Quick Time Event von Flordelis ================================================================================ Kapitel 5: Wir wurden richtig gute Freunde. ------------------------------------------- Mit Vincents Erlaubnis war es Faren tatsächlich möglich, am nächsten Tag etwas mit Ferris zu unternehmen. Also hatten sie sich erst im Park getroffen, waren dann den ganzen Nachmittag durch diesen hindurchgegangen und hatten allerlei Triviales über ihr gegenseitiges Leben ausgetauscht. Die Atmosphäre war diesmal wesentlich entspannter als das letzte Mal, was wohl auch daran lag, dass Ferris ihn diesmal nicht erst umgerannt hatte. Als es Abend wurde, hatten sie beide beschlossen, ihre gemeinsame Zeit in einer nahegelegenen Pool-Bar fortzusetzen. Es war eine modern wirkende Bar, keine kleine dunkle Spelunke, die nur von tief hängenden gelblichen Lampen erhellt wurde, wo Zigarettenrauch sichtbar in der Luft hing und nur zwielichtige Gestalten oder Sportfans herumhingen. Stattdessen waren drei von vier Wänden verglast, so dass man nach draußen sehen konnte, egal in welche Richtung man blickte, abgesehen von einer – aber warum sollte man auch in die kleine Küche sehen wollen? An der Fensterfront entlang standen schwarze Lederbänke ohne Lehnen, perfekt abgestimmt auf die schwarzen Tische davor, jedenfalls wenn man die ausgelassenen Gäste beobachtete, die es sich darauf bequem gemacht hatten und sich lachend unterhielten, nicht selten während sie gleichzeitig mit ihrem Handy beschäftigt waren. Bei diesem Anblick wurde Faren warm in der Brust. Dass Menschen sich zwei Jahre nach einem Dämonenangriff, der einen Teil der Stadt zerstört hatte, wieder so normal und ausgelassen verhalten konnten, war gut zu beobachten. Die direkt in die Decke eingelassenen Lichter, die fast ein wenig wie Sterne wirkten, spendeten so viel Licht, dass Faren manchmal sogar die Augen zusammenkneifen musste, wenn er den Blick zu hoch richtete. Die hinter der Bar – aus wunderschönem dunklen Walnussholz – aufgereihten Flaschen reflektierten das Licht zusätzlich. Aber das war gut. Viel Licht bedeutete, es gab keine Dämonen und das war immer gut. Insgesamt vier Pool-Tische standen im Barraum. Aber das Tollste an ihnen war der weinrote Samt, mit dem sie bezogen waren, im Vergleich zu dem normalerweise grünen. Weinrot erinnerte ihn stets an Kieran und wie stolz er gewesen war, als er Faren das erste Mal seine Abteracht-Uniform in genau dieser Farbe präsentiert hatte. Allerdings erinnerte er sich auch wieder an Vincent, der ihm stets riet, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Noch war er jedoch nicht bereit dazu, er wollte Kieran und die Hoffnung auf dessen Rückkehr nicht loslassen, also … „Es ist eine Ewigkeit her, seit ich zuletzt gespielt habe“, sagte Ferris aufgeregt, als er sich den Queue nahm und dann die Billardkreide schnappte. Da sie so früh gekommen waren, hatte man ihnen direkt einen Tisch zuweisen können – und Ferris schien das voll ausnutzen zu wollen. Begeistert kreidete er die Spitze des Queues ein, während Faren die Kugeln sammelte, um sie für das Spiel bereitzumachen. „8-Ball ohne Ansagen?“, fragte Faren, während er überlegte, welches Rack er benutzen sollte, um die Kugeln anzuordnen. Ferris dachte für einen kurzen Moment nach, vermutlich musste er sich erst die Regeln wieder ins Gedächtnis rufen, aber dann nickte er bereits. Sehr zu Farens Zufriedenheit – das erforderte immerhin wesentlich weniger Denkarbeit. Also griff er nach dem entsprechenden dreieckigen Rack. „Ich komme hier einmal im Monat her“, erklärte er dabei. Normalerweise saß er dann an der Bar, trank ein wenig und ließ sich dann auf Pool-Spiele mit vollkommen Fremden ein. Wenn er so darüber nachdachte, hatte Vincent wohl allen Grund, besorgt um ihn zu sein. „Findet dein Therapeutenbruder das okay?“ Ferris betonte dieses neu geschaffene Wort auf eine Weise, die Faren die Stirn runzeln ließ. „Er sieht doch bestimmt nicht gern, dass du so viel unterwegs bist.“ Statt aber auf das schlechte Gefühl einzugehen, lachte Faren es einfach weg. „Was denkst du, warum ich ihm dauernd dieses Frühstück als Versöhnungsgeste bringen muss?“ Das trübte Ferris' Stimmung ein wenig, aber sein Gesicht hellte sich sofort auf, als alle Kugeln endlich an ihrem Platz waren. Er legte die Kreide auf den Rand des Tisches zurück. „Darf ich anfangen?“ Faren trat einen Schritt beiseite und signalisierte ihm damit, dass er das ruhig machen sollte. Mit einem aufgeregten Strahlen im Gesicht, das für einen Moment jegliche Probleme vergessen machte, trat Ferris an den Tisch. Er beugte den Oberkörper nach unten, legte den Queue an und schien sich dann zu konzentrieren. Für einen Moment stand er jedenfalls vollkommen still, scheinbar atmete er auch kaum noch. Faren bemerkte nur durch die Geräuschkulisse, dass die Zeit nicht einfach stehengeblieben war. Gerade als er Ferris fragen wollte, worauf er wartete, führte dieser den ersten Stoß durch. Die weiße Spielkugel traf auf die übrigen, worauf diese, den physikalischen Gesetzen folgend, in die verschiedensten Richtungen auseinandersprengten. Die grüne 6 ging zuerst in einer der Taschen unter, was von Ferris mit einem kurzen, freudigen „Heh“ quittiert wurde. „Sieht aus, als gehörten dir die Vollen.“ Faren machte sich allerdings nichts daraus, er spielte ohnehin lieber mit den Halben. Ferris sagte nichts, positionierte sich neu und führte, nach einigem Abwägen, einen erneuten Stoß durch, ohne dass ein weitere Kugel ihren Weg in eine der Taschen fand. „Ich sag doch, ich bin nicht sehr geübt“, sagte Ferris seufzend, und trat beiseite. „Vielleicht hätten wir um Geld spielen sollen~.“ Faren zwinkerte ihm zu. „Mal sehen, wie ich mich jetzt anstelle.“ Aber natürlich gab es da nicht viel zu diskutieren. Er betrachtete die einzelne Lage seiner Kugeln, setzte diese in seinem Kopf in Winkel um und kalkulierte dann den geeigneten Gegenwinkel, um sie erfolgreich versinken zu lassen. Sofern der Tisch immer noch gleich hohe Beine besaß und auf einem komplett ebenen Grund stand, müsste die Physik und die Mathematik hier auf seiner Seite sein. Er brachte sich in die passende Position, richtete den Queue aus, stieß den Spielball an – und grinste siegessicher, als nicht nur die zwei errechneten, sondern auch eine dritte Kugel ihren Weg ins Ziel fand. „Wir hätten doch mit Ansagen spielen sollen“, folgerte Ferris, aber ohne sonderlich enttäuscht zu wirken. „Du bist echt gut, Bro.“ Faren zupfte selbstzufrieden an seinem Kragen. „Ich bin eben sehr schlau~. Hab ich dir erzählt, dass ich mal auf einer Eliteschule war?“ Gut, lediglich für ein Jahr, dann war er von zu Hause ausgerissen, aber man kam ja nicht ohne besondere Qualitäten auf eben eine solche. Da musste man etwas zu bieten haben. „Nur schon ungefähr dreimal.“ Ferris schmunzelte. „Ich wette, damit überraschst du die Leute immer.“ „Und wie.“ Faren lochte derweil noch eine Kugel ein. „Du solltest mal die Gesichter einiger Personen sehen, wenn die das über mich erfahren.“ „Oh, ich kann es mir lebhaft vorstellen.“ Ferris schnitt eine Grimasse, als Farens nächster Stoß nur dazu führte, dass eine seiner vollen Kugeln in einer Tasche landete. „Ich habe mich verrechnet“, kommentierte Faren dazu nur, ohne jegliche Gefühlsregung. „Ja ja, das sagen sie alle~.“ Ferris zwinkerte ihm zu. Der Rest der Partie verlief ohne große Worte, aber doch leichtlebig, bis Faren schließlich – ohne große Überraschung – am Ende als Gewinner dastand. Schmunzelnd ließ er den Queue von der einen in die andere Hand wandern. „Na? Lust auf eine Revanche, Bro?“ „Worauf du wetten kannst, ich habe mich gerade erst warmgespielt.“ Eine Stunde – und eine ausgeglichene Anzahl von Siegen und Niederlagen – später war ihre Sitzung abgelaufen, was auch nicht unbedingt schlecht war. Während der Spiele hatten sie beide nicht nur Bier, sondern auch den ein oder anderen Kurzen getrunken, weswegen Faren sich ohnehin schon nicht mehr auf das Spiel konzentrieren konnte. Das hatte sich deutlich spürbar gemacht, indem er gegen Ende keine einzige Partie mehr gewonnen hatte. Bei Ferris schien der Alkohol dagegen das Können zu steigern, denn er versenkte mehr Kugeln als noch am Anfang. Statt noch etwas zu trinken, beschlossen sie beide, die Bar zu verlassen und sich langsam auf den Heimweg zu machen. Da keiner von ihnen mit einem Auto hier war, würden sie einfach laufen, so beschlossen sie. Faren hoffte, dass ein Spaziergang in der kühlen Nachtluft ihn wieder nüchtern genug werden ließ, dass Vincent nicht bemerkte, wie viel er getrunken hatte. Inzwischen war die Sonne untergegangen, es war dunkel, kühl und die Straßen waren verwaist. Deswegen störte sich auch niemand daran, dass sie sich weiterhin lebhaft unterhielten, während sie an den orange leuchtenden Straßenlaternen vorüberkamen. „Und der Film war echt gut“, beendete Ferris gerade seine Erzählung. „Hätte ich nicht erwartet.“ „Dafür war der zweite grauenvoll.“ Faren griff in seine Jackentasche und zog sowohl Zigarettenpackung als auch Feuerzeug hervor. „Auch eine?“ Er bot Ferris die Schachtel an, aber dieser zögerte. Hatte er sich etwa falsch erinnert? Gerade als er nachhaken wollte, nahm der andere doch eine Zigarette, wirkte dabei aber ein wenig nervös. Das brachte Faren nun doch zu einem Heben der Augenbraue. „Ist was?“ „Na ja … ich hab es nicht so sehr mit … Feuer.“ Es kostete Ferris sichtlich Mühe, es auszusprechen; sein Gesicht verzog sich dabei zu einer leidvollen Grimasse, die wohl ein entschuldigendes Lächeln darstellen sollte, einem aber eher einen Schauer über den Rücken jagte. „Kein Ding.“ Faren hielt auffordernd die Hand auf. „Ich zünde sie für dich mit an, dann musst du dem Feuer nicht mal zu nahe kommen.“ Wenn er selbst rauchte, störte ihn das Glimmen vermutlich kaum. Dankend nahm Ferris das Angebot an und ließ die Zigarette in Farens geöffnete Hand fallen. Dieser fischte sich eine eigene aus der Schachtel, die dann wieder in seiner Tasche verschwand, nahm beide Zigaretten in den Mund und entzündete sie. Ferris wandte derweil den Blick ab und bedankte sich noch einmal, als Faren ihm schließlich seine Zigarette reichte. Er atmete gräulichen, gekräuselten Rauch aus, und ließ auch das Feuerzeug wieder in seine Tasche gleiten. „Ist zwar eigentlich voll ungesund, aber hey~. An irgendetwas sterben wir alle einmal, oder etwa nicht?“ „Du nimmst das ziemlich gelassen hin“, bemerkte Ferris. „Eigentlich nicht, aber es bringt ja nichts, mir über so etwas den Kopf zu zerbrechen.“ Besonders als Dämonenjäger wäre es ihm jederzeit möglich zu sterben. Warum sollte er also nicht einfach das tun, was er wollte, solange er lebte? „Hast du denn noch nie über den Tod nachgedacht?“ Ferris neigte den Kopf ein wenig, er nahm erst selbst einen kräftigen Zug. „Nein. Nein, noch nie.“ Es war nicht nur die Wiederholung der Verneinung, die Faren sagte, dass er log. Ferris' Schultern waren ein wenig verkrampft, er blickte zu Boden, statt nach vorne oder in seine Richtung. Gut, das war wirklich ein Thema, das man nicht unbedingt mit jemandem besprechen wollte, den man gerade erst kennen gelernt hatte, das konnte Faren verstehen. Und deswegen beschloss er, das Eis einfach zu brechen, indem er damit begann: „Ich habe schon ganz oft darüber nachgedacht. Als ich noch bei meinem Vater gelebt habe ganz besonders.“ Selbst Jahre später spürte er noch immer die Schläge auf seinem Körper, das Spannen der Narben hielt ihn manche Nächte noch wach, bis er eine angemessene Anzahl von Schmerzmitteln genommen hatte – wofür er dann am nächsten Tag Ärger von Vincent bekam. „Fast jede Nacht habe ich mich gefragt, warum ich nicht einfach sterben kann.“ Sogar zu beten hatte er begonnen, aber von Gott oder seinen Engeln war nie eine Antwort gekommen. Und der Teufel war dem auch nie nachgekommen. Entweder waren sie alle zu beschäftigt gewesen oder seine Seele war nicht wertvoll genug für eine der beiden Parteien. „Als Kind ist es sehr frustrierend gewesen, zu erfahren, dass sich keine übernatürliche Macht, die dir Erlösung verheißt, sofern du an sie glaubst, auch nur im Entferntesten um dich schert.“ Ferris schwieg bedrückt. Faren nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette, was ihm sofort half, sich wieder ein wenig zu beruhigen, ehe er emotional werden konnte. „Und dann bist du weggelaufen?“, fragte Ferris leise. „Ja~. Ich dachte mir, wenn mir schon keiner helfen will, mache ich das eben selbst und haue ab.“ Er zuckte mit den Schultern. „Zuerst war es natürlich besser, auf der Straße zu leben, aber irgendwann fängst du wieder an, an den Tod zu denken. Über kurz oder lang hast du nämlich keine Lust mehr darauf, immer den Elementen ausgesetzt zu sein, nie zu wissen, ob du am nächsten Tag was zu essen haben wirst und weitere Mitglieder deiner kleinen Gruppe tot vorzufinden.“ In dieser Zeit wäre es ihm manchmal lieber gewesen, er wäre von den anderen leblos aufgefunden worden. Er hatte jegliche Hoffnung verloren – und dann war er Kieran begegnet. „Wer ist Kieran?“ Faren zuckte zusammen. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er diesen Namen laut ausgesprochen hatte. Normalerweise versuchte er das in Gesprächen mit Freunden auch eher zu vermeiden, um niemanden zu deprimieren. Aber nun war es bereits zu spät. „Ach … Kieran war ein alter Schulfreund von mir gewesen. Oder eher: Wir waren zufällig in derselben Klasse und im selben Freundeskreis gewesen. Aber als er mich dann auf der Straße traf, verstanden wir uns total gut.“ Vermutlich weil Faren immer viel zu müde gewesen war, um irgendwelchen blöden Sprüche zu machen. „Dank seiner Hilfe bin ich auch nie verhungert. Er hat mich immer mal wieder zum Essen eingeladen oder mir einfach was mitgebracht. Wir wurden richtig gute Freunde.“ Und hätte Faren, der ihn dann endlich näher kennen gelernt hatte, ihm seine Gefühle gebeichtet, wäre vielleicht sogar noch mehr aus ihnen geworden. Aber was hätte das genutzt? Vielleicht, sagte eine leise Stimme in seinem Inneren, wäre Kieran dann nicht in diese Schlacht gezogen. Dann wäre er noch bei dir. Unsinn!, schalt eine andere ihn sofort für diesen Gedanken. Er wäre trotzdem gegangen. Vielleicht sogar erst recht, um dich zu beschützen. „Verstehe.“ Ferris schnippte den Stummel seiner gerauchten Zigarette auf die kaum befahrene Straße. „Dann war Kieran sowas wie dein Held in der Not.“ „Ja, so ähnlich~.“ „Wo ist er denn jetzt?“ Er ist tot. Allein der Gedanke kam Faren so unsagbar grausam vor, stach direkt in seine Brust und wühlte darin herum, als wäre das Messer – der Gedanke – auf der Suche nach etwas. Etwas, das es niemals finden könnte. Niemals niemals niemals. Glücklicherweise musste Faren diese Frage nicht beantworten, nicht einmal mit einer Lüge, denn plötzlich hielt ein Wagen neben ihnen. Er war an und für sich unauffällig und wäre Faren, trotz der Tatsache, dass er direkt neben ihnen auf der offenen Straße hielt, nicht einmal weiter aufgefallen, aber Ferris' Gesicht verlor sofort jegliche Farbe. Ein Mann stieg aus dem Auto und im allerersten Moment glaubte Faren erschrocken, es handele sich um Kieran. Dasselbe schwarze Haar, derselbe emotionslose Gesichtsausdruck, dieselbe steife aufrechte Haltung, nur seine Augen waren blau statt braun und die Frisur war anders, akkurat kurz geschnitten. Außerdem war auch das Gefühl vollkommen anders. In Kierans Nähe hatte es stets einen Hauch von Wärme gegeben, die sichere Erkenntnis, dass man alles überleben konnte, wenn man ihm nur vertraute. Aber bei diesem Mann herrschte Kälte und ein Gefühl von akuter Bedrohung, das nicht zuletzt durch Ferris' furchtsames Zurückweichen unterstützt wurde. Der Blick des Fremden heftete sich auf diesen. „Ferris, du bist zu spät.“ Seine Stimme war nicht minder kalt, leer, emotionslos. Fast kam es Faren vor, als stünde ein Roboter vor ihm, der sich lediglich für einen Menschen hielt. „Es tut mir leid, Cowen“, kam es leise von Ferris. „Wir haben nur die Zeit vergessen.“ „Zieh nicht andere in deinen Fehler hinein.“ Die Zurechtweisung kam prompt. „Du solltest es besser wissen als irgendein dahergelaufener Straßenköter.“ Faren runzelte seine Stirn. „Ich darf ja wohl sehr bitten! Ich bin kein Straßenköter.“ Auch wenn er früher oft als ein solcher bezeichnet worden war. Aber inzwischen traf diese Bezeichnung nicht einmal mehr im Mindesten zu. Nicht nachdem Vincent und Seline sich solche Mühe mit ihm gegeben hatten. „Ich rede nicht mit dir“, erwiderte der Mann, ohne ihn anzusehen, sein Blick blieb einzig auf Ferris konzentriert, der darunter regelrecht zusammenzuschrumpfen schien. „Steig ein. Wir werden zu Hause darüber sprechen.“ Ohne jegliche Widerworte wollte dieser der Aufforderung auch sofort nachgehen. Doch Faren stellte sich eilig zwischen ihn und die Beifahrertür. „Ich denke, wir haben einfach nur auf dem falschen Fuß begonnen, das lässt sich doch schnell ändern. Mein Name ist Faren Griffin. Mit wem habe ich hier die Ehre?“ Endlich sah der andere ihn an, sein Blick kalt wie Eis. „Cowen Haze. Ich bin der Bruder und Vormund von Ferris.“ „Ist er nicht bereits 18?“ Wer benötigte denn noch einen Vormund mit 18? Davon ließ Cowen sich aber nicht beeindrucken. „Das geht dich nichts an. Ferris, steig endlich ein!“ Faren kannte diesen Tonfall, und er ließ eine Wut in seinem Inneren rumoren, die das überstieg, was er in den letzten Jahren kennen gelernt hatte. Etwas, was er nur kannte, wenn es im Zusammenhang mit seinem Vater stand, der denselben Tonfall besessen hatte, sobald es um ihn gegangen war. Gerade wollte er dieser Wut freien Lauf lassen und Cowen das wissen lassen, was er seinem Vater nie gesagt hätte, da spürte er Ferris' Hand auf seiner Schulter. Sofort beruhigte er sich wieder ein wenig. „Es ist schon gut“, sagte Ferris. „Bitte, Faren. Ich werde mit ihm gehen.“ Nach diesen Worten, die ihm gleichzeitig sagten, dass Ferris derjenige war, der den Ärger bekommen würde, sollte er hier ausrasten, presste er die Lippen aufeinander. „Danke, Faren.“ Ohne jedes weitere Wort setzte Ferris sich ins Auto. Cowen warf noch einen letzten Blick auf Faren, mit dem er diesen auf Eiszapfen zu spießen schien, dann setzte er sich ebenfalls wieder ins Auto, startete den Motor und fuhr davon. Schon nach wenigen Sekunden war es aus Farens Sicht verschwunden, als wäre es nie wirklich hier gewesen. Er atmete tief durch. Er wollte einen weiteren Zug seiner Zigarette nehmen, nur um festzustellen, dass sie bis auf den Filter heruntergebrannt war. Mit einem verärgerten Knurren warf er den Stummel weg. Er wusste einfach, dass Cowen genau wie sein Vater war. Dass er Ferris Dinge antat, die nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele erschütterten. Und Ferris war genau wie er es damals gewesen war: unterwürfig, gehorsam, besänftigend. Deswegen, so schloss er, war Ferris auch so abgeneigt gewesen, in Vincents Haus zu gehen oder ihm auch nur zu begegnen. Er befürchtete, ein Therapeut könne ihn ganz einfach durchschauen. Genau so war es Faren damals auch ergangen. Er konnte Ferris verstehen wie niemand sonst, und genau deswegen musste er ihm auch helfen. Sein Handy lenkte ihn mit einem schrillen Signalton von diesen Gedanken ab. Ein Blick auf das Display verriet ihm, was er bereits geahnt hatte: Es war eine Nachricht von Selines Diensthandy, eine Mitteilung, dass seine Hilfe gegen einige Dämonen im Norden benötigt wurde. Unter anderen Umständen hätte er nun wütend geflucht und wäre dann dieser Anfrage nachgekommen – aber so sehr mit Wut angefüllt, wie er im Moment war, kam ihm das wie gerufen. Er musste sich irgendwie abreagieren, damit er nicht doch noch herauszufinden versuchte, wo Cowen lebte und er seine Wut dann an diesem ausließ. Also lächelte er grimmig und machte sich auf den Weg, um allen Dämonen im nördlichen Stadtteil ordentlich in den Arsch zu treten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)