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New Millennium

von

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Prolog

Die Erde, wie sie einst war, der blaue Planet, reich an Ressourcen, reich an Leben, war am Ende. Ausgebeutet durch die Menschheit wurde sie unbewohnbar, die Atmosphären lebensgefährlich für Menschen. Um sie zu schützen und nicht weiter zu zerstören, wurde ein Auswanderungsplan eingeführt und umgesetzt. Die gesamte Menschheit, jeder, völlig gleich welcher Herkunft, welcher Klasse, wurde evakuiert. Das Projekt „New Millennia“ war ein voller Erfolg. Es beinhaltete nicht nur die Auswanderung der Menschheit, sondern auch die Regeneration des Planeten.
 

Über eintausend Jahre vergingen, seit die Menschen in gigantischen Kolonieschiffen die Erde verließen. Und nun, dank hochentwickelter Biotechnik, konnte die einst so sauerstoffhaltige Atmosphäre der Erde wieder rekonstruiert werden, nach so langer Zeit war erstmals wieder Leben auf dem neu ergrünten Planeten möglich. Doch die Menschheit, über die Jahre in zwei Fraktionen verschiedener Ansichten geteilt, begann einen grausamen Krieg. Es war der Kampf um die Erde, denn jede der Parteien wollte den Planeten für sich alleine.
 

Fortschritt. Oder ein Leben im Einklang mit der Natur. Ein Leben bestimmt von Technologie, virtueller Präsenz und Künstlichkeit, oder ein Leben wie einst, ein Leben wie immer, ohne Eingreifen in das, was die Menschen zu einzigartigen Wesen machte. Diese Unstimmigkeiten brachten einen Zwist in die Vereinten Kolonien. Während die einen begannen, das Mensch sein durch Technologie zu verbessern, sowohl Körper und Geist zu perfektionieren, mit Hilfe von Maschinen, zogen die anderen es vor, nicht in Gottes Werk zu pfuschen.
 

Die einen wollten besser sein, mehr sein, ihre Wissenschaft entwickelte unglaubliche Technologien, die aus ihnen Hybriden zwischen Mensch und Maschine machte. Angewidert und verängstigt von dem Ergebnis dieser Forschungen setzte der andere Teil der Menschheit eine Grenze. Die Vereinten Kolonien wurden getrennt. Die Menschen … wurden getrennt.
 

Die Spaltung brachte die Fraktion der Neumenschen und die der Urmenschen hervor. Erstere, welche sich dem Fortschritt zugewandt haben und den menschlichen Körper mit Maschinen verbessern oder sogar ersetzen wollten, und letztere, die an ihrer Menschlichkeit festhielten und überzeugt waren, dass auf der neuen Erde nur Platz für Menschen ist, die zu ihren Wurzeln zurückkehren.
 

Die gespaltenen Kolonien ignorierten sich eine lange Zeit, doch als bekannt wurde, wie es um die Erde stand, verwandelten sie das Weltall in ein Schlachtfeld. Und nur jene Partei, die die andere auslöschen konnte, war dazu auserkoren, die Erde erneut zu besiedeln …

Willkommen auf Heliopolis Alpha

"Wir haben soeben unser Ziel, Heliopolis Alpha, erreicht und beginnen jetzt mit dem Anflug auf das Dock-R11. Bitte vergewissern Sie sich, dass Sie ihr Handgepäck nicht vergessen. Schnallen Sie sich wieder an und bringen Sie in Vorbereitung zur Landung Ihre Rückenlehne wieder in die Senkrechte. Vielen Dank."
 

Die mechanische Stimme surrte durch den Lautsprecher, die Passagiere des Personentransportschiffes führten die Anweisungen sofort durch. Ihr Ziel war Heliopolis Alpha, die Vorzeigekolonie der Urmenschen.
 

Aus den Fenstern des Transporters sah man schon das Kolonieschiff in seinem ganzen Glanz. Es war die größte Kolonie von allen, man nannte sie auch „Das Mutterschiff“. Ausgestattet mit der besten lebenserhaltenden Technologie war Heliopolis fast schon ein eigener, wandernder Planet. Aufgeteilt in drei Kuppeln, die gläsern wirkten, aber durch einen bestimmten Kunststoff, einer komplexen Konstruktion, tausender Schichten und einem energetischen Schild für Schutz sorgten, fasste sie beinahe zehn Millionen Menschen, die hauptsächlich in der mittleren Kuppel in einer gigantischen Metropole lebten. Von weitem sah sie aus wie eine Miniaturstadt in einer Flasche, das dachte sich auch der dunkelhaarige Junge, der vor Aufregung über die Ankunft in seiner neuen Heimat die Finger fest in die Plastiklehnen seines Sitzes krallte. Es war pure Aufregung und die hohen Erwartungen, die er hatte, die sein Herz zum Rasen brachten. Er konnte kaum still sitzen, sein Gesicht zierte ein unbeschreibliches Grinsen, das einerseits Vorfreude, aber auch Unsicherheit ausstrahlte. Sein Ziel war jedoch nicht die mittlere Kuppel. Die war ihm egal. Er wollte auf die nördliche Seite, der Stützpunkt der militärischen Verteidigung von Heliopolis.
 

"Blaire, die Rückenlehne ... Und anschnallen musst du dich auch noch ..." eine zögerliche Stimme riss ihn aus seinen aufregenden Gedanken. Ein rothaariger, bleicher Junge mit deutlicher Nervosität im Gesicht sah den dunkelhaarigen Jungen mit den stechend roten Augen, dessen Namen Blaire war, besorgt an. Cecil war schon lange an Blaires Seite, sie waren ein Team, auch wenn sie so unterschiedlich waren. Der eine, zielstrebig, aufbrausend und arrogant, der andere, schüchtern, zurückhaltend und eine gutmütige Seele. Es war ihnen wohl selbst ein Rätsel, wieso sie so lange gemeinsam waren, sogar diese Reise als Einheit antraten. Aber irgendwie konnte Cecil diesen Jungen nicht alleine ziehen lassen.
 

Erst verdrehte Blaire die Augen, mit einem Schulternzucken dann aber setzte er sich aufrecht hin und schnallte sich an. "Was ist, Cecil? Hast du jetzt schon Bammel, obwohl wir noch nicht einmal gelandet sind? Das ist eine große Möglichkeit, für beide von uns. Na ja, wahrscheinlich werde sowieso nur ich etwas erreichen ... und du bleibst für immer ... du." So klang er immer, selbstsicher mit einem leicht spöttischen Unterton. Sein Partner war das gewöhnt, aber die meisten kamen nicht mit Blaire klar, weshalb er immer ein Einzelgänger war. Es war kein Geheimnis, das er eine schwierige Persönlichkeit hatte.
 

Noch bevor Cecil etwas erwidern konnte, landete das Schiff mit einem Ruck im Hangar R-11, am nördlichen Eingang zur mittleren Kuppeln. Von hier aus würde ihre Reise gleich weitergehen. Als sie ausstiegen, sahen sie schon ein ganzes Begrüßungskomitee, nicht nur für sie, sondern all die anderen Piloten und Navigatoren, die ebenfalls nach Heliopolis gebeten wurden.
 

Es war ein Förderungsprogramm von jungen Piloten und Navigatoren, die aus allen möglichen Kolonien in das Zentrum der Urmenschen eingeladen wurden, um sich zu verbessern und ihr Können und Wissen auf den neuesten Stand zu bringen. Außerdem sollten Erfolgsdruck und Rivalitäten die angehenden Piloten zu besseren Ergebnissen zwingen. Blaires Heimat, das Kolonieschiff Gloriana, war nicht besonders bekannt dafür, eine herausragende militärische Macht zu besitzen. Als er die Chance bekam, für die stärkste Kolonie zu kämpfen, war er gleich Feuer und Flamme.
 

„Auf dieses Begrüßungskomitee habe ich eigentlich keinen Bock. Ich will wissen, ob Percival in Ordnung ist!“ Blaire war es herzlich egal, wer aller kam, um die neuen Piloten zu begrüßen.
 

Er hörte schon, der Präsident von Heliopolis war höchstpersönlich gekommen, ebenso die drei Generäle, die wohl wichtigsten militärischen Anführer. Jeder von ihnen hatte seine eigene Abteilung und ohne ihre Zusammenarbeit würde das System nicht funktionieren, dass sie bereits erfolgreich durch unzählige Schlachten gegen den Feind führte.
 

Cecil hingegen war völlig bleich, als sie vor diesen wichtigen Menschen in Reih und Glieg standen, nachdem sie ausgestiegen waren. Sein Blick wanderte hastig zwischen ihnen hin und her, jede dieser Personen kannte er aus den Nachrichten. "Das ist Präsident Portos ... das höchste Tier überhaupt! W-Wie kannst du jetzt nur … an deine Maschine denken … ?!“ Seine Beine zitterten, vor ihnen standen die wichtigsten Menschen von Heliopolis und Blaire war … Blaire war weg! Bis vor wenigen Sekunden stand er noch neben ihm. „Wie schafft er das nur immer?!“, fragte sich Cecil in Gedanken, mittlerweile tropfte ihm schon der Angstschweiß von der Stirn. Wenn er weiter solch eine innerliche Panik verbreitete, würde er noch ohnmächtig werden. Und sein Freund und Partner machte das auch nicht besser.
 

Aber scheinbar fiel noch keinem auf, dass jemand fehlte. Der Präsident hielt seine Ansprache, bedankte sich für das Kommen der Piloten und Navigatoren, wünschte einen angenehmen Aufenthalt, freute sich auf eine gute Zusammenarbeit, das Übliche halt. Bis jedoch eine laute Stimme den Präsidenten aus dem Konzept brachte. Alle Blicke folgten dem Gebrüll, man hörte verwirrtes Flüstern, aufgebrachtes Gemurmel.
 

„Hey, HEY! Etwas vorsichtiger, ja?! Hey, nehmt eure Hände da weg!! Ihr habt wirklich keine Ahnung, dafür, dass ihr Techniker seid! Lasst mich das selber machen!" Dort war Blaire also hin, er lief zur anderen Seite des Hangars, wo gerade der Transporter ankam, der die Kampfmaschine des Jungen lieferte. Sein Roboter war Blaire das wichtigste und er führte schon vor seiner Ankunft zu kontroversen Diskussionen unter den Kolonien.
 

Der Plan war ursprünglich, den neuen Piloten auch neue Maschinen zur Verfügung zu stellen. Dafür wurde eine neue Einheit von Robotern gebaut, die auf dem aktuellsten technologischen Stand waren. Aber einem war das völlig egal, nämlich Blaire. Er bestand darauf, Percival mitzunehmen.
 

Percival, so hieß seine altmodische Maschine, klobiger bronzefarbener Roboter, dem man von weitem schon ansah, dass er nicht mehr in seinen besten Jahren ist. Verrosteter Lack, Kratzer, Beulen und das Design war keineswegs schnittig. Blaire stritt sogar mit der Hauptkommandantin der Gloriana, aber letztendlich bekam er seinen Willen. Und nun hatte Heliopolis das Problem mit dem „Oldie-Liebhaber“, wie man Blaire in Pilotenkreisen gerne nannte. Er erntete damit eigentlich nur Spott und viel Gelächter, aber ihm war diese Maschine wichtig.
 

So wichtig, dass er nicht einmal mehr fremde Techniker die Wartung durchführen ließ. Seine laute Stimme hallte durch den Hangar, er wollte einfach nicht zulassen, dass diese fremden Menschen Hand an seiner Maschine anlegten. Oder sie gar beim Transport beschädigten, weswegen er selbst nun mithalf und so gut aufpassen konnte, dass niemand Percival falsch anfasste. Und dann, geladen auf das interne Frachttransportsystem, das die großen Maschinen an Schienen durch Tunnel im Untergrund von Heliopolis kreuz und quer zu den gewünschten Docks befördern konnte, fuhr er mit seiner Maschine und den genervten Technikern davon, in die nördliche Kuppel von Heliopolis, dem militärischen Stützpunkt, und seinem neuen Zuhause, der Akademie für Piloten, Navigatoren und Techniker.
 

Aber eigentlich war das nicht so geplant. Die Neuankömmlinge sollten zuerst eine Rundfahrt durch den Stadtteil der Kolonie machen, sich von dem tagelangen Flug erholen, aber Blaire hatte seinen eigenen Kopf. Cecil schwitzte Blut und Wasser, um sich für das Verhalten seines Partners zu entschuldigen. Ja, tatsächlich Blut, vor lauter Aufregung lief es ihm aus der Nase, etwas, dass ihm dank Blaires Starrsinn oft genug passierte.
 

Nach einer langsamen Fahrt, extra von Blaire angeordnet, damit Percival auch ja nichts geschah, kam er im größten Hangar für Kampfroboter auf Heliopolis an. Jeder einzelne Roboter hatte hier dreimal soviel Platz für sich, als auf der Gloriana. Das war schon beeindruckend, dachte sich Blaire, und nun hatte auch sein Percival so einen schönen Platz. Fertig abgeladen und „geparkt“ lenkte der Oldtimer ziemlich viel Aufmerksamkeit auf sich, all die anwesenden Techniker versammelten sich. Die einen bewunderten die Maschine, hätten sie nie gedacht, ein so altes Modell jemals aus der Nähe sehen zu dürfen, andere aber lachten nur über die vermeintlich schrottreife Blechbüchse. Neben der neu angefertigten Einheit Neith, bestehend aus zehn Robotern, wirkte er wie ein Fremdkörper.
 

Die Neith waren das Werk eines jungen Technikers, der gerade die Akademie abgeschlossen hatte. Da er der jüngere Bruder des Generals war, der für den Maschinenbau zuständig war, hatte er schon von klein auf viel über Roboter gelernt. Sein erstes eigenes Projekt gleich so früh umsetzen zu dürfen, das war ein kleiner Traum, der da in Erfüllung ging. Und diese Maschinen, mit ihren flüssigen Konturen, dem hochglänzendem Lack und einem Design, dass einen schon erahnen lässt, wie wendig und schnell sie im Kampf waren, ließ Percival wirklich alt aussehen.
 

"Ein wahrer Oldtimer, huh? Er ist schon ziemlich groß. Und hat viele Dellen und Kratzer. Muss schon hunderte Kämpfe überstanden haben! Ob er wirklich mit unseren Robotern mithalten kann?" Der junge Techniker stellte sich neben Blaire und stemmte die Hände an die Hüften. Er blickte hoch, musste gestehen, so alt er aussah, er wirkte schon überwältigend, dieser Percival. Aus seiner Hosentasche zog er ein Gerät, gerade so groß wie seine Handfläche, welches per Knopfdruck ein bedienbares Hologrammdisplay ausspuckte. Jeder Techniker besaß so etwas, ihr wichtigstes Werkzeug, mit dem sie direkt, ohne Kabel und ohne eine Maschine aufschrauben zu müssen, in das Kontrollsystem eindringen und interne Fehler beheben konnten. Immerhin war es nicht nur wichtig, wie eine Maschine gebaut war, nein, auch die Programmierung machte einen guten Roboter aus.
 

Aber er konnte sich nicht einloggen. Nicht, dass Percivals System ihn verweigerte, nein, es war einfach so veraltet, dass er nur Fehlermeldungen vor die Nase bekam. Das Hologrammdisplay färbte sich dadurch mehrmals rot, es ertönte immer wieder laut „Fehler! Fehler!“ Der Techniker seufzte, fuhr sich mit der Hand durch sein braunes, wild gestutztes Haar. „Dann muss ich wohl direkt rein. Nur mal testen, ob der alte Herr die Reise auch gut überstanden hat.“ Wenn man über das Werkzeug nicht auf das System einer Maschine zugreifen konnte, blieb einem Techniker nichts anderes übrig, als ins Cockpit zu steigen und manuell das System-Management-Panel, kurz SMP, aufzurufen. Er winkte seinen Kollegen zu, die eine ausfahrbare Hebebühne anrollten, mit der man die Maschine besteigen konnte.
 

Doch ehe er einen Schritt auf die Leitern der Hebebühne wagen konnte, kam ihm jemand zuvor, kletterte Percival hoch und platzierte sich schützend vor den Rumpf des Roboters, worin das Cockpit lag. Scheinbar hatte der Techniker gar nicht bemerkt, dass der Pilot des Oldtimers, Blaire, ebenfalls anwesend war.
 

"Du kommst da nicht rein.“, sprach er, musterte den Jungen mit gerunzelter Stirn. Er versuchte richtig, den Techniker nieder zu starren.
 

Dieser blinzelte aber nur überraschend, damit hatte er nicht gerechnet. Dass Blaire der Pilot von Percival war, merkte er sofort, wer sonst würde sich so dagegen wehren, jemanden in seine Maschine zu lassen? Trotzdem, er behinderte seine Arbeit. Er musste die Maschine durchchecken, in Zeiten des Krieges war man selbst der Technik der verbündeten Kolonien misstrauisch. Mit einem Fuß stieg er auf die Hebebühne, ließ sich bis zu Blaire hochfahren und stand ihm nun gegenüber. "Ich muss dich bitten, unsere Arbeit nicht zu stören.“, mit einem freundlichen Ton und einem netten Lächeln versuchte er, Blaire abzuwimmeln, aber der rührte sich weiterhin kein bisschen und durchbohrte ihn mit seinem Blick, als würde er ihn hoffen, allein nur damit zu vertreiben.
 

Aber dann öffnete Blaire doch den Mund: "Nur ich kann ihn öffnen, besser gesagt, meine linke Hand. Und das soll auch so bleiben. Ich habe ihn selbst programmiert, also denkt nicht, ihr könnt irgendwelchen Scheiß mit ihm machen, ja? Er ist gut in Stand. Ich repariere ihn selber. Und meine Arbeit ist perfekt." Ohne Scheu musterte er den jungen Techniker aus nächster Nähe, immerhin waren ihre Gesichter nun nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt. Mit der Hand tastete er an Percival herum, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Plötzlich öffnete sich hinter Blaire die Tür zum Cockpit automatisch, nachdem er seine Hand auf ein Druckfeld platziert hatte. „Siehst du?“ Und so schnell er es öffnete, schloss er es auch wieder.
 

"Verstehe ... Das ist wirklich eine alte Methode, mit deinem Handabdruck. Ich erinnere mich, es gab Zeiten, da nutzte man die Zeichnung der Augeniris als persönliche Erkennung. Aber heutzutage läuft alles über präzise DNA-Scanner.“ Sein Gegenüber belächelte nur die Art und Weise, wie er das Cockpit öffnete. Für den Techniker nur eine veraltete und unsichere Methode. Die Scanner, die nun die Maschinen versiegelten und vor Diebstahl und Missbrauch schützten, konnten zu einhundert Prozent feststellen, ob der Pilot selbst das Cockpit versuchte zu öffnen. Man konnte diese Präzision nicht einmal mit einer DNA-Probe austricksen, oder mit Klonen, sollte es so etwas geben. So eine DNA-Signatur, die ein Pilot anfertigen musste, bevor er eine Maschine auf sich registrierte, war eine lange und komplizierte Prozedur. Aber sie war die sicherste Methode.
 

Irgendwie merkte der Techniker schon, dass der Pilot stur war. Er ließ ihn nicht vorbei und wirkte auch nicht so, als würde er so schnell nachgeben. Also versuchte er, noch einmal eine Nummer freundlicher zu sein, er war ja auch nicht auf Streit aus, er wollte nur seine Arbeit machen. Er wollte nachsehen, wie dieser Roboter funktionierte, und ob er überhaupt noch funktionierte. Er musste Sicherheitslücken finden und schließen und ihn an das System seiner Neith anpassen, sonst wäre nicht einmal eine perfekte Verbindung und Kommunikation am Schlachtfeld möglich.
 

"Es tut mir Leid, wenn ich dich in irgendeiner Form verärgert habe. Mein Name ist Humphry Ouranos, ich bin hier sozusagen der Leiter der Abteilung. Mein Bruder ist General und zuständig für die Techniker, deine Maschine ist also in besten Händen. Die Roboter, die du hier siehst, habe ich alle entworfen, mitgebaut und programmiert. Ich bin für sie zuständig und … für Percival, deine Maschine. Er gehört auch zu der Einheit, das war dein Wunsch, richtig?“ Höflich und freundlich stellte sich Humphry erst mal vor, vielleicht würde das Blaire auch beruhigen. Er wirkte in seinen Augen nämlich so, als würde er ihm eine verpassen, wenn er seinem Roboter noch ein kleines Stückchen näher kam. Ja, die Wichtigkeit dieser Maschine für den Piloten konnte jeder Anwesende spüren.
 

"Der Roboter bedeutet dir viel, richtig? Sonst wäre er kaum hier. Trotzdem ... Ich muss ihn auf Herz und Nieren prüfen. Ein kleiner Routine-Check. Sonst darf er den Hangar nicht verlassen und du ihn nicht benutzen. Ich muss sicherstellen, dass alle Maschinen ordnungsgemäß funktionieren und es zu keinen Komplikationen kommt.", erklärte Humphry in ruhigem Ton, in der Hoffnung, er würde auf Verständnis stoßen.
 

Zur gleichen Zeit kam Cecil völlig aufgelöst in den Hangar gerannt. Endlich hatte er Blaire gefunden! Und natürlich machte er wieder Ärger, was er mit einem Kloß im Hals feststellte. Alles lief heute schief, erst war er in der Früh auf seine Katze gestiegen, dann zog er sich zwei verschiedene Schuhe an. Fast hätte er den Abflug verpasst und dann musste Blaire sie auch noch vor dem Präsidenten bloßstellen! Der war Gott sei Dank nicht wütend gewesen, nur milde amüsiert, als hätte er so etwas schon erwartet. Aber das war noch schlimmer. Hatte sich der schlechte Ruf des Piloten schon in der Kolonie breit gemacht? Cecil war am Ende mit seinen Nerven, so hatte er sich die Ankunft auf Heliopolis nicht vorgestellt. Er konnte nicht einmal der Stadtrundfahrt beiwohnen, da er Blaire folgen musste. Was für einen schlechten Eindruck hinterließ das nur, vor allem auf den Präsidenten und die Generäle? Sie waren nun ihre Vorgesetzten. Am liebsten wollte sich Cecil irgendwo in ein Loch verkriechen und nie wieder herauskommen. Er spürte schon die Blutgefäße erneut in seiner Nase platzen.
 

"Blaire ... ! W-Wir ... sollten uns unsere Unterkunft anschauen, meinst du nicht? Percival geht es hier sicher gut. I-Ich meine ... die Techniker wissen schon, was sie tun. Bist du nicht müde vom Flug? So ein Warp ist nicht von schlechtern Eltern, richtig? Und die Stadt können wir uns nun sowieso nicht mehr ansehen. Auch w-wenn ich mich darauf gefreut habe …" Seine Stimme wurde immer dünner, als würde der Mut ihn Stück für Stück verlassen. Der Blick, der ihm Blaire zuwarf, war auch nicht von schlechten Eltern. Als würde er ihn damit sagen wollen „Hau ab, du nervst!“. Das ertrug das schwache Gemüt des Jungen nicht ganz. Und schlussendlich verstummte er komplett, als einer der Generäle den Hangar betrat. Schluckend erkannte er die Uniform, die er sich schon bei der vorherigen Begegnung einprägte. Die Generäle trugen im Grunde dieselbe Uniform, aber jeder hatte eine andere Farbe.
 

Dieser General trug eine dunkelgraue Uniform mit goldenen Applikationen. An seinen braunen Haaren und der ähnlich wilden Frisur erkannte man sofort, dass er mit Humphry verwandt war. Er wollte nach dem Rechten sehen und die Testergebnisse seines Bruders einsammeln, der bis zuletzt noch an den Neiths arbeitete. Er konnte zuvor nur einen flüchtigen Blick auf den berüchtigten Oldtimer erhaschen, war aber dadurch erstrecht neugierig geworden. Er war selbst Techniker, und lehrte sein Fachwissen auch persönlich an der Akademie. Das tat jeder General, sie waren alle auch Lehrer.
 

Er musterte also Percival mit strengem Blick. Er wurde regelrecht gefangen genommen von der alten Schönheit dieser Maschine. Schon immer, schon von klein auf, wie es auch bei seinem Bruder der Fall war, liebte er Roboter. Anfangs fand er es noch spannend, sie kämpfen zu sehen, aber schnell wollte er lernen, wie sie das überhaupt schaffen. Was steckte dahinter? Was benötigte man dazu? Er liebte zwar all die neuen Maschinen, aber so ein Oldtimer weckte doch eine ganz eigene Faszination in ihm. Das Gefühl, eine alte Maschine auseinanderzunehmen, sie aufzurüsten und zu verbessern ... Dieser alte Herr sah vielversprechend aus und war es in seinen Augen wert, ihn in seine Einzelteile zu zerlegen, einen neuen Antrieb zu verpassen …
 

Räuspernd riss er sich aus den eigenen Gedanken, er schweifte zu sehr ab, war er doch wegen etwas Wichtigem hier. "Humphry, bist du fertig? Ich brauche die Testergebnisse. Du weißt, ich kann nicht selber in die Cockpits schauen ... und Samuil ist schon ungeduldig." Der Mann blickte zu seinem Bruder hinauf und erkannte den Piloten sofort. Der machte doch vorhin bereits einen Aufstand, wegen diesem Roboter. Sein Blick wanderte zu Blaire, der scheinbar seinem Bruder den Zugriff auf Percival verweigerte. „Gibt es ein Problem?“, die Frage richtete er an beide.
 

Als Humphry seinen Bruder erspähte, stieß er ein leises „Ach du Schande!“ aus, welches von seiner Verlegenheit zeugte. Dank diesem sturen Piloten konnte er seine Arbeit nicht rechtzeitig beenden, natürlich, die Neith hatte er alle durchgecheckt, aber Percival fehlte eben noch. Und den durfte er nicht einmal anfassen.
 

"B-Bruderherz ... ! Ich dachte, ich hätte noch etwas Zeit!" Er ließ die Treppe hinunter, damit er zu seinem Bruder gehen konnte. "Es gibt ein paar Schwierigkeiten mit dem alten Modell hier. N-Nichts Schlimmes, das hab ich gleich im Griff! Ich habe mich bereits mit seinem Piloten angefreundet!" Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und linste zu Blaire. Nun, mit Freundschaft hatte das bisher aber nicht viel zu tun, er wollte ja eigentlich nur endlich die Maschine begutachten. Aber er wollte auch nicht, dass Blaire nun Ärger bekam, trotz seines, in seinen Augen äußerst lästigen, Beschützerinstinkts. Und er wich ja weiterhin nicht von Percivals Seite.
 

"Er liebt seinen Roboter, das hat er mir in nur wenigen Sätzen deutlich gemacht. Andere Kolonie, andere Sitten, was? Sei ihm nicht böse!", sprach Humphry, um seinen Bruder milde zu stimmen. Noch einmal wandte er sich dann Blaire zu: "... Trotz aller Liebe, dieser Roboter muss gecheckt werden. Noch einmal möchte ich das nicht sagen ... Ohne Tests, keine Erlaubnis, ihn zu benutzen. Hier in Heliopolis gelten andere Regeln. Aber wenn es dich so sehr stört, werde ich nicht alleine an ihm arbeiten. Du kannst mir zusehen und helfen. Wäre das ein Kompromiss, mit dem du einverstanden bist?" Lächelnd schlug er Blaire also eine Zusammenarbeit vor, wohl die friedlichste Variante, wollte er ja doch keinen Ärger mit einem neuen Piloten, vor allem mit einem, der so wild wirkte, dass er selbst seinen großen Bruder, einen General, verdreschen würde, wenn er diesem alten Roboter zu nahe kommt ...
 

Nun trat auch der General näher und verschränkte seine Arme. Also behinderte ein Pilot die Arbeit der Techniker? Das war ihm noch nie untergekommen. „Mein Name ist Vilkas Yngvar. Ich bin General und Technikmeister von Heliopolis. Dieser Hangar hier ist im Grunde mein Revier. Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du auf meinen Bruder hören würdest. Du verzögerst die Arbeit aller Anwesenden. Lass die Maschine endlich durchchecken. Den ganzen Ärger hättest du dir sparen können, wenn du einen Neith steuern würdest.“
 

Aber das war ja das verzwickte an der Sache, Blaire wollte das nicht. "Wer will schon so einen Schrott fliegen?" Ja, er war eindeutig auf Ärger aus. Und dieser Techniker ... maßte er sich wirklich an, Percival untersuchen zu dürfen, nur weil er vorgeschlagen hatte, es mit ihm zusammen zu tun? Ihm lagen schon einige weitere scharfe Worte auf der Zunge.
 

Blaires rhetorische Frage brachte Vilkas fast zum Glühen. Er beleidigte die Arbeit seines Bruders, in die er viele Monate investierte, sein Erstlingswerk. Und wenn hier eine Maschine Schrott war, dann doch Percival. Es lag eine unheimliche Spannung in der Luft, aber ehe beide den Mund öffnen konnten, um sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf zu werfen, schritt Cecil ein, mit seiner zittrigen und weichen Stimme.
 

"Ähmm ... Bitte entschuldigen Sie Blaires Verhalten! Er ist nur sehr vorsichtig. Wahrscheinlich hat er Angst, Sie könnten Percival umbauen ... das haben schon einige versucht, deswegen ..." Wie immer versuchte Cecil die Stimmung etwas zu lockern. Dafür war er ja hergekommen, um ein Auge auf den wilden Piloten zu haben. Ihm wäre es doch auch lieber, Blaire würde alleine zurechtkommen, aber wie immer bewies er das genaue Gegenteil. Er brauchte Cecil einfach, er war seine Stimme der Vernunft, auch wenn er nicht häufig auf sie hörte. "Sie können sich Percival anschauen. Er bleibt einfach in der Nähe und passt auf, das alles in Ordnung ist, richtig, Blaire?" Mit einem Lächeln wandte er sich an den Piloten, der aussah als würde er vor Wut gleich überkochen. Dieser schnaubte dann aber nur, lächelte spöttisch und zuckte mit den Schultern. Das war wohl die Erlaubnis, die Humphry brauchte.
 

"Ich darf also?", fragte Humphry noch einmal vorsichtig, da ihm nicht ganz klar war, was die Geste Blaires nun zu bedeuten hatte. Aber Cecil nickte ihm zu, also war das wohl wirklich das Okay für ihn. „Du scheinst gut mit dem Jungen klarzukommen. Bist du seine Freundin? Du bist bestimmt Navigatorin.“ Seit er Cecil vor einigen Minuten erspähte, hielt er ihn für Mädchen. Er hatte ja auch eine feminine Figur und Haltung, und seine Stimme war auch so hoch. Aber sein großer Bruder berichtigte gleich das Missverständnis.
 

"Du bist dieser männliche Navigator von der Gloriana. Wie war noch mal dein Name? ... Se ... ... Cecil, richtig? Ammadon war schon aufgeregt, einen Jungen unterrichten zu dürfen." Der General der Navigatoren war auch einer der wenigen, der das positiv aufnahm. Andere hatten eher Spott für diese Tatsache übrig, auf dieser Kolonie galt das Navigieren nämlich als reine Frauenarbeit. Nicht, das Cecil besonders maskulin wirkte, musste Vilkas amüsiert feststellen.
 

„Ehhhh? Das ist ein Junge?!“, stellte Humphry mit Entsetzen fest. Und gleich drifteten seine Gedanken ab. Cecil würde ja auch kaum zwischen all den Navigatorinnen auffallen, so wie er aussah. Teilte er sich dann die Umkleide mit ihnen? Musste er etwa auch Röcke tragen, so wie es die Uniform der Navigatorinnen vorgab? Er prustete leise bei all diesen Gedanken, gab sich Mühe, nicht in Gelächter auszubrechen. Was war das nur für ein seltsames Duo, welches die Gloriana schickte? Ein Oldtimerliebender Pilot, und ein weibischer männlicher Navigator. Die beiden waren das genaue Gegenteil, trotzdem schienen sie ein Team zu sein.
 

Humphry also hatte nun die Erlaubnis und begab sich gleich wieder nach oben zu Blaire, der vor dem Cockpit wartete.
 

Inzwischen hatte sich sein Verhalten drastisch geändert. Er tat desinteressiert und widmete dem Techniker kaum einen Blick. Aber er wusste, wann man nachgeben sollte. Immerhin wollte er auch mit Percival fliegen. Mit seinem Händeabdruck öffnete er die Maschine und stieg selber ins Cockpit, das knapp Platz für zwei Leute hatte. Natürlich würde er jede Bewegung von Humphry beobachten, wenigstens dieses Privileg hatte er.
 

"Es wird mir ein Vergnügen sein! Ich bin sehr gespannt, wie diese Maschine funktioniert." Der kleine Blick von vorhin ins Cockpit hatte ihn schon etwas überrascht. Allein die Armatur war etwas, das er noch in den Kindertagen gesehen hat - auf Bildern. Aber dies durfte er sich nun genauer anschauen. "Huch, etwas eng hier ...", musste Humphry anmerken, als er sich grad noch vor Blaire hineinzwängen konnte. Die Roboter die sein Bruder und er bauten waren viel geräumiger und auch ... wesentlich bequemer. Sie hatten angenehme Sitze, die sich an die Körperform der Piloten anpassten, die Bildschirme waren größer und die Steuerungseinheiten wesentlich flexibler.
 

Eine ganz andere Welt, oder eher eine ganz andere Zeit? Waren die Menschen auf Gloriana so hinten nach? Nein, er hatte gehört, es mangelte ihnen vor allem an Material für die Umsetzung. Deshalb beharrten sie auf die alten Maschinen. Ob das so gut war? Hilfe wollten sie nie annehmen, aber im Ernstfall hätten sie mit solchen Maschinen wohl keine Chance im Kampf.
 

"Und du sagst, du hättest ihn selbst programmiert? Interessant. Das sehe ich mir nun genauer an", kündigte er an und nahm erneut sein Universalwerkzeug hervor. Mit einem schnellen Tippen darauf erschien auch schon das Hologramm-Display vor Humphrys Augen, dann zog er ein Kabel aus dem Gerät und brauchte erst ein paar Sekunden, bis er den passenden Steckplatz fand. Dass er überhaupt noch ein Kabel brauchte …
 

Es dauerte nur wenige Sekunden, da konnte er sich mit Blaires Hilfe ins System einloggen. Und dann staunte er nur noch. Nun, nicht im positiven Sinne ...
 

"Herrje, das ist ja ... das ist ja ... Wow. Du programmierst wie ein blutiger Anfänger. Solche einfachen System verwendet man sonst nur bei ... na ja, Fahrzeugen. Kleine Fahrzeuge. Oder nein, solche Spielzeugroboter, kennst du die? Ein Freund von mir hat so einen ..." Da fiel ihm gleich der Roboterhund ein, der einem der Piloten von Heliopolis gehörte. Er hatte oft mit ihm zu tun, und auch mit diesem Spielzeug. Er biss ihm stets ins Bein, wenn er ihm zu Nahe trat, vielleicht wusste das mechanische Tier auch, dass er Techniker war und ihn auseinanderschrauben konnte, anders konnte er sich diese seltsame Abneigung nicht erklären. Außerdem biss er auch sonst nur Vilkas, was seine Vermutung eigentlich nur bestätigte.
 

"Einen Kampfroboter mit so einem System auszustatten ist ... das ist vollkommen irre und lebensmüde. Es ist so leicht zu durchschauen, so leicht zu durchbrechen! Ich sehe Sicherheitslücken, weißt du, wie gefährlich das ist? Ein Feind könnte ein Virusprogramm in die Abwehrsysteme hacken, während du noch kämpfst!" Wie wild tippte er an dem Hologramm, vor seinem Gesicht flimmerten nur mehr Zahlen und Buchstaben.
 

"Die Werte hingegen sind hervorragend. Als Kampfroboter taugt Percival. Aber das reicht nicht. Wenn die Sicherheit des Piloten nicht gewährleistet ist, wird dieser Roboter niemals den Hangar verlassen dürfen", Humphry hatte selbst kein Verständnis dafür. Je stärker eine Maschine war, desto sicherer musste sie programmiert sein. Sonst könnte ein Feind sie einfach übernehmen und selbst als Waffe verwenden. Vorsichtig blickte Humphry zu Blaire, der bisher ziemlich ruhig war.
 

"Er muss umprogrammiert werden. Verbessert werden. Mit so einem Kindersystem ... darf er nicht für Heliopolis Alpha kämpfen", verkündete er, etwas zögerlich, wollte er nicht noch so einen Ausbruch provozieren. "Du würdest nicht viel davon merken, es ist nur eine reine Programmiersache. Ich würde ihm das neueste System aufspielen, welches wir zu bieten haben. Wahrscheinlich wäre er dann sogar leichter für dich zu handhaben. Und du müsstest dir keine Sorgen mehr machen wegen Sicherheitslücken, die sind bei meinen Programmen non-existent!" Mit einem charmanten Lächeln wollte er Blaire besänftigen, rutschte er aber bereits ein Stück von ihm Weg, nur als Vorsorge, man konnte ja nie wissen.
 

Aber Blaires Blick war finster. Als würde er imaginäre Löcher in Humphrys Kopf bohren. Er schwieg die ganze Zeit. Wie oft hatte er das schon gehört, von den Technikern auf der Gloriana? "Du behauptest also, ich wäre ein blutiger Anfänger und mein System für den Müll?" Ein gefährliches Lächeln spielte um Blaires Mundwinkel. Er schwieg noch kurz und lehnte sich zurück. "Es hat noch nie jemand Percival gehackt. Und weißt du warum? Weil ich alle getötet habe, bevor sie überhaupt in seine Nähe kamen. Ihr wollt immer an meiner Maschine rumspielen, als hättet ihr überhaupt eine Ahnung davon, wie man ihn steuert oder mit ihm kämpft ... dabei seid ihr doch alle nur Techniker geworden, weil ihr kein Talent als Piloten habt." Der Spott in seiner Stimme wurde immer giftiger. Die Wut war deutlich in seinem Blick ablesbar, es wirkte so, als würde er kurz davor stehen Humphry eine zu verpassen. Er ballte sogar schon die Fäuste und richtete sich etwas auf, blickte nun wahrlich auf ihn herab.
 

"Ich hasse dieses Thema! Kapiert das denn niemand?! Wenn ich Nein sage, heißt das auch Nein!!" Diese Diskussion hatte er damals auch mit der Chefin der Techniker auf der Gloriana. Bis dann die Testergebnisse kamen und sie verstanden, warum er sich so dagegen wehrte. Er war etwas Besonderes. Und ebenso diese Maschine. Aber darüber wurde nie gesprochen. Die einzigen, die davon wussten, waren die Techniker der Gloriana, seine ehemaligen Vorgesetzten und Cecil.
 

"Wenn du sein Programm änderst, bringt mich das in Gefahr, nicht andersrum. Ich habe genug von dir! Genug von euch verdammten Technikern! Raus hier. Sofort!" Mit einem Ruck stand Blaire auf, umfasste Humphrys Hüfte und schmiss ihn wortwörtlich aus dem Cockpit. Wenigstens hatte er darauf geachtet, auf die Hebebühne zu zielen, sonst wäre der Techniker tief gefallen. Mit einem Knopfdruck schloss sich das Cockpit und Blaire versank in Stille und Dunkelheit.
 

Vilkas runzelte die Stirn, als Humphry plötzlich aus dem Cockpit gekugelt kam. Wie ein getretener Hund kam er zu seinem Bruder, dessen Stirn sich nur noch mehr in Falten legte. "Hat er dich rausgeschmissen? Er ist wirklich ein Problemfall. Ich muss wohl meine Autorität einsetzen, um ihn gefügig zu machen." Mit einem Seufzer wollte der General schon die hochsteigen, aber ein Widerstand ließ ihn innehalten. Cecil hatte seinen Ärmel ergriffen und ihn festgehalten.
 

"Bitte, streiten sie nicht mit Blaire! Er ... Er hat seine Gründe. Uhm ... Ich darf nicht darüber reden, wir haben ein Verbot von der Frau Kommandantin bekommen ..." Er schluckte einmal schwer und blickte zu Boden. Was sollte er jetzt machen? Die Kommandantin hatte es ausdrücklich verboten, das war so etwas wie ein Geheimnis, dass die Gloriana für sich wahren wollte. Aber natürlich würde es Probleme geben, wenn niemand wusste, auf was er hinaus wollte und wieso er so reagierte. Zudem war er nun auf Heliopolis und wollte für diese Kolonie kämpfen. Die Gloriana war Vergangenheit. Außerdem würden sie es früher oder später selber herausfinden. Und Cecil wollte nicht, das Blaire nun Ärger bekam. Er kam mit ihm hierher, um auf ihn aufzupassen. Das war ein harter Job, aber ihm lag auch viel an Blaire, auch wenn die Beziehung, die sie pflegten, nicht wirklich freundschaftlich war. Aber ein Navigator musste immer zu seinem Piloten stehen. Sie waren ein Team, eine Einheit. Wenn kein Vertrauen da war, würde das Verhältnis nicht funktionieren. Und Cecil war derzeit auch die einzige Person, die Blaire in seiner Nähe duldete.
 

"Blaires Synchronisationsrate ist abnormal hoch ... Soweit ich weiß, hat hier noch nie jemand die neunzig Prozent überschritten ... Aber er ... A-Also ... Ihr seht doch die ganzen Schrammen und Kratzer auf Percivals Oberfläche? Wenn so etwas im Kampf passiert ... Nun … Oft kommt Blaire ganz blutig aus einem Kampf zurück, obwohl sein Roboter von Schüssen nur gestreift wurde ... Was ich damit sagen will, ist … der Schaden von Percival überträgt sich auf ihn!“ Dass es ihm unangenehm war, diese Informationen auszuplaudern, sah man Cecil an. Er brach einen Schwur damit. Aber wie sonst würde man Blaire hier verstehen?
 

„Die Kommandantin hat deswegen viele Experimente mit ihm durchgeführt. Dass wir überhaupt hier sind ... ist auch nur ein Test. Weil sie irgendeinen neuen Modus für Percival entwickelt haben, den sie testen wollen ..." Stotternd kam Cecil zum Halt. Er hatte schon zuviel gesagt, aber er konnte das nun auch nicht für sich behalten. Die Sorge um Blaire lockerte seine Zunge. "Keiner weiß was passiert, wenn man Percival umbaut oder ihn neu programmiert. Es ist zu gefährlich das auszuprobieren. I-Ich finde es auch nicht gut, das man Blaire in konstante Lebensgefahr schickt. Aber er ist der beste Kämpfer auf der Gloriana. Er kann seinen Roboter steuern, ohne im Cockpit sitzen zu müssen, allein durch Gedankenkraft! Der neue Modus soll genau das ausnutzen … A-Also bitte … Bitte habt Nachsicht mit ihm …“ Seine Stimme versagte langsam, er wurde immer kleiner, je mehr er sprach. Von unten blickte er zu Humphry und seinen Bruder auf.
 

Man sah ihnen nicht so Recht an, was sie von der Sache hielten. Der Jüngere wirkte wenig begeistert. Sein Blick wanderte zu Vilkas, den er selten so angespannt sah. Er erstarrte richtig. Ihm selbst jagten die Erklärungen Cecils einen kalten Schauer über den Rücken. „Ist das wahr? Er … Er nimmt echt Schaden, wenn sein Roboter was abgekriegt? Davon habe ich noch nie etwas gehört. Das … Das ist ja noch viel gefährlicher! Wenn das wahr ist … Warum beharrt er dann so auf die Maschine, wenn sie ihn nur verletzt?!“ Wäre Humphry Pilot, würde er niemals sein eigenes Leben so aufs Spiel setzen. Am liebsten würde Humphry diesen Sturkopf persönlich aus dem Roboter zerren und diese Maschine umprogrammieren. Ihm war das Wohlergehen der Piloten immer wichtig, auf diese Tatsache beruhend baute er die Maschinen. So was zu hören löste doch ein sehr, sehr unwohles Gefühl in ihm aus.
 

Schaden, der sich auf den Piloten überträgt? Gedankenkontrolle? Neuer Modus, der ausgetestet werden soll? Anscheinend hatte die Gloriana alle Arbeit geleistet. Oder lag es an Blaire selbst? Er hörte noch nie von so einer Art von Technologie. Nur von den verfeindeten Neumenschen, zu was deren Piloten imstande waren, löste bei Vilkas nur Albträume aus.
 

"Ist das wahr? Das steckt also dahinter?" Vilkas Blick wanderte über die klobige Maschine. Es hatte ihn sowieso schon verwundert, warum die Gloriana so viele Erfolge im Kampf gegen die Neumenschen erzielte, obwohl ihre Maschinen völlig veraltet waren. Aber sie bekamen nie Antworten darauf, sie waren schon immer sehr abweisend und eigennützig gewesen, behielten ihr Strategien und Baupläne immer für sich. "Du und dein sturer Pilotenfreund, ihr kommt mit. Also hol ihn aus dem Roboter heraus! Ich denke, wir müssen mit Samuil reden."
 

Ja, da kam er nun nicht drum herum. Er musste zu dem Mann, der die besten Piloten von Heliopolis trainierte, der in jeder großen Schlacht an vorderster Front stand. Samuil Gavrail, der General, der die Piloteneinheiten anführte. Eine wahre Legende in Heliopolis. Es würde ihn sicher interessieren, was so alles in Blaire steckte. Denn mit jemandem, der eine so hohe Synchronisation mit einer Maschine eingehen konnte, hatten sie es noch nie zu tun gehabt. Es hieß auch immer, alles über neunzig Prozent war lebensgefährlich und unmenschlich.

Dieser Junge und sein Roboter

Unterwegs Richtung Konferenzsaal verständigte Vilkas mit seinem Kommunikationsgerät seine beiden Kollegen, Samuil den General, der die Streitmacht, und somit alle Piloten von Heliopolis anführte, und Ammadon, den obersten Navigator und ebenfalls General.
 

Hinter ihm gingen Cecil und Blaire, der sich zunächst minutenlang weigerte, Percival zu verlassen. Wäre der sanftmütige Navigator nicht dabei gewesen, würde er jetzt noch dort drinnen sitzen. Diese Sturheit machte Vilkas zu schaffen, er kannte nämlich noch eine Person, die ihn mit so einem Verhalten oft genug in den Wahnsinn trieb.
 

Ihr Weg führte sie durch das großräumige Akademiegelände. Ein hochmodernes System aus mehreren Gebäuden, in dem Piloten, Navigatoren und Techniker ausgebildet wurden. Es gab hier neben den Unterrichtsräumen und Trainingssälen auch riesige Werkstätte und Kampfarenen, um die Roboter zu testen. Die meisten Schüler der Akademie lebten auch hier, dafür gab es ein eigenes Heim. Und ebenso war der militärische Hauptstützpunkt in der Akademie. Im untersten Teil befand sich der große Konferenzsaal, der oft für politische Besprechungen und Verhandlung mit den anderen Kolonien benutzt wurde. Heute aber kamen die Generäle wegen eines einzigen Jungen hier zusammen.
 

Durch die Gänge hörte Vilkas schon von weitem ein allzu bekanntes Phänomen. Gekicher, um es genauer auszudrücken, Mädchengekicher. So hörten sich nur Navigatorinnen an, wenn sie mal wieder ihrem geliebten Prinzen folgten. Und tatsächlich, als Vilkas mit den beiden Jungs um die Ecke bog, stand er da, der vermeintliche Prinz, das Idol der Navigatorinnen, um ihn herum eine Schar von mindestens elf hübschen uniformierten Mädchen.
 

Als sich Vilkas jedoch räusperte, blickten die Mädchen wie aufgeschreckte Rehe auf, erblassten beim Anblick des Generals, dessen Blick deutlich genug aussagte, dass sie hier nichts zu suchen hatten und so machten sie sich schnell aus dem Staub, ehe sie Ärger bekamen. „Hmpf“, mehr konnte Vilkas dazu nicht sagen. Er fixierte den Mann in weißer Generalsuniform, der die ganze Sache nur mit einem Lächeln abtat.
 

Ammadon war ein wahrlich schöner Mann. Er hatte seidenes, langes weißblondes Haar, blaue Augen, in denen man sich verlieren konnte. Sein leicht androgynes Gesicht unterstrich nur zu gut seine zarte Figur. Ammadon war groß gewachsen, hatte eine schöne aufrechte Körperhaltung und strahlte Kompetenz und Erfahrung aus. Mit einer schwungvollen Handbewegung strich er sich durchs glatte Haar, bestimmt hatte er an diesem Morgen mit einem teuren Shampoo gewaschen und perfekt geföhnt. Jeder wusste, dass ihm seine Körperpflege wichtig war. So wichtig, dass er deshalb schon zu etlichen Konferenzen zu spät kam, aber er hatte auch dieses engelsgleiche Lächeln, weshalb man ihm irgendwie nie böse sein konnte. Das war ja fast schon manipulativ.
 

Und bei seinen Schülerinnen war er sehr beliebt. Die verschwanden nun auch nicht ganz, sondern blieben hinter der nächsten Ecke stehen, beobachteten ihn weiter mit verliebten Augen.
 

„Pass auf. Die werden noch zu gefährlichen Stalkern.“, meinte Vilkas nur zynisch, woraufhin Ammadon nur herzlich lachte.
 

„Diese Mädchen sind noch jung. Hattest du in deiner Jugend nicht auch ein Idol, dass du angehimmelt hast?“ Ammadon kicherte leise, hielt sich dabei die Hand vor den Mund. Manche seiner Gesten waren so unpassend weiblich, aber doch charmant genug, dass er allen damit den Kopf verdrehte.
 

„Ja, aber ich bin meinen Idolen nicht auf Schritt und Tritt gefolgt. Und ich habe nicht so gekichert …“ Vilkas runzelte nur die Stirn, er mochte diesen „Fanclub“ einfach nicht, aber das hatte schon seine Gründe.
 

„Möchtest du mich nicht vorstellen?“ Ammadons Blick haftete an Blaire und Cecil. Er erkannte die beiden eigentlich schon. Der süße kleine Navigator mit dem Nasenbluten. Und der Brüllaffe von Pilot, der an seiner Maschine klebte.
 

„Ah, ja … natürlich. Cecil, Blaire, das ist Ammadon Yngvar. Er ist der General der die Navigatorinnen ausbildet und befehligt. Also … dein neuer Vorgesetzter, Cecil.“
 

Natürlich kannte Cecil Ammadon schon. Von allen Generälen war er in den kolonieweiten Medien am stärksten Vertreten. Jobbte er nicht sogar nebenbei als Model? Er sah ihn auf vielen Werbebildern. Aber er war auch so ein schöner Mann. Cecil war selbst ein wenig feminin, aber Ammadon bewahrte sich seine Männlichkeit durch seine Ausstrahlung, dagegen wirkte er wirklich wie … ein kleines Mädchen.
 

Ammadon klatschte in die Hände, völlig entzückt von seinem neuen Schützling. „Oh, du musst Cecil sein! Mein neuer Hahn im Korb!“ Sanfte lachte Ammadon, nahm die Hand Cecils und küsste sie. Er begrüßte jeden so höflich, auch wenn er das eher bei den Ladys tat, aber ihm blieb nichts anderes übrig, so ein zierlicher junger Mann muss mit einem Küsschen begrüßt werden. Er lachte auf, dabei wirkte er so unschuldig und rein, dass Cecil fast vor Bewunderung torkelte.
 

Blaire, der sich die ganze Zeit über in Schweigen hüllte, erhob seine Stimme, war er sowieso schon genervt von Ammadons gesamtem Auftreten. „… Sie haben beide denselben Nachnamen. Und dieser Technikerknirps, der Ihr Bruder ist, hat einen anderen.“ Das fiel ihm also auf, kurz verstummte er, dann sprach er aber beinhart aus, was er dachte. „Sie beide sind Tucken, richtig?“
 

„Das weißt du nicht, Blaire?!“, leise flüsterte Cecil mit erschrockener Stimmlage dem frechen Jungen diese Frage zu. Jeder auf den Kolonien, der sich ein wenig mit Politik und den entsprechenden Personen beschäftigte, wusste, dass Ammadon und Vilkas ein Ehepaar waren. Homosexualität war auch nichts Besonderes mehr auf den Kolonien. Natürlich gab es jene wie die Gloriana, die es nicht dulden würden, ein homosexuelles Paar an eine hohe Position zu setzen, aber hier auf Heliopolis war das wirklich kein Thema. Aber Blaire kam eben von der Gloriana und war da nicht so aufgeschlossen.
 

Vilkas erstarrte mal wieder. Sie waren noch nicht so lange verheiratet, und obwohl sie dennoch schon jahrelang ein Paar waren, war es ihm immer noch unangenehm, wenn man sie darauf ansprach. Aber … Tucken? Das war doch etwas gemein.
 

„Ja, wir sind verheiratet und wir lieben uns. Liebe ist so etwas Schönes … Nicht wahr, Vilkas, mein Schatz?“ Und solche Worte seines Mannes waren es, die den braunhaarigen General immerzu aus der Fassung brachten. Er war zu direkt, er brauchte doch noch seine Zeit, um damit warm zu werden! Er riss sich auch gleich los, als Ammadon seinen Arm um ihn legte.
 

„A-Ah … Ja … G-Genug geschwafelt, wir sollten Samuil nicht warten lassen.“ Und so entkam er dem Thema. Er liebte ja Ammadon wirklich aufrichtig, das war ihm nicht zu verübeln, aber seine Liebe so offen zu zeigen, vor allem vor Fremden, das sorgte doch immer wieder für ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend.
 

Mit einem Surren öffnete sich die Sicherheitstür automatisch, als Vilkas und sein Anhang den Konferenzraum betraten. Der Saal hatte an den Wänden links, rechts und vorne riesige Monitore, die ständig Überwachungsaufnahmen übertrugen, die von den hochauflösenden Kameras um die Kolonie herum aufgezeichnet wurden, damit bei Besprechungen Notfälle schnell durchsickerten. Aber meist war es einfach ein traumhafter Anblick auf und von der Kolonie. Das weite Weltall, Milliarden von Sterne. Die Erde, in deren unmittelbarer Nähe sich Heliopolis befand. Und alles war so … still und friedlich. Aber das waren immer nur kurze Momente, denn meist tobten vor den Kameras Kämpfe.
 

An dem langen Konferenztisch, ganz am anderen Ende des Raumes, saß der dritte General. Samuil Gavrail. Mit verschränkten Armen saß er da, war der erste der hier eintraf und schien nicht sehr begeistert davon zu sein, dass man ihn warten ließ. Sein dunkelblondes Haar war streng zurückfrisiert, sein kantiges Gesicht zierte eine Narbe auf der linken Gesichtshälfte, die über sein Auge ging und seine Augenbraue teilte, kein schöner Anblick. Er hatte sie aus einem Kampf, als er unachtsam war und jemanden beschützen wollte. Samuil war ein Kriegsveteran, auch er absolvierte die Pilotenakademie, kämpfte sich regelrecht hoch, bis er der Mann war, der nun hier saß. Seine Schüler fürchteten ihn richtig, er war streng, scheute nicht davor, die Piloten auch einmal zu züchtigen. Wer nicht sputete, bekam seinen Schlagstock zu spüren. Oder gleich einen Schlag mit der Faust. Für diese Erziehungsmethoden war er als Lehrer nicht beliebt, aber für seine Heldentaten als Pilot schon.
 

„Vilkas, du hast uns hierher gebeten. Ich hoffe, es ist wichtig.“ Er wusste nicht, um was es ging, Vilkas Nachricht beinhaltet lediglich die Worte „Besprechung. Konferenzsaal. Wichtig. Sofort!“, also ging Samuil davon aus, dass es sich um einen Notfall handelte. Aber so panisch, wie Vilkas sonst reagierte, wenn es einen Angriff gab, war er diesmal nicht. Sein Blick wanderte zu Blaire und seinem Navigator. Die beiden waren bereits in aller Munde, für den Zirkus, den sie bei ihrem Empfang veranstalteten. Und Blaire wirkte selbst irgendwie ahnungslos, scheinbar wusste er selbst nicht, wieso er hier war.
 

„Blaire, Cecil, ihr kennt ihn bestimmt schon. Jeder kennt ihn. Das ist Samuil Gavrail, unser liebster General, Anführer unserer Truppen und persönlicher Ausbildner der Elitepiloten.“ Diesmal übernahm Ammadon die Vorstellung seines Kollegen. Viele wussten es nicht, aber die drei standen sich sehr nahe. Sie hatten gemeinsam die Akademie besucht, aber das war noch nicht alles. Ammadon und Samuil waren Kindheitsfreunde. Sie kannten sich noch von klein auf, standen sich immer sehr nahe. Die drei waren also nicht nur Kollegen, sondern auch enge Freunde, was ihre Zusammenarbeit noch effektiver machte. Sie konnten nämlich einander vertrauen. So hieß es immer: Nur wenn Piloten, Navigatoren und Techniker eng miteinander arbeiteten, konnten sie etwas bewerkstelligen. Diese Philosophie lernten auch die Schüler der Akademie.
 

Unzufrieden und desinteressiert grunzte Blaire. Was machte er hier überhaupt, fragte er sich ständig. Dass Cecil ausgeplaudert hatte, verriet man ihm nämlich nicht. Also dachte er, es lag an seinem Verhalten von vorhin. Aber das bereute er sowieso kein bisschen. Musste er nun aber mit den Generälen reden, nur weil er sich weigerte, seinen Roboter umprogrammieren zu lassen? Das war doch etwas übertrieben. Oder waren sie hier strenger, als auf der Gloriana?
 

Diese Fragen schossen ihm alle durch den Kopf, während er etwas verloren im Raum stand. Aus den Augenwinkeln musterte er Cecil und Ammadon. Navigatoren ... alles Mädchen. Selbst die Männer, innerlich prustete er. Wer begrüßte auch jemanden mit einem Handkuss? Das war doch Kitsch pur. Aber irgendwie passte es zu dem Mann, der den Techniker-General "Schatz" nannte. Plötzlich spürte er ein kaltes Prickeln im Nacken, das Gefühl, wenn jemand ihn beobachtete. Und tatsächlich, der strenge General von ihrer Ankunft hatte seine Augen an ihn geheftet. Das war ein sehr beunruhigendes Gefühl für den Jungen, aber er ließ sich seine Unsicherheit nicht anmerken. Lieber wollte er wissen, weshalb nun so ein Tumult gemacht wurde.
 

Vilkas räusperte sich, er wollte mitteilen, was er in Erfahrung brachte. Es wirkte nämlich nicht so, als wäre Samuil noch weiterhin geduldig. Der Mann legte viel Wert auf seine Zeit und die wollte er niemals vergeuden. "Also … dieser Pilot hier, Blaire, es gibt ein Problem mit ihm ... und seiner Maschine. Er ist es, der darauf bestanden hat, sein altes Modell hierher mitzunehmen. Vorhin wollte er Humphry partout nicht seine Arbeit machen lassen, ihr wisst schon, der Routinecheck ... Der kleine Navigator hat uns erklärt, was der Fall ist. Anscheinend ist die Synchronisationsrate des Jungen so hoch, dass er mit der Maschine ... verschmilzt. Das ist schwer zu erklären ... Er meinte, wenn der Roboter Schaden nimmt, kriegt der Pilot dasselbe ab. Selbst Kratzer auf der Oberfläche sind gefährlich. Und deswegen darf man die Maschine nicht umprogrammieren oder umbauen. Dann gab es da noch Sachen wegen der Kommandantin der Gloriana ... die die Versetzung als eine Art Testphase an dem Jungen betrachtet. So habe ich es jedenfalls verstanden." Atemlos beendete Vilkas seine Erklärung. Es war ja selbst für ihn verwirrend. Ein Junge, der seiner Maschine so nah war … Das gab es doch wirklich nur bei den verfeindeten Neumenschen. Die waren doch alle solche Maschinenfreaks.
 

Und jetzt verstand auch Blaire, worum es hier ging. Der Navigator hatte geplaudert. Dabei hatte die Kommandantin das verboten. Gut, Blaire waren Befehle meist ziemlich egal. Und er mochte es auch, als etwas Besonderes gesehen zu werden. Aber das ganze konnte sich auch negativ entwickeln. Wenn sich wieder jemand das Maul über ihn zerriss, würde der es früh genug bereuen. In seiner Heimat hatte er nur zwei Schwätzern die Leviten lesen müssen, danach hatte sich niemand mehr getraut, ihm etwas offen ins Gesicht zu sagen.
 

Mit einem Stirnrunzeln sah Ammadon zu seinem Ehemann. Was für eine verworrene Geschichte, von so etwas hatte auch niemand zuvor gehört. „Das klingt sehr aufregend, was du da in Erfahrung gebracht hast. Und es ist nichts, worüber wir informiert wurden. Das … finde ich nicht in Ordnung“, erstmals klang er ein wenig streng, das zeugte auch sein Blick, der härter wirkte. Die Kommandantin der Gloriana wollte Tests auf ihre Kosten durchführen und das auch noch ohne dem Wissen Generäle? „Ich sollte diese Frau gleich mal zur Rede stellen. Es hat einen Grund, warum wir die Synchronisationsraten ab einem gewissen Punkt nicht überschreiten. Wir wissen nicht, was dann mit den Körpern der Piloten passiert. Aber diese Frau scheint das wohl herauszuprovozieren“, sprach Ammadon in ernstem Tonfall. Aber er wollte nicht gleich jemanden verurteilen. Er kannte die ganze Geschichte nicht, ebenso nicht Blaires Seite.
 

Mit einem Mal lächelte er wieder, freundlich und süß wie zuvor. Er stellte sich direkt vor den jungen Piloten. „Blaire ist dein Name, richtig? Ich habe gehört, du seiest etwas Besonderes. Du und … deine Maschine. Ich bin schon richtig gespannt darauf, euch im Kampf zu sehen“, mit gehobenen Mundwinkeln verkündete er so seine Meinung zu dem Thema. Er wollte zuerst sehen, was es damit auf sich hatte, und das ging am besten, wenn sie Blaire und Percival im Training sehen. Sich nur rein an den Erzählungen eines Einzelnen zu orientieren, das reichte nicht aus. Taten sprachen meist mehr als Worte. Mit einem Mal drehte er sich zu Samuil um.
 

„Mein lieber Samuil! Bitte sei so nett und lass ihn morgen mit den anderen Neuen trainieren. Ein kleiner Schaukampf, gegen unsere Piloten. Um die Fähigkeiten der glorianischen Kämpfer und die der neuen Navigatoren zu testen. Wir werden zusehen und uns dann ein Bild von der Situation machen“, abwarten und Tee trinken, das war oft Ammadons Strategie. Ja nichts überstürzen. Auch wenn er gerade selber kurz davor war, die Kommandantin zu kontaktieren und zu Rede und Antwort zu stellen. Aber das wäre nicht klug und würde nur die Harmonie zwischen den Kolonien gefährden. Lieber selbst sehen, was an der Sache dran war.
 

Blaire wurde sofort hellhörig, als es darum ging, zu kämpfen. Kämpfen … Ja, das war seine Leidenschaft. Das liebte er. Mit Percival an seiner Seite fühlte er sich unbezwingbar und es war nun die Zeit gekommen, das zu beweisen. "Ich kämpfe gegen jeden, der sich traut, gegen mich anzutreten. Und dann zeige ich euch, was wahres Talent ist. Dann wird niemand mehr über Percival lachen, nur weil er ein älteres Modell ist." Mit einem Schulterzucken gab er seine Zustimmung, an so einem Training teilzunehmen. Sollten sie nur mit eigenen Augen sehen, dass die Geschichten über seine Synchronisationsrate stimmten. Was war auch schon dabei? Blaire war stolz, etwas Besonderes zu sein.
 

„Wie wäre es, wenn ich gegen eure Elitepiloten antrete? Jeder kennt sie. Sie sind Berühmtheiten und sollen die besten Piloten von allen Kolonien sein. Die Elite von Heliopolis … Fünf außergewöhnliche Piloten … Ich würde gerne sehen, ob der Rummel um sie stimmt. Ob sie wirklich so gut sind, wie alle behaupten!“ Das klang fast nach einer Herausforderung. Aber er bekam viel über ihre Kämpfe und Missionen mit, das kam auch täglich in den Nachrichten. Und gegen sie anzutreten … Das war doch schon eine Ehre. Nun war Blaire auch gar nicht mehr sauer, dass Cecil ihr Geheimnis ausplauderte. Nein, es gab ihm die Chance, sich zu beweisen.
 

Aber Samuil war anderer Meinung und zerstörte gleich die Hoffnung von Blaire. „Du wirst nicht gegen die Elite antreten. Sie haben andere Sorgen und keine Zeit. Gut, wenn das alles war, weswegen ihr mich brauchtet, ist die Besprechung nun beendet. Die Elite ist gerade auf einer Mission, ich muss bei der Überwachung dabei sein. Um den Rest könnt ihr zwei euch kümmern.“ Und kaum sprach er zu Ende, verließ er auch schon den Saal und überließ dem Ehepaar die beiden Jungs.
 

„… Er hat kaum etwas gesagt … Meinst du, er plant etwas? Das sehe ich ihm sofort an.“ Ammadon klang ziemlich besorgt, aber dass Samuil solch ein Desinteresse zeigte, war nur ein Zeichen, dass er sich bereits mehr Gedanken machte, als alle anderen. Er kannte den Mann zu gut. Aber bevor sie darüber diskutieren konnte, mussten sie sich erst einmal um Blaire und Cecil kümmern.
 

„Nun … Ich hoffe, ihr seid so gut, und behaltet das alles hier für euch. Es war auf der Gloriana auch ein Geheimnis, also … macht einfach so weiter, klar?“ Vilkas sprach ein klares Machtwort aus, sie durften nichts weiter ausplaudern. Wenn sich herumsprach, was Blaire und seine Maschine verband, würde das nur Probleme geben, vor allem unter den Schülern. Kinder konnten so grausam sein und machten Menschen mit besonderen Gaben schnell zu Außenseitern. Das kannte er nur zu gut. Auch er hatte so seine Spitznamen in seiner Schulzeit.
 

Ammadon legte die Hände auf die Schultern der Jungs, mit hochgezogenen Mundwinkeln strahlte er mal wieder seine gewohnte Freundlichkeit aus, an der es auch fast nichts zu rütteln gab. „Ihr seid sicher müde und hungrig. In einer Stunde gibt es Mittagessen. Seht euch doch bis dahin eure neuen Quartiere an? Leider konnten wir euch keine Einzelzimmer geben, ich habe gehört, das ist in eurer Heimat so üblich. Hier lebt ihr zusammen mit den anderen in Doppelzimmern. Für ein besseres Gemeinschaftsgefühl. Keine Sorge, wir haben euch nette Zimmergenossen ausgesucht. Ihr werdet euch sicher verstehen.“, sprach er sanft erläuternd. Er wollte sie lieber erst einmal schonen und dafür sorgen, dass sie sich wie Zuhause fühlten. Immerhin war das ja nun ihre neue Heimat. Er schob die beiden zur Tür hinaus, blickte sich suchend um. „Ah, da sind sie ja. Kommt her, meine Süßen!“ Er winkte doch tatsächlich seinen Fanclub herbei. „Das sind Blaire und Cecil. Der schüchterne Junge ist übrigens euer neuer Kollege. Bringt sie doch auf ihre Quartiere, ja?“ Er zwinkerte den Mädchen zu, die daraufhin kicherten und schmachteten.
 

Blaire war gar nicht begeistert von diesen ganzen Mädchen. Sie waren … unheimlich. Aber das war das andere Geschlecht in seinen Augen immer. "Mich interessiert es eigentlich nicht, mit wem ich zusammenlebe, wo ich schlafe oder ob es Essen gibt. Ich will lieber noch mal nach Percival sehen und- ... Hey!" Er kam gar nicht mehr zu Wort, wurde von den kichernden Mädchen unterbrochen, die natürlich auf ihren Vorgesetzten hörten und die beiden Jungs packten. Sie zerrten sie mit, eigentlich war das doch der Traum eines jeden Jungen, von hübschen Mädchen eskortiert zu werden, aber für Blaire war das mehr wie eine Folter. Er schnaubte, blickte dann mit einem spöttischen Grinsen zu Cecil. „Da passt du ja gut hin, du Mädchen.“ Damit brachte er den Rothaarigen nur noch mehr aus der Fassung, als er es ohnehin schon war, denn diese Fangirleskorte war nichts für seine schwachen Nerven.
 

Irgendwann, am Weg durch das Wohnheim der Schüler, trennten sie sich dann. Blaire wurde vor einer Zimmertür abgeladen. Quartier 545. Das hatte er auch im Informationsschreiben auf seinem Kommunikationsgerät stehen. Nun konnte er ja nur hoffen, dass er wirklich einen angenehmen Zimmergenossen hatte, aber er hatte sowieso nicht vor, sich hier mit irgendjemandem anzufreunden. Es ging ihm nur um seine Aufgabe als Pilot. Er war zum Kämpfen hier, nicht, um es sich gut gehen zu lassen.
 

„Was für einen interessanten Jungen wir da nur an Land gezogen haben. Aber ich möchte trotzdem nicht, dass einer unserer Piloten zu Schaden kommt. Und er gehört nun zu uns.“ Ammadon war wirklich ein Mann voller Sorge, vor allem um die jungen Leute, die hier an der Akademie waren. Sie waren diejenigen, die sich entschieden hatten, für die Kolonien und für deren Überzeugung zu kämpfen. Dabei waren sie noch so jung. Aber es war kein Geheimnis, dass die besten Piloten Jugendliche waren. Je älter man wurde, desto schlechter war die Synchronisationsrate, desto schwieriger wurde es, eine Maschine zu steuern. Somit das Schicksal der Kolonien in die Hände von Kindern zu legen … Das war riskant, aber es hieß doch schon immer, Kinder seien die Zukunft, auch noch zu Zeiten, als die Menschen auf der Erde lebten.
 

Ammadon blickte neben sich, er bemerkte, wie Vilkas ihn sehnsüchtig ansah. Mit diesen liebevollen Augen. Ein Blick, der nur ihm galt, und sonst keinem Mann und keiner Frau auf dieser Welt.
 

„Es tut mir Leid, dass wir uns heute Morgen nicht gesehen haben. Wir konnten auch kaum miteinander reden … Ich habe dich nicht einmal richtig begrüßt. Du … Du siehst heute wieder wunderbar aus. Na, wie wär’s … Wollen wir gemeinsam in der Kantine Mittagessen?“ Vilkas klang richtig verliebt, als würde er seinen eigenen Ehemann um ein Date bitten. Aber es war auch nicht selbstverständlich. Ammadon war so beliebt, meist kam Vilkas immer jemand zuvor mit der Bitte, gemeinsam zu essen. Und weil der sanftmütige Mann nicht Nein sagen konnte, saß er dann mit immer mit seinen Navigatorinnen an einem Tisch. Manchmal fragte er sich sogar, mit wie vielen Leuten er sich eigentlich seinen Ehemann teilen musste ...
 

„Wie lieb von dir, Vilkas. Deine Komplimente schmeicheln mir am meisten.“ Und das war die volle Wahrheit. Auch wenn er sich gerne schön machte um von anderen umschwärmt zu werden, so war es letztendlich nur Vilkas, den er beeindrucken wollte. Und das gelang ihm immer wieder aufs Neue. Sanft legte er die Hände auf seine. “Natürlich esse ich mit dir zusammen. Heute gibt es Bohnensuppe, Steak mit Kartoffeln und als Nachspeise Erdbeertörtchen. Oh, wie sehr ich mich auf die Erdbeeren freue! Ich weiß zwar nicht, wie die in den anderen Kolonien schmecken, aber unsere sind die besten, das behaupte ich nun mal so.“
 

Jedes Mal wenn Ammadon solche zuckersüßen Worte von sich gab, bekam Vilkas fast einen Herzinfarkt. Womit hatte er es nur verdient, einen so schönen und so liebevollen Mann heiraten zu dürfen? Manchmal fragte er sich, ob er nicht im falschen Film war. Aber er schätzte sich sehr glücklich. „Gut, dann teile ich mein Dessert mit dir. Damit du noch mehr Erdbeeren hast.“ Und wenn er dann endlich ein wenig Zeit mit seinem Mann verbringen konnte, waren sie doch durch die Arbeit ständig verhindert, vergaß er auch zugleich alle Sorgen und er verzieh ihm, dass er andauernd diese Mädchen um sich herum hatte. Sie waren ja doch keine Bedrohung für ihn, soviel Selbstbewusstsein hatte Vilkas ja doch.

Nichts Besonderes und auch kein Lügner

Es war früh Abend und am Hangar kehrten vier Kampfroboter von einer Mission zurück. Vier von den fünf Elitemaschinen, die für Heliopolis kämpften. Sie waren Prachtexemplare von Kampfmaschinen, ihre Designs waren einzigartig, auch ihre Funktionen. Jede war ein Einzelstück und ein Unikat, nur die besten durften sie steuern.
 

Nefertem, die erste Maschine, mit fliederfarbener Lackierung. Sie war schlank und die Scharfschützenmaschine der Elite. Sie war mit den besten und präzisesten Schutzwaffen ausgestattet und ein wahres Ass im Fernkampf. Ihre Tarnvorrichtungen schützten sie vor dem Radar des Feindes. Neben ihr dockte die zweite Elitemaschine an, Bastet, eine rote Maschine mit breiter Schulterung und Armen. Sie war für den Nahkampf gebaut, ihre Waffe waren ausfahrbare Klingen an beiden Händen. Dank ihrem dynamischen Design und den flexiblen Schubkraftventilen konnte sie sich schnell über das Schlachtfeld bewegen und leicht ausweichen.
 

Auch die anderen beiden wurden mittlerweile im Hangar geparkt. Der dunkelblau gefärbte Anubis, Nahkämpfer mit hoher Reichweite dank einer doppelten Sense mit Laserklingen. Er war etwas schwerfälliger als die rote Maschine, aber gemeinsam waren sie im Kampf ein ideales Duo, um den Feind im direkten Schlagabtausch auszuschalten. Und zu guter Letzt war da Amun, die hellblaue Maschine und der Tank der Elite, primäre Waffe war ein Großschwert. Ihre doppelte Rüstung wurde durch ein zusätzliches Energieschild geschützt, machte sie aber auch wesentlich schwerfälliger. Aber wer sich einmal einem Hieb dieser Maschine in den Weg stellte, von dem blieb nicht viel übrig.
 

Die fünfte Maschine, Seth, verließ schon seit einigen Wochen nicht den Hangar. Um sie herum waren immerzu Techniker, auch in diesem Moment. Ihr Pilot war nämlich im Krankenhaus, aufgrund einer Verletzung in seiner letzten Schlacht. Die Schäden sah man noch heute an Seth und die Techniker arbeiteten Tag und Nacht daran. Aber Elitemaschinen waren komplizierter im Aufbau, sie zu warten kostete viel Zeit.
 

Die Elitepiloten gingen schnell ihre eigenen Wege, nachdem sie aus den Cockpits stiegen. Sie wechselten schon während der Mission genug Worte und wollten nun alle nur in ihre Quartiere und sich ausruhen.
 

So ging es auch ihrem neuesten Mitglied. Es verließ schnurstracks den Hangar in die Umkleidekabine, zog sich seinen hautengen, weißen Pilotenanzug mit dem hellblauen und orangefarbenen Muster aus und warf sich in seine Schuluniform. Der Junge verstaute seine Sachen in einem Schließfach, stoppte kurz vor einem Spiegel, um seine durch den Helm zerzausten weiße Haare zu richten und war auch schon wieder weg, ehe seine anderen männlichen Kollegen den Raum betraten. Als er das Gebäude verließ, um ins Wohnheim zurückzukehren, machte er kurz Halt. Er öffnete seine Sporttasche und holte einen metallenen Würfel heraus. „Die Luft ist rein … Du darfst dich wieder rühren.“
 

Gesagt, getan, der Würfel bewegte sich, vibrierte und begann dann, sich zu transformieren, bis vor dem Jungen ein kleiner Roboterhund saß, der fröhlich bellte. Er sah aus wie ein Spielzeug, durch die bunten Farben, aber benahm sich relativ natürlich, wie ein echter Hund eben. Er musste zwar nie Gassi gehen und brauchte auch kein Futter, dafür gehörte sein Akku jede Nacht aufgeladen. Er war das Haustier des Piloten, aber nicht gerade gern gesehen, weswegen er ihn stets verstecken musste. Er brachte es aber auch einfach nicht übers Herz, ihn in seinem Quartier zu lassen. Er war der Meinung, auch Maschinen würden sich einsam fühlen. Grundsätzlich hatte er eine seltsame Beziehung zur Technik. Sein Spitzname war „der Maschinenflüsterer“, da er sogar mit den Kampfrobotern sprach und es immer so wirkte, als würden sie ihm antworten. Auch an diesem Tag sprach er wieder mit Amun, der Maschine, die er steuerte.
 

Lyial Oz, der eigentlich von Memphis Theta, einer weiteren Kolonie stammt, strandete eines Tages mit einer größten Teils zerstörten Transportmaschine im Umfeld von Heliopolis. Er war ein Flüchtling und schaffte es an jenem schicksalhaften Tag von der Kolonie zu fliehen, welche von den Neumenschen angegriffen und besetzt wurde. Dass solch ein Wrack von Schiff dabei einen Warp unbeschadet überstanden hatte, grenzte an ein Wunder. Mit einigen anderen Flüchtlingen rettete er sich so aber nach Heliopolis.
 

Der Angriff auf Memphis geschah lautlos und schnell, es war ein Überfall, den keiner vorhersehen konnte. Mit einem Mal waren sie da, die Neumenschen mit ihren Schiffen und Kampfrobotern. Alle anderen Kolonien konnten nur davon berichten, dass der Kontakt von einer Sekunde auf die nächste abbrach. Memphis selbst erlebte einen Blackout, die komplette Energieversorgung war weg, das Abwehrsystem, die Überwachung, nichts funktionierte mehr. Das war das erste Mal, dass Neumenschen das System einer Kolonie hacken konnten, sie legten alles lahm um dann aus dem Hinterhalt einfallen zu können. Und so fiel Memphis Theta in die Fänge des Feindes. Es war nicht bekannt, wie es dort nun aussah, aber womöglich hatte sich der Feind die ganze Kolonie einverleibt.
 

Lyial, einer der wenigen, der es also schaffte, zu fliehen, hatte jedoch keine Erinnerung mehr an sein Leben auf Memphis. Das einzige, was ihm blieb, war sein Name. Sein Datenblatt war unvollständig, lediglich sein Name und seine Ausbildung als Pilot waren dort angegeben. Er war ein Pilot, der für Memphis kämpfte und dieses Wissen und seine Fähigkeit lag ihm im Blut, das war das einzige, was ihm noch blieb. Er wurde auf der Akademie eingeschrieben, bewies sich schnell zum Musterschüler und bekam vor zwei Monaten sogar einen Platz in der Elite.
 

Trotz der steilen und bewundernswerten Karriere war Lyial ein verschrobener Junge. Er war immer alleine, sprach mit Maschinen und ging selbst seinen Elitekollegen aus dem Weg. Letzteres lag aber auch nur daran, dass sie ihn bis heute nicht wirklich akzeptierten. Er kam nämlich nur in die Elite, da der vorherige Pilot von Amun im Kampf gegen die Neumenschen ums Leben kam. Es war keine schöne Aufgabe, jemanden ersetzen zu müssen, der von seinen Kollegen so geliebt wurde. Lyial war nicht beliebt, das war kein Geheimnis.
 

Und dann waren da noch diese Verhöre, denen er jeden Tag beiwohnen musste. Da bis heute unklar war, was genau auf Memphis Theta geschah, wollte man mehr darüber erfahren. Es war wichtig, vor allem für die Sicherheit der anderen Kolonien. Die Regierung von Heliopolis sah in Lyial einen Schlüssel dafür, er war Pilot, er hatte an jenem Tag bestimmt gekämpft. Aber … seine Amnesie machte ihnen einen Strich in die Rechnung. So sehr er sich anstrengte, so sehr er jedes Mal auf neue mit denselben Fragen durchbohrt wurde … seine Erinnerungen kehrten nicht wieder. Lyial war nach solchen Verhören immer sehr müde und erschöpft, erst kurz vor Missionsantritt hatte er wieder eines. Es war nicht angenehm, ein unbeschriebenes Blatt zu sein. Aber dennoch gab er sich Mühe, etwas aus sich zu machen. Auch wenn er vielleicht nicht mehr derselbe war, wie einst. Aber da er ja nicht wusste, wie er war, wirkten sie auch nicht wie ein großer Verlust auf ihn, dieses Erinnerungslücken.
 

Mit einer Chipkarte öffnete er die Tür zu seinem Quartier. Es war sehr sauber, ordentlich und aufgeräumt. Das Bett, für seinen Gebrauch viel zu groß, war stets gemacht, keine einzige Falte auf dem Bettzeug. Auf seinem Schreibtisch herrschte Ordnung und nirgends sah man persönliche Dinge von ihm, während andere ihre Zimmer mit Postern und anderem Dekor personalisierten. Lyial mochte nicht viele Dinge, er hatte keine Lieblingsfernsehsendung. Keinen Lieblingsmusiker. Keine wirklichen Interessen. Da er nicht mehr wusste, was er einst mochte, war es anstrengend, sich neue Hobbys zu suchen oder sich für irgendetwas zu begeistern. Aber er mochte die Roboter, er mochte es, Pilot zu sein. Und er mochte seine Kollegen, auch wenn das Verhältnis noch sehr unterkühlt war.
 

Als er den Raum betrat, war die Atmosphäre irgendwie ganz anders. Erst wusste er nicht so recht, was das für eine Empfindung war. Aber dann ratterte es langsam in seinem Gehirn. Hier war jemand. Jemand war in seinem Quartier. Irritiert sah sich Lyial um. Das war das Gefühl, wenn jemand anderes anwesend war, es war ihm nur nicht ganz vertraut, er hatte ja nie Besuch. Und ganz plötzlich sah er auch diese Person. Er erschrak so sehr, dass er einen Satz zurück machte und fast dabei stolperte. Seine großen sonnengelben Augen starrten den dunkelhaarigen Jungen an, der gerade dabei war, sein Gepäck auszupacken und zu verstauen.
 

Diese Person kannte er nicht. Es war ein Junge, etwa in seinem Alter. Er wirkte etwas wild, lag bestimmt an seiner Frisur, oder doch seiner Haltung. Oder waren es die roten Augen, die ihm auffielen, als sich ihre Blicke trafen?
 

Hatte er jemand zu sich eingeladen und es vergessen, fragte sich Lyial, denn er vergaß ja doch öfters Dinge, vor allem Namen und Personen. Weiter ratterte es in seinem Kopf. Vielleicht war dieser Junge ja ein Einbrecher, aber ohne Chip-Karte würde er nicht die Tür öffnen können. Außerdem, was würde ein Einbrecher mit seinem eigenen Gepäck hier machen?
 

„Wer … Wer bist …“, wollte er schon fragen, dann viel es ihm wieder ein. „Ahhh!“, rief er japsend, er erinnerte sich an das, was ihm der strenge General an diesem Morgen gesagt hatte. Er würde einen Zimmergenossen bekommen. Und das hatte er doch glatt vergessen. Dann war dieser Junge also … sein neuer Mitbewohner.
 

„Du bist der Neue …“, murmelte er leise, ein wenig erleichtert, dass er wirklich kein Einbrecher war.
 

"Ich ... Ja, genau. Ich bin der Neue. Von der Gloriana.“, antwortete Blaire etwas kühl, er war selbst überrascht darüber, einen Mitbewohner zu haben, immerhin sah es diesem Zimmer aus, als würde hier niemand wohnen. Alles so sauber und steril, das ließ ihn schon daran denken, dass er nicht doch vielleicht alleine wohnen durfte. Aber dann kam ja Lyial zur Tür herein.
 

Bei dem machte sich nun aber Nervosität breit. Er hatte die Sache so sehr vergessen, dass er sich nun sorgte, das Zimmer wäre nicht aufgeräumt genug gewesen. Ganz hektisch und voller Panik begann er, die Oberflächen abzustauben und die bereits geglätteten Falten auf der Bettwäsche noch einmal zu ebenen. „Bitte … verzeih mir … die Unordnung …!“, keuchte er, da ihm bereits die Puste ausging, vor lauter Aufregung. Aber er übertrieb auch maßlos, denn von Unordnung war nun wirklich nicht die Rede. Dies war jedoch Lyials zweiter großer Tick, er hatte einen regelrechten Putzfimmel, zumindest was seine eigenen vier Wände betraf. Er hatte ja auch sonst keine Hobbys, also beschäftigte er sich damit, sein Quartier immer in tiptop Zustand zu halten. Dabei gab es hier Reinigungskräfte, die das übernahmen, aber von denen tauchte schon lange keiner mehr auf. Sie wussten, die Mühe war vergebens, hier war alles blitze blank sauber.
 

Lyials plötzliche Zerstreutheit irritierte Blaire sehr, er konnte nicht ganz nachvollziehen, was sein Problem war. Er gab Lyial einen leichten Tritt gegen den Hintern, der ihn aufs Bett beförderte.
 

„Autsch … !“, ächzte Lyial nur nachdem er mit der Nase auf dem weichen Kissen landete.
 

"Ich heiße Blaire Tyndall. Anscheinend muss ich mir mit dir das Zimmer teilen, also komm mir nicht in die Quere, ja? Und jetzt hör auf mit dem Quatsch. Es ist mir egal, ob das Zimmer sauber oder dreckig ist. Ich werde sowieso nur hier sein, um zu pennen. Und nicht mal da bin ich mir sicher." Mit diesen Worten zog er sich die Jacke aus und warf sie über eine Stuhllehne.
 

Lyial setzte sich auf, hielt sich das Gesicht. Er hatte sich nicht wirklich wehgetan, aber es war trotzdem ein unangenehmes Gefühl, so geschubst zu werden. Etwas eingeschüchtert sah er zu Blaire auf. „Ich … Ich heiße Lyial Oz. Uhm … Wie das Wort „Liar“ … nur … mit L … Aber … ich bin kein Lügner!“ So stellte er sich immer vor, sonst sprachen die meisten seinen Namen falsch aus, wenn sie ihn nur lesen würden.
 

Plötzlich klingelte es an der Tür und Blaire öffnete sie einfach, ohne eine Sekunde zu zögern. Es war ein Lieferant, der ihm ein paar Pakete vorbeibrachte. Während er sich mit diesen beschäftigte, sprach er weiter mit seinem neuen Mitbewohner.
 

"Du bist auch ein Pilot, richtig? Ein Navigator kannst du schlecht sein, es gibt ja keine männlichen hier, ausser dieser tuckige General. Bist du gut?“ Eigentlich interessierte sich Blaire nicht für Lyial persönlich, sondern nur für sein Können. Piloten hatten für ihn mehr Wert als Techniker oder Navigatoren.
 

„Ja, ich bin Pilot … aber … n-nicht so gut … Glaub ich … Ich bin nichts Besonderes.“ Er schätzte sich immer schlechter ein, als er eigentlich war. Als Pilot galt er als schnell und wendig, trotz der großen Waffen, die Amun führte, konnte er ihn perfekt koordinieren. Seine Synchronisationsrate lag bei knapp neunzig Prozent, überdurchschnittlich, auch in der Elite. Ja, er war in der Elite. Hätte er das nicht vor Blaire erwähnen sollen? Nun hatte er aber andere Sorgen, denn plötzlich lag überall Blaires neues Zeug herum.
 

Aber Blaire sah Lyial nun auch gar nicht mehr an, der Inhalt seiner Pakete war faszinierender, er verstreute ihn am ganzen Bett. Es war sein ganzes Equipment, welches er als Schüler an dieser Akademie benötigte. Schuluniform, schulinternes Kommunikationsgerät und natürlich der Pilotenanzug. Aber mit Letzterem war er nicht ganz so einverstanden: „W-Was ist denn das für ein Fetzen? Ist das ... Latex oder so? Fühlt sich jedenfalls so an ... Ist der etwa auch hauteng?! Bäääh! Ich will doch nicht nackt herumlaufen, das ist total pervers!"
 

„Gefällt dir … der Anzug nicht? … Er ist sehr praktisch …“, sprach Lyial leise, „Bietet viel Spielraum für Bewegung, ist also richtig dynamisch, da er sich dem Körper perfekt anpasst. Feuer- und rissfest. Und er steigert die Synchronisation um mindestens zehn Prozent, denn je leichter das Material der Kleidung, desto stärker kann man sich mit dem System der Roboter verbinden. Man spürt ihn kaum, trotzdem schützt er uns vor allen Einflüssen. Und in ihm ist ein Chip eingebaut, der die Daten des Piloten gespeichert hat und ein Ortungssignal aussendet.“ Lyial erklärte ihm alles bis ins Detail, da es wohl keiner vorher getan hatte. Hautenge Kampfanzüge, sie waren nicht nur der letzte Schrei, sondern wirklich sehr effektiv.
 

Blaire drehte den Anzug in alle Richtung. „Wie kommt man da rein? …“, war die einzige Frage, die er sich gerade stellte. Er stellte sich vor, wie man ewig brauchte, um so etwas anzuziehen. Und das Design gefiel ihm auch nicht sonderlich. Auf der Gloriana trugen sie richtige Pilotenjacken, das war bequem und nicht so freizügig.
 

„Gibt es so etwas nicht auf der Gloriana?“ Und da fiel Lyial auf, dass er gar nichts über diese andere Kolonie wusste. „Wie ist es bei dir zuhause?“, fragte er deshalb neugierig, fing aber nebenbei an, das ganze Zeug auf dem Bett zu sortieren, zusammenzulegen und zu Blaire zu schieben, damit er es verstauen konnte.
 

"Was meinst du? Wie es sich von hier unterscheidet? Unsere Uniformen sehen halt militärischer aus. Der Stoff ist ziemlich dick. Das war immer praktisch, wenn ich draussen oder in Percival gepennt habe. Ich bin auch erst seit kurzem hier, deswegen kann ich nicht groß sagen, was sich alles von der Gloriana unterscheidet. Aber die Leute sind dort zurückhaltender. Jeder kümmert sich um seinen eigenen Dreck, verstehst du?“, sprach er, aber nicht mit wirklich großem Interesse. Es war ja auch nicht so, als würde er sich mit Lyial anfreunden wollen.
 

Aber Lyial dachte schon, dass sich das nach einer ganz interessanten Kolonie anhörte. Hier waren alle sehr freundlich, auch wenn es manchmal etwas oberflächlich wirkte. So wie die anderen Piloten und Navigatoren immer nett zu ihm waren, aber er genau spüren konnte, dass sie ihm nicht so sehr vertrauten, wie er es sich wünschte. Er seufzte leise, als er sich an die vielen unwohlen Situationen erinnerte, in denen er schiefe Blicke erntete, oder sein Verhalten mit einem falschen Lächeln abgetan wurde. Und in den ganzen Kämpfen, in denen seine Partner ihn in den Hintergrund drängten, weil es ihnen unangenehm war, einen anderen Piloten im Cockpit von Amun zu sehen.
 

So wie Blaire ihn gerade behandelte, schien er nicht begeistert davon zu wirken, hier zu sein. „… Stört es dich, dir ein Zimmer mit mir zu teilen?“ Lyial wollte nicht enttäuscht wirken, aber durch diese Frage wirkte es doch so. Er wünschte sich nun mal Freunde, richtige Freunde, aber er war einfach nicht sozial genug. Wenn die anderen Späße machten, verstand er nichts. Humor? So etwas kannte er nicht. Noch nie sah ihn jemand Lächeln, geschweige denn richtig herzhaft lachen. Er konnte bei ihren Gesprächen nie mitreden, weshalb er es immer vorgezogen hatte, zu den drei Mahlzeiten am Tag in seinem Quartier zu bleiben und seine Freizeit alleine zu verbringen.
 

Aber dann riss Blaire ihn aus seinen besorgten Gedanken, woraufhin er richtig erschrak. Er drehte sich auch zu plötzlich um und packte ihn direkt am Kragen. „Hey, Lügner. Zeig mir die Stadt. Du kennst dich hier aus, richtig? Nur eine kleine Tour, danach kannst du wieder putzen und aufräumen, keine Sorge."
 

„W-Wenn du mich dann loslässt, gerne …“, flüsterte er, da ihm etwas die Luft fehlte, um lauter zu sprechen. Aber wenigstens kam er so wirklich frei und richtete sich gleich den Kragen, da er auch auf ordentliche Kleidung Acht gab.
 

Und ehe er sich wieder beruhigen konnte, erschrak er erneut, aber diesmal wegen einem lauten Bellen. Er hatte seinen Roboterhund ganz vergessen, der sich nun bemerkbar machte und Laute von sich gab. Bevor das mechanische Tierchen zu Blaire laufen und ihn vielleicht auch noch beißen wollte, schnappte ihn sich Lyial und hob ihn hoch. Er sah in Blaires Gesicht eine gewisse Irritation, immerhin war das ein knallbunter Spielzeugroboterhund.
 

„Das ist Merlinowitsch. Oder nur Merlin … Mein … Haustier. Er war bei mir, als ich nach Heliopolis flüchtete. Muss wohl mal mein treuer Gefährte gewesen sein, schätze ich … Deshalb … vertraue ich ihm nun auch und sorge für ihn.“
 

"Du gibst diesem Schrotthaufen einen Namen und behandelst ihn ... wie einen Freund? Mann, du bist ja echt ein Freak. Aber ich bin wohl auch nicht besser. Manchmal rede ich auch mit Percival. Der gibt mir aber keine Antworten." Blaire musterte das Ding mit einem neutralen Blick, fuhr dann fort: „Es ist eine verdammte Maschine und die sind nicht zu Gefühlen fähig. Außer du hast einen echten Hund zu einer Zombie-Blechdose umgebaut. Aber so was trau ich nur den Neumenschen zu. Nimm ihn mit, wenn es dir so wichtig ist.“ Mit einem genervten Seufzer zog er sich seine Jacke wieder an. "Komm jetzt, oder wollen wir hier ewig rumtrödeln? Du bist nicht wirklich der Schnellste, oder?"
 

„So langsam bin ich nun auch nicht … Und sag bitte nichts gegen Merlin. Er ist empfindlich. Wenn du ihn beleidigst, wird er dich beißen.“, erwiderte Lyial leise. Aber scheinbar war er auch nicht so schnell, wie er dachte. Er konnte kaum schalten, da hatte ihn Blaire schon am Handgelenk gepackt und mitgezerrt.
 

Blaires Ziel war klar, er wollte eigentlich nur in den Hangar, zu seinem Percival. Aber auf dem Weg konnte ihm Lyial ja etwas herumführen. „Sag … Werdet ihr oft angegriffen? Gibt es oft Kämpfe? Ich möchte mich hier nicht langweilen. Immerhin bin ich hergekommen, um Neumenschen zu töten, nicht um Schulkind zu spielen.“ Mit einem Stirnrunzeln merkte er, wie Lyial wieder langsamer wurde, als er ihn nach einer Weile losließ. "Hey, beweg dich. Oder soll ich dich am Händchen führen? Ich kann dich auch tragen, du Schnecke."
 

Der Hund war auch nicht wirklich kooperativ, sondern rannte in alle Richtungen und bellte Leute an. „Himmel, die zwei waren wirklich hohl, Herrchen wie Hund.“, dachte sich Blaire nur.
 

„Entschuldige …“, nuschelte er nur, fing nebenbei seinen Hund ein, den er nun lieber trug, anstatt ihn frei herumlaufen zu lassen. „Es gibt oft Kämpfe. Heliopolis ist ein beliebtes Ziel der Neumenschen. Wenn es eines Tages in ihre Hände fällt …“, das sprach er aber nicht aus. Aber man konnte es sich schon denken … Eine Katastrophe für die Urmenschen.
 

Die Antwort war wirklich bittere Wahrheit. Begeistert über das Kämpfen war im Grunde keiner, denn auch wenn es manchmal so schien, es war kein Spiel. Nein, es war bitterer Ernst. Den Feind besiegen, es übers Herz bringen, jemanden zu töten, das konnte nicht jeder. Lyial schaffte es auch nur, weil er keinen Ansporn hatte, es nicht zu tun. Er tat es, weil er es scheinbar gut konnte. Er blendete einfach immer aus, dass Menschen in den Robotern saßen, gegen die er kämpfte. „Wir kämpfen oft direkt vor der Erde. Dort, wo die großen Schlachtfelder sind …“, fügte er noch hinzu.
 

"Wirklich? Das klingt gut. Ich brenne schon darauf, wieder in die Schlacht zu ziehen. Das bringt mein Blut immer zum kochen. Und die Erde habe ich noch nie gesehen. Außer auf Bildern ..." Aber Blaire war ein Kämpfer. Er hatte keine Hemmungen, zu töten. Und er hasste die Neumenschen, das war Grund genug, alles im Kampf gegen sie zu geben. Er war auch immer sehr erfolgreich, selbst als blutiger Anfänger. Aber für jedes nette Wort seiner Lehrer und der Kommandantin, gab es tausende geflüsterte Beleidigungen und Gerüchte über ihn. Die Neider waren überall. Inzwischen hatte er gelernt, je mehr Neider und Feinde man hat, desto besser ist man. Denn wer nimmt sich schon die Zeit, einen Niemand, einen Versager zu hassen? Mit diesen Gedanken half er sich in schlechten Zeiten immer aus.
 

„Wolltest du dir nicht das Gelände ansehen? Wenn du so hetzt … siehst du ja gar nichts …“ Lyial kam wirklich kaum hinterher.
 

Kurz blickte Blaire nach hinten, zu dem Nachzügler. "Ich wollte nur sehen, welche Wege man gehen muss. Anschauen tu ich mir alles in Ruhe, wenn ich allein bin. Du bist sozusagen mein Wegweiser." Er hatte schon eine kleine Karte im Kopf, die ihn zu den wichtigsten Orten und zurück brachte. Blaire hatte schon oft von seinem guten Orientierungssinn profitiert.
 

„… Sag … Wer ist dieser Percival? Ist das … Ist das deine Maschine?“, fragte Lyial dann aus heiterem Himmel, als er sich daran erinnert, dass Blaire diesen Namen doch irgendwann vorhin erwähnt hatte. Und so wie er nickte, hatte er wohl gut geraten. „… Hast du ihn von Zuhause mitgenommen? … Er ist sicher ein guter Freund, wenn er dich begleitet.“
 

"Percival ist mein Roboter, ja. Er kommt von der Gloriana, dort ist es üblich, das die Roboter Namen aus der Artussage tragen. Lancelot, Galahad, Gawain, Morgana und … Merlin. So wie dein Hund …“
 

„Es gibt dort einen Roboter namens Merlin? … Merlin, hast du das gehört? Das ist sicher dein großer Bruder. Sei stolz.“ Ja, diese Worte meinte er auch völlig ernst. Welch hübsche Namen das doch alle waren. Manche Maschinen hier hatten unaussprechliche Namen, Ägyptisch sei Dank. Jede Kolonie hatte ihre Referenzen zur Mythologie. Die Gloriana war englisch, und Heliopolis eben ägyptisch.
 

"Am Anfang gab es noch Schwierigkeiten, weil ich ihn mitnehmen wollte. Aber die Kommandantin hat das alles für mich geregelt. Und ich kümmere mich ja auch selber um ihn, also muss sich keiner eurer Techniker die Hände schmutzig machen. Gut, dieser Typ wollte das ja unbedingt ... und dann noch meinen Programmierstil beleidigen, hmpf ... Dem werd ich noch zeigen, wo der Haken hängt." Blaires Blick wanderte stetig umher, während er sich mit dem Jungen unterhielt. Er musste zugeben, der Campus der Akademie war schön anzusehen. Und die hohen Gebäude ... sein Herz schlug höher, mochte er es doch, solche zu erklimmen und den Himmel zu betrachten, auch wenn er künstlich war. Er hatte oft auf dem Dach des Roboterhangars geschlafen, als er noch auf der Gloriana war.
 

Lyial bemerkte den verträumten Blick in Blaires Augen, fragte sich, woher das nun kam.
 

„Ich bin mir sicher, Percival ist glücklich über deine Fürsorge. Ich wünschte, meine Maschine würde mir endlich vertrauen … Aber stets sagt sie nur „Du bist nicht mein Pilot.“, „Wo ist mein Pilot?“, „Warum kommt er nicht wieder?“ … Das ist traurig … Er vermisst seinen alten Freund so sehr …“ Lyials Synchronisation mit Amun war zwar hoch, aber sie fühlte sich nicht richtig an. Und er hatte noch viel zu lernen im Umgang mit ihm. Er verstand selbst nicht, weshalb er diesen Posten kam, er war wohl der beste der Bewerber. Dabei hatte er sich nicht einmal selbst beworben, sondern platzte durch Zufall in die Testläufe. „Ich muss mich noch mehr anstrengen, damit er mir eines Tages voll und ganz vertraut.“, sprach er mit Zuversicht. Das war eine gute Eigenschaft von ihm, er versuchte positiv zu bleiben und nach vorne zu sehen. Denn hinter ihm lag nichts, er hatte keine Vergangenheit, an die er zurückdenken konnte.
 

Blaire sah nach den letzten Worten des weißhaarigen Jungen nur blinzelnd und die Stirn runzelnd zu ihm. Er war sich nicht sicher, ob er gerade richtig gehört hatte. "Du sprichst mit deiner Maschine ... und sie antwortet dir? Bist du völlig durchgedreht oder hörst du wirklich ihre Stimme?" Manchmal wünschte er sich schon, Percival würde mit ihm reden können. Dann wäre es einfacher, ihn zu reparieren und programmieren. Trotzdem war das alles in seinen Augen ein wenig abgedreht. "Du bist echt ein Spinner, weißt du das? Du redest mit Maschinen und diesem Roboterhund ... Hör lieber auf damit. Du wirkst nicht so, als könntest du es ertragen, von anderen niedergemacht zu werden. Und das passiert dir sicher, wenn du solche Dinge tust. Neumenschen sprechen mit Maschinen. Willst du wie ein Sympathisant wirken?"
 

„I-Ich bin kein Sympathisant … Sie haben meine … Heimat zerstört … aber Maschinen haben auch Gefühle!“ Seine Stimme klang schon etwas zittrig, zu oft hatte man ihm schon dasselbe gesagt. Er war wie ein Neumensch. Aber auch nur, weil sich jeder vorstellte, sie würden mit Maschinen sprechen. Wie sie wirklich tickten, das wusste hier doch auch keiner genau. Der einzige Kontakt zu ihnen war der Krieg. Nur im Kampf sahen sie Neumenschen, beschäftigten sich aber nie mit ihnen. Aber umgekehrt war es wohl genauso. Der Hass war so groß, dass sie es nicht einmal für wert empfanden, die jeweils anderen, ihre Feinde, genauer zu betrachten.
 

Blaire ließ das Thema lieber fallen, es war zu anstrengend, nun eine Diskussion zu starten. Für ihn waren Maschinen nur … Maschinen. Werkzeuge. Oder eben wie sein Percival, Waffen.
 

„Hier geht es zum Hangar, richtig? Gut, ich will Percival sehen. Hoffentlich haben diese Techniker ihn nicht angefasst, als ich weg war!“ Dabei vergingen kaum drei Stunden, seit er zu den Generälen musste und dann anschließend von einer Meute kichernder Gören auf sein neues Quartier gebracht wurde.
 

„Meinst du, Percival fürchtet sich, wenn er alleine ist? Die Techniker sind aber alle ganz nett … Ich möchte ihn aber auch besuchen und kennenlernen.“ Er sprach von der Maschine wirklich wie von einem Menschen. „Na los, komm!“ Diesmal nahm Lyial das Handgelenk von Blaire und zog ihn mit.
 

"Er fürchtet sich sicher nicht. Er ist ein Roboter, eine Kampfmaschine. Die haben doch vor gar nichts Angst ... Oder meinst du doch?" Erst zu spät merkte Blaire, dass er auf diese Gefühlskiste mit den Maschinen nun doch einging und mitspielte. Er erwischte sich ja auch immer selbst dabei, mit Percival zu reden. Aber er wusste selbst, wie lächerlich das war. Und nun war da dieser komische Junge, der das total ernst nahm.
 

„Du hast gesagt, du schläfst immer bei Percival? … Ob Amun mich mehr mögen würde, wenn ich bei ihm schlafen würde …?“, fragte sich Lyial ernsthaft, aber er dachte nicht daran, dass das bequem sein würde. Das Cockpit war zwar perfekt für den Kampf, aber um darin ein Nickerchen zu halten? Er zweifelte ein wenig. Vielleicht war es in Percival auch einfach bequemer.
 

„Trotzdem solltest du lieber in einem Bett schlafen.“, meinte Lyial dann doch noch, bevor er es sich wirklich anders überlegte und bei seiner eigenen Maschine übernachtete.
 

„Bist du etwa scharf darauf, dass ich mit dir dieses riesige Bett teile? Tut mir ja leid, du bist nicht mein Typ. Das ist niemand. Da ich sowieso der Beste bin, gibt es niemanden, der meinen Ansprüchen gerecht wird. Außerdem schlafe ich nicht immer im Cockpit. Ich schlafe auch draußen, auf dem Dach. Der Anblick der Sterne beruhigt einen unheimlich.“
 

„E-Eh? S-So ist das nicht …“, nun wurde Lyial doch tatsächlich verlegen. Auch wenn sein Gesichtsausdruck meist derselbe war, erröten konnte er scheinbar doch sehr gut. „Ich hatte noch nie einen Mitbewohner. Du bist mein erster. Ich dachte nur, ich sollte deshalb … auf dich aufpassen.“ Eigentlich konnte es ihm ja auch egal sein, er lernte ihn gerade erst kennen. Aber wenn man schon gemeinsam lebte, konnte man auch aufeinander Acht geben. Und irgendwie … wollte er sich ja mit Blaire anfreunden. Aber so begeistert wirkte er ja nicht von Lyials Anwesenheit, auch wenn er diesen Spaziergang mit ihm wollte. Und Lyial war nicht gut darin, Freunde zu finden.
 

„Auf mich aufpassen? Ich denke, ich muss eher auf dich aufpassen!“, er lachte kurz auf und gab sich so nur selbst Recht. Lyial wirkte hilfloser wie ein ausgesetztes Hündchen.
 

Nachdem sie im Hangar ankamen, riss sich Blaire los. Es waren ja echt noch eine Menge Techniker hier ... solche Plagen. Das kümmerte ihn aber nicht mehr, als er Percival sah. Mit schnellen Schritten ging er zu ihm hin und inspizierte genau, ob er auch ja nicht angefasst worden war. "Morgen sollte ich dich etwas schleifen. Diese Kratzer und Dellen gehen mir langsam auf die Nerven. Aber erst nach dem Training. Dort zeige ich dann allen, was wir drauf haben!“
 

Langsam folgte Lyial dem aufgebrachten Jungen. Wie angewurzelt blieb er dann vor dem großen Roboter stehen. Das war also Percival. In seinen Augen wirkte er wie ein alter Herr. Nein, das war nicht richtig ausgedrückt. Wie ein erfahrener Profi, ein Krieger, der schon tausende Schlachten geschlagen hatte. Er war sichtlich beeindruckt, so wie er mit offenem Mund und großen Augen zu ihm aufsah.
 

Dann schritt er näher auf den blechernen Krieger zu, legte sanfte eine Hand auf das kühle Metall, fuhr einen großen Kratzer auf der Oberfläche mit seinen Fingern ab. „Er hat viel gekämpft. Viel gesiegt … seinen Stolz sieht man ihm an. Percival ist sehr beeindruckend.“ Lyial legte sie Stirn an die kalte Oberfläche von Percival. Er schwieg, wirkte vollkommen konzentriert, schloss sogar die Augen. Nach einiger Zeit löste er sich dann von seiner seltsame Geste.
 

„Er kann froh sein, so einen Piloten wie dich zu haben. Aber er hat Angst um dich. Du übernimmst dich manchmal. Das bereitet ihm Sorgen … Es würde ihm wehtun, wenn dir etwas zustoßen würde. Achte bitte mehr auf dich … Das hat er gesagt.“
 

Blaire warf Lyial einen verwirrten Blick zu. Obwohl er es "akzeptiert" hatte, dass der Junge mit Maschinen sprach, löste es immer noch etwas Unbehagen in ihm aus. Und Belustigung. Aber er sollte niemanden für seine seltsamen Hobbys verurteilen.
 

Locker verschränkte er die Arme hinter seinem Kopf, grinste ein wenig. "Ach, das hat er gesagt? Keine Sorge, keine Sorge. Mir geht's gut. Und ich mag es, mich zu überanstrengen. Kämpfe sind das Beste auf der Welt!" Er tat die Sache mit einem Schulterzucken ab.
 

„Ist kämpfen wirklich so toll …?“, fragte sich Lyial in Gedanken. Das kam ihm nie so vor. Aber er empfand es als eine Pflicht. Wenn man jemanden beschützen möchte, musste man kämpfen. Und der Elitepilot wollte seine Fähigkeiten für etwas Gutes einsetzen. Also kämpfte er.
 

Plötzlich schnalzte Blaire mit der Zunge, riss Lyial aus seinen Gedanken. "Ach ... hier sind mir zu viele Leute. Das kotzt mich doch ein wenig an. Meinetwegen, ich komm zurück. Aber wir sollten uns etwas wegen dem Bett einfallen lassen. Ich will nicht, dass du mir zu sehr auf die Pelle rückst …“ Er gab Lyial einen kleinen Schubs in Richtung Ausgang.
 

"Du bist der erste hier, der Percival nicht Schrott oder Oldtimer genannt hat. Vielleicht bist du ja doch nicht so übel, wie ich dachte. Intelligent wirkst du ja nicht, aber für einen persönlichen Diener wird es reichen." Eigentlich schätzte er die Leute auch ihrer Kampfkraft nach ein. Je stärker, desto mehr Respekt hatte Blaire vor ihnen. Obwohl er seinen Respekt auch eher auf andere Art und Weise ausdrückte ...
 

„P-Persönlicher Diener … ?“, murmelte Lyial ihm nach, er wusste manchmal nicht Recht, was Blaire eigentlich meinte. Aber es klang nicht sehr nett.
 

"Deine Maschine heißt Amun, richtig? Was ist das für ein Typ? Einer von diesen Neith-Dingern, von denen die Techniker gesprochen haben? Irgendwo habe ich den Namen schon einmal gehört …" Als Blaire ihn dann über Amun ausfragte, fiel Lyial ein, dass er ihm noch gar nicht erzählt hatte, dass er zur Elite gehört. Irgendwie … wollte er es auch nicht. Es war nichts, womit er prahlen wollte. So gut war er doch gar nicht.
 

„Amun ist … Nun … Er ist groß. Und hat schöne Farben. Er ist älter als die Neith, aber er wird ständig verbessert. Manchmal ist er mir zu grob im Kampf, aber das ist sein Charakter. Irgendwann wird er sich auch mir öffnen und wir werden gute Partner, daran glaube ich fest!“
 

Kaum hatte Lyial zu Ende gesprochen, wurde es mit einem Mal laut und hektisch im Hangar. Lyial kannte das schon, sogar Blaire als erfahrener Pilot konnte sich denken, was nun los war. Und die schrille Sirene, die ertönten, bestätigte ihre Vermutung. Ein Notfall. Der Feind war in die Nähe von Heliopolis gekommen.
 

Auch Lyials Kommunikationsgerät, ein kleines weißes Gerät mit Touchscreen und Hologrammfunktion, so wie es jeder Schüler an der Akademie hatte, piepte laut auf, als er eine Nachricht bekam. Er spielte sie ab und zuckte förmlich zusammen, als er die laute Mädchenstimme aus dem Gerät bellen hörte: „Los! Sofort an eure Posten!! Ihr werdet draußen gebraucht! Beweg dich! Und Lyial, lass den Hund nicht wieder ins Cockpit von Amun!!“ Die Stimme gehörte der Navigatorin der Elite, ein Mädchen namens Mellan. Und obwohl sie alle verfügbaren Elitepiloten anfunkte, sprach sie mit ihren letzten Satz Lyial direkt an. Auch nur, weil er einmal Merlin in das Cockpit mitnahm und der für Chaos gesorgt hatte …
 

„V-Verstanden!“, stotterte Lyial nur zurück, wendete sich dann ruckartig an Blaire. „Du solltest ins Quartier zurück.“, kaum sprach er das aus, lief er auch schon los. Und der dunkelhaarige Pilot blieb zurück, sichtlich frustriert. Er wurde ja nicht aufs Schlachtfeld gebeten, dabei wäre er nun gerne losgezogen. Aber dieser Junge, der sich selbst für nichts Besonderes hielt, durfte ausrücken. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich einfach Percival zu schnappen und auch in den Kampf zu ziehen. Letztendlich wollte er aber dieses Risiko doch nicht eingehen. Und wenn jemand wie Lyial ausrückte … Dann war das sicher kein ernstzunehmender Angriff.

Die Elitepiloten

Nach einer gelungenen Mission war der älteste der Elitepiloten, Golyath Panoptes, immer froh, dass es zu keinen Komplikationen gekommen war. Mittlerweile mussten die besten der besten nun schon zwei herbe Rückschläge einstecken. Zuerst starb ihr Kollege im Kampf, und nun war der Pilot von Seth, Clovis Adalhard, schwer verletzt worden.
 

Der Mann fuhr sich durchs schwarze, dünne Haar, wirkte etwas unsicher in seiner Haut, als er vor dem Krankenbett seines Kollegen stand. Er machte sowieso nie einen guten Eindruck, mit einer Körperlänge von fast einem Meter und fünfundneunzig Zentimeter ragte er über die meisten auf der Akademie hinaus. Noch dazu war er relativ dürr, seine Haut war blass, die Augen trüb und er hatte stets diese auffallenden Augenringe. Und ebenfalls eine unübersehbare Tätowierung bestehend aus Zahlen, Buchstaben und Strichcodes auf der linken Gesichtshälfte, ein Relikt aus einer schweren Vergangenheit, welches ihn immer daran erinnern sollte, wer und was er einmal war.
 

„Yo, mein bandagierter Freund. Wie geht es dir heute? Hat man dir noch nicht das Gehirn amputieren müssen?“, mit einem kleinen Witz auf den Lippen ließ Golyath sich auf den Stuhl neben dem Krankenbett nieder.
 

"Na, wen haben wir denn da? Meinen größten Fan. Oder sollte ich Verehrer sagen?", sprach sein Kollege, der auf dem Bett lag, mit einem breiten Grinsen und einem verspielten Zwinkern.
 

„Du siehst nicht mehr so halbtot aus, wie zuletzt“, kommentierte Golyath, „und klingst auch schon wieder so halbstark wie eh und je.“ Es war ein Versuch, ihn aufzumuntern, obwohl er wusste, das Clovis eine starke Persönlichkeit und viel Selbstbewusstsein hatte. Etwas, was Golyath auch gerne besäße. Und dann war er auch noch so gut aussehend, auch wenn in Golyaths Augen diese künstliche Bräune nicht sein musste, aber um die blonden Locken beneidete er ihn doch etwas.
 

Clovis war mit dreiundzwanzig Jahren nur zwei Jahre jünger als Golyath. Und er galt als Playboy. Er war von der Elite in den Medien am meisten präsent, dabei war er nicht einmal der Anführer. Trotzdem liebte er die Aufmerksamkeit und stand gerne im Mittelpunkt, ließ sich umschwärmen, von Frauen und von Männern. Und er schleppte dauernd jemanden ab, was eigentlich alle seine Kameraden und Vorgesetzten nicht so gerne sahen. Vor allem, wenn er mit seinem Status versuchte, junge Schönheiten aufzureißen und ins Bett zu bekommen. Und dazu brachte er gerne mal jemanden in den streng abgeriegelten Hangar und prahlte mit seinem Kampfroboter.
 

Vor zwei Wochen gab es einen Vorfall, als er auf einer Mission in der Nähe einer Neumenschenkolonie eine Spionageeinheit eskortieren sollte. Noch bevor sie brauchbare Informationen sammeln konnte, wurde er von einem Roboter mit einer gewaltigen Laserkanone abgeschossen. Dank seinem großen Glück und seiner schnellen Reaktion gelang es ihm, sich im Cockpit auf dem Boden zusammen zu kauern und entkam so knapp dem größten Teil des Laserstrahls. Trotzdem erlitt er Schnittwunden und Verbrennungen, die tödlich hätten enden können. Und seither lag er hier, bandagiert wie eine Mumie und musste tagelang das Bett hüten. Wenigstens hatte er Freunde und Kollegen, die ihn besuchen kamen und ihm halfen, die Zeit tot zu schlagen. Leider schlief er die meiste Zeit, dank den Schmerzmitteln. Aber heute hatte er noch keine "Drogen" bekommen und war wach, als Golyath das Zimmer betrat.
 

"Vielen Dank für das Kompliment. Ja, du hast recht, heute sehe ich wirklich annehmbar aus. Die Krankenschwestern haben das auch schon bemerkt und schenken mir heute ihre besondere Aufmerksamkeit~! Du hast dich auch nicht verändert, Graf Dracula. Du bist ganz blass, hast du noch kein Blut gesaugt?" Er lachte herzhaft, was aber ein wenig wehtat, ebenfalls seine Bewegung, um an den Knopf für die Bettsteuerung zu kommen. Mit einem Druck darauf konnte er aber die Lehne etwas anheben, von selber kam er noch nicht hoch.
 

„Deine Scherze sind genauso geschmackvoll wie meine. Deswegen mag ich dich, Kumpel.“ Golyath lehnte sich zurück, hob die Mundwinkel ein wenig amüsiert, als er Clovis ächzen und vor Schmerz stöhnen hörte. So klang er wie ein alter Mann, dachte er sich nur und fühlte sich gleich fünf Jahre jünger.
 

"Ich seh’ aus wie ein Krüppel. Und so werde ich auch behandelt. Wann kann ich endlich raus? Es ist anstrengend, den ganzen Tag zu liegen. Mir tut alles weh ... und die Verbände jucken. Ach, ich meckere wie eine unzufriedene Hausfrau. Was gibt es Neues bei euch?" Clovis war immer brennend interessiert, was seinen Kollegen so widerfahren war. Geschichten von einem Neumenschen-Angriff erwartete er natürlich nicht, denn sollte das der Fall sein, hörte man in der ganzen Kolonie Durchsagen und den Alarm.
 

„Alles klar bei uns. Na ja, bis auf Lyial, der spinnt wieder. So wie er dauernd mit Amun spricht … Das macht mich wahnsinnig. Franklin war nicht so verrückt. Wie konnten die nur jemanden aussuchen, der offensichtlich selbst ein Roboter ist?“ Schaubend rümpfte Golyath die Nase. Es war kein Geheimnis, dass er Lyial nicht ausstehen konnte. Er war dem alten Piloten von Amun, Franklin, auch sehr nahe gestanden.
 

„Lyial ist doch ganz niedlich. Er ist halt ein Träumer. Auch wenn diese seltsame Maschinenliebe wirklich ein wenig unheimlich ist …“ Irgendwie tat Clovis ja dieser „Maschinenflüsterer“ Leid. Er fand keinen guten Anschluss. Und er war so verschroben, es kam ihm vor, als würde er gar nicht wissen, wie man sich sozial richtig verhielt. Er ging ihm ja auch ständig aus dem Weg. Clovis wurde wieder hellhörig, als Golyath dann weiter von den Geschehnissen des Tages erzählte:
 

„Übrigens, heute sollen die neuen Piloten von der Gloriana eingetroffen sein. Angeblich auch so ein uralter Roboter … Alle zerreißen sich das Maul über den Spinner, der ihn steuert. Wollte keine der neuen Maschinen annehmen, ist das zu fassen? Morgen sollen wir bei ihrem Training zusehen. Vielleicht dürfen wir sie sogar aufmischen? Ich will diese alte Schrottbüchse zerlegen. So was hat in unsere Rängen ja wohl wirklich nichts zu suchen.“ Da sprach ein wenig die Arroganz aus Golyath. Er konnte sich nicht erklären, warum jemand eine alte Maschine einer der neuesten technologischen Errungenschaften vorziehen konnte. Und wie er gehört hatte, sollten die Neith als Vorreiter für zukünftige Verbesserungen der Elitemaschinen dienen. Also war wohl doch etwas dran, dass sie wirklich gut waren. Er konnte sich vorstellen, wie ihnen in Zukunft auf Missionen assistieren würden.
 

"Wirklich? Gloriana ... Ich habe gehört, die Leute dort sind steinhart und ziemlich arrogant. Sie nehmen nie Hilfe an, selbst wenn sie in Not sind. Wie die Piloten von dort wohl drauf sind? Klingt ja niedlich, sich so an eine alte Maschine zu klammern. Vielleicht hat er ja Heimweh? Ohhh ... Ihr dürft echt zusehen? Und ich sitze hier fest, super. Erzähl mir, wie es gelaufen ist, ja? Und bring den Jungen nicht zum Weinen, weil du sein Spielzeug kaputt machst. Ansonsten ... schick ihn zu mir. Ich kann ihn trösten, haha!"
 

Golyath verdrehte nur die Augen. „Du solltest dir das abgewöhnen. Wir Elitepiloten sind Vorbilder für jung und alt. Aber was du dauernd machst … Die Medien sind still um dich geworden, auch nur, weil du hier liegst und dich nicht bewegen kannst …“
 

„Wie gemein von dir! Ich bin ein gutes Vorbild. Ich pflege Beziehungen. Das solltest du dir auch angewöhnen. Aber vor dir haben alle nur Angst, Zombie!“, konterte Clovis, streckte dem vermeintlichen Untoten die Zunge heraus. Und dann grinste er wieder. "Sag, möchtest du mal Sex auf einem Krankenhausbett ausprobieren? Törnen dich Bandagen an? Wir können es ja ausprobieren~", ja, selbst Golyath war nicht vor dem geschickten Playboy sicher. Letztendlich war sein Ruf schlechter als das, was er wirklich tat. Er baggerte ja nicht alles und jeden an. Dafür gab es aber genug Anfragen. Täglich fand er Liebesbriefe in seinem Schließfach.
 

Aber erneut verdrehte Golyath nur die Augen. „Nein danke, wenn ich mit Mumien vögeln will, gehe ich einfach ins nächste Museum und krall’ mir so einen Pharao. Der hat wenigstens mehr im Leben erreicht.“
 

Clovis legte die Hand aufs Herz und tat so, als wäre er von seinen Worten schwer getroffen. "So eine Abfuhr tut weh! Du weißt ja nicht, was dir entgeht!"
 

Und dann unterbrach ihr Gespräch eine seltsam fröhliche Melodie, die irgendwie nicht ganz zur Krankenhausstimmung passte. Es war ein poppiger Song mit der Stimme einer niedlichen Sängerin. Vollkommen erschrocken zückte Golyath sein privates Mobiltelefon, es hatte ein großes Display und ein schlechtes Hologrammbild, diente aber auch nur zu privaten Zwecken. Nur wenige Leute konnten ihn darauf erreichen. Und sein Verdacht, wer ihn da nun wieder anrief, ließ ihn nur schlucken, als er sich bestätigte.
 

Direkt als er den Anruf annahm, zeigte das Display das Gesicht einer Frau mittleren Alters. „Goly, mein Schatz! Wo treibst du dich denn gerade herum? Ich hoffe nicht wieder in so einer versifften Bar. Du weißt, ich mag das nicht und du darfst dort sowieso nicht mehr hinein. Ohhh, ist das ein Freund von dir im Hintergrund? Hallo, hallooo! Mama ist hier!“ Sie winkte fröhlich, hatte sie wohl Clovis entdeckt. Der hob nur beschämt lächelnd die Hand, um die Geste zu erwidern.
 

Ein kalter Schauer lief jedes Mal über Golyaths Rücken, wenn seine Mutter anrief. Diese Frau konnte nie loslassen. Schon seit seiner Kindheit mischten sich seine Eltern immer in sein Leben ein. „Kein Wunder“, dachte er sich, das hatte er sich auch selbst zuzuschreiben. Eigentlich konnte er auch froh sein, dass seine Eltern nach allem, was er getan hatte, noch zu ihm standen. Die Röte stieg ihm ins sonst so blasse Gesicht, er drehte sich von Clovis weg uns sprach im Flüsterton.
 

„Mutter, bitte! Ich bin gerade … ähm ... auf einer wichtigen Mission. Du kannst mich nicht pausenlos anrufen!!“ Das Gespräch ging eine Weile so weiter, von so Fragen wie „Hast du dir heute schon die Zähne geputzt?“ bis hin über Peinlichkeiten wie „Ich weiß, wie gerne du Sex hast! Aber bitte vergiss nicht, zu verhüten! Du bist noch nicht reif genug für Kinder. Obwohl ich wirklich gerne einen Enkel hätte. Behalt das im Hinterkopf, mein Schatz!“ Am liebsten wollte Golyath das Handy aus dem Fenster werfen, oder Clovis an den Kopf, der sich hinter ihm förmlich zerkugelte.
 

Zehn Minuten vergingen, da gab seine Mutter endlich Ruhe und verabschiedete sich mit einem Holo-Küsschen. Und mit einem Mal lagen Golyaths Nerven völlig blank, sein errötetes Gesicht wurde blass, nein, noch blasser als zuvor. Nun wirkte er nicht mehr sehr lebendig. Als hätte ihm diese Frau mit ihrer Fürsorge die Seele ausgesaugt.
 

„Dein Klingelton … Stehst du immer noch auf dieses Popsternchen? Wie heißt sie noch mal? Mi … Milano?“
 

„Mico Miyaco!“
 

„K-Kein Grund so laut zu werden … Ah, du weißt, wie seltsam du wirkst, mit diesem Aussehen und der Vorliebe für dieses knallbunte Idol und ihrer unerträglich quietschenden Stimme …“ Er warf Golyath einen skeptischen Blick zu, aber für den hörte die Freundschaft auf, wenn es um sein geliebtes Idol ging.
 

„Mico Miyaco ist eine Inspiration für mich! Sie ist … fabelhaft … sie ist … super niedlich und … Ich liebe sie!“
 

„Sie ist keine vierzehn! Das wäre illegal!“
 

„So habe ich das auch nicht gemeint! Dreht sich bei dir alles nur um das eine?!“ Golyath war ein treuer Fan dieses Idols, das singen, tanzen und modeln konnte. Und er ließ es nicht zu, dass jemand schlecht über sie sprach. Trotzdem war es einfach ungewöhnlich für jemanden, der den Mann nicht kannte. Man würde sich doch eher harte Rockmusik als sein bevorzugtes Genre vorstellen ...
 

Plötzlich piepte sein Akademie-Kommunikator. Er hörte die Nachricht ab, stand dann von seinem Stuhl auf. „Das war Mellan. Wir müssen ausrücken. Dabei sind wir doch gerade erst zurück … Wie lästig. Halt die Ohren steif, ich komm morgen wieder vorbei. Und schau den Krankenschwestern nicht dauernd auf den Hintern!“
 

„Ein Auftrag? Ich möchte auch mit. Verdammt … Ach, hey, Golyath. Wenn du meine kleine Schwester siehst, sag ihr, sie soll vorbeikommen. Jedes Mal, wenn sie zu Besuch war, habe ich geschlafen.“ Eigentlich wollte er nur seiner Schwester einen Gefallen tun. Die war nämlich ein Fan von dem gruseligen Mann, als Pilot war er nämlich sehr beeindruckend. Und sie stand scheinbar auf Ältere.
 

„Deine kleine Schwester? Ach, diese Rotzgöre. Natürlich, warum nicht.“ Er zuckte mit den Schultern.
 

"Sie ist völlig in dich vernarrt. Sei etwas nett zu ihr, ja? Und zerstör nicht gleich ihre romantischen Träume, sie ist doch erst 14 ... … Genau wie dein Idol, hehe.“
 

„Klappe!!“, bellte Golyath nur, verließ dann das Krankenzimmer.
 

Mit einem tiefen Surren kam der Schießsimulator in den Trainingsräumen der Elite zur Ruhe, die Hologramme zeigten einen beeindruckenden Trefferquotient an, bis sie flackernd verschwanden. Das Mädchen, welche diese Leistung vollbrachte, legte die Pistolen zur Seite, verließ den Simulator, der in einer abgedunkelten kleiner Kammer eingebaut war, versehen mit Hologrammmonitoren, die das Training für die Außenstehenden sichtbar machten. Sie nahm ihren Helm ab, bewegte ihren Kopf hin und her, um ihre polangen blonden Haare zu lockern. Dann warf sie einen Blick über ihre Schultern hintern sich und öffnete den Mund: „Wir brauchen einen neuen Simulator. Dieser hier langweilt mich.“
 

„Du verbringst auch drei Stunden am Tag da drinnen!! Und jedes Mal erreichst du die Höchstpunktzahl! Kein Wunder, dass dir langweilig wird. Hast du es schon mit Videospielen probiert? Da kannst du auch alles und jeden abknallen.“ Auf einer Trainingsbank saß ihr Kollege, seine rotbraunen Haare waren kurz geschnitten und standen pfiffig ab. Er hatte immer einen frechen Gesichtsausdruck, wirkte wie ein Lausbube. „Heeeh, aber wenigstens bist du dadurch nicht so dumm und lässt dich abschießen wie Clovis. Maaaann, wegen dem stehen wir echt blöd da! Und Seth ist auch hinüber. Eigentlich gehört der Versager aus der Elite geschmissen!“
 

Das waren Sorata, die Anführerin der Elite und Alvis Tarcal, das jüngste Mitglied mit fünfzehn Jahren.
 

„Du solltest nicht so über Clovis reden. Er ist es, der dir doch immer den Hintern rettet. Genauso wie Golyath. Und vor allem ich. Wenn man jemanden rauswerfen sollte, dann dich … Aber da keiner so gut Bastet steuern kann, wie du, müssen wir mit dir auskommen.“
 

„Ahhh, wie gemein, Sorata! So schlecht bin ich nicht! Wenn uns einer runterzieht, dann wohl Lyial. Dieser unheimliche Freak! Lyial spricht sicher wieder mit irgendwelchen Monitoren am Akademieflur … Oder schließt Freundschaft mit dem Getränkeautomaten. Wer weiß, vielleicht ist er ja in Wirklichkeit einer von diesen Neumenschen? Ein Roboter, versteckt unter einem menschlichen Aussehen, der all unsere Alltagsgeräte rekrutiert und damit Heliopolis stürzen will … Ahaha- … Autsch! Hey!!“ Für diese Bemerkung bekam Alvis einen Schlag mit der Handkante gegen die Stirn von seiner Kollegin, die es nicht dulden wollte, dass er so über andere sprach. Das verdeutlichte sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck.
 

„Aber Sorata … ! Eines Tages werden wir dann von wildgewordenen Förderbändern gepeitscht! Und werden … alle zu … Maschinen … !“ Seine Stimme klang theatralisch und atemlos, er versuchte wohl ernsthaft furchteinflößend zu wirken. Aber an dem Mädchen prallte so etwas schnell ab.
 

"Ich wäre gerne ein Kühlschrank. Dann hätte ich immer etwas zu Essen." Sorata dachte einfach immer zu praktisch. Sie fuhr gleich fort: "Aber ich denke nicht, dass Lyial ein Neumensch ist. Dafür wirkt er nicht intelligent genug." Ihre ehrlichen Aussagen waren da auch keinen Deut besser, nein, sie waren manchmal sogar richtig verletzend. Sie besaß null Taktgefühl.
 

Alvis konnte nur lachen, für ihn war dieses Mädchen einfach zu amüsant. Er hing auch gerne mit ihr ab, da er sich mit Golyath und Clovis immer nur stritt. Es war zwar nie böse gemeint, aber die ruhige Seele seiner Kollegin war einfach angenehmer. Vielleicht dachte er bei ihr auch ein wenig an eine große Schwester.
 

„Golyath besucht wieder Clovis, richtig? Gut, wenn er das alleine macht. Ich finde Krankenhäuser unheimlich.“ Sie erinnerte sich daran, dass der schwarzhaarige Pilot davon sprach. Als sie am Vortag alle gemeinsam bei Clovis waren, schlief er noch. Und die Tage davor auch. Deswegen fand sie es unnötig, heute wieder hinzugehen. Sie nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, die Alvis ihr überreichte.
 

„Du machst dir auch irgendwie keine Sorgen, oder? Ah, ist aber wohl besser so. In ein, zwei Wochen wird Clovis wieder auf den Beinen sein. Und bis dahin habe ich soviel trainiert, dass ich viel besser als er sein werde! Besser als ihr alle! Und dann wird der General mich mal loben! Hahaha!“ Er stemmte die Hände in die Hüften und lachte laut aus der Brust heraus, als hätte er schon gesiegt. Aber er wurde schnell von seinem kurzen Höhenflug auf den Boden der Realität zurückgebracht, als Sorata erneut zuschlug.
 

„Auuu!! Warum schlägst du mich nun so wie der General? Hast du dir das von ihm abgeguckt?!“ Alvis wurde rot wurde Wut, stapfte schon auf. Ja, er bekam wohl von allen Elitepiloten den meisten Ärger von ihrem Trainier, General Samuil.
 

„Ja, habe ich. Wenn er dich schlägt, beruhigst du dich. Scheinbar tut dir das gut.“ Und Sorata interpretierte mal wieder etwas auf ihre ganz eigene Art. „Außerdem haben wir eine Nachricht, ich wollte also, dass du still bist. Sie ist von Mellan.“, kaum sprach sie zu Ende, hörte man auch in dem Trainingsraum den Alarm. Der Feind war also in der Nähe von Heliopolis. „Gehen wir.“, meinte sie nur kurz und bündig, packte dann Alvis am Kragen und zog ihn mit sich mit.
 

„Ehhhh, wieder eine Mission? Wir sind doch gerade erst … ! Das Abendessen können wir uns heute wohl abschminken! Auuu, und zieh nicht so an mir!“

Ein kleiner Hinterhalt

„Alle anwesend. Piloten, seid ihr startklar?“ Kaum hatte die Elite ihre kleine Mission vom Nachmittag erledigt, mussten sie auch wieder los. Solche Tage gab es, sie mussten einfach stets verfügbar sein.
 

„Nefertem ist bereit, Sorata’s Synchronisation liegt bei 86%. Bastet bereit, Synchronisation mit Alvis bei 82%. Anubis bereit, Golyath’s Synchronisation bei 79%. Und Amun … Uhm … Lyial … ? Lyial? Hörst du mich?“ Die Elitenavigatorin checkte gerade die Anwesenheit der Piloten, die Bereitschaft und die Systeme der Maschinen. Aber von Amun gab es noch keine Daten.
 

„… Entschuldige. Ich bin jetzt bereit. Ich habe nur Amun gefragt, ob es ihm gefallen würde, wenn ich mal bei ihm übernachte. Aber ich glaube, er möchte das nicht …“ Etwas spät aber doch übertrug die Maschine die notwendigen Daten.
 

„Applaus für den Maschinenliebhaber! Was kommt als nächstes, machst du Amun einen Heiratsantrag?“ Golyath neckte Lyial über Funk, natürlich konnte er es sich nicht verkneifen, seine seltsamen Worte zu kommentieren.
 

„Genug jetzt! Also dann … Amun bereit, Synchronisation bei 89%.“
 

„Das wirkt ja nicht so, als hätte er dich abgewiesen!“, hörte man es aus dem Cockpit von Bastet.
 

„Lyial, du solltest es nicht übertreiben. Das ist doch sehr hoch.“, meinte die Pilotin von Nefertem nur besorgt.
 

Mellan räusperte sich nur, damit wieder alle zuhörten. „Alle Systeme sind bereit und startklar. Piloten synchronisiert. Das Ziel sind die Koordinaten X 847, Y 765, Z 046. Ein feindliches Transportschiff befindet sich auf einer ungewöhnlichen Route zur Erde. Inspiziert es, beschlagnahmt die Fracht und zerstört es anschließend. Erlaubnis zur Benutzung der primären Waffen ist gegeben.“ Die Stimme der Navigatorin hallte über den Funk in die Ohren der Elitepiloten. Sie alle saßen bereit in ihren Cockpits. „Roger!“, bestätigten sie ihre Befehle gleichzeitig.
 

Mellan Portia, die auserwählte Navigatorin der Elite, hatte die Aufgabe, die Mission zu überwachen. Jeder Pilot brauchte einen Navigator, aber das Eliteteam hatte nur einen gemeinsamen. Sie war noch Schülerin, auch wenn sie schon so einen wichtigen Posten hatte. Doch nur noch wenige Prüfungen und ein Schuljahr trennten sie von einer noch steileren Karriere.
 

Der große Kontrollraum war für alle Missionen bestens ausgestattet. Es waren Techniker anwesend, die die internen Systeme der Kampfroboter überwachten und sofort einschreiten konnten, wenn es Probleme gab. Ebenfalls waren Pilotenschüler hier, saßen in den hinteren Reihen. Sie waren hier, um zu lernen, und das konnte man am besten von der Elite. Sie hatten immer ein Publikum, das gut beobachtete und studierte, was auf den gigantischen Bildschirmen geschah, welche manchmal wie Fenster ins Weltall wirkten, wenn sie die Bilder der an den Robotern angebrachten Außenkameras übertrugen.
 

Auch zwei der Generäle waren anwesend. Samuil war immer dabei, wenn seine Schützlinge ausrückten. Und ebenso Ammadon, der neben der brünetten Mellan saß und sie bei der Arbeit unterstützte, aber immer versuchte, sich so gut es ging herauszuhalten, damit sie ihre Arbeit selbstständig erledigte.
 

Und dann wurde der Start eingeleitet. Die vier Maschinen, die schon zuvor von den Docks gelöst wurden, traten ihren Flug zur Schleuse an, der einzige Weg für die Roboter in den Weltraum. „Startsequenz wird hochgefahren.“ Nach Mellans Worten öffneten die Techniker die Verriegelungen, legten den Weg nach draußen frei. Die Piloten ließen den Autopiloten stets den Start durchführen, das war sicherer und auch bequemer. Wie Raketen schossen sie über die Startrampen, hinaus ins weite All.
 

„Leute, ihr habt schon größere Missionen gehabt. Das sollte ein Kinderspiel für euch sein. Das Schiff hat an der Vorderseite eine große, links und rechts je zwei Kanonen. Zerstört sie zuerst. Es wird zusätzlich von kleinen unbemannten Kampfrobotern eskortiert. Die Späher haben sie entdeckt, es sind nicht die drei starken, mit denen ihr es schon einmal zu tun hattet. Aber wir konnten nicht sicherstellen, wie viele Roboter dort tatsächlich sind, also gebt Acht.“ Nach dem Start gab sie schon die ersten Anweisungen und Informationen, die sie im Vorfeld beschaffen konnten.
 

Das Ziel war doch fast relativ weit entfernt, weswegen der Flug selbst beinahe eine halbe Stunde dauerte. Der erste, der die Formation dann verließ, war Lyial, als er das Transportschiff und vier Kampfroboter erspähte.
 

„Ich lenke sie ab. Kümmert euch um die Kanonen, die könnten uns gefährlich werden.“ Lyial wartete nicht lange auf eine Zustimmung, mit dem kräftigen Amun an seiner Seite waren vier so einfache Maschinen ein Kinderspiel für ihn. Er raste aus seiner Deckung und zog so die Aufmerksamkeit der vier Eskortmaschinen auf sich.
 

Sein Ablenkungsmanöver ging schnell auf, denn es waren nur künstliche Intelligenzen, mit denen er zu tun hatte, und die waren einfach auszutricksen. Als sie ihn im Radar hatten, folgten sie ihm und er entfernte sich einfach samt feindlichen Anhang von dem Transporter.
 

Er stand sofort unter Beschuss, wich aber problemlos aus. „Ich habe sie abgelenkt. Greift ihr nun die Kanonen an.“ Lyial hatte wirklich Nerven, die Gegner gingen schließlich aggressiv auf ihn los, aber er manövrierte Amun flink an ihnen vorbei. Sein Ausweichspiel ging so weit, dass die vier Maschinen schlussendlich ineinander krachten und sich noch dazu verfingen. Nun setzte er endlich zum Konter an und beschoss den wehrlosen Feind mit Raketen. Nach einer heftigen Explosion schwebten die Maschinen regungslos als Trümmerhaufen vor sich hin. „Die Ziele sind eliminiert.“ Sprach er kühl und nahm den Blickkontakt zu den anderen wieder auf.
 

"Waaas? Die coolste Arbeit schnappst du uns natürlich weg!" Alvis, der junge Pilot von Bastet, wollte auch etwas Action, aber meist beschäftigte er sich eher damit, zu labern, als zu handeln.
 

Also näherten sich die verbliebenen drei Elitemaschinen dem Schiff und somit auch den Kanonen, welche sofort den Angriff starteten. Sie wichen aber alle den Energiestrahlen geschickt aus, nutzten deren Aufladezeiten, um zurückzuschlagen. Jeder konnte somit mit ein paar wenigen Schüssen die Waffen des Schiffes zerstören.
 

„Kanonen sind zerstört. Wir beginnen nun den Scan.“ Nefertem war die Technikspezialistin unter den Maschinen. Sie konnte über die Techniker und Navigatoren im Kontrollraum ferngesteuert werden und als Basis für Scans und Hackangriffe genutzt werden. Und genau dies hatte Mellan nun auch vor.
 

Das feindliche Frachtschiff hatte keine Crew, die Neumenschen benötigten nicht einmal mehr einen Captain, alles funktionierte schon maschinell. Und in diesem Fall, mit Autopilot. Deswegen brauchte Mellan nur das Programm zu hacken und seine Daten umzuschreiben, dann wäre alles geregelt. Sorata, die ruhige und gefasste Piloten von Nefertem, stellte manuell eine Verbindung zum Schiff her, damit Mellan ihre Arbeit beginnen konnte. Aber plötzlich öffnete sich die hintere Luke des Transporters und entlud seine Fracht ins Weltall.
 

Zuerst strömten nur Kisten heraus, trieben schwerelos umher, bis aber zwei größere Ladungen das Schiff verließen. Und das waren definitiv keine Güter. Es waren Kampfroboter. Von Piloten gesteuerte Kampfmaschinen!
 

„Verdammt, das ist ein Hinterhalt! Wie konnten wir da nur darauf reinfallen?“ Mellan war sichtlich angespannt. Aber das war nun jeder im Kontrollraum. Wie konnte das nur passieren? „Die Systeme haben diese Maschinen gar nicht registriert … Und es ist zu spät, euch da rauszuholen. Ein Rückzug ist gerade ausgeschlossen. Ihr müsst kämpfen. Ich schicke euch alle bisher bekannten Daten über diese Maschinen. Haltet sie im Schach, damit ich mehr über sie herausfinden kann.“ Nun musste sie die Ruhe bewahren und das gelang der Navigatorin auch sehr gut. Blitzschnell tippte sie an einem Hologramm. Schon beim letzten Kampf konnten sie einige Daten sammeln. Ausrüstung, Waffen, all das sollte helfen, gegen diese mächtigen Maschinen anzukommen. Dieser Feind war der Elite allzubekannt …
 

Normal traten sie im Trio auf, aber diesen Kampf bestritten sie wohl nur zu zweit. Ihre Herkunft war Esna Omega, die größte und einflussreichste Kolonie der Neumenschen. Sie konnten in Erfahrung bringen, dass die Maschinen Esna Alpha und Beta hießen.
 

Der türkise Alpha war ein Tank, ähnlich wie Amun, jedoch war die Panzerung schier undurchdringlich und scheinbar federleicht, die Maschine hatte auch kaum Probleme, ihre gewaltigen Angriffe schnell auszuführen.
 

Und der limettenfarbene Beta war ein schneller Nahkämpfer, ausgestattet mit Klingen an Armen und Beinen, womit er von allen Seiten angreifen konnte.
 

Jedes Mal, wenn diese Maschinen auftauchten, steckte die Elite beinahe eine Niederlage weg. Bei der ersten Begegnung wurde Amun schwer beschädigt, sein Pilot Franklin getötet. Und bei der zweiten erwischte es Clovis, der sich aber noch retten konnte. Sie hatten es hier mit einem ernstzunehmenden und gefährlichen Gegner zu tun. Und ihr Ziel war eindeutig: Sie wollten die Elite vernichten, einen anderen Sinn hatte der Hinterhalt nicht.
 

Während sich Nefertem schnell aus der Reichweite der beiden Gegner retten konnte, blieben Bastet und Anubis zu dicht dran. Alpha entlud hunderte kleine Geschosse, die allesamt drohten, den roten Nahkämpfer zu treffen, doch Alvis reagierte schnell genug, brachte sich in Sicherheit mit einem geschickten Ausweichmanöver. Kaum erholt von dem Angriff, schoss ihm auch schon Beta entgegen, attackierte ihn mit einer aggressiven Art und Weise, wie er sie kaum kannte. Gnadenlos schlugen Laserklingen auf ihn ein. Beta wirbelte sich, drehte sich, tänzelte fast schon. Alvis fuhr zwar die Klauen aus, aber er wurde immer mehr in die Defensive zurückgedrängt. „Scheiße! Diese Blechbüchse ist rasend schnell! Die kann doch kein normaler Mensch steuern!“ Aber dem war ja auch nicht der Fall. In ihr saß ein Neumensch. Womöglich mit einem mechanisch verbesserten Gehirn. Die Synchronisationsrate war auch bestimmt extrem hoch, etwas, was die Piloten der Urmenschenkolonien nie erreichen konnten. „Na warte, Robomensch! Dir zeig’ ich’s!!“ Aber Alvis blieb optimistisch, versuchte, einen Konter zu starten.
 

Auch die zweite gegnerische Maschine stürzte sich gleich auf die Elite. Golyath versuchte mit Anubis’ Sense die Rüstung des Gegners zu durchbrechen, aber allein die Schilde waren eine große Herausforderung.
 

Jeder Hieb brachte federte nur ab, als würde er mit einem stumpfen Messer auf Metall schlagen. Dabei war seine Sense komplett aus einer massiven Energieform, die sich nach Belieben Materialisieren und Verformen ließ. Er vergrößerte so die Klinge, aber auch damit kam er nicht gegen Alpha an. Und der blieb weiter in der Defensive, ein kluges Spiel, denn damit lenkte er die ganze Aufmerksamkeit des Sensenschwingers auf sich, der unbedingt die Panzerung durchstoßen wollte.
 

„Sorata, hilf Alvis aus der Entfernung. Lyial, wir zwei kümmern um uns Esna Alpha! Diesmal kriegen wir sie!“
 

Alvis lief schon der Schweiß von der Stirn, nicht etwa aus Anstrengung, sondern aus purem Stress. Wie lange sollte er das noch durchhalten? Er hörte die Funkdurchsagen von Mellan, die ihm riet, Abstand zu gewinnen, aber dass war leichter gesagt, als getan. Jeder Rückschritt wurde sofort vom Gegner aufgeholt und er hatte ihn wieder dicht an sich, und ebenso die Klingen, die langsam auch seine eigenen Waffen auf Herz und Nieren prüften. Die Klauen waren auch nicht zum Abwehren gedacht, sondern zum Angreifen, aber dazu kam er nicht, egal, was er versuchte, jeder Konter wurden sofort zurückgeschlagen.
 

Doch plötzlich stand Beta unter Beschuss. Es war Sorata mit Nefertem, die mit ihrer Tarnfunktion einen Angriff aus dem Hinterhalt gestartet hatte. Aber dadurch legte sie auch ihren momentanen Standpunkt offen und der Gegner nahm sie gleich ins Visier. Fernkämpfer waren lästig, in jedem Kampf. Und sie wurden gerne zuerst ausgeschaltet, das drohte nun auch Sorata.
 

Sofort nach Golyaths Befehl war Lyial zur Stelle. Er materialisierte das Großschwert von Amun und gemeinsam bearbeiteten sie die Panzerung von Alpha, der weiterhin in Abwehrstellung war. Hier und da konterte er, aber selbst da fanden die beiden Elitepiloten keine Lücke in der Defensive.
 

Jeder Hieb zerrte an Lyials Kräften. Er keuchte schon im Cockpit. Was für eine heftige Rüstung, gegen die Panzerung kamen sogar die geballten Kräfte von Amun kaum an. Doch Mellan meinte, je mehr man draufschlug, desto zerbrechlicher wurde der Schild. Er konnte noch nicht aufgeben! „Amun … bitte … ich vertraue dir. Also vertrau mir auch. Wir müssen mehr Kraft in die Schläge stecken … Komm schon!“
 

Golyath wich zur Seite, als er merkte, was Lyial vorhatte. Er lud Energie auf, um einen noch stärkeren Hieb durchführen zu können. Doch da hatte er nicht die Rechnung mit Alpha gemacht, der ebenfalls begann, Energie zu sammeln.
 

„Lyial, verschwende deine Energie nicht! Das ist genau das, was der Kerl von uns erwartet!“
 

Aber Golyath reagierte nicht schnell genug, um seine Kollegen aufzuhalten. Das Schwert sauste auf Alpha zu, welcher mit ausgestreckten Armen ein Schild vor sich aufbaute. Scheinbar wusste der Pilot der feindlichen Maschine genau, dass seine äußere Panzerung schon am Schwinden war und er sich nun stärker wehren musste.
 

Lyial schlug zu. Einmal, zweimal, immer wieder. Es sprühten Funken, Alphas Bemühungen schienen umsonst, das Energieschild brach. Und als sich Amun aufrichtete, um zum finalen Schlag auszuholen, leitete Alpha ein hinterhältiges Kontermanöver ein. In seiner Hand erschien eine dünne Klinge und er zielte damit direkt auf das Cockpit von Amun. Und dieser hatte keine Chance mehr, rechtzeitig zu reagieren, war er mitten in der Bewegung. Amun konnte sich unmöglich so schnell drehen, um auszuweichen, dafür war er dank dem hohen Energieverbrauch zu träge geworden.
 

Es war wirklich ein Glück, dass Golyath mit Anubis noch hier war. Die Sense rauschte zwischen die beiden Kontrahenten, verhinderte, dass Alpha zustechen konnte, in dem sie den Arm abtrennte. Eine Explosion erschütterte alle drei, Anubis packte Amun und flog ein Stück zur Seite.
 

„Du verdammter Idiot! Du kannst nicht deine ganze Energie verpulvern! Amun ist zu träge für solche Attacken!! Franklin wäre das nie passiert!“ Der Tätowierte brüllte durch den Funk den weißhaarigen Piloten an, der doch nur das Beste tat, was er konnte.
 

„… Entschuldige …“ Aber eine Entschuldigung war wohl nicht genug. Und wieder musste er sich anhören, wie schlecht er war. Immer schlechter als sein Vorgänger …
 

Sorata schoss und schoss, aber nun saß auch sie in der Falle. Sie war kein Nahkämpfer. Über den Funk hörte sie Alvis, der sich beklagte, dass ein Antrieb seiner Maschine nicht mehr reagierte, und sie hörte Golyath, der Lyial mal wieder niedermachte. Sie biss sich auf die Lippen. Sie wich immer wieder aus, aber das Spiel konnte sie nicht lange bringen. Und keiner war gerade in der Lage, ihr zu helfen. Sie waren alle mit sich selbst beschäftigt.
 

"Mellan. Gib den Rückzugsbefehl. Wir können nicht riskieren, eine der Maschinen zu verlieren. Und da es auch keine Rohstoffe gibt, hat es keinen Sinn länger hier zu bleiben. Wenn eine Falle zuschnappt, sollte man versuchen zu entkommen, nicht dagegen ankämpfen. Sie sind eindeutig im Vorteil, auch wenn wir in der Überzahl sind. Sie waren vorbereitet, wir nicht." Obwohl sie in so einer gefährlichen Situation war, blieb sie ganz ruhig. Wieder wich sie Betas Hieben aus, so elegant wie eine Tänzerin.
 

„Aber Sorata …“ Mellan biss sich auf die Lippen. Wollten sie wirklich aufgeben? Sie hatten jedoch auch keine andere Wahl mehr. Die zwei Maschinen waren viel zu stark. Und wer wusste schon, ob im Hinterhalt nicht noch mehr lauerten? Sie waren einfach nicht vorbereitet.
 

Normalerweise brauchte die Navigatorin mit dem hellbraunen Haar keine Hilfe, aber diesmal wandte sie sich an Ammadon, der beruhigend eine Hand auf ihre Schulter legte. „Es ist gut. Sorata hat Recht. Ein Kampf ist nicht das, weshalb sie losgezogen sind. Nefertems Energie ist noch ziemlich voll … Sorata soll einen Warp vorbereiten. Sie müssen dort weg, ohne verfolgt zu werden. Wir brauchen keine Neumenschen-Maschinen in der unmittelbaren Nähe von Heliopolis.“
 

„Sorata, spinnst du? Wir schaffen das schon! Die sind nur zu zweit! Dem einen habe ich den Arm abgehackt, die Panzerung ist sicher auch heruntergefahren! Ich schaffe das schon! Diese beiden sollen nicht entkommen … Es war ihre Schuld, dass Franklin … Und auch Clovis … !“
 

„Golyath hat Recht! Das kriegen wir schon hin! Wir sind keine Feiglinge, wir müssen weiterkämpfen!“, fügte Alvis noch hinzu, der schon auf dem Weg war, Sorata zu helfen, nachdem er seine Triebwerke wieder vollständig zum Laufen brachte.
 

Mellan aber ging per Funk dazwischen. „Genug jetzt! Ihr werdet aufgefordert, euch zurückzuziehen! Sorata! Bereite einen Warp vor. Gleich in der Nähe ist eine gut gelegene Konstellation. Die Koordinaten habe ich dir geschickt. An die anderen! Sobald der Warp aktiviert ist, folgt ihr Nefertem, unverzüglich! Lasst euch nicht aufhalten und schüttelt den Gegner ab.“ Hastig tippte sie auf dem Bildschirm herum. Die Koordinaten waren an Sorata weitergegeben. Nun lag es an ihr, die anderen Drei sicher da rauszuholen.
 

Bastet kam angeschossen und schlug Beta weit weg von Sorata. Befehl war Befehl, da konnte er meckern soviel er wollte. Also musste er seiner Kollegin Zeit einräumen, um den Warp vorzubereiten. Jede Maschine konnte bei genügend Energieleistung einen Sprung im Raum initialisieren. Ein Portal, das sie zu bestimmten Koordinaten bringt. Es war nur für wenige Sekunden möglich, also musste alles perfekt abgestimmt sein.
 

Mittlerweile regte sich auch Alpha wieder. Die Maschine erholte sich von dem Rückschlag der Explosion und visierte nun wieder Amun und Anubis an.
 

„Noch zwei Minuten bis zum Warp! Alvis, Golyath, Lyial, bleibt in der Defensive!“, rief Mellan, behielt weiterhin den Überblick über ihre Schützlinge. Aber mit einem Mal verlor sie das Signal zu Anubis. Die Verbindung wurde gekappt. Im Kontrollraum hielten alle den Atem an. „Lyial! Lyial! Was ist mit Golyath?!“ Bei ihm sah es auch schlecht aus, aber der Kontakt stand noch.
 

„Er … wurde getroffen … Ich auch. Aber bei mir ist alles so weit in Ordnung. Ich konnte die Schilde rechtzeitig aktivieren. Ich kann nichts sehen, überall ist Rauch …“
 

Alpha hatte seine Geschosse aus nächster Nähe losgelassen, hatte alles abgefeuerte, was er zu bieten hatte, um die beiden auszuschalten. Scheinbar war der Pilot wütend wegen des verlorenen Armes. Und diesmal war es Golyath, dessen Reaktion nicht genügend war.
 

Lyial blickte sich hastig um. Alpha könnte ja die vernebelte Sicht nutzen und angreifen. Aber dann hörte er ein Rauschen über die Lautsprecher in seinem Helm und dann Golyaths schmerzerfülltes Stöhnen. Die Verbindung war auch auf seinem Bildschirm wieder hergestellt.
 

Und im Kontrollraum war Anubis ebenfalls wieder erreichbar. Erleichtert seufzte Mellan. „Anubis ist ziemlich beschädigt. Aber Golyaths vitale Werte sind fast komplett stabil, er ist nicht schwer verletzt. Golyath, alles klar bei dir? Sorata müsste bald mit dem Warp fertig sein. Lyial soll dich decken. Verschwende in dem Zustand deiner Maschine keine weitere Energie. Du brauchst sie für den Ruckzug.“ Sie checkte noch einmal die Systeme. Ja, alles war in Ordnung. Gespannt warteten nun alle auf die Freigabe des Warps.
 

„Das ist alles nur … wegen … !“, man konnte sich schon denken, was Golyath sagen wollte. Er biss sich aber stattdessen nur auf die Lippen, während sich die Wut über diesen dummen Treffer in ihm immer weiter anstaute.
 

Lyial lokalisierte Anubis in dem Rauch und stellte sich schützend davor. Rechtzeitig, denn tatsächlich griff Alpha an. Aber noch mal ließ sich der weißhaarige Pilot nicht hinters Licht führen.
 

Schwungvoll riss er das große Schwert in die Höhe. Lyial steckte all seine Kraft in diesen Hieb, der Feind sollte ihm nicht ungeschoren davonkommen. Die Klinge sauste mit einer unglaublichen Wucht auf Alpha und zerschlug sein Schild nun komplett. Lyial keuchte immer mehr, seine Synchronisation sank stetig, dabei war das nun seine Chance. Doch mit so einer schlechten Verbindung zu Amun konnte er ihn auch nicht mehr richtig steuern. Sein Roboter kooperierte einfach nicht mehr. Das hielt Lyial aber nicht auf. Mit letztem Willen und der schwachen Verbindung, die er noch zu seiner Maschine hatte, flitzte er rückwärts, packte Anubis und wich schnell aus, um einem erneuten Angriff Alphas auszuweichen.
 

„Hey ihr zwei! Der Warp ist fertig! Beeilt euch, sonst schafft ihr’s nicht!“ Alvis, der in nächster Nähe bei Sorata war, sah aus den Augenwinkeln, dass sie fertig war. Ein leuchtender Farbstrudel hatte sich gebildet, das war eindeutig ein Warp. Man sah, wie sich die Umgebung darum verzerrte. Sie hatten nur wenige Sekunden Zeit, um zu entkommen. Nun riss auch Bastet sich endlich von seinem Gegner los und schnellte durch den Warptunnel, in den auch bereits Nefertem verschwunden war.
 

„Verstanden, ich komme sofort.“ Mit letztem Antrieb rauschte auch Amun davon, hatte Anubis fest im Griff, da Golyaths Synchronisation automatisch gekappt wurde, als der Schaden an seiner Maschine zu hoch war und er sie somit nicht mehr lenken konnte. Kurz nachdem alle vier Maschinen den Warptunnel durchflogen, löste sich die gelenkte Verzerrung im Raum wieder auf, der Gegner blieb angeschlagen zurück. Gewinner gab es an jenem Tag keine.
 

Mellan lehnte sich erleichtert und erschöpft zurück. „Ein Glück, ihr habt es geschafft … Das war wirklich eine gefährliche Sache. Der Gegner ist euch auch nicht gefolgt, puh … Oh Mann, die Techniker werden sicher hocherfreut über die Schäden sein …“ Sie blickte auf die Statusbildschirme der Maschinen. „Nefertem, Schaden 10%. Amun, Schaden 20%. Bastet, Schaden 40%, Anubis, Schaden 70%. Ja, das wird sie sicher freuen. Aber wenigstens seid ihr alle wohlauf. Lasst euch am besten gleich durchchecken.“, gut gemeint sprach sie noch ihre letzten Worte per Funk, wenige Minuten später erreichten die Elitemaschinen auch schon den Hangar.

Unstimmigkeiten

Golyath verließ als erstes seine Maschine, sichtlich stinksauer. „Das ist alles deine Schuld!!“, brüllte er wütend zu Lyial, der neben ihm aus Amun stieg. „Wärst du nicht so ein Schwächling und könntest Amun besser steuern, hättest du das Schild früher brechen können! Und dann wäre ich nicht so abgeschossen worden!“ Wie immer sah er den Fehler nicht bei sich, sondern bei Lyial, eine seiner größten Schwächen. Aber er hätte wohl so oder so nie irgendjemanden als Franklins Nachfolger akzeptiert. „Ich dachte, du kommst so gut mit Maschinen klar! Aber das war ja eine schwache Vorstellung!“, fauchte er, während er dem Jungen immer näher kam und ihn schließlich grob am Kragen packte.
 

„Golyath … ich …“ Lyial hingegen verstand die Welt nicht mehr. Er hatte ihm doch geholfen, ihn vor größerem Schaden bewahrt. Er stotterte nur leise.
 

„Du bist der größte Versager, den ich kenne! Franklin wäre das nie passiert! Franklin war ein echter Profi! Aber du … !“ Golyath schüttelte ihn sogar richtig durch, für alle Anwesenden war es nichts Neues, den Mann so in Rage zu sehen. Aber dennoch war jedem klar, ganz alleine Lyials Schuld war das nicht.
 

„Es … tut mir Leid …“, murmelte Lyial nur, er wollte keinen Streit, deswegen widersprach er auch nie.
 

Gerade, als Golyath wieder loslegen wollte, ließ er Lyial plötzlich los. Er spürte einen Blick hinter sich, einen, der ihn richtig durchbohrte.
 

"Es gibt nichts Bemitleidenswerteres als jemand, der anderen die Schuld an seinen Fehlern gibt. Wenn du wirklich so gut wärst, könnte dich auch niemand hinunterziehen. Aber das ist nicht der Fall. Du wurdest getroffen, weil du mitten im Kampf abgelenkt warst.“ Es war Samuil, der den Ausbruch von Golyath mitbekam. Man sah ihm an, dass er wegen des Verhaltens seines Schülers vor Wut kochte. So etwas konnte er einfach nicht dulden.
 

Golyath schnalzte nur mit der Zunge, „Tch …“, dann ließ er von Lyial komplett ab, warf ihm aber doch noch einen finsteren Blick zu, ehe er seines Weges ging und den Hangar verließ. Dabei ging ihm jeder Techniker aus dem Weg, dank seiner mörderischen Ausstrahlung.
 

Die Stimmung war ziemlich angespannt. Und Lyial wusste nicht, was er tun sollte. Er stand hilflos da, zwischen dem General und seinen anderen Kollegen. War es denn nun sein Fehler? Oder doch nicht? Er fragte sich das immer wieder, er wollte wirklich keinem zur Last fallen.
 

„Wisst ihr was euer Fehler war?“, der General verschränkte die Arme. Kurz herrschte Stille, aber für eine Person lag es klar auf der Hand.
 

"Fehler? Ganz simpel ... Mangelndes Verständnis für Teamwork." Sorata antwortete monoton, es war auch sehr offensichtlich.
 

"Der Zwerg kämpft nur für sich alleine. Der Große hat ein Problem mit Lyial und lebt in der Vergangenheit. Sorata und Lyial versuchen immer alle zusammenzuhalten, das klappt aber nicht, weil beide eher kalte Fische sind. Und wenn Clovis dabei ist, lenkt er alle nur mit unsinnigen Gesprächen per Funk ab. Heute habt ihr mich vor all den anwesenden Schülern blamiert.“ Das waren harte Worte, die der General da aussprach. Ihm wich die Strenge auch nicht aus dem Gesicht, er war wirklich sehr verärgert.
 

„Nicht, weil ihr verloren habt. Nicht, weil ihr den Rückzug antreten musstet. Sondern weil ihr … weil ihr euch wie verdammte Kleinkinder benehmt! Ihr achtet nicht aufeinander. Und wenn doch, dann nicht genug. Weil es immer noch Krisen zwischen euch gebt. Verdammt … Ihr seid Kollegen. Ein Team. Wenn das nicht bald in euren Schädel kommt … Wird sich alles nur wiederholen. Wollt ihr etwa wieder das Leben eines Kollegen riskieren? Wenn das so weiter geht, muss ich mir eine neue Elite suchen …“ Er starrte sie so kalt und durchdringend an, dass sich auch keiner mehr traute, das Wort zu erheben. Er hatte jeden einzelnen Elitepiloten selbst auf Herz und Nieren getestet. Er hatte sie auserwählt, gab dem Präsidenten von Heliopolis das Ehrenwort, dass sie die besten der besten waren. Er wollte nicht an seiner Entscheidung zweifeln und schon gar nicht Schande über seine Kolonie bringen.
 

Aber etwas brachte ihn dann plötzlich völlig aus dem Konzept, weswegen seine Augenbrauen und seine Mundwinkel anfingen zu zucken.
 

Es war immer ein Trubel, wenn Ammadon eine Räumlichkeit betrat. Diesmal waren es die weiblichen Techniker, die bei seinem Anblick lautstark schmachteten. Sie kicherten, tuschelten und als er ihnen zuzwinkerte, fiel auch eine von ihnen fast von ihrer Hebebühne.
 

Und Vilkas war auch eingetroffen, sein Bruder benachrichtigte ihn wegen des Schadens an den Elitemaschinen, vor allem an Anubis. Das würde wieder viel Arbeit bedeuten. Arbeit, Überstunden und wenig Zeit für seinen Ehemann. Als die drei Generäle in Reih und Glied standen, wirkten zwei von ihnen ziemlich schlecht gelaunt, während der dritte wie immer nur strahlend lächelte. Die Elite war höchst verwirrt von dem Anblick, auch wenn er eigentlich gewohnt war.
 

Für Samuil hatte die schlechte Launte nun einen weiteren Grund. Und der stand neben ihm, der blassblonde Mann mit der engelsgleichen Erscheinung. Er linste zu ihm, bekam wie immer Gänsehaut von diesem schönen Lächeln. Denn die Wahrheit war … er liebte ihn. Schon so lange. Ja, fast schon, seitdem sie sich kannten. Und trotz ihrer engen Freundschaft und gemeinsamen Vergangenheit entschied Ammadon sich für Vilkas. Aber er wusste schon, wo der Fehler lag. Er war ja nicht gerade eine angenehme Persönlichkeit. Oder nett. Und mittlerweile brachte ihn auch nichts mehr aus der Ruhe, als diese beiden Liebestollen turteln zu sehen.
 

Als er seine Gedanken wieder fassen konnte, versuchte Samuil abschließende Worte zu und eine Lösung für die Probleme zu finden: „Gut … Da wir nun wissen, woran wir arbeiten müssen… Ammadon. Das ist ab jetzt deine Aufgabe! Bring ihnen richtiges Teamwork bei! Oder setz’ eine Gesprächsrunde an, keine Ahnung. Anscheinend herrschen hier viele Spannungen.“ Das war Samuils brillanter Plan. Da er so schlecht mit diesem ganzen Gefühlszeug war, schob er die Arbeit einfach auf Ammadon. Der war ja selbst fast eine Frau, also musste ihm das liegen. So lautete zumindest Samuils Schlussfolgerung.
 

„… Moment, mein Problem? Nein, das ist ein Irrtum. Ich bin der oberste Navigator, die Mädchen sind mein Problem, aber sie sind ja keines, da sie hervorragende Arbeit leisten. Die Kämpfer … die sind dein Problem. Du musst ihnen Teamwork beibringen. Zieh mich da bitte nicht mit rein …“ Ammadon klang nicht sehr begeistert. „Vielleicht ist es ja deine aggressive Art, die sie inspiriert?“ Sonst traute sich niemand, den General zu kritisieren, aber Ammadon hatte keine Angst vor seinem Kindheitsfreund. Und mit seiner sanften Stimme klang sowieso alle viel netter, als es war.
 

Samuil sah Ammadon mit offenem Mund an. Er wollte doch nur Hilfe von ihm. Er hatte kein Talent dafür, Streitschlichter zu sein. Er drang auch nie zu den Kindern durch, wenn er mit ihnen sprach. Dafür war er einfach zu sehr ... militärisch. Sie hatten ihn immer als strengen, gnadenlosen General in Erinnerung. Er gab sich seufzend geschlagen, warf dann wieder einen strengen Blick zu den Piloten. „… Wir sehen uns … morgen beim Training. Verschlaf’ nicht wieder, Lyial.“
 

„J-Ja, Herr General!“ Lyial salutierte panisch, gefolgt von seinen verbliebenen Kollegen, bevor der General dann selbst wegtrat.
 

Ammadon hingegen kicherte nur über seinen kleinen Sieg, klatschte dann laut in die Hände. „Kinder, ich finde, ihr habt gut gekämpft. Es war eine überraschende und unvorteilhafte Situation und ihr habt euer bestes gegeben. Ihr dürft nicht vergessen, eure Gegner steuern nicht nur Maschinen, sondern sind höchstwahrscheinlich selbst welche. Sie denken anders als wir. Sie kämpfen anders als wir. Es bedarf wohl noch ein wenig Training, bis ihr ihnen das Wasser reichen könnt. Und der erste Schritt dazu … so gebe ich Samuil Recht … ihr müsst lernen, besser zusammenzuarbeiten. Ich sehe, die Ansätze sind da … aber ihr dürft eure Sorgen und Probleme nicht in den Kampf bringen. Denkt bitte darüber nach und ruht euch nun aus. Morgen geht es normal mit eurem Training weiter.“ Ja, Ammadons Art zu kritisieren war wesentlich sanfter und einfühlsamer. Vielleicht konnte er sie ja eher dazu bewegen, nachzudenken. Und dann entließ er die Piloten in ihre Freizeit, es war genug zu dem heutigen Kampf gesagt worden.
 

Schließlich fixierte Ammadon mit seinem lieblichen Blick seinen Ehemann, grinste und tänzelte regelrecht zu ihm. „Du hast nun sicher viel Arbeit … Kommst du heute wieder nicht heim? Ahh … Da kann man nichts machen. Überanstreng’ dich nicht. Du hast genug talentierte Techniker hier, die dir etwas Arbeit abnehmen können, vergiss' das nicht.“ Es war also wie immer. Die Arbeit stand zwischen ihnen. Er gab Vilkas einen liebevollen Kuss gegen die Wange, drehte sich dann am Absatz seines Schuhes um und stolzierte davon, was nicht nur Vilkas traurig stimmte, sondern auch die verliebten Technikerinnen.
 

Niedergeschlagen kam Lyial nach Dunkelheitseinbruch in sein Quartier zurück. Diese Mission war ein wirklicher Reinfall, eine unschönes Erlebnis. Und er fühlte sich schuldig. Er wollte zu dieser Elite gehören, er wollte von Nutzen sein. Aber alles, was er zu hören bekam, waren Vorwürfe. Er war nicht gut genug, er war nicht wie sein Vorgänger. Und für jemanden wie Lyial war das schwer zu verstehen. Hieß das nun, er sollte so wie Franklin werden? Er war verwirrt, immerhin wusste er nichts über seinen Vorgänger. Und so wirklich wohl war ihm bei dem Gedanken auch nicht. Es fiel ihm schon schwer, eine eigene Persönlichkeit zu sein, so ohne eine richtige Vergangenheit. Sein Kopf brummte dank der heutigen Ereignisse, er war nun doch froh, endlich einen erholsamen Schlaf zu bekommen.
 

Und dann fiel ihm ein, als er vor dem Bett stand, dass er ja nicht mehr alleine hier war. Er hatte ja einen Mitbewohner. Er blinzelte irritiert, als er Blaire sah, der tief und fest schlief, mit Armen und Beinen so ausgebreitet, dass hier doch gar kein Platz mehr für Lyial war. Dabei war das Bett so riesig, wie schaffte der Junge das nur?
 

Also blieb ihm nichts anderes übrig ... Nachdem er sich seinen Pyjama angezogen hatte, breitete er eine Decke am Fußboden aus. „Heute schlafe ich bei dir, Merlin. Ich möchte Blaire nicht wecken. Er hatte doch eine lange Reise, oder? Er ist sicher sehr müde. … Gute Nacht.“ Und dann legte er sich hin, wenigstens gab es hier eine Fußbodenheizung. Aber das änderte nichts daran, dass der Fußboden unangenehm hart war …

Esna Omega, Hochburg des Fortschrittes

An einem ganz anderen Ort in der Galaxie, weit entfernt von der Erde, schwebte das größte Schiff der Neumenschen durch die Tiefen des Alls. Sie waren im Krieg bereits weit zurückgedrängt worden, konnten, im Gegensatz zu ihren Feinden, kaum mehr in der Nähe der Erde bleiben. Alle Kolonien der Neumenschen waren deshalb völlig verstreut, doch dank ihrer Technologie war immer eine Verbindung zum Mutterschiff gewährleistet. Das war wichtig, denn von Esna Omega aus wurde alles gesteuert und kontrolliert. Das Kolonieschiff war der Kern der Neumenschen.
 

Äußerlich war es das komplette Gegenteil von Heliopolis. Statt gläserner Kuppeln und einer Imitation der Natur auf der Erde, war dies tatsächlich eine richtige Raumstation von gigantischem Ausmaße. Sie war von einer starken Panzerung geschützt, es hieß sogar, schier undurchdringbar soll der Stahl sein, dessen Herkunft andere, unbewohnte Planeten und diverse Asteroiden sind. Und im Inneren lebten die Neumenschen in einem komplexen System, dass man kaum noch eine Stadt nennen konnte. Es gab keinen Himmel, überall flackerte künstliches Licht in den Straßen aus Metall, die so steril wirkten, als könnte man meinen, hier würde nicht einmal ein Mensch leben. Es sah fast aus wie das innere eine Computerchips. Riesige blockförmige Gebäude bildeten aneinandergereiht verschachtelte Gänge.
 

Und die Bewohner dieser Stadt wirkten selbst fast wie von einem anderen Stern. Alles wirkte so künstlich. Buntgefärbte Haare waren Mode, ebenso hautenge Anzüge, künstliche Stoffe, die nicht nur schick aussehen sollten, sondern auch wichtige Funktionen wie Feuerfestigkeit oder Schutz gegen Geschosse hatten. Noch dazu trug hier jeder die von den Urmenschen so verhassten „Implantate.“
 

Sie waren der Inbegriff der Neumenschen, die Technologie, die sie zu den besseren Menschen machen sollte. In ihrem Nacken waren die Implantate gut zu sehen, ein solches bekam jeder ab dem vierzehnten Lebensjahr, wenn der Körper und vorallem das Gehirn ausgereift genug waren. Denn an dieses wurde das Implantat angeschlossen, über künstliche Nervenbahnen bildete es eine Verbindung zwischen dem menschlichen Gehirn und dem System, das Esna Omega und all die anderen Neumenschenkolonien steuerte. Der Mensch wurde zu einem lebenden Computer.
 

Ein Neumensch konnte so durch seine Gedanken Maschinen steuern, verlinkte sich mit einem virtuellen Netzwerk, dass die Menschen miteinander verband. Telefone brauchten sie zum Beispiel nicht mehr, denn sie konnten mit jedem kommunizieren, mit Hilfe der Implantate und des Netzwerks. Sie konnten sich Fähigkeiten und Wissen aneignen, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Und der Fortschritt war kaum aufzuhalten, ihre Technologie wurde stetig verbessert.
 

An einem Ort ganz besonders. Es war ein Komplex aus vielen Laboren, in denen die besten Wissenschaftler aller Neumenschenkolonien stetig am System arbeiteten, ebenso an Kriegsmaschinen und der Verbesserung des menschlichen Körpers durch Implantate und Prothesen. Es war keine große Sache mehr sogar das Herz eines Menschen komplett künstlich nachzubauen und zu ersetzen. Das Durchschnittsalter in Esna Omega war sehr hoch. Es gab Menschen, die sogar über zwei Hundert Jahre alt wurden …
 

Zwei junge Neumenschen waren auf dem Weg zu diesen Laboren, zu einem ganz bestimmten. Ihr Vorgesetzter, aber auch Kollege und Kamerad wartete dort auf sie. Ihr kleiner Ausflug zur Erde und der damit zusammenhängende Angriff auf die Urmenschen schlug fehl, auch wenn sie einen guten Kampf ablieferten, die beiden jungen Piloten waren sichtlich unzufrieden. Und angeschlagen. Sie trugen noch ihre hautengen Pilotenanzüge, die aber zerrissen waren, einem der beiden Kämpfer fehlte fast der halbe rechte Unterarm.
 

„Mann, Matos! Das gehört geflickt. Hat dir dieser Schwertschwinger doch etwas zugesetzt? Alpha sah echt fitter aus, als du es bist!“, sprach der Jüngere besorgt, ein weißhaarige Junger mit einer grünen Strähne, die ihm ins Gesicht fiel. Sein Name war Jirair Tredat und er war der Pilot von Esna Beta.
 

Sein Kamerade, Matos Shervashidze, mit violett gefärbten Haaren, war ein schlanker Junge mit einem sanften Gesichtsausdruck. Er schüttelte nur den Kopf, als Jirair mit ihm redete. Er sprach kein Wort, dennoch schien ihn Jirair zu verstehe. Er sah ihn an, als würde er ihm zuhören, wie er redete, aber er bewegte die Lippen nicht. Es war für viele ein Rätsel, wie die beiden es überhaupt schafften, miteinander zu reden, ohne über die Implantate miteinander verbunden zu sein, denn Matos war stumm. Er konnte nicht sprechen. Ihre Freundschaft war wohl eine tiefe Verbindung, so dass sie sich auch wortlos verstanden.
 

„Tzila hat sicher alles überwacht. Er soll sich dein Wehwehchen mal ansehen. Pass aber auf, sonst setzt er dir bei der Gelegenheit noch irgendeinen Chip in den Kopf. Mir reicht es ja schon, dass er mir direkt in den Kopf klingeln kann …“ Jirair sprach immer so von ihrem Kollegen. Er steuerte die dritte Maschine, Esna Gamma, aber kämpfte diesmal nicht mit, er wollte diesen Hinterhalt nutzen, um etwas mehr über die besondere Elite der Urmenschen zu erfahren.
 

Tzila Anralgyth war nämlich Wissenschaftler, aber nicht irgendeiner … Er war der führende Forscher im Bau von Kampfrobotern und galt als Profi, wenn es um die Manipulation des menschlichen Verstandes ging. Die aktuellen Modelle der Implantate baute er. Und natürlich die drei Esnas, die stärksten Maschinen der Neumenschen, gingen auf seine Kappe. Dennoch hielt jeder Abstand zu ihm, denn er war ein höchst eigenartiger Kauz.
 

Matos und Jirair betraten die Labore, folgten den leuchtenden Markierungen am Boden zum Sektor Z-67, dort, wo der Wissenschaftler seine Werkstätte und seinen Arbeitsplatz hatte. Und den fanden sie auch gleich vor, auf einem schwebenden, breiten Bürostuhl, wie er sich mehrmals um die eigene Achse drehte. Das half ihm angeblich beim Nachdenken. Das Labor war schön aufgeräumt, konnte man kaum glauben, aber er mochte es ordentlich. Wenn um ihn herum Chaos herrschte, so meinte er immer, bestünde auch in seinem Kopf ein Durcheinander.
 

Auf Podesten und Tischen standen Maschinenteile, große, kleine. Auf Hologrammen flackerten Skizzen zu Kampfrobotern, aber auch zu diversen Modellen von Implantaten. Und hier und da flitzten Assistenten und Helferroboter durch den Raum.
 

Jirair schritt schnell auf ihn zu, stoppte den Stuhl mit einem Fuß. „Du hast uns gerufen, hier sind wir. Und Matos' Arm ist hinüber. Du musst die Prothese richten.“ Er stemmte die Hände in die Hüften und blickte den Wissenschaftler streng an.
 

Der zuckte nur mit den Schultern. Schon bei seinem Anblick war klar, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmte. Er trug auch die typische Ganzkörperkleidung der Neumenschen, darüber aber einen weißen Kittel. Und sein silbernes Haare war glanzlos und völlig zerzaust, während sein fahles Gesicht eine gewisse Gleichgültigkeit ausstrahlte. Er legte den Kopf in den Nacken und grinste nur, fast schon spöttisch.
 

„Jungs, das war eine grauenhafte Vorstellung. Euer Ziel war es, eine von diesen Maschinen zu zerstören. Ich wollte das Wrack für Nachforschungen haben. Und stattdessen habt ihr sie weglaufen lassen. Tz … Muss ich wohl das nächste Mal wieder selbst mit.“ Dann sprang er auf, woraufhin Jirair erstmal ausweichen musste. Tzila steckte die Hände in die Kitteltaschen und musterte den verletzten Matos.
 

Sofort verzog er das Gesicht. Er sah Blut. Und er hasste Blut. Er konnte den Anblick nicht ertragen, ihm wurde davon immer übel. Deshalb nutzte er gleich die Fähigkeiten seines Implantats und schaltet seine Farbsicht ab. Wenn das Blut nur eine dunkelgraue Flüssigkeit war, störte es ihn weniger. Ohne diese Möglichkeit könnte er auch nie Menschen die Implantate in die Nacken operieren. Er zog sich gleich Handschuhe an und brummte etwas vor sich hin, als er den Arm von Matos hochhielt und genauer betrachtete. Man sah Kabel heraushängen, ebenso Metall aufblitzen. Als hätte man einem Roboter den Arm abgeschlagen. Der Lilahaarige trug eine Prothese, und die hatte wohl einigen Schaden abbekommen. „Sieht nicht schlimm aus. Meine Leute werden sich gleich drum kümmern. Pass auf, dass du mir hier nichts einsaust, mit deinem Blut …“ Er rümpfte die Nase und überließ seinen Asssistenten den verletzten Jungen. Mit so Kleinigkeiten wollte er sich nun auch nicht beschäftigen. Er warf sich wieder auf seinen Stuhl, nahm die Handschuhe ab und warf sie zielgenau in den nächsten Mülleimer.
 

„Ihr sollt es mit der Synchronität nicht immer so übertreiben. Ihr seid schon bei 100%. Mehr braucht ihr nicht. Noch nicht. Wenn ihr es kontrollieren könntet, wäre das ja kein Thema, aber … ihr seid einfach noch nicht so reif. Und Matos schon gar nicht. Wenn er sich wenigstens weiter körperlich verbessern lassen würde, könnte er sich solche Verletzungen sparen. Ahhh … Das ist wirklich ein Problem.“ Die Wahrheit war nämlich, je weniger „menschlich“ man war, desto besser konnte man die Kampfmaschinen steuern, so baute und programmierte Tzila sie. Und während er und Jirair fast schon zur Hälfte selbst Maschinen waren, weigerte sich Matos, noch mehr an sich verändern zu lassen. Er mochte einfach keine Operationen. Und vorallem keine Spritzen. Doch mit denen ärgerte Tzila ihn ständig …
 

Man sah dem stummen Jungen auch gleich das Unbehagen in seinem sonst so weichen Gesicht an. Vorallem, als die Asssistenten kamen und den Arm reparieren wollten. Er riss sich gleich los, bevor er noch tatsächlich unters Messer, oder eher, unter den Schraubenzieher kam und eilte wortlos davon. Nicht ganz, zu Jirair sagte er nämlich noch etwas: „Es tut mir Leid. Ich wollte keine Umstände machen. Ich gehe … Ich sehe nach Alpha. Mir geht es gut. Macht euch keine Sorgen!“
 

So war er immer. Er entschuldigte sich oft und fühlte sich gleich schlecht. Aber er wollte auch einfach nur einem Eingriff entgehen. Da vergaß er sogar die Schmerzen im Arm, Hauptsache weg hier. Dieses Labor war ihm nie geheuer.
 

„M-Matos, warte doch!“ Und schon war er weg. Jirair konnte ihn nicht einmal festhalten. Er seufzte nur. „Er hat Angst vor dir. Wahnsinniger Wissenschaftler. Du willst ja auch an allem und jedem herumbasteln. Denk doch mal dran, dass es Leute gibt, die das nicht wollen!“ Kaum fertig gesprochen, bereute er das auch. Dieses Thema war tabu, vorallem vor dem Wissenschaftler. Deshalb waren sie ja Neumenschen, weil sie sich verbessern wollten, oder eher, sie mussten es ja auch, um hier leben zu können. Das war nichts, wofür man sich entschied, sondern sich damit abfand. Es hatte ja keine Nachteile. Der Fortschritt hatte nie Nachteile, das waren die Ansichten auf dieser Kolonie. Der Blick von Tzila verfinstere sich gleich nach Jirairs Aussage.
 

„Wer ein Problem damit hat, hat hier nichts zu suchen. Der Fortschritt ist unser Glaube, unsere Existenz. Wer sich dem nicht bekennt … kann sich ja zu den Urmenschen gesellen. Aber die werden bald untergehen, genauso wie ihre Kolonie und diese eine Raumstation fiel, die wir eingenommen haben. Und nun sind die Menschen dort ein Teil von uns. Sie haben unser System akzeptiert. Gut, es blieb ihnen keine andere Wahl, als sich anzupassen, hehe … Das sollte dein Freund auch langsam begreifen. Anpassen oder … eines Tages untergehen.“ Damit hatte er wohl Recht, so grausam es klang, aber das war die Absicht der Neumenschen. Jeder muss sich dem Fortschritt beugen, das beginnt schon bei ihrer Geburt mit einem Identifikationschip, der eingepflanzt wird. Und Aufwertungen und mechanische Verbesserungen gehörten zum Alltag. Nicht einmal die Menschen der übernommenen Kolonien konnten sich dagegen wehren, sie wurden einfach angepasst.
 

„Dir scheint es ja gut zu gehen. Dann wirst du hier bleiben und mit mir die Statistik eures Kampfes auswerten. Irgendwann kommt Matos schon wieder angekrochen. Keiner will mit einem halben Arm herumlaufen.“ Tzila lehnte sich entspannt zurück. Vor ihnen flackerten dutzende Hologrammbildschirme, auf denen Zahlen, Daten und Werte flimmerten.
 

Und Jirair erschauderte nur. Tzila konnte schon sehr unheimlich sein, vorallem, wenn es um die Ideale der Neumenschen ging. Wenn er so drauf war, konnte er ihm gar nicht widersprechen, aus Angst, er würde daraufhin für Experimente missbraucht werden.
 

Im Hangar von Esna Omega war es immer sehr still. Die Kampfroboter wurden von Maschinen gewartet, das meiste hier funktionierte automatisch oder ferngesteuert, es waren selten Techniker anwesend. Matos kam genau deswegen gerne hierher. Hier fühlte er sich sicher. Hier gab es keine irren Wissenschaftler mit Spritzen. Aber er wusste, irgendwann musste er zurück, von selbst konnte sich sein Arm nicht reparieren. Und es tat ja doch ziemlich weh.
 

Ganz alleine war er aber nicht. Sein Gesichtsausdruck hellte sich etwas auf, als er eine vertraute Kameradin sah. Ein hübsches junges Mächen mit kurzen Haaren, die in einem dunklen Magenta gefärbt waren, und einer zierlichen Figur, ihr Lächeln war äußerst lieblich und genau das war es, was auch Matos ein wenig fröhlicher stimmte. Ihr Name war Yue Lifen und sie war etwas ganz besonderes.
 

Sie war eine der einzigen richtigen Cyborgs, die auf den Neumenschen Kolonien existierten. Geboren als Mensch, hatte sie nun jedoch einen komplett künstlichen Körper, lediglich ihr Gehirn war noch biologisch. Sie war demnach unsterblich, aber all das war es nicht, was sie so besonders machte. Es war ihr Ehrgeiz. Ihr Wille, etwas zu erreichen und sich immer weiter zu verbessern. Und jeder konnte diesen Willen spüren, auch wenn die Reaktionen darauf eher unterschiedlich waren. Obwohl die Menschen hier selbst immer mehr zu Maschinen wurden, war ihnen eine Person, die fast zur Gänze schon künstlich erschaffen wurde, nicht ganz geheuer. Vorallem, wenn sie so eigenständig waren und einen starken Charakter besaßen. Würde man es nicht wissen, würde man auch nie vermuten, dass Yue kein richtiges Lebewesen mehr war.
 

Und in letzter Zeit hatte sie sich mit diesem jungen, etwas unbedarften Piloten angefreundet. Sie steuerte selbst Kampfmaschinen, gehörte aber zu den austauschbaren Soldaten. Ihre letzten beiden Schlachten waren zugleich ihre erfolgreichsten, auch wenn sie nur als versteckte Scharfschützeneinheit zugeteilt war. Zuerst schaltete sie einen Elitepiloten der Urmenschen aus, und dann beim zweiten Kampf schoß sie wieder einen ab. Das machte sie natürlich stolz und es gab schon Gerüchte über eine Beförderung der jungen Cyborgdame.
 

"Meine Güte! Wie siehst du denn aus? Ist alles in Ordnung? Du blutest ja ... Lass mich mal sehen, Matos." Sie kam ihm gleich näher, begutachtete seinen Arm. „Ach, das kann ich dir richten. Der Kampf muss echt hart gewesen sein.“ Als sie ihn berührte, wirkte Matos richtig schüchtern, er errötete sogar etwas, sein Lächeln wirkte krampfhaft.
 

„Bestimmt willst du nicht zu Professor Anralgyth, richtig? Hehe … Er ist ja sooo unheimlich!“ Yue kicherte ein wenig. Sie sprach von Tzila, den sie ebenfalls gut kannte. Er war an dem Projekt um ihre Erschaffung beteiligt und seither hatte sie eine tiefe Verbindung zu dem Wissenschaftler. Sie arbeitete eng mit ihm zusammen und testete Kampfroboter für ihn.
 

„Komm mit. Ich habe noch ein paar Ersatzprothesen. Haha, ich brauche sie auch so oft, weil ich dauernd beim Kämpfen irgendwelche Gliedmaßen verliere. Eine zu hohe Synchronisationsrate kann schon sehr gefährlich sein.“ Aber es tat ihr ja nicht weh. Yue spürte keinen Schmerz. Sie spürte gar nichts, das war der Nachteil ihres künstlichen Körpers. Sie nahm Matos an der Hand, der kaum widersprechen konnte, so sehr war er jedes Mal von diesem Mädchen in den Bann gezogen. Sie war schon faszinierend, dachte er sich immer wieder, wenn er auf sie traf.
 

Yue hatte sich eine eigenes kleines Reich eingerichtet, eine kleine Werkstätte, in der sie selbst an neuen Ideen tüftele. Und tatsächlich lagen dort genug Ersatzteile herum. „Setz dich. Und lass mich nur machen.“ Sie drückte Matos auf einen Stuhl, machte ihn dann schamlos obenrum frei. Ihre Finger transformierten sich zu Werkzeugen, eine praktische Eigenschaft. Aber sie konnte ihre Hände auch zu Waffen formen, also war es ratsam, sich nie mit dem Mädchen anzulegen. Sie sah zwar süß aus, aber dahinter steckte doch eine gefährliche Technologie.
 

„Es ist im Nu vorbei. Keine Sorge, ich bin auch sanfter als der Professor.“ Sie giggelte nur, machte sich dann ans Werk. Und Matos sah man an, dass er sich bei ihr wohler fühlte, als bei dem Wissenschaftler. Sie hielt, was sie versprach. Keine Spritzen, kein unnötiges Bohren und Untersuchen. Dann dauerte es auch nicht lange und der neue Arm war angebracht.
 

Erleichtert atmete Matos ein und aus, bewegte dann zum Test seinen neuen Arm, der einwandfrei zu funktionieren schien. Peinlich berührt war er die ganze Zeit über hochrot im Gesicht gewesen, stand abrupt auf. Er verbeugte sich aus Dank, leider war Yue wie alle anderen und konnte ihn nicht verstehen, er würde ihr zu gerne seinen Dank aussprechen. Und nun hatte er sich ja doch ein wenig zuviel von einem Mädchen anfassen lassen. Schnell zog er sich wieder richtig an. Es war zwar etwas unhöflich, aber er winkte nur kurz und eilte dann davon, fast schon panisch. Aber das kannte Yue nur zu gut. So war Matos eben. Stumm wie ein Fisch und höchst schüchtern.
 

Gerade, als er durch das große Tor den Hangar verließ, fing ihn Jirair ab. Er war sichtlich überrascht, aber das verflog schnell. Jirair war immerhin sein bester Freund, bestimmt war er sofort besorgt losgeeilt, um nach ihm zu sehen, als er endlich von dem Wissenschaftler frei kam. Das vermutete Matos zumindest. Und dann war er doch sehr froh, ihn zu sehen. Die Unsicherheit von zuvor war verflogen, Jirairs Nähe fühlte sich immer so gut an. So vertraut. Als würde man Nachhause kommen. "War Tzila sehr wütend? Tut mir leid, dass ich einfach weggelaufen bin. Aber ... Spritzen ... und so ... !" Er sah seinen weißhaarigen Freund mit einem entschuldigenden Hundeblick an.
 

Jirair schmunzelte daraufhin nur ein wenig. „Schon gut. Er war nicht wütend. Er hat mir nur wieder seinen nervigen Vortrag gehalten … Langsam kann ich ihm auswendig nachsprechen! Der Fortschritt ist unser Glaube! Wir müssen uns beugen! Argh, ätzend. Er ist so besessen von seiner Arbeit. Er ist doch sicher schon selbst eine Maschine! Die wiederholen sich auch ständig.“ Ja, nachdem Matos weg war, hatte er auch noch die Ehre, ein wenig Zeit mit Tzila zu verbringen und sich von seinen Kalkulationen und Analysen berieseln zu lassen. Obwohl das mehr ein heftiger Regenschauer war, so viel theoretisches Geschwafel vertrug Jirair überhaupt nicht.
 

Wissend nickte Matos. Ja, diesen Vortrag kannte er auch schon zu gut. "Aber Spritzen sind kein Fortschritt. Sie tun weh und sind ekelig. Ich mag sie nicht." Da vertritt Matos seinen Standpunkt sehr genau, auch wenn sich seine Lippen nicht bewegten, Jirair verstand ihn zu gut. „Machen wir uns auf den Heimweg.“, was für Matos bedeutete, er wollte nur wieder bei seinem Freund übernachten. Dort war er lieber, als bei sich zuhause. Und er war auch öfter dort. Jirair kochte, und nach dem Essen spielten sie meist stundenlang bis tief in die Nachtstunden irgendwelche Videospiele, die alle umfassende virtuelle Welten waren, in die man über sein Implantat eintauchen konnte. Es war ein guter Zeitvertreib, denn sonst gab es hier als Kampfpiloten nicht viel zu tun, wenn gerade kein Einsatz bevor stand. Aber bestimmt wurde zur gleichen Zeit bereit schon die nächste Mission vorbereitet. Der Kommandant von Esna Omega, und ebenso oberste politische Führungskraft, ruhte nie.
 

„Hey … Du warst wieder bei dieser Yue, oder? Sie hat deinen Arm repariert. Das wird Tzila nicht gefallen.“ Die Frage kam plötzlich, aber Jirair hatte da schon eine Ahnung. Das passierte in letzter Zeit oft und da das Mädchen oft im Hangar anzutreffen war, konnte er schon Eins und Eins zusammenzählen. Vorallem, weil sein Arm plötzlich wieder heil war. „Momentan triffst du dich oft mit ihr. Nicht, dass es mich etwas angeht, aber … Was läuft da, mh? Mhhmm?“ Deshalb wurde er auch gleich neugierig und brachte Matos damit nur aus der Fassung.
 

Dieser lief rot an und druckste herum, blickte anschließend verlegen zur Seite. „Wir sind Freunde … Glaube ich ...“ An seiner Unsicherheit sah man jedoch an, dass er sich da auch nicht ganz sicher war. Aber man konnte es ihm auch nicht verübeln. Die Pubertät sorgte oft dafür, dass man sich zum anderen Geschlecht hingezogen fühlte. Jedoch war dieses Mädchen ein Cyborg, deshalb fragte sich Matos auch gleich, ob er so jemanden überhaupt anziehend finden konnte.
 

„M-Man kann doch mit Frauen befreundet sein? Wir haben keine Beziehung miteinander. Nein … Das wäre mir auch unangenehm. Ich kann mit so etwas nicht einmal umgehen. Ich kann ja nicht einmal sprechen! Wie … soll ich da jemanden glücklich machen?“ Wenigstens war es Jirair, der ihn darauf ansprach, da fiel es ihm gleich leichter, über dieses Thema zu reden. Es ging ja doch nicht nur um Yue. Matos war alt genug für Beziehungen, für Liebe … Aber wohl noch nicht so weit.
 

Jirair aber lachte nur, wohl auch, weil er es witzig fand, wie er ihn nun aus dem Konzept brachte. Und dann seufzte er nur erleichtert, weil zwischen Matos und dem Mädchen keine tiefere Verbindung stand. „Schon okay, schon okay. Ich war nur neugierig. Du machst dir aber echt Sorgen … Ich denke gar nicht erst an Frauen. Das bedeutet soviel Verantwortung. Ich habe gehört, wenn der Fortpflanzungszeitraum geöffnet wird, werden Frauen zu babybesessenen Furien … Wenn man es da nicht schafft, seine Liebste zu schwängern, dann ...“ Er wollte schon weitersprechen, aber dann merkte er, wie die Röte in Matos' Gesicht nur zunahm. Für das Thema war er wohl doch noch nicht so weit …
 

„Aber ja, das geht mich nun mal nichts an. Wenn du Yue magst … Ist das deine Sorge. Ich denke nur … wenn du eine Freundin hast, wirst du kaum mehr Zeit für mich haben. Das wäre doch traurig, oder?“ Jirair wusste selbst nicht, was ihn dazu veranlagte, so etwas zu sagen. Vielleicht war es ja doch Eifersucht. Oder lag es daran, dass er Yue nicht mochte, ihr nicht traute?
 

„Der Kommandant hat sie geschaffen, weil er keine Kinder zeugen kann. Ich finde den Gedanken unheimlich, dass selbst wir Neumenschen eines Tages … völlig künstlich hergestellt werden können. Yue ist da doch nur der Vorreiter eines solchen Zeitalters. Noch dazu stört mich etwas an ihr. Irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Da vertraue ich Tzila schon mehr, auch wenn er eine Schraube locker hat, im wahrsten Sinne des Wortes ...“ Jirair sprach seine Zweifel gleich offen und ehrlich aus. Er liebte seine Heimat, hier war er geboren und er war ein stolzer Neumensch und wollte unbedingt den Krieg gewinnen, aber … ob es nicht eines Tages doch zuviel wurde? Für ihn war dieses Cyborgmädchen nur der Anfang allen Übels, er hörte da einfach auf seine Intuition.
 

„Yue ist sehr nett. Du kannst ihr vertrauen. Nur weil ihr Körper künstlich ist, heißt es nicht, dass sie nicht wie wir ist. Sie hat Gefühle und so. Aber … Keine Sorge. Ich werde so schnell keine Freundin haben. Und wenn wir uns deswegen nicht mehr sehen könnten … würde ich auch keine haben wollen. Du bist meine erste Wahl, Jirair. Immer!“ Um seinen Worten Nachdruck zu geben, gestikulierte er wild mit den Händen. Dann griff er nach der Hand seine Freundes und drückte sie fest. Jemanden anzufassen, jemandem nahe zu sein … Es dauerte selbst mit Jirair viele Jahre, bis sie so enge Freunde waren.
 

„Vielleicht erinnert sie mich auch einfach an meine Mutter … Sie war auch sehr fürsorglich und hatte ein ähnliches Lächeln. Aber ich möchte ihr vertrauen. Immerhin hat sie uns schon oft geholfen. Sie hat diesen Späher abgeschossen! Das war beeindruckend. Aber wir sind nur befreundet. Das ist etwas völlig anderes, als bei dir, Jirair. Ich mag dich viel mehr." Seine innere Stimme war leise, fast nur ein Flüstern. Und er war froh, das nur sein bester Freund ihn „hören“ konnte.
 

„Er ist so süß …“, dachte sich Jirair und lächelte nur verlegen. Das war ja fast ein Liebesgeständnis, da wurde er selbst etwas rot. Aber sie waren nur Freunde, die füreinander ins Feuer gehen würden. Etwas beschämt starrte er ihre Hände an. „So soll es auch bleiben! Ich stehe über allen!“, scherzte er, dann aber entriss er doch schnell wieder die eigene Hand, ihm war das sichtlich peinlich. Verlegen kratzte er sich an der Wange, sprach dann weiter: “Du hast schon Recht. Sie hat uns geholfen. Dennoch … Irgendetwas an ihr stört mich. Pass einfach auf dich auf, wenn du in ihrer Nähe bist, verstanden? Und jetzt genießen wir unsere Freizeit! Bevor Tzila wieder auf die Idee kommt, uns zu sich zu rufen und vollzuquatschen … Oder er fummelt wieder in meinem Kopf herum.“ Jirair verdrehte nur genervt die Augen, lachte dann aber wieder.
 

Und Matos nickte nur. Er würde schon aufpassen. Oder hielt ihn Jirair wirklich für so naiv? "Tzila ist pervers. Ich glaube, sowas macht ihm Spaß. Er wirkt immer so erregt, wenn er mit Maschinen arbeitet. Also ... geistig erregt ... nicht körperlich!!" Wieder wedelte er mit den Armen, nun hatte er sich ganz falsch ausgedrückt.
 

Ihr langer Weg durch die sterilen Straßen und Gassen der Kolonie führte sie schlussendlich zum Apartement von Jirair, das in einem gewaltigen Gebäudekomplex lag. Wohnungen waren auf Esna Omega umsonst, registrierte Bürger bekamen ein ihrer Bedürfnisse entsprechendes Zuhause. Jirair war Pilot, hatte schon viel geleistet, deswegen bekam er sehr große Räumlichkeiten.
 

Hier war es sehr hell, fast schon grell, dank der künstlichen Lichtquellen. Drei Zimmer hatte er zur Verfügung, die meiste Zeit aber verbrachte er im Wohnzimmer. Zwei lässige Sitzsäcke waren in der Mitte des Raumes, auf einem fluffigen Teppich. Diese Einrichtung passte gar nicht wirklich zu den reinweißen Wänden aus Metall, dem hypermodernen Computer, der an der Wand angebracht war, mit zwei riesigen Monitoren, die die gesamte Breite des Zimmers einnahmen. Fenster jedoch gab es keine hier. Es gab auch nirgends in Esna Omega einen schönen Ausblick zu genießen. Licht wurde ferngesteuert, pünktlich jeden Tag zur selben Zeit wurde es dunkel auf der Kolonie, dann war es Nacht. Die Menschen richteten sich völlig nach Vorgaben, eigentlich jeder Neumensch in dieser Generation hatte noch nie zuvor einen echten Himmel gesehen. Oder war auf echtem Erdboden gewandert.
 

So auch Jirair und Matos, sie kannten die Erde nur von Bildern. Wie das Leben dort wohl war? Wie es war, frische Luft zu atmen? Auf immergrünen Wiesen zu laufen? Das würden sie nur erfahren, wenn sie diesen Krieg gewannen.
 

Nachdem Jirair aus seiner Küche ein paar Snacks geholt hatte, warfen sich beide auf die Sitzsäcke, bis sie fast komplett darin versunken waren. Je ein Kabel lag neben den beiden, welches sie dann nahmen und in eine Schnittstelle an ihrem Implantat im Nacken befestigten. Videospiele wurden direkt ins Gehirn übertragen, sie mussten nur die Augen schließen und schon waren sie in einer anderen Welt. Bis zum nächsten Einsatz tauchten sie also in eine virtuelle Welt ab und versuchten wieder, weltweite Highscores zu knacken. Trotz des Krieges, trotz ihrer Bestimmung, waren die beiden doch nur gewöhnliche junge Menschen.

Gegensätze

Bang! Mit einem lauten Knall landete Vilkas' Kopf auf der Tischplatte. Mit einem Mal war er hell wach. Huh? War er eingeschlafen? Dabei war er gerade dabei, ein paar Berichte zu bearbeiten. Um ihn herum war alles geschäftig, die Techniker arbeiteten an den Schäden der Elitemaschinen, selbst um solch eine späte Uhrzeit. Und er, der General der Techniker, war einfach eingeschlafen. Das war ihm nun doch etwas peinlich.
 

Als er sich streckte, rutschte ihm eine Decke von den Schultern. Jemand seiner Kollegen hatte ihn wohl zugedeckt. Er lächelte leicht und stand auf. Gut, dass er aufgewacht war. Sein Dienst war schon lange zuende. Und fast hätte er wieder hier im Hangar geschlafen, anstatt Zuhause … Das bereitete vorallem seinem Ehemann immer viele Sorgen.
 

Würde Ammadon überrascht sein, wenn er heute mal Nachhause kam? Das fragte er sich und errötete vor Vorfreude, wollte sogar schon losstürmen, als ihn ein leichter Schwindel packte. Achja, er hatte seinen Kopf vor einigen Sekunden angeschlagen ... Das würde eine Beule geben. Ausserdem fühlte es sich an, als wäre er noch im Halbschlaf. Egal! Er wollte nur noch zu seinem Ehemann ... in sein Ehebett ... und dann … !
 

Verbissen befahl er seinem Körper, sich ordentlich zu bewegen. Beim Verlassen des Hangars bemerkte er seinen Bruder, der auch noch an der Arbeit war. "Ich melde mich für heute ab. Bis Morgen. Du hast erst mittags Dienst, wenn du jetzt noch hier bist, verstanden? Versuch bitte nicht, meine schlechten Gewohnheiten zu übernehmen." Mit einem letzten Winker verschwand er aus der Halle. Der Weg in die Stadt, wo Vilkas ein kleines Haus gemeinsam mit Ammadon besaß, war doch ein wenig weit. Im unterirdischen Zug, der die Kuppeln von Heliopolis miteinander verband, schlief er auch wieder fast ein. Und dann endlich, spät aber doch, schaffte er es zurück ins traute Heim.
 

Etwas desorientiert dauerte es fast fünf Minuten, bis Vilkas den richtigen Code ins Tastenfeld des Türschlosses eingegeben hatte. Eigentlich war er ja ein richtiger Technikfreak, aber trotzdem störte es ihn nicht, so ein altmodisches Türsystem zu besitzen. Ausserdem war da ja noch der Iris-Scan, dessen greller Laser seine müden Augen nur mehr strapazierte.
 

Als die Tür mit einem leichten Surren aufging, stürmte er aufgeregt hinein, warf geschwind die Schuhe ab und blieb dann aber doch zögernd im Wohnzimmer stehen. Ihm fiel ein, dass Ammadon vielleicht schon schlafen könnte. Also schlich er ins Schlafzimmer, oder versuchte es zumindest ...
 

„Verzeih meinen Anblick, mein Schatz ...“ Erst hörte Vilkas diese vertraute und geliebte Stimme, schmunzelte ein wenig, doch dann roch er etwas … Ein fast schon beißender Gestank. Als er sich umdrehte, sah er in ein grünes Gesicht.
 

„W-Was zur … ?!“ Vilkas rieb sich die Augen. Er war so müde, fast hätte er doch tatsächlich vor Schreck aufgeschrien. Aber zum Glück erkannte er Ammadon an der Stimme, aber was war nur mit seinem Gesicht? „Warum … ?“
 

Ammadon trug eine giftgrüne, übelriechende Gesichtsmaske, die killte im Nu jegliche romantischen Gefühle des Wiedersehens. „Ich wollte nur meine Poren ein wenig reinigen. Ich möchte immerhin schön für dich sein. Normal lasse ich nicht zu, dass du mich so siehst … Herr je! Gib' mir fünf Minuten, dann bin ich ganz frisch für dich!“ Ammadon lächelte, auch wenn ihm das schwer fiel, da die Gesichtsmaske schon trocken war und ihm jegliche Mimik verwährte.
 

Und während Ammadon ins Bad eilte, um sich das Gesicht zu waschen, und womöglich noch eine halbe Stunde länger damit zu verbringen, sich herzurichten, warf sich Vilkas schon mal in das große Ehebett. Er war sogar zu müde um sich umzuziehen. Und dann inhalierte er erstmal tief. Hier roch alles nach dem blonden Schönling, den er doch tatsächlich heiraten durfte. Und langsam fielen ihm die Augen zu ...
 

„Ah, Vilkas! Die schöne Bettwäsche!“ Ammadon riss den Mann aus seinem kurzen Nickerchen, als er wieder das Schlafzimmer betrat und entsetzt sah, wie die seidene weiße Bettwäsche vollgeschmiert mit Motoröl war, welches noch an Vilkas' Arbeitskleidung klebte.
 

Der blonde Mann seufzte, lächelte dann aber lieblich. „Du musst sehr müde sein. Hast du wieder soviel gearbeitet?“ Ammadon verzieh seinem Ehemann gleich, als er sah, wie erschöpft er war. Er schaffte es gerade noch, seinen Kopf aufzurichten und ihn entschuldigend anzusehen. Der Navigator setzte sich zu ihm aufs Bett, legte sanft eine Hand auf seine Wange. Es war wirklich immer dasselbe. Vilkas arbeitete soviel, dass er es selten rechtzeitig Heim schaffte, bevor Ammadon ins Bett ging. Und wenn er mal nachhause kam, war er … nun … zu nichts zu gebrauchen. „Es reicht, wenn wir nur ein wenig kuscheln. Solange ich deine Nähe spüren darf, bin ich schon zufrieden. Überanstrengen solltest du dich nicht weiter. Deine Augenringe kannst du kaum verbergen. Ich könnte sie dir aber überschminken.“ Er kicherte, piekste ihm dann mit dem Finger gegen die Wange.
 

„Nein … Ich … Ich will mich nicht ausruhen … Ich … Uah ...“, versuchte Vilkas noch zu überspielen, wie kaputt er war. Aber es brachte nichts, so etwas offensichtliches konnte er nicht verleugnen. Dabei wollte er ihn einmal wieder richtig lieben. Ihn berühren, ihn küssen … Ihre Körper aneinanderreiben. Frustriert stöhnte er und drückte das Gesicht ins Kissen. Nach kurzer Zeit sah er wieder auf. „Es tut mir Leid. Ich glaube, du hast Recht … Wenn das so weiter geht, macht mich die Arbeit noch impotent.“, sprach er etwas verbittert, „Aber morgen früh. Selbst, wenn wir zu spät zur Arbeit kommen! Wir werden … den ganzen Morgen … Ich will endlich … mit dir ...“ Vilkas Stimme wurde immer leiser.
 

Sein Mann wusste, er würde gleich einschlafen. Also rutschte er an seine Seite ins Bett und zog die Decke an. Waren sie halt beide voll mit schmierigem Öl, Ammadon war zwar reinlich, aber wenn es um seinen geliebten Ehemann ging, nicht pingelig. „Gut, dann morgen. Versprochen. Wahrscheinlich werde ich dann so fix und fertig sein, dass du mich auf Händen zur Arbeit tragen musst … Oh, wie bei unserer Hochzeit. “ Und dann schmiegte er sich an Vilkas.
 

Zufrieden seufzend vergrub der Techniker das Gesicht in Ammadons Brust. Und die Körperwärme machte ihn nur noch schläfriger. Er verfluchte noch einmal seine eigene Unfähigkeit, seine Schwäche, aber dann, nach wenigen Minuten, schlief er ein.
 

Die erste Nacht auf Heliopolis Alpha war für Blaire keineswegs angenehm. Er konnte in diesem fremden Bett, in diesem unbekannten und leeren Zimmer auf einer völlig neuen Kolonie nicht schlafen. Deshalb war er nach zwei Stunden unruhigen Schlafes aus dem Bett gekrochen und erst mal Lyial ins Gesicht gestiegen, der sich ja entschieden hatte, am Boden zu schlafen, um seinen neuen Zimmergenossen nicht zu wecken. Seltsamerweise schien ihn der harte Tritt ins Gesicht nicht gestört zu haben, er hatte nur etwas von Amun gemurmelt, sich dann eingerollt und einfach weitergemützelt.
 

Blaire hatte dann den Rest der Nacht im Hangar verbracht, schlief im Cockpit von Percival. Dort war es still. Und alles so vertraut. Er fand dort sofort einen ruhigen und tiefen Schlaf, bis ihn früh Morgens der Lärm der Techniker weckte, die mit ihrer Arbeit begannen.
 

Die waren etwas entsetzt, als der Pilot im Pyjama aus dem Cockpit der alten Maschine kam, ihr Getuschel tat Blaire aber nur mit einem Schulterzucken ab, so etwas kannte er von der Gloriana. Er kehrte ins Zimmer zurück, es war halb acht Uhr morgens. Für die Schüler der Akademie würde in einer Stunde der Unterricht beginnen.
 

Das erste, was Blaire sah, als er die Tür aufmachte, war eine seltsame Beule auf dem Bett. Etwas war unter der Decke, bewegte sich, das erschrak den dunkelhaarigen Jungen natürlich etwas. Er hob dann nur eine Augenbraue. War das etwa … ?
 

„Hey, Lügner. Was zur Hölle tust du da … ?“ Er schlief doch nicht etwa so, fragte sich Blaire nur, aber nein. Lyial war wach. Er saß unter der Bettdecke und man könnte das Knuspern von Cornflakes hören. Er frühstückte nur, das sah auch Blaire mit eigenen Augen, als die Decke sich bewegte und Lyial sich zeigte. Er linste unter dem Stoff hervor, in seinem Gesicht zeigte sich ein leichter geröteter Abdruck eines Fußes, was er selbst aber wohl noch nicht bemerkt hatte. Er klagte nur wegen Kopfschmerzen nach dem Aufstehen.
 

„Guten Morgen. Mir ist immer nach dem Aufstehen kalt.“, antwortete er leise, sein Blick wanderte kurz zum Tisch, wo eine weitere Schüssel stand, dann sah er wieder zu Blaire auf. „Ich habe dir auch etwas bringen lassen.“ Dann aß er weiter, unter der Decke, was scheinbar für ihn völlig normal war.
 

Die Antwort klang doch sehr logisch. Ihm war kalt. Natürlich, warum sonst? Blaire verdrehte nur die Augen, setzte sich dann alleine an den Tisch, um auch seine Cornflakes zu sich zu nehmen.
 

„Du warst plötzlich weg. Ich habe mir Sorgen gemacht.“, sprach Lyial plötzlich, durchbrach die Stille, die seit einigen Minuten herrschte und man dazwischen nur Kaugeräusche vernehmen konnte.
 

„Du hast dir Sorgen gemacht? Ich habe dir doch gesagt, ich schlafe lieber bei Percival. Das Bett ist so groß. Und unbequem. Und was ist mit dir? Du hast auf dem Boden geschlafen!“ Für Blaire war es nicht sehr verständlich, warum dieser fremde Junge sich nun Sorgen um ihn machte. Sie kannten sich nicht einmal einen Tag.
 

„Ich wollte dich nicht wecken. Und im Bett war kein Platz mehr ...“ Lyials Antworten waren immer so nüchtern. Man hörte nie heraus, was er nun dabei fühlte. Aber scheinbar lag ihm etwas an seinem Mitbewohner, sonst wäre er nicht so vorsichtig und besorgt gewesen. Langsam legte er die Decke zur Seite, stand dann auf und stellte die leere Schüssel auf den Tisch. Ihre Blicke trafen sich dabei, Irritiertheit und leichte Arroganz bei Blaire und naive Gleichgültigkeit bei Lyial. Noch verschiedener konnten sie nicht sein.
 

„Du warst gestern auf einer Mission, oder?“ In Blaires Augen spiegelte sich nun eine gewisse Neugier wieder. Er wollte mehr darüber wissen. Am vorigen Tag bebte also eine Schlacht in der Nähe von Heliopolis und einer der daran beteiligten Piloten stand vor ihm. Da konnte er nicht anders, als nachhaken. Er selbst hatte die Übertragungen des Kampfes in den Medien nicht mitbekommen, er ging zu früh ins Bett, weil er müde und erschöpft von der anstrengenden Ankunf war.
 

Lyial nickte aber nur, gab sonst keine Informationen Preis. Wohl, weil er nicht wusste, dass Blaire eine ausführlichere Antwort erwartete.
 

„Na, und? Wie war es? Wie war der Kampf? Waren die Gegner Neumenschen? Habt ihr ihnen die Fresse poliert? Oh, bestimmt bist du abgeschossen worden, hahaha!“ Lauthals lachte Blaire, er hielt Lyial auch immerhin für „nichts Besonderes“, so wie der weißhaarige Junge es selbst betont hatte. So schmächtig wie er aussah, so langsam wie er sich bewegte und redete … Für Blaire wirkte er einfach zu hohl, um ein guter Pilot und Kämpfer im Krieg zu sein.
 

„Wie jeder andere Kampf. Es ist unsere Pflicht, Heliopolis zu verteidigen. Unsere Gegner waren stark. Aber es gab kein eindeutiges Ergebnis. Ich … war wohl nicht gut genug ...“ Lyial setzte sich nun an den Tisch zu Blaire, senkte etwas die Schultern. Er erinnerte sich an die Vorwürfe, die ihm Golyath immer wieder gemacht hatte.
 

Blaire aber lachte nur weiter. „Wusst ich's doch! Du bist bestimmt ein schrecklicher Pilot. Hahaha … Aber mach dir nicht's draus. Kann nicht jeder so gut sein wie ich.“ Er lehnte sich gelassen zurück, manchmal war er doch sehr überheblich. „Pflicht … Tz … Weißt du, was der Kampf gegen die Neumenschen für mich bedeutet? Adrenalin. Es fühlt sich gut an. Es fühlt sich richtig an, den Feind zu zerschmettern. Es ist unsere Pflicht, zu töten. Hast du schon einmal jemanden getötet, Lyial? Du wirkst wie jemand, der so etwas hasst.“ Was für ein hartes Thema er da nur ansprach. Töten … Ja, im Krieg gehörte das dazu. Der Feind war erst dann besiegt, wenn er tot war, das war einleuchtend. Doch was Blaire sagte, stimmte. Lyial war kein Freund von roher Gewalt. Er genoss das Kämpfen, aber das Töten … das sollte für ihn nie ein Spaß werden.
 

„Deine Worte … sind nicht richtig ...“, murmelte er nur. Für ihn konnte sich das nicht gut anfühlen. Solche kalten Worte sagten nicht einmal seine Kollegen. „Man darf keinen Spaß am Töten haben. Das ist falsch …“ Er wandte seinen Blick von Blaire an, in dessen Augen eine Flamme erleuchtet war, tiefrot, aber grausam und kalt. Das war für ihn beängstigend, so dass er den Anblick nicht ertrug.
 

"Als ich das erste Mal getötet habe, musste ich mich übergeben. Inzwischen habe ich mehr Leute getötet, als ich zählen kann. Die meisten Piloten sind Weicheier. Sie könnten niemals ein Leben nehmen, wenn sie das Gesicht ihres Gegenübers gesehen haben. Ich schon ... Ich habe schon jemanden aus nächster Nähe erschossen. Es fühlt sich gut an. Dieser Neumenschen-Dreck hat es nicht verdient, zu existieren." Nun sprach Blaire noch direkter. Sein Hass gegenüber den Neumenschen war deutlich spürbar, die Luft um ihn herum schien schon zu knistern.
 

"Ah, ich habe zuviel geredet. Tut mir leid, Kleiner. Jetzt habe ich dich sicher verschreckt …“ Blaire grinste etwas, als wäre es belustigend, Lyial Angst einzujagen. Dann stand er abrupt auf, streckte sich einmal richtig, gähnte noch anschließend und stellte sich dann, mit einem Arm gegen die Hüfte gestemmt, Lyial gegenüber.
 

„Danke fürs Frühstück, Lügner. Ich gehe mich nun weiter hier umsehen. Ich muss mich noch vorbereiten. Ich darf heute einen Übungskampf bestreiten. Vielleicht lernst du ein wenig von mir, also komm vorbei.“ Er streckte die Hand nach ihm aus, packte seine auffällige blaue Haarsträhne und zog etwas daran. Das wollte er schon tun, seit er ihn das erste Mal sah … Und nachdem sich Lyial lautstark mit einem „Aua, nicht doch!“ äußerte, drehte er sich um, warf ihm ein schelmisches Grinsen über die Schultern zu und verließ dann das Zimmer.
 

Lyial sah ihm schweigend nach. Dieser Blaire verwirrte ihn mehr, als jeder andere auf Heliopolis, jede andere Person, die er je kennenlernte. Und dank seiner Worte wurden Lyials Sorgen um ihn nur noch größer. Er hatte das Bedürfnis, ihm zu helfen. Nur … wobei, das fragte er sich gleich. Er verstand dieses Gefühl nicht. „So eine Person … habe ich noch nie kennengelernt …“, murmelte er leise vor sich hin. Ja, Blaire war in seinen Augen eine besondere Erscheinung. Wie sollte er damit nur umgehen … ?

Rohes Talent

Es war kurz nach Mittag und an der Akademie herrschte Aufregung. Nach dem Unterricht und dem Training sollte es dann endlich für Blaire so weit sein, der versprochene Schaukampf. Aber er war nicht der einzige, all die neuen Piloten, die übersiedelt waren, hatten heute zum ersten Mal das Vergnügen, die Neiths auszuprobieren. Eigentlich wurde das ganze nur eingefädelt, weil ein einziger Pilot den Generälen Kopfschmerzen bereitete …
 

Die großen Kampfarenen von Heliopolis, die noch zum Akademiegelände zählten, waren gut besucht. Fast jeder Schüler wollte sehen, was die neuen so zu bieten hatten. Und viele waren auch gekommen, um einfach nur die Neith endlich in Aktion sehen zu dürfen.
 

Doch einen störte der ganze Trubel sehr, nämlich Samuil, dem es lieber wäre, er könnte sich in Ruhe das Können der neuen Piloten ansehen, anstatt das ganze in ein öffentliches Event ausarten zu lassen. Er war schließlich dafür zuständig, Protokoll zu führen, die Daten der Maschinen und ihrer Piloten auszuwerten und musste die Jungspunde beurteilten, damit sie dann in die entsprechenen Klassen zugeteilt werden konnten. Der Unterricht für Piloten war in Kurse aufgeteilt, je nachdem, wie die eigenen Fähigkeiten und Präferenzen im Kampf waren, bekam man einen anderen Stundenplan mit passenden Kursen. Samuil teilte diese im Normalfall ein, er hatte eine gute Beobachtungsgabe und als Kriegsveteran wusste er, was zählte.
 

Außerdem war da noch die Sache mit Blaire. Samuil war besonders neugierig auf ihn und den alten Percival. Und das war noch nicht alles … Er wollte persönlich gegen ihn kämpfen. Diesen arroganten und vorlauten Jungen selbst testen. Deswegen bereitete er sich auf seinen eigenen Auftritt vor, übergab das Führen des Protokolls einem Kollegen und machte sich auf den Weg, einen der Neith für ihn vorzubereiten. Der strenge General hatte zwar eine eigene Kampfmaschine, aber die war für einen Arenakampf höchst ungeeignet, also lieh er sich einen Neith und ließ sein DNA-Profil einspielen, damit er ihn problemlos steuern konnte.
 

Währenddessen traf auch Blaire seine Vorbereitungen. Er trug sogar den dunkelgrau gefärbten Pilotenanzug, der mit seiner bronzenen Musterung gut zu Percivals Lackierung passte, jedoch bereitete ihm dieser Unbehagen. Der Anzug war einfach … eng und freizügig.
 

Er wartete ungeduldig im Cockpit seines geliebten Oldtimers auf seinen Einsatz. "Ich darf nicht einmal den Versagern zusehen, wie sie sich schlagen. Aber vielleicht ist das auch besser so. Das ist eh nicht interessant.“, sprach er zu sich selbst. Er sah von hier aus nichts vom Geschehen in den Arenen selbst, aber er steckte auch keine großen Erwartungen in die anderen Piloten. Bestimmt würde das für ihn ein leichtes Spiel werden, dachte er sich nur.
 

Plötzlich bemerkte er eine Person am Fuße von Percival. Diese markanten rötlichen Haare erkannte er sofort. "Ich sehe dich, Cecil. Wenn du reden willst, dann mach schnell. Es geht gleich los.“, hörte man es über den Lautsprecher der alten Maschine.
 

Der junge Navigator war natürlich auch gekommen, um den Kämpfen zuzusehen. Er selbst war nicht im Einsatz, bei Trainingskämpfen brauchte man keinen Navigator und Cecil hatte seine „Aufnahmeprüfung“ am Vortag bereits bestanden, auch wenn er nicht glaubte, dass ein Kaffeekränzchen mit Ammadon viel mit seinen Fähigkeiten zu tun hatte …
 

„Es … Es tut mir Leid … Ich wollte nur nach dir sehen. Ich darf dich nicht unterstützen, aber ich werde zusehen. Du bist auch bald dran, also … uhm ...“ Blaires Selbstbewusstsein schüchterte den scheuen Cecil immer wieder ein, aber dennoch redete er gerne mit ihm. Dieser starke Junge war auch einfach inspirierend und irgendwie wünschte sich der Rothaarige auch, eines Tages soviel Mut und Können zu besitzen.
 

Aber eigentlich kam er zu ihm, um ihn vorzuwarnen. Er wusste, wer der Gegner von Blaire und Percival war. „Du … Du solltest wissen, dass … Dein Gegner wird … !“ Er wurde von einem Signalton unterbrochen. Blaire war an der Reihe. Cecil stotterte zu sehr und konnte es ihm nicht rechtzeitig sagen, das Surren von Percivals Antrieb überschallte seine leise Stimme.
 

„Es geht los, haha! Endlich! Sieh zu und staune, Cecil.“, mehr konnte der Navigator auch nicht mehr hören, dann marschierte Percival schon los in Richtung Arena.
 

In den Zuschauerrängen saß nicht nur fast die ganze Schülerschaft der Akademie, sondern natürlich auch die Elite. Zu sehen, wie die besten einer anderen Elite ihr Können unter Beweis stellten, war auch für sie ein interessantes Schauspiel. Während Sorata stillschweigend mit starren Augen jegliches Kampfverhalten vor sich studierte, scherzten Golyath und Alvis im Grunde nur herum. Und sie schlossen sogar eine Wette ab:
 

„Ich sage dir, dieser Knirps von der Gloriana wird vom General sowas von vermöbelt! Ahaha … Was ist, wetten wir? Ich sage, er wird fünf Minuten aushalten.“ Golyath wollte auch unbedingt sehen, wie so ein Oldtimer live vor Publikum verschrottet wurde. Er hielt nichts von diesen sturen Außenseitern, denen musste man einfach eine Lektion erteilen.
 

„Du willst wetten? Hahaha … Gut, dann sage ich, schon in zwei Minuten brennt die Schrottmühle lichterloh! Pfff … Sieh nur, da kommt er. Ahh, was ist nur mit diesem verbeulten Äußeren? Und diese völlig verrostete und zerkratzte Lackierung? Das … Das ist doch nicht sein Ernst, oder? Er wird sowas von vernichtet!“ Alvis lachte laut, aber auch Golyath konnte sich das Spotten nicht verkneifen. Für die beiden war Blaire und vorallem der bronzene Roboter eine einzige Lachnummer.
 

Lyial saß etwas abseits von seinen Elitekollegen. Er fand die ganze Situation nicht so lächerlich, sondern konnte ahnen, dass da mehr dahinter steckte. Blaire war anders als alle Piloten, die der weißhaarige Junge je kennengelernt hatte. In ihm brennte ein Feuer … wie er es noch nie gesehen hatte. Und bestimmt hatte der General das auch gesehen, sonst würde er ihn nicht persönlich testen wollen. Am liebsten wollte Lyial ja selbst in Erfahrung bringen, ob hinter Blaires Arroganz wirklich soviel steckte, aber andererseits war das wohl auch nicht nötig. Irgendwie glaubte er ihm einfach blind. Er drückte den Roboterhund auf seinem Schoß fest, als er sah, wie Percival in die riesige Arena einmarschierte.
 

„Gut, Graf Dracula! Wenn ich die Wette gewinne, musst du dem General einen Heiratsantrag machen, hehe!“ Alvis stieß Golyath mit dem Ellbogen in die Seite, grinste dabei schelmisch.
 

„Hahaha … Und wenn du verlierst, musste du zur Pause nackt durch den Korridor der Navigatorinnen laufen!“ Die beiden wussten, wie man sich gemeine Strafen ausdachte. Mit einem Handschlag war die Wette gültig. Und neben ihnen verdrehte Sorata nur die Augen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder vollends dem Geschehen am Kampffeld widmete.
 

„Seid nun ruhig. Der General wird nun kämpfen. Vorallem du, Alvis, beobachte ihn gut. Dann siehst du die Art Professionalität, die du nie erreichen wirst.“, Sorata klang etwas genervt, also brachte sie mit einem äußerst fiesen Kommentar die beiden zum Schweigen. In solchen Momenten wünschte sie sich immer Clovis herbei, er hatte die beiden immer gut im Griff. Obwohl er wahrscheinlich bei einer so dummen Wette selbst mitgemacht hätte. Die Anführerin der Elite seufzte nur …
 

Blaire spürte schon das Gefühl von Euphorie einsetzen, das ein Kampf mit sich brachte. Adrenalin erhitzte ihn von Kopf bis Fuß. Er bemerkte nicht einmal die Zuschauer, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf den Testgegner, als er die Arena betritt. Vor ihm stand ein dunkelblauer Neith, das Design war ja doch sehr schnittig, musste er zugeben. Aber ein gutes Äußeres alleine reichte nicht gegen ihn. Er hätte auch so einen Neith steuern sollen. „Lächerlich!“, dachte er sich und rümpfte nur überheblich die Nase. In dem Moment, als er sich fragte, wer wohl sein Gegner war, flackerte der Bildschirm zu seiner rechten. Eine Bildübertragung kam herein und Blaire sah in das Gesicht des blonden, strengen Generals, der im Cockpit der Maschine saß, die ihm gegenüberstand.
 

Natürlich war er erst etwas verwirrt und überrascht, aber dann verstand er langsam und grinste nur. „Ihr seid also mein Gegner? Hahaha … Denkt ja nicht, dass ich nun Angst habe! Ich werde euch vor allen Leuten hier blamieren!“
 

Über die vorlauten Worte des glorianischen Piloten runzelte Samuil nur die Stirn. „Wie törricht … Ich wollte dir nur viel Glück wünschen. Ich habe noch nie einen Neith gesteuert, aber ebenso habe ich noch nie gegen ein so altes Modell gekämpft.“ Natürlich ließ der General sich nicht provozieren, das wäre höchst unprofessionell. Er unterbrach die Verbindung wieder, das Startsignal für die Kämpfer ertönte.
 

Und kaum ertönte die laute Sirene, stürmte der Neith auch schon auf Percival zu. Das war ein sehr agressives Verhalten, aber der General wollte ja auch testen, wie weit Blaire gehen konnte, vorallem mit seiner angeblich so hohen Synchronitätsrate. Er wollte ihn wohl auch mit voller Absicht verletzen, um zu sehen, ob sich der Schaden wirklich übertrug. Er zog ein blitzblaues Energieschwert und schlug mit rasanten Hieben zu.
 

Aber Blaire war nicht dumm. Ihm war bewusst, wie gefährlich richtige Kämpfe für seinen Körper waren. Deswegen hatte er in der Vergangenheit auch hart trainiert, um seine Ausweich- und Abwehrmanöver zu perfektionieren. Inzwischen ging es ihm so leicht von der Hand, dass er nicht einmal groß nachdenken musste und seinen Instinkten freien lauf liess. Rechts, rechts, links, rechts. Dücken, ein Schritt zur Seite, Sprung. Jedesmal wenn der Neith mit seinem Laserschwert zustiess, wich er perfekt aus.
 

Große Schusswaffen waren in Arenakämpfen verboten, es gab zwar Schutzschilde vor dem Publikum, aber ein starker Laserstrahl und Bombengeschosse konnten diese leicht durchdringen. Also musste Blaire mit seinen zwei kleineren Laserpistolen auskommen. Erst brachte er Abstand zwischen ihnen, es war kaum zu glauben, wie der klobig aussehende Percival sich so wendig bewegen konnte. Er machte einen Satz zurück, richtete dann die Pistolen auf den Neith. Es hagelte Schüsse und er schaffte es, den General zurückzudrängen um sich zu verteidigen und übernahm allmählich die Oberhand in der Offensive. „Das ist ein Kinderspiel … Ist das etwa alles?“, murmelte Blaire irritiert. Oder war es doch die Absicht des Generals, nicht anzugreifen? Bestimmt wollte er, dass er in die Vollen ging. Aber doch nicht so, dachte sich Blaire nur. „Wie lahm!“ Er warf die Pistolen weg, zog nun das stählerne Schwert von Percival. Sogar dies war ein altes Modell, moderne Klingen waren mit Energie versehen, es gab fast nur noch Laserschwerter. Aber diese hier war einfach nur eine gigantische Schneide aus strapazierfähigem und bruchsicherem Metall, mit solch einfachen Waffen kämpfte man früher eben noch.
 

Samuil beobachtete genau, was der Junge tat. Er wollte nun wohl kurzen Prozess machen und den Kampf beenden. Mit Schilden wehrte er gerade noch die Laserschüsse ab, dann aber schon, mit unglaublich schnellem Tempo, eilte Percival mit gehobener Klinge auf ihn zu.
 

An Blaires Kampfstil merkte Samuil, wie selbstsicher der Junge war. Sein ganzer Kampfstil strahlte diese Überlegenheit aus, als würde er sich selber für unbesiegbar halten. Und das war etwas, das man ausnutzen konnte. Ein Pilot durfte niemals übermütig werden. Diese Lektion hatte er schon vielen erteilt und letztens erst wurde Franklin für diesen Übermut bestraft. Er war ein guter Pilot, aber er hatte auch seine Fehler, wie jeder andere. Und diesen Fehler durften die anderen nicht mehr begehen. Weder die Elite, noch dieser Bengel. Das nahm sich der General als Vorsatz.
 

Deshalb war Samuil auch vorbereitet. Er wollte ihn aus der Reserve locken, aber das war nicht nötig. Blaire wollte siegen, um jeden Preis. Und dabei verzichtete er voll und ganz auf Strategie und Zurückhaltung.
 

„Er unterschätzt mich nicht. Nein, so dumm ist nicht mal er. Aber … Er hält andererseits auch zuviel von sich.“, das war Samuil klar. Als das Schwert auf ihn zusauste, brauchte es nicht viel, um die metallene Klinge mit seiner energiebeladenen aufzufangen. Mit wütendem Zischen prallten sie aufeinander. Samuil brachte mit einem Stoß wieder Abstand zwischen beide, aber nur Milisekunden später stürmten sie beide wieder nach vorne. Und dann folgte ein hitziger Zweikampf, ein schneller Schlagabtausch, es sprühten Funken, jedes Mal, als die so unterschiedlichen Waffen sich kreuzten.
 

Doch dann wurde schnell klar, dass sie keine ebenbürtigen Gegner waren. Samuil wollte dem Ganzen ein Ende bereiten. Er hatte bereits alles gesehen, was er sehen wollte. Nein, nicht ganz. Eine Sache fehlte noch.
 

Mit einem geschickten Schwung zerschlug er schlussendlich die Klinge von Percival, teilte sie in Zwei, mit einer Leichtigkeit, als hätte er bis vor kurzem nur mit ihm gespielt. Er hätte also jede Sekunde ernst machen können. Und just in dem Moment, als der bronzene Oldtimer unbewaffnet war, schoss ihm die aufblitzende Klinge entgegen, direkt links am Gesicht vorbei, striff die Panzerung leicht, so dass ein Kratzer entstand.
 

Ein Treffer. Ein Signal ertönte. Der Kampf war vorbei. Die Regeln dieses Trainingskampfes waren auch simpel. Ein Treffer und es war vorbei. Im echten Kampf, draußen am Schlachtfeld, reichte meist auch nur ein einziger Schlag, um jemanden auszuschalten. Das mussten die Piloten lernen.
 

"Der Kampf ist vorbei. Steig aus dem Roboter, Blaire Tyndall." Durch den Lautsprecher hallte die kühle Stimme von Samuil, ohne seine Stimmung zu verraten. Und auch der Neith kam zum Stillstand. Samuil öffnete das Cockpit, hangelte sich an der Maschine herab. Er nahm den Helm ab und wartete geduldig, dass der Junge auch seine Maschine verließ.
 

„Was … sollte das … ?“ Die Wut war in Blaires Gesicht geschrieben, als es so schnell vorbei war. Er konnte gar nicht reagieren, schon war sein Schwert in zwei geteilt. Und dieser Treffer erst … „Wie lächerlich! Das war doch kein Kampf! Ich wollte ihn in den Boden stampfen … Nimmt der Kerl mich etwa nicht ernst?!“ Er ballte die Fäuste, wollte schon gegen das Steuerungspult schlagen, hielt aber dann inne.
 

Seine Wange brannte etwas. Er rieb sich genervt darüber und bemerkte danach, dass Blut an seinen Handschuhen klebte. Er hatte einen Schnitt im Gesicht, genau wie Percival. „Au … Verdammt … !“, fluchte er nur. Wollte der General das also sehen?
 

Sein Blut kochte, als er ausstieg. Den Kratzer konnte er nicht verbergen. Mit schnellen Schritten stand Samuil auch schon vor ihm und packte sein Kinn, um ihn genauer betrachten zu können. Aber dann brach es schon aus Blaire heraus. Er schlug die Hand des Generals weg, stampfte erzürnt am Boden auf.
 

"Ja, ich bin verwundet! Glaubt ihr es jetzt?! Aber das hält mich nicht auf! Ich kämpfe trotzdem, selbst wenn ich nurnoch ein blutendes Wrack bin! Wenn ihr es mir verbietet, dann werdet ihr das schnell bereuen!!" Er wusste, das man mit drohen nicht weit kam. Er wusste, wie kindisch er sich benahm. Aber er hatte Angst. Angst davor, seinen einzigen Lebenszweck zu verlieren. Ein Niemand zu werden. Der Krieg und das Kämpfen waren doch sein einziges Licht im Leben.
 

Der Tumult in seinem Inneren weckte etwas in Percival. Die Maschine bewegte sich, ohne einen Piloten in sich zu beherbergen. Sie hob ihre riesige Hand, stiess den General von Blaire weg und schleuderte ihn zu Boden. Danach kam sie wieder zum Stillstand.
 

Stille herrschte in der Arena. Niemand der Zuschauer konnte so Recht fassen, wovon sie da gerade Zeuge wurden. Percival hatte sich von selbst bewegt und griff den General an. So etwas … war das nicht typisches Neumenschenhandwerk? Unbehagen breitete sich bei den Schülern aus und sie raunten mittlerweile aufgeregt.
 

Selbst unter den Elitepiloten herrschte Sprachlosigkeit. Vorallem Lyial war die ganze Zeit über nervös und angespannt. Er konnte nicht einmal ruhig sitzen, bemerkte wohl aber auch nicht, dass er schon aufgestanden war, bevor der Kampf begonnen hatte. Er war beeindruckt. Blaire war wirklich gut. Und das wohl, weil er und Percival ein eingespieltes Team waren. Er verstand seine Maschine und konnte sie so effizient einsetzen. Da spielte es keine Rolle, dass er alt und aus der Mode war, er war genauso schnell wie ein Neith und ebenso wendig. Natürlich hatte er keine Chance gegen den General, die Niederlage war vorhersehbar. Normalerweise steuerte Samuil ja auch eine der mächtigsten Waffen der Urmenschheit.
 

Lyial konnte die Ärgernis in Percival hören. Er verstand ihn und seine Intuition, Blaire zu beschützen. Der Roboter hatte sich von selbst bewegt. Zwischen den beiden herrschte wirklich ein einzigartiges Band, dabei spottete Blaire doch über ihn, weil er mit Maschinen sprach, doch scheinbar merkte er selbst nicht, dass Percival seinen Piloten durchaus verstehen konnte. Langsam setzte er sich wieder. Soviel Aufregung tat ihm nicht gut, ihm war schon ganz schwindelig. Hoffentlich beruhigte sich die Situation, wünschte er sich nur, als er, wie alle anderen, seinen Blick in die Mitte der Arena warf.
 

Sorata war ebenso gefesselt. Dieser Blaire von der Gloriana ... Er war in ihren Augen so lebendig. Soviel Leben hatte sie noch nie in einem Menschen gesehen. Davon war sie fasziniert. Diese Leidenschaft, dieses Feuer. Es machte sie neidisch. Wie konnte man soviel empfinden ... Soviel aus sich rausgehen? Das wollte sie auch. Sie schaffte das nur nie.
 

Die Anführerin legte eine Hand auf Lyial's Arm. Er wirkte ziemlich fertig, als wäre er einen Marathon gelaufen. "Beruhig dich. Du bist ja ganz erschöpft.", sprach die leise zu ihm. Ging ihm der Kampf etwa auch so an die Nieren? Sah er dasselbe, was sie auch sah?
 

Ihr Blick wanderte dann zu Alvis und Golyath, die doch tatsächlich stritten, wer denn nun die Wette gewonnen hatte. Im Grunde lagen beide falsch, aber der blasse Mann behauptete, er wäre mit seiner geschätzten Zeit näher am Ergebnis. Sorata schüttelte nur den Kopf. Die beiden schienen das Wesentliche dieses Kampfes verpasst zu haben ...
 

Samuil rappelte sich langsam auf. Dann klopfte er sich den Staub von der Kleidung. Der Schubser war zu seinem Glück nicht schmerzhaft gewesen. Der strenge Blick war kaum zu deuten.
 

"Deine Maschine hat sich von selber bewegt. Und du bist verletzt. Anscheinend hatte der kleine Navigator recht. Deine Synchro liegt bei fast 100%." Dann schritt er langsam auf den Jungen zu. Er warf noch einmal einen Blick zu Percival hoch, aber der rührte sich nicht mehr. Völlig unerwartet packte er Blaire an den Schultern, drückte fest zu.
 

"Du hast viel Potential. Riesiges Potential. Man könnte sagen, du bist ein ungeschliffener Diamant. Deine Fehler sind eindeutig, aber die kann man ausmerzen. Und ich werde sie ausmerzen. Ich werde dich mehr fordern, als jeden anderen. Und aus dir etwas machen, das noch keiner jemals gesehen hat. Ab heute bist du mein persönlicher Schüler. Und als erste Handlung als dein Lehrer ... nein, dein Meister ..." Dann hob er die Faust und schlug ihm ins Gesicht, so dass Blut aus der Nase von Blaire spritzte und er ein Stück nach hinten torkelte.
 

"Du wirst mich nie wieder respektlos behandeln! Und auch deine Maschine wird nie wieder Hand an mich legen! Sollte so etwas noch einmal passieren, werde ich dich auspeitschen! Und jetzt steh auf, Blaire. Du kommst mit mir mit. Dein Training beginnt jetzt sofort. Die Elite hat sich auch bei mir zu melden!" Die letzten Worte rief er nach oben, wo die vier saßen. Dann stapfte er aus der Arena.
 

Währendessen brachten die Techniker die beiden Maschinen weg, Blaire hatte keine Zeit sich darüber zu beschweren, dass jemand Percival anfasste. Er musste diesem wahnsinnigen Narbenmann folgen, der ihn genauso überrascht hatte, wie alle anderen. Er brachte kein Wort heraus, wie sonst, wo er doch alles und jedem widersprechen konnte. Noch dazu schmerzten seine Nase und sein Kiefer von dem heftigen Schlag ...

Der Wunsch nach einem Freund

Blaire war schwindelig. Er fühlte sich wie auf Drogen. Was war gerade eben passiert? Der Testkampf lief für ihn ja nicht so besonders, aber scheinbar hatte er sich damit beweisen können. Samuil war von ihm überzeugt, so sehr, dass er ihn als persönlichen Schüler trainieren wollte. Und er wollte Meister genannt werden. War das nicht etwas zuviel verlangt? Der Schnitt an seiner Wange juckte schon etwas, er wollte sich nun lieber das Gesicht waschen, aber dafür blieb keine Zeit. Er durfte die Elite kennenlernen. Die besten Piloten von Heliopolis …
 

Sie standen mitten in einem langen Gang, als Samuil mit Blaire im Schlepptau bei den vier berühmten Piloten ankam. Die angespannte Stimmung war deutlich zu spüren, immerhin musste wohl jeder erst verdauen, was da gerade am Kampffeld passiert war.
 

„Die Elite meldet sich zum Dienst.“ Golyath salutierte scherzhaft, bevor er dann Blaire genau musterte. „Was für ein Knirps.“, dachte er sich, aber das traf bei Golyaths überragender Körpergröße bei fast jedem zu. Er steckte die Hände in die Hosentaschen. „Da hat aber einer eine gute Figur gemacht auf dem Kampffeld. So gut, dass der General ihn nun behalten will. Vielleicht zeigt er dir bald seine persönliche Folterkammer?“ Nein, das konnte er sich nun wirklich nicht verkneifen. Er lachte schelmisch, verstummte aber, als niemand lachte, vorallem der General selbst nicht, der sich nur räusperte.
 

„Blaire, darf ich vorstellen? Die Elite von Heliopolis. Das hier ist Golyath. Er ist der Älteste. Und steuert Anubis“, begann Samuil, seine treuen Schüler vorzustellen, „Diese junge Dame ist Sorata, sie ist unser Genie aus den hinteren Reihen, sie steuert Nefertem. Und das ist Alvis. Er ist … eine Rotzgöre, die nie ihre Hausaufgaben macht. Er steuert Bastet.“
 

„H-Hey, was heißt hier Rotzgöre? Ich bin keine … Ich bin ein guter Pilot … !“, natürlich protestierte Alvis, aber eigentlich war es auch nichts Neues, dass der General so von ihm sprach.
 

„Und zu guter Letzt, unsere Neuzugang … Das ist … Eh ...“ Samuil runzelte die Stirn. Versteckte sich Lyial da gerade hinter dem großen Golyath? Das merkte der Dunkelhaarige auch selbst und ging gleich netterweise einen Schritt zur Seite, um die Sicht freizumachen. Dann fuhr Samuil fort: „... Der Pilot von Amun, Lyial. Aber ihn muss ich nicht vorstellen, ihr teilt euch ja ein Quartier.“
 

Blaire hatte einige Fragen im Kopf, als ihm diese Personen so vorgestellt wurden. Zuerst an Golyath, wegen dem verstörendem Tattoo. Soweit er wusste, war das doch die Kennzeichnung von Verbrechern. Er war also bestimmt im Gefängnis gewesen. Sorata wirkte sehr unscheinbar und vorallem nicht durchschaubar. Sie war seinem seltsamen Zimmerkollegen nicht unähnlich, aber selbst in ihren ausdruckslosen Augen steckte noch mehr Leben. Sie wirkte intelligent. Bei Alvis musste er dann schon prusten, er war wohl das „Opfer“ der Elite, er wirkte auch wirklich wie ein Rotznase. Und dann war da …
 

Blaire starrte nur, als er den Weißhaarigen erkannte, der sich bis vor wenigen Augenblicken noch gekonnt versteckt hielt. Langsam öffnete er ungläubig den Mund. Sein Hirn setzte kurz aus und in seinem Kopf hallten die Worte „Ich bin nichts Besonderes“, die ihm dieser Junge doch bei seiner Vorstellung noch sagte. Als er seine Gedanken wieder geordnet hatte, packe er ihn plötzlich am Kragen und schüttelte ihn leicht. „Was soll das?! Du bist in der Elite?! Du hast gesagt, du wärst nichts Besonderes! Geht's noch?!“
 

Blaire konnte es nicht fassen. Hielt dieser Maschinenflüsterer etwa wirklich so wenig von sich, oder hatte er ihn einfach dreist angelogen, weil er sich für etwas besseres hielt? Kurz schätzte er ihn ab, aber als er in diese großen, ausdruckslosen Augen starrte, kannte er die Antwort bereit. Doch das störte ihn. Er konnte Leute nicht leiden, die kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatten. Das hielt sie immer zurück, großes zu tun. So wie Cecil. Er war kein schlechter Navigator, aber hatte zuviele Skrupel um das auch zu beweisen. Schnaubend liess er von Lyial ab.
 

„A-Ahh … Ich … bin doch auch nichts Besonderes ...“, wiederholte Lyial nur. Er war wohl einfach bescheiden und wollte nicht prahlen. Zudem war er erst vor kurzem zur Elite hinzugestoßen, und noch bei weitem nicht so gut wie die anderen, das dachte er zumindest. Woran es wirklich scheiterte, nämlich der mangelnden Akzeptanz seiner Kollegen, daran dachte er gar nicht. Er gab immer sich selbst die Schuld.
 

"Das hättest du echt gleich sagen können. So etwas verschweigt man nicht! Mann, dann hätte ich gestern mit dir kämpfen können! Aber jetzt ist es zu spät. Wer zu feige ist, mir Auge in Auge gegenüber zu treten, ist meine Zeit nicht wert." Sofort schätzte Blaire Lyial als einen Versager, einen Schwächling, ein. Wer ein Lügner war, konnte ja auch nicht stark sein. Wie immer überschätzte er sich selber und unterschätzte seinen Gegenüber. Das erntete ihm dann auch wieder einen Schlag von Samuil, diesmal direkt auf den Hinterkopf.
 

"Ich weiß ja nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber red' gefälligst nicht so dreist mit einem der Elite. Denkst du, sie heißen umsonst so? Ihre Fähigkeiten übertreffen deine noch bei Weitem. Es wird dauern, bis du dich mit ihnen messen kannst. Und es ist dir auch verboten, mit ihnen zu kämpfen!! Sie haben keine Zeit, sich mit Kleinkram wie dir zu beschäftigen. Hast du das verstanden?!", bellte Samuil dem arroganten Piloten ins Ohr.
 

Und in Blaires Kopf klingelte es nur. Dieser General war ja gemeingefährlich! Er schlug ihn schon das zweite Mal. Und das nicht zu zaghaft.
 

„Ich … Ich hätte es dir schon gesagt … Wenn sich eine Gelegenheit ergeben hätte … Aber sicher nicht, um damit anzugeben. Oder dich herauszufordern. Oder herausgefordert zu werden …“ Lyial konnte den Schmerz richtig fühlen, den der Schlag von Samuil auslöste. Autsch, solche Kopfnüsse kannte er zur genüge. Das Lob des Generals ließ ihm aber eine leichte Röte ins Gesicht steigen. So wichtig war er nun auch nicht, dachte er nur. Er war sich sicher, dass die anderen Piloten auch gut ohne ihn klar kämen.
 

Golyath beobachtete das Treiben mit einem amüsierten Gesichtsausdruck. Es war für ihn eine Freude, wenn freche Bengel ihre Abreibung bekommen. So grinste er auch immer, wenn Alvis eine Tracht Prügel bekam. Außerdem erheiterte das seine Laune, nach der verlorenen Wette und den rauen Worten des Generals am Vortag.
 

Samuil räusperte sich, um wieder die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. "Lasst euch nicht von dem Burschen aufhalten. Er kriegt seinen ganz eigenen Trainingsplan. Ihr werdet heute ausserhalb der Kolonie trainieren, mit euren Maschinen. Ein Meteorschauer ist im Sternenbild Perseus aufgetaucht. Das ist eine gute Möglichkeit. Fliegt dorthin und übt eure Ausweichmanöver und Hit-and-Run Taktiken. Benutzt dafür eure Trainingswaffen." Das waren Waffen, die keinen Schaden anrichteten, aber jeder Schuss, der ins Schwarze ging wurde registriert und am Ende konnte man so feststellen, wer am meisten oder am wenigstens getroffen wurde. „Golyath, da Anubis beschädigt ist, nimmst du eine Trainingseinheit. Ich will ja nicht, dass dir langweilig wird.“
 

Kraftvoll schlug er seine Hand auf die Blaires Schulter. "Du würdest gerne zusehen, nicht wahr, Junge? Dafür ist keine Zeit. Du hast jetzt dein eigenes Training." Mit diesen Worten bugsierte er schließlich Blaire davon. Auf ihn wartete nun ein hartes, anstrengendes Training, damit konnte der General bisher fast jedem Disziplin einbläuen.
 

„Los, Los, Kinder! Ihr habt den General gehört! Auf zum Training. Heh, und ich krieg nur ein Trainingsmodell. Das ist fast schon unfair ...“ Golyath klatschte in die Hände, um seinen kleinen „Kindergarten“ voranzutreiben. So groß wie war, wirkten die anderen wirklich automatisch jünger als er. Eigentlich sollte Sorata ja für Motivation sorgen und die anderen antreiben, durch ihre Position als Anführerin, aber die starrte gerade in Gedanken vertieft in die Richtung, in die Samuil mit Blaire abgerauscht war …
 

Das Training der Elite dauerte einige Stunden an. Eigentlich war das eine gefährliche Angelegenheit. Jedes falsche Manöver könnte einen in so einen riesigen Brocken befördern. Aber genau das machte den Spaß aus. Es war wie ein Versteckspiel, jeder suchte Deckung und versuchte die anderen auszutricksen und zu überraschen. Es galt, jeder gegen jeden. Und, eigentlich wie immer, kam letztendlich Sorata als Siegerin hervor. Da konnte man von Glück sprechen, dass das nur Trainingswaffen waren …
 

Lyial hatte sich gerade umgezogen, befreite seinen Roboterhund aus dem Schließfach und verließ dann die Umkleide, als ihn plötzlich jemand abfing. Es war Sorata, die sich ihm in den Weg stellte. Das war für den weißhaarigen Jungen eine ganz neue Situation. Er ging seinen Kollegen eigentlich immer nach der Arbeit aus dem Weg. Er wusste ja, dass Alvis oft mit Sorata abhing, und Golyath meist Clovis im Krankenhaus besucht, oder sich Konzerte seines Idols ansah. Da passte er nirgends dazu. Deswegen war er verwirrt. Er blickte hinter sich, neben sich, sogar über sich, ob das nicht vielleicht ein Missverständnis war und sie mit jemand anderes sprechen wollte, aber nein, dem war nicht so.
 

„Ich habe eine Bitte an dich.“, sprach sie nur, ihr Blick wurde härter, fast schon bedrohlich. Wie jemand, der eine Bitte hatte, sah sie nicht aus. „Ich möchte mit dir das Quartier tauschen. Ich will mit Blaire das Zimmer teilen.“, und dann platzte sie mit ihrem Anliegen auch gleich heraus.
 

Über Lyials Kopf kreisten Fragezeichen. Quartier tauschen? Wegen Blaire? Das verstand er nun gar nicht. Und es kam so plötzlich. Er blinzelte, wiederholte dann nur ihre Worte. „Du willst … mit mir tauschen? Ich ...“ Er kam noch zu keiner Antwort, da er zu langsam reagierte, weshalb ihn Sorata auch gleich unterbrach.
 

„Natürlich nicht aus zweideutigen Gedanken. Er fasziniert mich. Und ihr kommt sowieso nicht miteinander klar.“ Und das war die volle Wahrheit. Sorata sah ihn heute kämpfen, der Testkampf war zwar kurz, aber sie sah darin soviel. Sie spürte das Feuer, dass in Blaire brennte. Wie er kämpfte, mit wahrer Leidenschaft. Etwas, was ihr fehlte. Deshalb wollte sie sich mit Blaire anfreunden, in seiner Nähe sein und darauf hoffen, dass etwas von seinem emotionalen Ehrgeiz auf sie abfärbte. Das war ihr Plan.
 

Die Pilotin wusste nämlich genau, woran es bei ihr mangelte. Sie war eine Person, der es nur wichtig war, dass sie funktionierte. Sie wollte siegen, aber nicht, weil es ihr etwas bedeutete. Sie kämpfte, aber im Grunde ohne Träume, Ziele oder einen Antrieb. In ihr brennte kein Feuer, stattdessen herrschte eine eisige Kälte. Die war zwar genauso bedrohlich und gefährlich, aber sie selbst wusste, dass sie damit eines Tages an ihre Grenzen stoßen würde. Und als sie Blaire heute kämpfen sah, und sogar die Begeisterung des Generals spürte, weckte das auch in ihr eine gewisse Motivation. Dieser Junge … sie konnte viel von ihm lernen. Aber nur, wenn sie auch Zeit mit ihm verbrachte.
 

Doch sie wurde abgewiesen. „Nein. Blaire ist mein Mitbewohner.“, antwortete Lyial endlich. Er wusste ja selbst nicht genau, wieso er das nun sagte. Aber er hatte an jenem Morgen schon einen Entschluss gefasst … Er wollte Blaire helfen. Wobei, war ihm nicht klar, aber es war ihm wichtig. Auch wenn er gerade kurz noch mit dem Gedanken spielte, zuzustimmen, aber das war nur die Angst davor, von dem hitzköpfigen Piloten verprügelt zu werden, da er nicht direkt und sofort von ihm erfahren hatte, dass er zur Elite gehörte …
 

Sorata war sichtlich überrascht. In ihren Augen, und wohl auch in den der anderen, waren Blaire und Lyial bestimmt keine Freunde. Sie schienen sich nicht sonderlich zu verstehen. Wo war dann das Problem? Und Lyial war niemand, der gut darin war, soziale Kontakte zu pflegen. Er war doch immer gerne alleine, zog sich ständig zurück.
 

Die beiden starrten sich eine Weile wortlos an, bis Sorata schließlich resigniert seufzte und kapitulierte. Sie konnte Lyial so wohl nicht überzeugen, sein Zimmer abzutreten. Dann musste sie sich einen anderen Weg suchen, um sich an Blaires Fersen zu heften.
 

Und damit war das kurze Gespräch beendet. Lyial ging weiter, ließ das Mädchen stehen. Schon seltsam, da wollte das erste Mal einer seiner Kollegen mit ihm reden und es ging um so ein unangenehmes Thema, welches Lyial eigentlich nur verwirrte. Aber Blaire war nun sein Mitbewohner. Er war ihm zugeteilt worden, und das respektierte er. Immerhin hatte der General das so gewollt, vielleicht steckte da mehr dahinter. Und wenn nicht, war ihm das auch Recht. Blaire faszinierte ihn nämlich ebenso, auch wenn er ihn meist eher einschüchterte … Und vielleicht war er der erste Freund, den er sich so sehr wünschte?
 

Lyial war nach all den Geschehnissen wieder sehr müde. Erst die Testkämpfe, dann die ganze Aufregung und ein Training im Weltall. Jetzt musste er nur noch Blaire wieder in die Augen sehen können. Doch irgendwie führte es ihn nicht zurück in sein Quartier. Er wollte zuerst woanders hin.
 

Er ging den Gang weiter entlang, steuerte den Hangar der Neith an, dort, wo auch Percival ruhte. Er musste ihm doch gratulieren, er würde bald sicher mehr zum Einsatz kommen, jetzt, wo Samuil Blaire zu seinem Liebling erklärt hat. Für einen stolzen Krieger, so wie der alte Herr es war, gab es bestimmt keine größere Ehre.
 

„Hallo, Percival. Ist dir langweilig? Ich bin mir sicher, Blaire kommt heute noch vorbei. Bis dahin vertreibe ich dir ein wenig die Zeit.“ Die Techniker starrten jedes Mal, wenn Lyial den Maschinenraum betrat. Der Spinner also schon wieder. Redet er wieder mit den Maschinen? Wahrscheinlich war er selber eine und hatte nur eine Schraube locker. Ja, er war bereits eine Bekanntheit. Aber er ließ sich nicht davon abhalten, weiter mit Percival zu quatschen. Er erzählte ihm, was Blaire nun bestimmt alles machen musste. Und fragte ihn aus, wie die beiden es schaffen, so ein gutes Team zu sein. Und … Er erzählte ihm von seinem Herzenswunsch: Einen richtigen Freund finden, sowohl einen Menschen, als auch eine Maschine. Und wenn er ganz ehrlich war … Wünschte er sich Blaire als Freund.
 

Endlich war das Training vorbei. Blaire wurde von dem General gefordert, wie er noch nie zuvor gefordert wurde. Und dieser Typ war streng. Er hatte sich öfter Schläge eingehandelt, wegen seinem respektlosen Verhalten. Vielleicht sollte er jetzt einfach schleimen und immer brav auf das hören, was der Mann sagte ... seine Gedanken konnte er ja nicht lesen. Aber er erschauderte nur, so eine Person würde er nie werden wollen.
 

Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht, als er in den Hangar zu Percival schlurfte. Jeder Muskel schmerzte, dabei war er körperlich eigentlich ziemlich gut trainiert. Von weitem konnte er schon erkennen, wer sich da bei seinem Roboter aufhielt. Stirnrunzelnd schritt er zu ihm, die Hände in die Hüften gestemmt. "Was machst du denn hier? Ist dir so langweilig, dass du mit meiner Maschine quatscht? Du hast doch eine eigene, oder? So ein supertolles Elite-Ding." Ächzend setzte er sich neben den Fuß von Percival auf den Boden. Au, dieser Muskelkater ...
 

Zwischendurch war Lyial eingenickt gewesen, aber die Techniker hatten ihn aufgeweckt. Er war schon dabei, sich von Percival zu verabschieden, da kam Blaire. Etwas beschämt drehte Lyial den Kopf von ihm weg. „Percival ist viel lockerer und offener als Amun. Er redet ja nicht so gerne … vor allem nicht mit mir.“ Lyial seufzte. Dann blickte er Blaire doch an, er war genauso erschöpft, das sah er ihm sofort an.
 

Blaire schnaubte nur. "Warum hast du mich belogen? Hältst du wirklich so wenig von dir, oder hast du dich auf diese Art über mich lustig gemacht?" Seine Stimme klang wirklich kalt. Es war auch ein Schock gewesen, als Lyial dort bei den Elitepiloten stand. Aber er konnte die Sache nicht einmal klären, weil der General ihn vermöbelt hatte.
 

„Das erste, was die Leute von mir erfahren sollten, ist mein Name. Wer ich bin. Und nicht, wie gut ich bin.“ Lyial sah zu Percival hoch. „Kämpft man auf der Gloriana nur aus Spaß? … Ich bin nicht so. Ich habe dabei keinen Spaß … Ich will mich auch mit keinem messen. Das ist kein Spiel. Das ist Krieg. Ich möchte meine Fähigkeiten nutzen, um diese Kolonie zu beschützen. Um das Leben all dieser Menschen hier zu beschützen.“ Sein Blick wanderte wieder zu Boden. In seiner Vergangenheit schien es das ja nicht geschafft zu haben. Memphis würde übernommen, das Schicksal der Menschen dort war ungewiss.
 

Für Blaire aber waren Übungskämpfe und Rivalitäten normal. Ja, so war es auf der Gloriana. Der Krieg war doch nur ein weiterer Grund, den jungen Piloten einen Ansporn zu geben. Er verdrehte die Augen. Lyial hatte wirklich einen Stock im Arsch, dachte er nur. Aber dann grinste er verschmitzt und linste zu dem Elitepiloten hoch. "Du bist also gut. Richtig gut. Ich will das mit meinen eigenen Augen sehen. Und gegen dich kämpfen, aber das darf ich ja nicht. Heh. Ich wollte schon immer einen Rivalen haben. Jemand, der mich versteht und sich mit mir messen kann. Jemand, der mir alleine gehört." Blaire wusste nicht, dass er sich genau das Gegenteil von dem wünschte, was Lyial wollte.
 

Ihre Blicke trafen sich. Erneut war da dieser Kontrast. Lodernde Leidenschaft, nüchterne Gleichgültigkeit.
 

Blaire unterbrach die Stille dann wieder, als er langsam und mit etwas Mühe aufstand. "Du siehst hundemüde aus. Und ich fühl mich auch ziemlich fertig. Lass uns zurück gehen. Essen, duschen und pennen. Ausser du willst dich noch weiter mit meinem Roboter unterhalten." Eigentlich würde er gerne an Percival rumbasteln, aber dafür hatte er keine Kraft mehr. Aus diesem Grund war er auch weniger aggressiv als sonst. Selbst dafür war er zu erschöpft. Irgendwie ging der Plan des Generals auf.
 

Lyial nickte zustimmend. „Ja, ich bin müde. Ich habe von Percival alles erfahren, was ich erfahren wollte. Er ist sehr nett.“ Lyial ging voran. Percival war in Gesprächen ganz anders als Blaire. Ein erfahrener Mann halt, kein wildes Kind. Gemeinsam verließen sie den Hangar und zogen sich in ihr geteiltes Quartier zurück.
 

Eigentlich wollten sie ja, als Lyial fertig geduscht hatte, zusammen das Abendessen beim Kantinenservice bestellen. Doch als der Junge nach einer gefühlten Ewigkeit endlich aus dem Bad kam, da er nach jedem Duschen und der generellen Verwendung des Badezimmers sofort alles blitzeblank putzte, fehlte von Blaire jede Spur. Er war doch gerade noch da? Zumindest vor einer Stunde. Lyial blinzelte irritiert und dann fing er an, seinen Zimmergenossen zu suchen. „Blaire … ?“
 

Zuerst unter dem Bett. Dann im Schrank. Dann in der Nachttischschublade. Aber dort war er natürlich nicht. Er wanderte mit seinem Blick zu Merlin, der ihm durchs Zimmer nachgedackelt war, als er so mühsam nach Blaire suchte. „... Er ist nach draußen gegangen? Wohin … ?“ Doch nicht wieder in den Hangar? Sie waren gerade bei Percival. Und Blaire war doch so müde, er sollte sich lieber ausruhen. Oder suchte er ganz einfach eine andere Toilette auf, immerhin war nun das Badezimmer so lange besetzt, vielleicht musste er einfach dringend? So viele Fragen gingen Lyial durch den Kopf, aber letztendlich gab er das Grübeln auf.
 

„Er wird sicher gleich auftauchen. Ich bestelle schon einmal etwas zu essen. Heute gibt es Pizza.“ Er tippte an einem Terminal am Eingang seines Quartiers etwas ein. Das war ein Kommunikationsgerät, das musste jedes Zimmer haben. Sogar mit Kamera, so konnten sie sehen, wer vor ihrer Tür stand oder konnten sogar Ferngespräche führen. Eine Art modernes Telefon. Dann warf sich Lyial aufs Bett. So müde … Kurz nickte er ein, dann kam aber schon das Essen. Er stellte die Teller auf den Tisch, an dem er bisher immer alleine aß. Und dann wartete er. Es war schließlich unhöflich mit dem Essen anzufangen, wenn der andere noch nicht bei Tisch war.
 

„Er lässt sich wirklich Zeit.“ Lyial hatte Hunger. Und die Pizza, die so herrlich duftete, war bestimmt schon kalt geworden. Auch wenn es unhöflich war, er begann langsam zu essen, doch wirklich schmecken tat es nicht mehr. Dann ließ er also hungrig ab und setzte sich aufs Bett. Er spielte ein wenig mit Merlin, aber je mehr Zeit verging, desto sicherer war er sich, dass Blaire nicht mehr kommen würde. Natürlich dachte er zuerst an etwas Schlimmes. Dann aber an ihr Gespräch von vorhin.
 

Blaire wollte einen Rivalen. Und Lyial einen Freund. Aus diesen Tatsachen etwas zu formen war nicht einfach. Ihre Ansichten waren so verschieden, da war doch Streit vorprogrammiert. Vielleicht hatte Sorata ja Recht, sie verstanden sich nicht sonderlich gut. Machte sich der Elitepilot also nicht umsonst Hoffnungen? „Warum ...“, murmelte er vor sich hin. Warum überhaupt war ihm das nun so wichtig? Bevor Blaire vor knapp zwei Tagen hier einzog, dachte er nicht daran, jemals einen Freund haben zu können. Er versuchte es gar nicht. Er blendete all das einfach aus. Und dann tauchte er auf. Mit seinen aufregenden Ansichten, seinem Ehrgeiz, seiner unglaublichen Arroganz. So jemanden wollte doch, wenn er ganz ehrlich war, niemand zum Freund. Und doch …
 

Plötzlich ging ihm ein Licht auf, er wusste, wo Blaire nun wohl sein würde. Er sagte doch, er schliefe gerne draußen. Seufzend akzeptiere Lyial das als einzigst logische Erklärung für sein Verschwinden. „Und ich wollte mal mit jemandem … gemeinsam essen …“ Leise murmelte er enttäuscht.
 

Freundschaften schließen war nicht leicht, wirklich nicht, das zog er nun als Lektion daraus. Oder war es der Mensch selbst, der nicht leicht zu erschließen war? Seit Lyial das Gedächtnis verlor, war ihm vieles so fremd. Ob er früher anders war? Ob er viele Freunde hatte? Ob er Spaß hatte, ob er lachen konnte?
 

Er lag schon zu lange wach im Bett, es war schon längst nach seiner üblichen Schlafenszeit. Er drückte eine Taste an der Seite seines Bettes und dimmte so das Licht. Dann schloss er die Augen und versuchte, einzuschlafen, was aber bei all den Gedanken und Sorgen, die sich in seinem Kopf kreisten, nicht so einfach war, wie sonst.

Enttäuschung und ein Wirrwarr an Emotionen

Um sechs Uhr morgens kam Blaire ins Quartier zurück. Er hatte draussen geschlafen, auf einem Dach des Maschinenhangars. Es war nicht schlecht, nur etwas frisch und ziemlich laut. Diese Akademie war so geschäftig, selbst in der Nacht herrschte Hochbetrieb. Auf der Gloriana war das anders, die Pilotenschule war ziemlich abgelegen, sie hatten auch keine Hallen zum Trainieren sondern kämpften im All. Und die Militärbasis war auch nicht am selben Ort. Er musste schon zugeben, Heliopolis war in den meisten Punkten besser. Aber bei der Mutter aller Kolonien nur zu erwarten.
 

Auf dem Bett lag Lyial, seine Pose beim Schlafen wirkte sehr starr. So fand er ihn auch am Vortag vor. Bequem sah das nicht aus, noch dazu „schlief“ Merlin neben seinem Kissen, aber das war wohl eher der Stand-By Modus ...
 

Müde war Blaire immer noch, auch wenn der Schlaf im Freien eine erfrischende Wirkung hatte, ein paar Stunden in einem warmen Bett würden ihm sicher nicht schaden. Er wusste mittlerweile auch schon, dass sein Zimmerkollege schwer zu wecken war, deswegen legte er sich nun einfach auch auf das Bett. Schon ärgerlich, dass es hier nur eines gab, ob man da nicht etwas ändern konnte? Es war zwar riesig, aber er brauchte auch immer viel Platz … Mit einem Griff entzog er Lyial dann noch die Decke, von der es auch nur eine gab, und döste dann friedlich ein.
 

Kaum zwei Stunden, nachdem Blaire endlich zurückkam, klingelte der Wecker. Nun, es war eigentlich Merlin, der mit geöffnetem Maul neben dem Bett stand und ein ohrenbetäubendes Piepsen von sich gab. Lyial wurde sofort wach, was der Hund merkte und aufhörte. Ein wirklich praktischer Wecker. Der Junge setzte sich auf, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. Und dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. Dieses eigenartige Gefühl, dass jemand anderes hier war, überkam ihn mal wieder. Langsam fiel sein Blick neben sich.
 

Blaire regte sich, bei dem ohrenbetäubendem Lärm, den der Hund von sich gab, kein Wunder. Er hob den Kopf, sah zu Lyial, der ihn wohl gerade bemerkt hatte. „Morg'n ...“, murmelte er nur.
 

Und Lyial erschrak, wie schon beim ersten Aufeinandertreffen, kullerte vom Bett und schlug sich noch dazu den Kopf an. Am Boden merkte er auch, dass ihm eiskalt war. Er ging auf die Knie, sah über den Matratzenrand hinweg zu Blaire. Er hatte sich also die Decke geschnappt. Dabei fröstelte Lyial immer so schnell, besonders in der Früh.
 

„Pfffff ...“ Blaire richtete sich auf und prustete. Was für ein Tollpatsch, dachte er nur belustigt. Lyial stand auf und blickte böse zu dem schadenfrohen Jungen. Ja, so einen Blick hatte er auch drauf, wenn auch selten.
 

Wegen dem hatte er sich letzte Nacht so fertig gemacht? Er kam einfach zurück, als wäre nichts gewesen. Selbst für Lyial, den sonst alles kalt ließ, war es nicht in Ordnung. Er war verärgert. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Und … und ich war traurig. Wegen dir. Aber das … das war alles umsonst.“ Er gab offen zu, was er gestern fühlte, aber nur, weil er es nun schnell vergessen wollte. Und er hungerte, wegen ihm. Die Pizza stand sogar noch am Tisch. Und dieser Hunger machte sich nun auch noch bemerkbar. „... Ich habe Hunger.“
 

Er schlurfte dann zum Terminal. Zeit fürs Frühstück. Kurz zögerte er. Blaire war nun hier … Sollte er ihm auch etwas bestellen? Abschätzend linste er zurück. Lieber bestellte er zwei Portionen. Sollte Blaire nicht wollen, wollte er sie selbst essen. Der Hunger war ja da …
 

„Hä? Wovon redest du?“ Natürlich hatte Blaire keine Ahnung, was Lyial durch den Kopf ging, als er fort war. Und ehrlich gesagt war er ja auch selbst sauer auf ihn gewesen. Weniger wegen seinen prüden Worten, viel mehr, weil er so lange im Bad verbrachte und ihn warten ließ. Er war doch so ungeduldig.
 

"Du hast dir Sorgen gemacht? Ach, weil ich gestern gegangen bin? Ich wollte nur duschen und essen, aber du hast so lange gebraucht. Also hab ich das alles draussen erledigt. Wo liegt das Problem?" Er zuckte mit den Schultern. „Außerdem habe ich deine Kollegin getroffen. Wie war ihr Name … ? Sorata oder so, nicht? Gesprächig ist sie ja nicht sonderlich. Aber sie wollte meine Hilfe. Cool, oder? Ein Elitepilot wollte meine Hilfe!“ Da war er richtig stolz auf sich.
 

Im Grunde war er aber zunächst etwas überfordert, aus heiterem Himmel tauchte die Eliteanführerin auf und schleifte ihn mit in einen Trainingsraum. Dort zeigte sie ihm Aufnahmen ihrer Kämpfe und bat ihn darum, ihr zu sagen, was er davon hielt. Sie tauschten sich lange aus, bis Blaire endgültig zu müde war und sich zurückzog.
 

Lyial starrte ihn nur sprachlos an. Sorata war bei ihm? Hieß das … die beiden freundeten sich an? Eigentlich sollte er sich ja freuen. Blaire fand Freunde, auf einer völlig neuen Kolonie. Das war doch gut. Aber wieso … gelang es ihr so spielend leicht und ihm nicht? Und er schien richtig begeistert von ihr zu sein. Das verstimmte ihn nur noch mehr. So fühlte er sich noch nie. Was … richtete dieser glorianische Pilot nur an?
 

„Ich bin mir sicher, wenn ich sie frage, tritt sie gegen mich an. Dann darf ich endlich gegen jemanden der Elite kämpfen! Du bist ja sicher auch gut, aber du willst ja nicht. Heh, so komme ich auch zu einem Rivalen.“ Blaire sprang vom Bett auf und streckte sich. Er nahm alles so locker. „Hey, was ist los? Hat's dir die Sprache verschlagen?“ Jetzt merkte er auch, wie still Lyial geworden war.
 

„… Ich wusste nicht, wo du warst. Ich dachte, du kommst wieder … habe uns Essen bestellt … mich gefreut … mit dir gemeinsam … zu essen ...“ Ja, er hatte sich gefreut. Das war dieses Gefühl. Gefreut und anschließend … war er enttäuscht. Freunde finden war wirklich schwer. Vielleicht war er auch selbst einfach zu ungeschickt für eine Freundschaft. Freunde … wie funktioniert das denn nun?
 

Aber in Blaires Kopf drehte sich alles nur ums Kämpfen. Und er sprach ja schon wieder davon. Und er hätte Sorata nicht erwähnen sollen. Er hatte ja persönlich nichts gegen sie, aber ihr plötzliches Interesse an seinem Zimmerkollegen brachte seine sonst schon so wirren Emotionen noch mehr durcheinander.
 

Blaire hob die Augenbrauen, sichtlich überrascht. „Das hättest du doch sagen können. Oder deinen Arsch im Bad schneller bewegt.“ Er kratzte sich am Hinterkopf, das klang nun fast so, als hätte er Lyial schwer enttäuscht. Wie lästig, dachte er sich nur. Er konnte doch nicht von ihm verlangen, Rücksicht auf ihn zu nehmen. Lieber machte er, was er wollte.
 

Bevor die beiden weitersprechen konnten, kam schon das Frühstück. „Ich sollte mich beeilen. Dieser Grummelgeneral will mich heute unbedingt ganz früh schon trainieren. Ich find's ja toll, dass er mich für so genial hält, aber ich geh' wohl bei dem seinen Methoden schneller vor die Hunde, als da draußen im Krieg!“ Blaire ging zur Tür und nahm das üppige Frühstück entgegen. So viel konnte er doch niemals essen …
 

Kaum drehte er sich mit dem Tablett in der Hand um, stand Lyial schon bei ihm. Daraufhin erschrak er nur, sonst war der Junge doch abnormal langsam. „Wirst du etwa schneller, wenn du hungrig bist? Dann setz' ich dich auf Diät. Du redest manchmal so lahm, dass ich in der Zwischenzeit ein Buch, oder sogar zwei, lesen könnt.“
 

Aber darauf erwiderte der Weißhaarige nichts. Er war wirklich einfach nur hungrig. Er schnappte sich die Schüssel mit Cornflakes und war blitzschnell unter der Bettdecke verschwunden, dort, wo er immer gerne aß, da ihm ja früh morgens so kalt war.
 

„Du hast echt einen an der Waffel, weißt du das?!“ Blaire runzelte nur die Stirn, es gefiel ihm irgendwie gar nicht, wie der Junge ihm die kalte Schulter zeigte. Es kränkte ihn wohl wirklich, dass er am Vortag nicht zurückkam. „Was soll dieser Unsinn nur?“, fragte sich Blaire innerlich, während er sich mit seinem Essen an den Tisch setzte und zu dem Buckel auf dem Bett linste.
 

Aber dafür hatte er nun keine Zeit. Er schlang seine Mahlzeit hinunter, schüttete noch einen Kaffee hinterher und machte sich dann fertig fürs Training. Er sah nochmal zu seinem komischen Mitbewohner, der weiterhin unter der Decke schmollte. Dabei verdrehte er nur die Augen und verließ dann wortlos das Zimmer.
 

Als die Tür zufiel, linste Lyial unter der Decke hervor. „... Ich will doch nur dein Freund sein ...“, murmelte er. Aber das hätte er ihm direkt sagen sollen, wusste er ja genau, aber er traute sich nicht so recht, vor allem, da Blaire an einer Freundschaft wirklich nichts lag …
 

An einem ganz anderen Schauplatz war es gerade Mittagszeit. Zwei junge Neumenschen wollten eigentlich ihren freien Tag genießen und gemeinsam die Zeit verbringen, mal wieder mit virtuellen Spielen. Doch irgendwie …
 

„Oh Mann, Tzila! Was hast du in unserem Spiel zu suchen?!“ Zwei junge Krieger auf Stufe 79, bekleidet in altertümlichen Rüstungen, mit Schwertern geschmiedet aus digitalem Stahl, standen vor einem Wissenschaftler im Kittel, der sich unerlaubt in das Spiel gehackt hatte.
 

„Heh … Das macht ihr beiden also immer, wenn ihr frei habt? Eine virtuelle Welt … Gras aus Pixel. Und eine frische Brise, die lediglich ein schlecht programmierter Code ist. Hahaha! Ihr seid wirklich noch Kinder. Da draußen gibt es eine echte Welt, die ihr erobern könnt. Aber mich würde all das Grünzeug, die Viecher und der kalte Wind echt stören. Ist nicht so mein Ding.“ Tzila verschränkte die Arme, dass er nicht in diese eigentlich friedliche Spielwelt passte, sah man von Weitem. Ein verrückter Professor inmitten einer Waldlichtung, wo sich sonst nur wilde Fantasiemonster tummelten, die man für Quests abschlachten musste.
 

Die Anwesenheit des Mannes ging vor allem Jirair ziemlich auf die Nerven. Nicht mal in seiner Freizeit hatte er Ruhe vor ihm? Sofort hob er sein Schwert, rannte los und versuchte, zuzustechen, aber da stellte sich gleich heraus, dass Tzila lediglich eine Projektion war, kein wirklich Spielcharakter. Trotzdem, er schlug mehrmals auf ihn ein, auch wenn jede Berührung durch ihn durch ging, war er so wütend, dass er sich nur so abreagieren konnte. Schließlich ging Matos zu ihm und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
 

„Bestimmt hat er uns etwas Wichtiges mitzuteilen. Hören wir ihn an und dann … wechseln wir den Server.“ In dieser Welt konnte Matos sprechen, seine Stimme war allerdings nicht so sanft wie sein Charakter vermuten ließ. Er hatte für sein Alter eine relativ tiefe Stimme. Und in der hörte man auch gleich die Abneigung Tzila gegenüber. Wenigstens konnte er ihm hier nicht mit Spritzen drohen …
 

„Hahaha! Genau, wär's nicht wichtig, würde ich euch beide niemals bei euren kindischen Spielen stören. Ich nutze meine Zeit immerhin sinnvoller. Also … Ich habe einen neuen Plan ausgetüftelt. Und diesmal … krieg' ich so eine Elitemaschine aus Heliopolis! Und ihr helft mir. Also … packt euch zusammen, wir treffen uns im Hangar. Das ist übrigens ein Befehl, kein Einladung. Hopp, hopp!“ Und kaum hatte der Kittelträger zuende gesprochen, verschwand sein Hologramm auch wieder, bevor die beiden Jungs etwas erwidern konnten.
 

„Gahhh! Aber Tzila! Das ist unser freier Tag! Verdammt … Wir sind noch mitten im Quest, du verkackter Quacksalber!!“ Jirair fluchte lautstark und stampfte auf, manchmal hatte er ein sehr aufbrausendes Temperament. Und seine wüsten Beschimpfungen während eines Kampfes waren selbst für erwachsene Ohren zuviel.
 

„... Ist doch gut. Jirair. Du willst doch immer noch deinen Bruder finden, oder? Womöglich ist er auf Heliopolis. Wenn wir es schnell einnehmen, können wir dort suchen.“ Das Thema war eigentlich heikel und Jirair reagierte immer ein wenig niedergeschlagen, wenn es um seinen jüngeren Bruder ging. So auch jetzt. Er ließ die Schultern hängen und seufzte.
 

„Es ist nun zehn Jahre her. Zehn Jahre, die er spurlos verschwunden ist … Aber ich gebe nicht auf. Er lebt. Das weiß ich ganz genau! Und bestimmt haben ihn diese Urmenschen entführt … Wer weiß, was sie ihm antun? Matos, lass uns schnell los!!“ Und schon war die Motivation des Weißhaarigen geweckt. Seinen Bruder finden und retten, das wollte er. Um jeden Preis. Er war ihm so wichtig, die beiden waren früher immer zusammen. Mittlerweile hatte Matos seinen Platz eingenommen, aber seinen kleinen Bruder, der so rebellisch und draufgängerisch war, der ihn immer beschützte, auch wenn es umgekehrt hätte sein sollen, er konnte ihn nicht vergessen.
 

Und während die beiden sich auf den Weg machten, bereitete sich auch Tzila auf seinen Einsatz vor. Das letzte Mal war er nicht dabei, er beobachtete nur, aber er merkte gleich, dass sie seine Hilfe brauchten. Er war eindeutig der kluge Kopf des Trios. Und mit Esna Gamma hatte er eine Menge Tricks auf Lager.
 

„Ah, von dieser komischen virtuellen Spielewelt hab' ich doch glatt Kopfschmerzen bekommen. Wie halten die das dort nur aus? Muss ich mir Sorgen um die beiden machen?“ Tzila wandte sich zu dem Mädchen, das neben ihm stand. Yue assistierte ihm an diesem Tag, es war auch ihr Tipp, wo er die Jungs finden würde, da sie nicht zu kontaktieren waren.
 

„Hihi … Sie sind nun mal noch Jugendliche. Neumenschen kommen später in die Pubertät. Aber sie wachsen auch ab einem gewissen Alter langsamer. So wie du, Professor. Du siehst aus wie dreißig, wärst du aber ein Urmensch, würdest du mit deinen sechsundneunzig Jahren im Rollstuhl sitzen. Obwohl, diese Augenringe lassen dich älter aussehen. Sagen wir … vierzig, hihi ...“ Yue kicherte lieb, dabei beleidigte sie ihren „Erbauer“, wie sie Tzila manchmal nannte. Er war an dem Projekt um ihre Erschaffung beteiligt und lieferte die meisten Ideen und Baupläne. Und sie arbeiteten noch dazu eng miteinander, all ihr Wissen hatte sie von ihm. Nicht persönlich beigebracht, nein, aber er hatte ihr zumindest die Daten eingespeichert.
 

„Du bist so ehrlich wie eh und je. Das schätze ich an Maschinen. Und halben, so wie du. Sie lügen nie. Sie sagen immer die Wahrheit. Und vierzig ist doch eigentlich ganz gut, oder? Hahaha!“ Tzila nahm es gelassen. Er kümmerte sich sowieso nie um sein Äußeres. Das erklärte auch die Augenringe und die zerzausten Haare.
 

„Also werdet ihr nun gemeinsam kämpfen. Schade, ich wäre auch gerne dabei. Aber unseren besten Dreien möchte ich nicht ins Handwerk pfuschen, vor allem nicht dir.“ Das klang ein wenig gespielt, eigentlich wollte Yue unbedingt mit, aber wenn Tzila einen fixen Plan hatte, war es besser, ihn gewähren zu lassen. „Sag, wie geht es eigentlich mit deinem anderen Projekt voran? Seit dem Fall von Memphis Theta hat sich nicht viel getan. Vate-, ich meine, der Kommandant wird ungeduldig. Er ist der Meinung, bei dem Tempo könnten wir gleich Heliopolis direkt angreifen. Wir haben genug Einheiten, um diesen Krieg ein für alle Mal zu beenden. Und die Produktion läuft immer weiter.“
 

Yue wippte auf den Fersen auf und ab. Sie wussten von Tzilas Plänen, Heliopolis genauso einzunehmen, wie Memphis Theta. Und diese Raumstation zuvor. Aber irgendwie war das fast schon zu friedlich. Wo blieb da der Spaß am Krieg?
 

„Heliopolis ist riesig, kein Vergleich zu Memphis. Die Sicherheitsmaßnahmen dort sind enorm. Ich habe schon viele Daten, aber das reicht nicht, um einzugreifen. Der Kommandant soll sich noch gedulden. Mit all unseren Maschinen in den Krieg zu ziehen … Das ist dumm und gegen unsere Einstellung.“ Tzila schnalzte mit der Zunge. Eine Kolonie einzunehmen war ein größerer Sieg, als sie einfach zu zerstören, das war seine Ansicht. “Wir werden diesen Krieg gewinnen … Mit den Mitteln der Technik. Ah, ich sollte los. Yue, pass inzwischen auf das Labor auf.“ Er tätschelte sie am Kopf und zischte dann ab.
 

Von einer unangenehm Situation in die nächste, Lyial hatte es momentan nicht leicht. Als würde seit Blaires Ankunft sein ganzes Leben aus dem Ruder geraten. Gerade war er alleine mit Alvis beim Training. Und das war höchst ungewohnt. Normal war zumindest der General anwesend, aber der kümmerte sich gerade um seinen neuen Schützling und hinterließ für die Elite nur Anweisungen, er wollte sich erst nachmittags um sie kümmern. Sorata verschwand zu den Schießeinheiten, und Golyath war gerade lieber bei Clovis im Krankenhaus, als sich dem Training zu widmen.
 

Der weißhaarige Junge schwieg die ganze Zeit, war wohl besser so. Konzentriert stemmte er zwei Hanteln, aber natürlich die leichtesten Gewichte. Er war körperlich echt schmächtig und würde auch nicht mehr schaffen. Aber irgendwie hatte er diesen seltsamen Gedanken, wenn er stärker und selbstbewusster werden würde, würde ihn Blaire auch mehr akzeptieren. Vielleicht konnten sie dann Freunde werden? Langsam merkte er, wie obsessiv er fast schon wurde. Solch tiefe Sehnsüchte waren beängstigend … Auch wenn es etwas so simples wie der Wunsch nach Freunden war.
 

Keuchend legte Lyial die Hanteln zur Seite. Man könnte eigentlich meinen, von dem ganzen Putzen und Schrubben müsste er doch längst mehr Muskelmasse haben. Doch für den General reichte es ja sowieso nie. Ein Pilot musste körperlich in Topform sein. Er seufzte leicht und trank einen Schluck Wasser. Dann linste er zu Alvis. Aber bevor Blickkontakt entstehen konnte, wandte er sich wieder dem Training zu.
 

Und Alvis bemerkte, dass Lyial ihn anstarrte. Gerade machte er noch Liegestützen, nun stand der Jüngste der Elite auf, schnaubte leicht. "Hey. Warum bist du eigentlich so zurückweisend? Hast du irgendein Problem mit mir... mit uns? Oder bist du einfach gerne allein?" Es war in seinen Augen seltsam, wie Lyial die meiste Zeit in seinem Quartier verbrachte. Er hatte doch nicht einmal Hobbys, kam es ihm vor. Keine Familie, keine Freunde, keinen Liebhaber ... oder Liebhaberin. Total einsam. "Du solltest echt langsam mal sozialer werden. Das sagen sie Sorata auch immer, aber selbst sie verbringt mehr Zeit unter Menschen."
 

Wieder legte Lyial die Hanteln weg. „Zurückweisend … ?“ War er das? Er grübelte. Eigentlich war er sehr offen. Aber ihm war immer unwohl in der Nähe von anderen. Vielleicht war das ja eine Phobie oder so etwas, oder er hatte wirklich einen Knacks, aber die Anwesenheit von anderen gab ihm immer das Gefühl, seltsam zu sein. Und die meisten ignorierten ihn ja. Und wenn nicht, sahen sie ihn schräg an, lachten ihn aus oder hielten einfach Abstand. Und von seinen Kollegen wurde er doch auch oft verarscht, zumindest von den Jungs. So etwas mochte er eigentlich nicht. Er war ja doch sehr sensibel … Doch all seine Gefühle nach außen zu zeigen fiel ihm schwer. Auch jetzt hatte er wieder nur einen desinteressierten Ausdruck.
 

Gut, er musste zugeben, er war wirklich nicht sehr sozial. Aber es war auch schwer, aus sich herauszukommen. Das fiel ihm nur bei Maschinen leicht. Die hielten aber auch nicht viel von Spott und waren generell viel offener. „Ich hätte schon gerne Fr- …“ Er verstummte plötzlich, als die Tür aufging. Er hätte schon gerne Freunde, wollte er sagen. Aber das brachte er nun nicht mehr raus.
 

„Alvis, Lyial. Der General lässt uns ausrücken. Es gibt Probleme auf der Raumstation Chemmis. Neumenschen greifen sie an.“ Es war Sorata, die mit einem direkten Befehl von Samuil kam.
 

Die Raumstationen der Urmenschen waren wichtige Institute für die Erforschung und Überwachung der Erde, dienten aber auch als Zwischenlager für Rohstoffe. Sie wurden streng bewacht, hatten ihre eigenen Kampfeinheiten, waren aber keine Wohnstätten, so wie die Kolonien. Seit aber die Raumstation Buto vor einigen Jahren den Neumenschen in die Hände fiel, waren die Kolonien umso vorsichtiger. Deshalb schickten sie Verstärkung, selbst bei dem kleinsten Verdacht auf Angriffe.
 

„Heh, momentan dürfen wir oft raus. Na dann, auf geht’s!“ Alvis war sichtlich motiviert, er hatte wohl die Schmach vom letzten Mal ganz vergessen. Er eilte gleich los, ließ Lyial und Sorata zurück.
 

Zwischen den beiden herrschte auch eine eisige Kälte. Lyial stand langsam auf, schweigend und ging an Sorata vorbei, die ihm mit Abstand folgte.
 

„... Der General will die Neith zur Unterstützung mitschicken. Hinter dem Angriff stecken die drei Neumenschenmaschinen, die uns immer Probleme machen. Diesmal sollen wir sie endgültig ausschalten.“ So lauteten die Worte des Generals, die Sorata wiederholte.
 

Lyial schluckte. Die Neith würden mitkommen. Das bedeutete, sie hätten eine größere Chance, aber … gehörte Blaire nicht auch dazu? War Percival nicht ein Teil der Neith-Einheit? Dann würde er das erste Mal gemeinsam mit ihm kämpfen. Ein wenig war ihm unwohl dabei. Und doch irgendwie … freute es ihn. Seite an Seite mit ihm kämpfen. Sich von seinem wilden Feuer anstecken zu lassen … Das würde ein interessanter Kampf werden, dachte er sich nur. Ohne es selbst zu merken beschleunigte er seine Schritte. Er war noch nie so aufgeregt vor einem Kampf.
 

„Was soll das heißen, ich muss hier bleiben?!“ Golyath stellte General Samuil zu Rede und Antwort, inmitten des Kontrollraums wurde er lautstark. Er bekam gerade die Nachricht, dass die Elite ausrücken musste, sogar die Neith, aber er nicht. Natürlich, Anubis war noch in Reparatur, aber er konnte sich doch eine andere Maschine leihen. Aber der General blieb hartnäckig.
 

„Du bist momentan nicht in der Lage, in einem großen Einsatz zu kämpfen. Du sollst heute nur zusehen. Also … Halt die Klappe und setz dich!!“ Nun wurde auch Samuil laut, doch bevor Golyath eingeschnappt abrauschen konnte, packte er ihn am Kragen und bugsierte ihn auf den Platz neben sich. Das alles hatte schon seinen Sinn und Zweck. Golyath war mit seiner tiefen Abneigung Lyial gegenüber einer der Gründe, warum es dauernd Streitereien gab. Er sollte ihn diesmal also beobachten, er sollte sehen, dass sein neuester Kollege ein würdiger Nachfolger von Franklin war.
 

Ein fast schon spöttisches Kichern war zu hören, Ammadon saß zwei Reihen weiter vorne, bei den ganzen Navigatoren, die die Piloten der Neith unterstützten und amüsierte sich über Samuils Probleme. Die hatte er nicht, seine Navigatorinnenn hatten gute Manieren.
 

Der Platz des engelsgleichen Generals war immer mittig, vor den großen Monitoren. Zu seiner Rechten war Mellan, die bereits in Kontakt mit den Elitepiloten in Vorbereitung war. Und zu seiner Linken …
 

„Cecil. Bist du aufgeregt? Das ist das erste Mal, dass du und Blaire für Heliopolis zum Einsatz kommen. Generell ist das der erste Einsatz der Neith. Meinst du nicht, dass das eine spannende Angelegenheit ist? Aber keine Sorge, sollte es Probleme geben, bin ich für euch da.“ Er wusste selbst, wie nervös das erste Mal war. Alles war neu, alles war ungewiss. Er legte eine Hand auf die des rothaarigen Navigators, der nur zusammenzuckte und errötete.
 

„D-Das … I-Ich … Ich gebe mein Bestes, Herr General!“ Die Stimme des nervösen Jungen überschlug sich, das war fast schon zu niedlich. Er passte so perfekt in diesen Job …
 

„Nenn mich Ammadon. Das tun doch alle. Ich bin zwar dein Vorgesetzter … aber auch dein Kollege. Nun denn … Alle Piloten sind anwesend. Dann starten wir mal, nicht? Die Piloten zählen auf euch.“ Und dann lehnte sich der blonde Mann zurück. Er beobachtete wieder nur, und würde eingreifen, wenn es brenzlig wurde. Aber das hoffte er natürlich nicht. Dennoch … der Feind war zu bekannt. Wenigstens war es diesmal kein Hinterhalt, sondern ein offener Angriff.

Im Angesicht des Feindes

„Haha … Das sollte reichen, um diese Elite aus ihren Löchern zu locken. Ich will endlich so eine Maschine in die Finger kriegen. Sie sind wirklich schön, nicht wahr? Hut ab für den Erbauer. Den möchte ich mal kennen lernen. Um zu meinem persönlichen Skla- … Assistenten machen, ahahaha ...“
 

Das Neumenschen Trio hatte einen simplen, und scheinbar auch wirksamen Plan. Mittels Angriff auf eine Raumstation die Elite herausfordern. Aber das war noch nicht alles. Tzila hatte ein Ass im Ärmel. Er kannte den größten Schwachpunkt der Urmenschenmaschinen … Und das wollte er ausnutzen.
 

„Tzila, ich kann sie am Radar sehen. Sie sind tatsächlich gekommen.“ Insgesamt neun Punkte flackerten auf dem Monitor in Jirairs Cockpit auf. „Sieht so aus, als wüssten sie, mit wem sie es zu tun haben. Sie haben Verstärkung mitgebracht! Dürften aber nur kleine Fische sein. Komm Matos, die mischen wir auf!“ Und schon sauste Beta davon, dicht gefolgt von Alpha.
 

Der Wissenschaftler schüttelte aber nur den Kopf. „Ihr Schwachköpfe. Haltet euch an den Plan! Ach, was red' ich. ICH bin ja der Plan, hahaha …“ Er lachte nur überheblich, trieb dann etwas abseits mit seiner violetten Maschine, positionierte sich mit Absicht weit weg und tarnte sich, so dass er von den Radaranzeigen verschwand. „Ihr mögt vielleicht eine hohe Angriffskraft besitzen, oder gute Panzerungen … Aber nichts davon hilft euch, wenn eure Wahrnehmung getrübt ist. Mal sehen … wie euch das bekommt.“
 

Jirair zählte nur drei Elitemaschinen, die ihm bekannt waren. Der bullige Pseudoritter, die Kratzbürste und das weibische Teil, das waren die Spitznamen, die er ihnen gab. Die anderen Maschinen waren ihm fremd, aber eine kurze Analyse zeigte, dass hinter dem schicken Aussehen mehr steckte. Sie hatten Feuerkraft, moderne Antriebe und ihr Kampfverhalten ließ darauf schließen, dass die Piloten auch keine Idioten waren. Und während er diese Neulinge fixierte, wurde er auch schon angegriffen, ganz aus heiterem Himmel.
 

„W-Was zum … !“ Das Schwert, dass auf ihn zuraste, fing er mit den eigenen Waffen ab, brachte dann Abstand zwischen ihm und dem Angreifer, hatte ihn dann endlich ganz im Blickfeld. „Das ist … … W-Was ist das für ein Schrotthaufen?! Geh mir aus dem Weg, du Steinzeitungetüm!“ Es war Percival, der ihn angriff, aber vor dem er scheinbar keine Angst hatte. So ein Blechhaufen … Was sollte der ihm schon anhaben?
 

Währenddessen stand Alpha unter Beschuss. Aber Matos blieb ruhig, die Geschosse der Neith kratzten kein bisschen an seinem Schild. Und er wollte sich auch an den Plan halten, deswegen wartete er ab, bis Tzila das Zeichen gab. Er sah nur zu Jirair, wie er sich wieder alleine austobte. Doch irgendwie wurde der von dieser alten Maschine zurückgedrängt, hatte er etwa Probleme? Und dann kam noch diese große Elitemaschine hinzu. Amun, wenn er sich richtig erinnerte. Doch bevor Matos die Geduld verlor und ebenfalls in die Offensive ging, hörte er Tzilas Stimme per Funk.
 

„Ich bin so weit. War leichter als gedacht, haha …“
 

Und plötzlich konnte Jirair problemlos das Blatt wenden. Er griff Percival und Amun an, gleichzeitig, und jeder Schlag war ein Treffer. Gerade noch selbst in die Ecke gedrängt, konterte er nun was das Zeug hielt. Und der Gegner schaffte es nicht, sich zu wehren. Es wirkte so, als wären sie langsamer geworden, als hätten sie gar keine Reflexe mehr, weshalb sie in die Defensive gezwungen wurden.
 

Matos nutzte die Gelegenheit ebenfalls. Er griff an, zwei der Neith waren in Reichweite. Mit zwei kleinen Handklingen ging er auf sie los, blitzschnell stach er zu, und merkte auch, wie der Gegner gar nicht richtig reagieren konnte. Der erste Neith ging in einer Explosion auf, Alpha wich zurück und widmete sich dem nächsten. Der Plan des Wissenschaftlers ging also tatsächlich auf.
 

„Ahh, ich liebe es, wenn alles so klappt, wie es soll! Zerstört diese mickrigen Fliegen und schnappt euch dann die Elitemaschinen!“ Tzila blieb weiterhin verdeckt, überwachte das Kampfgeschehen. Vor ihm blitzten überall Lichtkugeln auf, Funken sprühten, als die Laserwaffen das lackierte Metall der Maschinen zerschlug. Er grinste, triumphierend, es hatte sich also gelohnt, ein Mal auszusetzen und seine beiden Kollegen Daten sammeln zu lassen.
 

Der Hinterhalt war nämlich mehr als nur ein feiger Angriff. Er baute Alpha und Beta so um, dass sie in der Lage waren, den Gegner zu analysieren und das System bis zu einem gewissen, unauffälligen Teil zu entschlüsseln. Die Urmenschen merkten nichts davon, dass Daten gesammelt wurden. Und während sie gekämpft hatten, flimmerten über Tzilas Bildschirme im Labor die gewünschten Daten, die er brauchte, um sich beim nächsten Zusammentreffen in die Systeme der Maschinen zu hacken.
 

Er rechnete zwar nicht damit, dass die Neith auch mit von der Partie waren, aber ihr System war gleich aufgebaut, es war ein Kinderspiel, einzudringen und mit ihnen zu spielen. Er konnte sie zwar nicht direkt ausschalten oder eine Selbstzerstörung auslösen, aber er konnte zumindest ihre Außenkameras manipulieren, jene, die wie die „Augen“ der Maschinen waren. Ohne sie sahen die Piloten nichts. Oder in diesem Fall … Sahen sie zeitverzögerte Bilder. Bei einem so rasanten Kampf reichten Sekunden, um die Piloten völlig aus der Bahn zu werfen. Ihre Schläge kamen zu spät, ihre Abwehr ebenfalls. Bis sie reagierten, schlugen Alpha und Beta schon zu. Und Gamma blieb weiterhin im Hintergrund, während der Sieg ihnen fast schon alleine in die Hände fiel …
 

Im Kontrollraum auf Heliopolis herrschte Anspannung, als könnte man die Luft mit einem Messer schneiden. Alle starrten auf die Monitore und konnten nicht fassen, was sie da sahen. Als würden … komplette Vollidioten die Maschinen steuern, so sah es aus. Schläge gingen ins Nichts, und dabei lachte sich der Feind ins Fäustchen.
 

„Was ist da los?! Was tun diese Idioten?! Arghhh … !! Das sind zwei! Zwei verdammte Gegner! Wieso kann sie keiner ausschalten?!“ Samuil schlug mehrmals auf den Tisch, brüllte durch den Raum. Er fasste das nicht. Was war da nur los? Seine besten Piloten wurden zum Gespött gemacht. Dabei sah es gerade noch so gut aus! Es war herrlich, wie Amun und Percival, warum auch immer, plötzlich ein Team bildeten und gegen Beta feuerten. Und wie Sorata mit Nefertem und den Neith eine Schützeneinheit bildete. Und Alvis der … einfach Alvis war. Doch nun … !
 

„Beruhige dich, Samuil. Es liegt doch klar auf der Hand. Die Systeme sind gehackt worden. Die Bilder der Kameras stimmen nicht mit den Signalen der Radarsysteme überein.“ Ammadon hatte die Sache wohl schneller durchschaut. Kein Wunder, er war ein Profi als Navigator und selbst wenige Sekunden Verzögerung fielen ihm direkt auf. Er hatte immer einen Blick auf den Radar geworfen, nicht wie viele Navigatoren, die nur auf die Kameras vertrauten. Das war ein gefährlicher Fehler, fast schon Faulheit.
 

„Gehackt? Aber wie … Unsere Systeme sind doch vor solchen Angriffen geschützt! Das darf doch nicht wahr sein … Piloten! Ihr wurdet gehackt!! Die Kameras übertragen falsche Bilder!“ Nun schaltete sich Samuil per Funk ein, um die Piloten zu warnen. Doch was konnten sie dagegen tun? Als würde man einem Blinden Waffen in die Hand drücken und ihn in den Krieg schicken. Der General biss sich auf die Lippen.
 

„Können die Piloten nicht selbst das Radar benutzen, um den Gegner zu orten?“, fragte Golyath aus heiterem Himmel, der sich nun auch beteiligte. „Ah, aber andererseits … Es ist schwer, sich darauf zu konzentrieren und dabei zu kämpfen. Jetzt bin ich fast froh, nicht da draußen zu sein, haha … Au!!“ Für den Kommentar allerdings kassierte er einen Schlag in die Magengegend von Samuil, der das alles nicht sehr lustig fand.
 

„Ruhe jetzt!“, schallte plötzlich eine Stimme durch den Raum. Ammadon war aufgestanden, alle Blicke richteten sich auf den Navigator, der selten so streng sprach. Sein Gesichtsausdruck war ernst, richtig entschlossen.
 

„Die Piloten brauchen uns jetzt. Meine Mädchen … und Cecil … wir arbeiten jetzt auf altmodische Art und Weise! Konzentriert euch und stellt das Radar eures Piloten auf Vollbild. Mellan, kümmere dich um Sorata. Ich sehe nach den Jungs.“ Dann setzte er sich wieder, die Hologrammbildschirme der Terminals der Navigatoren vergrößerten sich, jeder hatte eine andere Reihung von Linien und Punkten vor sich.
 

Die Navigatorin der Elite verstand schnell. „Wir sollen … nur mit dem Radar navigieren? So eine Technik wird schon ewig nicht mehr benutzt! Es ist zu unpräzise und- ...“
 

„Es ist die einzige Möglichkeit, ihnen zu helfen! Unsere Piloten sind jetzt alle blind. Mittlerweile verzögert sich das Bild schon um eine halbe Minute, scheinbar erhöht der Hacker die Rate. Wir sind nun ihre Blindenhunde. Wir können nicht sehen, wie der Gegner angreift, aber wir können seinen genauen Standpunkt bestimmen. Jede Bewegung lesen.“ Ammadon starrte angespannt auf die Lichtpunkte, die sich vor seinen Augen bewegten. „Alvis, Lyial. Hört ihr mich? Ihr müsst nun ganz genau auf meine Anweisungen hören. Vertraut mir.“
 

Und was dann folgte, verblüffte alle Anwesenden im Raum. Ammadon sagte den Piloten jede einzelne Bewegung des Feindes an, das aber so schnell und genau, dass man erst meinen könnte, keiner der Piloten könnte dem jemals folgen. Er bombardierte sie förmlich mit Koordinaten und Richtungen. Als würde er eine fremde Sprache sprechen. Und doch … klappte es.
 

Lyial war immer noch in der Zwickmühle, Beta schlug auf ihn ein, er hatte keine andere Wahl als die Schilde auf 100% hochzufahren. Doch als Ammadon sich einklinkte und er seine Anweisungen hörte, die so klar und deutlich waren, ließ er sich einfach von ihnen führen. Anfangs war es noch schwer, er wich mehrmals falsch aus, aber mit der Zeit fasste er mehr Vertrauen. Er wurde schneller. Bis er erfolgreich auswich, Amuns Großschwert zückte und Beta die volle Breitseite verpasste.
 

Bei dem Erfolg fassten auch die anderen Navigatoren im Kontrollraum den Mut und machten es ihrem Vorgesetzten nach. Sie funkten Anweisungen an ihre Piloten, und langsam aber sicher konnten sich die Kämpfer wieder fangen. Sogar der schüchterne Cecil, der diese Technik nie zuvor kennengelernt hatte, ging richtig darin auf. Etwas Neues zu lernen und Blaire damit effektiv helfen zu können, das machte ihn richtig stolz.
 

„Hey, Tzila! Dein scheiß Plan geht nicht auf! Diese Kotzkrücken wehren sich wieder!! Wusste ich's doch, auf deine beknackten Ideen ist kein Verlass!“, eine erzürnte Stimme hallte durch den Funk der drei Neumenschen Roboter. Jirair war nicht mehr bei bester Laune, gerade lief alles noch so gut, aber mit einem Mal war die Gegenwehr wieder so heftig wie zuvor. Vor allem dieser Amun und die schrottige Blechbüchse machten ihm zu schaffen. Zwei gegen einen, das war bisher nie das Problem, und auch wenn er mit seiner Schnelligkeit dem trägen Amun immer einen Schritt voraus war, war da noch Percival, der sich mit seiner Geschwindigkeit durchaus mit Beta messen konnte. Es war ein lästiges Hin und Her, dabei wollte Jirair doch endlich kurzen Prozess machen.
 

Und auch Matos, der sich gerade noch mit seiner starken Abwehr und gezielten Angriffen durch die verbliebenen vier Neiths und zwei Elitemaschinen kämpfte, wurde plötzlich zurückgeschlagen. Ein gezielter Schuss, noch dazu ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss, dass sich tief in jedes Schild bohren konnte und in einer heftigen Explosion aufging, zerschlug letztendlich seine Blockade komplett.
 

„... ! Meine Schilde sind unten!“, lautlos japste Matos entsetzt auf. Der Schuss kam von seiner Rechten, er erspähte die fliederfarbene Maschine. Bestimmt hatten sie Nefertem für diesen Kampf mit solchen Geschossen ausgerüstet, dachte er sich nur. Das war mehr als ärgerlich. Dann blieb ihm also nichts anderes übrig, als zurückzuschlagen. Doch bevor er losfetzen konnte, hörte er auch schon Tzila.
 

„Ich bin immer noch in ihren Systemen drin, sie dürften uns gar nicht mehr richtig wahrnehmen können. Gebt mir eine Minute und ich hab' raus, was da los ist.“ Er blieb deutlich ruhiger als seine jüngeren Kollegen. Er war auch völlig konzentriert, denn wenn er sich irgendwo einhackte, dann war er mit Leib und Seele bei der Sache. Und im wahrsten Sinne des Wortes auch mit seinem Kopf, ihm hingen mehrere Kabel aus seinem Implantat, er war im Kampf immer direkt mit Gammas Systemen verbunden. Und genau dann war er am gefährlichsten, der Wissenschaftler, der selbst schon fast eine Maschine war …
 

Währenddessen hatte sich ein sonderbares, aber effektives Team gebildet. Dabei fing es nur mit ein paar arroganten Worten von Blaire an. „Ich glaub' dir schon, dass du gut bist, Lügner. Aber steh' mir trotzdem lieber nicht im Weg, diese Neumenschen schlag ich persönlich zu Brei!“
 

Diese Einstellung gefiel Lyial überhaupt nicht. Im Kampf war es wichtig, gemeinsam zu arbeiten. Einer alleine, der vorausstürmte, würde nur den sicheren Tod finden. „Du solltest mit deiner Einheit kämpfen. Ihr … seid ein Team.“, hatte er noch versucht, ihn zu überzeugen, aber er bekam nur ein verächtliches Schnauben als Antwort.
 

Und kaum tauchte der Gegner vor ihnen auf, raste Blaire auch schon los. Cecil hatte im Kontrollraum alle Hände voll zu tun, diesen Hitzkopf in Schach zu halten, er ignorierte die meisten Befehle. So war er immer, wenn er gegen echte Neumenschen kämpfte.
 

Doch Lyial schaltete schnell. Wenn er Blaire nun gewähren ließ, würde ihm noch etwas zustoßen. Er kannte diese Gegner doch nicht, im Gegensatz zu ihm. Er wusste nicht, zu was sie in der Lage waren. Deshalb bat er Sorata und Alvis, sich mit den Neith zu verbünden, während er versuchte, Blaire beizustehen.
 

„Ich sagte dir doch, steh' mir nicht im Weg!“, bellte Blaire jetzt schon wieder, nachdem sie dank der Navigatoren wieder in der Lage waren, richtig anzugreifen. Dabei handelte er aber fast schon aus Reflex und reagierte automatisch auf die Bewegungen von Amun, schaffte es so, beeindruckende Kombos mit ihm durchzuführen. Der eine träge, aber extrem kräftig, während die alte Maschine flink und wendig war. Es war fast wie abgesprochen, das erschrak auch Lyial. Konnte es sein, dass Blaire gar nicht das meinte, was er sagte? In diesem Moment waren sie Partner. Und sie hatten einen gemeinsamen Feind im Visier, dem sie diesen Kampf zur Hölle machen wollten.
 

Mit seinem strengen Blick beobachtete Samuil das Spektakel auf den Monitoren. Die Bilder wurden auch ihnen zeitverzögert übertragen, aber er sah dennoch, wie effektiv das Navigieren von Ammadon und seinen Schützlingen war. Sie kämpften, als hätten sie kein Handicap.
 

Alvis lieferte sich einen Zweikampf mit Alpha, dazwischen versuchten immer wieder die Neith ihn mit Geschossen zu unterstützen, während Sorata von weitem die geschwächten Schutzschilder des Feindes zerstörte, die er immer wieder versuchte, erneut hochzufahren. Und auf der anderen Seite des Schlachtfeldes waren Percival und Amun, die Beta in die Mangel nahmen. Samuil konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Das war wieder das Team, was er so gepriesen hatte. Das Team, auf das er so stolz war.
 

„Siehst du das? So kämpft man als Einheit. Könnte Franklin das sehen, wäre er stolz, meinst du nicht?“ Er linste zu Golyath, der ja gezwungen wurde, zuzusehen.
 

Mit verzogenem Gesicht starrte er die Bildschirme an, ihm gefiel nicht, was er sah. Von wegen, Franklin wäre auf diese schwache Vorstellung doch nie stolz! Er hätte diese Neumenschen schon längst besiegt. In den Augen des hochgewachsenen Piloten war er perfekt. Er war der beste Pilot. Der stärkste. Und deshalb konnte er Lyial nicht akzeptieren. Seine Arbeit mit Amun war erbärmlich in seinen Augen. Er brummte nur als Antwort auf die Frage des Generals.
 

Mittlerweile waren sich alle sicher, diesmal konnten sie siegen. Es sah gut aus. Doch wie immer, wenn man sich einer Sache zu sicher war, geschah ein Unglück. Mit einem Mal fielen die Bildübertragungen aus, alle Monitore im Kontrollraum wurden schwarz oder zeigten Störbilder, der Kontakt per Funk verstummte. Einzig und allein die Statusanzeigen der Maschinen und Piloten waren noch aktiv. Das war nicht gut, gar nicht gut.
 

Die Navigatoren verstummten allesamt. Sie waren schön erschöpft, keuchten richtig, da sie mit voller Konzentration bei der Sache waren, und plötzlich wurden sie aus dem Fluss gerissen, als der Kontakt zu ihren Piloten abbrach. Aber die Kämpfenden brauchten doch ihre Unterstützung, und nun waren sie wieder völlig auf sich alleine gestellt?
 

„Verdammt, war das wieder der Hacker?! Techniker, Statusbericht, sofort!“ Samuils Befehle gingen an die Techniker in der hinteren Reihe, die schon die ganze Zeit damit beschäftigt waren, den Hacker aus den Systemen zu schmeißen, doch bisher ohne Erfolg.
 

Was er zu hören bekam, war nicht gut. Sie konnten die Piloten nicht mehr erreichen, somit waren die Navigatoren ihrer Aufgabe beraubt. Irgendwer oder irgendwas störte das Signal, sogar das Radar fiel aus. Sie hatten keine Ahnung mehr, was genau auf dem Schlachtfeld passierte. Da war es wohl schon pure Absicht, dass sie lediglich die vitalen Daten der Piloten und die Schadensberichte abrufen konnten. Und da sah es schlecht aus.
 

„Neith 003, Totalschaden!“, hörte man eine der Navigatorinnen rufen.

„Neith 005, ebenfalls Totalschaden!“, das Entsetzen in der Stimme ihrer Kollegin war zu hören.
 

„Bastet, Schaden im gelben Bereich. Amuns Schwert wurde zerstört. Nefertem ist noch voll intakt. Alle Piloten unversehrt, die vitalen Werte sind aber am Schwanken.“, auch Mellan gab durch, was sie auf ihrem Statusbildschirm sah.
 

„Percival … Schaden auf der Rückseite … Ein Antrieb beschädigt … Ah, Blaire ...“, Cecils Wimmern war voller Sorge. Er wollte ihm doch helfen, er musste ihm beistehen. Dafür war er da. Er war doch sein Navigator. Und er musste ihn vor jedem Schaden bewahren, denn mittlerweile wusste jeder, was passierte, wenn Percival etwas abbekam …
 

Und selbst der General der Navigatoren war keineswegs mehr gelassen oder gefasst. Er biss sich auf die Lippen, das war eine sehr üble Situation. So gut sie immer gegen die Neumenschen gerüstet waren, so ein Hackerangriff war unvorhersehbar und vor allem unberechenbar. Sie dachten, sie wären geschützt, aber letztendlich …
 

„Wir brauchen Vilkas. Ruft ihn sofort hierher! Wenn einer diesen Hacker rausschmeißen kann, dann er!“ Samuil drehte sich erneut zu den Technikern, die auf den Befehl hin natürlich gleich den dritten General verständigten, der eigentlich an Anubis arbeitete. Aber er konnte hervorragend programmieren, also baute Samuil auf seine Fähigkeiten.
 

„W-Wir kriegen ein Übertragungssignal … !“, hörte man es dann aus den hinteren Reihen.
 

„Stellt es durch! Vielleicht ist es ja einer der Piloten!“ Und dann blickten alle gespannt auf die Hologrammbildschirme. Doch das Gesicht, dass sich ihnen zeigte, war kein bekanntes. Ein verkabelter Mann mit einem unberechenbaren Grinsen auf den Lippen. War das … war das der Feind?

Der erste Freund

Kinder, die ihn auslachten. Erwachsene, die ihn mit kalten Augen ansahen. Und immer dieses betörende Flüstern, als sie hinter seinem Rücken redeten. Er verstand nicht, was er falsch gemacht hatte. Er war doch nur ein Kind. Warum mochten ihn die Leute nicht? Er konnte doch nichts dafür, was sein Vater getan hatte. Er wuchs damit auf.
 

Seine Mutter war sein einziger Halt, der ihm im Leben geblieben war. Aber jeden Tag wurden ihre Augenringe tiefer. Sie sah erschöpft aus. Nein …Sie sah krank aus. Aber nicht körperlich krank, sondern im Geiste. Als saugte man ihr die Seele aus, Stück für Stück, Tag für Tag. Sie wirkte so müde, obwohl sie sich anstrengte, wie immer zu lächeln, letztendlich blieb ihr Ausdruck leer.
 

Sein Vater hatte sie verlassen. Er war fortgegangen und sie blieben zurück. Und jeder hier betrachtete sie mit Verachten. Wieder war so ein Tag, an dem er völlig niedergeschlagen aus der Schule kam. Sie hatten wieder seine Sachen kaputt gemacht und so getan, als wäre er nur Luft. Doch konnte er mit keinem darüber reden, nur seine liebe Mutter war immer für ihn da. Aber auch sie war machtlos ...
 

Als er die Tür öffnete, kam ihn niemand begrüßen. Die Schuhe standen alle Reih und Glied neben dem Schrank, wie immer, also war sie nicht einkaufen. Vielleicht schlief sie ja? Sofort lief er zu ihrem Schlafzimmer und öffnete die Tür. „Nein … Nein …!“
 

Dort hing sie, mit weit aufgerissenen Augen. Speichel tropfte ihr aus dem Mundwinkel, ihr Kopf hing grotesk herunter. Um ihren Hals hing ein Strick, der schwarzlila Spuren auf ihrer Haut hinterlassen hatte. Für einen Moment dachte er, das wäre eine Puppe. Sie sah so leblos aus, ihre Augen hatten jeden Glanz verloren. „Ma … ma?“
 

„Ahhhh!“ Mit einem lauten Schrei erwachte Blaire aus diesem Albtraum. Er setzte sich ruckartig auf, schnappte heftig nach Luft. Nicht schon wieder. Das letzte Mal war schon länger her, aber anscheinend hatte er sich zu früh gefreut. „Diese Erinnerungen werden mich ewig verfolgen ...“, dachte er sich, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er war schweißgebadet. Es dauerte einige Momente, bis er realisierte, dass er nicht in seinem Quartier war. Er bemerkte die Bandagen an sich, als er herab sah. Das kam ihm alles bekannt vor. „Bin ich … auf einer Krankenstation?“ Er drehte den Kopf langsam zur Seite, und erschrak fürchterlich, als er in die großen, sonnengelben Augen blickte, die ihn anstarrten. „L-Lügner … !“
 

„Alles … in Ordnung?“, fragte Lyial mit besorgter Stimme. Er saß gleich am Nebenbett, sein Kopf war um die Stirn verbunden.
 

„Nur ein Albtraum.“, antwortete Blaire nüchtern. Sie waren also beide in einem Krankenzimmer, das verstand er nun. Er war wohl verletzt, aber sonderlich viel spürte er nicht, aber das lag bestimmt an Schmerzmitteln. Und Lyial war auch verletzt, war auch kaum zu übersehen. Langsam kamen auch seine Erinnerungen wieder. „Der Kampf … Wir haben doch gekämpft … ! Was ist passiert? Haben wir gewonnen?! Arghh, bin ich etwa ausgeknockt wurden? So ein Scheiß! Hey, was ist mit Percival?!“ Er wollte schon aufstehen, aber sein träger Körper ließ das nicht zu.
 

„Der Kampf ist vorbei. Der General hat uns gerettet.“, fasste er sich kurz.
 

„Ich weiß noch, dass ich von hinten getroffen wurde. Aber wo kommen die anderen Verletzungen her?“ Er fuhr mit den Fingern über die Bandagen. Rücken, Brust, und beide Arme. Aber seine Erinnerungen an die Schlacht waren zu wage … Mit zusammengekniffenen Augenlidern musterte er Lyial. „Dich hat's auch erwischt … Mann, dabei haben wir so gut gekämpft! Das ist doch nicht deine Schuld, oder?“
 

Aber Lyial schüttelte nur den Kopf. „Du warst sehr stark. Du hast die Synchronisationsgrenze überschritten. Und hast gekämpft, während wir alle hilflos ohne Funk oder Navigatoren waren.“ Daran konnte sich Lyial noch gut erinnern. Wohl alle, die am Schlachtfeld waren.
 

Sie sahen, wie Blaire nicht aufgab. Als wären Pilot und Maschine zur perfekten Einheit geworden. Und obwohl es dennoch hoffnungslos war, der Feind war einfach zu überlegen, machte er weiter. „Erinnerst du dich daran wirklich nicht mehr?“
 

Der dunkelhaarige blinzelte. „Die Synchronisation … ? Daher wohl die Verletzungen.“ Wenn er zu stark mit Percival verbunden war, übertrug sich der Schaden. Aber normal ließ er das nicht zu. „Ich weiß noch, dass ich sehr wütend war. Auf diese scheiß Neumenschen! Sich einfach so in meinem Percival hacken … Ich wollte sie zerfetzen!“
 

„Das hast du aber nicht geschafft ...“, flüsterte Lyial nur. Das schaffte keiner. Zumindest kamen sie alle mit dem Leben davon, auch die Piloten der Neith, die zerstört wurden, da sie die Rettungsabkoppelung rechtzeitig aktiviert hatten. „Wir haben gelernt, zu was der Feind in der Lage ist …“ Er senkte den Blick. Das war ein beschämender Kampf. Wären es nur Alpha und Beta alleine gewesen. Aber Esna Gamma … Diese Maschine war wirklich ein Problem. Und ihr Pilot, der sich in die Systeme der Maschine gehackt hat, den Funk und die Bildübertragung manipuliert hat. Die Elite wurde vorgeführt, nein, sogar ihre Navigatoren, die Techniker. Alle erlebten eine bittere Schmach.
 

„So ein Scheiß! Das lasse ich mir nicht bieten!“ Wieder versuchte er aufzustehen, aber langsam fühlte er den Schmerz durch seine Verletzungen, das Mittel, dass ihn zum Schlafen gezwungen hatte, schien nun völlig abzuklingen. „Arghh … !“ Sein Körper fühlte sich zu schwer an. „Das war nicht fair. Diese Neumenschen spielen mit unfairen Tricks. Das war kein richtiger Kampf. Das war … völlig beschissen!“
 

„Das ist Krieg. Nur der Sieg zählt, egal mit welchen Mitteln. Blaire, du solltest dich ausruhen. Auch wenn die Ärzte meinen, deine Wunden heilen abnormal schnell ...“ Das wunderte ihn etwas, aber vielleicht war auch Blaires Stoffwechsel so gut.
 

Grummelnd warf sich der angeschlagene Pilot zurück aufs Bett. „Also sind wir geflohen, wie feige Hühner? … Der General hat uns gerettet? Der Stinkstiefel? Hatte er etwa ... eine Chance?“, fragte er neugierig, immerhin waren sie in der Überzahl und scheiterten, wie kam es also, dass Samuil ihnen helfen konnte?
 

Auch Lyial legte sich wieder hin, sah zur Decke auf. „Er steuert einen sehr starken Roboter. Ra heißt er. Er … hat die Ausstrahlung eines Helden … und sieht stolz auf all seine Gegner herab.“
 

Neben den Standardeinheiten, den Neith und den Elitemaschinen gab es noch weitere Kampfroboter, die aber nur selten zum Einsatz kamen. Ungefähr ein Drittel größer als die herkömmlichen Modelle, ausgestattet mit mächtigen Waffen, aber auch einer komplizierten Steuerung und Handhabung, erfordern sie eine spezielle emotionale und mentale Bindung zu ihren Piloten, die nach jahrelangem Training und besonderer Anpassung ausgewählt wurden.
 

Die „Dreiheit von Heliopolis“, so nannte man sie. Ra war eine dieser Maschinen. Sie war golden, ein Tank, ähnlich wie Amun, doch wirkte dieser im Vergleich mickrig. Samuil steuerte diese Maschine, ein Privileg, das nur ihm zuteil wurde. Außer ihm konnte keiner diese Maschine steuern. Ein General zu sein, das bedeutete auch, ein Teil der Dreiheit von Heliopolis zu sein.
 

„Ich habe davon gehört. Ra. Horus. Und Isis. Diese Dreiheitdinger. Alle Kolonien beneiden Heliopolis um diese Teile. Und der General steuert eine dieser Maschinen? Kein Wunder, dass er so krass drauf ist ...“ Blaire wirkte doch sehr beeindruckt, ihm war bewusst, dass Samuil stark war. Aber so stark?
 

„Esna Gamma hat ihn zu einem Duell herausgefordert. Wir flohen, während er für uns kämpfte ...“ Lyial verstand nicht, weshalb der Feind darauf bestand, gegen Samuil alleine zu kämpfen. Selbst die anderen Esnas hielten sich plötzlich zurück.
 

„... Und? Der General hat dem Arsch Saures gegeben, oder? Mann, das hätte ich gerne gesehen! Wieso hab' ich das verpasst?! Da habe ich die Chance, so ein geiles Riesenteil zu sehen und dann werde ich umgehauen, bevor's passiert?“ Er krallte die Finger in die Bettdecke, sichtlich verärgert. So eine Möglichkeit bekam man auch selten, immerhin rückte die Dreiheit nur aus, wenn sie wirklich gebraucht wurde. Er fragte sich auch gleich, wer wohl die anderen Piloten waren. Sie waren sicher genauso beeindruckend und einschüchternd wie Samuil.
 

„Der General hat gesiegt.“, fasste sich Lyial wieder kurz, was Blaire natürlich nur noch neugieriger machte.
 

„Herr Gott, geh' doch mal ein bisschen ins Detail! Hat er ihn gesprengt, diesen Hackertypen? Die anderen beiden auch?!“
 

„... Der Feind zog sich zurück, bevor er ihn zerstören konnte. Aber … General Samuil hat ihn ziemlich lädiert. Ich habe es aber nicht mehr gesehen, wir mussten den Warp erreichen.“
 

„... Ehh, du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen! Ach, was soll's … Pah, und jetzt liegen wir hier, oder was? Hey, mit Percival ist alles klar, oder?“ Um seine Maschine sorgte sich Blaire auch gleich. Wenn er verletzt war, dann war sicher auch sein treuer Begleiter beschädigt … „Hey, fassen diese Schwachköpfe von Techniker nun meine Maschine an?!“
 

„Es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Aber Percival geht es so weit gut. Er ist ein erfahrener Krieger. Er wird bald wieder fit sein.“, versicherte Lyial, dachte dann aber gleich an seinen Roboter, „Aber … Amun wird mir so schnell nicht verzeihen … Ich habe sein Schwert verloren.“
 

„Pff … Der bekommt ein neues und gut ist's! Percivals Waffen gehen dauernd drauf. Aber die sind auch Standardrepertoire. Tja, dann musst du dich wohl bei Amun entschuldigen!“, scherzte Blaire, merkte dann aber, dass Lyial ja so verrückt war, dass er das gleich ernst nahm.
 

„Ja, das werde ich tun. Sobald ich wieder fit bin. Wir dürfen heute Abend wahrscheinlich ins Quartier zurück. Unsere Verletzungen sind nicht so schwer.“ Nur oberflächliche Kratzer und Schürfwunden, und Lyial bekam etwas gegen den Kopf, aber die Platzwunde war nur halb so wild.
 

„Aber langsam begreife ich, warum du Elitepilot bist. Du bist echt nicht schlecht. Solltest mehr von dir selbst halten. Trotzdem, eines Tages kämpfen wir gegeneinander, hörst du? Ist doch viel spannender, als miteinander! Du bist doch was Besonderes, gib's endlich zu.“ Damit forderte Blaire seinen Kollegen wieder heraus.
 

„Aber ich kämpfe nicht aus Spaß ...“, murmelte Lyial nur, doch irgendwie war das sinnlos gegen Blaire. Er hatte seinen eigenen Kopf.
 

Für einige Minuten herrschte dann Stille. Sie waren beide erschöpft, und hatten wohl auch noch genug Schmerzen dank dieses Kampfes. Eine Niederlage, erneut … Das nächste Mal mussten sie diese drei Maschinen von Esna ausschalten. Außerdem wollte sich keiner vorstellen, was wäre, wenn die Neumenschen noch mehr Gegner von diesem Kaliber schicken würden. Ihre Technologie war einfach ausgereifter, das hieß nur, sie mussten mehr trainieren. Und sich womöglich bald mit den anderen Kolonien zusammenschließen, um diesen Krieg zu beenden.
 

Lyial dachte aber gerade an etwas ganz anderes. „Etwas Besonderes … ?“, fragte er sich. War er das? Er hatte nichts zu bieten. Keine Geschichten aus seinem Leben. Keine besonderen Errungenschaften. Er war ein guter Pilot, aber machte ihn das zu etwas Besonderem? Golyath war ein Verbrecher, der auf den rechten Weg zurückgefunden hatte. Das war doch wesentlich beeindruckender, oder nicht?
 

„Ich finde … du bist eher etwas Besonderes … So jemanden wie dich … habe ich noch nie kennengelernt.“ Er legte den Kopf zur Seite, um Blaire ansehen zu können. Bei der Aussage würden ihm wohl viele zustimmen. Blaire war wie eine lodernde Flamme, die nie erlosch. Kräftig und heiß. Und selbst wenn sie drohte, zu ersticken, stieg sie doch wieder empor, das bewies er am Schlachtfeld. Er riskierte damit sein eigenes Leben, aber wenigstens glaubte er an sich selbst.
 

Lyial fand so etwas in sich selbst nicht. Weder das Selbstbewusstsein, noch dieses Temperament.
 

Blaire runzelte die Stirn. „Ja, ich bin wohl etwas Besonders. Aber anscheinend auf falsche Art und Weise. So war das immer. Deswegen kommt auch fast niemand klar mit mir.“ Dann zuckte er mit den Schultern, als würde es ihn kaum etwas angehen.
 

Der weißhaarige Junge seufzte nur leise. „Im Grunde weiß ich selbst gar nichts über mich … Wer ich wirklich bin … wo ich herkomme … Nun, das weiß ich schon. Ich stamme von der Kolonie Memphis Theta. Ich bin ein Flüchtling. Aber … hatte ich dort eine Familie? Hatte ich … richtige Freunde? War mein Leben schön? Ich weiß es nicht mehr … ich weiß gar nichts mehr … Aber ich wusste immer, wie man eine Maschine steuert. Das ist mir geblieben. Aber warum ich zur Elite gehöre … Warum man mich auserwählte … ich weiß es nicht. Aber ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, mein Leben zu bereichern. Mein Leben, das im Grunde … non-existent ist …“, sprach er mit dünner Stimme, starrte dabei wieder an die Decke.
 

Als er das alles aussprach, merkte er, wie einsam und leer sein Leben doch war. Natürlich könnte er auch einfach dieses Problem anpacken, sich mit seinen Kollegen anfreunden und wieder ein richtiges Leben anfangen, doch irgendwas hinderte ihn daran. Er verstand es selbst nicht ganz. Mangelndes Selbstbewusstsein? Oder … fehlte ihm gar viel mehr?
 

Doch seit er Blaire kannte, diese wenigen Tage, keimte etwas in ihm auf. Er hinterfragte alles, wo er zuvor sein Schicksal und seine nicht existierende Lebensgeschichte als Tatsache hinnahm.
 

„Du weißt nichts über dich? Heißt das, du hast keine Vergangenheit?“ Langsam verstand Blaire, warum Lyial wie ein weißes Blatt Papier wirkte. Warum er so steril war. Mit forschendem Blick beobachtete er ihn. „Es gibt auch niemanden sonst von dieser Kolonie, der etwas über dich weiß? Du erinnerst dich an nichts? Mh … Falls es dich tröstet, ich habe auch keine Familie mehr. Ich hatte nie wirklich Freunde. Spaß am Leben habe ich trotzdem. Versuch doch einfach positiver zu sein. Und such dir ein verdammtes Hobby, anstatt den ganzen unser Zimmer zu putzen! Pflanz' Blumen an oder so etwas. Das würde gut zu dir passen, auch wenn sie keine Maschinen sind. Andere Leute reden auch mit ihren Blumen, das wird in unserer Gesellschaft nicht als verrückt angesehen.“ Gleich vertiefte er das Thema. Eigentlich interessierte es ihn schon. Also hatte es wirklich einen Grund, warum Lyial so war. Und ein bisschen wirkte er wie eine verwirrte Motte, die das Licht aufsuchte. Und in dem Fall war Blaire wohl das Licht.
 

„Du … hast auch keine Familie? Oh …“ Das tat Lyial natürlich Leid, er wollte kein unangenehmes Thema aufgreifen. Er fragte sich gleich, was wohl mit seiner Familie geschehen war, aber nachhaken wollte er nicht, das war sicher unangenehm.
 

„Blumen? Meinst du … das würde Spaß machen?“ Er war sich nicht sicher. Er schenkte Pflanzen nie viel Aufmerksamkeit. Aber nun, wo er es ansprach. Hübsch waren sie schon. Viele hatten Pflanzen in ihren Zimmern. Vielleicht sollte er sich auch welche besorgen.
 

Der dunkelhaarige Junge setzte sich langsam wieder auf, setzte dann seine Beine am Boden ab. Er stemmte sich hoch, torkelte den kurzen Abstand zum anderen Bett und setzte sich drauf, passte aber auf, Lyial dabei nicht zu zerquetschen.
 

„Und ich dachte immer, du wärst wirklich ein Neumensch. So ein Roboter, und das ist deine Antenne!“ Mit einem Grinsen nahm er sich Lyials blaue Haarsträhne und zwirbelte sie zwischen seinen Fingern.
 

„Ich bin kein … Und das ist keine … !“ Lyial sprach zu langsam, um verbal auf Blaires „Angriff“ zu reagieren. Er wedelte mit den Händen vor sich herum, als wäre da eine Fliege, die ihn belästigte. Daraufhin ließ Blaire schnell wieder ab.
 

„Du wirst auf ähnliche Weise beleidigt, wie ich früher beleidigt wurde. Maschinenjunge. So haben sie mich auch genannt. Weil mein Vater zu den Neumenschen übergelaufen ist. Und sie haben ja recht. Das mit Percival ist sicher nicht normal. Und es ist auch nicht normal, dass du mit ihnen sprichst. Sind wir halt beide Spinner. Wenigstens sind wir nicht so langweilig und lächerlich wie all die anderen!“ Letztendlich sprach er selbst aus, was geschehen war.
 

„Dein Vater ist …? Das … das tut mir Leid …“ Irgendwie war er gerührt von seinen Worten, vertraute ihm so sehr, dass er ihm so etwas verriet oder erzählte er das jedem? Aber mit einem hatte Blaire Recht, er war ihm wirklich ähnlicher, als er dachte. Er verglich sich sogar mit ihm. Das tat sonst nie jemand. Nie gab es jemanden, der ihn verstand. Der ihm gleichgesinnt war. Und was sagte er da? Er sei nicht langweilig? Mit einem Mal hatte ein Lyial ein begeistertes Funkeln in den Augen. Da war sie. Die Chance! Ruckartig richtete er sich auf.
 

„Blaire! Bitte … Bitte, lass uns Freunde sein. Richtige Freunde! Sei … mein erster Freund hier … Bitte …!“ Er wurde immer leiser, als er merkte, wie das alles aus ihm herausplatzte. Er errötete etwas, ein seltener Anblick und räusperte sich dann kurz.
 

Blaire verstand zunächst den Blick nicht, den er von Lyial bekam. Es war ihm ein Rätsel, wie er es schaffte, so eine gleichgültige Mimik zu besitzen, und dann doch, fast schon im Zwiespalt, diesen energischen Ausdruck in den Augen zu haben. Er rechnete fast schon mit einem Liebesgeständnis. Doch es kam anders. „Eh … ?“ Irritiert sah er zu dem Jungen neben sich, Röte stieg ihm ins Gesicht und dann … prustete er los, fing lauthals an zu lachen.
 

„Ich … ! Wenn wir doch ein paar Dinge gemeinsam haben … reicht das doch, oder ...? Ich weiß nicht, warum, aber … Ich … Ich wäre so gerne … dein Freund …“, sprach Lyial weiter, trotz der amüsierten Reaktion von Blaire. Er musste ihn überzeugen. Wenn nicht jetzt, dann nie … !
 

„Ohje … Haha … Du nimmst das echt sehr ernst, oder?“ Der Pilot mit den roten Augen beruhigte sich langsam, konnte aber dieses seltsame Geständnis noch nicht ganz verarbeiten. Das war fast schon filmreif.
 

Dann rollte er mit den Augen. "Ich will eigentlich keine Freunde. Oder eher ... ich brauche keine. Hatte nie welche, habe es nicht nötig. Verstehst du?“, meinte er nur, doch als er die Enttäuschung in Lyials Gesicht sah, berührte ihn das irgendwie. Ja, es war ihm wirklich wichtig.
 

„Ächz … Meinetwegen. Sind wir halt Freunde. Solange ich jetzt nicht mit dir herumknutschen und Händchen halten muss." Sein spöttisches Grinsen zeigte sich wieder. Aber er meinte das nicht böse. Hohn und Spott waren seine Waffen gegen die Grausamkeit der Menschen. Und er merkte schon, dass man Lyial leicht aufziehen konnte.
 

Und Lyials Augen glitzerten bei der Antwort. Er überhörte sogar, dass es Blaire eigentlich ziemlich egal war, er bekam endlich das, was er wollte: Einen Freund. „Danke … Danke ...“, wiederholte er ein paar Mal. „Ich werde dir der beste Freund sein, das verspreche ich dir.“, versicherte er ihm völlig ernst, als wäre es eine Lebensaufgabe. Selbst in so einem glücklichen Moment lächelte er kein bisschen.
 

Nach wenigen Sekunden fiel ihm dann aber ein wesentlicher Punkt ein, den er vergessen hatte. „... Was … tun Freunde so?“
 

Blaire blinzelte nur, als ihn Lyial doch tatsächlich diese Frage stellte. „Du willst unbedingt mein Freund sein, hast aber keine Ahnung von Freundschaften? W-Wo lebst du, hinterm Mond?!“ Er klopft ihm gegen die Stirn, erwartete irgendwie ein hohles Geräusch, aber nein, da war tatsächlich ein Gehirn drin, oder eine ähnliche Masse.
 

„Verbringen wir nun mehr Zeit miteinander? Bleiben bis spät nachts wach und … machen lustige Dinge? Ich denke, das tun Freunde. Das habe ich gelesen.“
 

„Ähm … Ja, ich denke, das macht man als Freunde …“, antwortete er mit weniger Begeisterung und schien gleich zu bereuen, auf was er sich da eingelassen hatte. Aber irgendwie war er auch süß, mit diesem naiven Wunsch und seiner Enthusiasmus, der plötzlich aufkeimte.
 

„Nehmen wir das in Angriff, wenn wir hier raus sind, ja? Aber wir sind auch Piloten. Wir dürfen durch so einen Quatsch nicht unser Training vernachlässigen. Ich will nicht wegen dir schwächeln!“ Außerdem hatte Blaire irgendwie Angst, dass diese Langatmigkeit von Lyial ansteckend war …
 

Sein Zimmergenosse schien sich wirklich zu freuen, ihn als Freund zu haben. Das war das erste Mal, dass er so geschätzt wurde. Nun ja, es gab da noch Cecil ... aber der gab immer schnell auf, wenn er zurückgewiesen wurde oder von ihm Ärger bekam. Niemand hatte bis jetzt so lange mit ihm durchgehalten. Lyial wusste anscheinend nicht, wann man aufgab. Vielleicht war er ja auch einfach nur hohl, was ihn wiederum geduldiger machte. Aber das konnte auch nicht ganz stimmen, er war ein guter Pilot, da brauchte man eine gewisse Intelligenz. Blaire grübelte eine Weile über Lyials Beweggründe, tat die Sache aber mit einem Schulterzucken ab.
 

Mit einem Griff hatte er wieder die blaue Haaresträhne zwischen den Fingern. Langsam spielte er damit und blickte ihn nachdenklich an. "Eines gibt es schon, was ich von dir als Freund verlange … Deine Jungfräulichkeit." Das war natürlich nur ein Spaß. Er wollte ihn nur aus der Fassung bringen, damit er nicht merkte, wie angespannt ihn dieses Freundschaftsgetue machte.
 

„W-Wie? Jungfräulichkeit? Also … uhm … Ich weiß nicht so Recht …“, murmelte Lyial nur. Wie eine definitiver Korb wirkte das nicht, stellte Blaire verblüffend fest.
 

„Da ich keine Erinnerung habe, weiß ich nicht, ob ich wirklich noch Jungfrau bin. Und Freunde tun so etwas nicht. Soviel weiß ich schon.“
 

"Pfff, du glaubst doch nicht echt, dass du keine Jungfrau mehr bist. Wer würde schon mit dir ... ?" Ups, das klang etwas beleidigend. Aber er sah Lyial wirklich nicht als sexuelles Objekt. Er wirkte einfach so jung und zurückhaltend. Wenn Blaire jemanden attraktiv fand, dann waren das Leute die mit ihm auf gleicher Wellenlänge sind. Also gab es im Grunde niemanden, außer sich selbst, den er attraktiv fand. „Wäre Percival ein Mensch ...“, stellte er sich vor, schüttelte dann gleich peinlich berührt den Kopf. Das waren jetzt aber komische Gedanken. Schnell wieder vergessen!
 

Er kämpfte sich wieder auf die Beine, wankte zurück zu seinem Bett und legte sich dann hin. „Genug jetzt, langsam wird es seltsam. Ruhen wir uns aus, ja? Damit wir morgen wieder trainieren können. Ich hab noch ein paar Rechnungen mit diesen scheiß Neumenschen offen!“
 

Dann schloss er die Augen, versuchte gleich, einzuschlafen und dieses komische Gespräch zu vergessen. Aber so leicht war das nicht. Als er nach einigen stillen Minuten die Lider wieder öffnete, drehte er sich zur Seite und blickte Lyial an, der mittlerweile selbst versuchte, einzuschlafen.
 

Das war also der einzige lebende Mensch, dem etwas an ihm lag. Er sollte das genießen. Seit dem Tod seiner Mutter hatte er niemanden. Er wollte niemanden. Es war schmerzhaft, jemanden zu verlieren, der ihm Halt im Leben gab. Menschen waren so fragil. Percival war da eben anders. Man konnte ihn reparieren. Oder ihn neu bauen. Aber wenn ein Lebewesen starb, war es fort. Und egal wie sehr man sich dagegen wehrte, wie sehr man weinte und es nicht wahr haben wollte, sie kamen nicht zurück.
 

„Wird mir … wohl nicht schaden ...“, flüsterte er sich selbst zu, schloss dann die Augen. So besonders waren Freundschaften ja auch nicht. Lag wohl nur an Lyial, der sich da einfach zu viel zusammenreimte.

Ein Schritt nach vorne

Es war später Nachmittag, die Kantine der Akademie war relativ leer. Die künstliche Sonne, die den projizierten Himmel von Heliopolis erleuchtete, dimmte sich langsam, ein orangefarbener Schimmer fiel durch die Fenster des Raumes. An einem Tisch saßen die drei Generäle, in ihren Gesichtern sah man an, wie zermürbt sie waren, zumindest zwei von ihnen, das Resultat der letzten Stunden. Furchtbare Stunden.
 

Samuil musste Berichte und Protokolle über die letzten Schlacht schreiben, noch dazu eine Erklärung, weshalb er mit Ra unerlaubt ausgerückt war. Der Präsident war sehr verärgert darüber, dabei war es das einzige, was er als General tun konnte und musste, so seine Meinung. Er sah einfach ungern zu, wie seine Schüler und Soldaten einen Kampf verloren, auch noch so chancenlos.
 

Vilkas hatte nicht nur die ganze Zeit während des Kampfes unter Anspannung die Systeme umprogrammieren und die Firewalls verbessern müssen, er wurde danach auch gleich mit den unzähligen Schäden an den Kampfmaschinen konfrontiert. Die bedeuteten nämlich für ihn wieder nur Überstunden, und weniger Zeit, die er mit seinem Ehemann verbringen konnte.
 

Und Ammadon … Der aß mit einem zufriedenen Lächeln seinen Nachtisch. Erdbeerpudding, mit Vanillesoße. Eigentlich war er selbst ziemlich erschöpft und auch verärgert, er hatte mit den Navigatoren nichts mehr im Kampf ausrichten können, nicht mehr helfen können. Diese Nutzlosigkeit, die er gefühlt hatte, tat fast schon weh. Aber deshalb wollte er nicht Trübsal blasen. Das nächste Mal war er besser vorbereitet. Sie alle, aus solchen Begegnungen mit dem Feind konnte man nur lernen.
 

„Esst euren Nachtisch. Ein wenig Zucker im Blut wird euch gut tun! Lasst den Kopf nicht hängen.“, sprach er aufmunternd, aber er wusste genau, weswegen die beiden letztendlich wirklich so schlecht gelaunt waren.
 

Zuvor waren sie bei Präsident Portos vorgeladen. Und der stauchte alle drei ordentlich zusammen. Er war höchst empört und wütend, ließ seinen ganzen Frust an den Dreien aus. Und brummte ihnen obendrein noch mehr Arbeit auf.
 

„Wie soll ich gute Laune haben, wenn ich nun meine ganze Freizeit streichen muss, um die Maschinen auf Vordermann zu bringen? Das Resultat des Kampfes ist verheerend!“, jammerte Vilkas, „Nun sehen wir uns noch weniger …“
 

Sanft legte Ammadon seine Hand auf die von Vilkas. „Das wird auch vorbeigehen. Und dann haben wir wieder genug Zeit für uns. Ich werde dir jeden Tag dein Mittagessen vorbeibringen. Soviel Zeit werde ich wohl für meinen Ehemann einräumen dürfen! Und wenn alles vorbei ist, nehmen wir uns Urlaub, ja? Ich habe gehört, auf Abydos gibt es einen riesigen künstlichen Strand!“ Er schmunzelte freudig, versuchte, seinen Geliebten mit seiner positiven Einstellung anzustecken.
 

Dieser seufzte aber nur. „Ein Strand … Das wird nie passieren, das weißt du. Ich wäre schon glücklich, wenn wir mal wieder schön essen gehen könnten.“ Als könnten sie sich Urlaub leisten, als Generäle, die den Ballast eines Krieges auf ihren Schultern trugen. Kaum sprach er zu ende, wurde er auch schon angeklingelt. Er nahm sein internes Kommunikationsgerät zur Hand, sein Blick verriet seine Enttäuschung. „Nicht mal eine halbe Stunde Pause gönnt man mir. Das ist Humphry. Er hat Schwierigkeiten. Und schlechte Laune. Ich seh' mal nach ihm. Sonst bewirft er seine Kollegen mit Werkzeug. Heh, das hat er von mir ...“ Und das war's mit der Essenspause. Den Nachtisch musste er stehen lassen. „Warte heute nicht auf mich. Ich weiß nicht, wann ich heim komme … Tut mir Leid.“
 

Nun musste auch Ammadon seufzen. Aber er gab sich tapfer, schenkte Vilkas ein weiteres aufheiterndes Lächeln. „Schon gut. Wir haben uns ja für diese Jobs entschieden.“ Er richtete sich auf, gab seinem Ehemann einen Abschiedskuss und ließ ihn dann ziehen.
 

Als er sich wieder setzte, spürte er den mürrischen Blick Samuils, dessen Stirn sich in Falten legte. Warum er diesen Blick verdient hatte, wusste er natürlich nicht, aber Samuil mochte es überhaupt nicht, wenn die beiden vor seinen Augen herum turtelten. Das half seiner ohnehin schon üblen Laune nicht besonders.
 

„Ich sollte auch gehen. Ich habe nämlich ein großes Problem, dass ich anpacken muss, bevor ich alles andere erledigen kann. Und das heißt Golyath.“ Er verdrehte die Augen. Eigentlich hatte sich Samuil ja erhofft, er konnte den Piloten von Anubis wieder auf den Boden zurückholen, wenn er ihn einmal aussetzen und zusehen ließ. Aber das kümmerte diesen scheinbar nicht, er hatte immer noch Probleme, die er nicht aussprach oder selbst lösen konnte. Nun musste der General ran, ausgerechnet er, der mit diesem emotionalen Humbug nicht zurechtkam. Das machte ihn nur noch wütender.
 

Als er schon aufstand und gehen wollte, hielt ihn Ammadon aber auf. „Du wirst Golyath nicht verprügeln.“, meinte er streng und schien damit genau erraten zu haben, was Samuil vorhatte. Dieser brummte genervt, legte den Rückwärtsgang ein und setzte sich wieder.
 

„Aber was soll ich sonst machen?! Er hört einfach nicht auf damit, so … so dumm und nervig zu sein! Was zur Hölle ist sein Problem?! Er kann ja nur nicht akzeptieren, dass Franklin nicht mehr lebt! Und dass nun Lyial an seiner Stelle Amun steuert. Aber so ist das nun mal! Piloten sind ersetzbar. Wenn ich sterbe, wird auch ein anderer General, oder nicht? Verdammt, das kotzt mich an!“ Er schlug mit der Faust auf die Tischplatte, so dass sein Pudding fast vom Teller wabbelte.
 

„Sag so etwas nicht … Bevor du stirbst, wird Heliopolis von einem schwarzen Loch verschlungen!“, scherzte Ammadon noch, bevor er Samuil mit einem scharfen Blick ansah, „Eigentlich weißt du ja schon, was sein Problem ist. Und genau darüber musst du mit Golyath reden. Nicht in deinem … befehlshaberischen Obermackerton. Sondern … von Mensch zu Mensch. Der Verlust einer geliebten Person ist nie einfach. Und was man in so einer Situation braucht ist … etwas Trost. Einen Lichtblick. Ich denke, das kriegst du hin, oder? Du kannst sehr einfühlsam sein, wenn du willst. Und du bist ein guter Zuhörer! … Wenn du willst, haha …“
 

Er kannte Samuil schon seit seiner Kindheit. So miesepetrig, wie er sich immer gab, war er doch nicht. Der Blondschopf konnte durchaus nett sein, aber womöglich fehlte ihm mittlerweile einfach die Geduld dafür. Er erinnerte sich gerne daran, wie Samuil ihm immer aus der Patsche half, auch wenn es um emotionale Probleme ging.
 

„Mach dich ja nicht lustig über mich. Vergiss nicht … Ich weiß genau, wie du einmal drauf warst!“ Anklagend deutete Samuil auf seinen Gegenüber, der diese Anschuldigung nur mit einem Lächeln abtat.
 

„Ach ja? Ich weiß nicht, wovon du redest.“, gab sich Ammadon nur unschuldig.
 

„Wie auch immer … Ich hör mal auf deinen Rat und sehe, was ich tun kann. Wenn's nicht klappt, muss ich Golyath wohl oder übel doch verprügeln.“ Samuil zuckte mit den Schultern, dann stand er auf und ging endlich, auch wenn er diese kurze Zweisamkeit mit seinem Kindheitsfreund länger genießen wollte. Aber … Das war nun mal nicht richtig. Er hatte keinen Anspruch mehr auf ihn.
 

„Dann wird’s für mich wohl auch langsam Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Ah, aber den Nachtisch der beiden kann ich nicht einfach so stehen lassen ...“, sprach Ammadon zu sich selbst, als er nach den beiden Schüsseln Pudding griff. Um seine Figur musste er sich, trotz all der Süßigkeiten, die er gerne naschte, seltsamerweise nie Sorgen machen …
 

Mit hastigen Schritten machte sich Samuil auf den Weg zum Trainingsraum der Elite. Er hatte so was von gar keine Lust auf diese Kinderprobleme. Zudem war er einfach nur frustriert. Er hatte auch wirklich gehofft, dass Ammadon ihm dabei helfen würde. Er war doch der liebe Engel! Aber er ließ ihn im Stich. Irgendwie wäre es letztendlich auch nicht richtig gewesen, den Navigator in die Sache hineinzuziehen. Er hatte sicher genug eigene Sorgen. Wie zum Beispiel seine Ehe, die in Samuils Augen sehr ernüchternd wirkte. Die beiden sahen sich kaum. Wäre er mit Ammadon verheiratet, würde er sich die Beine ausreißen, um Zeit mit ihm verbringen zu können!
 

Aber wenn er nur daran dachte, was er alles verpasste, ging es ihm gleich noch dreckiger. Er beschwerte sich über die Probleme seiner Piloten, dabei war er doch selbst ein von Liebeskummer geplagter Idiot.
 

Wie erwartet war nur Sorata im Trainingsraum. Sie war auch nach dem Kampf die fitteste. Alvis und Lyial waren auf der Krankenstation, durften diese aber sicher schon bald verlassen. Und sein neuer Musterschüler Schrägstich Prügelknabe lag ebenfalls in einem Krankenbett. „Aber wenigstens ist Clovis bald wieder da ...“, murmelte er leise, um Sorata nicht bei ihren Schießübungen zu stören.
 

Aber diese hatte den General sowieso schon längst bemerkt. „Kann ich euch helfen?“, fragte sie, legte zugleich die Übungswaffen nieder.
 

„Schon gut. Ich wollte eigentlich zu Golyath. Dafür, dass er nicht kämpfen musste, könnte er jetzt wenigstens trainieren, dieser faule Hund ...“, knurrte er verärgert.
 

„Er ist bestimmt in seinem Quartier. Er hat mir erzählt, dass sein Lieblingsidol heute ein Konzert hat und es live im Fernsehen übertragen wird. Seine Begeisterung für diese Musik verstehe ich allerdings nicht ...“ Doch da war Sorata nicht die einzige. Niemand verstand das.
 

„... Und Golyath ist ein erwachsener Mann, ein Elitepilot. Er ist nur verdammte vier Jahre jünger als ich … Und steht auf diesen Mist. Kaum zu glauben. Gut, danke für die Info. Du kannst weitermachen. Aber nicht zu lange, ja? Es ist besser, wenn ihr euch alle ausruht, bevor ich euch morgen richtig in die Mangel nehme!“ Und bei seiner momentanen Laune würde er diese Drohung garantiert wahr machen.
 

Immer, wenn er durch die Gänge der Wohnanlage der Akademie stolzierte, wurde es ganz still. Die Schüler verzogen sich alle in ihre Zimmer, keiner wollte etwas mit Samuil zu tun haben. Und schon gar nicht mit demjenigen, wegen dem er hier war. Das bedeutete nämlich meist nur mächtig Ärger.
 

Schon von weitem hörte Samuil die quietschende Popmusik, die aus dem Zimmer von Golyath drang. „Ob man im Gefängnis jegliche Scham verliert?“, fragte er sich, als er vor der Tür stand. Er klopfte an, aber scheinbar war die Musik so laut, dass Golyath ihn nicht hörte. Nach dem dritten Anklopften reichte es ihm dann. Er trat gegen die Tür, so wuchtig, dass es sie komplett aus den Angeln hob. „Golyath, öffne gefälligst die Tür, wenn jem- … Was zum … ?!“
 

Auf dem großen Bildschirm lief das Konzert von Mico Miyaco. Ein süßes Mädchen in einem glitzernden und über niedlichen Kostüm. Lange, rosafarbene Haare. Sogar das Mikrofon, dass sie hielt, war voller funkelnder Steine. Hologrammprojektionen, grelle Scheinwerfer. Ein tobendes Publikum. Und dann diese … Lieder … die kein erwachsener Mann hören sollte.
 

Als wäre das alles nicht schon schlimmer genug, stand vor dem General Golyath, mit einem T-Shirt seines Idols, nicht das einzige Merchandise, das er besaß, das ganze Quartier war voll davon! Von Postern und Fahnen, bis hin zu Tassen, Anhängern und … „Puppen?! W-Was …“ Ja, Samuil war noch nie in Golyaths Quartier, und er wünschte sich auch in diesem Moment auch diese Unwissenheit zurück.
 

„W-Was tut ihr hier?! Ich habe keine Zeit fürs Training! Das ist das letzte Konzert von Micos aktueller intergalaktischen Tour!!“ Golyath vermutete gleich, dass der General nur hier war, weil er gerade schwänzte. „Außerdem habt ihr meine Tür geschrottet! Geht's noch?! Das war eine automatische Schiebetür!“ Und die lag nun am Boden. Wie auch immer das physikalisch möglich war, es war sehr erschreckend.
 

An Samuils Stirn pochten schon einige Adern. Er wusste nicht, was ihn gerade rasender machte. Golyath? Oder doch dieses Idol?
 

„... Zieh dir etwas Ordentliches an. Und dann gehen wir raus.“ Er gab sich Mühe, ruhig zu bleiben.
 

„Eh? Nein, wieso denn? Mico kann aber nicht warte- … Uff!!“ Kaum wagte er es, zu widersprechen, bekam er einen Tritt in die Magengegend, der ihn sofort umhaute. Er krümmte sich am Boden. „Was … Was soll der Scheiß?!“
 

„Zieh dieses bescheuerte Shirt aus und beweg' deinen verdammten Arsch! Das ist ein Befehl!!“, bellte Samuil nun richtig und machte damit klar, dass er es ernst meinte. „Ich warte vor der Tür.“ Wortlos stapfte er dann aus dem Zimmer, stellte die Tür hinter sich wieder auf. Draußen lehnte er sich an die Wand, verschränkt die Arme und wartete ungeduldig. Einige der Bewohner in diesem Gang linsten neugierig aus ihren Quartieren, doch als der Blick des Generals sie traf, verzogen sie sich sofort wieder.
 

Nach kaum zwei Minuten stieß dann Golyath zu Samuil. Er war etwas bleich im Gesicht, also bleicher als sonst, und ihm war übel, der Tritt war auch nicht von schlechten Eltern.
 

„Na bitte, geht doch. Folge mir.“, kommentierte Samuil, ging dann voraus, ohne zu verraten, wohin. Golyath musste so oder so folgen, außer, er wollte wieder einen Tritt kassieren.
 

„Was soll das werden, ein Spaziergang?“, unterbrach Golyath die Stille, nachdem sie schon das Campusgelände verlassen hatten. Der Himmel verdunkelte sich langsam, es war schon abends.
 

Samuil aber schwieg, völlig stur. Er führte Golyath abseits des Campus noch fast eine halbe Stunde herum, bis er an einer Haltestelle einer Buslinie stehen blieb.
 

Stirnrunzelnd betrachtete Golyath den General. „Was habt ihr vor? Mann, redet endlich mit mir! Das nervt. Das Konzert ist sicher schon vorbei ...“, jammerte Golyath.
 

Der General schnaubte daraufhin nur. „Golyath. Sag' mir, was dein Problem ist. Wieso fällt es dir so schwer, mit Lyial auszukommen?“ Plötzlich sprach er klipp und klar an, worum es hier ging.
 

Golyath war kurz perplex, das kam auch unerwartet. Erst wurde er entführt und nun dieses Thema. „Tz … Ist das ihr Ernst? Das ist doch sonnenklar! Weil ihr Franklin mit so einem … Spinner ersetzen musstet! Mit diesem … Versager. Geisteskranken … Er ist sicher schizophren, er spricht dauernd mit Maschinen! Außerdem ist er nutzlos. Amun verdient einen besseren Piloten! Er kann und wird Franklin niemals das Wasser reichen! Er ist nur eine Behinderung für das ganze Eliteteam!!“ Für Golyath lag es doch auf der Hand. Der Fehler lag bei Lyial, nicht bei ihm. Warum musste er deshalb nun hier stehen und mit dem General darüber reden?
 

„Ihr entehrt Franklin, der ein großartiger Pilot war! Im Gegensatz zu diesem Wicht. Er hat seinen Platz nicht verdient. Niemand hat das! Niemand … Niemand kann ihn ersetzen!“ Jetzt wurde er richtig laut, sein Gesicht färbte sich vor Wut rot. „Die Elite kommt ohne ihn besser klar! Würde uns auch eine Menge Ärger sparen! Er will doch selbst nichts mit uns zu tun haben, dieser Irre!“ Und wegen diesem Spinner verpasste er nun auch noch das Konzert seines Idols? „Das ist Schwachsinn! Ich gehe zurück!“
 

Er wollte sich schon umdrehen, da hörte er seinen Namen. „Golyath.“, mehr sagte Samuil nicht, stattdessen hob er die Hand und ohrfeigte ihn hart.
 

"Jeder Elitepilot, der im Dienst gestorben ist, war großartig. Und wir haben sie alle ersetzt. Es würde keine Elite geben, wenn wir das nicht tun würden. Das ist keine Entehrung sondern unsere verdammte Pflicht! Ohne euch würde es diese Kolonie nicht mehr geben! Keiner von euch ist perfekt. Und Franklin war es auch nicht. Es ist traurig, was mit ihm passiert ist. Und genau deswegen sollt ihr daran arbeiten, so etwas in Zukunft zu verhindern. Würde es irgendjemandem helfen, wenn wir Amun im Hangar stehen lassen und ihr nur zu Viert wärt? Würde das Franklin glücklich machen? So wie ich ihn kenne, dreht er sich gerade im Grab um, weil einer seiner Kollegen ein blinder Vollidiot ist, der sich wie ein Kleinkind benimmt! Ich habe dich nur aufgenommen, weil er mir versichert hat, dass du ein guter Mann bist. Aber das sehe ich derzeit nicht. Sollte ich dann nicht vielleicht eher dich raus werfen?“
 

Samuils Blick durchbohrte Golyath förmlich, der sich nur entsetzt die Wange hielt. Das war das erste Mal, dass der General jemanden ohrfeigte, denn wenn er sonst zuschlug, dann mit der Faust. Das bedeutete nur, dass diese Situation hier ganz anders war. Das war keine Bestrafung. Er wollte seinen Standpunkt klar machen und … Golyath helfen.
 

"Wir wollen Franklin nicht ersetzen. Jeder Mensch ist anders. Hör endlich auf, jeden mit ihm zu vergleichen. Er ist tot, lass ihn endlich ruhen!“, auch wenn er laut wurde, wirkte er keineswegs, als würde er die Fassung verlieren. Dabei brodelte er innerlich so sehr, aber wenn er nun selbst ausrastete, half das keinem, weder ihm, noch Golyath.
 

Doch in Golyath keimten ganz andere Gefühle auf. „Ihr … Ihr habt doch keine Ahnung ...“, murmelte er, beide Fäuste geballt, zitternd vor Anspannung. Er biss sich auf die Lippen, noch bevor es aus ihm herausplatzte, fuhr der Bus die Station an und brachte ihn aus dem Konzept.
 

Samuil stieg wortlos ein, und der Elitepilot tat es ihm gleich. Die ganze Fahrt über schwiegen sie, Golyath wusste auch nicht, wohin es ging.
 

Erst als sie ausstiegen, dämmerte es dem Schwarzhaarigen langsam. Ein schönes Stück Grün, am Rande der Kuppel. Es war von einer hohen Mauer umzäunt, hübsch und ordentlich nebeneinander gereiht waren ovale, flache Steinplatten senkrecht in den Boden gearbeitet, auf jedem einzelnen stand etwas geschrieben. Kein Zweifel, das war der Militärfriedhof von Heliopolis.
 

Golyath schluckte. Er war starr vor Ehrfurcht. Hier lagen all die Piloten, die im Kampf gefallen waren. Auch wenn man viele Körper nicht mehr bergen konnte, so bekamen sie doch einen Platz in dieser Gedenkstätte.
 

Samuil deutete mit einem Nicken, dass er ihm folgen sollte. Ein Weg aus Pflastersteinen führte sie durch den Friedhof, bis sie endlich am Ziel angelangt waren. Die Gräber der Elitepiloten. Und es waren nicht wenige …
 

Vor einem bestimmten Grab blieben sie dann stehen. Auf dem Stein war der Name „Franklin Donovan“ in Schönschrift eingraviert, darunter Geburts- und Todesdatum, und in einer weiteren Zeile:
 

„Er war Sohn, Bruder, Freund und Geliebter. Doch auch war er ein tapferer Held. Möge er in Frieden ruhen.“
 

"Du solltest mit ihm reden und dich entschuldigen. Für das, was du in seinem Namen alles angerichtet hast. Und dann schließe endlich Frieden, Golyath. Dein Leben geht weiter, also mach etwas daraus. Heb' dir deinen Hass für die Neumenschen auf." Samuils Blick wanderte über die Gräber.
 

So viele Bekannte, mit denen er gearbeitet hatte, die er unterrichtet hatte. Und sie alle sind wahrscheinlich gestorben, ohne jemals mehr als Antipathie für ihn zu empfinden. Aber er erwartete es nicht anders.
 

"Wenn du dich besser fühlst, komm zum Training morgen. Oder willst du mich mit den ganzen Kindern alleine lassen?!" Das fauchte er noch, dann drehte er sich um und ging langsam an Golyath vorbei, schlug ihm noch sachte und freundschaftlich auf die Schulter, ehe er sich auf den Rückweg machte und ihn mit Franklin alleine ließ.
 

„Warum … ausgerechnet hier ...“ Golyath konnte es nicht nicht fassen. Da stand er nun, vor dem Grab seines besten Freundes. Nein … vor dem Grab des Mannes, der ihn vor dem Tod gerettet hatte. Und … er war der Mann, den er geliebt hatte.
 

Er sackte vor dem Grabstein in die Knie, fuhr mit dem Finger die Konturen der Gravur auf dem Stein ab. Dort standen seine Heldentaten. Er kämpfte in unzähligen Schlachten. Er war wirklich ein Held. Die Erinnerung an das immerwährende Lächeln seines einstigen Kollegen kam hoch. Er versprühte immer diese gute Laune, gab ihm immer soviel Halt. Eine Heldentat fehlte hier. Eine selbstlose und bewundernswerte Tat.
 

Er hatte einem zu Tode verurteilten Mann eine zweite Chance verschafft. Einen neuen Sinn im Leben gegeben. Er hatte Golyath gerettet.
 

Seit der Beerdigung war er nicht mehr hier gewesen. Dafür schämte er sich, jetzt, wo er vor dem Grab saß. Er senkte den Kopf, seine Kehle schnürte sich zu, während seine Augen sich langsam mit Tränen füllten. Franklin war immer für ihn da. Er holte ihn aus dem Gefängnis, gab ihm eine Chance, alle seine Verbrechen wieder gut zumachen. Das war keine selbstverständliche Geste. Aber Franklin glaubte an ihn. Doch Golyath hatte sich dafür nie bedankt, gab ihm nie etwas zurück. Er dachte ja auch, er hätte noch ewig Zeit dazu. Und trotzdem waren sie beste Freunde. Ein eingeschweißtes Team. Aber er bereute nun so sehr, dass er seine Gutmütigkeit nie zurückgezahlt hatte.
 

„Ich möchte … so gerne … noch einmal mit dir reden ...“, flüsterte er und es fühlte sich seltsam an. Er bekam ja natürlich keine Antwort. „... Ach … Was sag' ich da … ? Du hörst mir sicher zu, wo auch immer du gerade bist und lachst mich aus … Also … Ich ...“, kurz versagte seine Stimme, er musste sich übers Gesicht wischen, da seine Sicht verschwommen war.
 

„Franklin … Bitte … Bitte verzeih mir …“ Nun konnte er nicht mehr die Tränen zurückhalten. Ohne Halt rollten sie seine Wangen herab, tropften zu Boden. „Du hast soviel für mich getan. Und ich … Ich habe mich noch nie bei dir dafür bedankt. Noch nie etwas … für dich getan … Bitte, verzeih mir! Verzeih mir, dass ich so ein Idiot war. Ich wollte immer nur haben, aber nie geben … Das war ein Fehler. Und ich hatte nie die Möglichkeit, es wieder gut zu machen. Es tut mir so Leid!“ Nicht einmal jetzt konnte er ihm etwas geben, ein kleiner Blumenstrauß wäre nett gewesen, wie blöd er sich jetzt vorkam ...
 

„Die Wahrheit ist … Ich … Ich habe dich immer geliebt … Und dich zu verlieren war … Es war so grausam. So schmerzhaft! Fast hätte ich wieder ... Aber das konnte ich dir nicht antun. Du hast soviel in mich gesteckt, soviel riskiert … Franklin … Danke … Danke für alles!“ Er ließ seinen Gefühlen freien Lauf, sprach sich alles von der Seele, alles, was ihm am Herzen lag. Der General hatte Recht. Franklin war tot. Er war nicht mehr hier. Er musste endlich nach vorne sehen, dieses Schicksal akzeptieren. Es sollte nicht sein. Aber er ließ eine Menge schöner Erinnerungen zurück. Und die Tatsache, dass Golyath noch lebte, verdankte er nur Franklin. Das konnte ihm keiner mehr nehmen.
 

Es war so befreiend, er hörte gar nicht mehr auf. Er schwelgte in Erinnerungen, dachte an ihr erstes Treffen, an die gemeinsamen Kämpfe. Die schöne Zeit. Aber auch an den schicksalhaften Tag, der alles beendete.
 

Franklin war da, ganz sicher. Er würde ihn hören, ihm verzeihen und vergeben. Und Golyath gab ihm das Versprechen, dieses Kapitel ein für alle Mal zu beenden. „Ich werde dich stolz machen. Du wirst schon sehen. Wir werden diesen Krieg beenden. Und sollte ich doch versagen … Sehen wir uns sicher bald wieder. Aber warte nicht auf mich, weil ich das sowieso nicht zulassen werden! Ich lass' mich nicht so leicht abknallen, hörst du?“
 

Als die letzten Tränen getrocknet waren, fühlte sich Golyath wie neu geboren. Er wusste genau, was er am nächsten Tag zu tun hatte. Jemand verdiente ein Dankeschön. Und ein anderer eine Entschuldigung. Außerdem lag es nun an ihm, der Elite wieder zu altem Glanz zu verhelfen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  UnitedT
2017-11-28T19:05:02+00:00 28.11.2017 20:05
[Zitat UnitedT, als er diese FF gesehen hat] Das ist ne... Mecha... eine eigene Mecha.... jetzt werde ich aber Wuschig...[zitat ende]

Selten bin ich mal sprachlos, aber hier hast du es denitiv geschafft. Auch diese FF wandert auf meine 'Leseliste' Hoffendlich ist das Gold. Wenn ja.... omg, dann bin ich Fan.
Von:  YumiShiroi
2014-11-08T18:34:04+00:00 08.11.2014 19:34
Liebe JollyRose,
Mir gefällt diese Fanfiction wirklich gut! Die Charaktere sind interessant und Facettenreich, während das Setting wirklich mal etwas Neues ist. Ich als MechaFan komme voll auf meine kosten und natürlich sage ich auch nicht Nein zu Shonen-Ai :) ich hoffe, du setzt die Geschichte bald fort, denn ich kann es kaum noch erwarten weiter zu lesen!

YumiShiroi
Von:  Shunya
2014-10-04T14:06:44+00:00 04.10.2014 16:06
Ui, das neue Kapitel war etwas kürzer diesmal. OwO
Lyial musste wieder einiges einstecken. Viel Rückgrat hat er allerdings auch nicht gerade. Aber immerhin ist er nicht der einzige, der Schuld an der Misere ist. Golyath hat ja auch für einiges an Chaos gesorgt.
Armer Samuil. XD Ammadon hat noch einen Verehrer. lol
Na ja, bei seinen Leuten muss Samuil sich ja auch nicht allzu beliebt machen, er ist ja immerhin ihr Vorgesetzter. Nicht, dass sie noch den Respekt vor ihm verlieren. XD lol
Japp, dass schaffe ich auch. So ein Doppelbett kann ich auch locker für mich beanspruchen. XD hahaha~
Lyial hätte Blaire doch einfach an die Seite schieben können. XD
Da muss er doch nicht aufm Boden schlafen. Er ist so naiv. Süß. >XD hahahah~
Von:  Shunya
2014-09-27T14:35:18+00:00 27.09.2014 16:35
Hoi, das Kapitel war ja mal schön spannend. Der Kampf war mitreißend und ich konnte auch alles prima nachvollziehen.
Was für ein Team, das war vielleicht ein Chaos. Von Zusammenarbeit verstehe ich was anderes. XD lol
Ich hatte schon befürchtet, dass der nächste Pilot hopps geht. Hoffentlich geht es Golyath nicht allzu schlecht, der musste ja einiges einstecken.
Vielleich ist es ja auch die Chance für Blaire bei den nächsten Kämpfen dabei zu sein. Mal sehen wie schnell die Techniker sind. Anubis sieht jetzt sicher aus wie eine Blechbüchse, im Gegensatz zu Percival. Muahahahaha~
Aber an der Teamarbeit müssen sie noch mal arbeiten. ;D
Lyial kriegt sicher auch wieder ordentlich was zu hören. Oh je~ >.<
Von:  Shunya
2014-09-27T13:59:18+00:00 27.09.2014 15:59
Yay, neue Kapitel. Genau das Richtige am Wochenende! *U*
Ich finde es toll wie du immer aus der Sicht verschiedener Figuren schreibst, das ist wirklich sehr abwechslungsreich.
Golyath find ich lustig, bei dem Anruf seiner Mutter musste ich lachen. So ein grobschlächtiger Typ und der wird nicht nur von der Mutter verhätschelt, sondern steht auch noch auf ein Idol. XD
Clovis ist auch eine interessante Figur. Der sorgt sicher für einiges an Trubel mit seinen Playboy Allüren. ;D
Sorata und Alvis sind auch ein ulkiges Team. Ich glaube, die beiden ergänzen sich ganz gut. Zumindest hat Sorata ihn gut im Griff.
Soso~ dann wird wohl Golyath gegen Blaire kämpfen, vermute ich mal. Auf Percival war er ja nicht so gut zu sprechen. Ich finde es aber auch passend, dass es durchaus Leute auf Heliopolis gibt, die eben mal anderer Meinung sind. Das macht die ganze Sache gleich viel interessanter.
Armer Lyial selbst seine Kollegen nehmen ihn nicht ernst. Ob er jemals ihren Respekt bekommen wird? Dass er mit Maschinen spricht hätte vielleicht besser nicht rauskommen sollen.^^"
Von:  Shunya
2014-09-24T17:16:44+00:00 24.09.2014 19:16
Yay, endlich Lyial aufgetaucht. Seine Einführung gefiel mir sehr gut, man konnte so einiges über ihn erfahren. Auf jeden Fall ist er eine interessante Figur. Vor allem weil ich anfangs nur das Bild gesehen habe, ist es doch interessant was er letztendlich für einen Charakter hat.
Zumindest haben die beiden Jungs immerhin schon mal eine Gemeinsamkeit, ist doch besser als nichts. XD
Blaire ist ihm da schon mal gar nicht so unähnlich.
Ich bin mal gespannt wie Blaire reagiert, wenn er erfährt, dass Lyial zur Elite gehört.
Gut, dass auch noch mal erklärt wurde wie man den Namen ausspricht, ich hab es anfangs auch falsch gelesen. °3°
Blaires Einstellung ist auch irgendwie befremdlich. Dass er so einen Spaß am töten hat... na ja. Vielleicht ändert er ja noch seine Ansichten, zumindest hoffe ich das mal.
Was ich süß fand war wie viele Sorgen Lyial sich um Amon macht. Das fand ich echt putzig! XD
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel. =)
Von:  Shunya
2014-09-24T16:27:57+00:00 24.09.2014 18:27
Ach du meine Güte, ich hätte nicht gedacht das Ammadon so drauf ist. XD *lach*
Was auch immer er genommen hat, ich will das auch. ;D lol
Aber er ist mir ein bisschen zu kitschig. °3°
Bei seiner Reaktion auf Cecil musste ich lachen! Das war einfach zu herrlich!!! XD
Mir gefällt dieser Kontrast. Ammadon mit weiblichen Zügen, aber halt doch sehr männlich und Cecil...total mädchenhaft. Aber auch so knuffig. <- nimmt ihn wohl auch nicht als Mann ernst *g*
Das gab ja mal eine interessante Wendung. Ich dachte, jetzt kriegt Blaire eine harte Ansage und dann lenkt Ammadon alles in eine ganz andere Richtung. Ich bin gespannt wie Blaire sich schlagen wird.
Ach ja 'der Brüllaffe von Pilot' <- die Bezeichnung fand ich witzig, da musste ich echt lachen. XD Das passt gut zu ihm. lol
Hm, mit wem Blaire sich wohl sein Zimmer teilen muss? Obs Lyial ist? OuO
Von:  Shunya
2014-09-24T12:50:21+00:00 24.09.2014 14:50
Also das erste Kapitel gefällt mir außerordentlich gut. Bei Shonen-Ai Stories gehts ja bei einigen Fanfics schnell zur Sache, dass du hier die Handlung/Story in den Vordergrund legst, gefällt mir total gut! :D
Die Namen finde ich interessant und auch die Steckibilder find ich echt knuffig.
Blaire ist ein interessanter Hauptcharakter. So ganz anders. Sehr sympathisch wirkt er noch nicht auf mich, aber ich finde das auch irgendwie erfrischend und er ist so störrisch, irgendwie witzig. ;D lol
Cecil ist unheimlich süß. Obwohl ich gestehen muss, dass ich bei den Bildern auch erst dachte er sei ein Mädchen. °3° *pfeif*
Vom Piloten-Navigatoren-System her erinnert es mich ein klein wenig an Candidate for Goddess. XD
Was ich auch gut finde ist dass du in der Handlung nicht so mit lauter Fachbegriffen aus dem Sci-Fi Bereich um dich wirfst, so bleibt die Geschichte doch einfach verständlich - vor allem für Laien wie mich. X3
Die Idee mit Percival finde ich interessant. Ich bin mal gespannt ob Blaire ihn doch noch im Kampf benutzen darf. Wobei, ich muss mich Humphry anschließen, so eine Maschine für ich nicht steuern wollen. lol
Ich frag mich auch wieso Blaire es freiwillig tut und doch praktisch nur eine Art Testobjekt ist. O.ô
Bin ja mal gespannt was Samuil dazu meint.
Von:  Shunya
2014-09-24T11:50:48+00:00 24.09.2014 13:50
Ich habe gerade die Fanfics durchgewühlt und bin auf deine gestossen. =)
Das Cover fand ich sehr interessant und ab und an lese ich auch gerne mal Sci-Fi, also habe ich kurzerhand einen Blick hinein geworfen. Der Prolog klingt interessant. Viel dazu schreiben kann ich noch nicht, aber ich bin gespannt wie du die Idee in den nächsten Kapiteln umsetzt. Dein Schreibstil gefällt mir auch sehr gut. :D


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