This Is Called Love von Shunya (Kurzgeschichten Sammlung) ================================================================================ Kapitel 18: Süße Siebzehn ------------------------- Die Party auf der ich heute bin ist die größte Pleite überhaupt. Da bin ich endlich 17 Jahre alt und durfte endlich, endlich mal meine erste Party schmeißen und dann passiert so etwas! Mein Schwarm Lena steht mit Tobias in einer Ecke und frisst ihm das Gesicht weg! Wütend umgreife ich mein Bierglas noch fester. Alle haben super gute Laune und ich würde mich am liebsten in meinem Zimmer verkrümeln, wären da nicht gerade Anja und Thomas am fummeln. Und was ist mir? Hey, ich sollte heute im Mittelpunkt stehen! Meine freie Hand greift in das Polster des Sofas. Die beiden kutschenden Esel neben mir heben nicht gerade meine Stimmung. Vor allem weil der Kerl dem Mädchen am Arsch herumgrabscht und mit seiner Hand dauernd gegen mein Bein stößt. Das nervt! Überhaupt nervt mich im Moment einfach alles! So habe ich mir das einfach nicht vorgestellt. Aus Frust würde ich am liebsten heulen, aber mit 17 Jahren und auch noch an meinem Geburtstag kommt das bestimmt nicht so gut. Also tue ich das einzig Sinnvolle in dieser Situation. Ich setze mein Bier an die Lippen und trinke es in großen Schlucken. Mein zweites Bier und statt feuchtfröhlich auf dem Wohnzimmertisch halbnackt herumzutanzen hocke ich auf dem Sofa und ziehe eine Fresse wie Sieben-Tage-Regenwetter. Ich stelle meine Bier auf dem Tisch ab und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ob es jemandem auffällt, wenn ich mich in der Garage verstecke? Vielleicht teilt die Maus ihren Käse mit mir, die schon seit einer Woche so gescheit ist und der Falle aus dem Weg geht und trotzdem ihre Ködelspur in der Garage verteilt wie Rotkäppchen ihre Brotkrumen im finsteren Wald? Ich halte es nicht mehr auf dem Sofa aus, erhebe mich abrupt und gehe in den Flur. Die Badezimmertür ist sperrangelweit auf und irgendein Typ, den ich nicht kenne hängt mit dem Kopf in der Kloschüssel. Idiot. Im Schlafzimmer meiner Eltern haben sich scheinbar alle zu einem Knutschduell verabredet. Wird das ein Marathon? Neidisch bleibe ich stehen und sehe ihnen unverhohlen zu. 17 Jahre und ungeküsst. Kann man noch tiefer sinken? Seufzend ziehe ich meines Weges. Irgendwo in dieser vermaledeiten Wohnung muss es doch einen Rückzugsort geben! Zur Not krabbele ich auch unter eines der Betten! Ein Junge rempelt mich an, ignoriert mein 'Hey!' und torkelt einfach mit seinem Freund lallend weiter durch den Flur. Er schwenkt sein Glas Bier so stark herum, dass die Hälfte auf dem Boden landet. Meine Mutter wird einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie das sieht. Ihr guter Teppich! Ich wünschte sie hätte mir diese scheiß Party verboten. Wieso muss sie nur so eine coole Mutter sein und alles erlauben? Oh mann! Sogar mein Hund hat seinen Spaß! Der hängt am Buffet und bekommt von den Leuten um sich herum lauter Fleischbällchen zugesteckt! So ein Verräter! Mit Schmollmund bleibe ich mitten im Flur stehen und lasse die Schultern hängen. Meine Mundwinkel ziehen sich immer weiter herunter und der Kloß in meinem Hals will auch nicht verschwinden, egal wie oft ich auch schlucke. Gerade als ich mich aus Protest einfach auf den Boden setzen will packt mich ein Mädchen am Arm. „Los, komm mit Fabian! Das Spiel beginnt!ˮ „Hä? Was für ein Spiel?ˮ „Ach das hat Junge irgendwo aufgeschnappt! Komm einfach mit!ˮ Alle versammeln sich im Wintergarten und scharen sich in einem Halbkreis um einen Jungen herum. Er hat ein paar Tüten Gummibärchen dabei. „Stellt euch auf: Junge, Mädchen, Junge, Mädchen und so weiter!ˮ, fordert er mit einem breiten sadistischen Grinsen im Gesicht. „Einer nach dem anderen nimmt ein Gummibärchen in den Mund. Bei allen Farben küsst ihr das Mädchen oder den Jungen neben euch. Erwischt ihr aber ein grünes Gummibärchen müsst ihr die Person neben euch aussetzen und euer eigenes Geschlecht küssen, also den Jungen oder das Mädchen neben euch! Das Gummibärchen müsst ihr beim Küssen im Mund behalten!ˮ, erklärt der Junge die Regeln. „Und haltet euch beim Aussuchen der Gummibärchen die Augen zu. Schummeln ist nicht!ˮ Mir wird ganz flau im Magen. Mit Partyspielen hatte ich es noch nie sonderlich. Jetzt müssen wir uns auch noch küssen. Ich meine, bei diesem blöden Spiel bekomme ich auch noch meinen ersten Kuss! Wie unromantisch ist das denn? Zur Hölle, ich würde am liebsten abhauen. Was, wenn ich überhaupt nicht küssen kann? Was, wenn ich... Hastig sehe ich mich in meinem Umkreis um. Okay. Wenn ich Pech habe werde ich von einem Jungen oder einem Mädchen geküsst. Ich selber muss dasselbe tun. Oh je... Mein Herz schlägt heftig in meiner Brust. Meine Hände sind schweißnass. Was mache ich, wenn ich Mundgeruch habe? Und ich habe so viel Bier getrunken. Ach nee, nur zwei Gläser bisher. Sollte noch gehen. Nervös lasse ich den Blick umher schweifen. Der erste Junge nimmt mit geschlossenen Augen ein Gummibärchen aus der Tüte, die der Junge in die Mitte gelegt hat. „Los, Mund auf!ˮ Er streckt die Zunge heraus. „Rot!ˮ, brüllen alle lachend. Erleichtert geht er zu dem Mädchen neben sich und etwas zögernd beginnen sie sich mit Zunge zu küssen. Oh mann, ich will einfach nur weg hier. Das Mädchen hat Glück. Sie erwischt ein gelbes Gummibärchen. Sie küsst den Jungen neben sich. So geht es eine Weile weiter. Mein Kopf ist leer. Panisch suche ich nach einer Möglichkeit von hier abzuhauen. Soll ich Übelkeit vortäuschen? Migräne? Irgendwas... „Grün!ˮ, brüllen plötzlich alle. Erschrocken sehe ich von meinen Schuhen auf. In der Mitte des Raumes steht Pascal. Er ist eine Stufe über mir. Mein Blick fällt auf das grüne Gummibärchen auf seiner Zunge. Grün. Was heißt das noch mal? Grinsend kommt er auf mich zu. Die anderen Jugendlichen im Raum jubeln und kreischen. Einige wenden angeekelt den Blick ab. Er hat grün. Okay. Dann muss er... Wie Schuppen fällt es mir von den Augen. Er muss mich küssen!!! „Küssen! Küssen! Küssen!ˮ, grölen alle Anwesenden anstachelnd im Chor als Pascal etwas unschlüssig vor mir stehen bleibt. Knallrot sehe ich zu ihm auf. Er hat einen athletischen Körper, weil er viel Basketball spielt, schwarze Haare und stechend blaue Augen. Er trägt ein Shirt von einem Egoshooter-Spiel und dazu Jeans und schwarze Schuhe. Ich will ihn nicht küssen. Nicht Pascal! Der wechselt doch seine Freundinnen wie die Unterwäsche. Einen Schritt zurücktretend erwäge ich es in Betracht einfach wegzulaufen, doch Pascal ist schneller. Seine Hand packt zu, seine Finger krallen sich in meinen Pullover und mit einem kräftigen Zug reißt er mich nach vorne. Ich kann mich gerade noch hastig mit den Händen gegen ihn stützen um nicht an seinen Oberkörper zu prallen. Leuchtend wie eine rote Ampel sehe ich zu ihm auf. Alle reden wild durcheinander. Pascal sieht wichtigtuerisch in die Runde damit es auch ja alle mitbekommen. Er senkt den Kopf um mich zu küssen. Meiner rutscht immer weiter in den Nacken, soll heißen ich versuche ihm irgendwie zu entkommen indem ich den Kopf zurückziehe. Ein Grummeln entkommt meiner Kehle. Beherzt presst er mir seine Lippen auf den Mund. Ich kneife sofort die Augen zusammen und die Lippen presse ich zu einem schmalen Strich. Hier kommst du nicht rein! Ich spüre Pascals Atem auf meinem Gesicht. Er steht ganz nah vor mir und seine Lippen sind erstaunlich angenehm weich. Angespannt halte ich den Atem an. „Mit Zunge!ˮ „Jetzt macht schon!ˮ „Küsst euch!ˮ Der Raum ist erfüllt von erhitzten Gemütern die ihren Spaß an dem Spiel haben, vor allem weil die erste Person im Raum ein grünes Gummibärchen erwischt hat. Pascals Zunge leckt über meine Lippen. Hilfe, das ist tatsächlich seine Zunge! Noch immer wage ich es nicht meine Augen zu öffnen. Meine Wangen stehen in Flammen und mir ist das Ganze hier so unendlich peinlich! Vor Scham würde ich am liebsten im Erdboden versinken. Dann muss ich aber doch mal wieder zu Atem kommen und unbewusst öffne ich die Lippen, statt durch die Nase zu atmen wie es mir kurz darauf siedend heiß einfällt. Flink schiebt Pascal mir die Zunge in den Mund. Ein ersticketer Laut entweicht mir. Meine Finger krallen sich in Pascals Arme und ich finde es wirklich schade, dass meine Nägel so stumpf und abgekaut sind. Seine nasse, feuchte Zunge stupst meine an. Ich spüre wie er mir das Gummibärchen in den Mund schiebt. Es schmeckt süß und der ganze Geschmack verbreitet sich in meinem Mund. Ein Mädchen kreischt schrill und begeistert auf und lässt mich zusammen zucken. Dummerweise habe ich in dem Moment mit meiner Zunge Pascals berührt und dieser sieht es nun als willkommenen Anlass den Zungenkuss zu intensivieren. Als ich die Augen ein kleines bisschen öffne, merke ich, dass er seine geschlossen hält und sich voll und ganz auf den Kuss konzentriert. Merkt er gar nicht, dass uns alle zusehen? Noch ehe ich es richtig realisiere gehe ich auf seinen Kuss ein, wenn auch nur zögernd. Außerdem habe ich Angst mich an dem Gummibärchen zu verschlucken. Irgendwie schaffe ich es dann aber doch es in eine Ecke zwischen Zahnreihe und Wange zu schieben. Pascal hat freie Fahrt und als ihm ein Seufzer entfleucht ist es vollkommen um die Meute geschehen. Alle schreien wild durcheinander und kriegen sich kaum noch ein. Ein Blitz schreckt mich auf. Einige halten ihre Handys auf uns oder machen begeistert Fotos und Videos. Hastig löse ich mich von Pascal und renne vor Scham aus dem Raum. Aus einem Impuls heraus renne ich die Treppe hinauf und in mein Zimmer. Zum Glück ist es leer. Hinter mir höre ich Schritte. Gerade als ich die Tür zustoßen will greift eine Hand zwischen Tür und Angel und versucht sie aufzustemmen, ehe sie ins Schloss fällt. „Warte mal! Lass mich rein!ˮ, höre ich Pascals Stimme. Auch das noch! Wieso rennt er mir nach?! „Verschwinde!ˮ, brülle ich ihn an und stemme mich mit all meinem Gewicht gegen die Tür. Pascal ist nur leider stärker. Zentimeter um Zentimeter drückt sich mir die Tür in den Rücken. Meine Füße rutschen über den Teppich und mit einem heftigen Stoß in den Rücken stolpere ich nach vorn. Pascal kommt ins Zimmer und schließt die Tür. Er sieht mich an und bleibt stehen. Ich lasse mich ergeben auf mein Bett sinken. Die Matatze gibt unter meinem Gewicht ein wenig nach. Pascal kommt auf mich zu und lässt sich neben mir nieder. „Bist du wütend auf mich?ˮ, fragt er und beugt sich leicht vor um mir ins Gesicht sehen zu können. Beschämt schüttele ich den Kopf und blicke stur auf meine Füße. „Die haben alle Fotos gemacht und morgen ist das bestimmt im Internet auf Youtube, Facebook und so...ˮ „Ist doch bloß ein Kuss gewesen.ˮ „Nein, eben nicht!ˮ, fahre ich ihn aufgebracht an. Für ihn mag es nur irgendein Kuss gewesen sein. Für mich nicht. Das war immerhin mein erster Kuss! Als ich ihm das sage, sieht er mich perplex an. Er rauft sich die Haare und sieht sich im Zimmer um. Wahrscheinlich weiß er nicht was er darauf sagen soll. „War er schlecht? Also dein erster Kuss?ˮ, fragt er schließlich. „Stört es dich, dass du von einem Jungen geküsst worden bist?ˮ Ich sehe zu ihm auf und zucke mit den Schultern. „Weiß nicht...ˮ Ich atme tief durch. „Ich wollte nur nicht so geküsst werden, weißt du? Nicht vor allen Leuten.ˮ Meine Zunge verirrt sich in eine Ecke des Mundes und dann fällt mir das grüne Gummibärchen wieder ein. „Ich habe noch das Gummibärchen im Mund.ˮ Pascal grinst. Ich muss lachen und die Anspannung fällt etwas von mir ab. „Gibst du es mir zurück?ˮ, fragt Pascal leise. Ich sehe ihn irritiert an, doch dann wird mir klar was er meint. Verlegen sehe ich ihn an. „Ich meine hier ist es doch okay oder? Nur du und ich. Allein in deinem Zimmer.ˮ Er lächelt und beugt sich vor. „Komm schon, gib es mir zurück.ˮ Belustigt sehe ich ihn an. „Hol es dir doch!ˮ, erwidere ich flachsig und wundere mich selbst über mein Verhalten. Vielleicht ist mein Geburtstag doch nicht so ein Reinfall? „Happy Birthday!ˮ, murmelt Pascal und küsst mich. Er schiebt mir seine Zunge in den Mund, drückt mich in die Laken, spuckt das Gummibärchen in eine Ecke meines Zimmers und widmet sich wieder voll und ganz mir. Ich schlinge meine Arme um seinen Körper und ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Einen Jungen zu küssen ist gar nicht mal so übel. „Fabian...ˮ, murmelt er gegen meine Lippen. „Ich habe beim Spiel geschummelt. Ich wollte dich küssen.ˮ Hosted by Animexx e.V. 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