Zum Inhalt der Seite

Neujahr

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Abend des Schafes

Daher werde ich mich nicht entschuldigen!“

Entgeistert starrten sie zu mir empor. Es war Drakon, der die Stimme erhob.

Warum du?“

Warum?“ Ich legte die Hand auf die Brust. „Weil die Person, der es am meisten nach dieser Macht verlangt, ich bin! Drakon, Hinahoho, die Assassinen … obgleich jeder von euch seine eigenen Gründe hat … derjenige, der diese Macht am meisten sucht, ist keiner von euch. Derjenige bin ich! Wofür wollt ihr diese Kraft? Für Schätze und Reichtümer? Für Stärke jenseits aller Vorstellungskraft? Mit der Macht eines Königs können diese Wünsche spielend erfüllt werden. Aber eine Kraft, die grenzenlose Möglichkeiten bietet, nur für diese Art Wunsch zu verwenden – ist das wirklich richtig? Das glaube ich nicht. Wenn ich diese Macht erhalte, kann ich sie dazu nutzen, ein Königreich zu errichten, das die Welt verändern wird!“
 

Der Schatten, der im Licht der Lampions über ihm aufragte und die Schriftzeichen verdunkelte, war ignorierbar. Selbst der leichte Atem, der über sein Ohr strich und die roten Haare, die er in seinem Augenwinkel flattern sah, waren ignorierbar. Auf eine verschrobene Art gehörte all das genauso dazu, wie das leise Gurren der Tauben zu seinen Füßen.

Nicht ignorierbar war das leise „Tsk“, das ihm ins Ohr gezischt wurde. Koumei versuchte sich auf die Schriftzeichen zu konzentrieren, doch alles, was er sah, war der Schatten eines Armes, der in die Luft gerissen wurde.

„Ich bin schwach!“, donnerte die Gestalt hinter ihm. „Ich kann so kein Land retten! Die Kraft einer Person ist nicht genug, um etwas zu ändern!“

Der Schatten auf seiner Schriftrolle bewegte sich erneut. Ein dumpfes Pochen erklang, so als schlüge eine Hand auf eine Brust, mit vielen Lagen Stoff dazwischen.

„Während meines Aufenthaltes in Imuchakk fand ich viele Dinge überraschend.“

„En-niisan!“

Koumei schloss die Augen, um nicht sehen zu müssen, was kommen musste. Dennoch spürte er, wie sein Bruder an ihm vorbei schritt. Die dünne Schneeschicht knirschte unter seinen Füßen und eine Taube flatterte unglücklich mit ihren Flügeln.

„So viele lachende Menschen! Hübsche Frauen! Punsch mit mehr Alkohol, als ein Fünfzehnjähriger verträgt!“

„En, du bist dämlich.“

„Es ist so friedlich, ohne Konflikte, dass ich keine Geschichte darüber schreiben kann!“

Koumei presste die Lippen aufeinander, um nicht zu lachen. Zwischen halb geschlossenen Augenlidern spähte er zu seinem großen Bruder, der mitten auf dem Hof stand, die Arme ausgebreitet, fast so, als sei er Sinbad der Seefahrer, und dabei die Miene so ernst wie immer. Es passte überhaupt nicht zusammen. Koumei kicherte.

„Echt dämlich, En-niisan.“

„Du lachst.“

„Tu ich nicht.“

„Oh doch.“

„Nicht.“

„Widersprichst du etwa deinem großen Bruder?“

„Niemals!“

Für einen Moment sahen sie einander an, Koumei immer noch mit der Schriftrolle in den Händen, die er längst vergessen hatte, Kouen mit immer noch majestätisch erhobenen Armen und besonders finsterem Starren. Er trug bereits sein Neujahrsgewand, ein kompliziertes Meisterwerk aus übereinander drapierten Lagen roten und goldfarbenen Stoffes, Stickereien und Gürteln, von denen Koumei nicht einmal erahnen konnte, wie man sie band. Schneeflocken fielen zwischen ihnen und gesellten sich zu der dünnen Schneeschicht, die den Hof bedeckte.

Der Blickkontakt half, das Lachen zu kontrollieren. Er spürte seine Mundwinkel zucken, doch kein verräterischer Laut kam mehr über seine Lippen. Koumei reckte das Kinn.

„Ich lache nicht.“

Kouen machte einen Schritt vor.

„Dann werde ich das ändern müssen.“

Noch im gleichen Moment war er über ihm. Koumei warf sich zurück auf die Terrasse, auf der er bis dato gesessen und gelesen hatte. Bevor er davon robben konnte, spürte er den Körperkontakt. Erst nur Schulter gegen Schulter, dann Kouens Brust gegen seinen Oberarm, schließlich ein Arm um seinen Nacken. Ehe er es sich versah, fand er sich in einem Schwitzkasten wieder, aus dem es kein Entkommen gab. Koumei holte mit dem Ellenbogen aus und rammte ihn nach hinten, doch Kouen war viel zu nah um ihn hart genug zu treffen. Vermutlich hätte er aber auch kratzen und beißen können, Kouens Griff wäre nur noch fester geworden.

Dann spürte er Kouens andere Hand bei seinen Rippen. Seine Selbstbeherrschung bröckelte.

„Hör auf! Ich ersticke!“

„Und jetzt lügst du.“

„En–!“

Alles, was er Kouen vorwerfen wollte, ging in seinem eigenen Lachen unter, kaum das Kouen seine Hand bewegte. Das Kitzeln drang sogar durch die dicken Lagen Stoff, die man ihm am Morgen angezogen hatte. Der Rippenbogen, sein Bauch, der Punkt eine Handbreit unter seiner Achsel. Zielsicher traf Kouen all die empfindlichen Stellen. Koumei zappelte, zerrte und zog, alles erfolglos. Er lachte und lachte und lachte, bis Tränen in seinen Augenwinkeln brannten und er zu kaum mehr als einem Keuchen fähig war.

Irgendwann hielt Kouen inne.

Für einen Moment hockten sie reglos auf der Terrasse, nur Koumeis Japsen und das leise Gurren von Tauben war zu hören.

„Jetzt erstickst du“, raunte Kouen ihm schließlich zu. Für einen Außenstehenden klang seine Stimme vielleicht neutral, so, als würden sie sich über einen Go–Zug unterhalten, doch Koumei spürte die süffisante Zufriedenheit förmlich, die seinen Bruder umgab. Als Antwort ließ er sich in Kouens Griff, der sich immer noch kein bisschen gelockert hatte, hängen wie ein nasser Sack.

„Mei?“

„Ich bin tot.“

Über ihm seufzte Kouen nicht einmal.

„Du solltest mehr trainieren, Mei. Irgendwann wirst du als Reissack enden. Du hast wirklich gar keine Kondition.“

„Ich bin tot, En. Tote können nicht trainieren.“

„Wenn ich dich jetzt loslasse, klatschst du dann mit der Nase voran auf die Dielen?“

„Ja“, murrte er und gab sich alle Mühe, möglichst erbärmlich zu klingen.

Nun seufzte Kouen doch. Immerhin, das musste Koumei ihm zugute halten, stellte er sich vielleicht vor, wie er auf das Holz klatschte, mit so einem widerlichen Klatsch!-Geräusch und noch viel widerlicherem Nasenbluten, ließ ihn aber dennoch nicht los. Stattdessen wuchtete Kouen ihn ohne viel Federlesen oder Aufwand zurück, bis er mit seinem Hintern den Boden berührte.

„Bleibst du wenigstens sitzen?“

Koumei hob eine Hand vor sein Gesicht, um dahinter ungeniert gähnen und Kouen über den Saum seines Ärmels anfunkeln zu können.

„Vielleicht.“

„Vielleicht, hm?“

Der Griff um seinen Nacken lockerte sich und verschwand dann ganz. Einen Augenblick lang überlegte Koumei ernsthaft, ob es lohnenswert war, sich einfach fallen zu lassen, entschied sich dann aber ob des harten Untergrunds, der ihn erwartete, dagegen. Neben ihm stand Kouen auf.

„Deine Diener suchen dich“, informierte er ihn, während er ein paar Schritte machte und zielsicher nach der Schriftrolle griff, die in ihrem Gerangel davongerollt war. „Ich glaube, sie fürchten mittlerweile, dass sie dich nicht mehr vor Mitternacht in dein Neujahrsgewand bekommen.“

Missmutig verzog Koumei das Gesicht.

Richtig, das Neujahrsgewand. Er musste zugeben, dass Kouen in seinem Gewand richtig gut aussah. All das Rot und Gold ließ seine Haare flammend rot leuchten und dank der breiten Schultern, die er langsam entwickelte, wirkte er älter, als er tatsächlich war. Fast schon erwachsen.

Wenn Koumei Pech hatte, nannten ihn seine jüngeren Geschwister nur wieder Neesan. Und dazu kam noch das langwierige Ankleiden, das, wie bei jedem Festtagsgewand, immer mit besonders viel Zerren und Gürten und Ersticken verbunden war. Die Erinnerung an das letzte Mal war einer der Gründe, aus denen er sich hier verkrochen hatte. Natürlich würden ihn die Diener irgendwann von selbst erwischen, auch, weil er viel zu faul zum Weglaufen war, und dann würde es nur noch lästiger werden, weil sie sich beeilen mussten. Vielleicht sollte er Kouens implizierter Anweisung also nachkommen, aufstehen und es hinter sich bringen. Nur hätte er dazu aufstehen müssen.

„So spät ist es noch nicht“, rechtfertigte er sich stattdessen.

Kouen schnalzte mit der Zunge. Die Schriftrolle halb entrollt in einer Hand haltend ignorierte er seinen Protest völlig. Er legte den Kopf schief, offenbar, um die Schriftzeichen lesen zu können.

„Ihr scheint vergessen zu haben, dass dies die Schatzkammer ist. Der Ort, an dem der Djinn, Valefor, das Abkommen mit dem Königsgefäß schließt. Nun, da das Ärgernis aus dem Weg ist, kommt. Es ist Zeit, den König blah, blah, blah.“ Kouen ließ die Schriftrolle sinken. Mittlerweile war sie so weit entrollt, dass ihr Ende den Boden streifte. „Ernsthaft, Mei? Die Abenteuer des Sinbad?“

Koumei verdrehte die Augen. Natürlich, das hatte ihm noch gefehlt.

„Und?“

„Und? Und ich dachte bis jetzt, du hättest gelernt, zwischen lesenswerten Büchern und … so etwas hier zu unterscheiden.“

„Du kannst sie auswendig.“

„Pah. Ich bin nur schnell im Lesen.“

Koumei nahm sich die Zeit, seinen Bruder eingehend zu mustern. Ein strategisch wohl platziertes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Erst, als Kouen die Augenbrauen hochzog, ließ er sich dazu herab zu antworten.

„Ich habe sie aus deinem Zimmer, En-niisan.“

„Du lügst wieder.“

Sein Lächeln wurde zu einem dünnen Grinsen.

„Geh und sieh nach.“

Sie starrten einander an. Keiner von ihnen blinzelte. Kouens Blick wurde mit jeder Sekunde finsterer, Koumeis Grinsen selbstgefälliger. Vor diesen Blicken hatte er schon keine Angst mehr, seit er fünf war. Dass sie beide ganz genau wussten, wer recht hatte, half überdies.

Es war Kouen, der einknickte. Schnaubend schlug er die Augen nieder. Mit knappen, geübten Handbewegungen wickelte er die Rolle auf. Sie verschwand, vermutlich auf Nimmerwiedersehen, in seinem Ärmel. Koumei trauerte ihr einen Wimpernschlag lang nach, dann erinnerte er sich daran, wer im Augenblick im Besitz der übrigen Rollen war.

„Du solltest diesen Schund nicht lesen“, tadelte sein Bruder ihn. „Diese Geschichten sind nicht mehr als alberne Märchen und Übertreibungen. Unterhaltung für Händler, Handwerker und kleine Kinder. Vermutlich ist an ihnen nicht mehr wahr, als die Namen der Djinn, wenn überhaupt. Ich wette mit dir, im nächsten Teil hat Ja'far fünf Köpfe und speit Feuer.“

Koumei horchte auf, kaum das sein Bruder die magischen Worte gesagt hatte. Ich wette mit dir. Ein Satz aus dem Vokabular, das man seinem kleinen Bruder nie unüberlegt vor die Nase halten sollte. Er nahm sich die Zeit seinen Daumen über seine Lippen zu legen und Kouen eingehend zu mustern. Es sollte so wirken, als wöge er das Für und Wider seiner nächsten Worte ab, tatsächlich hatte er sich längst entschieden.

„Ich verrate dir“, sagte er schließlich, „wer dir die Quallen ins Badewasser gekippt hat.“

Anscheinend überraschte er ihn tatsächlich, jedenfalls zog Kouen die Augenbrauen zusammen und funkelte ihn an. Die Idee schmeckte nur um so süßer.

„Bitte was?“

„Die Wette. Wenn du gewinnst, verrate ich dir, wer dir die Quallen ins Badewasser gekippt hat.“

Kouens Blick wechselte von irritiert zu genervt.

„Erstens habe ich nicht vor, mit dir zu wetten. Zweitens brauchst du mir das nicht zu verraten. Das war dieser nichtsnutzige Hohepriester.“

„Erstens“, erwiderte Koumei betont fröhlich, „Du hast gesagt, du wettest mit mir. Ich kann dir deine Worte zitieren, wenn du möchtest. Und zweitens: War er nicht.“

„War er nicht?“

Koumei zuckte mit den Achseln.

„Nö. Aber ich weiß, wer es war. Und ich verrate es dir. Wenn du gewinnst.“

Dieses Mal war es Kouen, der so lange schwieg, dass es nur eine Kunstpause sein konnte.

„Na schön.“ Er schnaubte. „Wenn du gewinnst, sage ich dir, wer dir den Taubenbraten aufgetischt hat.“

Taubenbraten. Missmutig zog Koumei die Augenbrauen zusammen. Ja, er erinnerte sich an den Taubenbraten. Beinahe wäre ihm sein Grinsen entglitten, doch er zwang sich dazu, es aufrecht zu erhalten. Die Genugtuung, ihm das Grinsen aus dem Gesicht gewischt zu haben, würde er ihm ganz sicher nicht gönnen.

„Das warst du, Kouen“, erwiderte er. Die notwendige Verärgerung musste er nicht in seine Worte zwingen, sie kam von allein.

Kouen winkte ab.

„Nicht das Mal. Ich meine das andere Mal. Du weißt schon.“

Das andere Mal? Schlagartig schwand das Grinsen doch aus seinem Gesicht. Koumei wurde grün, oder zumindest fühlte er sich so. Das Gurren der Tauben, die noch immer im Schnee nach Körnern suchten, klang plötzlich anklagend.

„Du weißt es nicht“, stellte Kouen fest und klang dabei widerwärtig amüsiert.

Die gemeinsamen Mahlzeiten, die Koumei mit seinen Geschwistern und Cousins eingenommen hatte, erschienen ihm plötzlich in einem völlig anderen Licht. Kouens Taubenbraten-Anekdoten. Hakurens Spötteleien, die er zu verschlafen vorgab. Kourins milde interessierte Blicke, die viel zu hinterlistig für die einer Siebenjährige waren. Kouhas Lachen. Im Besten Fall hatte er es mit keinem Komplott zu tun, was aber auch nichts an der Tatsache änderte, dass er es jedem einzelnen von ihnen zutrauen musste. Irgendwann würde er ihnen Schnecken unter den Reis mischen lassen. Nacktschnecken, wenn er sie auftun konnte.

„Ihr widert mich an, En. Ihr alle miteinander.“

„Also, bist du dabei?“

Koumei erwiderte seinen herausfordernden Blick finster.

„Selbstverständlich.“

„Eine Bedingung noch.“

Koumei zog eine Augenbraue hoch und versuchte, möglichst desinteressiert zu wirken. Bedingungen bei Wetten waren selten eine gute Sache, vor allem dann, wenn sie nicht auf seinem Mist gewachsen waren. Glücklicherweise war er mindestens genauso gut darin sie zu ignorieren, wie Kouen es war.

„Wenn die nächste Rolle erscheint, werde ich sie kaufen. Verstanden?“

„Dir ist wirklich viel daran gelegen, das ich sie nicht lese, eh?“

„Mei?“

„Ja.“ Er verdrehte die Augen. „Ich habe verstanden, En-niisan.“

Tatsächlich konnte er mit der Bedingung erstaunlich gut leben. Vermutlich würde Kouen auf diese Rolle so gut aufpassen, wie auf Hakuyuus ungeschützte Flanke, aber das machte nichts. Mit etwas Überzeugungsarbeit konnte er sicher Hakuren vorschicken und wenn das nicht klappte, waren Kourin und Kouha leicht zu erpressen.

„Gut.“

„Du weißt, dass ich sehr wohl in der Lage bin, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was ich lese, ja?“

Der Blick, den Kouen im zuwarf, war Antwort genug. Koumei seufzte theatralisch und warf in einer gespielt verzweifelten Geste die Arme in die Höhe. Effektheischend verharrte er einen Augenblick in dieser Haltung, dann wurde sie ihm zu anstrengend und er ließ die Arme wieder sinken. Mit einem vorwurfsvollen Blick sah er zu seinem Bruder hoch.

„Ernsthaft, En, ich bin keine vier mehr. Ich glaube genauso wenig an fünfköpfige, feuerspeiende Menschen wie an Wahrsagerei. Ich lese die Die Abenteuer des Sinbad aus den gleichen Gründen, wie du.“

Einen Augenblick lang schwiegen sie beide. Koumei beobachtete seinen Bruder dabei, wie sein Blick erst finsterer wurde, sich dann aber unmerklich milderte. Die Spannung in seinen Augenbrauen ließ nach und machte einem Ausdruck platz, den er nicht so recht deuten konnte.

„Triviale Unterhaltung und billige Lacher?“

Koumei nahm die ihm angebotene Lüge an. Er nickte knapp.

„Beides. Beides und der Fakt, dass du die Rollen im obersten Fach deines Regals versteckst.“

„Tsk.“

Dann schwiegen sie beide. Still musterte er die kunstvoll übereinander gelegten Kragen, die Kouens Hals bedeckten. Anscheinend hatte sein Gewand die Kitzelattacke von vorhin wie durch ein Wunder überlebt. Wobei, es war Kouen, also eigentlich kein Wunder. Die goldenen Stickereien glitzerten bei jeder kleinen Bewegung. Im warmen, roten Licht der Lampions leuchtete der rote Stoff und wirkte im Kontrast zu dem Schnee hinter ihm noch feuriger. Der Aufwand, der in es gesteckt worden war, sprach aus jeder Faser, doch Koumei sah nur die Geste, die dahinter steckte. Die Botschaft. Eine Anerkennung für Kouens Rolle in Hakuyuus Gefolge.

Irgendwann rührte Kouen sich. In einer fließenden Bewegung beugte er sich zu ihm hinab und setzte sich wortlos neben ihn. Koumei war froh darüber. Er folgte dem Glitzern der Stickereien noch mit dem Blick, sah dann aber zurück auf den Hof. Der Schneefall war dichter geworden. Dicke, flauschige Flocken sanken träge zu Boden. Unter dem Vordach blieben sie trocken, doch der Schnee erreichte die Decke und das Säckchen mit Taubenfutter, das er zum Lesen mitgenommen hatte, und hinterließ auch dort eine feine Schicht Schneekristalle.

„Hör auf, dir Sorgen zu machen, Koumei.“

„Machst du dir keine Sorgen?“

Eine besonders dicke Flocke landete auf dem Holz vor ihm, ein paar Schritte von seinem Fuß entfernt. Vielleicht beobachteten sie sie in diesem Moment beide.

„Ich vertraue Hakuyuu-sama.“

Koumei nickte, nicht überzeugt.

„Hakuyuu hat bereits einen Dungeon erobert. Der Hohepriester hat Agares für ihn errichtet. Es steht außer Frage, dass er ihn betreten und bezwingen wird und wenn er es tut, werde ich an seiner Seite sein. Es ist meine Pflicht und mein Wille, ihn zu unterstützen. Ich vertraue auf seine Entschlossenheit und seine Fähigkeiten. Wenn jemand diesen Dungeon bezwingen kann, dann ist er es.“

„Hakuyuu ist nicht Sinbad der Seefahrer.“

„Wäre er es, würde ich ihm nicht in diesen Dungeon folgen.“

„Es waren über Zehntausend, Kouen. Allein in Baal.“

Neben sich hörte er das leise Rascheln, als Kouen nickte.

„Ich werde nicht dazugehören, Koumei.“

„Versprichst du mir das?“

„Ja. Du musst mir schließlich noch sagen, wem ich die Quallen verdanke.“

Die Nacht des Affen

Der Palast war ein rotes Meer aus Lampions und Raketen. Rings um ihn explodierten Knallfrösche, doch nachdem ihm jeder der ersten hundert einen kleinen Schrecken eingejagt hatte, störten sie ihn nicht mehr. Irgendwo hinter sich hörte er seinen Bruder lachen, doch für den Moment war Hakuyuu zufrieden mit der Rolle des stillen Beobachters. Schon vor einer Weile hatte er sich auf eine der abgelegenen Bänke zurückgezogen und begnügte sich seitdem, die Zeit zu genießen, die ihm noch blieb, bevor er Hakuei und Hakuryuu den Spaß verderben und seine beiden Geschwister ins Bett schicken musste. Eigentlich war das die Aufgabe seiner Mutter, doch er übernahm sie gern. Die Zeiten für die sein Vater – und mittlerweile auch er selbst – vom Schlachtfeld zurückkehrte, waren längst zu rar geworden, als das er die beiden stören wollte.

Eine Traube kichernder Rotschöpfe eilte an ihm vorbei und hielt nur kurz inne, um sich vor ihm zu verbeugen. Er nickte den Mädchen zum Gruß zurück, war jedoch froh, dass keines von ihnen ein Gespräch mit ihm suchte. Er wusste, dass alle fünf seine Cousinen waren, aber in all den roten Kleidern und dem leuchtenden, goldenen Haarschmuck hätte selbst er heute Nacht nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen können, wer von ihnen wer war.

Er lehnte sich noch ein wenig mehr zurück.

Vielleicht sollte er Hakuryuu und Hakuei doch schon ins Bett scheuchen und sich anschließend selbst verabschieden –

Eine Reihe von Knallfröschen explodierte ganz in seiner seiner Nähe. Nicht ungewöhnlich. Was ungewöhnlich war, war der Schrei, der folgte. Hakuyuu stand und sah sich um, bevor er überhaupt den Entschluss gefasst hatte, sich der Sache anzunehmen. Sein Blick glitt zu den Ziersträuchern links neben ihm, von dort weiter zu den Wachen am Eingang eines der Palastgebäude und zu den Mädchen, die immer noch kichernd um eine Ecke bogen und verschwanden. Die Hand hatte er längst bei seinem Schwert. Er brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass es keine Angreifer gab und keine Waffen, und noch einen weiteren, um das Lachen zu bemerken.

„Das ist nicht witzig!“, fauchte eine Stimme hinter den Ziersträuchern, doch nur weiteres Lachen antwortete ihr. Er war sich sicher, dass er sie kannte, doch ohne das Gesicht dazu zu sehen, kam er nicht auf ihren Besitzer. Vor ein paar Jahren, da war er sich sicher, hätte er es gekonnt.

Langsam, Finger für Finger, löste Hakuyuu seine Hand vom Schwertgriff. Er ließ die Hand sinken und schüttelte sie noch einmal, bevor er um die Sträucher herum trat.

Er kannte den Besitzer der Stimme tatsächlich. Es war einer seiner Cousins, Koumei, und ein aufgebrachter obendrein. Um ihn herum kicherte es immer noch. Mit knappen Blicken erfasste er die Situation, die Bank auf der Koumei zweifelsohne gesessen hatte, von der er jetzt aber am weitesten entfernt stand, den feixenden Hohepriester hinter der Bank, schwebend. Zwei weitere Rotschöpfe, die mit ihrem Rücken zu ihm standen, einer mit Zöpfchen, der andere mit goldenem Haarschmuck und beide mit Knallfrösche in den Händen. Und sein kleiner Bruder zu allem Unglück auch noch mitten drin. Der Geruch von versengtem Haar stieg ihm in die Nase.

Hakuryuu bemerkte ihn als erster. Schlagartig verschwand das Lachen aus seinem Gesicht. Er schloss den Mund, öffnete ihn wieder und lief schließlich rot genug an, dass Hakuyuu es selbst im Licht der Lampions, die vom nächsten Gebäude zu ihnen herüber leuchteten, sehen konnte.

Er räusperte sich.

Schlagartig drehten sich vier weitere Köpfe zu ihm um. Nun erkannte er auch die letzten beiden Unruhestifter, ebenfalls seine Cousins. Der Junge konnte nur Kouha sein und das Mädchen … Kourin, vermutlich. Ja, Kourin, er war sich sicher.

Koumei fasste sich als Erster, schlug die Hände zusammen und verneigte sich eilig.

„Ouji-sama“, murmelte er. Der verdeckte Seitenblick, den er seinen Geschwistern dabei zuwarf und der die beiden dazu brachte, es ihm eilig gleich zu tun, war gut, aber Hakuyuu bemerkte ihn trotzdem.

Er ließ seinen Blick über jeden von ihnen wandern. Dabei verharrte er etwas länger bei Kourins so langer, wie spitzer Haarnadel und blieb schließlich beim Hohepriester hängen. Judar hing noch immer in der Luft. Gerade schlug er die Beine übereinander, soweit Hakuyuu das unter seiner weiten Robe erkennen konnte, und stützte das Gesicht in seine Hand. Er gähnte demonstrativ und nickte dann.

„Ooji-sama.“

Hatte der Junge ihn gerade–

Ja.

Ja, er hatte.

Er war alt genug, um den Unterschied in der Aussprache zwischen Prinz und Opa zu kennen.

Hakuyuu atmete tief durch. Er kannte den Hohepriester seit einem Monat, aber das war länger als genug, um zu wissen, dass sein Ärger ihn nur noch mehr amüsieren würde. Er wandte den Blick demonstrativ von ihm ab.

„Was ist hier los?“

Als wäre das sein Stichwort, verschränkte Koumei die Arme vor der Brust.

„Sie haben mir Knallfrösche in den Rücken geworfen.“

Erneut blickte Hakuyuu zu der Bank und tatsächlich konnte er dort die Reste von einer Reihe explodierter Bambusröhrchen erkennen. Vielleicht hätte er sich fragen sollen, woher die Kinder auf solche Ideen kamen, doch er konnte sich die Antwort bereits denken. Sie endete auf -ren.

Er würde ein ernstes Wort mit seinem Bruder wechseln müssen, doch zunächst fixierte er seinen anderen Bruder mit einem scharfen Blick.

„Ist das wahr?“

Hakuryuu knickte ein, wie ein Strohhalm. Immer noch rot ließ er den Kopf hängen.

„Ja“, murmelte er, „Hakuyuu-sama.“

Er sah weiter zu Kourin und Kouha. Beiden stand ihre Meinung zu diesem Geständnis ins Gesicht geschrieben, doch er musste ihnen lassen, dass er das Wort Petze von keinem von beiden hörte. Zerknirscht nickten erst der Junge, dann auch seine Schwester.

Hakuyuu schüttelte den Kopf.

„Ihr werdet unverzüglich ins Bett gehen.“

Kouha und Kourin verneigten sich unglücklich. „Ja, Ouji-sama.“

„Das gilt auch für dich Hakuryuu. Ich bin enttäuscht. Ich weiß, Neujahr ist etwas besonderes und es macht Spaß, Knallfrösche anzuzünden, aber ihr seid noch zu jung um es selbst zu tun. Außerdem gehören Knallfrösche nicht in die Nähe anderer Menschen. Euer Streich hätte Koumei verletzten können. Geht jetzt. Ihr wollt nicht, dass ich euch heute Abend noch einmal sehe.“

Die drei ließen sich das nicht zweimal sagen. Hakuyuu glaubte nicht daran, dass wirklich jeder von ihnen sofort ins Bett verschwinden würde, doch immerhin hatten es alle drei eilig, von hier fort zu kommen.

Der Hohepriester hingegen sah ihnen nur gelangweilt nach. In seinem Augenwinkel sah Hakuyuu ihn gähnen.

„Judar-chan“, wandte er sich direkt an ihn und verzichtete dabei bewusst auf die respektvolle Anrede, auf die seine Priester so viel Wert legten. „Du verschwindest besser auch. Ich werde mich an deine Priester wenden.“

„Ja, ja.“

Judar wedelte mit seiner freien Hand, so, als wolle er eine Fliege verscheuchen, schwebte allerdings tatsächlich davon. Hakuyuu sah ihm zweifelnd nach. Neben ihm tat Koumei das Gleiche.

„Sie werden wieder kommen.“

Hakuyuu hätte gerne widersprochen, aber sein Cousin hatte Recht. Sie würden es wieder versuchen. Wenn nicht heute Nacht, dann morgen oder in den nächsten Tagen. Solange die Feierlichkeiten andauerten, gab es auch Feuerwerk, das seinen Weg ihn ihre Hände finden würde.

„Vielleicht solltest du ebenfalls ins Bett gehen.“

„Dann werfen sie mir die Dinger unters Bett. Wenn ich Glück habe.“

„Das werden sie sich nicht trauen“, behauptete Hakuyuu, klang sich seiner Sache aber nicht so sicher, wie er es gerne getan hätte.

Koumei schüttelte den Kopf.

„Doch, werden sie. Wenn nicht sie, dann einer der anderen. Aber Danke, Hakuyuu-sama.“

„Gerne.“

„Ich suche mir eine andere Ecke. Vielleicht finden sie mich dann nicht.“

„Gute Nacht.“

Koumei antwortete nicht mehr, sondern streckte sich nur. Gähnend schlurfte er davon.

Kaum war sein Cousin außer Sichtweite, hörte er Schritte hinter sich. Einen Augenblick später legte sich ein Arm um seine Schulter. Dieses Mal zuckte er nicht zusammen, wenn auch nur, weil er den Schritt kannte. Geduldig ließ er es zu, dass Hakuren ihn in einen Schwitzkasten zog und seine Haare zerzauste.

„Waren die Knallfrösche von dir?“

Statt es zuzugeben, lachte Hakuren nur.

„Du bist eine Spaßbremse, Ooji-sama.“

Hakuyuu stöhnte genervt. Er fasste nach Hakurens Hand und wand sich aus seinem Griff. Mit wenigen Schritten war er bei der Bank, auf der Koumei geschlafen hatte, und setzte sich. Es roch immer noch ein wenig nach versengtem Haar.

„Wie viel hast du gehört?“

„Genug, Ooji-sama, genug.“

Das Holz unter ihm bebte, als Hakuren sich zu ihm ihm auf die Bank warf. Keinen Augenblick später hielt er ihm einen Becher vor die Nase, dessen Inhalt Hakuyuu nicht identifizieren konnte, doch er wusste auch so, dass es Alkohol war.

„Du solltest nicht so streng mit ihnen sein. Es ist Neujahr.“

„Wäre ich streng gewesen, hätte ich sie übers Knie gelegt.“

„Alle drei auf einmal?“

Hakuyuu griff nach dem Becher und nippte daran. Wein.

„Vier. Den Hohepriester als erstes.“

„Übernimm dich nicht“, flötete Hakuren und lachte.

„Ich habe einen Dungeon erobert. Ich werde mich nicht von ein paar Sechsjährigen übertölpeln lassen.“

Hakuren hätte lachen sollen, doch er tat es nicht. Ein Blick zu seinem Bruder bestätigte Hakuyuu, dass er das nicht hätte sagen sollen. Offenbar erinnerte sein Bruder sich an den letzten Dungeon genauso gut, wie er es tat. An den Dungeon, an die Schlangen, an die fliegenden Bestien, für die sie beide keinen Namen hatten.

Hakuyuu schüttelte den Kopf.

„Hast du Kouen gesehen?“

Zur Antwort zuckte Hakuren mit den Achseln. Er grinste wieder, doch sein Lächeln war zu breit, um echt zu sein.

„Zuletzt wurde er von einem ziemlich süßen Ding verfolgt. Gibt also eigentlich nur zwei Möglichkeiten und beide haben mit Von-der-Bildfläche-Verschwinden zu tun.“

„Ah.“

Er ahnte, welche Möglichkeit Hakuren besser gefiel, doch er bezweifelte, dass Kouen sich für die gleiche Möglichkeit entschieden hatte. Zwar fand er die Unkereien, sein Cousin sei mit seinen Geschichtsrollen verheiratet, gehässig, doch auch ihm war klar, dass sie nicht von ungefähr kamen. Vermutlich war es besser, Hakuren gar nicht erst daran zu erinnern und ihm seine Möglichkeit einfach zu lassen. Hakuren schien damit auch vollkommen zufrieden zu sein.

Eine Weile schwiegen sie gemeinsam und nippten nur ab und an ihren Bechern. Hakuyuu genoss die Ruhe. Mit Hakuren an seiner Seite konnte er für einen Moment die Augen schließen und den Lärm, die Menschen und die Dungeon vergessen.

Es war Hakuren, der die Stille zwischen ihnen schließlich brach.

„Du willst ihn nicht mitnehmen, oder?“

„Hm?“, machte er, ohne die Augen zu öffnen.

„Kouen, meine ich.“

„Ich will niemanden mitnehmen, Hakuren“, erwiderte er tonlos und fügte, noch leiser hinzu: „Nicht einmal mich selbst.“

Die Dämmerung des Tigers

Selbst außerhalb der Stadt war das Knallen der Feuerwerkskörper, die seit Stunden überall explodierten, unbeschreiblich laut. Von seinem Standort außerhalb der Stadtmauern Rakushous aus konnte Kouen die Feiernden in den Straßen nicht sehen, doch er sah das Lichtermeer der Lampions. Rot leuchtende Flecken zeichneten die Silhouette der Stadt nach, die Häuser, die Mauern, den Palast, unterstrichen von bunten Raketen, die zwischen den Dächern verglühten.

Seine Finger strichen behutsam über die aneinander gebundenen Bambusröhrchen in seiner Hand. Er sollte dort unten bei den anderen sein. Man erwartete es nicht nur von ihm, ein Teil von ihm wollte dabei sein. Wollte Knallfrösche anzünden und unter Meis Stuhl werfen. Wollte mit Hakuyuu und Hakuren trinken. Wollte mit dem Mädchen tuscheln, das ihm hinterher gelaufen war. Wollte das neue Jahr begrüßen. Nur, er brachte es nicht über sich. Das Verlangen, stumm im Schnee zu stehen und sich Sorgen zu machen war größer. Missmutig blickte Kouen den Weg zurück, den er gekommen war. Seine Schritte hatten eine Spur aus dunklen Flecken, aus denen kärgliche Grashalme ragten, hinterlassen. Sie verloren sich bereits ein paar Meter außerhalb des Lichtkreises, den sein Lampion warf, in der Dunkelheit. Es war beklemmend. Beklemmend, wie der Dungeon, der finster hinter den Baumreihen in seinem Rücken lauerte. In der Nacht sah er das Bollwerk aus Kalkstein und massiven Ecktürmen nicht, doch das bloße Wissen über seine Existenz genügte, um ihm die Nackenhaare zu Berge stehen zu lassen.

Er sollte zurück gehen.

Schnee knirschte, ohne, dass er sich bewegte. Seine Reflexe reagierten, bevor er es realisierte. Seine Hand öffnete sich und griff nach seiner Waffe, die Knallfrösche fielen unbeachtet zu Boden. Er zog das Schwert, wirbelte herum und duckte sich. Alles eine einzige, fließende Bewegung. Tausendmal eingeübt, tausendmal verinnerlicht. Genauso, wie die nächsten Schritte – analysieren, decken, attackieren. Doch als er den Angreifer sah, erstarrte er.

„Wow!“, rief der Fremde, „wow. Vorsichtig, Kumpel. Ich bin unbewaffnet!“

Ein Mann. Junge. Vielleicht so alt wie er. Zögernd, ganz langsam, hob der Fremde die linke Hand über seinen Kopf. Leer. Ungefährlich. Doch Kouen hatte dafür keinen Blick. Er war zu sehr damit beschäftigt, zu verstehen, dass sein Gegenüber nicht nur unbewaffnet, sondern nackt war. Nackt. Von den Schultern bis hinab zu den Fußsohlen. Keine Oberbekleidung. Keine Unterbekleidung. Nicht einmal Schuhe. Nur nackte Haut und ein paar immergrüne Zweige, die er sich betont lässig vor sein Gemächt hielt.

„Was–?!“

„Kurze Fassung? Ich mag das selbstklebende Feigenblatt erfunden haben, aber ich fürchte, Kiefern sind eine ganz andere Liga.“

Kouen hörte das Grinsen des anderes viel mehr, als das er es sah. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen zwang er sich dazu, ihm statt auf die Zweige ins Gesicht zu sehen, doch der Anblick der dunklen Nadeln und allem, was er dahinter nur hatte erahnen können, hatte sich längst eingebrannt. Zu allem Überfluss grinste der Typ tatsächlich. Es war eines dieser Grinsen, die Hakuren manchmal auf den Lippen hatte, wenn Hakuyuu oder, seltener, Kouen selbst ihn auf eines der Fettnäpfchen hinwiesen, in dem er gerade bis zum Hals steckte. Ein Grinsen, für das Hakuyuu viel zu nobel und Koumei viel zu faul war. Kouen hätte schwören können, dass der Fremde rot angelaufen war, doch das Licht seines Lampions war zu schlecht, um es mit endgültiger Sicherheit zu sagen.

„Das sehe ich“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Langfassung?“

Wenn Kouens Tonfall sein Gegenüber verunsicherte, ließ dieser es sich nicht anmerken.

„Ich bin ein reisender Händler. Man hat mir auf dem Weg nach Rakushou aufgelauert und mich ausgeraubt.“

Die Augenbrauen zusammengekniffen sah Kouen nun doch noch einmal an seinem Gegenüber hinab. Dunkle, lange Haare, deren Farbe er im Lampionlicht nicht erkennen konnte. Breite Schultern und Muskeln, die er von einem Händler so nicht erwartet hätte. Und immer noch komplett unbekleidet. Nur das Band, das seinen Zopf zusammenhielt, hatte man ihm gelassen.

„Sehr gründlich, wie es scheint.“

„Sehr gründlich, ja.“

Schweigen. Kouen schüttelte den Kopf, nicht nur, um das Bild von Kiefernzweigen von seinem inneren Auge zu vertreiben. Er ahnte, dass an dieser Geschichte etwas nicht stimmte, dass ihm mindestens eine wichtige Information fehlte, um sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen, doch er konnte sie nicht festnageln. Noch nicht.

„Deine Ware?“

„Zusammen mit meinen Kameraden in Rakushou, wie ich hoffe. Wir wurden auf der Reise getrennt. Es sind vor allem persönliche Gegenstände, die mir gestohlen wurden.“

„Was für Gegenstände?“

„Schmuck.“

Schmuck. Natürlich. Mit Schmuck musste er bei einem Händler rechnen. Selbst die einheimischen Händler, die unter der Politik des Kaisers Hakutoku kaum Möglichkeiten hatten, ähnliche Reichtümer anzuhäufen, wie Kaufmänner im Ausland, trugen Schmuck, wenn sie es sich leisten konnten. Mehr als eine Schriftrolle hatte die Pracht gelobt, mit der sich Händler in fernen Ländern zierten. Ringe aus Gold und Bronze, Turbane mit Zierschmuck und Federn, Ohrringe. Im Dunkeln konnte Kouen weder Ohrlöcher noch die Abdrücke von Ringen erkennen, doch dafür bemerkte er plötzlich etwas anderes. Die Haltung, mit der der Fremde die Kiefernzweige hielt.

„Speer oder Schwert?“

Sie wechselten einen knappen, misstrauischen Blick.

„Schwert.“

Innerlich verfluchte er sich dafür, es nicht früher bemerkt zu haben.

„Sonst?“

„Aufzeichnungen. Proviant.“

„Und Kleidung?“

„Und Kleidung.“

„Ist dir nicht kalt?“

„Kalt?“

Beinahe so, als hätten seine Worte sein Gegenüber erst an die Kälte erinnert, ließ dieser Kiefernzweig Kiefernzweig sein und krümmte sich zusammen. Zitternd rieb er sich die Oberarme und Kouen hätte schwören können, dass er lautstark mit den Zähnen klapperte.

„Ich sollte dich in drei Teile schneiden.“

Der Fremde sah auf. Seine Schultern bebten. “Ich zittere mich gerade in drei Teile.“

„Ich weiß.“

Ein letztes Mal überschlug Kouen die Möglichkeiten. Unmittelbare Gefahr ging von dem Fremden nicht aus, auch wenn er offensichtlich etwas verschwieg. Ohne seine Waffe stellte er kaum eine Bedrohung dar und er musste zumindest in Erwägung ziehen, dass sein Gegenüber nicht mehr war als ein Soldat von der Grenze, der angesichts der Festtage über die Strenge geschlagen hatte, oder einer von Hakurens Scherzen.

Er ließ sein Schwert sinken.
 

Ein paar Minuten später standen sie nebeneinander im Schnee.

Neujahr in bereits getragener Kleidung zu verbringen brachte kein Glück, hieß es und vielleicht war an diesem Omen doch etwas dran. Kouen war niemand, der Volksglauben viel Beachtung schenkte. Sicher, auch er ließ an Neujahr Fenster und Türen öffnen, weniger um das Glück hinein zu lassen, als den Muff des Winters – und die Wärmebedürftigeren seiner Geschwister – zumindest für ein paar Tage aus seinen Räumen zu vertreiben. Knallfrösche entzündete er gern, weil sie laut waren und die Jüngeren quietschten und jubelten, wenn er es tat. Von anderen Geboten und Verboten hielt er nicht viel und doch – jetzt, wo er den Fremden aus dem Augenwinkel dabei beobachtete, wie er mit klammen Fingern das Obergewand zu schnüren versuchte, wollte er beinahe daran glauben.

Die Leihgabe, zu der Kouen sich durchgerungen hatte, war alles andere, als ideal. An den Beinen waren dem Fremden die Gewandschichten, die er ihm überlassen hatte, zu kurz und entblößten die immer noch nackten Füße, an den Armen spannte sie. Die Kragen der einzelnen Schichten, überlappten einander in einem Gewirr, das seine Diener zur Verzweiflung getrieben hätte, das Kouen aber egal war. Unter den Stofflagen konnte Kouen das Beben der Schultern des Anderen sehen. Es wirkte echter, als das Zittern ein paar Minuten zuvor.

Obwohl kaum Wind ging, spürte auch Kouen, wie ihm die Kälte unter die Kleidung kroch.

„Andersherum. Du legst erst die rechte Seite über deine Brust, dann die linke. Und der Gürtel wird nicht über dem Überwurf gebunden, sondern über die Schicht darunter.“

„Oh.“

Seinen Anweisungen folgend, nestelte der Fremde am Gewand und zerrte am Gürtel, bis alles hielt. Irgendwie. Selbst im schwachen Lampionlicht konnte Kouen sehen, dass nichts so lag, wie es sollte und zumindest einer der Knoten schien nur aus bloßer Willenskraft zu bestehen, aber zumindest rutschte nichts. Vermutlich sahen sie mittlerweile beide aus, als seien sie gerade erst aus bestimmten Etablissements getorkelt.

Neben ihm strich der Fremde behutsam über den Stoff des Ärmels.

„Das Gewand ist neu, oder?“

Kouen fragte nicht nach, woher er das wusste. Ihm war bewusst, dass zumindest ein Soldat so eine Frage nicht gestellt hätte, selbst wenn er nicht wusste, wen er vor sich hatte. Jeder Bewohner Kous kannte diesen Brauch.

„Es ist Tradition, am ersten Tag des neuen Jahres neue Kleidung zu tragen. Man streift damit alles Schlechte des alten Jahres ab.“

„Der Stoff ist eben und leicht, aber überraschend warm, die Stickereien und Nähte sauber und klar. Es scheint ein recht teurer Brauch zu sein.“

Kouen zögerte. Offenbar war es an ihm, etwas zu verschweigen.

„Man verspricht sich dadurch Glück und Wohlstand“, antwortete er, „übrigens in allen Schichten der Bevölkerung.“

Der Fremde neben ihm nickte, ohne dass er von seinem Ärmel zu ihm aufsah. Mit einer letzten Geste strich er den Stoff glatt, dann ließ er beide Arme sinken. Sein Blick glitt nach vorn, nicht zu ihm, sondern zu den Feuerwerken, die noch immer über Rakushou explodierten.

„Ich habe gehört, in Kou begrüßt man das neue Jahr später als anderswo.“

„Der Zeitpunkt des Festes richtet sich nach dem Mondkalender. Woher kommst du?“

„Balbadd.“

Automatisch rief Kouen das Wissen ab, das er über die Jahre aufgeschnappt hatte. Ein Stadtstaat, errichtet auf unzähligen Inseln, war Balbadd nicht groß, aber reich. Rashid Salujas Herrschaft war seit Jahren stabil. Unter ihr florierte der Handel, doch es verirrten sich nur wenige Kaufleute soweit östlich, dass sie Kou erreichten. Skeptisch musterte er den Mann neben ihm. Jetzt, wo sie näher beieinander standen und ohne Kiefernzweige zwischen ihnen, war es einfacher, Einzelheiten auszumachen. Seine Haltung war locker und voller Selbstbewusstsein, seine Gesichtszüge eben, das Haar lang und augenscheinlich gepflegt. Nur eine unscheinbare Schramme, die sich über sein Jochbein zog, störte das Bild. Dennoch, da war er sich sicher, hätten zumindest seine älteren Schwestern ihn hübsch gefunden. Kouen hingegen konnte damit nicht viel anfangen. Er verglich ihn nur mit den Händlern, die er in Rakushou getroffen hatte und kam zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.

„Wie heißt du?“

Noch etwas, das er besser verschwieg.

„En. Du?“

„Sin“, antwortete er lässig und, beinahe so, als würde er Kouens Gedanken ahnen, fügte er hinzu: „Wie der Seefahrer. Der aus den Geschichten, die überall verkauft werden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal so nackt ende, wie er in– Hey, hast du Die Abenteuer des Sinbad überhaupt gelesen?“

„Die lesen nur kleine Kinder und Dummköpfe.“

„Also ja.“

Kouen stöhnte. Was hatten heute nur alle mit diesen dämlichen Büchern?

„Ich lese so etwas nicht, Sin-san.“

„Ach, nein?“

„Ich habe meinen Bruder heute beim Lesen erwischt, das ist alles.“

„In dem Fall solltest du die Reihe lesen, bevor du dir ein Urteil bildest. Ich könnte dir meine Ausgabe leihen. Sie ist vollständig und – oh.“

„Weg?“

Sin nickte. Das Schweigen, das folgte, kommentierte Kouen nicht. Die Sache kam ihm immer mehr vor, wie einer von Hakurens dummen Scherzen. Sein Cousin war kein großer Leser, nie gewesen. Die wenigen Schriftrollen, mit denen Kouen ihn je gesehen hatte, waren Großteils Hausaufgaben gewesen, der Rest seichte Unterhaltung.

„Du kannst sie demnächst bestimmt ersetzen, Sin-san. Es gibt sicher einen Händler, der sie verkauft, sobald die Feierlichkeiten vorüber sind.“

Musste er dennoch damit rechnen, dass Hakuren die Bücher kannte? Dass er wusste, dass Kouen sie las? Dass er ihm eine schlechte Imitation des großen Sinbad vor die Nase setzte und jetzt in den Büschen hockte und lachte? Er spähte hinter sich, doch die Büsche waren schwarz und stumm.

„Euer Markt schließt über die Feiertage?“

Kouen schüttelte den Kopf, nicht nur wegen der Frage. Hätte Hakuren ihm in letzter Zeit hinterher geschnüffelt, er hätte es bemerkt. Er konnte es zwar immer noch von Koumei wissen, der sowohl neugierig als auch hinterlistig war, aber der war zu umsichtig, um potentiell wertvolle Informationen blind weiterzutratschen.

„Nein, aber man kauft zu Neujahr bestimmte Waren nicht, weil es Unglück bringen soll.“

Blieb Koumei selbst.

„Man wird sie mir also nicht verkaufen, damit ich armer, unwissender Ausländer kein Pech über mich bringe? Und Bücher gehören dazu?“

Nun, in diesem Fall würde er mitspielen.

„Und Schuhe.“

Sin sah an sich hinunter und Kouen folgte seinem Blick. Seine Füße waren dunkel gegen den Schnee, der im Lampionlicht rot schien. Er konnte keine Erfrierungen sehen, aber er wusste auch nur aus Schriftrollen, wie Erfrierungen aussahen.

„Oh, verdammt“, murrte Sin und Kouen stimmte ihm mit einem knappen Nicken zu. „Ich glaube, das kommt für mich zu spät.“

„Etwas.“

„Denkst du, du kannst dir die Bücher von deinem Bruder leihen?“

Oh ja, ganz bestimmt. Abgesehen davon, dass die Rollen gerade in seinem Zimmer lagen, versuchte er sich vorzustellen, wie er sich seine eigenen Schriftrollen von Koumei lieh, scheiterte aber ob der Gewissheit, dass selbiger nichts freiwillig herausgeben würde, was er ihm zuvor mühsam entwendet hatte. Kouen schnaubte.

„Er teilt nicht gerne.“

„Schade.“

„Ich habe sowieso nicht vor, sie zu lesen.“

„Du verpasst was.“

„Ja. Behauptungen, Übertreibungen und fünfköpfige, feuerspeiende Meuchelmörder.“

Einen Augenblick sah Sin ihn an, dann lachte er. Es war ein angenehmes, warmes Lachen, dennoch war Kouen, als hätte er etwas gesehen, das er nicht hätte bemerken sollen.

„Fünfköpfige, feuerspeiende Meuchelmörder? Die gibt es nun wirklich nicht.“

„Noch nicht. Ich habe mit meinem Bruder darüber gewettet.“

Erneut musterte Sin ihn, dieses Mal weniger überrascht als neugierig.

„Verstehe. Geht es um Leben und Tod? Oder, noch schlimmer, um die Ehre?“

„Quallen.“

„Oh.“ Er grinste, so, als gefiele ihm die Idee. „Hast du noch mehr Geschwister, En-san?“

Kouen nickte, antwortete aber nicht weiter. Er hatte schon genug erzählt und letztendlich ging es den Typen nichts an, egal, ob er tatsächlich nur ein Fremder war oder Koumeis Art, sich für den letzten Taubenbraten zu bedanken. Unwillkürlich drifteten seine Gedanken ab, zurück zu dem Fest, dass er gerade verpasste. Mittlerweile war es spät. Hakuyuu und Hakuren waren sicher noch auf und würden sicher bis zum Morgengrauen Feuerwerke zünden um Nian zu vertreiben. Bei Koumei hingegen war er sich nicht so sicher. Er hielt nicht viel von dem Lärm der Knallfrösche und glaubte noch weniger an das Jahresmonster, das mit ihnen vertrieben werden sollte, als Kouen es tat. Die Drachentänze, die es in den nächsten Tagen geben würde, würden ihm sicher mehr gefallen, doch aktuell hatte er sich sicher in seinem Bett verkrochen oder schlief unauffällig zwischen den Tauben im Palastgarten. Seine Schwestern hingegen gehörten mittlerweile ins Bett, zumindest die jüngeren von ihnen. Eigentlich wäre es seine Aufgabe gewesen, sie dorthin zu schicken oder zumindest ihre Dienerinnen dazu anzuweisen, es in seinem Namen zu tun.

Unter seinem Blick stieg eine Rakete besonders hoch in den Himmel und verglühte in roten Funken über dem Palast.

„Du solltest dort sein und mit ihnen feiern.“

Kouen sagte nichts, aber vielleicht war das Antwort genug.

„Stattdessen stehst du im Schnee.“

„Darüber solltest du froh sein.“

„Oh, das bin ich“, gab Sin zurück und hob lachend die Arme. Im Licht des Lampions leuchteten die Ärmel seines Überwurfs rot und warm. “Ohne dich würde ich mir was abfrieren. Du solltest trotzdem zurück gehen. Dein Bruder vermisst dich sicher.“

Möglicherweise tat Koumei das, wenn er nicht gerade schlief, tatsächlich, doch das Argument aus dem Mund eines Fremden zu hören, schmeckte bitter.

„Was ist mit deinen Kameraden?“, versuchte er das Thema in eine andere Richtung zu lenken. Es funktionierte, wenn auch nicht so, wie Kouen es angedacht hatte.

„Die? Die werden warten müssen.“

Irritiert wandte Kouen den Blick von einer Reihe von kleinen Lichtpunkten ab, die wie auf einer Schnur aufgefädelt nebeneinander in die Nacht leuchteten.

„Oh, schau nicht so. Sie sind Kummer gewöhnt.“ Sin winkte ab. „Aber sie werden sauer auf mich sein, wenn ich, nichts für ungut, so“, erneut hob er die Arme, dieses Mal, um seinen leidlich zusammengebundenen Shenyi zu zeigen, beziehungsweise das, was Kouen ihm überlassen hatte, „im Gasthaus aufkreuze. Ich sollte zumindest versuchen, mir meine Sachen zurückzuholen, bevor ich mir die Standpauke meines Lebens einhandele.“

Kouen war sich bewusst, dass er heute Nacht selbst nicht durch die besten Ideen glänzte, doch das erschien selbst ihm dumm.

„Du bist unbewaffnet.“

„Man hat dich noch nie mit einer Kiefer geschlagen, oder?“

Sprachlos schüttelte er den Kopf. Eine seiner Schwestern hatte hinter seinem Rücken einmal Kiefernnadeln nach ihm geworfen, aber das … Er erinnerte sich an den Griff, mit dem Sin die Kiefernzweige gehalten hatte, doch die Vorstellung nur mit einem Ast eine Räuberbande in die Flucht schlagen zu können, wollte nicht in seinen Kopf.

„Vermutlich sind sie längst über alle Berge.“

„Sie haben im Schnee sicher Spuren hinterlassen.“

„Die du bei dieser Dunkelheit nicht sehen wirst.“

„Ich habe schon genug Zeit verloren.“

„Vertrödelt, meinst du.“

„Hilfst du mir, En-san?“

„Ich sollte dich in drei Teile schneiden.“

„Lieber sieben. Das ist sicherer.“

Das ist sicherer. Ungläubig verdrehte Kouen die Augen. Wenn das hier ein Scherz war, würde er jemanden dafür leiden lassen und es würde qualvoll sein.

Drei Schritte brauchte er, dann erreichte er den Lampion und kniete sich hinunter. Sein erster Griff galt den Knallfröschen, die er umsichtig aufhob und in seinen Kragen schob, der zweite dem Lampion.

„Es sind deine Füße, die du dir abfrierst.“

Neben ihm begann Sin zu lachen.

„So schnell friert mir dann doch nichts ab.“

Kouen warf einen knappen Blick über seine Schulter, dann richtete er sich auf. Drei Schritte später stand er wieder neben Sin, wandte ihm den Blick aber nicht erneut zu. Stattdessen folgte er bereits Sins Spuren, die er beim Anschleichen hinterlassen hatte. Sie führten zurück in das Waldstück, das sich vor ihm erstreckte, und verloren sich schließlich im Unterholz und im schwächer werdenden Licht. Irgendwo hinter den Bäumen verlief die Straße, der er aus der Stadt gefolgt war, und führte weiter zu den nächsten Orten. Der Dungeon lag ebenfalls in dieser Richtung, doch im Dunkeln und ohne genaue Anhaltspunkte zur Orientierung konnte er sie nur grob einschätzen.

„Dann hör auf zu zittern“, raunte er ihm zu.

Er erntete nur ein belustigtes Schnauben.
 

Die Bäume standen weniger dicht, als Kouen zunächst erwartet hatte. Dafür hingen die Äste tief und der Boden war übersät von abgestorbenen Ästen und alten Nadeln. Der Schnee, in dem Sins Spuren leicht hätten zu sehen sein sollen, half nicht. Die Äste über ihnen hatten zu viel Schnee abgefangen. Die Decke, die sich über den Waldboden gelegt hatte, war zu dünn, um ebenmäßig zu sein und betonte jeden Stein und jeden Zweig. Die Spuren hatte er bereits nach wenigen Metern aus den Augen verloren und sein Sinn für Entfernungen hatte sich mittlerweile ebenfalls verabschiedet. Er wusste, dass die Straße nach Rakushou immer noch vor oder links von ihnen liegen musste, doch er wusste auch, dass sie sie längst hätten erreichen müssen, hätten sie die Richtung beibehalten, die sie eingeschlagen hatten.

Immerhin war es leicht, Sin im Auge zu behalten, der ein paar Schritte hinter ihm ging und immer wieder Richtungsanweisungen gab.

Nicht, dass er diesen Richtungsanweisungen weiter traute, als er Sin hätte werfen können. In diesem Gewirr aus Nacht und Baumstämmen die Orientierung zu behalten war unmöglich.

Irgendwann blieb er einfach stehen.

Schnee knirschte unter seinen Füßen und Zweige knackten, dann stoppte Sin ebenfalls.

„Was ist los?“

Er drehte sich nicht um.

„Das hat keinen Sinn.“

Mit finsterem Blick starrte er durch die nächsten Baumstämme hindurch in die Dunkelheit. Für einen Moment glaubte er, dass es langsam heller wurde, doch er wischte den Gedanken beiseite. Vermutlich kam es ihm doch nur so vor, lag entweder am Schnee oder an seiner Frustration.

„Dort–“

„Erspar es mir. Du hast keine Ahnung, wo wir sind!“

„En–“

„Erspar es mir, habe ich gesagt!“

Jetzt wandte er sich doch zu ihm. Das Licht des Lampions flackerte protestierend ob der barschen Bewegung und warf unruhige Schatten über seinen Ärmel, die nächsten Baumstämme und Sins unbewegtes Gesicht. Ein paar dicke Schneeflocken lösten sich von einem der Äste über ihm. Ohne zu zielen schlug Kouen nach ihnen, was vermutlich besser war, als das Schwert zu ziehen. Eher zufällig erwischte er eine von ihnen. Sie fühlte sich feucht an und schmolz rasch auf seiner Hand. Tauwetter.

Sin indes bewegte sich nicht, so als hätte er ihn gar nicht bemerkt. Regungslos starrte er auf einen Punkt ein wenig links von seiner Schulter.

„Was ist los?“

„Ich erspare dir, dass da vorn Licht ist.“

„Was?!“

Es war nur ein knappes Nicken, mit dem Sin in die Richtung wies, in die er blickte. Erneut drehte Kouen sich um, langsamer dieses Mal. Zuerst sah er nicht mehr, als Bäume und Schnee und die vage Gewissheit, dass es tatsächlich etwas heller war, als vielleicht vor einer halben Stunde. Dann bemerkte er das Flackern.

Langsam und so leise wie möglich setzte er sich wieder in Bewegung. Die Zweige, die er unter sich ausmachen konnte, überschritt er, doch das half wenig gegen das Knistern von Schnee und Nadeln unter seinen oder Sins Füßen. Das Flackern wurde derweil rasch stärker. Bald wusste er, dass es mehr als nur ein Feuer sein musste, klein genug, um kontrolliert zu verbrennen, aber hell genug, um weit zu strahlen. Fackeln, vermutlich.

Sein Verdacht bestätigte sich plötzlich, als der Wald um sie herum abrupt aufhörte. Und dann wusste er auch, wo sie waren.

Ein massives Bollwerk ragte vor ihnen auf. Ein Oktogon aus riesigen Kalksteinquadern, jede Seite mehrere Dutzend Schritt lang und fast ebenso hoch, jede Ecke von einem ebenso wuchtigen Turm flankiert. Hinter dem Mauerwerk zeichnete sich schwarz der Wald ab, der in der Ferne wieder begann, und darüber das erste Licht der Dämmerung. Im Licht der Fackelkette, die die Soldaten um ihn gezogen hatten, leuchtete der Dungeon förmlich.

Und noch etwas bemerkte Kouen in diesem Moment und nur das hielt ihn davon ab, Sin barsch zurück in den Wald zu drängen.

In der Kette aus Leuchtfeuern klafften Löcher.

Er schloss die Augen und verfluchte sich innerlich. Spätestens jetzt wäre es seine Aufgabe gewesen, unverzüglich nach Rakushou zurückzukehren, doch er wusste auch, dass der Weg ihn mit Pech über eine Stunde kosten würde, auch wenn er ihn sich jetzt nicht mehr würde suchen müssen.

„Ist das?“, hörte er Sin hinter sich fragen, doch Kouen hob nur unwirsch die Hand, um ihm zu bedeuten still zu sein. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er sich darüber gewundert, dass Sin dem stummen Befehl tatsächlich Folge leistete, doch für den Moment war er nur froh darüber, dass er es tat. Behutsam stellte er den Lampion hinter den letzten Bäumen neben ihm ab. Eine Hand auf den Griff seines Schwertes gelegt und in geduckter Haltung, setzte er sich wieder in Bewegung.

Sin folgte ihm mit einigem Abstand.

Ihr Weg führte sie vorbei an den Wurzelresten von Bäumen, die man hatte fällen lassen, bevor der Hohepriester den Dungeon errichtet hatte. Er war viel zu lang, viel zu ungeschützt, doch der Angriff blieb aus. Niemand näherte sich, niemand lauerte hinter einem der Baumstümpfe. Sie blieben unbehelligt, bis Kouen die Soldaten sehen konnte. Was eine undurchdringliche Reihe an Schwertern, Speeren und Feuern hätte sein sollen, die sämtliche unerwünschten Herausforderer abhalten konnte, war Chaos. Körper lagen neben den Feuerstellen, von denen einige nur noch schwach glommen. Manche lehnten nebeneinander. Keiner der Männer schien seine Waffe gezogen zu haben.

Er konnte kein Blut sehen, doch das beruhigte Kouen nicht im geringsten.

Beim ersten Soldaten, den er erreichte, hielt er inne und kniete sich nieder. Schnee knirschte hinter ihm, als Sin an ihm vorbei schritt und sich weiter umsah. Vorsichtig streckte er die Hand aus und berührte die Wange des Mannes. Warm. Der Puls, den er an seinem Hals fand, war stark und gleichmäßig, nichts, was auf eine Verletzung oder drohende Gefahr hinwies.

„Ich habe doch gesagt, dass ich mich um die Ablenkung kümmere.“

„Was?“

Irritiert sah Kouen auf. Sein Blick fiel auf Sin, der in seinem roten Übergewand wie ein Leuchtfeuer aus dem Schnee heraus stach. Dann realisierte er schlagartig – Sin sprach nicht mit ihm.

Eine Gestalt stand neben ihm. Klein, vielleicht noch ein Kind, und kaum mehr, als ein weißer Schatten, der mit dem Schnee zu verschmelzen schien.

Plötzlich fügte sich alles zusammen. Er wollte aufspringen, sein Schwert ziehen, doch die Erkenntnis lähmte ihn.

„Wo sind deine Schuhe?“, fragte die Gestalt. Ihre Stimme klang unregelmäßig und brüchig. Wie im Stimmbruch.

Sin zuckte mit den Achseln.

„Du siehst aus, als kämst du aus einem Puff.“

„Ich trage eine wertvolle Neujahrsrobe. Nun, einen Teil davon.“

„Du trägst ein Shenyi, Sin“, verbesserte die Gestalt ihn. Sie reichte ihm etwas, dass einem Schwert viel zu ähnlich war, um keines zu sein. „Einen Teil davon und einen auffälligen noch dazu.“

„Erzähl du mir nichts von auffällig. Gehen wir.“

Beide wandten sich von ihm ab. Sie brauchten nur wenige Schritte, bis sie das Portal des Dungeons erreichen.

„Willst du nichts gegen ihn tun? Er wird dich verraten.“

„Nein. Wird er nicht.“

Einen Moment lang spürte er Sins Blick auf sich, dann waren beide verschwunden. Was blieb, war eine Flut von Vorahnungen über das, was ihm unvermeidlich bevorstehen würde. Eine Stunde zurück bis nach Rakushou und noch länger, bis er einen Vorgesetzten aus dem Bett geschüttelt hatte, der ihm glaubte. Selbst, wenn Hakuyuu sofort aufbrach, war der Vorsprung bis dahin uneinholbar.

Nein, entschied Kouen. Das würde nichts bringen.

Und noch etwas entschied er, als er die Hand zurück auf den Schwertgriff legte und sich dazu zwang, aufzustehen. Wenn Sinbad dachte, er würde sich damit zufrieden geben, der Statist zu sein, der ihm den Weg zu Agares gezeigt hatte, hatte er sich geschnitten.

Jedermanns Geburtstag

Kouen hatte Recht behalten.

Ihm fehlte die Kondition. Er spürte es mit jedem Schritt, den er tat, und in jedem Blick, den sein Soldat ihm zuwarf. Unter seinen Schuhen fühlte er jede Unebenheit der Straße. Jedes Steinchen, jede Pfütze und jede glatte Stelle erinnerten Koumei daran, warum er dem Konzept der Freiluftaktivitäten, wie seine Lehrer es ihm immer ans Herz zu legen versuchten, nichts abgewinnen konnte. Es würde besser werden, wenn er ihnen nur oft genug nach ging, doch es wurde nichts besser. Es war zu schmerzhaft, zu anstrengend und der Saum seines Zhaoshans sog sich langsam voll Wasser.

Kouen hätte ihn dafür ausgelacht, doch Kouen war nicht da.

Kouen.

En.

Wenn dieser Idiot es geschafft hatte, sich umbringen zu lassen, würde er es bitter bereuen.

Koumei verschärfte seinen Schritt, doch sein Soldat hielt sich mühelos hinter ihm. Seine Präsenz wurde aufdringlicher, doch Koumei hätte nicht sagen können, ob es Fragen waren, die sich der Mann nicht zu stellen traute, oder ob er im Stillen sein Verhalten kritisierte. Dazu hätte Koumei sich umdrehen müssen und selbst dann hätte er sicher kaum mehr gesehen, als Haare. Der Mann schien nur aus Haaren zu bestehen, Haaren und Rüstung. Koumei hätte nicht einmal sein Alter mit Genauigkeit bestimmen können. Jung, das sicher, aber sonst? Letztendlich war es ihm egal. Hauptsache, er war schweigsam.

Dennoch störte ihn dieses Schweigen nun mit jedem Schritt mehr.

Koumei wusste, dass es besser war, wenn der Hof weiter davon ausging, er würde, faul wie er war, in seinem Bett liegen und schlafen. Die Ereignisse am Neujahrsmorgen hatte bereits genug Aufsehen auf seinen Teil der Familie gezogen. Es genügte, dass die Prinzen seine Befürchtungen kannten. Er mochte Prinz Hakuyuus Meinung nicht teilen, aber er stimmte mit ihm darin überein, dass es besser war, nicht weiter aufzufallen. Ein schweigender Diener kam ihm nur gelegen.

Es störte ihn dennoch. Das Schweigen, der Blick, die Schritte hinter ihm. Irgendwann blieb er einfach stehen. Betont langsam hob er den Blick von den kleinen Steinchen auf der Straße vor ihm, sah zu der Biegung, hinter der der Weg vor ihm hinter den Kiefern verschwand und hinauf zum Himmel, dessen dunkles Grau weder gelb noch rosa oder rot, sondern einfach immer heller wurde. Hinter ihm verstummten die Schritte.

„Sag es einfach.“

„Koumei-sama!“ Stoff raschelte und Metall schabte, doch er drehte sich nicht um, um die Verbeugung zu sehen. „Es steht mir nicht zu–“

Koumei seufzte, ungeduldig. Nein, Worte wie dieses machten es nicht besser.

„Du begleitest mich bereits den sechsten Tag.“

„Das tue ich, Koumei-sama.“

„Ich hätte bei meinen Tauben bleiben sollen.“

Sein Soldat antwortete nicht.

„Ich weiß, was man über mich schwatzt. Ich bin faul. Ich würde die Welt meiner Schriftrollen für die Realität halten. Ich kümmere mich nur um meine Tauben.“

„Sie sagen auch, Ihr hättet eine schwere Krankheit, die Euch ans Bett fesseln würde, Koumei-sama.“

„Das ist etwas anderes. In diesem Glauben bestärke ich sie.“ Die Zufriedenheit darüber, dass diese Ausrede auch noch nach beinahe zehn Jahren funktionierte, blieb ihm im Halse stecken. „Vielleicht bilde ich es mir nur ein.“

Prinz Hakuyuus Miene tauchte vor seinem inneren Auge auf, ernst und mit dieser Geduld, die Koumei manchmal in seinem Gesicht sah, wenn er zusammen mit seinen Geschwistern im Palastgarten saß und seinem jüngsten Bruder etwas erklärte, für das Koumei zu weit entfernt war, um es zu hören. Die Stimme in seiner Erinnerung war ruhig und unaufgeregt, trotz der Unruhe, deren Grund Koumei mit Sicherheit eigentlich nicht hätte wissen sollen. Er hatte von Verpflichtungen gesprochen, von Kouens Art, von Vertrauen.

Koumei schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben. Nur widerwillig und nach einigem Blinzeln rückten das Grau des Himmels und die Kronen der Kiefern darunter wieder in seinen Fokus.

„Mein Bruder ist niemand, der gegen direkte Anweisungen verstoßen würde.“

Hinter ihm schwieg sein Soldat geduldig.

„Er ist verantwortungsbewusst, loyal und zuverlässig. Er kennt seine Grenzen und er würde sich eher etwas abschneiden, als sie zu übertreten.“

„Leise Stimmen vermuten, es hätte einen Zwischenfall beim Dungeon gegeben.“

„Die Ablösung hat die Nachtschicht nach Tagesanbruch gefunden.“ Der Anblick des grauen Horizonts brannte sich langsam in seine Netzhaut. Irgendwo hinter den Kiefern, außerhalb seines Blickfeldes, erhob sich der Dungeon. „Die Hälfte der Männer schlafend, die andere desorientiert. Einige sollen nach Alkohol gerochen oder über Kopfschmerzen geklagt haben. Als die diensthabenden Hauptmänner die Meldekette informierten und die Untersuchung anordneten, war das Durcheinander bereits zu groß, um Spuren zu finden. Man geht davon aus, dass die Soldaten wegen des Neujahrsfestes ihre Pflichten vernachlässigt haben. Weit entfernt vom Palast und mitten in der Nacht … Man wird die Soldaten entsprechend bestrafen und den Fall auf sich beruhen lassen.“

Metall schabte über Metall, als der Mann hinter ihm sich bewegte.

„Kein unautorisierter Bürger des Reiches würde es wagen, sich dem Dungeon zu nähern, Koumei-sama. Euer Bruder ist keine Ausnahme.“

„Mein Bruder“, erwiderte Koumei trocken, „neigt dazu in Situationen zu geraten, in denen er sich zu Taten gezwungen sieht, die er unter normalen Umständen nicht tun würde.“

Die Liste war lang und bitter. Sie begann mit den Streichen seiner jüngeren Geschwister, für die er die Schuld auf sich nahm, weil das Ausmaß der Strafe das der Untat überstieg. Sie reichte weiter über die Aufgaben, die gegen seine Moralvorstellungen verstießen und doch notwendig waren, und gipfelten schließlich in seiner Berufung in Prinz Hakuyuus Haushalt. Die Berufung in den Dungeon.

„Er kennt die Gefahren eines Dungeon. Er hätte ihn nie freiwillig betreten.“

Erneut hörte er, wie sein Soldat sich leise bewegte.

„Wie heißt du?“

„Chuu'un, Koumei-sama.“

Koumei nickte und schwieg. Mittlerweile war es hell genug, um erste, grüne Konturen der Kiefern ausmachen zu können, die vor ihm aufragten. Kurz glaubte er, einen dunklen Turm des Dungeons zwischen den Baumspitzen auszumachen zu können, doch vermutlich bildete er sich das nur ein. Der Dungeon war noch zu weit entfernt, um ihn sehen zu können.

„Koumei-sama?“

„Ja?“

„Egal, ob zum Guten oder zum Schlechten, Ihr solltet es Euch mit eigenen Augen ansehen.“

Träge wandte er den Blick von den Baumspitzen ab und drehte den Kopf gerade weit genug, um Chuu'un im Augenwinkel mustern zu können. Eine merkwürdig kiefernförmige Zick-Zack-Linie leuchtete vor seinem inneren Auge, waberte erst über seiner Brust und dann über seinem Gesicht, als Koumei aufsah, irgendwo dort, wo seine Augen sein mussten, wären da nicht Haare gewesen.

„Trag mich.“

Mehr als ein überraschtes Zucken sah Koumei nicht, was ein wenig schade war. Vor allem, weil sein Soldat tatsächlich abzuwägen schien, wie weit es unter seiner Würde war, sich selbst zu einem Packesel zu degradieren.

Zu seiner Überraschung schüttelte Chuu'un den Kopf.

„Es tut mir aufrichtig Leid, Koumei-sama. Ihr habt selbst zugegeben, dass die Gerüchte über Eure schwere Krankheit nicht mehr sind als das.“

„Was, wenn doch?“

„Dann wird Euch die Bewegung gut tun. Bei allem gebührenden Respekt, Koumei-sama, Ihr habt die Ausdauer eines Reissacks.“

„Chuu'un? Erinnere mich daran, dass ich dich entlassen lasse.“

„Koumei-sama.“

Klang das schadenfroh?

„Ich fürchte, momentan unterstehe ich der Befehlsgewalt Eures Bruders.“

Ja, klang es. Aber das konnte Koumei auch.

„Ach … Kouen teilt.“

Wenn Chuu'un diese Drohung nicht ernst nahm, hatte er zumindest den Anstand, ein wenig blass zu werden. Zufrieden legte Koumei die Hände unter seinen Ärmeln zusammen und ging weiter.
 

Hinter der Biegung stellte er fest, dass es kein Turm des Dungeons gewesen war, den er hinter den Kiefern gesehen zu haben glaubte. Vermutlich war es nur ein weiterer, unbedeutender Baum gewesen. Im Nachhinein betrachtet war das Gebilde auch viel zu dunkel gewesen, denn die Steinquader des Dungeons waren hell, heller, als sie bei dem Dämmerlicht hätten erscheinen dürfen. Vielleicht hätte er sich daran erinnert, wäre er auf seinen Wanderungen der letzten Tage je so weit gekommen, doch so blieb ihm nur die Erinnerung an die Errichtungszeremonie. Er wusste noch, dass er hinter seinem Vater gestanden hatte, zum ersten Mal ohne En, der seinen Platz neben Hakuyuu hatte einnehmen müssen, doch der Großteil des Festaktes war unendlich weit weg, fast so, als hätte er ihn verschlafen.

Vielleicht hatte er ihn verschlafen.

Zuerst war es tatsächlich ein Eckturm, den er sah. Ein kleiner Streifen nur, der über die Baumwipfel ragte und der hinter der nächsten, größeren Kiefer wieder verschwand. Doch ein paar Schritte weiter sah Koumei ihn wieder, mehr von ihm dieses Mal. Mit jedem Schritt, den er näher trat, bildeten sich die Konturen deutlicher heraus. Er konnte eine Brüstung ausmachen, deren Baustil er keiner der ihm bekannten Kulturen zuordnen konnte. Weitere Türme folgten dem ersten, dann die Fassade des Hauptbaus, der sie alle verband. Schließlich erhob sich eine Wand über den Wipfeln. Bei Sonnenlicht mochte sie weiß leuchten, so wie sie es bei der Errichtungszeremonie vor fast einem Monat getan hatte, im trüben Dämmerlicht des Morgens wirkte sie nur wie ein Ungetüm, das hinter den Bäumen im Dunst lauerte. Die kleinen, dunklen Fenster könnten seine Augen sein.

Koumei schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder darauf, einen Schritt vor den anderen zu setzen und dabei den Steinchen zu entgehen, die so widerlich in seine Sohle stachen, wenn er auf sie trat. Gegen seinen Willen glitt sein Blick dennoch immer wieder zu den Baumreihen und zu dem Gebäude dahinter.

Vielleicht sollte er den nächsten Band von Die Abenteuer des Sinbad schreiben. So, wie seine Phantasie mit ihm durchging, glaube er selbst kaum, dass er vierzehn war – und damit fast erwachsen – und keine vier.

„Das ist der Dungeon?“, hörte er Chuu'un hinter sich murmeln.

Jede spöttische Erwiderung, mit der Koumei seinen Soldaten sonst darauf hingewiesen hätte, dass er nicht zum Sprechen aufgefordert worden war, verging ihm, kaum, dass er seinen Blick erneut hob.

Er nickte nur knapp.

Chuu'un schien den Wink zu verstehen und schwieg.

Zwischen den Kiefern öffnete sich schließlich die Bresche, die die Arbeiter vor der Zeremonie in den Wald geschlagen hatten. Koumei erinnerte sich noch an den Weg und daran, dass er vor Kouha und seinen Schwestern gegangen war, unglücklich darüber, dass er seine Schriftrollen und Tauben gegen Natur hatte tauschen müssen. Er erinnerte sich auch an den großen leeren Platz und an das Brimborium, das um den Hohepriester gemacht worden war.

Der Weg war so, wie er ihn in Erinnerung hatte, aber für ihn sah ohnehin jeder Waldweg aus, wie der andere. Der Platz, der sich hinter der Bresche auftat, hingegen …

„Bei der Zeremonie hat die Sonne geschienen“, hörte er sich selbst sagen. Sogar in seinen Ohren hörte sich seine Stimme merkwürdig dumpf an. Er hob die Hand. „Kouen stand dort drüben, zusammen mit Hakuyuu-sama und Hakuren-sama. Vater und wir anderen haben von dort zugeschaut. Der Hohepriester schwebte Zentral über dem Platz. Ich weiß nicht, was er mit seinen Haaren gemacht hat, aber sein Zopf hatte so große, runde Bälle. Die Erde …“

Koumei brach ab.

Die Erde bebte.

Erst so schwach, dass er es sich einzubilden glaubte. Dann ein abrupter Stoß. Koumei schwankte. In seinem Augenwinkel griff Chuu'un nach seiner Waffe. Noch ein Stoß. Er machte einen Schritt vorwärts. Das nächste Beben riss ihn von den Füßen. Seine Hände und Knie brannten, kalte Nässe drang durch seine Kleidung, doch er spürte nur, wie das Zittern durch seine Finger und seine Arme hinauf kroch. Ihm wurde schlecht. Flüssigkeit brannte in seiner Speiseröhre und ließ ihn schlucken. Für einen Moment konnte er nicht mehr tun, als die Zähne aufeinander zu beißen, um sich nicht zu erbrechen.

Plötzlich war es vorbei.

Koumei schluckte noch einmal. Er hörte Ens Stimme, die ihm sagte, dass er durchatmen musste, doch er wusste, dass er sie sich nur einbildete. Er nahm einen tiefen Atemzug und dann noch einen. Langsam wurde es besser. Vorsichtig drehte er den Kopf zu seinem Soldaten, doch Chuu'un blickte ihn nicht an. Er war auf die Knie gesackt, der Bogen vergessen in seiner Hand. Den Mund leicht geöffnet, die Augen aufgerissen starrte er an Koumei vorbei.

Das schlimmste ahnend, folgte Koumei seinem Blick.

Und sah ein Loch.

Dort, wo der Dungeon gestanden hatte, war nur noch ein quadratisches Loch. Einige hundert Meter dahinter schloss sich der Kreis der Kiefern, erhaben und anscheinend sicher darüber, ihren Wald wieder für sich zu haben.

„Hakuyuu“, murmelte er den ersten Gedanken, den er zu fassen bekam. „deinen Zeitplan kannst du vergessen.“

Kein netter Gedanke, zugegeben, doch Koumei kam nicht dazu, sich dessen bewusst zu werden. Ein anderer Gedanke riss seine Aufmerksamkeit an sich. Laut. Durchdringend. Allumfassend.

Es war nur ein Wort.

Kouen.

Vergessen war das Beben, vergessen war die Übelkeit, vergessen war Chuu'un. Ohne zu wissen, woher er die Kraft nahm, rappelte Koumei sich auf und rannte. Schlitternd, stolpernd, an Baumstümpfen vorbei und durch Pfützen – alles egal. Er streifte einen der Soldaten beinahe, doch niemand hielt ihn auf. Wenn irgendjemand etwas sagte, hörte Koumei es nicht.

Er hatte so viel Schwung, beinahe wäre er in das Loch gefallen, doch er kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Keuchend stützte er die Arme auf seine Oberschenkel, um nicht umzukippen. Seine Lungen brannten, jeder Muskel brannte, doch er nahm nur das Loch war. Sein Blick flackerte über die Wände, über die Steine, die in ihnen steckten, und weiter nach unten zu den großen, braunen, glitzernden Dingern und dem roten Fleck.

Koumei blinzelte.

Die braunen, glitzernden Dinger wurden zu Säcken, übervoll mit Silber und Gold.

Der rote Fleck wurde zu einem Menschen. Seine roten Haare standen in unmögliche Richtungen ab. Von dem leuchtend roten Festtagsgewand, das er einmal getragen hatte, war nicht mehr viel übrig. Schichten fehlten, ein Ärmel war abgerissen und zeigte das ehemals weiße Unterkleid. Die helleren Flecken waren sicher nur Dreck, die dunkleren mit Pech Blut. Sein Schwert fehlte.

„En.“

Koumei fluchte.

Eilig sah er erst nach links, dann nach rechts, fand aber weder eine Treppe noch eine Leiter. Er fluchte nochmal, dann sprang er. Sein Lehrer wäre stolz auf ihn gewesen. Zumindest über den Sprung. Die Landung jagte einen stechenden Schmerz bis hinauf in seine protestierenden Knie. Selbst die Schritte, die er machen musste, um Kouen zu erreichen, brannten.

Wenn Kouen seine Ankunft bemerkte, zeigte er es nicht.

Von nahem sah er noch schlimmer aus.

Der fehlende Ärmel war nicht der einzige Riss im Stoff. Die dunklen Flecken waren ziemlich sicher Blut und sie zogen sich nicht nur über den weißen Stoff des Unterkleides. Doch noch etwas fiel Koumei auf. In der linken Hand hielt er etwas, das vage Ähnlichkeit mit der Schulterplatte einer Rüstung hatte.

„Es tut mir Leid.“

Zu seiner Überraschung klang Kouens Stimme weder brüchig noch schmerzverzerrt, nur erschöpft.

Koumei reckte das Kinn.

„Dreh dich wenigstens um, bevor ich dich anschreie.“

Kouen schnaubte. Auch das klang müde, aber er drehte sich tatsächlich um.

Von vorn sah er nicht weniger lädiert aus. Ein grober Schnitt hatte den Stoff über seiner Brust durchtrennt und ein dünnes, dunkles Rinnsal führte von seiner Nase hinab über seine Lippen und bis zum Kinn.

Kurz überlegte Koumei, ob er es wirklich wagen konnte.

Dann holte er aus und schlug zu.

Unter seinen Fingerknöcheln spürte er Kouens Schlüsselbein und wie seine Schulter unter dem Hieb nachgab. Nichts passierte.

Kouen schrie nicht, fluchte nicht einmal. Auch das befriedigende Gefühl blieb aus. Einen Moment lang blickten sie beide auf Koumeis Faust, die halb im roten Stoff verschwand.

„Reissack“, raunte Kouen ihm zu.

Koumei funkelte ihn an, ließ aber die Faust sinken. „Wäre ich ein Reissack, würdest du umfallen.“

„Verzichte.“

Schnaubend zog Koumei die Augenbrauen zusammen und warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu. Kouen erwiderte ihn mit der gleichen Geste. Einen Moment lang starrten sie einander an, dann machte Koumei den letzten Schritt, der sie voneinander trennte. Wortlos ließ er sich nach vorne kippen, bis seine Stirn Kouens Schulter berührte. Er spürte, wie Kouen einen Arm um ihn legte und ließ es zu, dass er ihn noch dichter zog.

„Idiot“, murmelte er in den Stoff. „Weißt du eigentlich, in wie großen Schwierigkeiten du steckst?“

Über seinem Kopf hörte er Kouen schnauben. Es war ein tiefes Grollen, dass neben seinem Ohr vibrierte.

„Ich habe einen Dungeon bezwungen. Mit fünfzehn. Was kann mir schon passieren?“

Diesmal war es an Koumei, möglichst laut und theatralisch zu seufzen.

„Sechzehn, En-niisan. Heute ist Renri. Du bist sechzehn.“

„Das ändert natürlich alles!“, verkündete sein Bruder, mit einem ähnlich aufgeblasenen Tonfall, verstummte dann aber. Er schüttelte den Kopf oder zumindest glaubte Koumei, dass er das tat. Er spürte jedenfalls, wie Kouens Kinn sachte über seinen Scheitel strich. „Es tut mir Leid, Mei. Alles. Ich werde mich der Verantwortung nicht entziehen.“

„Ich hasse es, wenn du das sagst.“

Kouen schnaubte erneut und es klang beinahe wie ein Lachen.

„Du solltest etwas ganz anderes hassen.“

„Und was?“

„Ja'far wird fünf Köpfe haben und Feuer spucken. Nur für dich.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (10)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Puppenspieler
2016-02-18T23:41:35+00:00 19.02.2016 00:41
Und wer war nun Quallen und Taubenbraten Schuld?
Bei letzterem tippe ich auf En, übrigens.
Antwort von: Arcturus
20.02.2016 13:07
En hat doch schon gesagt, er war es nicht. Nicht dieses Mal. xD
Antwort von:  Puppenspieler
20.02.2016 13:08
Wer wares dann? xD
Von:  Puppenspieler
2016-02-18T23:40:54+00:00 19.02.2016 00:40
Letzte Runde! :D ♥

Seine Präsenz wurde aufdringlicher, doch Koumei hätte nicht sagen können, ob es Fragen waren, die sich der Mann nicht zu stellen traute, oder ob er ihm Stillen sein Verhalten kritisierte.
-> Seine Präsenz wurde aufdringlicher, doch Koumei hätte nicht sagen können, ob es Fragen waren, die sich der Mann nicht zu stellen traute, oder ob er IM Stillen sein Verhalten kritisierte.

Betont langsam ob er den Blick von den kleinen Steinchen auf der Straße vor ihm, sah zu der Biegung hinter der der Weg vor ihm hinter den Kiefern verschwand und hinauf zum Himmel, dessen dunkles Grau weder gelb noch rosa oder rot, sondern einfach immer heller wurde.
-> Betont langsam HOB er den Blick von den kleinen Steinchen auf der Straße vor ihm, sah zu der Biegung[KOMMA] hinter der der Weg vor ihm hinter den Kiefern verschwand und hinauf zum Himmel, dessen dunkles Grau weder gelb noch rosa oder rot, sondern einfach immer heller wurde.

Nur widerwillig und nach einigem Blinzeln rückte das Grau des Himmels und die Kronen der Kiefern darunter wieder in seinen Fokus.
-> Nur widerwillig und nach einigem Blinzeln rückteN das Grau des Himmels und die Kronen der Kiefern darunter wieder in seinen Fokus.

Mit jedem Schritt, den er näher trat, bildete sich die Konturen deutlicher heraus.
-> Mit jedem Schritt, den er näher trat, bildeteN sich die Konturen deutlicher heraus.

Bei Sonnenlicht mochte weiß leuchten, so wie sie es bei der Errichtungszeremonie vor fast einem Monat getan hatte, im trüben Dämmerlicht des Morgens wirkte sie nur wie ein Ungetüm, das hinter den Bäumen im Dunst lauerte.
-> Bei Sonnenlicht mochte SIE weiß leuchten, so wie sie es bei der Errichtungszeremonie vor fast einem Monat getan hatte, im trüben Dämmerlicht des Morgens wirkte sie nur wie ein Ungetüm, das hinter den Bäumen im Dunst lauerte.

Die Weg war so, wie er sie in Erinnerung hatte, aber für ihn sah ohnehin jeder Waldweg aus, wie der andere.
-> Da ist irgendwo ein Geschlechtfehler, aber ich bin nicht sicher, wie es eigentlich gehört; die WegE, oder der Weg? Either way, Geschlecht/Anzahl angleichen!

Erst so schwach, das er es sich einzubilden glaubte.
-> DASS, nicht das.

Und der Kommentar!

Koumei ist niedlich. Ich finde es beeindruckend, wie sehr er über sich hinauswachsen kann aus Sorge um seinen Bruder. Es ist einfach ein so liebenswertes Zeichen dafür, wie wichtig sie alle einander sind.

Und es ist liebenswert, wie Koumei immer von "seinem Soldaten" denkt. ♥

Ach je, ich kann eigentlich nicht in Worte fassen, wie wunderschön ich das Kapitel finde. Die Interaktion zwischen Mei und En ist herzerwärmend, und dass Ja'far neuerdings fünfköpfig und feuerspeiend ist, ist natürlich auch awesome! Aber es gibt einfach keine Worte dafür!
Wisse, ich finde es wunderbar. Absolut wunderbar. :)

Auch jetzt noch, tausend Dank für diese wunderwunderwunderschöne FF! ;w; ♥ Happy!
Antwort von: Arcturus
27.02.2016 22:00
Ich hab dir die FF auch wirklich gern geschrieben. Die Charas sind mir beim Schreiben alle ans Herz gewachsen, sie sind so schlimm! °^°
Und es freut mich, dass das auch so rüber kommt.

Und jep, es ist sein Soldat. Chuu'un weiß es vielleicht noch nicht, aber Mei wird ihn nicht freiwillig wieder rausrücken. Ihn nicht und En auch nicht.
Von:  Puppenspieler
2016-02-18T23:09:26+00:00 19.02.2016 00:09
Fehlerchen:

Von seiner Standort außerhalb der Stadtmauern Rakushous aus konnte Kouen die Feiernden in den Straßen nicht sehen, doch er sah das Lichtermeer der Lampions.
-> Von seineM Standort außerhalb der Stadtmauern Rakushous aus konnte Kouen die Feiernden in den Straßen nicht sehen, doch er sah das Lichtermeer der Lampions.

Unter den Stofflagen, konnte Kouen das Beben der Schultern des Anderen sehen.
-> ohne Komma.

Es war ein angenehmes, warmes Lachen, dennoch war Kouen, als hätte er etwas gesehen, das er nicht hätte nicht hätte bemerken sollen.
-> "nicht hätte" einmal weg.

Kouens warf einen knappen Blick über seine Schulter, dann richtete er sich auf.
-> Kouen ohne S

Und noch etwas bemerkte Kouen in diesem Moment und nur das hielt ihn davon ab, nach Sin barsch zurück in den Wald zu drängen.
-> das "nach" sollte weg, oder?

„Ist das?“, hörte er Sin hinter sich fragen, doch Kouen hob nur unwirsch die Hand, um ihn zu bedeuten still zu sein
-> „Ist das?“, hörte er Sin hinter sich fragen, doch Kouen hob nur unwirsch die Hand, um ihM zu bedeuten still zu sein

Und der Kommentar!:D ♥

Ich finde es erschreckend, dass En Hakuren zutraut, nackte Händler auf ihn zu hetzen als Streich. Wie oft hat Ren bitte etwas getan, das solche Streiche suggeriert?!xD Ich würde sehr gern davon lesen.
Und natürlich musste Sinbad sich mal wieder ausziehen. Langsam glaube ich, unser lieber Hochkönig ist ein kleiner Exhibitionist... (Ach, was rede ich. Sicher ist er das.)
Und dass er sogar Mei solche Streiche zutraut... da fragt man sich wirklich, was im Hause Kou so alles abgeht hinter verschlossenen Palasttoren. Nichts Gutes, so viel ist klar.

Es ist zu schade, dass am Ende Sin und En auf so einem negativen Schlussgedanken hängengeblieben sind. Sie hätten Freunde werden können! Und ihre Interaktion war wirklich großartig! *^*

Nach wie vor finde ich es schade, von dem Dungeon nichts zu lesen zu bekommen. Es war sicher verdammt spannend da drin - aber he, das hätte eindeutig den Rahmen gesprengt, und so viel Action in dem eher ruhigen Tonfall der Geschichte... wer weiß, ob das noch harmoniert hätte.

Ein Hoch auf Ja'far und seine Assassinentricks, dass all die Wachen ausgeschaltet worden sind, ohne ernsthaft verletzt zu werden. Das ist schön. ♥
Antwort von: Arcturus
27.02.2016 21:32
Wann Hakuren etwas ähnliches getan haben soll? Bestimmt zwei, drei Mal und immer dann, wenn En am wenigsten damit rechnet, Mei. (Wie du vielleicht mittlerweile an anderer Stelle erahnen konntest.)
Und nein, Mei ist keinen Deut besser - nur mehr hinten rum.

Und ja, natürlich muss sich Sin ausziehen. Mindestens einmal nackt mit ein paar Pflanzenteilen vor dem Gemächt durchs Bild zu huschen gehört zu Sin dazu, wie Schlangen zu Heliohapt.
(Und natürlich ist er das - oder zumindest steht er ausgesprochen gern im Mittelpunkt, egal wie.)

Ich denke, auf seltsame Art und Weise sind sie auch Freunde - selbst bei den negativen Schlussgedanken. Du weißt doch, wie das bei Sin normalerweise anfängt. Sie wollen ihm (fast) immer erstmal ans Leder und so ein Dungeon ist lang und einsam.

Ob ich den Dungeon noch schreiben werde, weiß ich nicht. Das wäre viel Action auf einmal. ö_ö
Von:  Puppenspieler
2016-02-18T22:21:58+00:00 18.02.2016 23:21
Mei-Fehlerfindung:

Hatte der Junge gerade ihn gerade–
-> das erste "gerade" gehört weg.

Jetzt der Kommentar! ♥

Puh, wo fang ich an? Ich liebe es, wie du die Kleinen schreibst. Es kommt unglaublich authentisch an, dass sie dahergelaufene Pimpfe sind.
Ich mag es, dass Yuu seine Familie doch so gut kennt, dass er eigentlich jeden Streich und jeden Ärger zuordnen kann, dass er hinter Fassaden und in kleine Köpfe blicken kann - aber es hat mich dafür umso wehmütiger gestimmt, dass er vor einigen Jahren Koumeis Stimme hätte zuordnen können und heute nicht mehr. Es hat... unglaublich viel darüber ausgesagt, wie wenig er heutzutage von seiner Familie mitbekommt, und weil dieser Satz so verdammt eindrucksvoll war, ist er eindeutig mein Lieblingspart in dem ganzen Kapitel.

Mir tut Mei übrigens doch ein wenig sehr Leid mit dem heftigen Mobbing. Da haben ein paar Herrschaften echt die Grenzen nicht gefunden.
Judar und Anhang hätten den versohlten Hintern definitiv verdient gehabt - aber he, irgendwie ganz gut, dass sie ihn nicht kassiert haben, irgendwie habe ich das Gefühl, der kleine trotzige Priester hätte danach demonstrativ nur noch ärger weitergemacht.
Antwort von: Arcturus
27.02.2016 21:21
*Fehler kick*

Es freut mich wirklich zu hören, dass Yuu und die kleinen Nervensägen so gut rüber kommen.
Die kleinen, rothaarigen Rotzplagen haben mir - und machen mir auch weiterhin - viel Spaß, wie du vielleicht erahnen kannst.

Und was Mei anbelangt - der Gute kann einem zwar ziemlich Leid tun, das stimmt, aber vermutlich verbirgt sich hinter dieser Episode weniger Mobbing, als es den Anschein hat. Die Streiche beruhen ziemlich sicher auf Gegenseitigkeit - und Mei kann, wie zumindest En im vorherigen Kapitel erfahren durfte, genauso gut austeilen, wie die Pimpfe. (Auch wenn der Streich wirklich in die Übers-Knie-dafür-Kategorie gehört. Aber ja, Judar hätte sich dafür ziemlich sicher gerächt.)
Von:  Erenya
2016-02-10T11:38:41+00:00 10.02.2016 12:38
Auch wenn ich mir nun Feinde mache... Der Spruch "Es würde mich auch nicht interessieren wenn ein Reissack in China umfällt", bekommt nun eine vollkommen neue Bedeutung für mich.
Aber armer Mei, er muss fast tausend Tode gestorben sein. Und dann kommt En raus so ganz cool like "I don't care". XD Immerhin es gibt zwei Happy Ends X'D Ja'far wird also doch noch Feuer spucken.
Von:  Erenya
2016-02-10T11:16:32+00:00 10.02.2016 12:16
Hach sie hätten so gute Freunde sein können. XDD Das Gespräch war einfach herrlich. Schade dass das Ende sie so zu Rivalen macht. ;__; Sie hätten sicher gute Freunde sein können. Und dann hätte die Kou Familie noch seinen Spaß mit Sin gehabt XD
Ein schöner One-Shot. Atmosphärisch sehr schön und auch Handlungstechnisch.
Von:  Erenya
2016-02-10T10:58:20+00:00 10.02.2016 11:58
Echt jetzt? Judar über den Schoß legen? Dazu müsste man den Zwerg erstmal vom Himmel holen. Wäre nur zu schön zu sehen, wie Yuu das gemacht hätte. XD ich Glaube Judar hätte mehr Spaß dabei gehabt als Yuu.
Aber Kouha? Nein, der hat den Klaps auf den Po nicht verdient. D meinte er doch nicht böse. Er wollte doch nur spielen. Er... Okay... dafür gibts echt keine Entschuldigung. ;__; Mei kann einem schon leid tun, dass er so ein ungnädiges Opfer ist.
Von:  Erenya
2015-06-06T12:21:14+00:00 06.06.2015 14:21
Ein interessanter OS. Und wirklich sehr amüsant. Vor allem weil schon rausgearbeitet ist, diese Beziehung zwischen En und Mei und wie En zu Sindbad steht. Der stumme Bewunderer, der Sin aber nicht mag.
Wirklich eine niedliche Story. Auch wenn mich die Täubchen noch etwas verwirren. Oder die Quallen.
Von:  Puppenspieler
2015-03-01T06:51:02+00:00 01.03.2015 07:51
Bevor der sinnige Kommentar kommt, hier einmal die spontane Fehlerfindung:

Der Ort, an dem der Djinn, Valefor das Abkommen mit dem Königsgefäß schließt.
-> Der Ort, an dem der Djinn, Valefor[KOMMA] das Abkommen mit dem Königsgefäß schließt.

Das sie beide ganz genau wussten, wer recht hatte, half überdies.
-> DASS sie beide ganz genau wussten, wer recht hatte, half überdies.

Unter dem Vordach blieben sie trocken, doch der Schnee erreichte die Decke und das Säckchen mit Taubenfutter, dass er zum Lesen mitgenommen hatte, und hinterließ auch dort eine feine Schicht Schneekristalle.
-> Unter dem Vordach blieben sie trocken, doch der Schnee erreichte die Decke und das Säckchen mit Taubenfutter, DAS er zum Lesen mitgenommen hatte, und hinterließ auch dort eine feine Schicht Schneekristalle.

So! Und nun zum Kommentar! :D ♥

Ich will auch wissen, wer Schuld an den Quallen ist. Und an dem Taubenbraten. |D Die Vorstellung, wie sich die ganzen Kou-Kids gegenseitig Streiche spielen und das Leben zur Hölle machen, ist absolut herrlich.
Allein eine Streiche-Chronik aus dem Haushalt würde garantiert eine epische Geschichte ergeben! Auch wenn mir die jeweiligen Opfer immer wieder Leid tun würden... Ach ja.

Mir gefällt es wahnsinnig gut, wie du En und Mei dargestellt hast. Die ersten paar Zeilen, bis ich gerallt habe, dass es in ihrer Kindheit spielt, bin ich echt gestolpert, aber es passt wahnsinnig gut zu ihnen! Besonders Koumeis Faulheit hast du herzallerliebst dargestellt; dass er noch nicht zu faul zum Atmen gewesen ist, ist ja schon ein Wunder. xD

Ich mag es, dass du im Wesentlichen... hm. Ja. Mehr Show als Tell benutzt. Große, ausschweifende Erzählungen sind ja schön und gut, aber ich mag es, dass du mit Handlungen, Mimik und Gestik viel besser rübergebracht hast, wie die Beziehung der Geschwister zueinander ist, als hättest du es wortreich erklärt. Sehr toll!
Auch großartig finde ich, wie sehr man eigentlich mitkriegt, was En von Yuu hält, und das nur aus einem Dialog heraus. Sowas mag ich total!

Mir hat die Atmosphäre gefallen. Man spürt einfach wirklich, dass man da keine Erwachsenen vor sich hat, und das ist eine große Kunst, finde ich, die viele Autoren nun leider nicht beherrschen.

Ich geh jetzt weiterlesen! :D ♥


Zurück