Die von Feuer Geküsste von yazumi-chan ================================================================================ Die von Feuer Geküsste ---------------------- Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, als Ignis die Stufen zum Heiligtum erklomm. Der Berg, dessen Spitze in niemals schwindenden Eisnebel gehüllt war, stellte die letzte Hürde in ihrer Lehre als Spiris dar und gehörte zu der gefährlichsten der Prüfungen, denen sie sich hatte unterziehen müssen. Neben dem Gehen über brennende Kohlen, dem Tauchen bis zur Bewusstlosigkeit und dem Freiem Fall mit notdürftiger Sicherung war das keine leichtfertige Feststellung. Nicht alle ihrer Mitstreiter hatten die Prüfungen unbeschadet überstanden, aber das gehörte zur Auslese dazu. Der eisige Wind drückte gegen sie und ihre Schuhe aus gefüttertem Leder rutschten trotz aufgerauter Unterseite gefährlich oft auf dem Eis ab. Mit aufgeplatzten Lippen und tauben Wangen stieg Ignis weiter, einen Schritt nach dem anderen. Sie wusste nicht, wie lange sie schon gegen den tosenden Schneesturm angekämpft hatte, aber Zeit verlor soweit oben, so nah am Tod, seine Wichtigkeit. Hinter ihr ertönte ein schriller Schrei, als eine der anderen Spirisanwärter in die Tiefe stürzte. Der Ton verklang, je weiter sich der Körper dem Boden näherte. Mit ein wenig Glück würde sie ihr Training auch in dieser Situation nicht verlassen. Sicher war Ignis jedoch nicht. Das Heiligtum war kulturelle Stätte und Prüfung zugleich. Nur einer, der ein Spiris im Geiste war, konnte ihn unversehrt erklimmen, und Ignis zweifelte immer mehr an diesem letzten Teil des Versprechens, das ihre Mentoren ihnen zum Abschied gegeben hatten. Die anderen Prüfungen mochten einen Anwärter verletzt oder gar verkrüppelt zurücklassen, der Berg hingegen nahm Leben. Nur die Selbstbewussten, die Mutigen, wagten den Aufstieg. "Da!", rief plötzlich Freezus, der schon früh die Führung übernommen hatte und nun als erster den Nebel erreichte. Seine Fähigkeit, Kälte zu widerstehen, hatte ihm schon zu Beginn der Lehre seinen Namen gesichert. Ignis setzte weiter einen Fuß vor den anderen und bemühte sich, nicht zu oft nach Freezus Ausschau zu halten, der inzwischen im Nebel verschwunden war. Die Kälte machte ihr, einer Feuerbegabten, von allen Prüfungen am meisten zu schaffen, aber als Spiris musste sie in der Lage sein, allen Elementen gleichermaßen Stand zu halten. Bevor sie den Nebel erreichte, hörte Ignis weitere zwei Mal einen erstickten Schrei. Niemand schien dieses Mal gestürzt zu sein, aber eine Verletzung, die am Weitergehen hinderte, galt als fehlgeschlagene Prüfung. Unter einem der Schreie meinte Ignis den ihres besten Freundes, Aquis, herausgehört zu haben, aber Hilfestellung war den Anwärtern untersagt und so sehr sie sich um ihn sorgte, war sie ihrem Ziel nun zu nahe, um noch zurückzuschauen. Eine Woge Eiskristalle traf sie, als der Nebel sie wie aus dem Nichts umhüllte und biss in ihre Haut, durch ihre Lederhandschuhe und fraß sich zwischen allen Lücken hindurch, die durch die Nähte in ihrem Mantel entstanden waren. Ignis hielt in der Bewegung inne und bemühte sich, ihren Fokus nicht zu verlieren. Die eisige Kälte war so überwältigend, dass sie kaum in der Lage war, zu atmen, und wenn, dann spürte sie regelrecht, wie der Frost ihre Kehle von innen zerschnitt. Mit aller Willenskraft, die sie aufbringen konnte, drückte Ignis aus dem tiefsten Innern ihres Körpers gegen die auf sie einströmende Eiswand und beschwor alle Energie, die nicht zur Verteidigung gegen die Kälte eingeflossen war, für einen Funken Wärme in ihrem Blut auf. Langsam aber sicher kehrte ein wenig Gefühl in ihr Gesicht, ihre Hände und Füße zurück, ein prickelnder, stechender Schmerz, auf den sie in diesem Moment gerne verzichtet hätte, aber sie zwang sich vorwärts, ein Schritt, ein Atemzug. Sie durchbrach den Nebel. Der Himmel war von dem leuchtenden Weinrot, das Ignis nur aus den wolkenlosesten aller Tage kannte und die beiden Monde, deren blassblaue und graugestreiften Oberflächen einander überlappten, standen wie zwei matte Scheiben am Firmament. Der Anblick ließ Ignis´ Herz höher schlagen und sie vergaß für einen Moment, zu zittern. Dann spürte sie eine Präsenz, wie ein Atemhauch auf ihrem Gesicht und tausend leise, flüsternde Stimmen sprachen in ihr Ohr. "Willkommen, Spiris", wisperten sie, wieder und wieder, bis die Erkenntnis ihres Erfolgs wie eine Feuerwoge durch Ignis hindurch wusch. Sie hatte bestanden. Erleichtert lachte sie auf, nur um zu merken, dass die Kälte in ihren Gliedern sie verlassen hatte. Ihre Finger verblieben in einem wunden Violett, doch der Schmerz war verschwunden. "Fühlt sich gut an, oder?" Ignis hob den Blick und entdeckte Freezus, der weiter oben auf dem Heiligtum auf sie wartete. Die letzten Steinstufen, die aus dem Nebel herausragten, wanden sich bar von Eis die schroffe Gebirgswand empor, bis sie auf das schräge Plateau führten. Mit einem inneren Frieden in sich, den Ignis nie zuvor empfunden hatte, stieg sie die letzten Stufen empor und reihte sich neben Freezus ein, der eine Hand an ihren Hals legte, die Geste für Respekt und Anteilnahme. Ignis tat es ihm gleich und gemeinsam wandten sie sich der Treppe zu. Sechs von ihnen hatten alle Prüfungen bis hierhin bestanden. Drei hatten ihre Chance verfehlt. Einer von ihnen musste noch um sein Bestehen ringen. Aero entstieg dem Nebel langsam, als kämpfe er gegen zähen Schleim an, doch nach einigen, langen Augenblicken entriss er sich dem Eis und tauchte voll daraus hervor. Seine Wimpern waren schneeverkrustet, doch kaum, dass er die Augen aufschlug, schmolz alles Eis von ihm ab und er sah sich um wie ein Blinder, der zum ersten Mal die Welt erblickt. "Du hast es geschafft", sagte Ignis und wartete geduldig, bis Aero sich gefasst hatte und zu ihnen auf das Plateau stieg. Kaum, dass die Begrüßungen der drei ausgetaucht waren, hüllte Licht die Gruppe ein und Ignis gab eine erstickten Laut von sich, als Feuer sich durch ihre Ledergewänder fraß, die niemals hätten brennen dürfen. Flammen, so heiß, dass sie ihre Haut in Sekunden verkohlen müssen, umhüllten sie und ein verzweifelter Blick zu ihren Mitstreitern verriet Ignis, dass nicht nur ihr ein Element entgegen schlug. Aero wurde von einem tosenden Wirbelsturm erfasst und in die Höhe gerissen, während Freezus neben ihr zu gefrieren schien, seine Haut kristallblau und dampfend. So schnell, wie der elementare Angriff begonnen hatte, endete er auch wieder. Ignis fand sich nackt auf ihren Knien wider, so wie Aero und Freezus neben ihr. Sie atmeten erleichtert aus, unsicher, was geschehen war. "Du bist gereinigt", flüsterten die tausend Stimmen und Ignis erhob sich, schwankend. Alles in ihr schien zu brennen, aber auf eine wunderbare, intime Weise. "Mache dir die Elemente zum Untertan, Ignis, die von Feuer Geküsste. Deine Zeit ist gekommen." Neben ihr holte Freezus tief Luft, bevor er sich in einer Spirale aus Eis gen Himmel tragen ließ und Aero, dessen Augen wie nie zuvor leuchteten, nahm Anlauf, sprang vom Heiligtum und flog mit den Eiswinden davon. Ignis breitete ihre Arme aus und Feuersäulen schossen in einem Kreis um sie empor. Hitze und Funken hüllten sie ein und als die Flammen an den Unterseiten ihrer Fußsohlen leckten, ließ sie sich durch den Schub in die Höhe katapultieren. Sie schloss die Augen − und lachte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)