Don't Lose Heart von Peacer ================================================================================ Kapitel 1: Chicken-Hearted -------------------------- Bepo erholte sich sehr viel schneller von seinem Schock und machte seiner Entrüstung mit einem gellenden Schrei Luft, während ich nur peinlich berührt weg von dem Produkt meines ersten, grandiosen Eindruckes stolperte und mich unter anderem wunderte, wie zum Teufel ich ihn gerade verstanden hatte. Mein Japanisch beschränkte sich auf ein paar Worte und oft genutzte Sätze aus Animes, aber das hier hatte ich wie meine Muttersprache verstanden. Lange blieb mir allerdings nicht, um mich darüber (und alles andere) zu wundern. „Oho, was haben wir denn hier?“ Der erste Heartpirat tauchte auf, welcher wohl in der Nähe des Deckes herumgelungert hatte und somit am ehesten vor Ort war. Er kam mir nicht bekannt vor, aber das war bei Laws größtenteils unbekannter Crew nicht wirklich ein Wunder. Wie jeder von ihnen trug auch er einen weißen Overall mit dem Heart-Smiley und eine Mütze, welche in seinem Fall ein unförmiges hellblaues Ding mit einem Dutzend Zöpfen war, die nahtlos in die gleichfarbigen Haare überging und insgesamt den Eindruck einer toten Qualle verlieh. Die Augen waren nicht zu sehen, dafür aber ein breites Grinsen auf einem noch breiteren Mund. „Hallo“, antwortete ich mit leicht – okay, sehr – zittriger Stimme und lächelte tapfer, wenn auch etwas verkrampft, während mein Herz weiterhin wie wild pochte. Toll, ich hatte ein japanisches Sprachmodul mit auf die Reise bekommen. Das machte die Situation ein klein wenig besser. Wahrscheinlich. Sein Grinsen wurde wenn möglich noch breiter und gruseliger als er mich musterte und ich verschränkte instinktiv die Arme vor der Brust. Am liebsten hätte ich mich irgendwo versteckt. „Ooh, das ist sooo interessant, das muss ich gleich weitererzählen. Oder soll ich doch warten und sehen, wie es sich entwickelt? Schwierig schwierig. Erster sein oder komplette Geschichte aus erster Hand erfahren, mmh. Wer bist du, Schätzchen?“ Spätestens jetzt war mein Lächeln nur noch eine verkrampfte Grimasse und ich brauchte eine Weile, bis ich die Frage aus dem Redeschwalle registrierte. In dem Augenblick kam allerdings ein zweiter Pirat durch die Tür geprescht und rannte den gruseligen Grinsekopf beinahe über den Haufen. „Oi, was ist hier los?“ Dieser trug eine knallrote Kappe verkehrt herum auf seinem unbändigen, blonden Schopf und ein paar Strähnen fielen ihm in die dunklen Augen, die mich erfassten und in dem Bruchteil einer Sekunde als Feind einstuften. „Eindringling!“, rief er laut und bevor ich mich versah wurde ich auch schon mit einem enthusiastischen Tackle von den Füßen gerissen. Mir blieb die Luft weg als ich aufschlug und mein Kopf schon wieder gegen den Boden knallte. Mein Schrei erstickte mir im Hals und tausend schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, die ich nur mit mühsam kontrolliertem Atmen wieder unter Kontrolle bekam. Als meine Sicht sich wieder klärte fand ich mich unter dem Heartpirat wieder, die Arme an die Seite gepinnt, Beine unter seine Knie eingeklemmt, ein schrecklich raubtierartiges Grinsen aus spitzen Zähnen nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, was? Erst schlagen, dann fragen, das ist meine Devise!“ Ich war völlig überrumpelt, in jedem Sinn, und konnte ihn nur verdattert und vor allem eingeschüchtert anstarren. Ich fragte mich, ob tacklen als schlagen zählte oder ob das der nächste Schritt war und schluckte schwer. Das letzte Mal hatte ich mich in der Grundschule geprügelt und das war nicht gegen einen trainierten Kämpfer gewesen. Selbst so hatte ich recht unangenehme Erinnerungen daran. „Shark, du ungehobelter Flegel, so bekommt man doch keine Antworten. Überlass das lieber mir“, sagte Blauhaar in einem viel zu gut gelaunten, eifrigen Ton als dass ich wirklich beruhigt war. Trotzdem war er mir vergleichsweise augenblicklich weitaus sympathischer als das Raubtier über mir. „Vor allem nicht, wenn man überhaupt keine Fragen stellt“, murmelte Bepo. „Seid still! Ich habe noch gar nicht angefangen!“ „Tut mir leid“, entschuldigte sich Bepo und ließ den Kopf hängen. Blauhaar hingegen stemmte ungeduldig die Hände in die Hüften. „Dann mach schon! Ich will heute noch die Neuigkeiten verbreiten!“ „Ich wäre ebenfalls äußerst an der Geschichte interessiert“, meldete sich nun eine neue und doch sehr bekannte Stimme zu Wort und ich musste nicht hinsehen um zu wissen, dass Law in der Tür stand. Natürlich sah ich trotzdem hin. Selbst wenn mein inneres Fangirl nicht wäre, hing mein Schicksal doch von diesem Mann ab...leider. Ein guter erster Eindruck war eindeutig etwas anderes. Nun, positiv war zumindest, dass er in Wirklichkeit noch sehr viel besser aussah. Negativ war, dass er auch sehr viel bedrohlicher wirkte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie wirklich verstanden, was mit einem gefährlichen Lächeln gemeint war. Nun tat ich es und ich fröstelte. „Ähm“, meinte ich intelligent und schloss den Mund wieder. Das hier war kaum der richtige Zeitpunkt, meinen Hirn-Mund-Filter auszuschalten. Ich hatte das bestimmte Gefühl, ich sollte mir meine Worte genauestens überlegen oder ich würde allzu bald herausfinden, wie ein Seekönig von innen aussah. Im besten Fall, hieß das. „Vielleicht solltest du sie loslassen, Shark. Ich behalte sie im Auge. Kapitän?“ Erst jetzt bemerkte ich Laws Begleitung: ein hochgewachsener Mann mit dunkelblauem Beanie auf leuchtend rotem Haar, welches ihm offen bis weit über die Schultern fiel. Entgegen seiner entspannten Haltung mit den Händen in den Taschen seines Overalls entging seinem azurblauen Blick nichts. Law machte eine wegwerfende Handbewegung und Shark ließ von mir ab, auch wenn er in der Nähe bereit stehen blieb. Als ob ich irgendjemanden angreifen würde. Oder könnte. Mühsam rappelte ich mich in eine sitzende Position und rieb mir den Kopf. Ich betete, dass ich Law nicht auch noch vor die Füße kotzte und erhob mich auf meine Puddingbeine, deren Ursprung diesmal mehr Nervosität als Schwindel war. Ich verschränkte wieder die Arme vor der Brust, erinnerte mich dann aber, dass das körpersprachlich sehr defensiv und unsicher wirkte, sah in die eisig grauen Augen von Law und befand, dass mir das egal war. Ich war defensiv und unsicher und definitiv eingeschüchtert. Meine Gedanken rasten, aber ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Ich hatte eindeutig nicht damit gerechnet auf einen fiktiven Charakter in einer fiktiven Welt zu treffen, der genauso sadistisch wie sexy war. Oder auf seine Crew, die mich ebenso intensiv musterte. Wenn ich etwas hasste, dann im Mittelpunkt zu stehen, vor allem, wenn ich mich nicht mental darauf vorbereiten konnte. Mir war danach, ein Time Out zu erbitten. Mein Gesicht glühte. „Nun, Miss“, sagte Law, der im Gegensatz zu mir entspannt an der Wand des U-Boots lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt (was bei ihm im Gegensatz zu mir Selbstsicherheit ausstrahlte) und mich mit seinem aufmerksamen Blick fixierte, gruseliges, immerwährendes Lächeln nach wie vor auf den Lippen. „Was bringt dich auf mein Schiff?“ Gute Frage. Ich dachte kurz nach, kam zu dem Schluss, dass selbst wenn ich eine gute Ausrede parat hätte und lügen könnte, ich jemanden wie ihn eh nicht hinters Licht führen konnte und beschloss, bei der Wahrheit zu bleiben. „Nun“, begann ich und zupfte nervös an meinem T-Shirt herum, obwohl es perfekt saß und definitiv nicht zu viel Ausschnitt zeigte. Ich fühlte mich trotzdem entblößt. „Wenn ihr mich nicht gekidnappt habt, dann weiß ich es auch nicht.“ Law hob eine Augenbraue und Bepo grummelte: „Wieso sollten wir dich entführen?“ Wieder eine gute Frage. Was zum Teufel tat ich hier? „Da wir nicht dafür verantwortlich sind bleibt die Frage, wie du es hierher geschafft hast.“ Ich zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich bin hier aufgewacht.“ Die Augenbraue kletterte höher. „Aha.“ „Ich weiß, wie unglaubwürdig sich das anhört, aber wenn ich lügen würde, hätte ich dann keine bessere Erklärung parat?“ Wow, das Argument fand ich gar nicht mal so schlecht. Law schien anderer Meinung zu sein. „Möglicherweise willst du sie einfach nicht mit uns teilen.“ „Ich habe keinen Todeswunsch.“ „Es scheint aber so, immerhin bist du hier. Oder weißt du etwa nicht, wer ich bin?“ „Doch.“ Laws Augen blitzten und ich hatte das ungute Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben. Ich wusste allerdings nicht was, und das erhöhte meine Angst nur noch bis sie an Panik grenzte. „Und das wäre?“ Mein Mund war sehr trocken und ich versuchte vergeblich, meine Lippen zu befeuchten. „Trafalgar Law, Dark Doctor, Chirurg des Todes.“ Ich zögerte kurz, beäugte seine alte, schirmlose Mütze und den gelben Pullover mit seinem Smiley und riet: „Supernova.“ „Da hat wohl jemand seine Hausaufgaben gemacht.“ Ich rätselte vergeblich, was er damit meinte und beschloss, mich einfach darüber zu freuen, dass ich den Zeitraum zumindest etwas eingegrenzt hatte, indem ich gelandet war. Nach Sabaody, wenn man nach dem Titel von Supernova ging, was er nicht verneint hatte, und offensichtlich vor Punk Hazard, wenn man nach Mütze, Crew und entspannter Attitüde ging. Aber vor oder nach dem Krieg? Und vor allem: war er bereits ein Shichibukai oder nicht? Abgesehen davon waren meine Gedanken in eine Schockstarre verfallen, meinen Körper nachahmend. „Und mit wem habe ich es zu tun?“ Ich haderte kurz, spielte mit dem Gedanken, mich als Rin vorzustellen, kam dann aber zu dem Schluss, dass ich wohl nicht entsprechend auf den Namen reagieren würde. Außerdem war es irgendwie unpassend. „Kim. Einfach Kim.“ Schließlich konnte ich mich nicht mit hübschen Titeln rühmen. Außer vielleicht „die verlorene Weltenwechslerin“. „Nun, Miss Kim, was weißt du noch?“ Langsam aber sicher wurde mir klar, dass das hier kein netter Plausch sondern eine Befragung war (ja, ich war ziemlich naiv) und dass mein Schicksal von meinen Antworten abhing. Und dass Law mich vermutlich für etwas hielt, das ich gar nicht war. Eine Spionin, etwa. Ich zögerte einen Tick zu lange und Shark trat einen drohenden Schritt näher. Ich hob abwehrend die Hände. „Nichts.“ Viel zu viel. „Ich weiß wirklich nicht, was hier vorgeht und bin sicher nicht hier, um euch auszuspionieren oder so.“ Zumindest das war wahr. „Und töten? Immerhin weißt du um mein beträchtliches Kopfgeld.“ Ehrlich? Ehrlich?! Er hielt mich für eine Kopfgeldjägerin? Ich konnte nicht anders als zu lachen, so absurd war der Gedanke. Das war allerdings weder für meine Kopfschmerzen noch für meinen zweiten Eindruck zuträglich. „Ich töte nicht mal Insekten, wenn es sich vermeiden lässt. Und überhaupt, wie sollte ich das anstellen?“ Laws Blick fiel daraufhin auf meine Handtasche. Oh. Wieder zögerte ich. Mir behagte es nicht, mich von meiner Tasche zu trennen. Es war nicht nur das einzige, was mir in dieser fremden Welt geblieben war, es war auch privat. Es war mein Besitz und es ging niemandes etwas an, was ich darin aufbewahrte. Vor allem aber war ich mir ganz und gar nicht sicher, wie Law auf den Inhalt reagieren würde, und damit meinte ich nicht meinen rosafarbigen Regenschirm. Ich hatte zwar kein Handy dabei, aber meine Medizinbücher würden ihn bestimmt brennend interessieren. Genauso wie die Schatzkarte, bei der mir jetzt erst klar wurde, dass sie die Neue Welt zeigte. Wie auch immer sie in meinen Besitz gelangt war, ich hatte das Gefühl, ich sollte sie gut aufbewahren. Sie war mein einziger Hinweis, wie ich hier gelandet war und wie ich möglicherweise wieder zurück nach Hause kam. Andererseits schoss die Anspannung mir jeder Sekunde, die ich zögerte in die Höhe und die Stimmung schlug von relativ entspannt, wenn auch wachsam, auf bedrohlich um. Der Inhalt meiner Tasche würde mir kaum helfen, wenn ich in tausend Stücken auf dem Meeresboden lag. Und vielleicht würde meine Kooperation mich davor bewahren. Mein direktes Überleben war gerade wichtiger als irgendwelche zukünftigen Konsequenzen. Also nahm ich meine Tasche ab, langsam, ohne bedrohlich zu wirken (das dürfte nicht allzu schwierig sein, ich meine, seht mich an) und ließ sie auf den Boden gleiten, ehe ich widerwillig ein paar Schritte zurücktrat. „Ich glaube, das einzig gefährliche sind die Bücher, die ich jemandem potentiell über den Kopf ziehen könnte. Aber überzeugt euch selbst.“ „Sie könnte explodieren“, gab Shark aufgeregt zu bedenken, auch wenn ihn das nicht im geringsten abzuschrecken schien. Eher das Gegenteil. „Dann würde ich kaum direkt daneben stehen bleiben“, antwortete ich, ehe ich es mir besser überlegen konnte. Mit Sarkasmus machte man sich selten Freunde. Shark aber schien meine Antwort nicht im geringsten zu interessieren. Stattdessen nahm er auf ein Kopfnicken seitens Law mit Elan meine Tasche auseinander. Bevor er meine kostbaren Bücher achtlos auf den Boden schmeißen konnte, riss ich sie ohne lange zu überlegen an mich. „Vorsicht damit!“ Sie waren neu! Und teuer! Und vor allem hatte ich sehr viel Zeit hineingesteckt, um alles pedantisch zu notieren und in allen möglichen Farben nach meinem persönlichen System anzumalen. Ich drückte sie also schützend an meine Brust. Für mein Schreibheft kam allerdings jede Hilfe zu spät und bald schon lag es umringt von losen Blättern in einem kunterbunten Haufen auf dem Boden. Ich dachte mit Schrecken an meine Fanfictions über eben jenen Mann, der nur ein paar Meter entfernt stand, darunter der Anfang eines peinlichen PWPs, den ich niemanden und schon gar nicht dem Protagonisten zeigen wollte und bückte mich hastig, um alles einzusammeln – und möglicherweise vorsorglich über Bord zu werfen. Die abrupte Bewegung war allerdings eine schlechte Idee und Schwindel und Kopfschmerzen, dank Adrenalin so gut wie vergessen, kamen mit doppelter und dreifacher Kraft zurück. Mit einem ziemlich erbärmlichen Stöhnen fiel ich auf die Knie und ließ meine Bücher zugunsten meines Kopfes fallen, den ich festhielt, als ob er jeden Augenblick davonrollen und explodieren würde. Durch das Rauschen in meinen Ohren hörte ich ihn nicht näher kommen, bis seine schwarzen Schuhe in meinem verschwommenen Blickfeld erschienen. Eine tätowierte Hand hob eines meiner Bücher und ein paar lose Blätter auf, von denen ich hoffte, dass sie nichts peinliches enthielten, auch wenn es mir gerade fast egal war. Ich war müde und verloren und hatte Angst und Schmerzen und keine Geduld für clevere Spielchen mit einem mir weitaus überlegenen Gegner, nur die vage Hoffnung, nicht halbiert im Meer zu landen. „Interessant...“ Nach einer kurzen Pause, in der nur das Umblättern von Seiten zu hören war, ging Law in Befehlston über. „Shark, sammle die Sachen wieder ein und bring sie zu Moki. Kurage, du erklärst ihm die Lage. Ray, hilf unserem“, eine kleine, unangenehme Pause, „...Gast ins Krankenzimmer. Und Bepo, wir tauchen ab.“ „Aye, Kap'tän!“ Einen Augenblick später war das Deck von geschäftiger Aktivität erfüllt und ich wurde auf die Beine gezogen. Ein Arm schlang sich um meine Taille und der rothaarige Beanieträger zog mich ins Innere des U-Boots. Die Tür fiel mit einem unheilvollen, endgültig klingenden Geräusch ins Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)