal ein unbezahlter Strafzettel. Allerdings dafür auch keinen festen Job und niemanden, der ihn vermissen würde. Nicht mal einen festen Wohnsitz hatte der Mann zuletzt.“   „Da hat sich jemand ziemliche Mühe gegeben keine Spuren zu hinterlassen. Wenn Sie mich fragen Captain“, sagte Nick, „dann ist das unser bester Hinweis darauf, dass hier etwas illegales läuft.“   „Ist das Ihre Meinung als Detective oder als Grimm?“   „Ein wenig von beidem, würde ich sagen. Und außerdem, er war ein Kämpfer. Viel deutlicher geht’s ja wohl nicht mehr. Überlegen Sie mal, beim Kampf tödlich verwundet, dann geköpft als Zeichen der Schande… und irgendwo im Wald entsorgt.“   Renard blickte nachdenklich drein. „Diesem Szenario fehlt es nicht an einer gewissen Logik. Wird nur schwer das der Staatsanwaltschaft zu erklären. Könnte nicht ihr Freund der Blutbader sozusagen… verdeckt ermitteln?“   Der Grimm schüttelte demonstrativ den Kopf. „Nein, dieses Mal nicht. Er hat schon mal seinen Kopf riskiert, als er bei der letzten Suche geholfen hat. Und diese Leute schrecken nicht davor zurück, diese Tropfen einzusetzen. Da kann ich ihm gleich eine Zielscheibe auf die Brust malen oder ihn blutbeschmiert in ein Piranha-Becken werfen.“   Die Augen des Royal blitzten vergnügt auf bei dem Vergleich. „Wäre bestimmt amüsant zu beobachten… Aber wahrscheinlich haben Sie in dem Fall Recht. Wir sollten nichts riskieren.“   In dem Augenblick klopfte es an der Tür und Sergeant  Wu steckte den Kopf rein. „Tut mir Leid wenn ich störe, aber das solltest du dringend hören, Nick. Eben hat hier der Coach von den drei Typen aus Beacon Hills angerufen und sich lauthals beschwert, wie lange wir seine Jungs eigentlich noch festhalten wollen, so eine kleine Aussage könne ja wohl keine 5 Stunden dauern.“   „Tut sie ja normalerweise auch nicht“, antwortete Nick irritiert.   „Moment noch, jetzt kommt das Beste, die sind bisher noch gar nicht hier gewesen, um ihre Aussagen zu machen. Ich wollte schon ne Streife losschicken und die sie herbringen lassen.“   Der Grimm machte große Augen. Alarmiert blickten er und Hank sich an.   „Wie lange sagten Sie Sergeant? Seit 5 Stunden?“, Renard beugte sich vor und stützte sich halb auf den Tisch.   Nick schaute auf seine Uhr und versuchte zurück zu rechnen. „Dieser Hale hatte gesagt, sie würden direkt nach dem Spiel ins Präsidium kommen. Wenn sie seit 5 Stunden vermisst werden…“   „Dann sind sie bestimmt schon seit über 6 Stunden weg“, vervollständigte der Captain den Gedanken. Er erhob sich und strich seine Krawatte glatt. „Gentlemen, der Fall vom toten Mann im Wald ist gerade um drei vermisste Personen erweitert worden. Hank, Nick, gehen Sie, beeilen sie sich. Wenn ihr Verschwinden mit dem Täter zu tun hat… ich möchte mir das Ergebnis nicht vorstellen müssen.“   „Geht klar. Wu, von wo hat der Mann angerufen…“, Hank ging zuerst zur Tür und schob Wu vor sich her. Er warf im Gehen einen schnellen Blick über die Schulter zu Nick und machte eine kurze Bewegung mit dem Kinn Richtung Captain. Der Grimm antwortete mit einem Nicken und machte die Tür hinter seinem Partner noch einmal zu.   Er schaute nach rechts und links, ob noch jemand zu Renard wollte, dann drehte sich Nick wieder zu seinem Vorgesetzten um. „Noch schnell bevor Wu zurück kommt. Die drei Zeugen, ich vermute sie sind auch Wesen. Sie haben die Leiche ‚am Geruch‘ gefunden und wenn sie jetzt vermisst werden…“   „Blutbader?“   Der Grimm verzog das Gesicht. „Ich denke eher nicht. Und ich habe nicht genug Zeit die Bücher zu durchsuchen. Sie hatten zwar einen hervorragenden Geruchssinn, aber auch ein extrem feines Gehör. Captain, die haben sich in so einer geringen Lautstärke unterhalten, das könnte sonst nur ein Mucielagro verstehen…“   „Und ein gewisser Grimm, wenn ich das richtig interpretiere. Na gut, Nick, dann sehen Sie zu, dass Sie die Zeugen finden, bevor sie auch mit aufgeschnittener Brust und ohne Kopf im Wald enden. Ich werde in der Zwischenzeit mal meine Kontakte auf diese Arena-Sache ansetzen.“ Mit einem Nicken entließ er den Detective und griff in die Schublade seines Schreibtisches, um sein Handy herauszuholen. Kapitel 9: In Ketten -------------------- „Das soll doch wohl ein Witz sein“, stöhnte Derek und klang keineswegs amüsiert. Er war endlich wieder zu sich gekommen und fand sich mit den Händen über den Kopf ausgestreckt an eine Wand gekettet. „Das nenne ich mal ausgleichende Gerechtigkeit“, witzelte die schwache Stimme von Stiles in einer anderen Ecke des Raumes. Es war so finster, dass selbst die scharfen Augen der Werwölfe kaum ihre Umgebung ausmachen konnten. „Sonst bin ich immer nur alleine angekettet, diesmal machen wir endlich mal was als Rudel…“ „Derek? Stiles?“, klang die besorgte Stimme Scotts von weit entfernt an Dereks Ohr. „Seid ihr endlich wach? Geht’s euch gut?“ „Wie man‘s nimmt“, antwortete Derek und zerrte probeweise an seinen Ketten. Sie klirrten, gaben aber erwartungsgemäß nicht nach. „Wach ja, gut gehen weniger. Ich fürchte Stiles hat was abgekriegt. Bei mir höchstens mein Stolz. Und bei dir?“ „Ich bin auch angekettet, aber schon länger wieder wach, als ihr. Entweder war bei mir der Stromschlag nicht so stark wie bei euch, oder ein Alpha verträgt mehr.“ „Kann ich nicht behaupten, dass ich meinerseits was in der Richtung bemerkt hätte, aber die Argents benutzten auch normalerweise Geräte mit mehr Wumms dahinter.“ „Die wollen uns nicht foltern und nicht töten Derek. Ich hab sie belauschen können, seit wir hier sind. Es sind auf jeden Fall keine Jäger. Die wollen uns für irgendwelche Showkämpfe haben.“ „Gladiatorenkämpfe um genau zu sein, Scott.“ „Wer…“, er drehte den Kopf zur Seite, aber gegen das blendende Licht, was ihm mit einem Mal ins Gesicht schien, konnte er sein Gegenüber nicht erkennen. Er musste die Augen zusammenkneifen. Sie funkelten Rot vor Wut und wegen der Reflektion. „Na sieh mal an, also doch rote Augen. Aber Blutbader seid ihr angeblich nicht? Sehr interessant…“ Ein paar schnelle Schritte später stand der Sprecher direkt vor ihm. Scott konnte schwach dessen Umrisse ausmachen. Die Gestalt kam ihm wage bekannt vor. Plötzlich wurde der Alpha am Kinn gepackt und sein Kopf brutal erst nach links, dann nach rechts gerissen. In seinem Nacken knackte es und Scott entfuhr ein leises Stöhnen. Dann ließ der Mann ihn genau so plötzlich wieder los, wie er ihn zuvor gepackt hatte. „Faszinierend…“ Die Gestalt fing an, sich durch den Raum zu bewegen, hielt dabei aber das Licht weiterhin leidlich in Scotts Blickrichtung. Der musste sich nach der Attacke erst wieder etwas sammeln und hing lockerer in den Ketten, als zuvor. Alarmiert zuckte Derek bei dem Stöhnen hoch. Scott war in Gefahr… Er begann wieder an seinen Ketten zu zerren. Diesmal stärker. Vergebens. „Scott!“, brüllte er aufgeregt. „Scott?“, kam etwas leiser und kläglicher aber nichts desto weniger besorgt von Stiles. Der Unbekannte lauschte den Rufen von Scotts Begleitern. „Ich sehe die Herren in verschiedene Zellen zu stecken hilft nicht wirklich. Ihr könnt euch anscheinend trotzdem verständigen. Sehr schade. Aber auch sehr spannend. Mal sehen, wie wir die… Zimmerverteilung entsprechend anpassen werden.“ „Wer sind sie?“, presste Scott zwischen zusammengebissenem Zähnen hervor. „Was wollen sie von uns?“ „Wie du schon gesagt hast, wir wollen euch für unsere Arena. Für ‚Showkämpfe‘. Blutige ‚Showkämpfe‘. Dafür gibt es einen großen Liebhaber-Kreis musst du wissen und es steckt viel Geld dahinter. Da du und der andere Junge, dieser Stiles, noch so jung seid, können wir euch in Ruhe aufbauen und trainieren, bis ihr euer volles Potential entwickelt habt. Euch langsam an die großen Gegner heranführen. In ein paar Jahren werdet ihr unschlagbar sein. Ich freue mich schon darauf.“ „Und was ist mit Derek?“ „Ahhh, euer hochgeschätzter Assistenz-Coach und… darf ich das so sagen? Privat-Trainer?“ Er ließ ein kleines gemeines Lachen hören. „Nun, da ihr drei scheinbar so ein gutes Team seid wollten wir euch ursprünglich eigentlich nicht trennen, aber die Arena braucht mal wieder frisches Blut, da kommt er gerade Recht, um ausgefallene Kämpfer zu ersetzen. Einen meiner ehemaligen… nun ‚Mitarbeiter‘ wenn du so willst, habt ihr ja bereits im Wald… kennengelernt. Das war ja wirklich sehr nachlässig von uns nicht wahr? Die Leiche so dicht am Wegesrand liegen zu lassen, das gleich der erstbeste Wanderer darüber stolpern musste, oder?“ Er zögerte mit der Antwort und grübelte scheinbar einen Moment über seine eigene Frage nach. „Naja, wenn ich ehrlich sein soll, eigentlich nicht. Er war genau da, wo ich ihn haben wollte. Aber es war dennoch ein kleines Kunststück von euch, ihn so schnell zu finden. Lag kaum eine halbe Stunde da draußen, als ihr, im wahrsten Sinne des Wortes, mit ‚der Nase drauf gestoßen‘ seid.“ Er schnaubte belustigt. „Eigentlich war der Plan euch mit der Leiche erwischen zu lassen. Mit rotglühenden Augen und ausgefahrenen Krallen auf den Körper einschlagend. Wir hatten uns sogar extra Mühe gegeben, den Körper entsprechend mit einem Lockstoff zu präparieren. Das heißt, eigentlich sollte die Leiche damit besprüht werden, wenn dieser inkompetente Idiot nicht die Flasche verloren hätte…“ Wütend gestikulierte er. Dann atmete er einmal tief durch und beruhigte sich wieder. „Aber da ihr ja eh nun mal keine Blutbader seid, hätte es wohl ohnehin nicht funktioniert. Trotzdem sehr schade. Ich meine, eine kleine Erpressung hier und da hat doch was Erfrischendes, meinst du nicht? Und es sichert in den meisten Fällen die lebenslange Loyalität.“ „Erpressung? Womit wollten Sie uns denn erpressen. Damit, dass wir im Wald eine Leiche finden?“ „So in etwa, ja. Meine nächste Hoffnung war, dass ihr bei dem Anblick in Panik verfallt und ihr etwas Dummes tut, wobei man euch hätte erwischen können. So in der Art die Leiche anfassen, Fingerabdrücke hinterlassen und dann in Panik wegrennen… Aber tut ihr was man von euch erwartet? Nein! Jeder andere wäre in Panik ausgebrochen, aber ihr nicht nein, ihr lasst euch von einer Leiche nicht im Geringsten beeindrucken und ruft schnurstracks die Bullen.“ Scott schnaubte belustigt. Es klang schon wieder etwas kräftiger. Der Typ hatte ihm fast das Genick gebrochen, aber zum Glück heilten die Knochen von Werwölfen sehr schnell. „Wenn Sie besser recherchiert hätten wüssten Sie, dass Stiles der Sohn unseres Sheriff ist. Wir hatten schon mit der Polizei und Leichen zu tun, da gingen wir noch nicht mal auf die Grundschule“, Scott schaffte es kaum die Genugtuung aus seiner Stimme zu halten, aber dem Mann schien es egal zu sein. Er winkte bloß ab und lief weiter vor Scott auf und ab. „Du hast natürlich Recht, das war sehr nachlässig. Diese kleine Unachtsamkeit hat beinahe meinen ganzen Plan ruiniert. Und das wo ich mir extra die Mühe gemacht habe dieses kleine Spiel zu arrangieren, nur um euch nach Portland zu locken…“ „Sie sind der Sponsor“, stellte Scott überrascht fest. Daher kam ihm der Mann so bekannt vor. Diesen Nachmittag noch hatte er eine kurze Ansprache vor den versammelten Mannschaften vor Spielanpfiff gehalten. „Dann haben Sie das Ganze also nur veranstaltet, um uns nach Portland zu bekommen? Wieso?“ „Weil ihr vielversprechend seid, Scott. Ich betreibe die größte Arena im Westen des Landes. Ich habe einen Ruf zu verlieren. Darum schicke ich ständig Scouts durchs Land, auf der Suche nach potentiellen Gladiatoren.“ Er hatte während seiner Rede irgendwann die Lampe durch den Raum wandern lassen, doch nun lenkte er den Lichtkegel zurück in Scotts Gesicht. „Und sie haben dich gefunden. Zugegebenermaßen, am interessantesten ist immer noch die Frage, welche Art von Wesen du eigentlich bist. Oder deine Begleiter, wenn’s danach geht. Aber das finden wir schon noch raus. Wir haben schließlich viel Zeit uns miteinander bekannt zu machen, Scott McCall.“ Langsam hatte er die Nase voll. „Wie kommen sie darauf, dass wir da mitspielen?“, fragte Scott schließlich mit kalter Stimme. „Weil ihr keine Wahl habt, Junge. Ihr werdet euch nicht befreien können, egal wie sehr ihr euch auch anstrengt. Nun, ein Siegbarste könnte das vielleicht, aber das seid ihr ganz sicher nicht. Ihr seid zu flink und nicht grobschlächtig genug dafür. Selbst ein Dickfellig würde sich daran das Horn ausreißen. Und wenn ihr erst mal ein paar Wochen so an der Wand gehangen habt, dann werdet ihr die Übungen in der Arena schon noch willkommen heißen.“ „Wochen? Glauben Sie nicht, dass man nach uns suchen wird?“ Sein Gegenüber lachte leise. „Mag sein, dass man suchen wird, aber man wird euch nicht finden. Wir sind so weit außerhalb von jeglicher Zivilisation… keiner wird euch finden und keiner wird euch hören. Egal wie laut ihr seid.“ ‚Darauf würde ich nicht wetten‘, dachte Scott. ‚Heute ist Vollmond, der wird uns zusätzliche Kraft geben…‘. Er behielt diesen Gedanken aber wohlweißlich für sich, stattdessen fragte er herausfordernd, „Und was ist mit den Grimm?“ Scott hatte keine Ahnung, ob es in Portland wirklich welche gab, aber da die meisten dieser ‚Wesen‘ alleine schon bei dem Namen Angst bekamen wagte er einfach einen Schuss ins Blaue. Das nachdenkliche Schnauben, das sein Gegenüber danach von sich gab zeigte, dass Scott einen Nerv getroffen hatte. „Tja, der ist in der Tat ein Problem… Aber bisher hat er uns nicht gefunden, nicht wahr? Warum sollte es jetzt tun? Und so lange auch dieser königliche Bastard nichts von unserem Unternehmen weiß, wird er sich ebenfalls nicht einmischen. Nach dem, was mit der letzten Arena in dieser Gegend passiert ist, sind wir von Anfang an weit unter dem Radar unterwegs gewesen. Darum auch nur Kämpfer von außerhalb. Vermisste Wesen in unserer Gemeinde fallen dem Grimm zu schnell auf. Nein, wenn er dieses Mal ermittelt, dann wird es keine Verbindung zu unserer kleinen Einrichtung hier geben…“ ‚Das klang als ob…‘, dachte Scott verwundert, ‚als ob der Grimm ein Cop in Portland wäre! Aber wer…‘ Doch eigentlich war das Scott völlig egal. Solange er die Verbindung zwischen dem Opfer aus dem Wald und ihrem Verschwinden herstellen konnte, war ihm jeder Recht. Sogar dieser großmäulige Sergeant , mit dem sie gestern zuerst gesprochen hatten. Vielleicht war es auch einer der Detectives… Das würde zumindest erklären, warum keiner eine Bemerkung zu seinem ‚ich hab’s gerochen‘ gemacht hat. Ja, es musste einer von denen sein… Die Frage war nur, half ihnen die Erkenntnis im Augenblick irgendwie weiter? Im Grunde nicht, aber es bedeutete zumindest Hoffnung. Für sie alle. „Und… was heißt das jetzt für uns?“ „Das mein lieber Scott heißt, dass ich euch fürs Erste euren sicher nicht sehr friedlichen Gedanken überlasse und morgen bekommt ihr vielleicht die Gelegenheit eure Arme für ein paar Minuten hängen zu lassen, wenn ihr euch heute Nacht benehmt.“ Er machte die Lampe aus und trat zur Tür. „Das heißt, eigentlich würde ich Derek am Liebsten heute schon zur Arena mitnehmen. Würde gerne sehen, was ihr so drauf habt…“ Von Ferne war als Antwort darauf Dereks Stimme zu hören, wie er laut und deutlich zum Ausdruck brachte, was er in diesem Falle von ihm zu erwarten hatte. Und es hatte nichts mit der Arena zu tun, mehr mit unmittelbarer… Gewalteinwirkung gegenüber dem Sponsor höchstpersönlich. „Du meine Güte“, sagte der dann auch leicht pikiert und seufzte. „Ich fürchte dann ist es wohl doch besser, wenn er heute hier unten bleibt.“ Er drehte sich noch einmal in der Türöffnung zu Scott um. Das schwache Licht vom Flur zeichnete seine Umrisse nach. „Na dann süße Träume, mein zukünftiger Champion“, sagte er und zog hinter sich die Tür zu, die mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Dann wurde geräuschvoll abgeschlossen. Einige Sekunden später waren leise Schritte zu hören, als sich der Mann entfernte. Dann erklang ein dumpfes, metallisches Geräusch, als die Tür hinter ihm zu fiel. Und schließlich – endlich - folgte Stille.   Scott wartete danach noch einige Minuten, bevor er wieder laut sprach. „Stiles? Wie geht’s dir?“ Es war Derek der antwortete. „Ich kann Blut an ihm riechen, also wird er wohl verletzt worden sein. Aber eigentlich hätte das längst heilen sollen… äh, Scott? Der Typ hat doch was davon gesagt, dass die Leiche präpariert werden sollte mit irgendeinem Spray… Also bei der Leiche gestern, der Geruch…“ „Ich weiß was du meinst, ich dachte schon mir würde die Luft wegbleiben – Wolfsbane?“ „Ich vermute mal.“ Scott dachte darüber nach. Er erinnerte sich an seine Begegnungen mit Wolfsbane. Wenn Stiles davon etwas abbekommen hatte… „Das wäre immerhin eine Erklärung dafür, wie die uns so leicht überwältigen konnten. Und wenn Stiles verletzt wurde und es kam etwas davon in die Wunde…“ „Ja, es wird heilen, aber es braucht Zeit…“ „…die wir nicht haben. Wir müssen hier so schnell wie möglich raus. Glaubst du der Vollmond heute Nacht kann ihm helfen?“ Dereks Zögern war Antwort genug. „Ich weiß es nicht“, kam schließlich resigniert von ihm. „Auf jeden Fall nicht ohne Trigger. Ich hoffe wir schaffen es die Ketten zu sprengen, ansonsten sehe ich schwarz. Für uns alle drei…“ Kapitel 10: Gegen die Zeit -------------------------- Nick und Hank saßen an ihren Schreibtischen und gingen die neuesten Laborergebnisse durch. Die Analyse der Sandspuren hatte eine sehr ungewöhnliche Mischung erbracht und nun telefonierten beide mit möglichen Lieferanten.   Nick hatte sein letztes Gespräch gerade beendet und machte sich eine Notiz, da tauchte Wu plötzlich neben ihm auf. Der Grimm zog eine Braue hoch, als er ein paar Meter hinter ihm ein junges Mädchen entdeckte, die sich verschüchtert im Raum umsah. Wu folgte seinem Blick.   „Das ist Laurie Scotts, sie hat heute Nachmittag eine mögliche Entführung beobachtet.“ Der Sergeant winkte das Mädchen heran.   „Und du kommst damit zu uns weil?“   „Weil es um zwei Schüler und den Assistenz-Trainer aus ihrer Partner High-School in Kalifornien geht.“   Sofort sprang Nick auf und ging dem Mädchen entgegen. „Hallo Laurie, ich bin Det. Burkhardt.“ Er streckte ihr die Hand hin und schüchtern ergriff sie seine Finger. „Der Sergeant sagst, du hast eine mögliche Entführung beobachtet?“   Das Mädchen atmete zitternd durch und zog die Schultern hoch. Sie senkte den Blick und flüsterte ein leises „Ich denke schon, ja.“ Nick hielt noch immer ihre Hand fest. Er befürchtete das arme Ding würde gleich zusammenbrechen, also zog er sie ein Stück mit sich und dirigierte sie auf einen Besucherstuhl. Mit einem Nicken entließ er Wu und setzte sich dem Mädchen gegenüber.   Hank beendete in diesem Moment sein Telefonat. „Nick du wirst nicht glauben, was…“ Da fiel sein Blick auf ihre Besucherin und er warf seinem Partner einen fragenden Blick zu.   „Hank, darf ich dir Laurie vorstellen? Sie hat wohl die mögliche Entführung unserer drei Zeugen beobachtet.“ Dann wandte er den Kopf dem blonden Mädchen zu. „Laurie, das ist mein Partner Detective Griffin. Erzähle uns doch bitte, was du gesehen hast, ok?“   Laurie nickte und schnäuzte sich kurz. „Natürlich Detective. Also wir hatten heute an meiner Schule ein Freundschaftsspiel mit einer Mannschaft aus Kalifornien. Wir haben dort eine Partner-Schule, verstehen Sie? Und die Jungs aus Beacon Hills sind echt gut im Lacrosse. Und niedlich. Nicht so wie die Idioten an meiner Schule…“ Sie wurde leicht rot um die Nase und kicherte. Einen Moment später räusperte sich kurz und fuhr dann fort. „Jedenfalls“, sie wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „das Spiel war gerade vorbei, die Gäste hatten natürlich gewonnen, als mir ein dunkelroter Lieferwagen auffiel. Meine Schule benutzt wenn dann blaue und die andere Mannschaft war mit einem Bus gekommen. Ich sehe also den Wagen und wundere mich schon, was der da macht. Da fällt mir auf, dass Scott und… und der andere Junge mit dem einen Betreuer gemeinsam direkt vom Spielfeld mit ihren Taschen in den Händen in Richtung Parkplatz verschwinden. Hatte mich schon gewundert, warum die so schnell gehen, wir konnten ihren Sieg gar nicht richtig feiern…“ Wieder wurde sie rot. „Sie kamen also an diesem komischen Transporter vorbei, als plötzlich dessen Seitentür aufging und… naja, leider wurde ich in dem Moment von den anderen abgelenkt. Mit Pompons im Gesicht kann man schlecht sehen, aber als ich nur Sekunden später wieder freien Blick hatte, da wurde die Tür vom Auto zugeknallt und der Wagen fuhr mit quietschenden Reifen an. Und von den drei Männern war nichts mehr zu sehen…“   Nick und Hank warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Ganz offenbar hatte sich die Kleine in den dunkelhaarigen Spieler verguckt, wenn sie schon lieber ihn, als ihre eigene Mannschaft anfeuern wollte… Aber immerhin hatten sie auf diese Weise einen Hinweis bekommen.   „Ok, Laurie“, meinte Nick mit sanfter Stimme. „Ist dir sonst noch was aufgefallen? Du sagst es war ein dunkelroter Transporter. Hatte er vielleicht eine Beschriftung an der Seite?“   Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Es war ein ganz einfacher Transporter.“   „Das Kennzeichen wirst du aus der Entfernung wahrscheinlich auch nicht gesehen haben, oder?“, fragte Hank.   „Leider nein. Aber es war ein Portländer Kennzeichen, da bin ich mir ziemlich sicher.“   Nick lächelte aufmunternd. „Na das ist doch schon mal was. Was hast du danach gemacht? Nachdem der Wagen weggefahren war?“   „Ich… ich bin zum Coach der anderen Mannschaft gelaufen. Ich wollte ihm sagen, dass seine Spieler verschwunden seien.“   „Und was hat er dazu gesagt?“   Sie zuckte mit den Schultern. „Er meinte das ginge schon in Ordnung, dass die drei früher weg sind. Sie sollten wohl eine Aussage bei der Polizei machen. Ich hätte mich zwar gerne verabschiedet, aber wenn der Coach meinte, es hat seine Richtigkeit, dann… dann war das wohl so…“ Sie machte eine hilflose Geste mit der Hand und blickte traurig drein.   Hank legte den Kopf schief. „Und doch sind Sie jetzt hier. Was hat Ihre Meinung geändert, Laurie?“   Sie wusste nicht so recht, wie sie die Frage beantworten sollte, das konnte Nick ihr ansehen. Sie verzog die Miene und biss sich auf die Unterlippe.   In diesem Moment schepperte es ein paar Meter neben ihr, als einer der Männer im Raum versehentlich seinen Kaffeebecher vom Tisch wischte. Erschreckt zuckte Laurie zurück und für einen kurzen Moment zeigte sich bei ihr eine Aufwallung. Nick versuchte eine Reaktion zu unterdrücken, aber das Mädchen war noch nicht wieder im Normalzustand, als sie ihrerseits Nick ansah. Ihre Reaktion auf den Grimm erfolgte unmittelbar. Sie rutschte auf ihrem Stuhl zurück, riss voller Horror die Augen auf und konnte nur mit vor Schreck vor den Mund gehaltener Hand einen Schrei unterdrücken. ‚GRIMM!‘ stand ihr ganz groß auf das Gesicht geschrieben.   „Wesen?“, fragte Hank und sprang von seinem Stuhl auf und lief um den Tisch herum.   „Fuchsbau“, antwortete Nick knapp. Er beeilte sich das Mädchen zu beruhigen. Er wollte ihre Hand nehmen, aber das Mädchen rutschte soweit zurück, wie sie auf dem Stuhl nur konnte. Beschwichtigend hob er die Hände. „Laurie, ganz ruhig. Ganz ruhig, ok?“, säuselte er leise und sah sich vorsichtig im Raum um, ob einer der Kollegen etwas davon mitbekommen hatte. „Hör zu, ich werde dir nichts tun. Ich bin ein Cop und will nur helfen, verstehst du? Ich bin zwar ein Grimm, aber nicht so einer wie aus den Geschichten. Du kannst mir vertrauen, ich tue dir nichts.“   Hank stellte sich währenddessen neben das Mädchen und beugte sich leicht vor, um sie einerseits vor neugierigen Blicken zu schützen und andererseits, um ihr beruhigend die Schulter zu drücken. „Er hat Recht Laurie, er wird dir nichts tun, auch wenn er ein Grimm ist. Wir haben schon oft mit Wesen zu tun gehabt und keines von ihnen wurde geköpft. Ist eh viel zu altmodisch.“   „Hank, das war jetzt nicht sehr hilfreich…“, stöhnte Nick, aber das Mädchen kicherte bei dieser Aussage nervös auf.   „Also was ich eigentlich sagen wollte, hier beurteilt dich keiner danach, ob du Wesen oder Kehrseite bist. Grimm hin oder her. Wir sind Cops. Und wir helfen, wenn wir gebraucht werden.“   Langsam ließ Laurie die Hand wieder sinken, ihre Schultern blieben aber hochgezogen und die Muskeln angespannt. Sie sah Hank an. „Sind Sie auch…?“   „Ein Grimm?“, fragte Hank. Sie nickte und sah ihn mit großen Augen an. „Nein, aber ich bin im Bilde. Hör mal, wenn ich dir schnell einen Becher Wasser hole, wirst du dann in der Zwischenzeit schreiend rausrennen oder ruhig hier sitzen bleiben? Die drei Männer, um die es geht, wir müssen sie unbedingt finden. Sie sind Zeugen in einem Mordfall und wir fürchten, wer auch immer dahinter steckt könnte auch ihnen etwas antun wollen.“   Laurie sah von Hank wieder zu Nick. Eulenhafte Augen betrachteten den Grimm von oben bis unten, während der versuchte einigermaßen harmlos auszusehen. Oder zumindest weniger bedrohlich. „Ich… ich werde warten“, meinte sie schließlich und blickte wieder Hank an. „Ist Scott wirklich in Gefahr?“   „Wir befürchten das, ja“, antwortete Nick.   „Dann möchte ich helfen“, sagte Laurie und klang schon wieder gefasster.   Hank drückte ihr sanft die Schulter. „Gutes Mädchen“, lobte er. „Dann hole ich dir jetzt etwas zu trinken. Bin gleich wieder da. Und nicht wegrennen, bitte.“ Laurie sah ihm hinterher, als er zum Wasserspender lief und einen transparenten Becher mit kalter Flüssigkeit füllte.   Nick wartete stumm. Er wollte die Kleine nicht noch mehr aufregen, als nötig. Aber die Zeit drängte. Das Zeitfenster, in denen man entführte Personen lebendig finden konnte war verdammt klein, und ihre Chancen sanken mit jeder weiteren Stunde.     Schließlich hielt das Mädchen den Becher in der Hand und trank mit vorsichtigen Schlucken.   „Ok, Laurie. Du hast also gesagt, der Coach meinte es wäre ok, dass die Jungs vorzeitig weg sind. Was hat dich also dazu gebracht doch zu uns zu kommen, und von einer Entführung auszugehen?“, fragte Hank. Er zog seinen Stuhl um den Tisch herum, um sich neben das Mädchen zu setzen.   Die knetete ihre Hände und rang nach Worten. „Ich kann auch nicht genau sagen, warum. Ich hatte die ganze Zeit ein merkwürdiges Gefühl wegen der Sache. Aber richtig komisch wurde es, als ich nach dem Unterricht wieder aufs Feld zum Cheerleader-Training wollte. Ich bin zu der Stelle hin, wo ich die drei zuletzt gesehen hatte und da…“, sie runzelte die Stirn. „Ich könnte schwören, dass ich Wolfsbane gerochen habe. Aber das wächst dort nirgends. Also schaute ich mich genauer um und fand das hier unter einem nahestehendem Auto.“ Sie griff in ihre Tasche und zog ein zerkratztes Handy hervor. Nick nahm es entgegen und unterzog es einer schnellen Überprüfung. Das Glas war zersprungen, aber mit einem kurzen Druck auf die Sperrtaste erwachte Display zum Leben. Das Hintergrundbild zeigte Scott McCall Arm in Arm mit einem dunkelhaarigen Mädchen. Es war ein Selfie und erklärte, warum Laurie das Gerät lieber zur Polizei gebracht hatte, statt es im Fundbüro der Schule abzugeben. Nick zeigte das Bild seinem Partner.   „Eindeutig. Das muss sich die Technik sofort ansehen, vielleicht können sie…“   In dem Augenblick begann das Gerät zu vibrieren und zeigte das Anrufer Bild einer hübschen, blassen Rothaarigen. ‚Lydia‘ stand unter dem Foto.   Nick und Hank sahen sich kurz an, dann drückte der Grimm auf ‚Annehmen‘ und hielt sich das Gerät ans Ohr.   „Na endlich Scott, wieso geht ihr alle nichts ans Telefon? Das Spiel ist doch längst vorbei. Hör zu, ich hab die Info, die ihr wolltet. Ich muss da echt mal ein Stichwortregister erstellen, das Bestiarium ist verdammt unübersichtlich, und ich…“   „Entschuldigung wenn ich unterbreche Miss, aber hier ist Detective Burkhardt vom Portland Police Department“, meldete er sich zu Wort. „Mit wem spreche ich bitte?“   Am anderen Ende der Leitung war es still geworden. „Polizei?“, kam die fragende Antwort. „Ist Scott was zugestoßen? Oh, hier ist Lydia, Lydia Martin. Ich bin eine Freundin von Scott.“ Es folgte ein weiterer Moment Stille. Dann sagte sie, „hat es was mit der Leiche von gestern zu tun?“   Nick zog eine Braue hoch. „Er hat Ihnen davon erzählt?“   „Derek hat mir das gesagt, also Derek Hale meine ich. Ist der vielleicht bei Ihnen? Ich kann ihn auch nicht erreichen und…“   „Und… Stilinski ebenfalls nicht?“, fragte Nick, der schnell in der Akte nach den Namen gesucht hatte.   „Oh mein Gott, ich wusste, ich hätte sie nicht alleine fahren lassen sollen“, murmelte diese Lydia leise. „Wir hätten gleich nach dem Anruf gestern losfahren sollen… warum wollte Kira auch nicht, dass wir fahren…“   „Äh, Miss?“, versuchte Nick wieder ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Miss äh… Martin, in welchem Verhältnis stehen sie zu den drei Männern?“   „Wir sind Freunde“, kam die prompte Antwort.   „Die Frage klingt jetzt vielleicht etwas seltsam, aber…“, Nick wurde etwas leiser und drehte sich von Laurie weg. „Sagt Ihnen zufällig der Begriff ‚Wesen‘ etwas? Und/oder ‚Grimm‘?“ Wieder musste Nick einige Sekunden auf die Antwort warten.   „Wie kommen Sie darauf?“   „Hat einer der Männer gestern vielleicht einen dieser Begriffe Ihnen gegenüber verwendet?“   „Wer sind sie noch mal und was genau machen Sie mit dem Handy von Scott?“, fragte Lydia schließlich mit einem misstrauischen Unterton.   „Ich bin Detective Burkhardt vom Portland Police Department und zuständig für den Fall mit der Leiche im Wald, bei dem ihre Freunde Zeugen sind.“   „Und das Handy haben Sie weil?“, hakte Lydia nach.   „Weil es ein Beweisstück ist. Noch mal zu den Wesen…“   „Sind Sie ein Jäger?“, fragte plötzliche Lydia den Polizisten.   „Ein Jäger?“, Nick war ehrlich überrascht. Diese Bezeichnung hörte er zum ersten Mal im Zusammenhang mit Wesen.   „Ja, ein Jäger, ein Argent, ein was auch immer, der Jagd auf… auf nicht menschliche Personen macht…“   „Ich bin weder ein Jäger, noch ein Argent, und ich jage keine Wesen, Miss Martin. Ich bin Polizist.“   „Und vermutlich ein Grimm, oder? Hören Sie, wenn Sie meinen Freunden auch nur ein Haar krümmen, schwöre ich Ihnen…“   „Halt halt halt“, unterbrach Nick das Mädchen, bevor sie zu einem Polizisten etwas sagen konnte, was sie vielleicht später bereuen würde. Er stand auf und deutete Hank, dass er in einen der leeren Verhörraume gehen würde, um etwas mehr Privatsphäre zu haben. Hank nickte und blieb bei Laurie sitzen. „Hören Sie Miss. Ich bin zwar ein Grimm, aber ich habe nichts mit dem Verschwinden von Ihren Freunden zu tun.“   „Verschwinden?!“, kreischte es aus dem Hörer. „Kira, schau sofort nach, wann der nächste Flug nach Portland geht, wir müssen so schnell wie möglich da hin… Man kann diese verdammten Wölfe aber auch keinen Tag aus den Augen lassen…“   „Wölfe? Sie meinen Blutbader.“   „Ich meine was ich sage“, schnauzte Lydia.   „Ok“, nahm Nick leicht irritiert zur Kenntnis. Wer war diese Frau wohl? „Und was sagt Ihnen Wolfsbane in dem Zusammenhang?“   „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, geht’s ihnen gut?“ Lydias Stimme wurde panisch. „Sind sie etwa mit Wolfsbane in Berührung gekommen? Verdammt, warum durfte ich auch nicht mitfahren. Wenn die Drei es alleine damit zu tun bekommen…“ Sie fluchte leise in den Hörer. „Hören Sie mir gut zu, Wolfsbane ist Gift für die Jungs, halten Sie sie unbedingt davon fern. Gibt es in Portland einen Emissary, oder zumindest jemand, der sich mit den… speziellen Bedürfnissen nichtmenschlicher Personen auskennt? Einen Druiden vielleicht?“   Er dachte an Rosalee. Wenn jemand helfen konnte, dann vermutlich sie. „Einen Druiden nicht, aber wir haben jemanden, ja.“   „Na wenigstens etwas… Im Zweifelsfalls immer die Wunden ausbrennen, klar? Feuer hat auch bei der letzten Vergiftung geholfen. Aber übertreiben Sie’s nicht, verstanden?“   „Ähh“, Nick wusste nicht so Recht, wie er mit dieser Information umgehen sollte.   „Verstanden?“, hakte Lydia nach.   „Ja, ok, verstanden. Hören Sie, Miss, worum geht’s eigentlich bei Ihnen? In meinen Büchern stand nichts von Wesen, die auf Wolfsbane reagieren, also was…“   „Ich sagte doch schon, es sind keine Wesen. Die Argents machen da sehr klare Unterschiede im Bestiarium.“ Aus dem Hintergrund war eine zweite Stimme zu hören. „Augenblick mal Detective“, sagte Lydia und schien eine Hand auf das Mikro zu legen, damit er nicht alles hören konnte. Ihre Stimme wurde dumpf im Lautsprecher. „Was meinst du damit, nicht vor morgen Abend? Verdammt, es muss doch möglich sein noch heute Nacht… Wer hat denn so einen dämlichen Flugplan… ja schon gut, dann müssen wir halt mit dem Auto los… Hast du etwa Angst vor deiner Mutter? Verdammt Fuchs, wenn wir nicht schnell handeln, ist es vielleicht zu spät… Wir müssen sofort… Beruhigen? Du hast leicht reden…“ Lydia atmete tief durch am anderen Ende und der Grimm wartete geduldig, bis sich das Mädchen wieder gefangen hatte.   „Miss Martin?“   „Ja, bin wieder dran.“   „Hören Sie, ich habe keine Ahnung, in was Ihre Freunde da geraten sind, aber sie wurden anscheinend von denselben Leuten verschleppt, die auch das gestrige Opfer getötet haben. Sie sagen zwar die drei seien keine Wesen, aber sie sind auch keine normale Menschen, oder?“   Lydia zögerte. „Nein“, antwortete sie leise. „Sind sie nicht.“   Der Grimm nickte, obwohl Lydia es natürlich nicht sehen konnte. „Verstehe. Gäbe es einen Grund, warum andere Wesen ein Problem mit ihnen haben könnten?“   Das Mädchen schnaubte belustigt. „Wesen? Nein. Wir haben mit Wesen wie Sie sie vermutlich kennen nichts am Hut. Wir haben hier unsere eigenen Probleme, wissen Sie? Jäger haben umgekehrt ein Problem mit uns, aber die sind keine Wesen. Und die würden Wolfsbane aggressiver einsetzen.“   „Wie aggressiver?“   Die Leitung blieb einen Moment ruhig. „Detective“, fuhr Lydia schließlich fort, „was ich Ihnen jetzt sage muss streng geheim bleiben, verstehen Sie? Sie scheinen ein durchaus eingeweihter Mensch zu sein, aber es gibt Geheimnisse, die zum Schutz meiner Freunde auch geheim bleiben sollten.“   „Hören Sie Miss Martin“, antwortete Nick und fuhr sich mit der Hand einmal übers Gesicht und durch die Haare. „Ich tue was ich kann die Sache diskret zu behandeln, aber es geht hier um eine polizeiliche Mordermittlung. Ich kann Ihnen also nichts Definitives versprechen.“   Lydia seufzte. „Dann wird das reichen müssen. Versuchen Sie nur, es aus den Berichten rauszuhalten.“   Nick lachte leise. „Das klingt, als hätten Sie schon einschlägige Erfahrungen.“   „Sie haben ja keine Ahnung…“, stöhnte das Mädchen. „Also gut Mr. Grimm. Ein Jäger würde Wolfsbane direkt als Waffe einsetzen. Die Kugeln wären damit gefüllt und würden den Körper langsam von innen heraus vergiften. Sollte einer der Jungs von so einer Kugel getroffen werden, so müssen Sie unbedingt eine dieser Patronen im unbenutzten Zustand behalten, die wird als Gegengift benötigt. Sollten die Jungs das Zeug riechen oder längerfristig einatmen, kann es sie stark schwächen oder auch den Verstand verwirren und sogar töten.“   „Kugeln?“, fragte Nick ungläubig. „Kugeln gefüllt mit Wolfsbane?“ Warum erinnerte ihn das so an das Siegbarste Gift?   „Sie brauchen gar nicht so zu tun, Detective. Wenn ich die Notizen der Argents richtig verstehe ist Ihre… Familie noch viel drastischer drauf. Kopf runter und fertig. Aber nicht alle Monster sind monsterhaft. Manche versuchen einfach nur das Richtige zu tun.“   Ein schiefes Lächeln stahl sich auf Nicks Gesicht. Das hatte er eigentlich gar nicht gemeint, aber das Mädchen hatte trotzdem Recht. Er konnte ihr das nachfühlen. Für Wesen war schließlich er das Monster, das nachts unter ihrem Bett auf sie lauerte.   „Ach noch etwas“, merkte Lydia an. „Wenn Sie mit den Eltern reden sollten, nicht alle sind eingeweiht, verstehen Sie? Sheriff Stilinski und Mrs. McCall wissen Bescheid, mit denen können Sie über den… nichtmenschlichen Faktor reden, aber halten Sie sich besser gegenüber Agent McCall bedeckt. Scott hat ihn soweit ich weiß noch nicht eingeweiht.“   Der Grimm runzelte die Stirn. Hieß das Scott war adoptiert und der Mann wusste nichts über die Abstammung? Das hatte er schon mal erlebt. Damals, als das alles auch für ihn noch ganz neu war.   „Ok, Miss Martin, ich werde das berücksichtigen.“   „Gut, wir machen uns gleich auf den Weg. Seien Sie bereit mir im Zweifelsfall bei den Kollegen der Highway-Patrol den Rücken frei zu halten… Und rufen Sie mich bitte an, wenn Fragen zum übernatürlichen Teil auftauchen sollten. Und vielleicht können wir auch unsere Notizen vergleichen, wenn ich in Portland bin. Wir hören von einander, Mr. Grimm.“   Damit legte sie auf.   Nick starrte das Telefon an und ließ das Gespräch einen Moment lang sacken. Ganz offenbar wusste die junge Frau so einiges, war aber selber kein Grimm oder Jäger. Was sie dann wohl war… zumindest schien sie etwas anderes zu sein als die Vermissten, sonst hätte sie bestimmt von ‚wir‘ gesprochen bei der Wolfsbane-Sache. Das Ganze wurde immer mysteriöser.   Schließlich ging er zurück zu Hank.     Der saß wieder an seinem Schreibtisch und Laurie war nirgends zu sehen. Nick schaute sich um. „Ist sie aufs Klo?“   Hank schüttelte verneinend den Kopf. „Ich hab sie nach Hause geschickt. Dein Gespräch dauerte ja etwas länger und sie konnte nicht mehr sagen, als sie bereits erzählt hatte. Ich hab ihr trotzdem eine Karte von uns gegeben, und gesagt sie solle sich melden, falls ihr oder einem der anderen Schüler noch was einfällt.“   Mit einem Seufzen ließ sich Nick in seinen Stuhl fallen. Einen Augenblick lang saß er still da, dann suchte er in seinen Schreibtischschubladen nach einem Beweismittelbeutel. Bevor er das Telefon eintütete notierte er sich noch die Kontaktdaten für Lydia Martin.   „Interessantes Gespräch, hmm?“   Der Grimm rieb sich die Stirn. „Kann man sagen.“   „Und es wird noch interessanter“, sagte Hank und hielt Nick einen Ausdruck hin. „Ich habe eine Spur zu unserem Sand gefunden. War nicht einfach.“   Nick studierte das Blatt. „Ernsthaft?“, fragte er und deutete auf den Zettel.   „Jupp“, bestätigte Hank.   Das Blatt in der Hand noch immer lesend stand Nick auf und ging zum Büro des Captains. Hank eilte ihm hinterher. Kapitel 11: Sand in seinen Augen… --------------------------------- Wie viel Zeit mochte wohl vergangen sein, seit man sie auf dem Parkplatz überwältigt und in diesen Transporter gezogen hatte? Alles um ihn herum war Dunkel, aber Scott wusste nicht, ob das daran lag, dass es bereits nachts war oder ob die Räume einfach nur alle fensterlos gebaut waren.   „Derek?“, fragte er leise. „Kannst du den Himmel sehen?“   „Nein“, kam gleich zur Antwort. „Hier gibt es keine Fenster. Aber kannst du es nicht spüren? Der Mond ist längst aufgegangen.“   Scott schloss die Augen und lauschte in sich hinein. Der ältere hatte Recht, er konnte die Energie des Vollmondes in sich fühlen. „Versuchen wir’s?“   „Wenn nicht jetzt, wann dann?“   Und so atmeten beide einmal tief ein, brachten ihren inneren Wolf zum Vorschein und zerrten an den Ketten. Der Sponsor hatte nicht übertrieben. Nur die stärksten Wesen konnten diese Ketten sprengen. Und ohne Vollmond…   Es war ein langer und mühevoller Kampf - Werwolf gegen das Metall. Rücken und Schultern knackten und ächzten unter der Belastung, aber weder Scott noch Derek wollten aufgeben.   Scott schaffte es schließlich die Wandhalterung seiner Kette zu lockern. Dadurch hatte er genug Spielraum, um sich mit dem Gesicht zur Wand zu drehen und ein Bein daran abzustützen. So konnte er mehr Kraft einsetzen. Dann auch das zweite. Endlich knirschte es, und der Metallring an der Wand gab nach. Der Alpha stolperte nach Hinten und die schweren Ketten fielen scheppernd zu Boden.   Er fluchte innerlich. Hoffentlich hatte das niemand gehört. Mit vollem Wolfsblick betrachtete er Metallstücke, die um seine Handgelenke gelegt waren. Es handelte sich um schwere, zentimeterdicke Eisenmanschetten. Aber sie hatten ein Schloss. Und wo ein Schloss war, musste es auch ein Gelenk geben. Und das Gelenk war normalerweise der schwächste Punkt. Scott versuchte seine Finger unter das Metall zu bekommen, aber es war nicht genug Platz zwischen seiner Haut und den Manschetten. Er fand keinen Halt für die Finger. Was würde er jetzt nicht für eine Metallsäge geben…   Schließlich gab er auf.   Kurze Zeit später ertönte von weitem das gleiche Scheppern, was auch seine Ketten auf dem Steinboden verursacht hatten. Das hieß wohl, dass Derek seine ebenfalls aus der Wand gerissen hatte.   Damit hatten die beiden zumindest schon mal das erste Hindernis überwunden.   Da Scott die Ketten offensichtlich nicht alleine von seinen Handgelenken lösen konnte, verlagerte er seine Aufmerksamkeit nun auf die Tür. Die Ketten waren zwar schwer, aber nicht so schwer, dass sie einen ausgewolften Werwolf vom Gewicht her behindert hätten. Sie waren hauptsächlich lästig.   Vorsichtig drückte er die Klinke. Wie erwartet (und gehört) war sie abgeschlossen. Mit den Fingern fuhr er über die Oberfläche. Holz… Holz mit einem altmodischen Eisengitter als Fenster. Damit sollte er was anfangen können. Scott klopfte die Oberfläche ab.   Es war eine dicke Tür, das konnte er hören. Aber schließlich sollte sie den hier eingesperrten Wesen auch reichlich Widerstand entgegen setzen. Und wenn man die Stärke der Ketten als Orientierung nahm, dann waren hier wirklich kräftige Wesen eingesperrt. Ein einfacher Schlag oder Tritt würde also nicht reichen, um sie zu durchbrechen. Ganz abgesehen davon, dass die Tür ohnehin nach innen aufging, eben damit keiner sie so leicht öffnen konnte.   Scott stemmte sich mit einem Bein am Rahmen ab und packte mit beiden Händen den Griff. Ein Knurren stahl sich seine Kehle hoch und er musste den Impuls laut zu Brüllen mit aller Macht unterdrücken. Er atmete schwer vor Anstrengung, aber er zog und zerrte stur weiter und irgendwann gaben Holz und Metall schließlich nach. Der Riegel riss aus seiner Verankerung und Scott konnte die Tür öffnen.   Nachdem er wieder zu Atem gekommen war lauschte er noch eine weitere Minute, ob nicht vielleicht doch jemand den Lärm bemerkt hatte. Als es ruhig blieb streckte er vorsichtig den Kopf hinaus auf den Flur und versuchte sich zu orientieren. Diese gespenstische Stille hier unten war nervenaufreibend. Er konnte nur ganz leise hören, wie Derek nun vermutlich an Stiles Ketten zerrte.   Der Alpha ließ sich von seinem Geruchssinn zu seinen beiden Betas führen. Er kam dabei an etlichen Zellen vorbei, deren Türen offen standen, aber auch an zwei oder drei, die verschlossen waren und hinter denen er leises Stöhnen von anderen Gefangenen hören konnte. Wie gerne hätte er den armen Seelen geholfen, aber er war ja selber noch in Eisen gelegt. So konnte er niemandem richtig helfen. Er brauchte Derek und Stiles. Gemeinsam würden sie die Ketten lösen können und hoffentlich einen Ausgang finden.     Minuten später, viel zu lange für seinen Seelenfrieden, fand er schließlich die richtige Tür.   „Derek?“, flüsterte Scott und sah durch das Gitter. Die leuchtenden blauen Augen des Beta leuchteten auf. „Hast du Stiles…“   „Nein“, antwortete Derek eben so leise. „Ich wollte ihn nicht noch unnötig verletzten, also hab ich auf dich gewartet.“   Scott nickte bedächtig. „Ok, du ziehst am Griff, ich drücke gleichzeitig von dieser Seite.“ Ein metallisches Klirren zeigte an, dass Derek zum Eingang lief. „Bereit?“   „Ja, auf Drei. Eins, Zwei, Drei…“   Mit aller Macht stemmte sich Scott gegen die Tür während Derek auf der anderen Seite sein ganzes Gewicht einsetzte und zog. Mit vereinten Kräften schafften sie es die Tür zu öffnen und Scott schlüpfte zu seinen Betas in den Raum. Es ging ihm zwar gegen den Strich, die Tür hinter sich wieder anlehnen zu müssen, aber sie mussten erst Stiles losmachen und die Tür würde wenigstens einen Teil der Geräusche dämpfen.     Scott sah sich um. Diese Zelle hier war einiges größer als die, in der er gesteckt hatte. Hier hatten mindesten vier unglückliche Seelen Platz, während er wohl in einer Einzelzelle gesteckt hatte. Sollte er sich jetzt geehrt fühlen?   Dann sah er seinen besten Freund. Er hing schlapp in seinen Ketten und blinzelte müde. Scott eilte zu ihm und tastete prüfend über seine Stirn. Der Junge wirkte fiebrig. „Wir müssen ihn so schnell wie möglich da runter holen. Du links, ich rechts?“   Mit beiden Händen nach den Ketten oberhalb von Stiles Handgelenken greifend, zogen Derek und Scott im gleichen Rhythmus, bis auch hier die Halterung nachgab und Stiles förmlich zu Boden sank. Sie lehnten ihn mit dem Rücken an die Wand, so dass er aufrecht sitzen konnte.   Eine kurze Untersuchung ergab eine kleine Wunde an Stiles‘ Nacken. Darüber musste wohl etwas von dem Wolfsbane in seinen Blutkreislauf gelangt sein. Wenigstens schien sie nicht tief zu sein und es waren auch keine dunklen Adern zu sehen. Die Vergiftung war also zum Glück nicht all zu schwer.   „Stiles?“, sagte der Alpha mit ruhiger Stimme, „das kommt wieder in Ordnung bei dir, aber ich muss die Heilung Triggern. Du weißt was das bedeutet, oder?“ Er griff mit beiden Händen nach Stiles Unterarm und sah Derek an. Der verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern. ‚Geht leider nicht anders‘, schien er damit sagen zu wollen.   Stiles nickte. Seine Lippen waren nur noch ein weißer Strich, so sehr presste er in Erwartung der Schmerzen die Zähne aufeinander. Derek beugte sich über den Jungen und legte ihm eine Hand auf die Wange, um dessen Blick von dem abzuwenden, was gleich passieren würde.   „Ganz ruhig, nicht hinschauen.“ Stiles zuckte trotzdem und stöhnte leise auf, als Scott ihm den Arm brach und seine Knochen geräuschvoll knirschten. Danach ließen ihn die beiden erst mal noch in Ruhe sitzen, während sie sich den restlichen Ketten zu wanden. Zu zweit schafften sie es dann endlich die Manschetten zu lösen und sich vollständig vom Eisen zu befreien.   Als sie Stiles anschließend auf die Füße halfen sah er schon wieder etwas besser aus und der Arm war bereits wieder belastbar. Er rieb sich über die Stelle, die kurz zuvor noch gebrochen war und streckte seine Finger ein wenig.   „Dieses heilen ist echt irre, Scott. Ich wünschte, das wäre auch so schnell gegangen mit dem gebrochenen Arm, als ich noch 7 war…“   „Aber dann hättest du in der Zeit auch nicht zu Hause bleiben dürfen“, antwortete Scott grinsend. „Bereit?“, fragte er und sah seine beiden Betas an. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schlüpften sie leisen Fußes aus der Zelle und traten in den Gang hinaus.     Da Stiles noch etwas wackelig auf den Beinen war, ging Scott voraus und prüfte die Umgebung nach Wachen ab, während Derek die Nachhut bildete. Vor einer verschlossenen Tür blieb der Alpha zögernd stehen. Unsicher warf er einen Blick zurück und deutete auf die Tür. Derek legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf. „Später Scott. Wir versuchen einen Schlüssel aufzutreiben und befreien die anderen dann, aber wir haben weder die Kraft noch die Zeit die Türen alle einzurammen und die Gefangenen von den Ketten zu befreien.“   Der Blick, den Scott ihm daraufhin zuwarf war beinahe herzzerreißend. Der Alpha wusste, dass Derek Recht hatte, aber es tat ihm in der Seele weh, die Gefangenen nicht befreien zu können. „Wir kommen wieder…“, flüsterte Scott. Ob zu sich selber oder zu der Person hinter der verschlossenen Tür war nicht klar.     Etliche Türen und Gänge später kamen sie schließlich zu einer kurzen Treppe, an dessen Ende eine Metalltür zu sehen war. Vorsichtig stieg Scott die Neun Stufen nach oben und hielt sein Ohr an die Tür. Er konnte keinen Herzschlag in der Nähe ausmachen, also schien sie von der anderen Seite nicht bewacht zu sein. Langsam drückte er die Klinke hinunter, aber auch diese Tür war selbstverständlich abgeschlossen. Er ging zurück zu den anderen.   „Und was machen wir nun?“   „Wenn jemand ne Haarnadel hätte kann ich versuchen das Schloss zu knacken“, bot Stiles an und grinste.   „Haarnadel…“, Derek sah den Jungen an, als wäre ihm gerade ein Horn gewachsen. „Fängst du jetzt an zu phantasieren? Wir müssen uns echt beeilen Scott, das Armbrechen scheint nicht geholfen zu haben.“   „Nein warte, er kann das wirklich“, warf Scott ein. Er konnte ein breites Grinsen kaum unterdrücken.   Derek zog ungläubig die Braue hoch. „Mit einer Haarnadel…“   „Aber sicher“, triumphierend reckte Stiles das Kinn höher und stemmte die Fäuste in die Seiten.   Scott kratzte sich verlegen den Hinterkopf. „Ja… das haben wir vor Jahren mal gemacht. Stiles hatte mit den Handschellen seines Dads rumgespielt und natürlich keinen Schlüssel da, um sie hinterher wieder zu öffnen… also musste er lernen… Schlösser zu knacken. Hat dein Dad das eigentlich jemals rausgekriegt, was passiert ist?“   „Keine Ahnung…“   „Das ist ja gut und schön“, meinte Derek. „Aber wie sollen wir hier an eine Haarnadel rankommen? Ich meine ihr zwei hab‘s ja noch nicht mal aus euren Sportsachen rausgeschafft, bevor wir gekidnapped wurden.“   „Es muss ja keine Haarnadel sein“, meinte Stiles. „Es geht auch eine Büroklammer, eine Sicherheitsnadel, eine Kugelschreibermine…“   „Kugelschreiber…“, murmelte Derek. „Wartet mal…“, sagte er dann und tastete seine Jacke und Hosentaschen ab (auch er war noch in seinen Trainingsklamotten – und er vermisste seine Lederjacke...). Mit einem triumphierenden „Hah“, kramte er einen verborgenen Stift hervor. Er hielt ihn Stiles unter die Nase. „Wird der gehen?“   „Er muss“, lautete die Antwort. „Gut dass du auch noch nicht umgezogen warst.“   Gestützt von Scott (da er fast nach hinten geknallt wäre – blödes Wolfsbane) kniete Stiles nun vor dem Schloss und bearbeitete es mit der Mine. Sie hatten ein wahnsinniges Glück, dass der Architekt dieses Kellers darauf bestanden hatte altmodische Schlösser zu verwenden statt moderne Zylinder einzubauen, andernfalls hätten sie warten müssen, bis jemand von außen die Tür aufmachen würde.     Mehrere Minuten später war Derek drauf und dran vor Nervosität die Wände hochzugehen, da machte es leise ‚Klick‘ und Stiles konnte endlich mit dem improvisierten Dietrich das Schloss öffnen. „Voilà“, sagte er und zog ein kleines Stück die Tür auf. Der Raum dahinter war hell erleuchtet, aber menschenleer.     „Was ist das hier?“, wunderte sich Scott, als sie in dem Zimmer standen und sich die Regale und Ständer mit Kleidung, Requisiten und Waffen ansahen.   „Ich würde sagen die Kleiderkammer. Hier müssen sich wohl die Kämpfer umziehen, bevor sie in die Arena geführt werden.“ Derek nahm einen sehr altmodischen Helm in die Hand und schob das Visier hoch. „Ich dachte nicht, dass die das mit ‚Gladiatoren‘ wirklich so wörtlich nehmen würden.“   Stiles war mittlerweile zu einem der überfüllten Kleiderständer gegangen und ging die Auswahl durch. „Sieht aus wie in ‘nem Fetischladen…“   Scott überprüfte währenddessen jeden Winkel des Raumes. Das Zimmer hatte zwei Türen. Wenn eine davon in den Keller führte, dann musste die andere… letztlich nach draußen führen. Er drückte testweise vorsichtig die Klinke und stellte erstaunt fest, dass die Tür tatsächlich aufging. Er warf einen schnellen Blick auf den Flur jenseits der Tür. „Ich kann niemanden entdecken…“   „Was nicht heißt, dass da wirklich keiner ist. Mir geht das zu leicht, Scott. Keine Wachen? Die müssten uns doch schon längst gehört haben.“   „Und schon wieder betätigt sich der Grummelwolf als Schwarzseher“, meinte Stiles und verzog das Gesicht. „Das letzte Mal, als du so was abgelassen hast wurden wir anschließend entführt.“   „Soll ich lieber gar nichts sagen?“, motzte Derek. „Dann lauf doch einfach in die Falle…“   „Seid Ruhig ihr beiden“, kommandierte Scott. „Mir geht das auch zu glatt, Derek, aber Falle hin oder her, wir müssen es riskieren. Stiles wird sich früher oder später wieder komplett erholen, aber wir haben keine Zeit auf später zu warten.“   „Genau, Derek, mach dich mal locker.“ Stiles zog einen Bügel vom Kleiderständer hervor. „Schau mal, schwarzes Leder in deiner Größe. Scheint hier der der letzte Schrei zu sein. Mal anprobieren?“ Das darauf folgende Knurren war Antwort genug. Stiles zuckte nur unbeeindruckt mit einer Schulter und hängte die Klamotten wieder zurück.   Scott hatte unterdessen einen Spiegel gefunden und betrachtete sein (nach Entführung, in Ketten legen und Befreiung doch schon ziemlich derangiertes) Sportoutfit von oben bis unten. Er runzelte die Stirn. „Also…“, meinte er dann schließlich und drehte sich zu Derek um. „Tut mir ja Leid das zu sagen, aber… vielleicht sollten wir uns tatsächlich was anderes anziehen.“ Er zog zur Verdeutlichung an seinem Hemd und zeigte auf die weiße Kniebundhose. „Mit unseren Lacrosse-Sachen fallen wir hier doch garantiert völlig aus dem Rahmen. Mit den anderen Sachen dagegen…“   „…können wir uns leichter verstecken?“ Derek seufzte. „Ich will lieber meine eigenen Klamotten…“   „Heul nicht“, grinste Stiles und deutete auf den Haufen schwarzes Leder. „Du hast den Alpha gehört, umziehen!“   Der ältere kniff die Augen zusammen und starrte Stiles böse an. „Gleichfalls!“. Er griff blindlings nach einem Bügel und drückte die Sachen Stiles vor die Brust, ehe der andere auch nur zucken konnte.     Am Ende hatten sich alle drei jeder in ein kriegerisches Ensemble aus Leder, Nieten, Schnüren, Schnallen und Stiefeln gequetscht. Die Sportsachen versteckten sie ganz hinten im untersten Regal. Beeindruckt darüber, wie die Klamotten die Armmuskulatur und das Tattoo von Scott zur Geltung brachten, drückte Stiles dem Alpha auf den Bizeps. „Sag mal stemmst du Gewichte?“, fragte er.   „Du nicht?“, lautete die lapidare Antwort und Stiles schnaubte abfällig.   Schließlich verteilte Derek sogar Helme. Das würde zwar ihre Sicht einschränken und auch das Gehör beeinträchtigen, aber so konnte man sie wenigstens nicht sofort erkennen.   „Ok Jungs, seid ihr soweit?“, fragte Scott und ging zur Tür, die sie in den nächsten Raum bringen würde. Beide Betas antworteten mit einem entschlossenen Nicken.   Scott atmete einmal tief durch, griff nach der Türklinke und drückte sie hinunter.     Der Gang, der von dem Zimmer wegführte war dunkel. Sehr dunkel. Schwach konnte Scott eine hohe bogenförmige Decke ausmachen. Die Werwölfe liefen langsam auf Armeslänge nebeneinander, bereit sofort anzugreifen, sollte sich ihnen jemand in den Weg stellen.   Doch niemand kam.   Sie waren vielleicht 50 Meter gegangen, als Derek plötzlich stehen blieb. „Scott?“   „Ja?“, Stiles und er blieben ebenfalls stehen.   Derek scharrte mit dem Fuß. „Merkt ihr was?“   Stiles tastete mit der Schuhspitze über den Bodenbelag. Überrascht warf er Scott einen Seitenblick zu. „Sand…“   Scott reagierte sofort. „Rücken zueinander!“, kommandierte er. Im selben Moment flammten um sie herum ein dutzend helle Stadien-Lichter auf.   „Willkommen, meine Freunde. Willkommen in der Arena!“ Die Stimme wurde von Lautsprechern verstärkt, aber auch ohne das hätte keiner der Wölfe Mühe gehabt, sie zu erkennen.   „Albright“, knurrte Derek. Kapitel 12: Taurus-Armenta -------------------------- „Ich dachte mir fast, dass Sie da mit drin stecken.“   „Ich gestehe, Sie haben mich erwischt.“ Dieses Mal war seine Stimme nicht verstärkt. Direkt gegenüber des Durchganges, den Scott und die anderen benutzt hatten, war eine weitere große Öffnung, aus der ihnen nun Albright in Begleitung des Sponsors und einer unbekannten Frau entgegen kam.   Scott blickte sich schnell um und versuchte so viel wie möglich von der Umgebung aufzunehmen. Der Platz auf dem sie standen war kreisrund, mit hellem Sand bedeckt und maß bestimmt 20 Meter im Durchmesser. Er war von einer wenigstens Drei Meter hohen Mauer umgeben, hinter der mehrere Reihen von Sitzplätzen angeordnet waren. Sie befanden sich tatsächlich in einem nachgebauten Amphitheater! Da übertrieb es aber einer mit der Authentizität seiner Gladiatorenkämpfe…   „Ich muss sage, ihr habt wirklich meine Erwartungen übertroffen. Wie ihr euch so einfach von den Ketten befreit und die Türen aufgebrochen habt … Das war wirklich erstklassige Arbeit. Ihr habt den Test zu unserer vollsten Zufriedenheit bestanden!“   „Ja, ich denke die Investition hat sich gelohnt“, stimmte der Sponsor zu.   „Und die Kleidung steht ihnen auch wirklich ausgezeichnet“, kommentierte die Frau mit einem anzüglichen Augenaufschlag. Sie zog besonders Derek mit den Augen förmlich aus. Dann hob sie das Glas, das sie in der Hand gehalten hatte zum Mund und trank einen Schluck der blassgoldenen Flüssigkeit.   Erst jetzt fiel Scott auf, dass alle drei Sektkelche in der Hand hielten. „Ihr werdet uns Reich machen, Jungs. Die Leute werden in Scharen in die Arena kommen, um euch kämpfen zu sehen…“ Die Männer stießen begeistert mit ihren Gläsern an, als hätten sie gerade den Deal des Jahrhunderts abgeschlossen.   Stiles entfuhr ein Knurren.   „Nicht“, flüsterte Scott.   „Oh doch Scott“, antwortete der Sponsor. „Er soll ruhig knurren und sich schon mal in Kampfstimmung bringen. Ihr habt uns jetzt gezeigt, was ihr so mit unbelebten Dingen drauf habt. Nun wollen wir sehen, wie ihr euch im Kampf macht.“   „Hat das heute auf dem Feld nicht gereicht?“, fragte Stiles wütend. Es war Vollmond. Diese Mistkerle hatten ihn, Scott und Derek entführt, nur damit sie in dieser dämlichen Arena mit ihnen Gladiatoren spielen konnten… und sie hatten ihn mit Wolfsbane vergiftet und… und es war Vollmond verdammt noch mal! Er hatte die Nase gestrichen voll herumgeschubst zu werden. Er konnte spüren wie ihn das Adrenalin zu überwältigen drohte und seine Augen begannen zu leuchten. Leise knurrte er und begann die Zähne zu fletschen.   „Es reicht, Stiles!“, kommandierte Scott und sah seinen Beta streng an.   Der duckte sich ein wenig beiseite und hörte mit dem Knurren und Zähne zeigen auf.   „Scott, Scott, sei doch kein Spielverderber. Lass deinen Freund sich doch mal austoben. Hier bekommt ihr schließlich hochkarätige Gegner, die ihr nicht wie Glaspüppchen behandeln müsst. Ja“, meinte Albright als er Scotts Reaktion sah. „Ich weiß sehr wohl, dass ihr euch heute beim Spiel zurückgenommen habt, weil ihr niemanden verletzten wolltet, auch wenn ich meine stärksten Spieler auf euch gehetzt habe. Wäre ich nicht schon vorher an euch interessiert gewesen…“   „Wir“, warf der Sponsor ein und sah Albright finster an, der die Unterbrechung mit einem genervten Augenrollen kommentierte.   „Ja, natürlich ‚wir‘. Also wären wir nicht bereits vorher an euch interessiert gewesen, nach diesem Spiel spätestens hättet ihr unsere volle Aufmerksamkeit gehabt.“ Er steckte eine Hand in seine Hosentasche und betrachtete die Jungs wieder mit diesem abschätzenden Blick. Er hatte einen Ausdruck leichter Frustration in den Augen, als er schließlich den Kopf schüttelte. „Bleibt nur noch die Frage zu klären, was für Wesen ihr seid, damit wir endlich anfangen können, die Plakate zu drucken. Aber das finden wir schon noch raus.“ Er nahm die Hand wieder aus der Tasche und winkte einmal kurz über die Schulter hinter sich.   „Oder genauer gesagt, unser Herkules hier wird das für uns erledigen.“ Mit einem finsteren Grinsen auf dem Gesicht schüttelte Albright kurz den Kopf und sein Gesicht verwandelte sich von den Augen von Scott, Stiles und Derek in… das eines Löwen! Mit Mähne und allem. Der Sponsor wurde ebenfalls zu einem und die Frau… die Frau sah plötzlich aus wie eine alte Hexe. Weißes Haar, zugenähte Augen und Mund, und Haut wie eine Mumie. Sekunden später sahen alle drei wieder völlig normal aus.   „Also das sind Wesen“, murmelte Derek. „Schön, dass das jetzt endlich geklärt ist.“   Dann fing der Boden an zu vibrieren. Rhythmisch wie ein Herzschlag bebte der Sand unter ihren Füßen. Und dann kam ein Mann durch den Tunnel auf sie zu. Jeder seiner Schritte verursachte eines diesen Beben, so gewaltig war er. Er war mindestens zwei Meter groß, bullig und trug nur einen Lendenschurz zu seinen hohen Ledersandalen. Die Frau und die Männer machten ihm Platz und wichen einige Schritte beiseite. Der Riese brüllte einmal auf, schüttelte sich und wurde noch hünenhafter, als er sich in einen schwarzen Stier mit langen Hörnern verwandelte.   Stiles machte große Augen. „Das ist Herkules?“   „Naja, eigentlich eher Minotaurus“, korrigierte Albright. „Er ist ein Taurus-Armenta. Die sind sehr stur, aber auch sehr stark und ausdauernd. Und da Herkules den Stier besiegen konnte bevorzugt er eben den stärkeren Namen.“ Er deutete mit seinem Glas in ihre Richtung. „Für euch werden wir uns auch noch ein paar schmissigere Kampfnamen ausdenken müssen. Keiner bezahlt für einen Kampf gegen Scott den… den Lacrosse-Captain. Nein, aber für… Ares den Kriegsgott, für den Zerstörer, für den Zorn Gottes… ja dafür zahlen die Leute gerne.“   „Also werden wir euch jetzt den fähigen Händen von Herkules überlassen. Er ist unser Arenaleiter und trainiert die Kämpfer für die Spiele. Er wird euch vermutlich beim ersten Mal nicht allzu hart dran nehmen.“ Der Sponsor warf dem großen Wesen einen gelangweilten Blick zu. „Andererseits, vielleicht doch. Hängt von seiner Laune ab. Na dann, viel Vergnügen.“   „Wir werden das sicher haben“, lachte die Frau böse und hakte sich beim Sponsor ein. Gut gelaunt verließen sie die Arena und überließen die Werwölfe ihrem Schicksal.   „Ihr wisst aber schon, dass Stiere in der Arena immer getötet werden, oder?“ Stiles konnte sich einfach wieder nicht zurück halten.   Der Stier schnaubte einmal, griff hinter sich und zog eine große Breitaxt hinter seinem Rücken hervor. Sie musste wohl in seinem Gürtel gesteckt haben.   „Was hab ich vorhin noch mal über Schwarzseher gesagt, Derek?“, fragte Stiles. „Erinnere mich daran, nächstes Mal rechtzeitig vorher zu verschwinden, wenn du wieder komischen Ahnungen hast.“   „Setz den Helm auf und halt die Klappe, Stiles“, konterte Derek.   „Helm?“ Scott hob das Bronze Ding hoch, das er die ganze Zeit unter dem Arm getragen hatte und betrachtete es einen Augenblick lang. Dann warf er ihn beiseite, ging eine typische Lacrosse Angriffsstellung und schlug statt mit dem Schläger mit der rechten Faust auf den Boden, dass der Sand nur so flog. Voll ausgewolft hob er den Kopf und fixierte den Gegner mit seinen leuchtend roten Augen. „Kein Helm Derek. Macht euch bereit.“   „Aber, die können uns sehen…“   „Stiles, das ist jetzt auch egal. Hier sieht keiner normal aus. Also los“, Derek klatschte zwei Mal in die Hände, wie er es in der Schule beim Training immer machte. Dann shiftete auch er, beugte sich leicht vor und ging in Angriffsstellung.   Stiles zuckte mit den Schultern. „Ok, dann legen wir eben los.“ Er warf seinen Helm beiseite, fuhr die Krallen aus und ließ endlich das Wolfsgeheul los, das sich schon die ganze Zeit in ihm angestaut hatte. Scott und Derek stimmten mit ein. Und ehe der Stier noch wusste wie ihm geschah, stürzten sich die Werwölfe auch schon auf ihn.     Scott griff als erster an. Er zielte mit weit ausgeholter Hand nach der Kehle des Taurus. Stiles und Derek folgten nur einen Wimpernschlag später. Einer nahm sich die Beine vor, der Andere die Arme und im vorbeispringen den Rücken.   Der Alpha hatte den Nahkampf übernommen, wurde aber von der Faust des Stieres erwischt, als der aus seiner Erstarrung aufwachte und mit lautem Gebrüll die Axt hob. Scott landete einige Meter weiter mit dem Rücken auf dem Sand. Hätte er nicht auf Leder-Kleidung gewechselt, wäre sein Rücken wahrscheinlich nach dieser Aktion bereits aufgerissen und blutig gewesen. So steigerte sich höchstens noch seine Wut.   In der Zwischenzeit hatte Derek den Frontalangriff übernommen und Stiles versuchte den Riesen zu Fall zu bringen, in dem er mit einem Fußfeger von hinten gegen seine Knie trat. Dann holte er mit seinen Krallen nach dem Arm mit der Axt aus. Doch obwohl er tiefe Spuren im Fleisch hinterließ, der Bulle wollte seine Waffe nicht loslassen.   Inzwischen hatte sich Scott mit einem Sprung wieder in Angriffsposition gebracht. Derek tauchte nach links unter dem Arm des Stieres durch und erwischte ihn seitlich unterhalb des Brustkorbes. Das Monster bäumte sich auf vor Schmerz. Stiles ging währenddessen wieder auf die Beine los. Der Stier holte nach hinten aus und drehte sich dabei von Scott weg. Der sah seine Chance gekommen.   Er sprang hoch und rief einmal laut „hey!“, so dass der Taurus ihm das Gesicht zuwandte und verpasste ihm einen harten Schlag ins Gesicht.   Der Treffer brachte ihn zum Wanken. Die Betas bearbeiteten weiter Beine und Arme und Scott schlug ihm die Krallen quer über die Brust. Schließlich stützte er sich mit den Händen im Sand ab und trat ihm Schwungvoll mit den Füßchen voraus ins Gesicht.   Das gab dem Riesen den Rest und er ging zu Boden wie ein gefällter Baum. Der Boden wackelte, als die Fleischmassen mit ihm Bekanntschaft schlossen.   Stiles schnappte nach der Axt und hielt sie wie einen Baseballschläger in den Händen, bereit damit zuzuschlagen, sollte der Riese noch einmal aufstehen.   Doch der gab nur ein Stöhnen von sich. Seine Glieder zuckten einmal, dann wurde er schlaff und atmete geräuschvoll aus.   Derek beugte sich über dessen Gesicht. „Er atmet noch, keine Sorge.“ Er richtete sich auf und alle drei Werwölfe shifteten zurück.   Auf einmal war von den Rängen leiser Applaus zu hören. Die Werwölfe drehten sich im Kreis, um die Quelle zu finden. Da waren sie. Der Sponsor, Albright und die Frau. Sie hatten sich von den Plätzen erhoben und wirkten beeindruckt.   „Wir hatten ganz eindeutig den richtigen Riecher bei euch. Was meint ihr, können wir für sie schon nächste Woche einen großen Kampf arrangieren?“   „Definitiv“, schnurrte die Frau. „Solche Talente gehören auf die große Bühne…“   „Nein“, knurrte Scott. Er richtete sich auf und reckte herausfordernd das Kinn. Derek und Stiles stellten sich rechts und links hinter ihn. Alle drei verschränkten zeitgleich die Arme vor der Brust.   „Was für ein Anblick“, schwärmte die Frau. „Ich sehe schon die Poster von euch vor mir…“   „Ich sagte nein“, wiederholte Scott. „Wir haben eurer Spielchen dieses Mal mitgespielt, jetzt reicht‘s. Kommt, wir gehen“, meinte Scott und drehte sich von den ‚Zuschauern‘ weg und ging einige Schritte in Richtung Ausgang, seine Betas dicht hinter ihm.   Albright lachte. „Und wie wollt ihr das schaffen?“ Er klatschte laut in die Hände und aus dem Eingang kamen ein Dutzend Männer gestürmt, alles Schlägertypen. Scott blieb stehen und drehte den Kopf nach hinten.   „Was glauben Sie denn, Coach?“ Er hob eine Hand und fuhr die Kralle aus. „Notfalls mit Gewalt. Sie werden uns hier nicht weiter festhalten.“ Ruhigen Schrittes ging er weiter zum Ausgang.   Die Wachen sahen sich unsicher an. Was sollten sie machen? Normalerweise ergaben sich die Kämpfer in ihr Schicksal, nachdem sie von Herkules bearbeitet worden waren. Doch der wälzte sich gerade ächzend und verletzt auf die Seite und versuchte aufzustehen. Als er bemerkte, dass die Wachen zögerten brüllte er sie an. „Angriff!“ Kapitel 13: Die Kavallerie rückt an ----------------------------------- Mit quietschenden Reifen kamen zwei schwarzen Suburbans, ein Mannschaftswagen und ein Transporter zum Stehen.   Die Türen wurden geöffnet und Nick, Hank, der Captain und eine Truppe von 15 Männern, ausstaffiert wie ein SWAT-Team stiegen aus. Sie versammelten sich um das Führungsfahrzeug.   Der Grimm rollte einen Plan vom Grundriss des Gebäudes auseinander und breitete ihn auf die Motorhaube des Wagens aus.   „In Ordnung Gentlemen“, wandte sich Renard an die Männer. „Sie wissen alle worum es geht.“ Er drehte sich um und deutete mit einer Hand in die Dunkelheit. „Das Ziel unserer Operation liegt hinter dieses Bäumen. Ich muss ihnen allen ja nicht sagen, dass wir uns hier in einer… sehr dunklen Grauzone bewegen. Das Department darf niemals Einzelheiten erfahren. Was das angeht ist das hier eine normale Durchsuchung eine verdächtigen Gebäudes, verstanden?“   Er blickte in die Runde. Die „SWAT“-Leute murmelten alle ihre Zustimmung. Nick war inzwischen damit beschäftigt seine Waffe zu überprüfen und nickte nur stumm. Unter seiner Schutzweste blitzte der Griff eines Dolches hervor. Dieser Anblick sorgte beim Royal für ein Stirnrunzeln, aber genau so wenig wie er konnte Nick aus seiner Haut. Er war ein Grimm und wenigstens eine Klinge dabei zu haben, wenn sie ein Nest voller kämpfenden Wesen aushoben, war einfach ein Muss für ihn.   Dann blieb der Blick des Captains an Hank hängen und er wartete auf eine Reaktion des Detective.   Hank sah als einziger fehl am Platz aus. Und so fühlte er sich auch.   Es ging hier um die Erstürmung einer verdammten Gladiatoren-Arena voller Wesen, zur Hölle noch eins! Und er war nur ein Mensch!! Ein „Kehrseite“, der Bescheid wusste. Aber immer noch nur ein normaler Mensch. Was machte er eigentlich hier? Nick hatte seine Glock im Anschlag und machte sich bereit, als wäre es das normalste von der Welt. Die Aura eines erfahrenen Kämpfers umgab ihn. Und auch die urtümliche Stärke eines Grimms. Die Wesen, die sie begleiteten mussten das ebenfalls spüren. Keines von Ihnen (abgesehen vom Captain natürlich) näherte sich Nick auf drei Schritte Entfernung. Doch den Grimm schien das nicht im Geringsten zu stören. Nicks graublaue Augen strahlten eine Kälte aus, wie sie Hank nur selten zu sehen bekam.   „Det. Griffin?“, holte ihn der Captain in die Realität zurück. Offenbar wartete er noch immer auf eine Antwort.   „Ja, Captain, verstanden.“   Renard nickte zustimmend und winkte alle zu sich zur Motorhabe und der Karte zusammen. „Gut, da das geklärt ist kommen wir zum Thema. Das Gebäude ist im Wesentlichen in zwei Bereiche unterteilt: den ‚öffentlichen‘ mit Foyer, Arena und Zuschauerrängen und der hintere mit den… ‚Quartieren‘ der Kämpfer.“ Er zeigte auf die Karte und deutete auf die genannten Bereiche. „Wie Sie alle sehen können gibt es laut Plan keinen separaten Eingang zu dem Verließ. Wir müssen uns also durch den Haupteingang bewegen. Wir teilen uns in drei Gruppen auf. Die erste Gruppe um Lt. James“, er deutete auf einen der Männer rechts von ihm, „wird sich außen um das Gebäude herum postieren und versuchen einen möglichen Notausgang zu finden und eine Flucht der Täter zu verhindern.“   Acht der behelmten Männer nickten und hoben ihre Maschinengewehre wie im Salut. Lt. James salutierte sogar tatsächlich und marschierte mit seinen Leuten los.   „Wir anderen gehen durch den Haupteingang rein. Die zweite Gruppe wird mit Sgt. Carter die Vorhut bilden, während ich mit den Detectives als dritte Gruppe folge. Denken Sie daran, wir wissen nicht genau was uns in der Arena erwartet, aber es geht darum entführte Kinder und Männer zu befreien, die höchstwahrscheinlich gezwungen werden auf Leben und Tod gegeneinander zu kämpfen.“   Alle nickten grimmig und wild entschlossen.   „Ok, dann los!“, gab Renard den Befehl. Der Sergeant hob den Arm und winkte seine Männer vorwärts. So leise wie möglich rückten sie durch die Bäume vor in Richtung Gebäude. Zwei der Männer trugen eine Ramme, die anderen hatten wie das erste Team MGs im Anschlag.   Der Royal rollte den Plan wieder zusammen und legt ihn ins Auto, bevor er mit gezückter Waffe gemeinsam mit den beiden Detectives dem ‚SWAT‘ folgte.   „Wo haben Sie die Leute eigentlich her, Captain?“, fragte Hank. Er hatte für diese Razzia seine Dienst-Glock gegen eine Schrotflinte ausgetauscht und trug wie sein Captain und Nick eine Schusssichere Weste.   Renard verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Das sind alles Polizisten, Det. Griffin. Glauben Sie etwas es gäbe keine Wesen in der Truppe?“   „Ich weiß, dass es genügend von ihnen gibt“, meinte Nick. „Hab nur noch nie so viele zusammenarbeiten sehen.“   „Es geht hier gegen eine Arena, Nick. Es haben sich alle freiwillig für diesen Einsatz gemeldet. Wenn sogar schon Kinder entführt und gezwungen werden zur Belustigung anderer um ihr Leben zu kämpfen… da stehen die Wesen zusammen wie ein Mann. Die meisten der Kollegen hier haben selber Kinder.   „Und woher haben Sie den Plan?“   „Sie müssen nicht alles wissen, Det. Burkhardt. Ich habe einfach meine Quellen, mehr brauch Sie nicht zu interessieren.“   In diesem Moment war ein dumpfes Wolfsgeheul zu hören. Die drei Männer blickten sich überrascht an und beschleunigten ihre Schritte. „Das klingt danach, als wenn die Kämpfe losgehen würden…“   „Wartet mal, sind das nun Blutbader oder was anderes?“, wollte Hank wissen, der von dem Ruf etwas verunsichert war.   „Das ist doch jetzt egal“, antwortete Nick, der trotz Rennens nicht ein bisschen außer Atem klang. „Wenn ein Kampf läuft werden sie immerhin abgelenkt sein.“   „Das komische ist nur“, meinte Renard, „laut meinen Informationen ist für heute gar keine öffentliche Veranstaltung geplant…“   „Die Kinder!“, rief Nick und beschleunigte noch mehr.   Hank konzentrierte sich darauf, nicht zu stolpern, aber seine Sorge wuchs. War das ein Angstschrei oder ein Angriffsruf gewesen?   An der Tür waren die anderen gerade dabei, diese mit der Ramme einzuschlagen. Einige gezielte Schläge gegen das Schloss, und sie gab nach.   Das ‚SWAT‘ sicherte den Eingang und mit Taschenlampe in einer Hand und Waffe in der anderen folgte Nick ihnen auf dem Fuß.   ***   „Er sagte Angriff, verflucht!“ brüllte Albright die Wachen wutentbrannt an.   Die Männer zuckten zusammen, aber ein paar von ihnen zogen Schlagstöcke aus ihren Taschen und liefen wirklich los. Doch die Wölfe waren zu schnell und parierten die ersten Angriffe. Dann kamen die anderen dazu und sie drohten bei einem Verhältnis von eins zu vier überwältigt zu werden. Stiles hatte einen gemeinen Schlag in die Nieren abbekommen und sackte auf die Knie vor Schmerzen. Die Axt hatte er schon nach dem ersten Schwung fallen gelassen. Waffen waren einfach nichts für Wölfe. Scott kämpfte gleichzeitig mit zwei Männern, während von hinten ein weiterer nach seinem Kopf griff. Selbst Derek, der unter den meisten Schlägen durchtauchte, hatte große Probleme, nicht überwältigt zu werden.   „Portland P.D.! Alle sofort auf den Boden und die Hände hinter den Kopf!“   Überrascht drehten die Wölfe den Kopf und sahen eine Truppe schwarz gekleideter Männer mit gezückten Waffe in die Arena stürmen. Die Wachen ließen von ihnen ab. Einige versuchten in Richtung Umkleide zu entkommen, aber falls es dort nicht einen versteckten Ausgang gab, waren sie in der Falle. Andere warfen ihre Waffen weg und sackten mit hochgehobenen Händen auf die Knie.   Selbst Derek, Scott und Stiles hoben sicherheitshalber die Hände, blieben aber stehen.   Die Polizisten teilten sich auf. Ein Teil rannte den flüchtigen hinterher, der andere zückte Handschellen und nahm die Wächter fest. Scott drehte sich zu den Zuschauerrängen um, aber die drei waren natürlich nicht mehr zu sehen.   „Auf die Knie!“, brüllte ihn plötzlich einer der Polizisten an und stieß ihn mit der Waffe rabiat in die Seite. Scott machte große Augen.   „Hey, wir sind hier die Opfer…“, protestierte Stiles gegen die raue Behandlung.   „Schnauze, alle auf den Boden sagte ich!“   „Halt!“, erklang eine durchdringende Stimme und alle Männer erstarrten förmlich. „Die drei nicht, das sind die Entführungsopfer.“ Den Sprecher hatte Scott vorher noch nie gesehen. Aber so wie er die Männer rumkommandierte vermutete der Alpha, dass es sich bei ihm um den Vorgesetzten der Polizisten handelte. Gemeinsam mit zwei weiteren Männern kam er jetzt auf sie zu.   Stiles starrte den Polizisten böse an, der sie beinahe angegriffen hatte, doch der zuckte nur mit den Schultern und widmete sich einem Anderen.   Als er näher kam erkannte Scott einen der beiden Detectives vom Tatort wieder. Er zeigte auf die Tribüne. „Die Drahtzieher waren eben noch da oben.“   „Dann müssen sie hier ja noch irgendwo sein“, antwortete der erste Mann. „Wir haben draußen Männer postiert. Die kommen nicht weit. Ich bin Captain Renard. Die Detectives Burkhardt und Griffin kennen Sie ja bereits“, stellte er sich vor und deutete auf seine Begleiter. „Bei Ihnen soweit alles in Ordnung?“, fragte er und warf dem immer noch auf dem Boden liegenden Taurus einen interessierten Blick zu. Mit hochgezogener Braue sah er Scott ins Gesicht. „Haben Sie das gemacht?“   „Nicht alleine“, antwortete Scott und zuckte mit den Schultern. „Er wollte nicht aufhören.“   Detektive Burkhardt sah beeindruckt aus. „Das ist ein Taurus-Armenta, oder? Nicht schlecht, Junge.“ Er steckte seine Pistole ins Halfter und stemmte die Hände in die Hüften.   Sein Partner war unterdessen zu dem am Boden liegenden Wesen hingegangen und betrachtete die Wunden. Dann bemerkte er die Axt, hob sie auf und ächzte dabei leise. „Mann ist die schwer…“   „Ach echt?“, fragte Stiles überrascht. „Mir kam sie recht leicht vor…“ Er ging Griffin entgegen und nahm ihm die Waffe ab. „Ist aber schlecht ausgewogen“, befand er.   Burkhardt seufzte und streckte die Hand nach der Waffe aus. Stiles gab sie ihm und der Detective hielt sie einen Moment prüfend in der Hand, bevor er einige Probeschläge machte. Die fließenden Bewegungen machten deutlich, dass so eine Waffe zu führen nichts Neues für den Mann war. Die Wölfe machten große Augen und traten sicherheitshalber ein paar Schritte zurück. „Nein, sie ist perfekt ausbalanciert. Sie ist einfach nur zu leicht für dich, Junge.“   „Ähh, Nick?“   Doch der hörte nicht. Einen Moment später erstarrte er in der Bewegung und warf einen scharfen Blick in Richtung der Ränge. „Hört ihr das auch?“, fragte er und zeigte mit der Breitaxt auf eine Stelle.   „Klar“, antwortete Stiles wie selbstverständlich. „Da versucht jemand per Handy Verstärkung zu rufen. Ich kann das piepen der Tasten hören…“   Derek und Scott wandten den Blick in die angegebene Richtung und lauschten ebenfalls. „Albright“, knurrten sie. Beide hatten das leise Flüstern erkannt und rannten los. Mit einem gewaltigen Sprung griffen sie nach dem Rand der Balustrade, schwangen sich darüber und hüpften über die Stuhlreihen, um den Mann und seine Begleiter zu schnappen.   „Lasst mir was übrig“, rief Stiles und rannte hinterher.   „Sag mal, was sind denn das für welche?“, murmelte Hank. „Seit wann machen Opfer Polizeiarbeit und stellen die Täter?“   Der Grimm zuckte mit den Schultern. „Seit wir nicht mal eben aus dem Stand 3 Meter hoch springen können?“ Er legte sich die Axt über die Schulter und wartete. Alle Wesen im Saal sahen ihm misstrauisch zu, wie er ganz locker da stand, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt, das ein Polizist eine Bronzeaxt hielt.   „Normale Menschen können das jedenfalls nicht, aber bei dir wäre ich mir da nicht so sicher“, antwortete Hank. Er deutete auf die Stelle, an der die Jungs über das Geländer ‚gehüpft‘ waren. „Willst du denen nicht helfen?“   „Wozu? Wie der Captain schon gesagt hat, wir haben hier überall Männer postiert, die laufen uns schon nicht weg. Und ich bezweifle, dass die groß was an Verstärkung aufbieten können. Außerdem, die Jungs haben es mit einem Taurus aufgenommen. Die sind alles andere als hilflos.“   „Wenn du meinst…“, sagte die einzige Kehrseite im Raum und unterzog anschließend die Schneide der Waffe einer eingehenden Untersuchung. Er zog sich ein paar Tatorthandschuhe über und bewegte die Klinge ein wenig im Licht. „Die Schneide hat jede Menge Riefen. Und scheinbar auch Reste von Blut auf der Schneide. Da müssen die Forensiker wohl mal einen Blick drauf werfen. Könnte die Waffe sein, mit der die Leiche geköpft wurde.“   „Schade eigentlich, so eine fehlt mir noch in meiner Sammlung“, seufzte Nick und übergab Hank den Griff der Axt.   Sein Partner hob eine Augenbraue. „Bei dir weiß ich nie, ob das ernst oder als Witz gemeint ist.“   Nick zuckte nur mit den Schultern, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste Hank schief an. Seine Augen glitzerten unergründlich, aber eine Spur von Schalk schien darin zu liegen.   „Was?“, fragte Hank unsicher und runzelte die Stirn. Er schaute die Tüte an, die er angefangen hatte zu beschriften. War doch alles soweit korrekt, was wollte also sein Partner? „Hab ich was übersehen?“   Der Grimm schnaubte leise. „Weißt du noch, worauf wir uns im Trailer als Waffe geeinigt hatten?“   Hank sah auf die Axt, die er eben eingetütet hatte hinunter. Er schien nicht recht zu verstehen, worauf Nick hinaus wollte.   „‘Mindestens 40 Zentimeter gerade Klinge‘“, zitierte der Grimm den Bericht der Gerichtsmedizin aus dem Gedächtnis und deutete auf die gebogene Schneide.   „Tja“, meinte Hank, als ihm klar wurde, was Nick meinte. Schade eigentlich. Wäre ja auch zu leicht gewesen. „Du darfst sie trotzdem nicht behalten“, antwortete er streng und übergab die Waffe einem der herumstehenden Officers. Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Zu dumm nur, dass wir keine echte Mordwaffe werden präsentieren können. Wir können ja wohl kaum einem Blutbader die Hände abhacken und in einen Beweismittelbeutel packen…“   „Da hätte das Labor auf jeden Fall Spaß dran.“   Plötzlich rief eine männliche Stimme laut „Vorsicht Scott!“ und ein klirrendes Geräusch war zu hören.   Automatisch griffen die Detectives wieder nach ihren Waffen und richteten Sie auf die Zuschauerränge, wo die Männer hin verschwunden waren. Im nächsten Moment flog ihnen von dort etwas entgegen und landete sehr unsanft im Sand der Arena. Es war ein Mann, der stöhnte und versuchte sich aufzurichten. Nur Sekunden später landete eine weitere Gestalt halb auf ihm. Beide Männer ächzten und jammerten vor Schmerz auf.   „Hände hoch“, kommandierte Nick und ging auf die beiden zu. Der zuletzt ‚geflogene‘ hob den Kopf und verwandelte sich kurz. „Grimm!“, stieß er entsetzt hervor.   „Löwe“, kommentierte Nick trocken. „Überrascht mich nicht. Aufstehen und die Hände so, dass ich sie sehen kann!“   Mühevoll rollte sich der Mann beiseite und richtete sich langsam auf. Seine Lippe war blutig und die Hände zerkratzt, aber er schien sich bei dem unfreiwilligen Sturz nichts gebrochen zu haben.   Hank steckte seine Waffe weg und legte ihm Handschellen an. Anschließend führte er ihn zu den anderen Festgenommenen.   „Haben Sie nicht gehört?“, fragte Nick nachdrücklich den zweiten Mann, der immer noch vor ihm auf dem Boden lag. Er trat einen Schritt näher auf ihn zu. Mit einer Hand drehte er ihn auf den Rücken. Die Stirn des Mannes war zerkratzt und das Jackett an der Seite zerrissen. Mehrere parallele Schlitze waren im Stoff zu sehen.   Renard beugte sich über den Mann und zog eine Braue hoch. „Na sieh mal einer an, wenn das nicht Coach Albright ist.“   Nick sah seinen Vorgesetzten irritiert an. „Und woher kennen Sie den jetzt wieder?“   Doch Renard winkte ab. „Später Detective.“   Von den Rängen war ein Handgemenge zu hören und Nick schaute besorgt nach oben, steckte dann aber seine Waffe weg, um dem Mann Handschellen anzulegen. „Albright, Sie sind vorläufig festgenommen wegen des Verdachts auf Entführung und Freiheitsberaubung in mindestens drei Fällen, Verabredung zum Menschenraub, Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer Körperverletzung, Verabredung zum Mord und vermutlich noch so einigem anderen. Sie haben das Recht zu schweigen, sie haben das Recht auf einen Anwalt. Und sie werden einen brauchen, glauben sie mir. Können Sie sich keinen Anwalt leisten wird Ihnen einer vom Gericht gestellt… „   Einer der Polizisten, die der Captain organisiert hatte kam auf ihn zu und übernahm den Gefangenen. „Stehen Sie auf!“, schnauzte er den Mann an.   Umständlich erhob sich Albright, halb gezogen von dem Officer. Er warf Nick einen hasserfüllten Blick zu. „Sie schon wieder…“ Seine Augen leuchteten förmlich vor Wut, als er kurz das Antlitz eines Löwen zeigte. „Das hier ist nicht Portland, Sie haben hier keine Befugnis!“   Renard griff unter seine Weste und zog einen Gerichtsbeschluss heraus, den er dem Löwen vor die Nase hielt. „Au contraire, mein Freund. Wir haben jedes Recht. Schafft ihn hier raus.“   Er humpelte beim Gehen. Gut, wenigstens hatte damit der Richtige was abbekommen. Albright lachte böse. „Ich hoffe sie haben Blutbader dabei, das dürfte lustig werden!“   „Augenblick“, sagte Nick und schloss zu Albright und seinem Bewacher auf. Er beugte sich vor und stieß ihm den Finger in der Brust. Mit weit aufgerissenen Augen lehnte sich der Löwe soweit von ihm weg, wie es nur ging. „Wir wissen von den ‚Wolfsmond-Tropfen‘ und wir haben bereits das Gegenmittel. Also machen Sie sich keine Sorgen, das Zeug wird uns keine Probleme mehr bereiten.“   „Ihnen vielleicht nicht“, schnaubte der Mann belustigt, „aber der Junge sah eben nicht gut aus.“   „Der Junge?“ Nick griff wütend nach dem Kragen des Löwen und zog sein Gesicht zu sich heran. „Was haben Sie gemacht?!“   Doch der Löwe lachte nur.   „Bringt ihn weg“, kommandierte Renard und sah Nick hinterher, der gerade in Richtung Tribüne losrannte, mit zwei drei Schritten gegen die Wand empor kletterte, bis zum Rand kam, und sich von dort über das Geländer zog.   Hank hob eine Braue. „Und ich sag noch, dass er das wahrscheinlich auch schafft… Mir glaubt ja immer keiner.“     Als Nick oben bei den Werwölfen ankam bot sich ihm ein seltsames Bild. Der älteste, dieser Hale, hielt von hinten eine Frau fest, die sich wand und schrie. Mit dem Gesicht eines Hexenbiestes. „War ja klar“, murmelte er. Bei der Sache mit diesen ominösen Tropfen musste ja eins von denen darin verwickelt sein.   Hale knurrte die Frau an. An seinen Fingern waren mit einem Mal scharfe Krallen zu erkennen, die sich ihr in den Oberarm bohrten. Das Biest wurde augenblicklich steif und verstummte.   Einer der Jungs, Scott, lag auf dem Boden, das Gesicht nach unten und röchelte. Er versuchte sich aufzurichten, hatte aber scheinbar keine Kraft.   Der andere Junge, Stiles, hatte offenbar ein Tuch von der Frau genommen, das er sich vor sein Gesicht hielt. Er versuchte Scott aufzurichten, aber auch er wirkte etwas wackelig auf den Beinen und mit einer Hand kam er nicht weit.   Nick eilte zu den vieren und starrte das Hexenbiest finster an. „Grimm…“, flüsterte sie und es klang wie ein Fluch. Sie versuchte wieder von ihm weg zu kommen, aber der Griff von Derek war stahlhart und er gab nicht einen Millimeter nach.   Da der Mann scheinbar alles im Griff hatte kniete sich der Detective neben Scott. „Was ist passiert?“, fragte er und half Stiles dabei, ihn aufzurichten.   „Ampulle…“ röchelte Scott. „Kann… nicht atmen…“   „Die Wolfsbane-Tropfen“, sagte Nick gepresst.   „Wir müssen ihn hier raus bringen“, flüsterte Stiles, der immer noch verdächtig schwankte.   Von der anderen Seite kamen zwei der Officers auf sie zugelaufen, die Derek das Hexenbiest abnahmen. „Wir müssen…“ Er war erst näher gekommen, blieb dann aber doch zwei Schritte vor Scott stehen und hielt sich die Brust. Seine Lunge pfeifte leise beim Einatmen. Nick prüfte inzwischen den Puls von Scott. Er war ziemlich schwach.   „Ihr seid allergisch darauf, richtig?“   „Kann man so sagen“, nuschelte Stiles durch das Tuch hindurch.   „Lydia hat mich vorgewarnt. Ich bringe euch zu einer Freundin, sie wird euch helfen können.“ Der Grimm warf sich Scott über die Schulter und lief die Reihe entlang zum Ausgang. Die Wölfe beeilten sich ihm zu folgen. „Ich habe im Auto auch extra noch eine Spritze mit Anti-Histamin. Würde das helfen?“   „Ich glaube nicht, Detective“, antwortete Derek, während er sich zwischen den Sitzen durchschlängelte. „Aber wir sollten es zumindest versuchen.“   Stiles war beeindruckt, wie mühelos der Mann Scott tragen konnte und dabei nicht mal ins Schwitzen geriet. Dann sickerte in sein Hirn, was der Detective eben gesagt hatte. „Lydia? Sie haben mit Lydia Martin gesprochen?“   „Ja, ich hatte Scotts Handy gerade auf dem Revier und da rief sie an. Sie ist mit einer… Kira?.. gerade unterwegs nach Portland.“   „Ich wusste doch, wir hätten sie gleich mitnehmen sollen“, knurrte Derek.   Der Grimm warf ihm einen Blick halb über die Schulter zu und grinste schief. „Das hat sie auch gesagt.“   „Detective?“, rief ihm von unten der Royal zu.   „Keine Zeit, Captain. Ich bringe den Jungen zum Spice-Shop. Rosalee muss sich schnell um ihn kümmern.“ Er warf einen kurzen Blick hinter sich. „Ich nehme an Sie beide wollen mitkommen?“   „Natürlich!“   „Hank, wir treffen uns gleich am Auto!“, rief Nick noch seinem Partner zu, bevor er im Treppenhaus verschwand.   ***   Am Auto angekommen wollte Nick Scott gerade auf die Rückbank legen, als Derek sich einmischte. „Detective, wir müssen ihm dringend die Klamotten ausziehen, bevor wir fahren können.“   Nick schaute ihn aus halb zusammengekniffenen Augen an. „Sie wissen schon wie kalt das ist?“   „Natürlich wissen wir das“, meinte Stiles, „aber er hat dieses Zeug überall auf seiner Kleidung. Wenn wir die nicht loswerden, kann es für Scott nicht besser werden und…“   Nick verstand, was der Junge sagen wollte. „Und sie beide werden das ebenfalls nicht ohne Schaden überstehen.“   Derek nickte.   „Wenn das so ist“, meinte Nick und zog seine Weste aus. Darunter kam ein etwa 20 Zentimeter langer Dolch zum Vorschein. Die Werwölfe zogen scharf die Luft ein, als der Grimm danach griff, aber sie konnten sich gerade noch zurückhalten den Mann nicht an die Kehle zu springen, weil er ihren Alpha bedrohte. Völlig ungerührt benutzte der Detective die Klinge, um die Lederschnürung an Scotts Kleidung zu zerschneiden. Er zog er ihm das Oberteil vom Leib und warf es weit weg vom Auto und sah dann Derek an. „Die Hose auch?“   Der schwarzhaarige kam näher und schnupperte. Erleichtert schüttelte er den Kopf. „Nein, die hat scheinbar doch nichts abgekriegt. Stiles?“, er drehte sich zu dem anderen Jungen um. „Hilf mir mal.“   Sie nahmen Scott zwischen sich und hielten ihn an den Armen fest. Stiles kletterte zuerst in den Wagen und zusammen mit Derek bugsierten sie ihn auf den mittleren Sitzplatz. Derek setzte sich auf der anderen Seite daneben und zog die Seitentür hinter sich zu.   Nick hatte in der Zwischenzeit seine Ausrüstung im Kofferraum verstaut und holte das Notfall-Set mit der Spritze hervor, bevor er den Deckel wieder schloss. Er reichte es Derek durch das geöffnete Fenster und sah sich nach seinem Partner um. „Hank?“   „Nick, warte auf mich!“, rief dieser von weitem und joggte zum Auto.   Derek packte die Spritze aus und zog die Kappe von der Nadel. „Stiles, halt ihn still“, wies er den jüngeren an. Er griff nach dem Oberschenkel von Scott und rammte ihm die Kanüle ins Bein, bevor er den Kolben hinunter drückte und die durchsichtige Flüssigkeit in die Muskeln des Alphas entließ. Dann zog er sie wieder heraus und ließ die Spritze einfach auf den Boden fallen. Zum Glück war es eine dieser modernen Versionen mit Sicherheitsverschluss, der sich automatisch vor die benutzte Nadel setzte. Da brauchte er sich wenigstens keine Gedanken darüber zu machen, wieder die Kappe aufzusetzen. „Komm schon Scott, immer weiter atmen“, flüsterte er beschwörend und prüfte den Puls den Jungen an der Halsschlagader. Er war schwach, aber regelmäßig.   Der Grimm nahm bereits hinter dem Lenkrad platz und zog seine Tür zu, als Hank endlich den Wagen erreichte. Schwer atmend riss er die Beifahrertür auf und ließ sich in den Sitz fallen. Er konnte gerade noch die Tür schließen, da gab Nick auch schon Gas. Der Detective musste sich am Griff festhalten und angelte leicht panisch nach dem Gurt. „Musst du so rasen?“, fragte er genervt.   Zur Antwort deutete sein Partner nur mit dem Daumen hinter sich auf die Rückbank. Hank drehte sich auf seinem Sitz um und sah den bewusstlosen Scott zwischen seinen Begleitern.   „Oh“, meinte er nur. „Rosalee?“   „Ja“, antwortete Nick und schaltete das Blaulicht an. Kapitel 14: Werwölfe gibt es nicht, Virginia… --------------------------------------------- Scott nahm einen tiefen Zug aus dem Inhalator, hielt die Luft solange wie möglich an und atmete dann langsam wieder aus. Seine Finger zitterten, aber er bekam endlich wieder besser Luft.   Er lag auf einer Pritsche, eine Decke um sich gewickelt, im Hinterzimmer eines Tee- und Gewürzladens in der Altstadt von Portland. Zumindest hatte man ihm das so erklärt.   An die Fahrt hierher erinnerte er sich kaum. Man hatte ihm sein Lederoberteil ausgezogen, bevor sie mit dem Auto losfuhren, das hatte er noch mitbekommen, aber danach verschwammen seine Erinnerungen. Bis er schließlich auf besagter Pritsche mit Blick auf an Deckenbalken aufgehängten Kräuterbündeln wieder zu sich kam.   Rosalee Calvert war die Besitzerin und Betreiberin des gemeinhin nur als ‚Spice-Shop‘ bezeichneten Ladens und eine versierte Apothekerin. Sie hatte ihn mit einer selbstgefertigten Kräuter-Mischung nach der Vergiftung mit Wolfsbane behandelt und damit vermutlich schlimmeres verhindern können. Jetzt musste er sich nur ausruhen und heilen.   Sie saß halb neben ihm am Rand der Pritsche und beobachtete ihn mit besorgtem Gesichtsausdruck. „Geht’s wieder?“   „Einigermaßen“, antwortete Scott mit rauer Stimme.   „Asthmatiker?“   „Früher mal…“   „Früher?“ Sie nahm ihm den Inhalator ab und steckte ihn in die Tasche ihrer Strickjacke.   „Ähh… naja… ich war mal Asthmatiker, aber das ist inzwischen geheilt.“   „War es also mehr Psychosomatisch? Stress-Asthma?“ Sie fühlte seine Stirn, ob er noch Fieber hatte, befand dass es nicht so war und drückte ihn wieder zurück in die Kissen. „Du musst dich noch etwas ausruhen, Scott.“   „Nein, das war schon richtiges Asthma. Ich bin mehr als einmal fast erstickt…“   Rosalee zog die Brauen zusammen. „Ich dachte eigentlich, dass man das nicht wirklich heilen kann.“   „Oh doch, es gibt schon eine Methode, wie man das und so einiges anderes heilen kann, ist aber nicht für jeden geeignet“, warf Derek ein. Er hatte sich bisher in einer Ecke des Raumes auf einem Stuhl gelümmelt und gedöst. Jetzt nahm er die Füße von einem zweiten Stuhl herunter, stand auf und trat an das Fußende der Pritsche. Er wirkte erschöpft aber auch erleichtert, dass Scott wieder wach war. Leicht unbeholfen tätschelte er Scotts Bein und ging dann neben der Pritsche in die Hocke. Seine Hand blieb auf Scotts Bein liegen.   „Und die Methode hat einige Nebenwirkungen“, ergänzte Stiles. Er war eben aus dem Ladenbereich nach hinten gekommen und setzte sich nun am Kopfende einfach auf den Boden. Der junge Beta legte Scott ebenfalls eine Hand auf, in diesem Fall auf die Schulter und nickte ihm aufmunternd zu.   „Nebenwirkungen?“, fragte Rosalee neugierig. Sie stand auf und legte das feuchte Tuch weg, das sie vor einer Weile auf Scotts Stirn gelegt hatte, aber nun nicht mehr nötig war.   „Naja, zum Beispiel Wolfsbane, es…“, begann der ältere, wusste aber nicht wie weit er in seiner Erklärung gehen sollte.   Die Fuchsbau nickte wissend. „Ich verstehe schon, ihr reagiert darauf allergisch und es löst asthmatische Anfälle aus.“ Sie warf Derek einen mitfühlenden Blick zu.   „Oder schlimmeres“, fügte Stiles leise hinzu.   Die Ladenklingel ertönte und Rosalee drehte den Kopf zur Tür. „Einen Moment, bin gleich da.“   Aber wer auch immer gekommen war wartete nicht, sondern kam einfach zu ihnen ins Hinterzimmer. Es war ein großer, schlanker Mann mit wilden Locken und Vollbart. Er ging schnurstracks auf die Frau zu und nahm sie fest aber liebevoll in den Arm.   Rosalee wiederum fing an leise zu… schnurren? Derek betrachtete den Neuankömmling genauer. Auch er schien eines dieser Wesen zu sein. Ebenso wie Rosalee. Er hatte jedenfalls diese Aura und den urtümlichen, wilden Geruch an sich, wie ihn alle Wesen mehr oder weniger zu haben schienen. Und er musste wohl der Freund von ihr sein. Da blitzte ein Ring an Rosalees Hand auf. Ah, wohl mehr als ein Freund. Bei den vielen Karat wohl doch eher Verlobter.   „Alles ok bei dir Rosi? Ich weiß du hast gesagt, ich soll mich besser erst mal fernhalten, aber konnte nicht mehr warten, und…“   „Ja, mach dir keine Sorgen um mich, Monroe. Nick hat sich um das Problem gekümmert.“ Sie legte ihm liebevoll eine Hand an die Wange und wies dann mit dem Kopf in Richtung Pritsche und damit auf die Werwölfe. „Das sind übrigens die drei Männer, von denen Nick erzählt hat.“   „Die drei mit dem…“. Er hatte sagen wollen ‚mit dem Supergehör‘, aber das in deren Gegenwart auszusprechen wäre dann doch einigermaßen unhöflich gewesen. Beide wussten auch so was er meinte, denn die Fuchsbau nickte bestätigend. Monroe drehte sich um und ließ dabei seine Verlobte los. Sein Gesichtsausdruck wurde ratlos und er runzelte die Stirn. „Irgendwas blockiert meine Nase… Hab ich mich erkältet? Aber vorhin ging‘s doch noch…“   „Der arme Junge ist mit dieser Wolfsbane-Mischung vollgespritzt worden, und deshalb…“   „Doch nicht etwas mit ‚den Tropfen‘?“, entsetzt ging er einen Schritt zurück. „Rosalee, du weißt, was die auslösen können, ich will dir nicht…“   „Schttt“, die Frau legte ihm lächelnd einen Finger auf die Lippen und gab ihm dann einen Kuss. „Alles in Ordnung, mein Lieber. Das Gegenmittel ist längst fertig und der Junge damit von oben bis unten eingesprüht. Darum kannst du auch nichts riechen. Also kein Grund zur Sorge.“   „Ok, wenn das so ist. Nichts zu riechen ist immer noch besser, als in Raserei zu verfallen und jemandem was anzutun.“   „Definitiv“, lachte sie. „Ok Jungs, wird ja wohl noch eine Weile dauern, bis es unserem Patienten wieder besser geht. Wir gehen nach Nebenan in den Laden, schließlich muss ich nebenbei auch noch ein Geschäft führen. Einfach rufen, wenn ihr etwas braucht, ok?“   „Ok“, antwortete Scott. Er sah den schwarzhaarigen am Fußende mit seinen braunen Augen intensiv an und biss sich kurz auf die Unterlippe, bevor er fort fuhr. „Wir könnten das hier aber auch etwas beschleunigen. Derek?“, fragte Scott leise und richtete sich halb auf. Er hielt dem Mann seinen linken Arm hin.   „Vor den Leuten?“, flüsterte Derek und beäugte misstrauisch die beiden, die gerade den Raum verließen.   „Glaubst du ernsthaft, das würde noch einen Unterschied machen? Die wissen doch eh alle schon, dass wir ‚nicht normal‘ sind. Und sie schauen eh grad nicht hin.“   „Wenn du meinst, ist deine Entscheidung.“ Er zuckte mit den Schultern und trat an Scotts Seite.   Rosalee hatte sich im Türrahmen umgedreht, um die Tür zu schließen und erhaschte dabei in diesem Moment einen kurzen Blick auf Derek, der mit festem Griff Scotts Arm in beiden Händen hielt. „Was…“, fing sie verwundert an, da machte es auch schon knacks… und Scott zog scharf die Luft ein vor Schmerz. „Was sollte das?“, rief sie erschreckt und eilte zu Scott. Sie schob Derek beiseite und nahm den frisch gebrochenen Arm in die Hände. Vorsichtig tastete sie darüber.   Monroe drückte Derek die Hand vor die Brust und schob ihn erbost einige Schritte von Scott weg. „Sag mal spinnst du? Was sollte das werden?“   Beruhigend hob Derek die Hände. „Ganz ruhig, ich tue ihm nichts.“   „War das eben etwa nichts?“, fragte der Blutbader aufgebracht und deutete mit einer Hand hinter sich auf den Jungen.   „Na schön, dann eben ‚nichts, was er nichts will‘, besser?“ Nach Monroes Reaktion zu urteilen fand er das keinen Deut besser. Er hob die Rechte zur Faust geballt und sah aus, als wolle er den schwarzhaarigen eine verpassen.   Der Einzige, der völlig entspannt und ungerührt blieb von dem ganzen war Stiles. Er saß noch immer neben Scott und grinste leicht. „Ist doch schon gut“, meinte er. „Keine Aufregung, Leute.“   „Nichts ist gut“, fauchte ihn Rosalee an. „Wieso bricht er einfach dem Jungen den Arm? Und du guckst auch noch seelenruhig dabei zu.“   „Weil er es wollte?“, antwortete Derek, deutete auf Scott, der zustimmend nickte und zog fragend eine Braue hoch.   „Wirklich kein Grund zur Panik, Leute, alles ok“, meinte Scott mit ruhiger Stimme. Er zog Rosalee seinen Arm aus den Händen und bewegte ihn leicht.   „Nicht! Sonst verschiebt sich was. Monroe, wir müssen ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Das muss geröntgt werden…“   „Muss es nicht“, antwortete Scott. Seine Stimme war bereits wieder kräftiger. Er richtete sich auf und man konnte zusehen, wie die Farbe in sein Gesicht zurückkehrte. Er schwang die Beine über den Rand der Pritsche und setzte sich ordentlich hin. Sofort setzte sich Stiles neben ihn und drapierte die Decke um ihn, dass der Oberkörper bedeckt war.   „Aber…“ Rosalee riss die Augen auf und starrte Monroe an. „Was… der Arm war eben noch gebrochen. Ich konnte es fühlen…“   „Jetzt ist er es nicht mehr. Gott, wie ich das hasse“, murmelte Scott. Er bewegte die Finger und drehte den Arm ein wenig.   „Aber so geht’s am schnellsten, das weißt du doch.“ Derek verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.   „Deshalb muss es mir ja nicht gefallen, oder?“   „Hey, ich hab mich auch nicht beschwert, als ihr das im Kerker bei mir machen musstet, oder?“   „Ihr…“, Rosalee deutete entgeistert mit dem Finger von einem zum Anderen. „Ihr… macht das öfters?“   „Klar“, warf Stiles gut gelaunt ein. Er ließ sich nach hinten sinken und stützte sich rücklings auf die Ellenbogen.   „Einmal!“, betonte Derek und hob zur Verdeutlichung den Zeigefinger. „Das war das erste Mal bei dir!“   Monroe kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. „Einmal reicht doch wohl. Was sind Sie denn für einer? Hieß es nicht, Sie seien der Lehrer der beiden?“   „In mehrfacher Hinsicht“, warf Stiles grinsend ein und bekam dafür eine Kopfnuss von Scott verpasst.   „Eine Verletzung triggert die Heilung und ein gebrochener Knochen ist wenigstens keine so blutige Angelegenheit, wie wenn ich ihn irgendwo meine Krallen rein jage, oder nicht?“   „Absolut“, stimmten Scott und Stiles zu.   „Und auch weniger auffällig, nicht wahr?“   Alle drehten sich zur Tür um. Im Eifer des Gefechts hatte keiner mitbekommen, dass jemand den Laden betreten hatte. Nick Burkhardt, seines Zeichens der Grimm von Portland stand dort, lehnte sich mit vor der Brust gekreuzten Armen an den Türrahmen und betrachtete die Szenerie vor ihm. Hank stand neben ihm und schüttelte nur mit dem Kopf. „Wir haben euch was mitgebracht“, sagte er und trat einen Schritt beiseite.   Kaum dass er aus dem Weg war, stürmten auch schon drei Mädchen in den Raum.   Kira fiel Scott um den Hals. Die Decke rutschte ihm dabei von den Schultern, aber keiner von beiden achtete darauf. Sie waren viel zu beschäftigt damit, sich zu küssen. „Ich hatte solche Angst um dich“, flüsterte sie zwischen den Küssen.   „Hey, du kennst mich doch. Unkraut vergeht nicht“, neckte er das Mädchen und umarmte sie fest.   Stiles wurde von Malia umgeworfen, die ihn ebenfalls mit Küssen bedeckte. Dann knurrte sie leise. „Wenn du noch mal ohne mich wegfährst, ich schwöre dir, ich…“ Aber weiter kam sie nicht, da Stiles ihren Kopf in seine Hände nahm, sie zu sich heran zog und ihren Mund anderweitig beschäftigte.   Nur Lydia hielt sich etwas mehr zurück. Sie stolzierte gemessenen Schrittes auf Derek zu und schob Monroe beiseite. Sie stieß dem Werwolf mit dem Finger in die Brust. „Siehst du? Ich hab doch gleich gesagt, ihr braucht mich.“ Sie sah müde und erschöpft, aber auch sehr zufrieden aus.   Derek lächelte. Ein sehr seltenes echtes Lächeln, das auch seine Augen erreichte. „Du hast mir auch gefehlt, Beauty Queen.“ Er strich ihr eine Strähne ihres erdbeerblondes Haares aus dem Gesicht und steckte sie ihr hinters Ohr. Lydia warf sich ihm an die Brust und er schloss die Arme um sie, die Wange an ihren Kopf gelehnt.     Schließlich ebbte die Wiedersehensfreude etwas ab und die Mädchen brachten sich mit roten Wangen in unverfänglichere Positionen.   Die Erwachsenen hatten sich zwischenzeitlich in den Ladenbereich zurückgezogen und sich leise miteinander unterhalten.   „Detectives?“, fragte Scott schließlich laut genug, dass ihn die anderen hören konnten. Sie unterbrachen ihr Gespräch und kamen wieder zurück ins Nebenzimmer.   „Wie geht’s dir, Scott?“, fragte ein besorgt dreinblickender Nick.   „Wesentlich besser, danke.“   „So siehst du auch aus“, meinte Hank. Er griff hinter sich und brachte zwei Sporttaschen zum Vorschein. „Ich nehme an das sind eure?“   Begeistert sprangen Scott und Stiles auf, um dem Detective die Taschen aus den Händen zu reißen.   „Scheint so“, meinte Nick und grinste verschmitzt. Er sah zu, wie Scott aus seiner Tasche Wechselkleidung hervorholte und sich erst mal ein Hemd überzog.   „Wo haben Sie die denn gefunden?“, fragte Derek interessiert.   Hank zuckte mit den Schultern. „In einer Abstellkammer der Arena. Zusammen mit allerhand anderen Sachen, die sie vermutlich weiteren Opfern abgenommen hatten.“   „Eure Sportsachen haben wir übrigens auch gefunden. Die Sachen sind jetzt auf dem Revier, aber wir dachten uns, ihr würdet euch vielleicht lieber umziehen, bevor wir euch hinfahren.“ Er deutete auf die Lederkluft, die alle drei noch trugen.   Ein enttäuschtes „ohh...“ von Malia sorgte für hochgezogene Brauen.   „Was?“, fragte Stiles, der gerade seine Jeans aus der Tasche genommen hatte.   „Ich find es nur schade, dass ihr euch umziehen sollt. Die Sachen stehen euch.“ Sie knurrte wieder leise und ihre Augen strahlten dabei.   Stiles bekam einen roten Kopf. Er warf den Detectives einen Seitenblick zu. „Ich glaub nicht, dass wir die Sachen behalten dürfen, Malia…“   „Leider nein“, bestätigte Nick und zauberte mehrere große Beweismittelbeutel hervor.   Derek machte große Augen. „Und was soll ich anziehen? Meine Sachen sind alle im Quartier.“   Lydia stupste ihn lächelnd auf die Nase. „Glück für dich, dass wir auf dem Weg hierher zuerst dort vorbei sind und dir was mitgebracht haben.“ Kira nahm den Rucksack, der neben der Pritsche zu Boden gesunken war und warf ihn dem Beta zu. Der öffnete ihn und schaute hinein. „Meine Jacke!“, rief er freudestrahlend.   Alle lachten auf. *** Während die Jungs sich im Hinterzimmer umzogen, hatte Rosalee in der Zwischenzeit eine Kanne Tee für alle aufgebrüht. Nick lehnte dankend ab. Er bevorzugte doch eher einen Becher gefüllt mit guten dampfenden schwarzen Kaffee. Sein Partner nahm dagegen den Becher gerne an und nippte an der heißen Flüssigkeit. Auf der Ladentheke stand ein Karton mit frischen Donuts bereit, den die Detectives auf dem Weg zum Laden besorgt hatten. Das ersetzte zwar kein vollwertiges Frühstück, würde aber den schlimmsten Hunger dämpfen. Immerhin war es schon einige Stunden her, dass die Männer entführt worden waren und dieser Derek und Stiles hatten dem verletzten Jungen nicht von der Seite weichen wollen. Daher hatten alle drei schon seit bald einem Tag nichts mehr gegessen.  „Hmm, Voodoo-Donuts“, schwärmte Monroe und wollte schon in den Karton greifen, bekam dafür aber von seiner Verlobten einen Klaps auf die Hand.   „Finger weg, die sind für die Jungs, nicht für dich. Du hattest heute schließlich schon Frühstück.“   „Aber keines mit dir zusammen“, maulte er.   Nick und Hank sahen sich an und seufzten.     Fünf Minuten später waren die Jungs wieder repräsentabel und traten aus dem Nebenzimmer in den eigentlichen Ladenbereich.   Stiles hatte die Tüten mit den Klamotten in der Hand und hielt sie Hank hin. „Bitte schön. Ich glaub aber nicht, dass Ihnen die Sachen passen werden.“ Malia knuffte ihn auf den Arm. „Autsch“, sagte er vorwurfsvoll und rieb sich über die Stelle.   „Lass den Mann in Frieden“, wies sie ihn zurecht. „Immerhin haben er und seine Kollegen euch gefunden und befreit.“   „Worüber wir auch sehr froh und dankbar sind“, sagte Scott und legte den Arm um Kira.   „Apropos, wie haben Sie uns eigentlich gefunden?“, fragte Stiles neugierig.   „War gar nicht so einfach. Die hatten ihre Spuren ziemlich gut verwischt“, antwortete Nick.   „Über die besondere Sandmischung in der Arena kamen wir auf einen entsprechenden Hersteller. Der lieferte in mehreren kleineren Chargen an verschiedene Zwischenhändler und Lager. Von dort wurde der Sand wieder von anderen Firmen abgeholt und transportiert und wieder in Zwischenlagern deponiert“, erklärte Hank. „Bis es schließlich auf der Baustelle der Arena ankam.“   „Weitere Nachforschungen ergaben dann eine Beteiligung von Albright über Strohfirmen an dem Bau und dem Erwerb des Grundstückes“, ergänzte der Grimm. „Zudem… gab es gewisse… Hinweise.“   „Tipps aus der Bevölkerung sozusagen.“   Derek hob eine Braue. „Vertrauliche Quellen bei Wesen-Angelegenheiten?“   „Kein Kommentar“, grinste Nick und verschränkte die Arme vor der Brust.   „Wie auch immer Sie uns gefunden haben, wir verdanken Ihnen unsere Freiheit“, kommentierte Scott und lächelte.   „Und euer Leben“, warf Monroe ein.   Hank schnaubte amüsiert. „Das vielleicht weniger. Die drei haben sich ziemlich gut geschlagen.“   „Das stimmt, Monroe. Die haben einen Taurus Armenta flachgelegt.“ Die Augen des Grimms blitzten auf. „Und bei den Heilkräften… hättet ihr wohl schon eine Weile dort durchgehalten.“   „So lange niemand Wolfsbane einsetzt“, merkte Lydia an. Sie stellte sich zu Derek und lehnte sich seitlich an ihn. Er hob seinen Arm und legte ihn ihr um die Schultern, worauf sie ihrerseits die Arme um seine Körpermitte legte.   „Was mich darauf bringt, es gibt ja immer noch eine ungeklärte Frage“, sagte Monroe und warf Scott einen interessierten Blick zu. „Was für eine Art Wesen seid ihr nun eigentlich?“   „‘Zeig mir deins, dann zeig ich dir meins‘“, antwortete er und legte den Kopf schräg.   Verblüfft sahen Rosalee und Monroe sich an. Nach einigen Sekunden schien der Blick der Frau zu sagen ‚Warum nicht?‘.   „Scott…“, warf Derek leise ein. Er schüttelte leicht mit dem Kopf. „Ich weiß nicht, ob…“ Doch sein Alpha wollte nichts davon hören und schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.   „Sie haben uns geholfen, Derek. Sie haben uns und die anderen Gefangenen befreit und ohne Rosalee... Wenn sie uns hätten schaden wollen, dann hätten sie das längst getan.“   Derek senkte den Kopf ein wenig, aber seine Augen wanderten zu Stiles, der ähnlich skeptisch dreinblickte und betretendes Schweigen füllte den Raum.   „Sie sind ein Grimm, nicht wahr?“, fragte Derek den jüngeren Detective schließlich und beobachtete ihn aufmerksam.   „Ja, aber wie ich gestern schon Lydia gesagt habe, ich bin kein… kein Jäger. Ich bin Polizist mit einem… etwas erweiterten Zuständigkeitsbereich.“   „Stark erweitert“, stimmte Monroe zu.   Scott nickte. „Verstehe. Und Sie können ‚Wesen‘ sehen?“   „Ja, wenn sie eine ‚Aufwallung‘ haben schon.“ Er legte den Kopf schief. „Bei Ihnen dreien habe ich bislang keine sehen können…“   „Das liegt daran, dass wir keine habe, Detective. Ich kann mich nur wiederholen, wir sind keine ‚Wesen‘. Jedenfalls nicht so, wie Sie sie kennen.“   „Lydia sagte Sie seien Wölfe.“   Scott nickte. „Da hat sie Recht.“   Abschätzend betrachtete der Grimm ihn und seine Betas. „Scott ist der Alpha? Der Anführer ihres… Rudels?“   „Ja“, antworteten Stiles, Derek und die Mädchen gleichzeitig.   „Sie sind doch älter, Derek. Wäre das nicht eher Ihr Job?“, fragte Hank.   „So einfach ist das nicht, Detective. Ich war es mal, aber ich…“   „Es… ergab sich, dass er diese Position wieder abgab“, sagte Lydia und malte kleine Kreise auf die Brust des Mannes. „Macht ist eben nicht für jeden das Richtige.“ Sie sah ihn an und lächelte stolz.   „Jupp, und bei der jüngeren ‚Erfolgsgeschichte‘ der Hales ist es wahrscheinlich auch besser, wenn jemand anderes die Zügel in der Hand hält.“ Stiles klopfte ihm jovial auf den Oberarm.   „Wenn dir deine Hand lieb ist nimm sie weg“, knurrte der ältere als Antwort.   „Fängst du schon wieder an? Hast du dich in der Arena nicht genug austoben können?“   „Es ist Vollmond, da hab ich viel überschüssige Energie. Komm nur, wenn du dich traust…“   „Und ich bin noch jung und kann mich bei Vollmond eh kaum beherrschen, wie du weißt. Willst du dich jetzt wirklich mit mir anlegen?“   Scott seufzte und massierte sich die Nasenwurzel. „Hört auf.“   „Geht das öfters so bei Ihnen zu?“, fragte Nick neugierig.   „Sie haben ja keine Ahnung, Detective“, stöhnte Scott. „Also gut, wenn Sie schwören, dass Sie uns nicht gleich eine Silberkugel in den Kopf jagen, zeigen wir Ihnen, was wir sind.“   „Silberkugeln sind nicht mein Stil“, antwortete Nick lapidar und grinste.   „Ich bin nur ein einfacher Polizist und Kehrseite. Ich hab mit dem Ganzen ohnehin eigentlich nichts zu tun“, antwortete Hank und nahm abwehrend die Hände hoch.   „Und wir sitzen selber im Glashaus und werden sicher nicht mit Steinen werfen“, meinte Rosalee. Monroe nickte nur zustimmend.   „Nach dem das geklärt ist, wer fängt an?“   „Ich“, sagte Rosalee. Sie trat einen Schritt vor. „Ok, also das…“, ein kleiner Schauer durchlief ihren Körper und plötzlich erschienen auf allen sichtbaren Hautflächen weißes und rotbraunes Fell, „…ist eine ,Aufwallung‘.“ Unter den Haaren lugten frech kleine Fuchsohren hervor und ihre Augen wurden gelb. „Und das“, sie zeigte mit dem Finger auf sich und grinste, „ist ein ‚Fuchsbau‘“, stellte sie fest. Sie drehte sich einmal vor den erstaunten Augen der Beacon Hills-Leute. Dann schüttelte sie kurz den Kopf und sah wieder normal aus.   „Hübsch“, sagte Kira und lächelte. „Ich bin zwar auch ein Fuchs, aber das kann ich nicht.“   „Du bist kein Fuchs, sondern ein Kitsune, Herzchen“, kommentierte Lydia. Sie sah Rosalee an. „Ich bin sicher, dafür kann sie keine Blitze erzeugen, oder?“   Die Fuchsbau machte große Augen. „Nicht dass ich wüsste…“   „Wozu auch?“, fragte Monroe. Er schien etwas beleidigt zu sein, dass jemand die Fähigkeiten seiner Verlobten in Frage stellte. „Ok, dann bin ich jetzt dran. Ich bin ein Blutbader.“ Die Werwölfe horchten auf. Endlich würden sie das Wesen zu sehen bekommen, mit dem man sie die ganze Zeit verwechselt hatte.   Die Aufwallung von Monroe machte den Jungs dann auch klar, wieso. Ein Blutbader war nichts anderes, als ein Wolf! Leuchtend rote Augen, eine hervortretende Stirn, spitze Ohren und scharfe Zähne.   „Oh“, seufzte das Rudel kollektiv.   „Also das erklärt einiges“, meinte Derek.   Nick wurde hellhörig. „Inwiefern?“   „Insofern“, antwortete Scott und ließ seine eigenen Augen rot aufleuchten. Dann fuhr er die Krallen aus und shiftete vor den erstaunten Augen des Grimm. Rechts und links von ihm taten Stiles, Derek und Malia es ihm gleich.   „Blaue Augen?“, war das einzige, was der Grimm dazu sagte.   „Lange Geschichte“, meinte Derek. Alle vier shifteten wieder zurück.   „Silber Kugeln?“, fragte Hank und zog die Stirn kraus. „Ernsthaft? Heißt dass, ihr seid Werwölfe?“   „Ich bin Werkojote“, stellte Malia klar. „Aber die Männer schon, ja.“   Einen Moment lang starrten sich alle stumm an. Dann warf Nick einen fragenden Blick in Richtung Lydia. „OK, und was ist mit dir?“   Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe weder eine Aufwallung, noch eine andere Gestalt, Mr. Grimm. Ich habe nur ein ‚zweites Gesicht‘.“   Im ersten Moment sah sie Verwirrung in den Stahlblauen Augen, dann dämmerte in ihm eine Erkenntnis. „Du siehst Dinge, die andere nicht sehen können…“   „So ist es.“   Er deutete auf Lydias Begleiter. „Kannst du die andere Gestalt deiner Freunde auch sehen, wenn sie sonst keiner sieht?“   Lydia schüttelte den Kopf. „Nein, so etwas Einfaches ist das nicht.“   „Einfach?“, fragte Nick ungläubig. Niemand hatte bisher seine Grimm-Sicht als ‚einfach‘ bezeichnet. „Ok, ich höre?“   Lydia räusperte sich und wandte den Blick ab. „Ich kann fühlen wenn jemand stirbt. Ich höre die Stimmen der Geister und werde von ihnen zu Orten geführt, an denen schreckliches passiert ist oder passieren wird.“ Derek zog sie näher an sich heran. Er streichelte ihr sanft über die Haare und gab ihr einen zarten Kuss auf die Stirn.   „Es ist nicht deine Schuld Lyds.“   „Ich weiß“, antwortete sie leise und seufzte. Sie hob wieder den Blick und sah dem Grimm fest in die Augen. „Mit anderen Worten, ich bin eine Banshee.“   Rosalee und Monroe rissen die Augen auf und sahen Nick an. „Eine vom ‚Volk aus den Hügeln‘.“ Der Blutbader schien beeindruckt.   „Werwölfe also“, murmelte Nick leise vor sich hin.   „Richtig“, antwortete Scott.   „Das erklärt das feine Gehör, den Geruchssinn und die Stärke“, stellte er fest.   „Und auch die Alpha-Beta-Sache, wenn die sechs ein Rudel sind“, ergänzte Monroe.   Nach einem Moment des Schweigens zuckte der Grimm schließlich mit den Schultern. „Hätte nicht gedacht, dass es die wirklich gibt. Aber bei all den Wesen hier in der Stadt, da fällt ein Werwolf auch nicht mehr weiter aus dem Rahmen, als der Rest.“ Er ging die zwei Schritte auf Scott zu und hielt ihm die Hand hin. „Na dann, Willkommen in Portland, der Stadt wo das seltsame zu Hause ist.“   Scott grinste und schüttelte ihm die Hand.   „Können wir jetzt aufs Revier und das endlich mit den Aussagen erledigen?“, meldete sich Stiles zu Wort. „Wir müssen schließlich noch einen Bus erwischen heute, oder?“ Kapitel 15: Abschiede --------------------- „Schade, dass wir ihm nicht den Mord an unserem Opfer zur Last legen können.“ Nick blickte zutiefst unzufrieden drein. Sein finsterer Gesichtsausdruck war der Berufung seiner Vorfahren mehr als würdig.   „Mord dritten Grades ist vermutlich das maximale, was wir machen könnten, Detective. Wir haben bislang einfach keine Beweise, die Albright direkt oder indirekt mit dem Tod in Verbindung bringen. Und wenn wir Beweise finden, dann würden wir höchstens eine der anderen armen verschleppten Seelen ins Gefängnis bringen, die nichts dafür konnten“, warf Renard ein.   „Das ist immer ein Problem, wenn es um Fälle mit Wesen-Beteiligung geht“, meinte Hank und rieb sich das Kinn. „Er wird auch ohne diesen Mord sobald keine Sonne mehr sehen.“   „Ja“, bestätigte Nick widerwillig. Es gab genug weitere Anklagepunkte, für die sie Beweise hatten. „Aber trotzdem. Ich kann es nicht leiden, wenn wir genau wissen, wer dahinter steckt, den Mord aber nicht vor Gericht bringen können. Die Opfer haben Besseres verdient.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und verfolgte mit finsterem Blick durch den Beobachtungsspiegel, wie der Coach im Verhörzimmer nebenan feixte und sich genüsslich ausstreckte. Nick hatte ihn jetzt schon wiederholt vernommen, aber nicht mal sein Grimm-Blick konnte den Mann soweit aus der Fassung bringen, dass er seine Fassade gelockert hätte. Es gab keine definitiven Beweise gegen ihn, dass er unmittelbar an dem Tod von Frank Porterfield beteiligt war. Und Albright wusste das. Solche Menschen (und Wesen) machten den Detective krank…   „Ich verstehe Sie ja Nick, aber ohne ein Geständnis werden wir vor Gericht nichts erreichen, fürchte ich.“   „Willst du vielleicht etwas ‚GRIMM-Zeit‘ mit ihm?“, fragte Hank und zog eine Braue hoch.   „Nein“, Nick schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Wir machen das ordentlich. Ich bin nicht wie meine Vorfahren. Er hätte es verdient, aber noch mehr haben die Opfer Gerechtigkeit verdient. Und die bekommen sie nicht, in dem man einfach einem Mann ohne Verfahren einen Kopf kürzer macht…“   „Sie glauben gar nicht, wie gerne ich das höre“, meinte der Captain und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter.   „Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mich macht es nervös, wie locker der Mann da sitzt“, sagte Hank und zog die Stirn in Falten. „Der tut, als würde ihn kein Wässerchen trügen…“ Er drehte sich um und sah den Captain fragend an. „Glaubt der wirklich, er kommt bei dieser Sache ungeschoren davon?“   Der Royal beobachtete den Löwen einen Moment, bevor er antwortete. „Er hat die Hauptschuld dem Sponsor zugeschoben. Und er selber war ja scheinbar persönlich in keine der Entführungen und Kämpfe unmittelbar verwickelt“, gab der Captain zu bedenken.   Det. Griffin schüttelte nur genervt dem Kopf. Hinter ihm ging die Tür zum Beobachtungsraum auf und Sgt. Wu betrat den Raum. „Ich wünschte nur, wir könnten ihm irgendwas nachweisen.“   „Ich denke ich kann euch den Wunsch erfüllen“, meinte Wu und reichte Renard eine Mappe. „Die Analyse der Axt ist da. Es ist eindeutig nicht die Waffe, mit der dem Opfer der Kopf abgetrennt wurde.“   „Das hatten wir uns schon gedacht“, antwortete Hank. „Und wie bringt uns das bei Albright weiter?“   „Geduld, nicht immer gleich so hetzten. Also, es handelt sich bei der Axt wie gesagt weder um die eigentliche Mordwaffe, noch um die, mit der das Opfer geköpft wurde. Aber“, fuhr er fort und betonte das Wort überdeutlich, „eine Durchsuchung der Geschäftsräume dieses… Etablissements förderte diverse andere Waffen zu Tage. Und auf einer davon“, er zog ein Foto aus der Mappe hervor, das ein altmodisches bronzefarbenes Kurzschwert zeigte, „waren Spuren vom Blut des Opfers zu finden. Die Legierung passt laut Labor auch zu den Metallsplittern an der Leiche. Und als Sahnehäubchen, die Analyse der Fingerabdrücke am Griff ergab einen Treffer.“ Er wies mit dem Finger durch die Scheibe auf den Mann, der dort saß. „Und zwar diesen!“   Die Detectives sahen sich erfreut an.   „Und jetzt kommt das Beste. Bei der Überprüfung der anderen Waffen wurden auch Verbindungen zu ähnlichen Fällen von Entführung und Freiheitsberaubung mit Todesfolge in mindestens drei Fällen vom System gemeldet. Gefällt euch das besser?“   In Nicks Augen glitzerte es gefährlich. „Absolut!“   „Außerdem sind die Ergebnisse für die Blutspuren im Sand da.“   „Und?“, fragte Hank. „Spann uns nicht auf die Folter.“   „Ich hab keine Ahnung, was die da getrieben haben, aber laut DNA-Analyse wurde Blut von mindestens 20 Personen gefunden. Unter anderem auch die unseres kopflosen Reiters.“   „Konnten die anderen Spuren schon weiteren Opfern zugeordnet werden?“, fragte Nick und warf seitlich über Renards Schulter einen Blick in den Bericht.   Der blätterte durch die Seiten. „Fünf davon ja plus unser Mr. Porterfield. Alles ehemalige Militärangehörige. Die anderen werden jetzt durch die FBI-Datenbank gejagt. Aber wenn sie keiner als vermisst gemeldet hat…“   Der Grimm verzog das Gesicht. „Wenn man unser Opfer als Orientierung nimmt, dann haben die von vorne herein großen Wert darauf gelegt, dass sie keine Spuren hinterlassen, denen man folgen kann. Also keine Familie, keine Arbeit, kein fester Wohnsitz.“   „Ganz meine Meinung“, stimmte Hank zu.   „Was natürlich die Frage aufwirft, warum sie dieses Mal so schlampig vorgegangen sind“, bemerkte Wu.   „Laut Aussagen der Lacrosse-Jungs sollte die Leiche nur als Köder dienen. Vermutlich hatten sie gar nicht vorgehabt die Leiche dort wirklich liegen zu lassen.“ Der Captain schlug die Mappe zu und reichte sie an Nick weiter. „War‘s das, Sergeant?“   „Nein, Captain. Jetzt hab ich leider noch eine schlechte Nachricht– sein Anwalt ist endlich hier.“   ***   Mittlerweile war es später Nachmittag und draußen bereits dunkel (immerhin war es Anfang Dezember). Am schwierigsten war es gewesen, eine unverfängliche Version der Wahrheit zu Papier zu bringen. Die Beteiligung von Wesen sollte um jeden Preis aus den Akten rausgehalten werden. Und genauso wenig hatten die Werwölfe ein Interesse daran, dass mehr als nötig über sie und ihre Fähigkeiten drin standen. Daher hatte die Aufnahme ihrer Aussagen doch etwas länger gedauert.   Anschließend brachte Nick die Jungs aus Beacon Hills persönlich zu ihrem Hostel, damit sie ihren Bus für die Rückfahrt erwischen konnten. Ihre Sportausrüstung mit Ausnahme der Kleidung, die sie bei der Entführung getragen hatten, steckte in ihren Taschen im Kofferraum des schwarzen Dienst-SUVs. Und vermutlich würden sie die Sachen auch nicht wiedersehen, hatte man sie informiert…   Aber das war ein kleiner Preis dafür, dass Albright, der Sponsor und alle an der Arena Beteiligten vor Gericht kamen.     Während sie auf dem Revier waren hatten sich die Mädchen in dem Zimmer der drei von der langen Fahrt ausgeruht. Sie warteten nun ungeduldig im Foyer auf die Rückkehr der Männer. Sobald sie den schwarzen Wagen anhalten sahen, gingen sie nach draußen und warteten mit den Taschen der Jungs auf dem Gehsteig.   Als die Männer ausstiegen, waren die Mitschüler bereits dabei den Bus zu beladen. Malia hatte ‚die Tasche‘ bei sich stehen und deutete darauf. „Was habt ihr denn hiermit veranstalten wollen?“   Stiles rollte mit den Augen. „Vollmond?“, sagte er bloß. Er schnappte sich die Tasche und lief schnell auf die andere Straßenseite zum Bus, um sie in den Gepäckraum zu stellen. Scott und Derek luden in der Zwischenzeit ihre Sportsachen aus dem SUV aus.   „Oh, schaut mal, wer da kommt“, rief Kira überrascht aus und deutete auf einen alten klassischen hellgelben VW-Käfer, der ein Stück entfernt geparkt hatte und aus dem gerade Rosalee und Monroe ausstiegen. Sie winkte den beiden zu und die Fuchsbau winkte zurück.   „Nanu“, fragte Nick erstaunt. „Was macht ihr zwei denn hier?“   „Rosalee wollte sich gerne verabschieden“, antwortete Monroe und beäugte Derek misstrauisch. Er hatte ihm scheinbar noch immer nicht die Armbrech-Aktion verziehen.   „Und du wolltest sichergehen, dass sie auch weg sind“, gab Rosalee amüsiert zurück.   „Also ich…“   Doch seine Verlobte scherte sich nicht weiter darum, was der Blutbader nun eigentlich wollte oder nicht. Sie ging auf Kira zu und umarmte sie. Das gleiche machte sie mit Lydia und Malia. Die Jungs brachten in der Zwischenzeit das restliche Gepäck zum Bus.   Dummerweise hatte der Coach sie bemerkt und kam energischen Schrittes auf sie zu.   „Oh-oh…“, machte Stiles. „Jetzt kommt’s…“   Finstock baute sich vor den Jungs auf und betrachtete sie mit halb zusammengekniffenen Augen. Scott erwartete schon ein Donnerwetter, aber dann tat der Coach etwas sehr unerwartetes. Er umarmte ihn und Stiles und klopfte Derek auf die Schulter. Er schnaubte und schien nach Worten zu suchen. Er fand aber scheinbar kein Zitat aus ‚Independence Day‘, dass zu dieser Situation passte, also presste er nur die Lippen zusammen und blickte ‚seine Jungs‘ voller stolz an. Dann bemerkte er den Detective und seine Stimmung schlug um. Die Brauen des Mannes zogen sich finster zusammen und er warf sich in die Brust.   „Sind Sie vom Portland P.D.?“, fragte er.   Nick schlug seine Jacke etwas zurück, so dass sein goldener Badge am Gürtel sichtbar wurde. "Ja, das bin ich."   „Haben Sie meine Jungs da rausgehauen?“   Nick zog die Braue fragend hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jawohl, Sir.“   Der Coach schnaubte noch ein zwei Mal und streckte dann dem Detective die Hand hin. „Dann ist es mir eine besondere Ehre Sie persönlich zu treffen.“   Überrascht und überrumpelt nahm Nick die Hand und schüttelte sie. Mit großen Augen verfolgten alle den nun scheinbar folgenden Wettstreit darüber, welcher von beiden den festeren Händedruck hatten. Da der Coach als erster losließ, musste Nick wohl gewonnen haben. Finstock streckte die Finger ein wenig. „Guter Mann, guter Händedruck.“ Er nickte beifällig. Dann wandte er sich wieder Derek zu. „Hale, wir fahren in Fünf Minuten ab. Schaffen sie meine Jungs in den Bus. Und lassen Sie sich nicht schon wieder von jemanden vom Weg abbringen.“ Damit stapfte er davon.   Verwundert sahen ihm alle hinterher.   „Ich hab mich nicht vom Weg abbringen lassen“, knurrte Derek. „Wir wurden entführt, du blöder…“ Am liebsten hätte er wohl geschrien, aber Lydia legte ihm einen Finger auf den Mund.   „Lass es, das bringt doch nichts.“ Sie gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange und holte dann aus ihrer Handtasche eine CD-Hülle mit einer silbernen Scheide darin, die sie Nick in die Hand drückte.   „Da wir scheinbar auf derselben Seite stehen…“, lächelte sie. „Eine Kopie des Bestiariums. Wird vielleicht noch nützlich für Sie sein. Ich habe die meisten Texte übersetzt. Wenn Sie etwas davon nicht verstehen rufen Sie mich einfach an. Meine Nummer haben Sie ja.“   Monroe klopfte Nick von hinten auf die Schulter. „Ein digitales Journal… nicht schlecht, solltest du mit deinen Büchern vielleicht auch mal machen. Würde die Suche zukünftig beschleunigen.“   Der Grimm sah ihn finster an. „Willst du das vielleicht übernehmen?“   „Gott bewahre, da wäre ich ja über ein Jahr mit beschäftigt…“   „Und ich vielleicht nicht?“ Wieder an Lydia gewandt nickte er und lächelte schief. „Danke Ms. Martin. Ich weiß das zu schätzen.“   „Gerne doch Mr. Grimm.“ Dann sah sie Kira und Malia an, die noch mir Rosalee zusammengestanden und sich unterhalten hatten. „Mädels, verabschiedet euch, ich will auch gleich los.“ Damit schob sie ihre Handtasche auf die Schulter hoch und marschierte in Richtung ihres blauen Flitzers. Die anderen beiden beeilten sich ihr zu folgen.     „Tja“, meinte Stiles, der ihnen hinterher blickte, als sie einstiegen. „Außer Spesen nix gewesen…“   „Würde ich nicht unbedingt sagen“, meinte Scott und grinste breit. „Sieh es doch mal so rum, Stiles: du hast wenigstens eine Antwort auf deine Frage bekommen.“   „Und welche Frage war das?“, wollte Derek wissen.   Stiles blickte zuerst verwirrt drein, doch dann dämmerte es ihm. Er lachte. „Das wird meinen Dad aber gar nicht freuen…“   Scott zuckte mit den Schultern. „Aber dann ist er wenigstens vorgewarnt und versucht es erst gar nicht.“   „Wovon redet ihr zwei?“, fragte Derek und klang langsam genervt.   Der Alpha grinste. „Am Abend, an dem der Sheriff die Einverständniserklärung unterschrieben hat, kam die Frage auf, ob eigentlich eine Gefängniszelle uns ernsthaft halten kann und ich meinte ‚vermutlich nicht‘.“   Der ältere lachte auf. „Ich denke, das haben wir bewiesen.“ Er klopfte den beiden Teenagern auf die Schulter. „Na los kommt, der Bus wartet auf uns.“   „Kann ich nicht lieber bei Lydia mitfahren?“, maulte Stiles.   „Nein“, stellte Derek fest.   „Gute Fahrt und kommt gesund an“, wünschte Rosalee noch.   Stiles lachte leise. „Das liegt wohl nicht in unserer Hand. Hey“, beschwerte er sich sofort bei Derek, der ihm eben einen Kopfnuss verpasst hatte. „Wofür war der denn jetzt?“   „Für dein Schwarzsehen. Ich will so was nicht mehr hören, bis wir in Beacon Hills sind.“ Er packte ihm am Kragen, um ihn hinterher zu schleifen. Er winkte den Portländern zum Abschied noch kurz zu und zerrte dann einen protestierenden Stiles zum Bus.   „Ich weiß nicht was du hast. So lange Lydia nicht schreien muss ist doch alles ok…“   Scott schüttelte den Kopf und drehte sich noch einmal zu Rosalee, Monroe und Nick um. „Vielen Dank noch mal euch allen für die Hilfe und die Rettung.“   Rosalee ging auf ihn zu, umarmte ihn und gab ihm zu Monroes Entsetzen einen Kuss auf die Wange. „Das ist mein Job zu Helfen. Aber gern geschehen, Scott.“   „Genau wie bei mir, aber ihr hättet es wahrscheinlich auch ohne mein Eingreifen geschafft.“ Nick streckte ihm die Hand hin und der Alpha ergriff und schüttelte sie.   „Das wage ich mal zu bezweifeln“, meinte Scott augenzwinkernd.   „Wer weiß“, meinte Nick und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Wir bleiben in Kontakt?“, fragte er.   „Natürlich“, bestätigte Scott. „Ich will doch wissen wie die Sache vor Gericht ausgeht.“   Der Detektive, der auch ein Grimm war nickte knapp. „Ich auch. Ihr werdet eh noch vor Gericht aussagen müssen, aber das kann dauern, bis es wirklich zum Prozess kommt.“ Er winkte einmal kurz mit der CD-Hülle. „Und sag Lydia auch noch mal Danke für das Bestiarium. Die Frau hat interessante Sachen drauf. Ihr könnt euch wirklich glücklich schätzen, sie zu haben.“   „Das tun wir“, stimmte der Alpha mit ernster Stimme zu. „Das tun wir.“   Der Bus hupte kurz und Scott blickte über seine Schulter nach hinten.   Monroe hüstelte. „Du musst auch los.“   „Ich weiß“, antwortete Scott. Einen Augenblick lang sah er dem Blutbader prüfend in die Augen. Dann leuchten seine eigenen tiefrot auf und er hielt dem Mann ebenfalls die Hand hin. Der Uhrmacher zögerte erst einen Moment, dann leuchteten auch seine Augen und er ergriff die Hand des Werwolfes.   „War schön euch kennenzulernen“, sagte er und lächelte schließlich doch noch. Das mochte aber daran gelegen haben, dass Rosalee ihm eben ihre Arme um die Brust gelegt hatte.   Scott lächelte nur zurück und nickte knapp. „Na dann, macht‘s gut alle miteinander. Und Gruß auch an den tapferen… wie nennt ihr das noch mal? ‚Kehr…‘“   „‘Kehrseite‘“, warf Rosalee hilfreich ein. „Werden wir ausrichten.“   Scott nickte allen noch einmal zu und beeilte sich dann über die Straße zum Bus gehen und stieg schließlich ein.     Die Rückfahrt verlief zum Glück für alle ereignislos und die Werwölfe konnten den verpassten Schlaf endlich nachholen.   ***   Eine Woche später kam der Coach mit Derek im Schlepptau vor dem Training in der Umkleide freudestrahlend auf die Spieler zu. Sofort beäugten ihn alle misstrauisch. Voller Begeisterung breitete Finstock die Arme aus, als wolle er das ganze Team auf einmal umarmen. „Jungs, ihr werdet es nicht glauben, die Portländer haben sich gestern bei uns gemeldet.“   Stiles und Scott warfen Derek alarmierte Blicke zu. Doch der wirkte nur genervt.   „Es tut ihnen Leid, wie das Ganze mit Coach Albright gelaufen ist, und sie laden uns für das Frühjahr zu einem kleinen Turnier mit anderen Mannschaften ein. Sie können es kaum abwarten, uns wieder in der Stadt zu haben.“ Die Werwölfe stöhnten.   „Und nun, raus aufs Feld!“ Der Coach blies einmal kräftig in seine Trillerpfeife und die Spieler schnappten sich ihre Stöcke und marschierten los. Die Werwölfe folgten ihnen langsamer.   „Bitte nicht“, murmelte Stiles leise. „Nicht schon wieder Portland…“   „Warum?“, fragte Derek und zwinkerte ihm zu. „Ich dachte du magst die Cheerleader dort.“   Stiles verzog das Gesicht und streckte Derek die Zunge raus. „Aber dann diesmal wenigstens ohne Wolfsbane“, meinte er.   „Hey, den Löwenanteil hab immer noch ich abbekommen“, erinnerte ihn Scott.   „Ja“, grinste Stiles und dachte an Albright. Er klopfte seinem Freund jovial auf den Rücken. „Ja, das hast du wohl…“   *** ENDE *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)