Veränderung von hare ================================================================================ Kapitel 7: Vertrauen -------------------- Eine Stunde konnte kurz und lang sein. Ich beeilte mich, mir Zeit zu lassen, und stieg unter die Dusche, um den Geruch von Wald, Rauch und Simons Parfum von mir zu waschen. Er wurde von dem künstlichen Vanillegeruch des Duschgels und dem sauberen Kräuterduft des Shampoos verdrängt. Die ebenmäßigen Zähne wurden geputzt, das nasse Haar ausgekämmt und in ein Handtuch gewickelt. Zwei Blätter segelten zu Boden. Ich warf sie weg. Aus Hannahs Kleiderschank entnahm ich lockere, dunkle Jeans, gepunktete Socken und ein weites Hemd, an welchem noch der Geruch ihrer Exfreundin hing. Erinnerungen brachen hervor. Flüchtige Berühurngen. Sanfte Küsse. Hannah, die ihre F r e u n d i n küsste. Die ihr das Herz gebrochen hatte, von dem eine Hälfte unwiederbringlich ihr gehörte. Ich hatte die Erinnerung an ihre Trennung nie angesehen, ich hatte zu viel Angst davor, sie war die letzte, private Barriere, die Hannah vor mir verbarg. Die Momente danach kam en ungefragt an die Oberfläche. Hannah, die Jacke aufhängend, die Jarov, ihren kleinen Bruder, herumwirbelte, als er die Treppe herunter kam um sie zu begrüßen, und dann zu weinen begann, mit ihm tonnenweise Schokolade aß, aus seinen Geheimvorrat, in seinem Stockbett, als er von ihrer Trennung erfahren hatte. Ihre Eltern, die die Beziehung nie wirklich bemerkt oder verstanden hatten. Ihre Großmutter, die sie wissen ließ, dass sie nun wieder bei ihr willkommen war, und Hannah, die das Angebot stolz ablehnte. Ich löste das Handtuch und schüttelte das lange Haar aus, holte die Zeitung aus dem Briefkasten und las unruhig, wartend. Endlich kam Marie, und während ich zur Tür ging, wünschte ich, sie würde wieder gehen. Es klang einfach zu verrückt. Ich bat sie trotzdem herein. Sie bewegte sich, als würde sie hier wohne, kickte die Schuhe in die Ecke, in der meine auch lagen, hängte die Jacke an einem Kleiderbügel auf, die sie trotz der warmen Temperaturen trug, Wir setzten uns mit Kaffee und Zitronenwasser in den Garten, redeten, erst Smalltalk. Dann fragte Marie, wo ich eigentlich gewesen war, anstatt in die Schule zu kommen. Ich sah in die Bäume. „Warst du mit jemanden unterwegs? Sag schon!“ „Sozusagen.“ „Also..?“ Ich nippte an meinem Kaffee, erinnerte mich, als ich ihr gebeichtet hatte, dass ich eine Freundin hatte. Als sie mir geschworen hatte, dass ich ihr alles erzählen konnte. Alles. „Weißt du noch als ich dir von meiner Freundin erzählt habe?“ Sie nickte. „Ich kann dir alles erzählen, richtig? Egal was?“ „Du machst mir Angst.“ erwiderte sie, besorgt, legte die schöne Stirn in Falten. „Fühlst du dich manchmal, als wärst du in einem falschen Leben gefangen, Marie? Als würdest du gar nicht hierher gehören?“ Sie hörte konzentrierter zu,als ich gehofft hatte. Sie war mit Hannah zu gut befreundet, als dass es sie nicht interessieren würde. „Ich gehöre hier nicht wirklich her, Hannah, du auch nicht. Wir sprechen die Sprache zu schlecht.“ Marie spielte auf eine unerfreuliche Begegnung mit Jugendlichen an, die sich an unseren Akzenten gestoßen hatten. Aber ich schüttelte den Kopf. „So, als würdest du ein anderes Leben leben. Das von jemand anderem.“ „Bist du adoptiert?“ „Nein, Marie.“ Ich sah sie an, dunkle Augen trafen blau. Ruhe auf Besorgnis. „Ich bin tot.“ Marie dachte nach, der Satz schien für sie keinen Sinn zu ergeben. „Nimmst du Drogen?“ Ich schüttelte den Kopf, auch, wenn ich es letzte Nacht getan hatte. Die Drogen waren kein Problem, zumindest noch nicht. „Wo war ich in der Zeit zwischen zweitem und achten Juni?“ fragte ich sie, und sie schien sich nicht erinnern zu können. „Es ist, als wäre alles wie immer gewesen, aber ich kann mich nicht... ich habe kein Bild vor Augen, ich weiß nicht, über was wir geredet haben, was du gegessen hast, ob irgendetwas besonderes passiert ist. Aber du warst da, da bin ich mir sicher... glaube ich.“ Marie schien nach und nach die Tiefe der Ereignisse zu begreifen. Ich auch. Hannahs Eltern waren verreist, sie würden Veränderungen sofort bemerken, so gewann ich Zeit, mich an mein neues Leben zu gewöhnen. Und Marie... sie sollte mir wohl dabei helfen. „Ich bin am zweiten Juni gestorben.“ sagte ich, mehr zu mir selbst als zu Marie. „Davor... davor war ich Julia Maurer. Aber ich bin tot. Siehst du? Es steht in der Zeitung!“ Ich stand auf, holte den Artikel, den ich sorgsam zwischen meinen Büchern versteckt hatte, zeigte ihn einer versteinerten Marie, deren beste Freundin gerade den Verstand verloren hatte. Sie las, stumm, aber verstand noch immer nicht. „Ich bin einfach als Hannah aufgewacht. Ich war nie weg... und gestern, da war ich auf meinem Begräbnis...“ Maries Augen weiteten sich, und sie begann, Fragen zu stellen. „Mit wem?“ „Meinem... Julias Freund, und seinem Bruder. Der mich jetzt mag, aber der mich nie ausstehen konnte.“ „Wie war es?“ „Seltsam. Niemand hat geweint.“ „Auch deine Eltern nicht?“ Kopfschütteln. „Kannst du dich an alles erinnern, an das sich Hannah erinnern kann?“ Nicken. „Weißt du auch noch, was du als Julia gelernt hast?“ „Ich habe nie besonders viel gelernt. In der Schule war ich nie besonders gut, und ansonsten... aber ich konnte gut diskutieren. Ich war beliebt.“ „Fehlen dir deine Freundinnen?“ „Die habe ich alle lange nicht mehr gesehen.“ „Liebst du deinen Freund noch?“ „Es ist anders.“ „Warum?“ „Ich war drogensüchtig. Er nimmt auch welche. Noch mehr als früher, glaube ich.“ „Oh...“ „Ich bin irgendwie immer noch abhängig. Aber anders. Abgesehen davon... er liebt Julia noch. Oder, das, was er für sie empfand, hat sich nicht geändert.“ Ein kurzer, schmerzhafter Stich in der Brust erinnerte mich daran, dass auch Jakobs und meine Beziehung nicht perfekt gewesen war, und fragil wie alles in meinem Leben. Es dauerte noch, bis ich Marie nach und nach davon überzeugen konnte, dass ich nicht verrückt war, und noch länger, ihre zahllosen Fragen zu beantworten. Aber so richtig gelang mir das auch nicht. Bis sie schließlich die Frage stellte, die ich mir ebenfalls seit meiner Auferstehung stellte: „Okay, Hannah... Julia... wie soll ich dich jetzt überhaupt nennen? Sollte das stimmen, und du mir keinen Streich spielen... wo ist dann die echte Hannah?“ Mein Mut reichte nicht, um in Maries Augen zu schauen, als ich die nächsten vier Worte aussprach. „Ich weiß es nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)