Ich bin immer für dich da von mikifou (Island Story) ================================================================================ Kapitel 6: 6 ------------ „Du hast Nerven, dich nicht zu melden!“ „Ich sagte doch, ruf du mich an.“ „Als wenn ich die Nummer der Firma wüsste!“ „Steht alles im Telefonbuch und bei deinem Telefon hängt ein Zettel, auf dem sie steht.“ Elvar schnaubte verächtlich und wandte sich seinem Holz zu. Daan grinste nur erfreut und packte gemächlich sein Werkzeug aus. Es war Montag und der Plan, den Daan mit Hilfe von Marco und Gunnlaugsson geschmiedet hatte, ging bisher gut auf. Noch am Mittwochabend hatte er Marco überzeugen können, nachdem er zuvor bei Elvar vorbeigeschaut hatte, um seinen Werkzeugkoffer zu holen. Eigentlich wollte er ja seine Ruhe haben, aber er konnte die Dinge auch nicht so stehen lassen. Zugegeben, ihm gefiel das lächelnde Gesicht des Tischlers besser. Außerdem war das kein Umgang für ihn! Er wurde wütend, wenn er nur daran dachte und so beschloss er, dass er Elvar in sich verliebt machen würde! Wie er da dann wieder rauskam, wusste er noch nicht, aber das war egal. Erstmal war dessen Rettung wichtiger. Und so hatten sie mit Marcos Hilfe den Chef der Schiffsspedition erreicht und dafür gesorgt, dass Eirik wieder auf See fuhr. Und zwar lange. Diesmal hatten sie ihm wirklich eine Route gesucht, bei der er nicht abkürzen konnte. Sein Chef war von der Idee scheinbar angetan, denn so wie es ihm kürzlich rausgerutscht war, war Eirik zwar ein guter Funker, aber auch sehr eigensinnig. Die wichtigen Aufträge, die länger als einen Monat gingen, lehnte er immer ab. Doch nun hatten sie genug Druck gefunden, um ihn dazu zu zwingen, eine Fahrt von Island über das Cap der Guten Hoffnung, Madagaskar und Indien bis hin nach Papua Neu Guinea zu machen und in Port Moresby, dem eigentlich Ziel der Reise, einlaufen zu lassen. Dann würden sie über den Pazifischen Ozean zum Panamakanal fahren und noch einen letzten Stopp auf Kuba haben, eh sie Heim fuhren. Das war mehr als genug Zeit, Elvar für sich zu gewinnen, dachte Daan triumphierend. „Hast du mich etwa vermisst?“ Daan war leise um den Tisch herum gegangen, hatte sich von hinten über Elvar gebeugt und ihm vorsichtig die Hand auf den Hobel gelegt, mit welchem Elvar gerade das Holz bearbeitete. Elvar erschrak und zuckt zurück, sodass sein Kopf gegen Daans Schulter stieß und ihm so erstmal gewahr wurde, wie nah ihm der andere war. Sofort stolperte sein Herz und doch blieb er äußerlich ruhig. „Nein. Ich habe die Ruhe genossen. Auch wenn ich schon gerne weiterarbeiten würde.“ Daan lachte erfreut und ging ein paar Schritt um Elvar herum. „Gut, dann lass uns anfangen.“ Es waren zwar nur ein paar Tage gewesen, doch Elvar war wirklich weit mit dem Rohbau gekommen. Daan musste erstmal jede Ecke genau begutachten und vermaß gleich nochmal die Innenräume. Schließlich sollte alles perfekt ineinander passen. Während Daan anfing, an einigen kleinen Schrauben zu arbeiten und die ersten Schienen für die Schubläden zu fertigen, glitten seine Gedanken immer wieder zu dem anderen, aktuellen Problem. Wie sollte er das mit Elvar anstellen? Durch die Sache mit Eirik war er voreingenommen. „Daan?“ Ging er zu schnell ran, würde der Jüngere wohl nur abblocken. Aber wäre die sanfte Tour für ihn auch deutlich genug? Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Elvar zu abgeschieden gelebt hatte, um auf kleine Flirtereien anzuspringen. „Daaaaaan?“ Er schreckte auf und sah in recht nahe, grüne Augen. Wo kamen die denn her? „Gott, nochmal, wie oft soll ich dich noch rufen?“ Er blinzelte, dann erst bemerkte er, dass er wohl viel zu tief in Gedanken versunken gewesen war, um Elvars Rufen zu hören. „Weiß nicht. Ruf mich doch nochmal“, meinte er lächelnd und legte den Kopf leicht schief. Elvar aber schnalzte nur mit der Zunge, eh er sich wieder aufrichtete und die Arme vor der Brust verschränkte. „Hättest du wohl gerne. Kommst du nun mit essen? Ich hab Hunger und es ist schon nach Eins.“ „Gut, ich räume nur noch kurz auf.“ Damit wandte er sich seinen Werkzeugen zu und sortierte diese ordentlich weg. Als er merkte, dass Elvar sich zum Gehen gewandt hatte, schaute er ihm nach. Er hatte nun einen Plan. Der würde zwar länger dauern, aber anders ging es wahrscheinlich nicht. Sie aßen zu Mittag, redeten etwas Unverfängliches und arbeiteten dann bis zum Abend weiter. Bis Daan schließlich all sein Werkzeug einpackte und seinen Arbeitsplatz von den feinen Metallspähnen befreite. Er zog sich an und war bereit zu gehen, als er, schon fast an der Tür angekommen, von Elvar aufgehalten wurde. „Warum lässt du eigentlich dein Werkzeug nicht hier?“ Der Tischler stand an einer der vielen Holzstreben gelehnt, die sich hier und da durch das alte Fachwerkhaus zogen. „Ich arbeite zuhause auch gerne mal an Kleinigkeiten.“ „Achso.“ „Wenn dann müsste ich das mit hierher nehmen und hier nächtigen“, meinte er grinsend, „aber dann hast du ja gar keine Ruhe mehr von mir.“ „Wenn es dir zu stressig wird, mit dem hin- und herfahren, gerne.“ Es waren nur leise Worte gewesen und Elvar hatte ihn dabei auch nicht angesehen. Nein, er sah verstohlen nach rechts unten auf den Boden. Daan aber musterte ihn mit großen Augen. Dann ging er die wenigen Schritte auf ihn zu, legte ihm eine Hand auf den Hinterkopf und küsste ihm die Stirn. „Wenn es dir hier zu einsam ist, kannst du mich gern besuchen kommen.“ Er lächelte liebevoll und ging dann doch hinaus. Er setzte sich in sein Auto und startete es. Dann fuhr er langsam vom Hof. Er rechnete nicht damit, dass Elvar ihm nachkommen würde, doch falls doch, hatte er sich Zeit gelassen. Daan war mit sich sehr zufrieden. Es war gut auf Freundschaft zu bauen, denn Elvar war wahrscheinlich wirklich einsam. Sicherlich war es gemein, ihn genau an seinem Schwachpunkt anzugreifen, aber nein, eigentlich nicht. Denn so eroberte man nun mal ein Herz. Und Elvars Herz war ihm wichtig. Er würde Elvar für sich gewinnen und von Eirik befreien. Da war er sich sicher. Beschwingt ging der Holländer am nächsten Morgen in die Werkstatt und fand niemand vor. Verwirrt stellte er seinen Werkzeugkoffer ab und schaute in der Küche nach. Als da niemand war, ging er aus dem Haus und rüber zur Scheune, in der Elvar sein Holz lagerte. Durch die neue Ladung an Holz war es hier voller geworden und sah nicht mehr so aus wie ein leeres Holzgerippe. Nebst dem gelieferten Holz standen einige alte, wie verstaubt und rostige Geräte zur Feldbearbeitung in einer Ecke. In einer anderen lag ein großer Haufen aufgeschüttetes Heu, neben dem ein ordentlich sortierter Berg an Brennholz stand. Am hinteren Ende der Scheue gab es eine Leiter, die hoch zur 'zweiten Etage' führte, wo man über eine zu öffnende Luke und einen Flaschenzug noch mehr Stroh hätte einlagern können. Daan möchte irgendwann mal dort oben hinaufgehen, doch bisher fand er es einfach nicht recht zu stöbern und auf Entdeckungstour zu gehen. Derweil stand Elvar vor dem großen, neu dazu gekommenen Holzstapel und schien zu überlegen. „Guten Morgen.“ Der Tischler reagierte nicht. War das etwa die Revanche von gestern? Daan grinste, dann schlich er sich an und blieb dicht hinter Elvar stehen, eh er ihm ins Ohr flüsterte. „Guten Morgen, Elvar.“ Wie erwartet zuckte der Andere zurück und wäre, über die Tatsache, dass Daan ihm wieder so nah war, beinahe gestolpert, hätte Daan ihn nicht an den Armen festgehalten. Aber Elvar befreite sich aus den großen, gröberen Händen und bedachte Daan eines flüchtigen Blickes. „Ja, Morgen.“ „Was suchst du hier?“ Elvar war etwas rot geworden. Vielleicht war er doch empfänglich für kleine Flirts? „Holz für die Verzierungen.“ „Ah, nimmt man da eigentlich nicht immer das Gleiche? Von wegen zu viel unterschiedliches Material wirkt zu bunt?“ „Schon, aber ich will probieren, wie es mit anderen Klappen aussieht, da das Holz, was ich für die groben Konstruktionen genommen habe, nicht so schöne Maserungen hat wie... das hier zum Beispiel.“ Daan folgte der Handbewegung und sah zu, wie die Finger vorsichtig über das unbearbeitete Holz strichen. „Dann nimm es doch.“ „Hmm“, Elvar schien nicht zufrieden. Künstler, dachte Daan nur und blickte den Tischler wieder an, der dort in seinen Arbeitsschuhen, der Latzhose, deren Träger zu beiden Seiten herunterhingen, den dunklen Shirt und der grauen Beanie immer noch stirnrunzelnd das Holz betrachtete. Es war da als Daan das kleine Tier auf dem rechten Arm aufgefallen war, welches frech Blut saugte. Ritterlich wie er nun mal war schlug er die Mücke platt und ließ die Leiche sorglos auf den mit feiner Späne übersäten Boden fallen. „Au. Was soll das?“ „Da war eine Mücke.“ „Und darum haust du so doll zu?“ „Klar, ich muss dich doch vor zu hohem Blutverlust schützen“, grinste Daan. „Ach so? Oh, dann, habt vielen Dank, oh edler Ritter“, erwiderte Elvar sarkastisch und versuchte grimmig zu gucken. „Es war mir eine Ehre“, konterte Daan und verbeugte sich elegant mit einer großen Armbewegung vor Elvar und suchte gleich, als er den Kopf wieder hob, den Augenkontakt ins schöne Grün. Elvar schaute trotzig zurück. Er bemühte sich, doch grinste er dann selbst und schüttelte nur den Kopf. „Gott, du bist so doof“, lächelte er. „Ach, für dich immer. Ein Lächeln steht dir viel besser.“ „Tss, ich lächle viel. Wenn ich will.“ Gleich zog er wieder eine Schnute. Daan stellte sich wieder hin und musterte das Gesicht überdeutlich. „Echt? Gerade war es noch da. Aber jetzt... Irgendwie seh ich es nicht mehr... Lächeln noch mal.“ Elvar überlegte, dann schaute er Daan an und grinste kurz, eh er wieder weg sah. Daan schüttelte nur den Kopf. „Nee, das war zu kurz. Nochmal. Bitte“, bettelte er und griff nach den behandschuhten Händen. Elvar zuckte nur unmerklich zusammen, doch ging er auf das Spiel ein. „Lass meine Hände los“, lächelte er und Daan lachte. „Vieeel besser.“ „Ach du spinnst doch!“ Elvar entzog seine Hände den Anderen und wandte sich zum Gehen. Sein Lächeln hatte er immer noch aufgesetzt. Vielleicht könnte er ja nur jetzt, ein bisschen Spaß haben, dachte er bei sich und schaute sich kurz um. Ein bisschen, ja, im Moment war er immerhin frei. Zu Daans Überraschung hielt sich Elvar an seinem Vorschlag, mehr zu lächeln. Sie scherzten mehr, redeten über peinliche Unfälle bei der Arbeit und lachten auch mal zusammen. Es fühlte sich gut an, so unbeschwert. Elvar schien dadurch auch mehr Schwung für die Arbeit bekommen zu haben. In den nächsten Tagen kamen beide richtig weit, sodass am Freitag schon die ersten Schubläden eingepasst werden konnten. Als diese gegen Mittag justiert waren, klatschten sie sich ab. „Wir sind so gut“, freute Elvar sich. „Sowas von“, grinste Daan dazu. „Ich mach kurz ein Foto. Was machen wir danach? Hast du schon die Spieluhr geliefert bekommen?“ „Nein, noch nicht, die soll morgen ankommen oder heute. Weiß nicht.“ „Hm“, machte Daan und schoss noch ein paar Fotos für einen kleinen Zwischenbericht für seinen Chef. „Na dann machen wir Mittag, oder?“ Es kam keine Antwort und als er sich umdrehte, war Elvar auch gar nicht mehr in der Werkstatt. Ging es nur ihm so oder kann Elvar wirklich wie ein Geist einfach so verschwinden? Verwirrt sah Daan sich um, dann legte er die Kamera weg, als das Scheppern von herunter gefallenem Holz und Besteck ihn aufhorchen ließ. Verwirrt ging er in die Küche, zur Quelle des Lärms und wollte schon einen Witz reißen, als er Elvar sah. Dieser stützte sich mit den Ellenbogen auf der Arbeitsfläche ab, das Gesicht in den Händen vergraben, und atmete hörbar laut. „Geht‘s dir gut“, fragte Daan und trat langsam näher, um das Brett, das Messer und die Zwiebel aufzuheben. Scheinbar hatte Elvar die gleiche Idee mit dem Mittagessen gehabt. Nur was war gerade los? „Geht schon...“ Seine Stimme zitterte und als Daan vorsichtig dessen Arm berührte merkte er den kalten Schweiß. „Mir ist nur gerade... schwindlig geworden...“ „Komm setz dich“, erwiderte Daan nur sanft und dirigierte Elvar auf einen Stuhl. „Mir geht’s wirklich gut.“ Schwach schob Elvar Daans Hand beiseite und lächelte ihn sogar an. Die grünen Augen strahlten unnatürlich hell aus dem blass gewordenem Gesicht und schienen etwas glasig zu sein. Elvar atmete noch mal tief ein und aus, dann lehnte er sich zurück. „Es geht wirklich. Was weiß ich, was das war. Würdest du schon, das Essen anfangen?“ „Klar.“ Sicherlich hatte er gemeint, dass ein Lächeln ihm besser stand, doch mit so einem Mach-dir-keine-Sorgen-Lächeln. Er sagte nichts weiter dazu. Immerhin wollte Elvar nichts Großes daraus machen. Dennoch behielt er ihn im Auge. Daan hasste es, wenn jemand sich etwas vormachte und sagte, es ginge ihm gut, obwohl es deutlich nicht der Fall war. In seiner Familie war es Gang und Gebe klar anzusprechen, wenn es einem nicht gut ging. Ob es nun ein kleiner Schnupfen war, eine ernsthafte Erkrankung, wie der Krebs seiner Oma, oder einfach nur ein zwischenmenschliches Missfallen. Es war immer über alles geredet worden. Seine Verlobte hingegen war da ganz anders gewesen. Sie hatte ihm über einem Monat verschwiegen, dass es ihr nicht gut ging. Dann als sie einem wichtigen Termin bei ihrem Notar hatten, war sie zusammengebrochen und mit einer akuten Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gekommen. Wie sich rausgestellt hatte, hatte sie die Krankheit so weit verschleppt, dass eine Operation nötig gewesen war, wobei dann festgestellt wurde, dass auch einige andere Organe in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Für Daan war es unverständlich gewesen. Ihre Ausrede war, dass sie bei all der Übelkeit eher an eine Schwangerschaft gedacht hatte. Daan hatte sie nur angefahren, wie sie denn an ein Kind denken könne, wenn sie noch nicht mal an sich selbst denken konnte. Von da an hatte er sie nicht mehr im Krankenhaus besucht. Das war die Zeit gewesen, in der ihm Jacques über den Weg gelaufen war. Vielleicht ist das nun auch der Grund, weshalb er sich um Elvar sorgt. Seine Art wie er war, wenn Eirik bei ihm war. Wenn er sich abschirmte und nichts an sich heran ließ. Sein Herz verschloss und allein zurück blieb. Vielleicht wollte er ihm wirklich nur deshalb helfen, weil er wusste, dass es auf andere Weise viel schöner war. Nach dem Mittag, welches Daan alleine zubereitet hatte, hatten sie eine kleine Pause gemacht. Daan saß auf dem grünen, unbequemen Sofa und starrte eine Weile an die Decke. In das Loch, welches noch immer noch gut zu sehen war. Dann sah er zu Elvar hinüber, der auf einem Sessel – ebenso unbequem aussehend – den Kopf nach hinten genommen hatte und immer wieder wegdämmerte. Es ging ihm nicht gut, dachte Daan nur und knirschte mit den Zähnen. Aber in welcher Position war er schon, Elvar was vorschreiben zu wollen? Sie waren nicht mal wirkliche Freunde. Flüchtige Arbeitskollegen, wenn man es genau nahm und sie wussten so gut wie nichts über den jeweils anderen. Würde Elvar überhaupt seine Hilfe wollen? Leise hatte er sich in die Werkstatt geschlichen und weitergemacht. Sollte der Tischler sich noch ausruhen. Es reichte, dass er sich rastlos fühlte und deswegen unkonzentriert war, sodass er zwei Schrauben falsch schliff. Gegen Abend machte Daan sich dann auf den Weg nach Hause. Er hatte Elvar nur kurz geweckt gehabt, welcher ihn gleich anfuhr, dass er ihn doch nie und nimmer so lange hätte schlafen lassen sollen. „Sonst werden wir doch nie fertig und mir geht es gut!“ „Wir haben drei verdammte Monate Zeit. Das schaffen wir schon. Außerdem macht dein Gesicht jedem Gespenst Angst.“ „Wenn ich sage, es geht mir gut, geht es mir gut, verdammt noch mal. Letzte Woche hat es dich doch auch nicht geschert, ob es mir gut ging oder nicht. Warum jetzt?“ „Weil es nicht, nach einfach 'durchgevögelt' aussieht, sondern nach was Ernstem.“ „Ah ja, nach was denn?“ „Einer Grippe, oder so.“ „Ach komm! Ich war die letzten zwei Jahre nicht krank. Ich bin abgehärtet und so ‘ne einfache Grippe kann mich mal. Im Gegensatz zu jetzt hab ich mich schon deutlich dreckiger gefühlt.“ Daan hatte nur finster drein geblickt. Ebenso wie Elvar. Doch dann schluckte er nur, ballte seine Hände zu Fäusten und verließ den Hof. Da machte er sich schon Sorgen und dann sowas! Wild raste er über die Straßen und dankte der Regierung, dass es hier kaum Blitzer gab. Immer noch sauer trat er in seine Wohnung und schaltete das Licht ein. Es war wieder erwartend ein reines Chaos. Zu viele Kartons standen herum, das Schlafzimmer war halb eingerichtet und vor seiner Spüle stapelte sich das Geschirr. Daan ließ den Werkzeugkoffer auf den Boden sinken und schaltete das Licht wieder aus. Nun war alles nur noch fahl beleuchtet. Er stellte sich an sein Balkonfenster und sah hinauf zum halb vollen Mond, der allein seine Wohnung auf ungewöhnlich helle Weise erleuchtete. Eigentlich... fühlte er sich hier wirklich frei und es war wie ein Neuanfang. Er hatte seine Ketten gelöst und war frei. Nichts hatte er versucht mit zu nehmen, außer eben dem wirklich Wichtigen. Und nun war sein Leben so leer wie diese Wohnung. Gerade genug Geschichten zu erzählen wie Kartons da waren. Aber wenn er an Elvar und seine vielleicht erste Freundschaft hier dachte, wurde es ihm schwer ums Herz. Vielleicht war er der, der einsam war? Täglich hatte er Trubel und Leute um sich gehabt. Er grinste hämisch über sich selbst und versteckte seine Augen hinter seiner Hand. Was tat er hier nur? Mit gedämpfter Stimmung fuhr Daan am nächsten Morgen zu Elvar auf den Hof. Es war Samstag und eigentlich arbeiteten sie heute nicht. Das hieß, dass sie sich nicht sahen und doch musste Daan zumindest kurz sicher gehen, dass es Elvar gut ging. Und wenn er sich wieder anschreien lassen musste, war das eben so. Unter den großen Reifen des Autos knirschte der Sand, als er schließlich anhielt. Er stieg aus und schaute hinauf in den mit weißen Wolken verhangenen Himmel. Der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage ein neues Unwetter angekündigt. Ob das schon die ersten Vorboten waren? Der Hof lag still vor ihm und wie immer ging er durch die Werkstatt in das Haus. „Elvar?“ Er machte sich gleich bemerkbar, doch nichts war zu hören. „Sorry, dass ich heute vorbeikomme, aber ich wollte nur sehen, wie es dir geht?“ Er ging in die Küche, während er redete. Doch auch hier war niemand. Ob er mal in den anderen Zimmern nachsehen sollte? Mehr als die Werkstatt, die Küche und das Bad hatte er bisher ja nie gesehen oder betreten. Warum sollte er auch. Ach, lieber nicht, es gäbe nur wieder Streit. Zudem antwortete ihm hier eh niemand. Vielleicht war Elvar auch in der Scheune? Daan ging wieder hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ein kühler Wind kam auf und ließ ihn schaudern. Er hörte eine Tür klappen. Als er hinsah, bemerkte er, dass der Wind die Tür der Scheune hin und her schubste. Seltsam, wenn Evar länger in der Scheune war, fixierte er doch immer die Tür. Langsam wurde es hier komisch und Daan beschlich ein unheimliches Gefühl. Nervöser und mit einem spontanen Ausstoß von Adrenalin, was ihn deutlich aufmerksamer machte, ging er näher an die Scheune heran. Sein Herz klopfte so schnell vor Anspannung. Immer noch war alles still. Ob er rufen sollte? Er schlich näher und bekam die Tür zu fassen. Als er in die Scheune hineinging, zog er sie mit sich zu und gleich war der Wind vergessen. Hier drinnen war es auf eine andere Art warm. Scheinbar war doch kein Eindringling da. „Elvar“, rief er nochmal, doch immer noch nichts. Daan ging ein paar Schritte mit voller Anspannung weiter und dann sah er ihn liegen. Vor dem großen Holzhaufen lag Elvar. Daans Gedanken rasten und beinahe panisch rannte er zum Tischler hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)