Getäuscht von Turiana (Nichts ist, wie es scheint) ================================================================================ Kapitel 2: Wiedersehen ---------------------- Dankbar nahm Itachi einen Schluck Tee. Seine Augen waren wieder schwarz wie bei jedem Uchiha und die Schmerzen hatten nachgelassen, aber sein Körper war noch immer getarnt. Itachi saß nun schon seit Stunden im Verhörraum der Anbu und bemühte sich um glaubhafte Lügen. Antworten auf die Fragen. Wie hast du überlebt? Wie bist du ins Dorf gekommen? Wo warst du im vergangenen halben Jahr? Hat noch jemand das Massaker überlebt? Itachi hasste diese Fragen. Es tat ihm weh, in einen Spiegel sehen zu können, gezwungener Maßen sogar zu müssen. Es tat weh, Beniko im Spiegelbild zu sehen und zu wissen, dass sie tot war. Wieso hatte er sich nicht als seine Mutter ausgegeben oder als entfernte Verwandte oder als einer seiner Onkel? Aber es nutzte nichts, darüber nachzudenken. Nun war es zu spät und er schon als Beniko Uchiha identifiziert. Niemand schien zu ahnen, dass er nicht Beniko war. Er sah aus wie sie, sein Chakra war ein ähnliches und er unterdrückte es bis auf einen normalen niedrigen Chakrastrom… Keiner würde ihn durchschauen. Er hasste seine Verwandlung. Vielleicht hätte er sich stellen müssen. Selbst eine Hinrichtung wäre weniger quälend gewesen, als nun das Spiegelbild seiner toten, durch seine Hand ermordeten Freundin sehen zu müssen. Und das nicht nur für den Moment, sondern so lange bis sich eine Möglichkeit ergab, Konoha unbemerkt zu verlassen. Er hasste es wirklich. Dennoch kam er nicht umhin, für den Tee dankbar zu sein, denn er milderte seinen Hustenreiz. Mit ein bisschen Glück hatte er die Erkältung kuriert, bevor er floh. Er wäre dankbar dafür, denn für einen Akatsuki war jede noch so kleine Erkrankung ein Problem- sie konnten nicht einfach in ein Dorf gehen und sich erholen oder gar untersuchen lassen. Es war unmöglich. Seine Tarnung war kein Fehler gewesen, aber sie war schwer zu ertragen. Itachi würde sich zusammen reißen müssen, immerhin hatte er schon Schlimmeres durchgestanden. Den Krieg zum Beispiel. Und den Mord an seinen Eltern vor den Augen seines kleinen Bruders. Er hatte Sasuke wehtun müssen. Ein bisschen Schmerz schadete ihm, Itachi, also nicht. Er konnte den Blick in den Spiegel meiden. Aber sein kleiner Bruder würde seine Albträume nie einfach nur abdecken können. Nie. Aus diesem Grund blickte Itachi auch in den Spiegel. Sah das Gesicht und den Körper seiner Freundin an, die er ermordet hatte. Er hatte es nicht verdient, wegschauen zu können. Und vielleicht –ganz vielleicht nur- könnte er so ja etwas Gutes tun für seinen kleinen Bruder. Eine Art kleine Entschädigung. Sasuke litt so sehr. Noch hatte Itachi auf die Fragen nicht geantwortet. Gesagt, er wisse es nicht. Aber nun war der Hokage auf dem Weg, Hiruzen Sarutobi. Der Uchiha wusste nicht, ob er sich seinem Vorgesetzten zu erkennen geben konnte. Immerhin sollte niemand erfahren, was wirklich geschehen war. Wieso der Clan von Itachi –mithilfe Madara Uchihas, was Itachi selbst kaum glauben konnte und um den keiner wusste- ermordet worden war und nur sein kleiner Bruder überlebt hatte. Ungeachtet von Itachis Willen –er wurde gar nicht erst gefragt- betrat der Hokage den Raum. Er wirkte müde und abgearbeitet, was den Uchiha nicht wunderte. Es war immerhin noch früher Morgen, die Sonne würde erst in ein paar Stunden aufgehen und der alte Mann hatte sicher noch lange über seiner Arbeit gesessen. Aber Itachi hatte kein Mitleid mit Sarutobi. Alles Mitleid, das er noch in sich fühlte, gehörte Sasuke. Niemand anderes würde ihm je so nahe stehen können. Keine andere Person interessierte den schwarzhaarigen. Der Kage sah ihn sichtlich überrascht an, als er sich schwerfällig auf den unbequemen Stuhl fallen ließ, den ihm einer seiner Anbu bereitgestellt hatte. Lange blickten sich der Alte und Itachi nur an. „Du bist eine Uchiha?“, fragte Hiruzen ruhig. Seine Anbu beachtete er kaum, auch wenn ihm das Wohl anderer immer am Herzen lag. Dieses Verhör war vom Hokagen sicher nicht vorgesehen. Eigentlich sollte Itachi aber auch ganz woanders sein. „Ja“, antwortete der Uchiha mit der hellen Stimme seiner toten Freundin. „Ich bin Uchiha Beniko. Was ist passiert? Wieso ist niemand zuhause?“ Itachi fand es für den Moment am sichersten, das Unschuldslamm zu spielen. Er konnte gut schauspielern, solange es nicht um Sasuke ging, also fiel es ihm nicht schwer, sich als Beniko auszugeben. Er würde wahrscheinlich selbst enge Freunde täuschen können, wenn es nötig gewesen wäre. Benikos Freunde waren aber Uchiha wie er gewesen, also waren sie tot. Schwer schluckte der Hokage und senkte den Blick. „Es gab einen Angriff. Alle anderen Uchiha außer dir und Sasuke scheinen tot zu sein. Wie hast du überlebt?“ „Angriff?“, wiederholte der Uchiha und tat unwissend. „Wer hat angegriffen? Wieso sind alle anderen außer Itachis Bruder tot?“ Aufrichtig neugierig beugte er sich vor. Angst musste er nicht vortäuschen, denn Beniko hätte sich in dieser Situation nicht gefürchtet. Uchiha hatten keine Angst, sie kannten stattdessen nur Rachedurst. Und in diesem Moment erkannte Itachi, das er Sasuke auf den falschen Weg gebracht hatte, denn der Junge würde ewig hassen- aber wenn Itachi tot war, was blieb Sasuke dann noch? Gar nichts. Und dieses Wissen, diese Befürchtung brachte ihn durcheinander. Er konnte diese Tatsache –seine Verwirrung- nicht einmal verbergen, aber keiner dachte daran, dass es nicht diese Nachricht war, die den Verhörten beunruhigte. „Itachi hat seinen Clan ermordet. Keiner weiß, wieso ausgerechnet Sasuke überlebt hat“, erklärte ein Anbu neutral. Von wegen, dachte Itachi. Sie wissen sehr wohl, wieso Sasuke lebt und alle anderen sterben mussten. Itachi senkte seinen Blick gen Tischplatte. „Ich verstehe.“ „Woran kannst du dich als letztes erinnern?“, wollte der Kage wissen. Der Uchiha wischte sich die störenden Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich kam von der Arbeit nachhause, habe mit meinen Eltern zu Abend gegessen und bin dann schlafen gegangen. Das ist das letzte, an das ich mich erinnere.“ Das konnte Itachi genau sagen. Er wusste, was Beniko vor ihrem Tod gemacht hatte. Er hatte sie den ganzen Tag lang beobachtet und hätte sich am liebsten verkrochen- hätte gerne Beniko und Sasuke genommen und wäre mit beiden aus Konoha geflohen. Von ihm aus hätten sich dann die anderen Verwandten umbringen lassen können, so sehr er sie auch gemocht hatte. Beniko und Sasuke, das waren die ihm wichtigsten Personen gewesen. Danach kamen seine Eltern und Shisui. Dann die anderen aus dem Clan. Er hatte jeden einzelnen gekannt. Bei jeder Feier hatte er mit ihnen beisammen gesessen. Wenn Mikoto, seine Mutter, einkaufen war und Sasuke allein, war er immer zu einer Tante gegangen. Es war die jüngere Schwester ihres Vaters gewesen und sie hatte Natsuko geheißen. Sasuke war gerne bei ihm gewesen, denn sie hatte mit ihm Ninja gespielt und ihn nur sehr selten mit Itachi verglichen. Natsukos Mann war im Krieg gefallen und sie hatte bei der Flucht damals ihr Kind verloren, das noch ein Säugling gewesen war. Itachi vermutete, dass sie Sasuke deshalb so sehr gemocht hatte, weil er etwa im Alter ihres toten Kindes war. Sie hatte seinetwegen im Garten Tomaten gezüchtet und dafür sogar ein Gewächshaus bauen lassen, damit ihr Neffe jederzeit frische Tomaten essen konnte, wenn er bei ihr war. Und Natsuko, die ruhige, liebevolle Tante mit dem braunen Haar, hatte Itachi sehr selten nach seinen Fortschritten gefragt. Nach seiner Karriere. Sie hatte sich wie Mikoto eher für die Kinder interessiert und weniger für deren Leistungen. An ihren toten Mann konnte Itachi sich gar nicht mehr erinnern, aber er wusste, dass er ein guter Polizist gewesen war und den Clan im Krieg bestmöglich unterstützt hatte. Er war einer derjenigen, die gefallen waren, um die Familie in Sicherheit zu bringen. Nach einigen weiteren Fragen, die Itachi so ehrlich wie möglich beantwortete, war das Verhör beendet. Der junge Uchiha war erschöpft, und den anderen Anwesenden ging es sicher nicht besser. „Was soll ich jetzt mit dir machen?“, grübelte Sarutobi. „Ich möchte dich nicht alleine leben lassen, musst du wissen. Du bist noch ein Kind.“ Itachi lachte innerlich laut auf. Er war 13 Jahre alt und hatte seinen Clan umbringen müssen- war das denn eine Aufgabe für ein Kind? Am liebsten hätte er dem Hokagen seine Meinung dazu gesagt, aber es war zu gefährlich. Er musste warten und sich ruhig verhalten. Ein bisschen war es so wie damals kurz vor der Ausführung seiner Mission. Von seinen Verwandten, die er liebte, hatte er sich zurückziehen müssen. Es hatte wehgetan, zu wissen, dass er sie alle umbringen würde. Und das Danach war keinen Deut besser. Aber nun musste Itachi an Sasuke denken. Der Junge war ganz alleine und wurde von Albträumen geplagt. Beniko hätte sich auch um ihren letzten lebenden, nicht abtrünnigen Verwandten gesorgt. „Wie geht es Itachis Bruder?“, fragte er deshalb. Der Kage runzelte die Stirn. „Er ist in Sicherheit“, antwortete er dann. „Ihr könntet zusammen wohnen. Es täte euch beiden gut, denke ich.“ Itachi fiel ein Fels vom Herzen. „Das glaube ich auch.“ Er glaubte es nicht. Er wusste es. Sasuke hatte gerade gefrühstückt, als Itachi zu ihm gebracht wurde. Die Sonne war vor kurzem aufgegangen. Früher hatte Sasuke etwas länger geschlafen, wusste Itachi, aber mittlerweile konnte er es vielleicht gar nicht mehr. Die Albträume setzten dem Kind offensichtlich zu. Sasuke begriff nur langsam, was ihm der Hokage sagte. „Sasuke, du musst nicht mehr alleine leben. Uchiha Beniko wurde in der vergangenen Nacht aufgegriffen. Wir wissen nicht, wie, aber sie hat es überlebt. Sie erinnert sich an nichts mehr, weiß aber Bescheid. Ich möchte dich bitten, mit ihr zusammen zu ziehen“, erklärte der alte Mann. Sasuke starrte Itachi einfach nur an. Er hatte Beniko gekannt, denn sie und Shisui waren oft mit seinem großen Bruder unterwegs gewesen, bevor dieser Anbu wurde. Bevor Sasukes Welt zerfiel. „Beniko?“, kam es nun sehr leise von Sasuke, der noch nicht zu verstehen schien. „Du-…“ Der Junge unterbrach sich selbst. Er starrte Itachi offen an, verstand- und Tränen sammelten sich in seinen Augen, bevor er von seinem Küchenstuhl sprang und Itachi in die Arme fiel. Laut schluchzte er auf. Kummervoll strich Itachi seinem kleinen Bruder durchs Haar und hob ihn auf seinen Schoß. Ihm war es egal, das Sasuke mit seinen acht Jahren dafür eigentlich zu alt war. Er liebte seinen Bruder und wollte ihn nicht weinen sehen. Sasuke sollte lachen. Er sollte glücklich sein. Etwas anderes hatte Itachi nie gewollt. Es brach ihm das Herz, Sasuke so zu sehen. Das Kind begriff nicht, was los war. Itachi sah es ihm an. Sasuke konnte nicht verstehen, dass er eine entfernte Verwandte wiederzuhaben schien. Er war noch ein Kind –trotz allem- und würde einige Tage brauchen, diese neue Situation zu verarbeiten. Genauso wie nach dem Zusammenbruch seiner Welt. „Pscht“, machte Itachi leise und zärtlich. Benikos Stimme klang unglaublich liebevoll. So hatte selbst Itachi sie nie gehört, aber das hier war eine Ausnahmesituation. Keinem würde es auffallen, das wusste er. Und so zog er den Jungen enger in seine Arme und vergrub das Gesicht im schwarzen Haar des Kindes. Er bemerkte nicht mehr, wie der Hokage leise die Wohnung verließ, froh darüber, Sasuke immerhin eine Verwandte zurückgeben zu können. Nach einem halben Jahr, nach dieser Hölle, tat es ungemein gut, Sasuke in seinen Armen zu wissen. Ihn zu trösten und seinen Geruch und seine Wärme wahrzunehmen. Itachi wollte seinen kleinen Bruder nie mehr loslassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)