Alice's von Totte (Monster) ================================================================================ Kapitel 6: Wieso? ----------------- „Was meinst du damit, es ging alles gut, bis ich kam?“ Ich war verwirrt. Was meinte er damit? Was hatte ich getan um einen emotionslosen Killer zu verwirren? „Damit meine ich das er sich bis vor kurzem absolut logisch Verhalten hat und sämtliche Menschen mit denen er nicht zwangsweise interagieren musste vollständig ignorierte. Und urplötzlich nimmt er ein völlig unbekanntes Mädchen in Schutz, indem er einen Mitschüler einschüchtert. Ich weiß ja nicht, ob du es wusstest, aber das war das erste mal, dass er überhaupt während der Schulzeit geredet hat. In der darauffolgenden Pause unterhielt er sich darüber mit Herr Daria, er konnte sich sein Verhalten selbst nicht erklären und das war für ihn vollkommen neu.“ „Aber jeder Mensch macht doch mal etwas was er selbst nicht begreift!“, mischte sich Marie jetzt erstmals ein. „Du hast es erfasst, jeder MENSCH erfährt so etwas mal, zum ersten Mal in seinem Leben hat Kurino eine Erfahrung als Mensch gemacht. Und dann war da natürlich der Vorfall von Gestern.“ Er unterbrach sich kurz, verschwand in der Küche und kam mit einer Tasse Tee wieder. „Er hat dein Leben, das eines normalen, unbedeutenden Mädchens über das eines der stärksten Männer der Welt gestellt und das ist an sich einfach nur Unlogisch und kurz gesagt Menschlich, durch dich erfährt er zum ersten Mal so etwas ähnliches wie Emotionen.“ „Aber das ist doch ist gut, wieso sollte es schlimm sein wenn er etwas für andere empfindet?“ „Weil es wie du gestern gemerkt hast nicht nur gute Gefühle gibt.“ Erschrocken keuchte ich auf. Wenn man auf jemanden wütend war streitet man mit ihm, prügelt sich sogar oder ähnliches. Was aber würde ein Killer ohne richtige Vorstellungen von Ethik und Menschenrechten tun, wenn er ausrastet? Mir war meine Erkenntnis wohl anzusehen. „Du hast es gestern schon einmal erlebt was passiert wenn Kurino wütend wird. Hättest du nicht eingegriffen wären wir und vermutlich auch die Halbe Stadt Tot, wenn er einmal in fahrt gerät hält ihn nichts mehr auf, ich war mehr als einmal bei unseren Einsätzen froh das er inzwischen für uns und nicht gegen uns arbeitet.“, er atmete einmal tief aus, „Ich weiß nicht was in der nächsten Zeit passieren wird aber eins ist sicher, wir sind gegen ihn relativ chancenlos, du hingegen hast ihn selbst dann kontrolliert als er völlig durchgedreht ist, wegen dir entwickelt er erstmals Emotionen, DU bist der Dreh und Angelpunkt für Kurino und das muss dir klar werden!“ Daraufhin folgte Stille, in welcher ich mir erst mal die Tragweite dieser Worte klar machte. Ich allein soll einen monströsen Killer und Massenmörder kontrollieren? Wieso ausgerechnet ich? Ich hab nicht unglaublich viele Freunde, keine super Noten, ich hatte bis jetzt nicht einmal einen festen Freund! „Wieso ich? Was soll an mir so besonders sein?“ „Das weiß ich nicht, ich denke selbst er weiß das nicht genau was mit ihm los ist aber eins ist klar.“ Und damit brachte er mich zu Tür. „Kurino wird sich ändern. Es wird an dir liegen ob zum Guten oder zum Schlechten!“ Um das ganze erst mal zu verdauen, ging ich ziellos durch die Straßen der Stadt und versuchte mir alles klar zu machen. Der nette Lehrer war ein Ex-Special Agent und die vier Schatten waren allesamt Massenmörder, die von der Regierung angeheuert waren? Na gut, so eigenartig wie die vier waren ist das durchaus gar nicht mal so lächerlich. Und jetzt musste ich, ein durchschnittliches 16-Jähriges Mädchen auf einen Jungen aufpassen der nicht nur keinerlei Emotionen besitzt sondern auch noch daran gewöhnt ist Menschen zu töten wenn man es ihm befiehlt? Das ist doch unfair, ich könnte Heulen, womit hatte ich das verdient, ich bin immer noch Jungfrau, ich hatte bis heute noch nicht mal einen festen Freund! Einem plötzlichen Impuls folgen trat ich nach einem Stein welcher unglücklicherweise an einem Schienbein landete. „Oh Verzeihung, tut mir leid ich war in ge.... ahhhhh!“, stotterte ich bis ich sah wen ich getroffen hatte. Am Ufer des Flusses, der die Stadt durchzog, saß mit nachdenklicher Miene ein altbekannter Junge mit schwarzem Haar und roten Augen. Offenbar hatte Kurino weder bemerkt das ich ihn getroffen hatte noch das ich etwas sagte. Er schien mich überhaupt nicht registriert zu haben, daher versuchte ich schnell das Weite zu suchen. „Geh nicht.“, tönte die zwar gewohnt tiefe aber eigenartigerweise keinesfalls raue Stimme leise zu mir herüber. Schwankend zwischen der Neugierde was er von mir wollte und der Angst das er diesen “Störfaktor“ in seinem Leben vielleicht auslöschen wollte ging ich langsam auf ihn zu, er selbst hatte sich bis jetzt nicht mal bewegt, er sah mich nicht einmal an sondern starrte unverwandt auf den Fluss. Ich gab mir einen letzten Ruck, schluckte meine Angst runter und setzte mich neben ihn; wenn er mich würde töten wollen würde würde wegrennen bei ihm vermutlich sowieso nichts bringen. Eine Weile saßen wir so schweigend da während die Sonne über den Himmel zog und allmählich hinter dem Horizont versank und mich die kühle Abendluft zum schaudern brachte. In diesem Moment schien sich Kurino zum ersten mal zu rühren. Plötzlich legte sich der schwere Mantel von Kurino auf meine Schultern. „Was... wieso...“ „Dir war kalt.“ Das war eine Feststellung die keinen Widerspruch duldete. „Aber wirst du jetzt nicht frieren?“, fragte ich ihn, da er jetzt nur noch eine Jeans und ein Muskelshirt trug. „Ich friere nicht.“ „Wie meinst du das?“ „So wie ich es sagte, ich habe noch nie gefroren.“ Nachdenklich betrachtete ich ihn während er weiterhin auf den Fluss starrte. War er wirklich ein Mensch? Und was war mit ihm passiert das er so wurde? Mein Blick streifte über seinen Körper und blieb an seinen nun entblößten Armen hängen. Schlagartig blieb mir die Luft weg. Unzählige Narben zeichneten sich über seinen Muskeln auf, alle von verschiedener Form, Größe und Art. Schnittnarben, Brandnarben, einige sahen aus wie von Kugeln hervorgerufen und wieder andere konnte ich mir gar nicht vorstellen wie sie entstanden waren. Mein Blick wanderte weiter nach oben und mein Verdacht bestätigte sich, allem Anschein nach gingen die Narben auf seinen Schultern weiter, wie weit genau, wollte ich mir nicht ausmalen. „Woher hast du die?“, fragte ich behutsam und berührte vorsichtig eine der Narben an seinem Oberarm. „Wenn du die Narben im allgemeinen meinst, die haben sich mit der Zeit angesammelt, wenn du allerdings diese im speziellen meinst, die erhielt ich vor neun Jahren durch einen Querschläger.“ „Erinnerst du dich an jede einzelne Wunde?“ Er schien kurz nachzudenken doch dann flüsterte er: „Ja...“ Daraufhin herrschte wieder Schweigen. Eine beliebige Narbe stammt von vor neun Jahren? Wann hatte er dann seine erste erhalten? Er konnte doch nicht viel älter sein als ich selbst, in welchem Alter hat er bereits gekämpft, was war mit ihm geschehen? Ich entschloss mich zu dem Versuch ihn in ein ganz normales Gespräch zu verwickeln und so etwas über ihn herauszufinden. „ Sag mal..... wie alt bis du eigentlich?“ „Siebzehn.“ „Und... wann hast du Geburtstag?“ „Weiß ich nicht.“ „Wie kann man das nicht wissen, man muss doch wissen wann man geboren wurde.“ „Ich wusste es halt nie, ebenso meinen tatsächlichen Namen.“ „Aber....haben deine Eltern dir deinen Namen nie genannt, gibt es keine Geburtsurkunde über dich?“ „Meine Eltern sind tot seit ich fünf Jahre alt war.“ „Oh....das... tut mir leid....“ Und erneut herrschte bedrückendes Schweigen. Trotz allem verspürte ich in diesem Moment lediglich das starke Verlangen danach diesen Jungen in den Arm zu nehmen. Diesmal brach er die Stille. „Ist es mir gestattet dir eine Frage zu stellen?“, fragte er ohne mich anzusehen, er starrte weiterhin auf den Fluss. „Na klar, frag mich was du willst.“, antwortete ich und lächelte ihn an, um zu zeigen, dass ich kein Problem damit hatte. „Ich habe derartige Fragen noch niemandem gestellt. Ich habe mich darüber in Büchern und im Internet informiert und dennoch keine logische Antwort gefunden, wieso es so stark verbreitet ist obwohl es jeglicher Logik widerspricht.“ „Was meinst du?“, fragt ich und jetzt sah er mich zum ersten mal mit seinen blutroten Augen an. „Wieso lächelt ein Mensch?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)