Okonomiyaki von Tijana (RyogaxUkyo) ================================================================================ Kapitel 1: Der Wille des Schicksals ----------------------------------- Da saßen sie nun und schwiegen sich gegenseitig an. Mit gesenktem Blick, trauerten beide tieftraurig so unglaublich schweren Gedanken hinter her. Und all dem, was hätte sein können, wenn alles anders gekommen wäre, als es war. Wenn ... Dieses Wort war schrecklich. Es war wie das eine Hürde, ein unüberwindbares Hindernis, auf dem Weg zum sehnlichsten Wunsch, dem innigsten Verlangen.   Krampfhaft krallte sie ihre Finger in den Stoff ihres Oberteils und presste ganz fest die Zähne aufeinander. Nur um irgendwie die Fassung und den letzten Rest ihrer Würde behalten zu können. Sie wollte nicht schon wieder heulen. Nicht jetzt. Nicht vor Ryoga. Was mochte er dann wohl von ihr denken? Ukyo wollte, dass er weiterhin dachte, dass sie eine starke Kämpferin war. Er sollte nicht die schwache Frau sehen, die durch Sehnsucht und ihre unerfüllte Liebe, schon seit so schier unendlich langer Zeit Stück für Stück zerbrach. Doch es fiel ihr so unendlich schwer. Es war fast unmöglich, dem jungen Mann etwas vorzuspielen. Besonders nicht mit einem gebrochenen Herzen. Sie sah all die Scherben auf dem Boden liegen. Aber sie war nicht dazu in der Lage, sie wieder zusammen zulegen. Immer wenn sie sich die Scherben besah, baute sich dieser unerträgliche Schmerz in ihr auf. Diese Qualen, die sie nicht schlafen ließen. Die der Grund dafür waren, das ihre Augen vom vielen Heulen schmerzten und bereits am Rand ihrer Verzweiflung angekommen war. Aufgegeben hatte sie. Schon vor so unglaublich langer Zeit. Und das Einzige, was ihr treu zur Seite stand war diese aufzehrende Trauer, die immer von einer erbarmungslosen Leere begleite war. Da kein Grund mehr, der wichtig genug war, weiter zu Kämpfen. Es gab nichts mehr, um das sie kämpfen wollte ... oder konnte. Warum also, sollte sie sich die Mühe machen den Kopf weiter oben zu tragen? Sie schnaubte apathisch. Herz und Seele waren sicher nicht mehr zu reparieren. Pah! Selbst wenn Ranma... Ukyo seufzte. Nein. Sicher nicht. Keine Chance das er es sich anders überlegte. Sie hatte ihm oft genug die Wahl gegeben, sich für sie zu entscheiden. Um ihn gekämpft hatte sie. Doch es hatte nichts genutzt. Der junge Mann, der nun rechtmäßig das Tendo Dojo führte, hatte immer wieder zu dieser anderen Frau zurück gefunden. Obwohl sie auch an diesem Punkt feststellen musste, das er sich wahrscheinlich schon seit dem ersten Augeblick entschieden hatte. Wenn auch nicht direkt Bewusst. Vielleicht war da von der ersten Sekunde an ein Band gewesen, das so fein war, aber dafür umso unzerstörbarer. Eine Art von Verbindung, die sie sich eigentlich als Einzige zu ihm gewünscht hätte, aber nie bekommen hatte. Wie immer an dieser Stelle musste sie trotz all ihrer Fragen, warum es gerade Akane gewesen war, eingestehen, das sie verloren ...versagt hatte. Da war kein anderer Mann, der ähnlich war. Der so wie er war...   Verflucht! Neben dem Frust und ihrer unsäglichen Enttäuschung schnellte ihr nun auch Wut in ihre Brust. Was hatte diese Frau, was sie nicht gehabt hatte? Was war an ihr so besonderes, das dieser Idiot sich für sie entschieden hatte? Sie war so schwach! Und so ...! Ach! Verdammt noch mal! Es war unfair! Das war es! Sie hatte mit allen Mitteln gekämpft und nichts außer Freundschaft bekommen! Das war es nicht, was sie wollte. Sie wollte keine Freundschaft. Sie wollte ihn ganz mit... Haut und Haaren. So wie er war. Sie hätte alles dafür gegeben! Wenn es unabdingbar gewesen war, hätte sie alles aufgegeben was sie so liebte, wenn er es verlangt hätte. Diese andere Frau aber! Diese verdammte Frau hatte ihn aber stets abgewiesen und letztendlich bekommen! Was hatte diese Frau also, was sie nicht hatte? Tränen stiegen ihr in die Augen. Wie jedes Mal, wenn sie zu dieser Frage kam. Und wie immer fand sie einfach keine Antwort. Dies war auch der Grund - davon war sie fest überzeugt - warum sie nach all der Zeit immer noch keinen Schlussstrich hatte ziehen können. Wenn sie es verstehen würde, dann würde sie sich bestimmt besser fühlen. Dann könnte sie abschließen und endlich diesen lang ersehnten, tiefen aber um so befreienderen Atemzug machen ... Dann wäre sie so weit, dass sie es sicher Ryoga gleichmachen könnte... Sie könnte weggehen. Weit weg. Für immer. Und Ranma nie wieder sehen. Niemals. Ein Stich, so unglaublich schmerzvoll fuhr ihr durch ihr Herz, bevor ihr die Tränen in ihren Augen erst die Sicht nahmen und dann die Wangen herab rannen. Es war Ryogas Stimme, der sie aus diesem nie endenden Strudel der Selbstzermürbung zog.   „Ukyo - Chan...“ sprach seine gebrochene Stimme so ungewohnt kratzig ... und traurig. „... weine nicht“ sprach er. „Weine nicht ...“, sagte der sonst so furchtlose Krieger leise. Sie sollte nicht weinen. Es war Eigennutz, aber wenn sie weinte, würde er sie trösten müssen. Und das konnte er gerade nicht. Er konnte nicht. Im Moment fehlte ihm die Stärke und sie Standhaftigkeit. Also sollte sie nicht weinen. Sie sollte nicht über einen Mann nachdenken - sie sollte keinem hinterher trauern, der ihr so etwas angetan hatte ... Das hatte sie nicht verdient. Der Schwarzhaarige blinzelte und erkannte doch die Ironie in seinen eigenen Gedanken. ... keinem hinterher trauern ... Er schnaubte selbstverhöhnend. Das sagte gerade der Richtige. Verflucht! Er war das Paradebeispiel für Selbstmitleid. Eine Schande war er. Für jeden, der sich zu den Matrial Arts Kämpfern zählte. Eigentlich hätte er sich nur ein Mal kurz schütteln dürfen, den Dreck abklopfen und sich dann erhobenen Hauptes und mit freiem Kopf seinen Weg weiter gehen sollen. So weit, bis er nach unzähligen Kämpfen zur Perfektion seiner Kampfkünste gekommen wäre. Möglicherweise hätte er dann auch in der Perfektion die Ruhe gefunden, die er so sehr wollte. Die er brauchte und gehofft hatte in Akane zu finden. Ruhe. Einen Ort der Erholung. Denn erschöpft war er. Schon so lange. Doch nirgendwo fand er eine Stelle, an der er sich wenigstens für einen Moment anlehnen konnte. Auch wenn er ein Getriebener war, ein Wurzelloser ... Er hatte schon lange erkannt das diese Rastlosigkeit, die ihn seit diesem ganzen Jahr immer weiter jagte, ihn langsam aber sicher wahnsinnig machte. Der Krieger wollte nicht mehr weg rennen. Obwohl er gar nicht wusste, wovor ... Doch. Er wusste es. Er wusste ganz genau, wovor er vergeblich versuchte weg zu rennen. Pah! Er hatte ein paar Haken schlagen können, um nicht direkt dem grausamen Schicksal, mit all seiner dunklen Macht in die Pranken zu fallen. Nun stand er aber vor einem Abgrund und gleich vor einer mindestens genau so grausamen Wahl. Er schnaubte trübseelig. Wieder eine ‚Gnade‘ des Schicksals. Entweder er würde sich drehen und sich seinem schier unbesiegbaren Gegner stellen oder er tat diesen weiteren Schritt um sich in den dunklen Abgrund zustürzen. Ganz klar war, dass diese Dunkelheit des Abgrunds zwar nicht die verklockendste war, aber immer noch besser als sich diesem Kampf, diesem inneren Konflikt zu stellen. Dieser Schritt in die Tiefe wäre der einfachere Weg ... Und er würde ihn nur zu gern ... er würde ihn wählen. Ganz bestimmt. Also ließ er sich fallen. Und ertrank im Selbstmitleid. Schlaff sanken seine Schultern nach unten und der letzte Rest an Glanz verschwand spurlos aus seinen sonst so willensstarken Augen. Er atmete einmal tief ein und aus. Starrte ganz abwesend auf seine Handflächen. Akane ... Wie ein Film, ein sehr schrecklicher Film, sah er die junge, zarte, starke und doch so zerbrechliche Frau vor seinen Augen. Dort stand sie ... schenkte ihm ihr aller schönstes Lächeln und strahlte die Ruhe aus, nach der er sich so verzerrte. Zum Greifen nahe war sie. Nein. Dieses Bild, dieses scheußliche Trugbild war es ... aber nicht sie. Alles in ihm krampfte sich zusammen. Besonders als er sah, wie das Bild in seinem Kopf wechselte und eben jene junge Frau in diesem einem, besonderen, weißen Kleid sah... und ihre Lippen auf die des Mannes drückte, der bis ans Ende all seiner Tage sein ärgster Feind sein würde. Er hasste Ranma. Er hatte ihn mit jeder Faser seines Körpers. Dieser Mistkerl hatte das, was er so sehr begehrte. Was ihn endlich von dieser ermüdenden Ruhelosigkeit befreit hätte. Was er so unendlich hätte glücklich machen können ... Ranma hatte dieses Glück mit diesen wunderschönen, großen braunen Augen nicht verdient ... Ryoga schnaubte wieder vor sich her.     Die Köchin, die ihm gegenüber, hinter ihren kalten Platten saß, sah mehr als nur überrascht auf. Kurz aus ihrem ganz eigenen Strudel dunkler, zerstörender Gedanken gerissen, war sie perplex, als sie die tröstenden Worte des jungen Mannes gehört hatte. Dieser saß dort wie ein Haufen Elend, dem schon so lange sämtliche Freude und Leben aus dem Leibe gekrochen war. Aber dennoch hatte er sich aufgerafft, um ihr zumindest einen Funken voll Trost zu schenken. Sie musste sagen, das sie beeindruckt war. Wo nahm er nur diese Kraft dazu her? Ukyo schlug ein Mal die Lider ihrer Augen nieder und öffnete sie dann wieder langsam. ... nicht weinen ... hatte er gesagt. Dabei sah er so aus, als ob er selber nichts lieber machen würde. Vermutlich war es bis zu diesem Zeitpunkt das Einzige, was er noch irgendwie unter Kontrolle hatte. Woran er sich vermutlich festhielt. Doch so wie er da saß ... Dieser Zustand erweckte in ihr so viel Mitleid, das sie für einen Moment vergaß, das sie nicht weniger etwas nachtrauerte und das ihr dabei so viel Energie raubte. Ein ganz bedauerlicher Anblick, den er dort abgab. Sie hatte gedacht, das man es ihr schon ansah, das sie ganz krank vor Liebeskummer war. Aber er ertrank ja förmlich darin. Sein ganzes Sein und seine sonst so stolze Haltung waren gänzlich verschwunden. Es war ein befremdliches Bild, hatte sie doch Ryoga, der sich ständig verlief irgendwo doch ganz sympathisch gefunden. Nicht zuletzt, weil sein Vorhaben, ihr direkt in die Karten gespielt hatte ...   Doch wenn sie nun versuchte das gleiche Selbstbewusstsein wie zu früheren Zeiten in seinen Augen zu finden ... sie fand es nicht. Dieser Ausdruck, der anscheinend schon eine ganze Weile in seinen Augen stand, berührte ihr tiefstes inneres. So viel Schmerz und Leid, das sie erkannte, bewirkte das sie für einen kurzen Moment ihren eigenen Kummer vergaß. Seit Langem wurde dieses Gefühl sogar von einem andern Gefühl verdrängt. Zögernd hob sie ihre Hand, beugte sich etwas vor und legte sie tröstend auf Ryogas. Klein und zierlich, aber nicht zerbrechlich wirkte ihre Hand gegenüber seiner. Für einen Moment konnte sie sogar beobachten, das der Kämpfer reagierte, in dem er einmal blinzelte und seinen Blick auf die sanfte Hand richtete. "Hey. Kopf hoch“, hörte sie sich selber sagen. „Vielleicht war sie die erste Frau, die du geliebt hast. Aber vielleicht war sie nicht die Frau deines Lebens.“ Sie selbst glaubte an das, was sie da sagte. Woher sie diesen Glauben nahm, trotz ihrer eigenen Trauer, wusste sie nicht. Doch irgendwie tat es ihr gut. Auch wenn sie sich das nicht erklären konnte. „Glaub mir. Es ist eine andere Frau, die für dich bestimmt ist ..."   Ryoga blinzelte wieder und sah langsam von der verglichen kleinen Hand hoch zu ihr. Erst ohne Gedanken sah er in ihr Gesicht und bemerkte, wie rot das Weiss ihrer Augen eigentlich war. Wie oft musste sie wohl geweint haben? Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie das aussah, wenn die starke Ukyo einsam dort hinter den kalten Platten saß und still vor sich her weinte. Sicherlich war es kein schöner Anblick und vielleicht versuchte er wirklich, diesem Bild in seinem Kopf zu entkommen. Also senkte er wieder betrübt seinen Kopf und starrte auf die kleinere Hand, die ihm trost spenden sollte.   Verunsichert durch seinen kurzen Blick, der so tief in ihre Augen gedrungen war, zögerte die junge Frau wieder. Befangen lehnte sie sich für einen Augenblick kurz zurück, verharrte aber und beschloss im selben, das er nach all dem, was er durchgemacht hatte es verdiente, nicht alleine gelassen zu werden. Sie verdrängte ihre innere Unsicherheit ihm vielleicht zu nahe gekommen zu sein und hoffte gleichzeitig, sich auch später damit nicht auseinandersetzen zu müssen. Sie zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn es ihr nicht wirklich gelang, so zuckten doch wenigsten ihre Mundwinkel kurz nach oben. "Warts nur ab. Vielleicht ist sie schon da. Aber der richtige Zeitpunkt noch nicht ..." sprach sie und strich ihm ganz unbewusst, aber dafür um so sanfter über seinen Handrücken.   Ryoga war überrascht. Nach all der Zeit hatte er nicht gedacht, das ihm so wenig Körperkontakt, so viel Ausmachen würde. Er musste feststellen, dass er im ersten Moment nicht mit dem sanften Streichen umgehen konnte. Sogar versucht war, ihr seine Hand zu entziehen. Er konnte nicht ... er ... Ryoga senkte weiter den Kopf und machte es für Ukyo wohl unmöglich, ihm weiter in die Augen sehen zu können. Er konnte nicht ... das überwand er nicht ... Die zierliche Hand, die auf seiner lag, musste da weg. Er konnte ... Ryoga zuckte kurz mit der Hand und wollte sie wegziehen. Bekam allerdings von seiner Kinderstube eine ordentliche Ohrfeige um die Ohren gehauen. Schließlich reagierte man nicht derart schroff auf eine so aufrichtige Geste. Es wäre unhöflich, ihr, da sie ihn nur trösten wollte, auf diese Art zu zeigen, dass er im Grunde gar nichts anderes wollte, als in Ruhe sich seinem trüben, farblosen Grübeln zu ergeben. Der junge Mann zwang sich zur Ruhe, dazu, das er sich trotzdem, nicht anmerken ließ, wie schwer es ihm fiel, dieses zierliche Gebilde aus Knochen, Muskeln und Haut zu tolerieren. Allerdings spürte er auch diese Wärme, die von dieser Hand ausging. Und die war bei Weitem nicht unangenehm. Ganz und gar nicht. Gerade in diesem Moment fühlte es ich für den jungen Krieger so an, als ob diese Wärme ihm auch wieder ein klein wenig Kraft schenkte ... ... dafür, irgendwann wieder aufstehen zu können ... Vielleicht hatte Ukyo das kurze Zucken, dass ein Wegziehen einleiten sollte, bemerkt, denn das Streichen stoppte urplötzlich. Der leichte Druck ihrer aufliegenden Hand löste sich schnell. Was also bedeutete, das die junge Frau sein Zucken wohl bemerkt hatte und darauf reagierte. Nein... nicht weg ziehen... Schoss es dem schwarzhaarigen durch den Kopf und auch er reagierte. Instinktiv. Schnell erhob sich seine freie Hand und legte sich mindestens genau so sanft auf ihre Hand. Den Kopf hielt er stur gesenkt. Leicht verstärkte er den Druck seiner Hand und stellte so unweigerlich sicher, dass sie ihre Hand nicht mehr weg zog. „Bitte ...“, sagte er, sprach nicht weiter. Hatte es doch all seine Kraft und Überwindung gekostet, die er gerade aus der Berührung dieser kleinen Hand geschöpft hatte. Nein. Er wollte diese Wärme haben. Er brauchte sie. Einen Moment ... einen weitere Frist weniger Sekunden verstich und die rauen, vom Kämpfen gehärteten Finger klammerten sich schwach um die der jungen Frau.   Wieder wusste diese nicht, was sie tun sollte. Dennoch musste sie zugeben, dieser Anflug von Zurückweisung, die sie kurzweilig durch seine Fingermuskeln hatte zucken spüren, wäre die Art gewesen, die sie erneut, vielleicht sogar in ein viel tieferes Loch geschubst hätte. Von allem und jedem abgestoßen... Zumindest hatte es sich so angefühlt. Das brachte sie auf den Gedanken, ob sie denn in den wenigen Minuten, seit dem Ryoga nun so mitleiderregend vor ihr saß, an ihren Wendepunkt in dieser Phase der Trauer und des Selbstmitleides angekommen war. Schließlich war er der Jenige, der sie - ganz bestimmt nicht willentlich - abgelenkt hatte. Nein. Nicht nur abgelenkt. War er nicht auch der Ursprung, der Keim neuer Hoffnung in ihr gewesen? Vielleicht nicht darauf, dass sich ihr Ziel, der Wunsch, den sie sich so lange ersehnt hatte, doch noch erfüllen würde. Möglicherweise auf etwas mehr Leichtigkeit in ihrer düsteren Welt. Gar war er der Türöffner dafür, dass sie nach all der Dunkelheit endlich wieder -auch wenn es nur ganz schwach war - etwas Licht sehen und den Kopf erheben konnte. Sie brauchte etwas, was ihr den Kummer endlich aus dem Kopf trieb. Vermutlich war das auch dadurch gegeben, das Ryoga letzendlich doch lieber ihre Hand in seinen liegen hatte. Das er mit diesem erschöpften, leicht verzweifelten ‚Bitte...‘, ihr zeigte, dass sie nicht alleine war. Mit ihrem Leid. Und das auch er etwas Nähe brauchte. Von jemanden, der genau so empfand wie er.   Nun zögerte der Schwarzhaarige kurz, als er die andere Hand der jungen Frau auf seiner Wange spürte. Doch genauso wie er die Wärme der Hand, die er umgriff genoss, genoss er auch die der Hand, die ganz zart seine Wange streichelte. Lauschte ihren Worten, auch wenn es nicht viele waren. Aber waren sie doch wie Balsam, der sich ganz sachte um die Wunden seiner geschundenen Seele legte. Und nur zu gerne schenkten er und seine eigene Hoffnung, die sich nun als Erste wieder aus dem Strudel langer Traurigkeit hervor gekämpft hatte, ihren Worten glauben. ... nicht alleine bleiben ... Das war gerade das Einzige, was er wollte. Langsam hob er den Kopf und versuchte trotz seiner Müdigkeit, ihr ein klein wenig Dankbarkeit entgegen zu bringen. Er setzte zum Sprechen an. Schließlich wollte auch er ihr etwas Trost spenden. Worte wählen, die auf sie vielleicht die gleiche Wirkung hatten, wie ihre auf ihn. Doch er schaffte es nicht. Gerade konnte er einfach nicht über dieses Thema reden. Deswegen war er überrascht und erleichtert, als Ukyo leicht mir ihrem hübschen Kopf schüttelte und ihn verstehend ansah.   Weich war ihr Ausdruck. Seit Langem kannte ihre Mimik auf einmal eine ganz andere, viel angenehmere Emotion, eine solche, die sie anscheinend selber unheimlich vermisst hatte. Natürlich hatte sie diesen Kampf mitbekommen, den der junge Krieger in seinem inneren geführt hatte. Sie hatte es ihm ganz deutlich ansehen können, das er ihr auch Beistand hatte leisten wollen. Aber nicht gekonnt hatte. Er musste das nicht. Alleine, das er ihre Hand so bestimmt festgehalten hatte, hatte er ihr gezeigt, dass er zwar etwas Zeit brauchte, aber sicher seine Schulter anbieten würde, würde sie sie brauchen. ... alles ist gut ... Versuchte sie mit Ihrem weichen Blick und dem sanften Lächeln auszudrücken. Auch wenn sie es nicht aussprechen konnte. ... alles wird gut ... Das war das, woran sie glauben wollte. Und musste, wenn sie noch einmal auf die Beine kommen wollte. So konnte es nicht weiter gehen. Sie musste sich aufraffen. Sie mussten es beide.   Immer noch, schien Ryoga das Bedürfnis zu haben etwas zu sagen. Auch wenn es nicht viel war. Oder von Bedeutung. „... die Toilette?“, fragte er leise, weil ihm nichts Besseres eingefallen war. Aber es zeigte, das er noch sprechen konnte und das er seine Gedanken zu einem logischen, zusammenhängenden Satz zusammenbauen konnte. Wenn auch sehr bruchstückhaft.   Gut. Vielleicht hätte sie doch etwas anderes erwartet. Möglicherweise doch etwas, was etwas poetischer war. Ryoga war kein Poet. Er war ein Kämpfer, ein Krieger. Deswegen schüttelte sie innerlich über sich selber den Kopf. Sie konnte Heldentaten, epische Kämpfe von ihm erwarten. Edle Eigenschaften, die heute selbst die Höchsten aus den betuchtesten Häusern nicht mehr hatten. Doch Poesie war wohl etwas, was ihm einfach nicht lag - und das war völlig in Ordnung. Sie lachte kurz auf. „Die Tür direkt links“, antwortete sie und deutete mit ihrem Kopf hinter sich auf die zu den Toiletten trennende Tür.   Nun stahl sich auch ein kleines Lächeln auf die Lippen des Kriegers. Einen weiteren Moment sah er ihr tief in die Augen. Es war einer dieser Momente, in dem das Schicksal kurz die Zeit anhielt und alles andere drum herum als unwichtig einstufte und komplett ausblendete. Vielleicht war das auch der Moment gewesen, an dem das Schicksal die Karten neu durchmischte, und begann eine neue Geschichte zu schreiben ... Ryoga blinzelte, befreite sich so aus dieser Moment - Trance und drückte noch ein Mal sanft ihre Hand mit den seinen. „Danke dir, Ukyo - Chan ...“, sagte er, bevor er aufstand. Kurz sah er sich um, geradewegs an der Tür zu den Toiletten vorbei und nahm den Ausgang ins Visier. „Bis gleich ...“, sagte er mit einem müden Lächeln zu Ukyo und stiefelte direkt auf den Ausgang zu. Er war draußen in der nassen, aber nicht mehr regnenden Welt verschwunden, bevor die Köchin seinen Weg korrigieren konnte.   Irritiert starrte sie ihm nach, verdattert auf die Stelle, auf der er eben noch gestanden hatte, bevor er die Tür hinter sich geschlossen und aus ihrem Sichtfeld in die große, weite Welt verschwunden war. Das wunderlichste an diesem Mann war, das man ihn nicht alleine lassen konnte. Sie lachte kurz auf. Zumindest wenn es um eine einfache Weg Beschreibung ging, war es wohl bei ihm das Beste, man übernahm direkt das Kommando. Dennoch musste sie Zugeben, dass sie diese kleine Macke an ihm mochte. Sehr gerne sogar ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)