Breaking free of Slavery von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Kalter Wind fegte über Liones. Die Baumkronen bogen sich in die entgegengesetzte Richtung aus der der kalte Wind kam. Es sah für Alisa aus, als würden die Bäume versuchen sich mit ihren starken Wurzeln im Boden festzukrallen, umso zu verhindern, das sie weggefegt wurden. Dunkle Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Hoffentlich würde das Gewitter vorüberziehen, hoffte Alisa. Sie mochte keine Gewitter. Als Kind hatte sie sie geliebt, aber seit dem Gewitter, in dem sie den alten Mann begraben musste der immer so nett zu ihr gewesen war, fühlte sie sich immer unweigerlich daran erinnert. Sie hatte den alten Mann nicht lange gekannt, aber er war der einzige gewesen, der sie wie ein fühlendes Lebewesen behandelt hatte. Traurig trat Alisa zurück und schloss das Fenster mit zitternden Fingern. Warme Tränen liefen ihr das Gesicht hinunter. Sie hasste sich zwar dafür, doch stoppen konnte sie sie nicht. Als sie sich beruhigt und die Vorhänge zurück gezogen hatte, sah sie sich in ihrem Zimmer um. Es war ein großer Raum, an dessen Nordseite ein riesiges Bett stand. Alisa liebte dieses Bett. Es hatte Unmengen an Kissen und die Matratze war so weich, das man darin fast komplett versinken konnte. In der Sklaverei hatte sie nur eine dünne Strohmatratze gehabt unter der man jeden Stein spüren konnte. Doch noch mehr als ihr Bett liebte sie die Decke, denn diese hatte man mit einer wunderschönen Wiese bemalt. Immer wenn sie Nachts nach oben schaute, hatte sie immer das Gefühl durch einen Spiegel in eine andere Welt zu blicken. Sie müsste nur die Hand ausstrecken und die Oberfläche zu berühren, dann könnte sie ebenfalls in diese bunte Welt in der sie das ganze Leid vergessen konnte. In der sie friedlich unter der Sonne liegen konnte und den Pflanzen beim wachsen zusehen könnte. Ein sanftes aber doch trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie mochte vielleicht nie genau in diese Welt, die da oben aufgemalt war, sehen können, doch sie würde schon bald in eine ebenso fantastische Welt reisen. Ihr Entschluss stand schon fest und sie hatte ihren “Vater“ schon längst gefragt. Er war zwar traurig gewesen, doch er hatte ihren Wunsch verstanden. Alisa war ihm deswegen sehr dankbar. Sie hatte nicht gehen wollen, ohne zu mindestens einem Familienmitglied Bescheid zu geben. Batra hatte ihr auch das Versprechen abgenommen, seinen Töchtern, Elizabeth, Veronica und Margaret, von ihrem Beschluss erst zu erzählen, wenn Alisa schon aufgebrochen wäre. Sie könnte es nicht ertragen, wenn die drei sie bitten würden, zu bleiben. Das würden sie zwar nie tun, aber Alisa wusste immer noch nicht wirklich, was in den Köpfen der Menschen rumging. Alisa wandte sich um und ging zu ihren Schreibtisch. Sie nahm an ihrem Stuhl Platz und starrte auf das leere Blatt Papier das auf der Arbeitsfläche ruhte. Ihre Finger schnappten sich den Bleistift der danebenlag. Alisa musste nicht lange nachdenken was sie zeichnen wollte. In ihrem Kopf erschien das Bild eines riesigen Baumes mit weit ausladenden Zweigen. Die Blätter waren Pink. Aber in keinem grellen Pink, sondern in einem hellen, leuchtenden. Alisa wusste nicht, ob es diesen Baum wirklich gab, oder er einfach nur ein Traum gewesen war. Zufrieden hob sie den Blick von ihrer Zeichnung hoch. Alisa war ungemein stolz auf ihre Zeichnungen. Irgendwie kam es ihr vor, als wäre dies das einzige worin sie wirklich gut drin war. Sie starrte eine Weile auf ihr Bild. Dann fiel es ihr wieder ein. Sie tastete nach dem Vermächtnis ihrer Mutter, das sich stets an ihrer linken Hüfte befand. Sie zog den Dolch hervor und verglich den Baum auf der Scheide des Dolches eingehend mit ihrer Zeichnung. Sie staunte. Es war exakt der gleiche Baum. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein musste noch das Bild des Baumes herum geschwebt sein. Mit den Fingerspitzen strich sie liebevoll über den Baum. Immer wenn sie ihn ansah, spürte sie tiefe Verbundenheit, obwohl sie ihn noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Es kam Alisa vor, als würde das Bild des Baumes sie rufen, denn auf einmal spürte sie eine tiefe, unerklärliche Sehnsucht in sich aufwallen. Alisa wollte diesem Baum so nah sein wie möglich. Schleichende Dunkelheit senkte sich über Liones. Das Gewitter war, wie Alisa gehofft hatte, vorbeigezogen. Nicht ein einziger Tropfen war auf den Straßen gelandet. Sie zog die Vorhänge zurück und schaute dem Sonnenuntergang zu. Sie liebte es, wenn der Himmel in Flammen aufging und alles in sein rotes Licht tauchte. Einige Stunden stand sie da und beobachtete, wie der Himmel immer schwärzer und schwärzer wurde, wie langsam der Mond aufging und die ersten Sterne sich hinter den Wolken hervortrauten. „Wunderschön…“, hauchte Alisa. Sie war von dem Anblick immer wieder überwältigt. Ihr Zimmer lag auf gleicher Etage wie das Esszimmer. Alisa drehte sich um und schnappte sich ihre Jacke. Dann sprang sie aufs Fensterbrett. Sie war wirklich froh darüber Flügel zu haben, denn die brachten sie immer sicher nach oben aufs Dach. Sie setzte sich auf den höchsten Punkt um den besten Ausblick zu haben. Ihre Jacke hatte sie unter sich ausgebreitet. Alisa wurde nur selten kalt. Es war als würde ein unsichtbares Feuer unter ihrer Haut brennen und sie immer wärmen. Sie legte den Kopf in den Nacken und suchten mit ihren Augen nach einem bekannten Sternenbild. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie fand nichts. Das verärgerte sie. „Na? Was machst du denn für ein Gesicht, Ali-chan?“ Erschrocken zuckte die blauhaarige zusammen. „Erschreck mich doch nicht so, Elizabeth!“, beschwerte sie sich und sah ihre Schwester mit gerunzelter Stirn an. „Wie bist du überhaupt hier hoch gekommen?“, wollte sie wissen. „Geklettert.“, sagte Elizabeth leichthin und nahm neben Alisa Platz. „Ach ja. Ich habe deine unheimliche Fähigkeit an jeden belieb hohen Ort zu klettern, vergessen.“ Kopfschüttelnd blickte Alisa Elizabeth an. Sie trug eine dunkle Jacke mit Fellkragen. „Aber was tust du eigentlich hier?“ Elizabeth sah sie mit blitzenden Augen an. „Das haben wir doch früher schon immer gemacht, weißt du nicht mehr? Außerdem…“ Sie zögerte. „Außerdem wollte ich mich von dir Verabschieden.“ Erschrocken zuckte Alisa zusammen. Elizabeth lachte. „Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass wir es nicht mitbekommen hätten. In letzter Zeit bist du noch stiller geworden, als du ohnehin schon bist. Dann isst du auch noch weniger. Mehr Hinweise brauchten wir nicht um herauszufinden, dass irgendetwas ist. Als wir Vater danach fragten, ob er etwas wüsste, hat er es erzählt. Bevor du jetzt etwas sagst: wir haben nicht vor, dich davon abzuhalten zu gehen. Wir alle wissen, wie wichtig dir das ist.“ „Wer ist wir?“, fragte Alisa, obwohl es ihr schon schwante. „Ich, Veronica, Margaret, Gilthunder, Howzer und Griamore.“, sagte Elizabeth und zählte jeden an ihren Finger ab. Stöhnend blies Alisa Luft aus. „Wie ich es mir schon dachte.“, murmelte sie. Elizabeth musterte sie amüsiert. Dann wurde ihre Miene wieder ernst. „Auf jeden Fall, haben wir uns ein Abschiedsgeschenk für dich ausgedacht.“ Sie griff in ihre Jackentasche und holte eine kleine Schachtel heraus. Die grauhaarige reichte der verdutzten Alisa die Schachtel. „Keine Sorge. Es ist etwas was wir ALLE gemacht haben.“, lachte sie als sie den zögerlichen Blick ihrer Schwester bemerkte. „Gut.“, sie blies die angehaltene Luft aus. „Wenn Howzer, Gilthunder und Griamore es alleine gemacht hätten, hätte ich es nie im Leben auf gemacht.“ Danach herrschte kurz Schweigen, in der Alisa langsam das dunkelgrüne Samtband abwickelte. Sie betrachtete es ehrfürchtig. Elizabeth kicherte, nahm es ihr aus der Hand, beugte sich über ihren Kopf und band die hellblauen Haare zu einem Zopf. Alisa hielt ganz still und wartete bis sich Elizabeth in ihre ursprüngliche Sitzposition begab. Dann nahm Alisa vorsichtig den Deckel von der Schachtel. Darin befand sich ein kleiner Beutel. Er war tiefrot und mit kleinen Kranichen bestickt. Saunend hob Alisa den Talisman hoch. Sie staunte. So wie es aussah, war Handgemacht. „Wir haben alle zusammen daran gearbeitet.“, erklärte Elizabeth stolz. „Wahnsinn.“, hauchte Alisa, die immer noch nicht fassen konnte, dass das ein Geschenk von allen für sie war. Elizabeth nickte ernst. „Behalte es immer bei dir. So können wir sicher sein, dass es dir gut geht.“ Sie beugte sich zu Alisa und drückte sie sanft an sich. „Bitte pass auf dich auf. Da draußen ist es gefährlich. Denk an uns. Okay?“ Elizabeth legte ihre Stirn an Alisa‘. „Und komm bitte lebend wieder zurück.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)