Dies Irae von Yamato_ (Tag der Rache) ================================================================================ Kapitel 3: Tertius Ictus Campanae: Dolor contra Dolor ----------------------------------------------------- “Was wir für uns selbst tun, stirbt mit uns. Was wir für andere tun und für die Welt, ist und bleibt unsterblich." -Albert Pine- Tertius Ictus Campanae: Dolor contra Dolor Dritter Glockenschlag: Schmerz gegen Schmerz Gebiet Rose, neues Hauptquartier des Kundschafterkorps, Büro des Kommandanten, selber Abend “Erwin, was zur Hölle meinst du überhaupt mit ‘engerer Beziehung’?“ Levi’s Verwirrung schien echt, er verstand wohl wirklich noch nicht, was hier auf dem Spiel stand. "Wir haben ein paar Mal gevö... – waren ein paar Mal miteinander im Bett. Das war’s auch schon. Wo ist dein verdammtes Problem?“ “Mein Problem ist, dass du sein Vorgesetzter bist und dass es verboten ist.” Erwin überlegte kurz, ob er die Vorschriften zitieren sollte, entschied aber dann, dass es unnötig sei. Levi kannte sie ebenso gut wie er selbst. “Und so was interessiert dich seit wann?”, fragte Levi zurück. Normalerweise mischte sich Erwin nicht in das Privatleben seiner Leute ein. Nicht anders als er selbst führten seine Soldaten ein sehr asketisches Leben mit einer strikten Tagesplanung, ausgeprägtem Kampf- und Fitness-Training, Haus- und Stallarbeit und zwei, in seltenen Fällen drei Mahlzeiten am Tag. Missbrauch von Alkohol oder Rauschmitteln kam im Gegensatz zu den anderen militärischen Einheiten nur selten vor. Bei Leuten, die sich im Kampf hundertprozentig auf ihre Kameraden verlassen mussten, war Disziplin oberstes Gebot. Der Punkt, worin jedem Einzelnen seine Freiheit blieb, waren die Beziehungen der Soldaten untereinander. Die meisten Mitglieder des Korps waren unvermählt – diese Art von Leben ließ sich einfach nicht mit einer bürgerlichen Existenz vereinbaren. Aber insbesondere vor oder nach Missionen, wenn die Konfrontation mit dem Tod und dem unsäglichen Grauen vor den Mauern tiefe Wunden in Körper und Seele riss, war menschliche Nähe oft das Einzige, was dem Schmerz Linderung verschaffte. Beim Korps wurde nicht kontrolliert, wer die Nacht in welchem Bett verbrachte. Hier hieß das oberste Gebot nicht Disziplin, sondern Diskretion. “Du bist auch mein direkter Vorgesetzter und trotzdem hat es niemanden interessiert“, fügte Levi hinzu. “Dich selbst am allerwenigsten.“ Einen Moment lang fragte sich Erwin, ob Levi dieses Thema bewusst anschnitt, dann ließ er den Gedanken kopfschüttelnd fallen. Levi spielte solche Spielchen nicht. Aber er selbst hatte wohl zuviel mit Leuten zu tun, die es taten. “Levi, ich glaube, dir ist noch gar nicht bewusst, welche Bedeutung dieser Junge für die Menschheit hat und wie sehr seine bloße Existenz das Gleichgewicht der Kräfte verändert“, begann Erwin. “Was dir jedoch klar sein muss, ist, dass Eren im Moment nur auf Probe beim Korps ist. Der Militärpolizei ist jeder Vorwand recht, um ihn in die Finger zu bekommen und mit einer gebrochenen Vorschrift würden wir ihnen geradezu in die Hände spielen.“ “Soll Nile doch erstmal dafür sorgen, dass seine Leute nicht schon am frühen Vormittag besoffen aus dem Bordell wanken”, knurrte Levi verachtungsvoll. “Nile ist nicht derjenige, der in dieser Angelegenheit die Fäden zieht.“ Noch deutlicher konnte Erwin nicht werden, ohne es laut auszusprechen. Einen Augenblick lang wanderten seine Gedanken zurück zum Tag der Gerichtsverhandlung. Man hatte deutlich gemerkt, unter welchem Druck Nile gestanden und wie unwohl er sich gefühlt hatte, als er dem Generalissimus seine Proklamation heruntergerattert hatte. Manchmal fragte sich Erwin, ob er seine Entscheidung zur Militärpolizei zu gehen, nicht insgeheim bereute. Levi’s Augen weiteten sich, und Erwin wurde klar, dass er begriffen hatte. ’Das Zentralkommando...’, seine Lippen formten die Worte, ohne sie laut auszusprechen. Mit einem düsteren Nicken stimmte Erwin ihm zu. Das Zentralkommando, der Mauerkult, das Handelskartell – es gab einfach zu viele Parteien, die Interesse an dem Jungen zeigten. Und es wäre auch nicht das erste Mal, dass eine dieser Parteien Spione beim Korps eingeschleust hätte. Insofern mussten sie doppelt vorsichtig sein. “Vergessen wir die Wandler nicht.“ Wenn der Koloss und der Gepanzerte wirklich Menschen waren, wovon Erwin stark ausging, so würden auch sie handeln. Entweder würden sie versuchen, Eren auf ihre Seite zu ziehen oder ihn als mögliche Bedrohung eliminieren. “Nun, die Wandler werden sich kaum auf irgendwelche Vorschriften berufen oder glaubst du, sie stecken mit dem Militär oder dem Kult unter einer Decke?“, fragte Levi. Erwin schüttelte den Kopf. “Nein. Ich gehe davon aus, dass sie eine unabhängige Partei von außerhalb der Mauern sind, welche ihre eigenen Ziele verfolgt. Aber wenn sie es wirklich auf Eren abgesehen haben, wo glaubst du, kommen sie leichter an ihn ran? Hier, wo ihnen erprobte Veteranen gegenüber stehen oder bei der Militärpolizei, welche Titanen höchstens von Zeichnungen kennt?“ “Ich verstehe.“ Levi’s Gesichtszüge verhärteten sich leicht. “Ich habe dein Team und dich nicht ohne Grund mit Eren weggeschickt“, fügte Erwin hinzu. Er wandte den Blick zum Fenster und sah auf den abendlichen Hof hinunter, der langsam in den wachsenden Schatten der untergehenden Sonne versank. “Ich wollte sichergehen, dass niemand weiß, wo er sich befindet, aber jetzt, wo ihr wieder zurück seid, werden die verschiedenen Parteien sehr bald darüber Bescheid wissen. Und die letzten Tage vor der Mission sind die entscheidendsten.“ Erwin erhob sich vom Schreibtisch, trat auf Levi zu und legte eine Hand auf seine Schulter. “Ich bedaure es aufrichtig, dass ich so massiv in dein und in Eren’s Privatleben eingreifen muss. Diese Entscheidung ist mir wahrlich nicht leicht gefallen. Aber wir können das Risiko nicht eingehen, dass jemand diese Vorschrift benutzt, um unsere Pläne zu durchkreuzen. Es steht zuviel auf dem Spiel.“ Einen Moment lang schien es ihm, als würden Levi’s Augen sich verdunkeln. Ein seltsamer Ausdruck lag darin, den Erwin nicht deuten konnte. Schmerz? Bedauern? Bitternis? Doch im nächsten Moment war dies nicht länger zu erkennen, denn Levi senkte den Blick und als er ihn wieder hob, lag nur der übliche Gleichmut darin. “Ihr müsst Euch nicht rechtfertigen. Ihr seid der Kommandant und ich vertraue Euren Entscheidungen.“ Einen kurzen Moment lang ergriff Levi Erwin’s Hand, die noch auf seiner Schulter ruhte und drückte sie. Dann ließ er sie los, trat er einen Schritt zurück und salutierte zackig. “Gibt’s noch weitere Punkte, die Ihr mit mir besprechen wolltet?“ “Der einzige Punkt, der noch zu klären bleibt, ist, ob du selbst mit Eren sprichst oder ob es dir lieber wäre, wenn ich das übernehme“, begann Erwin, doch Levi schüttelte den Kopf. “Das ist meine Aufgabe.“ Er wandte sich zur Tür, drehte sich jedoch noch einmal um. “Es ist besser, wenn ich mich darum kümmere. Wenn er einen Groll gegen mich hegt, kriegen wir die Sache geklärt, aber ein Groll gegen Euch würde wahrscheinlich noch ewig in ihm weiterschwären.“ ’Selbst das kann ich dir nicht ersparen’, schoss es Erwin durch den Kopf, doch ihm war bewusst, dass Levi mit jedem Wort recht hatte. Wie Eren wohl dieses Verbot aufnehmen würde? Sicher würde es ihm ungerecht erscheinen. Gerade jetzt, nachdem er schon so viele Ungerechtigkeiten durchlitten und vielleicht darauf gehofft hatte, dass die Dinge sich endlich ändern würden. Jetzt, nachdem sich sein Herzenswunsch erfüllt hatte und er endlich beim Kundschafterkorps war. “Levi.“ Levi’s Hand lag bereits auf der Klinke, da rief Erwin ihn noch einmal zurück. “Vielleicht irgendwann, wenn sich die Umstände geändert haben...“ Levi’s Augenbrauen hoben sich zweifelnd, und Erwin ließ den Satz unvollendet. In einer Welt, in der jeder von ihnen bei der nächsten Mission fallen konnte, schien es unpassend, ja geradezu lächerlich, sich die Zukunft in rosigen Farben auszumalen. Er konnte Levi nicht mit der Hoffnung auf ein ’Irgendwann’ vertrösten. Besser war es, zu schweigen. ~*~ Aufenthaltsraum, selber Abend Etwas später “Ich liebte einst ein Mägdelein, Der ganzen Welt zum Trotze. Sie war recht lieb, sie war recht fein, Sie hatt’ ’ne große F...furchtbar treue Seele Und ihr Name war Adele.“ “Ernsthaft, Orlo, wenn du dieses Lied heute noch einmal singst, dann schwöre ich dir, ich werfe die Laute aus dem Fenster. Ist dir klar, dass wir hier nicht mehr unter uns sind? Hier sind junge Rekruten anwesend.“ “Ich bitte dich, Petra, ich sehe dein Problem nicht. Die Adele ist ein wunderschönes romantisches Liebeslied. Solltest du etwas anderes darin sehen…nun, ich bin schließlich nicht für deine schmutzigen Fantasien verantwortlich.“ “Niemand wirft hier Lauten aus dem Fenster und bessere Musik könnten wir auch vertragen.“ Erd beendete den aufkommenden Streit, indem er Orlo die Laute wegnahm. Er hielt sie einen Moment lang fest, schien zu überlegen, an wen er sie weiterreichen sollte. Es mochten gut und gern sechzig oder siebzig Soldaten im Aufenthaltsraum versammelt sein, um den Abend gemeinsam ausklingen zu lassen. Einige lasen, andere schrieben Briefe, wieder andere saßen in kleinen Gruppen um die Tische herum und unterhielten sich. Armin spielte eine Partie Schach gegen Einheitenführer Zacharias... Mike, und hatte ihn bereits in arge Bedrängnis gebracht. Eren fand es seltsam und ungewohnt, mit Armin und Mikasa im selben Raum zu sein und nicht bei ihnen zu sitzen. Doch Orlo und Günther hatten ihn aufgefordert, sich zu ihnen zu setzen, kaum dass er den Raum betreten hatte und es erschien ihm unhöflich, das Angebot abzulehnen. So saß er nun, bedacht mit den neidischen Blicken seiner Trainingskameraden, bei den restlichen Mitgliedern von Levi’s Team und hörte den üblichen Kabbeleien zu. Levi selbst war den ganzen Abend nicht aufgetaucht. Eren fragte sich, ob das etwas zu bedeuten hatte, oder ob er seine Freizeit lieber allein verbrachte. Erd’s Blick richtete sich nun fragend in Richtung der Hundertvierten, doch auch hier gab es nur verlegenes Kopfschütteln. Eren wusste, dass die meisten seiner Kameraden nur ein paar Griffe kannten, um die üblichen Soldatenlieder zu begleiten. Christa konnte recht gut spielen, doch bei so vielen Zuhörern fehlte ihr sicher der Mut. Reiner war in ungewohnter Stimmung heute, er schien gar nicht mitzubekommen, was um ihn herum geschah und starrte nur düster vor sich hin. Und nachdem, was Mikasa erzählt hatte, hatte Jean seine Laute seit Marco’s Tod nicht mehr angerührt. Eren seufzte. Marco war der Musiker unter ihnen gewesen. Es schien immer noch unfassbar, dass sie seine Stimme nie wieder hören würden. Zwei Tage noch. Am Morgen des dritten Tages würden sie ins Gebiet Maria ausziehen. Wie viele von seinen Freunden würde diese Mission das Leben kosten? Wen von ihnen würde er als Nächstes verlieren? Erd behielt die Laute schließlich bei sich. Seine Finger griffen mühelos in die Saiten, während er eine Weise anstimmte, die Eren während des letzten Monats auf der Burg schon einige Male gehört hatte. Einstmals lebte zu Kildorey, eine Maid gar schön und hold, Augen licht wie Diamanten, langes Haar wie pures Gold. Kam ein reicher Mann geritten, klopft’ an ihres Vaters Tor, sprach: “So öffnet mir die Pforte, denn der Gutsherr steht davor." Step it out, Mary, schwing die Beine, Step it out, Mary, wenn du’s kannst. Step it out, Mary, schwing die Beine, zeig’ dem Gutsherrn, wie gut du tanzt. Erd hatte eine tiefe samtige Stimme, die den Raum ohne Schwierigkeiten ausfüllte. Gesichter wandten sich ihm zu, viele der Gespräche wurden leiser und verstummten schließlich ganz. "Ich will Eure Tochter freien, Mary mit dem gold’nen Haar, Ich bring’ Gold und Geld und Güter, ich bau’ ihr ein Haus sogar. Ich kleid’ sie in Samt und Seide, für ihr Haar ein edles Band, Nur das kostbarste Geschmeide, einen Goldring an die Hand." Step it out, Mary, schwing die Beine, Step it out, Mary, wenn du’s kannst. Step it out, Mary, schwing die Beine, zeig’ dem Gutsherrn,wie gut du tanzt. Auch hier schien das Lied vielen bekannt. Einige Stimmen fielen in den Refrain mit ein, trugen die Melodie weiter und vermengten sich zu einer Vielzahl von Klängen. “Vater, ich lieb’ den Soldaten, ihm gelob’ ich Herz und Hand. Ich brauch’ weder Samt und Seide, weder Gold noch Schmuck noch Land. Mary’s Vater ward sehr zornig: “Du wirst tun, wie man dir sagt. Seinen Goldring wirst du tragen, Sonntag ist dein Hochzeitstag. Step it out, Mary, schwing die Beine, Step it out, Mary, Tochter mein Step it out, Mary, schwing die Beine, Sonntag soll deine Hochzeit sein. Petra, die neben Eren saß, hatte das Gesicht abgewandt und blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus. Die Sonne war hinter dem Gebäude versunken und der Hof lag mittlerweile in völliger Dunkelheit. Eren fragte sich, was sie dort draußen zu sehen erhoffte. Stetig rauschte zu Kildorey, ein gar tiefer wilder Fluss, Dort ertrank die schöne Mary mit der Liebe letztem Kuss. Drunt im Dorf erklingt die Trommel, Lautenspiel und Dudelsack, “Step it out, Mary“, spricht der Vater, "Sonntag ist dein Hochzeitstag.“ Step it out, Mary, schwing die Beine, Step it out, Mary, wenn du’s kannst. Step it out, Mary, schwing die Beine, zeig’ dem Gutsherrn, wie gut du tanzt. Step it out, Mary, schwing die Beine, Step it out, Mary, Tochter mein Step it out, Mary, schwing die Beine, Sonntag soll deine Hochzeit sein. “Na, ehrlich“, durchbrach Orlo’s Stimme das Schweigen, welches den Raum erfüllte, nachdem der letzte Akkord verklungen war. “Da hätt’ ich doch besser die Adele gesungen. Dann würden sie jetzt alle lachen und nicht trübsalblasend vor sich hin starren.“ “Wahrscheinlich eher mit den Augen rollen“, entgegnete Erd grinsend und schlug dem Jüngeren gönnerhaft gegen die Schulter. “Oder dich teeren und federn und aus der Stadt jagen, wie man’s mit schlechten Barden zu tun pflegt.“ Levi stand im Türrahmen zum Aufenthaltsraum, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick verhieß nichts Gutes. “Eren. Komm. Ich hab’ mit dir zu reden.“ Eren nickte und erhob sich. Er war den ruppigen Tonfall seines Vorgesetzen gewohnt, der bereitete ihm keine Sorgen. Trotzdem hatte er das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Vielleicht wollte Levi ihm auch nur eine Anweisung geben, was das morgige Training betraf oder ihn kritisieren, weil er bei den Pferden etwas falsch gemacht hatte. “Hört der denn nie auf, dich zu schikanieren?“, raunte Mikasa leise, als Eren auf dem Weg zur Tür an ihr vorbeiging. “Du hast doch jetzt Freizeit.“ Auch Armin blickte ihm besorgt hinterher, zog es jedoch vor, nichts zu sagen. Levi ging nicht weit, nur ein Stück in den Gang hinein bis zu einer Fensternische. Dort lehnte er sich gegen die Wand und wartete regungslos, bis Eren ihn erreicht hatte. “Captain?“ “Ich wollte dir miteilen, dass es ab jetzt keine nächtlichen Besuche mehr geben wird“, erklärte Levi knapp. “Das ist beendet.“ “Ich... ich verstehe.“ Verdammt, wieso konnte er seine Stimme nicht ruhig halten? Das war doch echt peinlich. “Captain Levi... darf ich erfahren, warum? Hab’ ich irgendwas falsch gemacht?“ “Nein, hast du nicht, Eren.“ Ein kurzes Kopfschütteln, dann schien Levi ihn nachdenklich zu mustern. “Die Umstände haben sich geändert. Wir sind nicht mehr auf der Burg und das Risiko ist einfach zu groß.“ Natürlich, die Vorschriften. Einen kurzen Moment lang fragte Eren sich, ob das vielleicht nur ein Vorwand war, weil Levi das Interesse an ihm verloren hatte, doch er verwarf diese Überlegung sofort. Allein der Gedanke war albern und kindisch. Levi würde ihn niemals belügen. Er verschwieg ihm manchmal Dinge, wenn er der Meinung war, dass Eren etwas Bestimmtes nicht erfahren sollte, aber er hatte ihm noch niemals wissentlich die Unwahrheit gesagt. Ausreden, Notlügen, Beschönigungen – das alles war nicht seine Art, er war geradezu brutal ehrlich. Wenn er Eren also langweilig finden würde, dann hätte er ihm das auch schonungslos mitgeteilt. “Ich verstehe.“ Was sollte er auch anderes darauf antworten? Dass ihm verdammt noch mal zum Heulen zumute war, brauchte Levi nicht zu erfahren. Da würde er sich doch eher die Zunge abbeißen! “Weiterhin wirst du ab morgen am normalen Training mit deinen Kameraden teilnehmen. Weißt du schon, wo sich die Räumlichkeiten befinden?“ “Ja, Captain.“ Mikasa und Armin hatten ihm die meisten Orte und Abläufe schon gezeigt und erklärt, er konnte sich einfach an sie wenden, wenn er Fragen hatte. Außerdem hingen die Trainingspläne in der Vorhalle aus. Es war fast wie früher auf der Militärakademie, aber auch nur fast. Wie eine bekannte Melodie, in die sich plötzlich fremde Töne geschlichen hatten. “Nahkampf- und Schwertkampftraining hast du weiterhin bei mir, daran hat sich nichts geändert. Ich werd’ dich also morgen ’ne Stunde früher wecken und erwarte, dass du binnen zehn Minuten fertig angezogen draußen im Hof bist. Und vor dem Abendessen, wenn die anderen ihre taktischen Einsatzbesprechungen haben, kommst du ebenfalls. Alles klar?“ “Ja, Captain.“ Wenigstens ging Levi ihm nicht aus dem Weg oder schob ihn an jemand anderen ab. Wie es schien, hatte er es wirklich ernst gemeint, als er sagte, dass er solche Dinge trennen konnte. ’Also muss ich das auch lernen’, nahm sich Eren fest vor. ’Schließlich hab’ ich die ganze Zeit gewusst, dass es jederzeit enden kann. Es ist keine so große Sache.’ Warum tat es dann so verdammt weh? “Captain Levi, was soll ich tun, wenn ich wieder träume?“ Die Frage war ihm einfach so rausgerutscht, noch bevor ihm klar werden konnte, wie kindisch er sich anhören musste. Hoffentlich würde Levi ihn jetzt nicht für einen Schwächling halten. Bloß das nicht. Aber er wollte es wirklich wissen. Er konnte jetzt nicht mehr bei Levi an die Tür klopfen, wenn die Träume kamen. “Dann gibst du mir Bescheid und wir gehen ’ne Runde trainieren. Mein Zimmer ist oben in der dritten Etage, bei den Räumen der Einheitenführer. Ganz hinten am Ende des Gangs. Du klopfst einfach und wartest, bis ich rauskomme.“ Levi’s Blick schien einen Moment lang weich zu werden. “Macht auch nichts, wenn’s spät oder früh ist. Du weißt, ich hab’ ’nen leichten Schlaf.“ Eren konnte nur nicken, er brachte kein Wort heraus. “Gut, dann seh’n wir uns morgen.“ Levi klopfte ihm auf die Schulter. “Geh schlafen, Kleiner, du siehst müde aus. War’n harter Tag heute.“ Eren biss sich auf die Lippe. Schmerz gegen Schmerz, das hatte immer funktioniert. Er unterdrückte den sinnlosen egoistischen Wunsch, alles zu vergessen und sich einfach in Levi’s Arme zu stürzen. Das durfte er nicht tun, das war vorbei. Er musste sich jetzt verdammt noch mal zusammenreißen und sich wie ein Erwachsener benehmen. Er war Soldat, verflucht! Kein kleiner Junge mehr! So. Er würde noch Armin und Mikasa und den anderen eine gute Nacht wünschen und dann runter gehen. In seinen neuen Schlafraum. Wieder im Keller. Wie es die Vorschrift verlangte. Allein. Wie es die Vorschrift verlangte. Wie ihm wirklich zumute war, würde er niemanden sehen lassen. Auch nicht Levi. Am allerwenigsten Levi. Tsuzuku... to be continued ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)