Der Geschmack der Rache von Suma ================================================================================ Rache ist süß, hm? ------------------ Seit Kaplar's heiligem Krieg wird in Tarbes die Kunst des Kampfes gelehrt. Damals rettete sie vielen das Leben und sorgte dafür, dass das Volk der Tarbin die gefürchtete Zeit überstand. Viele Menschen kommen seit je her zu der Tartar-Schule um den Weg des Kriegers zu beschreiten, sei es nun aus Stolz zum Lande oder anderen Gründen. Dort lehrt man sie nicht einfach nur den Umgang mit ihren Waffen, sondern auch die tiefgründigen Regeln des Weges. Kina ist eine derjenigen, die die Klasse der Schwertkampfkunst besuchen darf. Vor drei Jahren wurde sie mit ihrem damaligen Alter von gerade 16 Jahren auf dem Weg des Kriegers aufgenommen. Damals reiste sie extra mit ihrem älteren Bruder Randall nach Tarbes, wo dieser sich als Bäcker verdingte um den Lebensunterhalt für sich und seine Schwester darzubringen. Auf der Schule steht Kina seit Beginn mit der zwei Jahre älteren Sandria im Konkurrenzkampf. „Das Streben nach Macht ist wie das Streben nach Liebe“, erklärte Lehrmeister Albertus seiner Klasse wie so oft „man kann sie sich nicht einfach nehmen, sondern erhält sie erst, wenn jemand bereit ist, sie dir zu geben. Macht wird uns also verliehen... Doch sie wird gefährlich, wenn man zu viel von ihr besitzt. Zu viel Macht führt vom Wege ab.“ Damit war der tägliche Denkanstoß gegeben und die Schüler des Weges durften mit ihrem Kampftraining beginnen. Wie so oft blickte Sandria voller Neid hinüber zu Kina, die ihre Übungen mit solch präziser Perfektion ausführte, dass Albertus und andere Schüler lobend an ihr vorbei gingen, wenn sie die Möglichkeit dazu bekamen. >Ich übe viel öfter.. viel mehr als sie, bin viel stärker... aber dennoch widerfährt nur ihr das ganze Lob, nicht mir!“<, dachte Sandria, während sie sich ihren Übungen widmete, wobei sie mehrmals vom Lehrmeister korrigiert werden musste. Am Abend kehrte Kina erschöpft nach Hause zu ihrem Bruder zurück, wo sie gemeinsam aßen und über die Fortschritte des Tages sprachen. Anschließend begab sich Kina in ihr Bett, wo sie sogleich einschlief, während Randall unten vor dem Kamin noch etwas las. Gegen Mitternacht schreckte Kina aus ihrem Schlaf auf. „Wer schreit des Nachts so laut im Licht des stetig wandernden Mondes?“, fragte sie sich, während sie die Treppe zum Erdgeschoss hinabstieg. Unten angelangt begab sie sich in die Stube um dort ihren Bruder danach zu fragen, ob er auch etwas gehört habe. Als sie jedoch durch die Tür schritt, blickten ihr zwei dunkle Augen unverwandt entgegen. Neben der schemenhaften Gestalt, zu der besagte Augen gehörten, lag Randall reglos neben dem gemütlichen Sessel. Der einzige Glanz in seinen Augen war das tanzende Flackern des sich spiegelnden Kaminfeuers. „Verlasse den Weg des Kriegers, wenn du deinen Liebsten ein solches Schicksal ersparen möchtest, wie es ihm widerfahren ist.“ Die Stimme der Gestalt kam Kina sehr bekannt vor. „Sandria!“, schrie sie ihr nach, als nur noch die blutgetränkte Schwertklinge in der Ferne im Licht des Mondes aufblitzte. Egal wie, sie würde ihren Bruder rächen. Mit diesen Gedanken beschritt Kina den Weg des Kriegers weiter, während von Zeit zu Zeit mehrere ihrer Freunde das Schicksal kennen lernten, welches Sandria ihnen brachte. Sandria selbst ließ sich jedoch nirgendwo öffentlich sehen, agierte im Verborgenen. „Die Rache ist ein düsteres Gelüst. Sie bringt nichts Gutes hervor, sondern färbt das Dunkle nur noch schwärzer und das Blut röter, bis schließlich alles Verderben so dickflüssig und bitter sich vereint.“ Mit diesem Denkanstoß war das heutige Training eröffnet. Doch statt wie immer eine perfekte Figur abzugeben trat Kina aus der Menge zu ihrem Lehrmeister. Albertus musterte sie kurz mit einer allwissenden Miene und schien tief in ihre Seele zu blicken, als sich seine Augen mit den ihren trafen. „Du hast ein wichtiges Anliegen, doch ist es wichtig genug um deinem Weg zu entsprechen?“ „Ich möchte stärker werden“, sagte Kina mit entschlossener Stimme. „Du bist bereits stark. Was hat in dir das Verlangen auf mehr Stärke geweckt? Ist es Neid? Nein. Du bist zu stolz für Neid. Ist es Angst? Nein. Du bist furchtloser als ein Löwe, der gegen eine Maus kämpft. Bleibt nur noch...“' „Rache“, vollendete Kina Albertus' Befürchtung. „Darüber haben wir doch eben erst nachgedacht, meine Liebe. Und dennoch dürstet es dich nach Verderben und dem Abweichen des Weges?“ Albertus sah sie tadelnd an, als spreche er mit einem Kind, in dessen Kopf sich statt einem Gehirn ein Strohballen befand. „Sandria hat den falschen Weg betreten. Ich muss ihr auf diesem folgen um unseren heiligen Weg zu schützen.“ Statt mit Stroh war Kina's Kopf weiter nur mit Entschlossenheit und düsteren Gedanken gefüllt. Ihr Lehrmeister blickte ihr in die Augen, schien einige Zeit in Schweigen gehüllt zu überlegen... und nickte dann. „Ich werde dich die Stärke des steinigen Weges lehren, doch wenn du stolperst, geschieht das auf deine eigene Verantwortung.“ Und so begannen harte Trainingsstunden, abgelegen im Geheimen und erschöpfend wie ein Dauerlauf durch die Wüste. Kina stählte ihren Geist, härtete ihre Muskeln und schärfte ihr Schwert. Wenn sie zu Anfangs jede Partie Schach gegen ihren Meister verlor, so besiegte sie ihn schon nach vier Monaten in der Hälfte der Partien. Nach einem Jahr konnte sie schließlich mit ihrer Klinge einen Baum mit nur einem Schlag fällen, während sie Albertus schachmatt setzte und zugleich ein Gedicht über den Tod dichtete. Noch ein weiteres Jahr später vermochte sie jegliche Gefühle zu unterdrücken und Kühe zu köpfen ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Da befand sie sich als bereit, bedankte sich stumm bei ihrem Lehrmeister und verschwand ohne ein weiteres Wort über Nacht. Kina wanderte über die höchsten Berge, durch die dichtesten Wälder, beschritt die längsten Straßen und durchschwamm die tiefsten Gewässer. Überall, in jedem Ort, jede Person... Egal wie oft sie fragte, viele konnten ihr nichts über Sandria sagen. Weder wo sie war, wo sie ist, oder wo sie sein würde. Doch schon bald suchte sie das Felsendorf auf, aus dem ihre Feindin stammte. Hier wurde sie geboren, doch sofern sie sich hier nicht aufhielt, würde sie an einem anderen Ort ihr Ende finden. Von hier aus ließ sich Sandria's Weg leichter verfolgen. Der einzige Bauer der Gegend erzählte, sie sei vor kurzem hier vorbei gekommen und wäre weiter Richtung Norden gezogen. So zog auch Kina gen Norden, verfolgte die Worte, die sie von Leuten erhielt denen sie begegnete. Und so dauerte es nicht mal zwei Wochen, da hatte sie sie eingeholt. Hier so weit im Nordgebirge fielen dicke Flocken und färbten den Boden weißer und weißer. Als sich die Schneefront gegen Abend etwas legte sah Kina in der Ferne ein sonnenähnliches Licht. Doch es handelte sich nicht etwa um die untergehende Sonne am dunklen Horizont, nein. Es war ein Lagerfeuer. Von dem verzweifelten Wunsch geleitet, Sandria endlich zu treffen, stürmte Kina auf geradem Wege darauf zu und noch ehe sie das warme Licht erreicht hatte, zückte sie auch schon ihr Schwert. Sandria, die bis eben seelenruhig vor den Flammen gesessen hatte, stellte sich ihr ebenfalls mit gezogenem Schwert entgegen und bleckte grinsend die Zähne. „Da bist du ja endlich, Kina-lein~“ „Meine Hände, mein Schwert sind nur dazu geschaffen dich auszulöschen wie das Wasser einen Brand löscht“, sagte Kina ohne Umschweife. Man sah ihr wieder die Entschlossenheit an, mit der sie den steinigen Weg beschritten hatte. Doch auch die blinde Wut leuchtete in ihren Augen, als sie mit Sandria die Klingen kreuzte. Es folgten Schlag auf Schlag. Schlag auf Schlag. Verbissen wehrte Sandria die Schläge des wahrhaftigen Racheengels ab, doch Kina ließ sich nicht zurück drängen. Wieder folgten Schläge auf Schläge und schließlich holte Kina ein letztes Mal aus, brachte ihre Gegnerin mit dem nächsten Schlag zum Stolpern und stach ihr die Schwertspitze ohne zu zögern in die Brust. Röchelnd sank Sandria zu Boden und presste sich die Hand auf die blutende Wunde, aus der Kina bereits ihre Klinge zurückgezogen hatte. Lachend sah Sandria zu ihr auf, wissend dass sie selbst nicht mehr lange zu leben hatte. „Rache... ist süß, hm?“ Nach einem folgenden blutigen Husten leerten sich ihre Augen und sie kippte leblos ins Liegen, wo der langsam fallende Schnee sie allmählich bedeckte. Kina, dir mit ihrer Hand über das Blut auf ihrer Klinge gefahren war, führte ihre Finger gedankenverloren zu ihrem Mund und leckte sie ab. „Nein...“, bitter und dickflüssig wie das Verderben, das die Rache bringt. Ihr Lehrer hatte Recht behalten. Und so sank Kina, deren Gefühle sich über die lange Zeit hinweg verborgen in ihrem Herzen gestaut hatten, weinend neben den auskühlenden Körper in den Schnee, wo sie verweilte, bis sie nichts mehr spürte und sich von dieser Welt loslöste, ohne den Frieden gefunden zu haben, der es ihr erlaubt hätte, ihrem Bruder zu folgen. Hosted by Animexx e.V. 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