Zum Inhalt der Seite

Breaking free of Slavery

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Kapitel hat meine Partnerin geschrieben. Für den Prolog bin ich verantwortlich. Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch! Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog


 

Breaking free of Slavery


 

Ihre Kehle schmerzte, während sie sich auf ihrer dünnen Strohmatte herumwälzte, um so eine bessere Schlafposition zu finden. Doch egal wie sie es auch versuchte, ihr Körper schmerzte trotzdem. Sie kniff die Augen zusammen, als plötzlich eine laute Stimme schrie, sie solle endlich leise sein. Als sie sie wieder öffnete, war der Schein der Lampe, die sie immer mit sich herum trugen, weg. Sie lag noch einige Augenblicke still da und lauschte, ob bloß auch keiner kam. Dann drehte sie sich wieder auf die andere Seite und versuchte dabei ein schmerzliches Keuchen zu unterdrücken. Doch die Ketten an ihren Füßen klirrten trotzdem, auch wenn sie das nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Kurze Stille. Dann wurde die Tür mit einem entsetzlichen Quietschen in den Angeln geöffnet und ein Mann kam herein. Er trug eine lange weiße Robe, mit schwarzen Sandalen. Um seinen Hals hing eine wertvolle Kette aus purem Gold. In der Mitte des Goldes war ein tiefschwarzer Onyx eingearbeitet. Sein Gesicht war noch relativ jung, doch es fiel ihr sowieso schwer, das Alter der Menschen zu schätzen. Seine kurzen schwarzen Haare staden wild in alle Richtungen ab, als wäre er so schnell er konnte aus dem Bett gesprungen. Seine glitzernden Augen betrachteten jeden im Raum, wie ein Adler seine Beute betrachtete. Sein Blick blieb an einer kleinen zusammengekrümmten Person hängen.

„Du! Mitkommen!“, rief er. Als sie sich nicht sofort bewegte, traten zwei Männer vor, packten das Mädchen an ihren ausgemergelten Armen, hoben sie hoch und gingen angemessenes Schrittes hinter dem Mann her. Das Kind, das zwischen ihnen baumelte, wusste genau, was jetzt kam. Ihr Herr suchte sich jede Nacht jemanden aus den er während der Nacht demütigen und quälen konnte. Diesmal war sie wieder dran. Bei diesem Gedanken krampfte sich ihr Bauch zusammen. Am liebsten hätte sie sich an Ort und Stelle erbrochen. Sie hatte wieder nichts zu essen bekommen.
 

Als der Morgen heran brach wurde das Kind wieder zurückgebracht und rücksichtslos in den Raum geworfen. Einige andere Sklaven nährten sich vorsichtig dem Kind, doch niemand rührte sie an. Alisa wusste auch warum. Es lag daran, dass niemand aufgrund dessen was sie war, etwas mit ihr zu tun haben wollte. Sie schaffte es gerade noch auf ihre Strohmatte, bevor sie zusammenbrach.

Es dauerte einige Minuten ehe sie ihr Bewusstsein wiederfand. Als erstes realisierte sie den entsetzlichen Schmerz in ihrem Kopf. Sie musste wohl irgendwo dagegen geknallt sein. Leise fluchend richtete Alisa sich auf. Als sie das getrocknete Blut an ihren Handgelenken sah, fiel ihr wieder ein, was letzte Nacht geschehen war. Sie verzog leicht das Gesicht. Nicht genug, dass ihr jeder Knochen im Körper einzeln wehtat, jetzt hatte ihr Herr auch noch ihr so zugesetzt, dass sie sich kaum ohne Schmerzen zu haben, rühren konnte. Aber das würde ihm wohl egal sein. Er hatte sich noch nie etwas daraus gemacht, wenn seine Sklaven litten. Solange er nicht darunter zu leiden hatte, kümmerte es ihn nicht. Dafür, dass er seine Slaven leiden lies, und sie zur Arbeit zwang, auch wenn sie noch so schwer krank waren, hätte sie ihm umbringen können. Alisa nickte grimmig. Irgendwann, wenn sie aus diesem Loch käme und nicht mehr unter seiner Fuchtel stand, würde sie es ihm heimzahlen. Mit der Hand tastete sie unter ihrer Strohmatte herum. Als sie mit den Fingerspitzen das kalte Heft des Dolches berührte, musste sie lächeln. Dieser Dolch hatte ihre Mutter ihr zu ihrem Abschied geschenkt. Er war das kostbarste was sie besaß. Ihr Herr hätte ihn wahrscheinlich schon eingeschmolzen, wenn Alisa ihn nicht so gut verstecken würde. Die dritte Steinplatte von links, barg darunter nämlich einen kleinen Hohlraum wo sie den Dolch sonst aufbewahrte. Nur heute hatte keine Zeit gehabt ihn ordentlich zu verstecken. Es war jetzt schon fünf Jahre her, seitdem sie ihn dort versteckte und bisher hatte niemand ihn gefunden. Darauf war sie schon ein wenig stolz.
 

Ihre Finger tasteten erneut über den Boden unter ihrer dünnen Matratze. Sie hatte sich dort einen kleinen Kanten alten Brotes aufgehoben. Ihre Hand fand was sie suchte. Alisa zog es hervor. Es war nur ein kleines Stückchen. An manchen Stellen konnte sie schon etwas Schimmel sehen. Das war auch kein Wunder. In dem Raum, wo die Sklaven untergebracht worden waren, war die Decke undicht. Der Regen sammelte sich in den dunklen Ecken und Spalten zwischen den Steinen.

Alisa aber war es egal, ob das Brot nun leicht angeschimmelt war oder nicht. Hauptsache sie bekam etwas in ihren Magen, der sich inzwischen ganz wund anfühlte so lange hatte sie nichts mehr gegessen.

Sie brach ein Stückchen von dem Kanten Brot ab und steckte es sich in den Mund. Sie war auf den widerlichen Geschmack von nassem Brot gewöhnt, doch trotzdem musste sie das wenige Essen wieder hochwürgen und ausspucken. Mit verzogenem Gesicht wischte sie sich über den Mund. Am liebsten würde Alisa sterben, Ihr Körper tat weh, als hätte man sie innerlich angezündet, ihr Kopf pochte und ihr Magen grummelte noch mehr als ohnehin schon. Wenn das so weiterging, würde sie unter Garantie krank werden.

Wie gern sie doch ihre Mutter jetzt bei sich hätte. Sie hätte sich so gerne an sie geschmiegt und von ihr in den Schlaf wiegen lassen, so wie früher. Sie hätte so gerne wieder die Geschichten ihrer Mutter über die Feen gehört und wie es war, durch die Lüfte zu fliegen und frei zu sein. All dies besaß Alisa nicht und würde es wahrscheinlich auch nie. Was ihren Vater anbelangte, so hatte ihre Mutter ihr nur erzählt, dass er ebenfalls ein Sklave gewesen war, der, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatte, an jemand anderen verkauft worden war. Kurz danach hatte ihre Mutter erfahren, das sie schwanger von ihm war. Es sei für sie ein riesiger Schock gewesen, hatte sie gesagt. Es war gefährlich, da sie als Sklavin harte Arbeiten zu verrichten hatte und sie Angst hatte dadurch das Kind zu verlieren. Doch als ihr Herr es erfahren hatte, hatte er alles daran gesetzt, damit dieses Kind auch gesund zur Welt kam, da er das Kind als einen Sklaven sofort verkaufen würde, umso noch viel mehr Geld zu bekommen als er ohnehin schon hatte. Doch ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass Kind noch einige Jahre bei sich behalten zu dürfen. Es hatte geklappt, allerdings hatte dies ihrer Mutter noch mehr Arbeiten eingebracht.
 

Alisa konnte sich nicht mehr richtig an das Gesicht ihrer Mutter erinnern, da diese verkauft wurde, als sie gerade mal drei war. Sie wusste aber noch genau, welche große Angst sie hatte, nachdem sie die ersten Nächte ohne ihre Mutter hatte schlafen müssen. Alisa hatte kauernd auf der Matte gelegen und die ganze Nacht geweint, bis es Morgen war und sie mit Aufgaben überhäuft wurden.
 

Die Tür wurde erneut aufgestoßen. Die Wärter sahen die Sklaven mit grimmigen, abschätzigen Blicken an. Alisa seufzte und setzte sich auf. Ein neuer Tag voller Schweiß, Blut und Tränen begann wohl.


 


 

Kapitel 1

Meliodas stand auf dem Rücken von Hawks Mami und hielt Ausschau. Die Sonne war gerade aufgegangen und blendete ihn ein wenig, weshalb er schützend die Hand vor die Stirn hielt.

Das Dorf Ordan schien so langsam in Sichtweite zu kommen. Der blonde Ritter konnte von hier aus schon ein paar Windmühlen erkennen.

Als er hinter sich Schritte hörte, drehte er sich um und entdeckte Elizabeth, die sich die Augen reibend zu ihm gesellte.

„Sind wir schon da?“, fragte sie verschlafen und streckte sich ausgiebig.

„Fast. Schau mal.“ Meliodas nahm die Prinzessin an der Hand und zog sie bis zur Schnauze des riesigen Schweins. Dort stellte er sich dicht neben sie und streckte den Arm aus. Mit einem Finger zeigte er auf die großen Windmühlen in der Ferne. Elizabeth machte ein staunendes „Wow“ und er beobachtete sie schmunzelnd von der Seite, während er ihre Hand nicht losließ. Ihre Wangen wiesen einen leichten Rotschimmer auf und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Sie war so schön, strahlte so viel Kraft und Güte aus. Sie war das Licht, das ihn wärmte, wenn sie in der Nähe war.

„Bist du sicher, dass wir Lord Gowther dort finden werden?“, fragte sie mit ihrer zarten Stimme.

„Die Sichtung des Armoured Giant spricht auf jeden Fall dafür. Ich bin da guter Dinge.“
 

Da tauchte auf einmal Dianes Gesicht vor ihnen auf uns sie sprangen erschrocken auseinander.

„Guten Morgen, Danshou! Guten Morgen, Elizabeth!“, flötete sie. „Was habt ihr denn die Köpfe so zusammen gesteckt? Heckt ihr was aus?“ Ihr scharfer Blick durchfuhr Meliodas wie ein Blitz. Er fing an zu lachen und kratzte sich verlegen am Kopf.

„Ach, was, nein! Wir haben uns nur die Windmühlen von Ordan angesehen.“

Diane wandte sich den Bergen zu und seufzte erleichtert.

„Gott sei Dank. Dann kann ich mich endlich ausruhen.“ Diane tat dem Ritter schon ein wenig leid. Sie waren in der Nacht aufgebrochen, weshalb Diane noch keinen Schlaf bekommen hatte. Er hoffte, dass sie es ihnen nicht ganz so übel nahm.
 

Kurz darauf kehrten die Beiden ins Boar Hat zurück.

Ban war ebenfalls schon wach und saß mal wieder an der Bar, um sich sein morgendliches Ale zu genehmigen. King schwebte auf seinem Kissen umher, schlief aber noch tief und fest.

„Ban? Wann gibt’s Frühstück?“, fragte Meliodas und merkte wie sein Magen knurrte.

Ban wandte ihm desinteressiert den Kopf zu.

„Lass' mich doch erstmal wach werden“, knurrte er leise. Meliodas warf ihm daraufhin die Schürze gegen den Kopf.

„Die Gesellschaft hat Hunger. Also los.“

Ban stöhnte genervt.

„Ist ja gut, Sklaventreiber.“

„Ordan ist schon in Sicht!“, verkündete der Captain, Bans Kommentar ignorierend. Dieser trank sein Bier noch aus und watschelte dann in die Küche.
 

Alisa wachte an diesem Morgen auf, weil sie irgendetwas an ihrer Hand spürte. Sie öffnete verschlafen die Augen und sah einen kleinen Vogel, der sich ihr neugierig genähert hatte und auf ihrer Haut herumpickte. Dort und neben ihrem Arm lagen Beeren, die vom Baum gefallen sein mussten.

Die Mundwinkel der Fee zuckten entzückt als sie das kleine Geschöpf dort werkeln sah.

Sie setzte sich auf und der Kleine flog munter zwitschernd auf ihr Knie.

Alisa betrachtete ihn gedankenverloren.

Schon so lange war sie auf der Suche nach Hinweisen. Sie wollte mehr über ihre Herkunft erfahren. Seit sie aus Liones losgezogen ist, mussten schon Jahre vergangen sein. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Aber bisher war ihre Suche vergeblich. Nirgends hatte sie das Wappen dieses Baumes gefunden, das sich auf dem Erinnerungsstück ihrer Mutter befand.
 

Selbst durch ihre Schwarzen Leggins hindurch konnte sie die Abdrücke ihrer Narben erkennen. Überall waren die Spuren der Peitschenhiebe und anderen Misshandlungen zu sehen, die sie über sich ergehen lassen musste. Diese Erfahrungen hatten sich die tief in ihre Seele gebrannt. Sie waren der Grund für ihre ständigen Albträume, ihrer ständigen Wachsamkeit. Immer wieder prüfte sie ihre Umgebung und vergewisserte sich, ob sich im Dickicht nicht jemand auf die Lauer gelegt hatte. Schlafen konnte sie nie mehr als drei Stunden pro Nacht und manchmal sogar weniger, weil schlimme Träume aus der Gefangenschaft sie zitternd und schweißgebadet aufschrecken ließen. In der Zeit als sie bei den drei Prinzessinnen gewohnt hatte, hatten sich ihr Körper und ihr Geist etwas erholen können. Sie hatte aufatmen können, hatte so etwas wie eine Familie gehabt, aber der Gedanke an ihre Herkunft war bestehen geblieben und hatte sie nicht losgelassen. Deshalb war sie aufgebrochen. Seit sie aber vom Königshaus weg war, war sie allein und mit diesem Alleinsein schlich sich auch die Angst wieder in ihr Gemüt zurück. Im Winter, wenn die Nächte so lang und grausam kalt waren, war es besonders schlimm.
 

Der Vogel flog davon und Alisa rappelte sich auf.

Sie hatte sich im dichten Gestrüpp ein kleines Bett aus Zweigen und Blättern gebaut, worin sie die Nacht verbracht hatte. Hier im dichten Dickicht war sie beinahe unsichtbar.

Sie befand sich in einem Waldstück in den Bergen. Schon länger streifte sie hier umher, traf auf keine Menschenseele und es schien als hätte sie sich in diesem ewigen Grün verlaufen.

Seufzend suchte sie ihre sieben Sachen zusammen und machte sich auf dem Weg zum Fluss. Dieser floss durch den gesamten Wald und egal, wo sie hin wanderte, am Ende fand sie den kleinen Wasserlauf immer wieder.

Sie zog ihr grünes Feengewand aus, das ihre schlanke Figur wie ein Kleid umspielte und wusch es im klaren Wasser aus. Dann sprang sie selbst ins kühle Nass und konnte sie die Angst der letzten Nacht aus ihren Gliedern vertreiben. Die Sonne wärmte ihre Haut und ihre Seele und mit einem Mal fühlte sie sich so harmonisch mit der Natur verbunden wie schon ewig nicht mehr. Manchmal, als sie damals im Königlichen Garten gespielt hatte, hatte es diese Momente schon einmal gegeben. Und auch jetzt waren sie nicht so intensiv, weil viel zu viele negative Gedanken noch in ihrem Hinterkopf herumlungerten, aber sie genoss den Frühling um sie herum und spürte, dass sie gar nicht so allein war. Sie war im Einklang mit den Pflanzen, den Tieren. Sie schloss die Augen und ließ sich im Wasser treiben.
 

Plötzlich nahmen ihre Ohren Geräusche wahr, die vorher ganz sicher noch nicht da gewesen waren.

Sofort war ihr Körper in Alarmbereitschaft. Mit schnellen Bewegungen schwamm sie zum Flussufer, packte ihre Klamotten und brachte sich hinter einer hohen Hecke in Sicherheit.

Die Geräusche stellten sich als schwerfällige Schritte heraus, die den Waldboden erzittern ließen. Als sie näher kamen, konnte sie auch eine Stimme hören. Eine menschliche Stimme. Die erste menschliche Stimme, die sie seit Monaten gehört hatte.

Neugierig versuchte sie durch die Hecke zu blicken. Ihr Herz schlug auf einmal ziemlich schnell und sie wusste nicht, ob sie Angst haben oder sich freuen sollte, mal wieder einem Menschen zu begegnen.

Da kam auf einmal eine riesige lila Rüstung in ihr Blickfeld und sie musste sich die Hand vor den Mund schlagen, um nicht laut aufzuschreien. Sie war an einigen Stellen demoliert und bewegte sich steif, während die einzelnen Panzerschichten gegeneinander rieben. Der Helm der Rüstung trug Hörner. Neben dieser gigantischen Kreatur lief ein Junge nebenher, der ein Buch in den Händen hielt und seinem großen Gefährten offenbar etwas vorlas. Er hatte kurze grüne Haare, leuchtende gelbe Augen, trug eine Brille und eine senfgelbe Jacke. Er war offensichtlich menschlich, aber Alisa fand in seinem Gesicht keinerlei Emotionen. Sie beobachtete, wie der Junge und der gepanzerte Riese am Rande des Flusses Halt machten.

„Ich habe einen Riesendurst. Wie sieht's bei dir aus?“

Der Riese atmete schwer, Alisa hörte aber nur, wie er stotternd ein paar Laute sagte und der Junge sagte nur: „Ja, ich weiß, du trinkst nichts.“ Dann wandte er sich dem Wasser zu und nahm ein paar Schlucke davon.

Obwohl der Riese so groß und der Junge so schlecht einzuschätzen war, verspürte Alisa keine Angst. Sie wirkten friedlich und ihr Atem beruhigte sich langsam. Da sie sowieso nicht wusste, wohin sie ihre Beine heute tragen würden, beschloss sie, den beiden unauffällig zu folgen. Manchmal siegte eben doch die Neugier.

Kapitel 2

Alisa hatte konzentriert die Augen auf die Seite des Buches geheftet. Ihr Zeigefinger glitt eine Zeile entlang, bevor sie die Seite umschlug und angestrengt weiter las. Das Lesen selbst machte ihr inzwischen keinerlei Probleme mehr, dennoch war es ziemlich schwierig für ihre Augen die kleine Schrift zu lesen. Es war einfach ungewohnt für sie. Es war schon zwei Monate her, seit sie von den drei Prinzessinnen von Liones, Margaret, Veronica und Elizabeth Liones, aus der Sklaverei befreit wurde. Und mit ihr auch alle anderen Sklaven. Da sie nicht wusste wohin sie gehen sollte, hatten die drei Prinzessinnen sie einfach mit sich genommen. Sie hatten sie in das Schloss gebracht und ihren Vater gebeten, sie aufzunehmen. Barta, ein gütiger König, hatte sie gleich, ohne zu hinterfragen aufgenommen. Dafür war Alisa ihn wirklich sehr dankbar. Aber nicht nur er, sondern auch alle anderen im Schloss waren so nett zu ihr. Gilthunder, der Leibwächter von Margaret, und Griamore, der Leibwächter von Veronica, hatten sie sofort als das „Küken“ des Schlosses bezeichnet, da sie den drei Prinzessinnen immer hinterherlief, wie ein Küken bei seiner Mutter. Die beiden zogen sie gerne auf. Alisa gefiel es bei ihnen, denn sie hielten sie alle so auf Trab, dass sie kaum Zeit hatte über ihre dunkle Vergangenheit nachzudenken. Nachts allerdings konnte niemand die dunklen Gedanken und die Albträume vertreiben. Schon öfters wachte Alisa nachts schweißgebadet und mit Tränen auf den Wangen auf. Öfter als ihr lieb war.
 

Seufzend schlug sie das Buch zu. Hier fand sie offenbar auch nichts. Erschöpft strich sie sich einige Strähnen ihres hellblauen Haares hinter die Ohren. Ihr Blick wanderte zu einem Stapel Bücher neben sich. Alisa hatte es sich zwischen den Regalen bequem gemacht. Wegen dem harten Boden hatte sie ein Kissen mitgebracht auf dem sie schon etliche Stunden saß und las. Sie blickte nach rechts und seufzte schwer. Der Stapel mit den noch nicht durchsuchten Büchern erschien ihr ziemlich hoch. Seit sie gelernt hatte zu lesen, suchte sie jedes Buch nach Informationen über ihre Herkunft ab. Aber bisher hatte sie nirgends etwas gefunden. Das war echt frustrierend. Sie wollte endlich wissen, wer und was sie war. Ihre Mutter hatte es ihr nicht gesagt. Sie hatte immer gemeint, dass sie Alisa, ihre geliebte Tochter sei. Nicht mehr und auch nicht weniger. Früher hatte sie dies zwar immer getröstet, aber jetzt… Sie wollte mehr über die Rasse ihrer Mutter wissen. Sie wollte mehr über die Feen erfahren, zu denen sie ja auch gehörte. Naja, fast. Immerhin war sie keine volle Fee. Ich bin nur ein Halbblut.
 

Ihre Hand war schon auf den Weg um sich das nächste Buch auf dem Mannshohen Stapel, den sie errichtet hatte, als sich plötzlich eine kleine Hand um ihre schloss. Erschrocken sah Alisa auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie Elizabeth zu ihr zwischen die Regale, in den Schatten gekommen war. Das kleine Mädchen, in ihrem Alter sah sie traurig an. Dann streckte sie die Hand aus und strich Alisa eine Träne von der Wange, die sich aus ihrem Augenwinkel gelöst hatte.

„Warum weinst du, Alisa?“

Diese starrte sie nur kurz an, bevor sie sich wieder fing und wild den Kopf schüttelte. „Ich weine doch gar nicht.“, sagte sie und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. „Mir ist nur ein Staubkorn ins Auge gekommen.“, log sie sich schnell zusammen. Elizabeth sah sie nicht gerade überzeugt an. Sie beugte sich etwas vor, bis sie schließlich fast ihr Gesicht mit ihrem berührte.

„Du hast geweint, das musst du jetzt nicht abstreiten. Ich möchte wissen, wieso. Bitte.“, fügte sie hinzu und sah sie ein wenig sanfter an.

„Oh nein, das ist unfair, wenn du mich so ansiehst.“ Alisa seufzte schwer, während Elizabeth sie noch immer mit großen bettelnden Augen anschaute. „Na gut, bei diesen Anblick kann man eh nicht lange wiederstehen. Ich möchte nur etwas recherchieren.“

„Und was genau? Vielleicht kann ich dir helfen.“

Alisa schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du mir helfen kannst. Außer du kennst Bücher, in denen es mehr Informationen über die verschiedenen Rassen gibt?“ Hoffnungsvoll blickte sie Elizabeth an, die nachdenklich einen Finger an das Kinn gelegt hatte. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. Enttäuschung machte sich in Alisa breit, doch sie versuchte sie sich nicht anzumerken, denn sonst würde Elizabeth es nur bemerken und es sich allzu sehr zu Herzen nehmen. Ein wenig kannte Alisa ihre “Schwester“ schon. Sie streckte ihre Hand aus, hielt kurz inne, doch dann berührte sie die Haare ihrer Schwester und strich ihr sanft darüber. Sie wusste, dass es sinnlos war, denn die Tränen bahnten sich schon einen Weg über ihre Wangen, dennoch lächelte sie.

„Ist schon in Ordnung, Elizabeth. Ich muss einfach noch weiter suchen, bis ich etwas finde. Und das ich etwas finden werde, ist ziemlich sicher. Immerhin ist diese Bibliothek riesig.“

Immer mehr silberne Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen, während Alisa weiter versuchte ihr Lächeln aufrechtzuhalten. Elizabeth konnte nicht fassen, was sie sah. In den zwei Monaten, in denen sie schon bei ihnen lebte hatte sie sie kein einziges Mal weinen sehen. Doch jetzt schien es als würden all die versteckten Tränen unter ihrer Fassade herausbrechen und eine wahre Sturzflut an Tränen ergoss sich auf den Boden.
 

Trotz all der Tränen die sie weinte, verspürte Alisa keinen richtigen Schmerz. Sie fühlte sich einfach nur… leer. Plötzlich legten sich zwei Arme um ihren Rücken und ein kleiner Körper schmiegte sich tröstend an sie. Elizabeth.

Sie strich ihr sanft über den Kopf und murmelte beruhigende Worte in ihr Haar. Jetzt erst spürt Alisa es. Den Schmerz in ihrem Herzen über den frühen Verlust ihrer Mutter, all der Demütigungen und Quälereien die man ihr die letzten sieben Jahre hinweg angetan hatte.
 

„Hey, Alisa?“, murmelte Elizabeth, die ihren Kopf auf ihre Schulter gelegt hatte.

„Hm?“

„Lass uns doch ein Versprechen geben.“

„Und was?“, fragte Alisa, die sich neu aufkommende Tränen wegblinzelte.

„Wenn du nichts darüber findest, was du suchst, dann lass uns gemeinsam suchen, okay?“

Kapitel 3

Der seltsame Junge und der gepanzerte Riese setzten ihren Weg fort. Das violette Ungetüm kam aber nur schleppend vorwärts. Seine Schritte waren hilflos und unsicher und es gab andauernd beunruhigende Laute von sich. Alisa fragte sich, ob es Schmerzen hatte oder einfach nur erschöpft war. Der Junge aber, schien den Zustand seines Gefährten entweder zu ignorieren oder gar nicht erst zu bemerken. Er schaute sich mit einem ziemlich abwesenden Gesichtsausdruck nur in der Gegend umher und setzte beschwingt einen Fuß vor den anderen.

Leichtfüßig und absolut geräuschlos folgte die blauhaarige Fee den beiden Gestalten. Sie hatte sowieso nichts anderes zu tun und sie wollte unbedingt wissen, wohin ihr Weg sie führen sollte. Vielleicht würden sie sie auch endlich aus diesem Wald hinausführen. Alisa hoffte sehr darauf.
 

Allerdings unterlief ihr bei ihrer Verfolgung ein kleiner Fehler:

Während sie am Wasserlauf entlang lief, um sich hinter dem nächsten Gebüsch zu verstecken, tappte sie ausversehen mit einem Fuß ins Wasser. Sie erschrak und quiekte leise, hielt sich aber direkt die Hand vor den Mund und sprang rückwärts.

Der Junge, der nicht einmal zwei Meter entfernt war, blieb stehen und drehte sich verdutzt um.

„Hmm?“

Die Fee verfluchte sich innerlich. Vielleicht hatte sie jetzt alles verdorben. Auch wenn sie friedlich wirkten, wer weiß, was sie taten, wenn sie hier eine kleine, wehrlose Fee fanden.

Alisa machte sich ganz klein hinter dem piekenden Gebüsch, dabei wusste sie, dass es vergeblich war. Sie konnte die Schritte des Jungen hören, der sich ihr näherte. Und dann fiel ein Schatten über sie.

„Hö? Ein Kind?“ Die grünen Haare des Jungen fielen ihm ins Gesicht als er sie von oben bis unten musterte. „Bist du ganz allein?“

Alisa schaute zu dem Jungen auf und fand kein bisschen Feindseligkeit in seinem Blick. Sie nickte schüchtern. Der Junge schien nachzudenken.

„Folgst du uns etwa?“, schlussfolgerte er und die Fee spürte, dass sie rot anlief wie eine Tomate.

„Wenn du vor Scham rot anläufst könnte das bedeuten, dass ich recht habe!“ Der Junge kratzte sich am Kopf. Noch immer war keine Gefühlsregung in seinem Gesicht festzustellen. Er war die Ruhe selbst. Alisa fand den Mut, aufzustehen. Zwar hatte sie keine Angst vor ihm, aber irgendwie war er doch etwas seltsam. „Richtig.“, bestätigte sie seine Vermutung und ging an ihm vorbei. „War keine böse Absicht, Mir war nur langweilig“, fügte sie wahrheitsgemäß hinzu und klopfte sich die Erde von ihrem grünen Oberteil.

„Wie heißt du?“, fragte der Junge, sie weiterhin intensiv beobachtend.

„Ich bin Alisa. Und du?“

„Nenn' mich Alan. Ich und mein treuer Freund hier“, er zeigte auf das gepanzerte Ungetüm, “sind gerade auf der Durchreise. Möchtest du uns vielleicht begleiten? Wir wollen ja nicht, dass du vor Langeweile umkommst.“

Sie überlegte kurz. Könnte er böse Hintergedanken haben? Sie schaute zwischen dem merkwürdigen Alan und dem Ungetüm hin und her. Der Riese war unbeholfen und der Junge zwar merkwürdig, aber nicht furchteinflößend. Sie würde ihn im Auge behalten.

„Warum nicht? Dann könnt ihr mir sicher den Weg aus diesem verdammten Wald zeigen. Ich habe mich total verirrt.“

Alan prustete los. „Wirklich? Na dann, komm mit.“ Der Anflug eines Lächelns breitete sich auf Alan‘ Gesicht aus und Alisa lief hinter ihm her.

„Habt ihr ein genaues Ziel?“

„Naja, mein Freund hier scheint ein paar Schwierigkeiten zu haben und ich versuche ihm zu helfen und von ihm zu lernen.“

Die blauhaarige Fee legte den Kopf schief.

„Lernen?“

„Ja, ich lerne von seinem Verhalten und ich lese ihm aus einem tollen Buch vor. Wir wissen beide nicht viel über Gefühle“, schwärmte Alan. Alisa fand immer mehr Bestätigungen dafür, dass Alan sie nicht alle hatte.

„Naja, ich muss jemanden finden, der sich mit Rüstungen auskennt, deshalb muss ich wohl nochmal nach Ordan zurück. Würdest du mich begleiten?“

Für Alisa kam die Frage ganz schön plötzlich und sie zog die Augenbrauen hoch.

„Ist das ein nein?“, fragte Alan und starrte sie ungeniert an.

„Ich bin nur überrascht. Aber klar begleite ich dich! Bloß raus aus diesem Wald!“

Insgeheim hoffte sie, dass er sie wirklich nach Ordan bringen würde.
 

Inzwischen waren Meliodas und seine Gefährten in Ordan angekommen.

Diane ruhte sich auf einer Wiese aus, während Meliodas, Ban und King durch das Dorf liefen und nach Anhaltspunkten suchten. Sie fragten herum, ob jemand ein großes, gepanzertes Monstrum gesehen hat. So etwas war ja eigentlich kaum zu übersehen.

Sie fragten in jeder Windmühle, in den Wirtshäusern und beinahe jeden Menschen, den sie auf der Straße trafen.

Es dämmerte bereits als sie in ein ziemlich abgelegenes Wirtshaus kamen. Ihnen taten die Füße weh und Ban brauchte unbedingt ein Bier, sonst würde er verrückt werden.

Resignierend seufzend ließ sich Meliodas auf einem der Hocker an der Bar nieder.

„Wenn Gowther hier gewesen ist, müsste sich doch jemand daran erinnern“, sagte er niedergeschlagen und bestellte sich und seinen beiden Gefährten je ein Maß Ale.

King gesellte sich zu ihnen und legte erschöpft den Kopf auf die Theke.

„Ich bin so groggy. Lass' uns morgen weitersuchen.“

Ban und Meliodas warfen ihm missbilligende Blicke zu.

„Sagt der, der nicht laufen musste, sondern auf seinem Kissen herum schwebt“, schnaubte Ban und nahm einen großen Schluck Bier.

„Hey! Ich war die mentale Unterstützung!“, verteidigte sich der Feenkönig und Ban knurrte, aber Meliodas lachte nur. Das war so typisch King.

„Trotzdem… Eine gepanzerte Rüstung, die durch das Dorf latscht, ist ziemlich auffällig, wenn ihr mich fragt“, lenkte der blonde Ritter vom Thema ab. „Vielleicht ist er auch gar nicht hier gewesen...“

„Gepanzerte Rüstung sagt du?“ Der Wirt hinter der Theke hatte sich auf einmal zu den dreien umgedreht. „So ein lila Monstrum?“

Die drei Deadly Sins machten große Augen.

„Ja genau!“, rief King. „Haben Sie es gesehen?“

„Oh ja. Dieses Vieh hat uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Es war in Begleitung eines Jungen mit grünen Haaren. Er war aber nur einen Abend hier im Dorf. Am nächsten Morgen sind die beiden in Richtung Osten, also in Richtung Wälder weitergezogen. Wir haben vermutet, dass es sich um einen berüchtigten Verbrecher handelt – Gowther, die Ziege der Lust von den Seven Deadly Sins.“

Die drei Gefährten wechselten vielsagende Blicke.

„Wie lang ist das her?“, fragte Ban.

Der Wirt überlegte kurz.

„Nicht einmal zwei Tage müssten es sein.“

Daraufhin springt der Captain auf und zieht seine beiden Gefährten vom Stuhl.

„Hey! Mein Bier“, protestierte Ban zeternd. King ließ es einfach geschehen und ließ sich wieder auf seinem grünen Kissen nieder.

„Na endlich!“, rief der Drache des Zorns erleichtert. „Jetzt müssen wir ihn nur noch einholen!“
 

„Wirklich? Schon wieder die Nacht durch marschieren?“, beschwerte sich Diane als Meliodas sein Vorhaben Gowther sofort in die Wälder zu folgen verkündete.

„Tut mir leid, Diane. Wenn wir ihn gefunden haben, machen wir eine Verschnaufpause und du kannst deinen Schlafrhythmus wieder ausgleichen. Aber jetzt ist es wichtiger, Gowther zu finden.“

Diane grummelte, nickte dann aber.

„In die Wälder also.“ Elizabeth war zu ihren Freunden herangetreten. Sie hatte mit Hawk das Boar Hat gehütet.

„Ja, die sind ganz schön dicht und weitläufig. Da kann man sich schnell mal verirren“, erklärte King. „Das wird schwierig mit Hawk's Mama da durch zu gehen.“

„Das Boar Hat muss hier bleiben“, beschloss Meliodas. „Wenn wir schnell sind, schaffen wir es, Gowther einzuholen. In seiner Rüstung ist er eh nicht besonders schnell. Und er hat noch jemanden dabei. Diane hat von oben den Überblick und zwischendurch werden wir uns aufteilen.“

„Heißt das, Hawk und ich bleiben hier?“, fragte die Prinzessin und Meliodas seufzte resigniert.

„Jemand muss auf das Wirtshaus aufpassen. Ihr beide seid leider nicht ganz so schnell.“

„Schon verstanden, ich bin eben eine Last.“ Mit diesen Worten stapfte Elizabeth zurück ins Boar Hat und warf die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu.

„Zu offensichtlich“, sagte Hawk zähneknirschend und folgte ihr.

Der blonde Deadly Sin seufzte abermals.

„Ich habe sie lieber hier als in den Wäldern. Da kann es gefährlich werden“, sagte er kleinlaut. Seine Gefährten ignorierten seinen Kommentar und dachten sich ihren Teil.

„Dann mal los“, sagte Diane und ging voraus.

Kapitel 4

Eine frische Brise trieb den Geruch von Honig in ihre Nase. Schnuppernd streckte sich Alisa in die Höhe, schloss die Augen und konzentrierte sich einzig und allein auf den süßen Geruch, der in ihr eine alte Sehnsucht weckte. Alisa hatte schon immer eine gewisse Schwäche für süßes. Sie trug ein langes, weißes Kleid, das so lang war das es ihre Narben verdeckte. Ihre nackten Zehen gruben sich in das weiche, vom Morgentau noch feuchte Gras, bevor sie sie dem Geruch mit weit hochgereckter Nase und geschlossenen Augen folgte. Sie konzentrierte sich so sehr auf den Geruch, der von Westen her wehte, dass sie nicht mal bemerkte wie sich ein Junge an sie anschlich. Sie stieß ein piepsiges Geräusch aus und sprang zwei Meter in die Höhe, als sie auf einmal zwei Hände auf ihre Schultern senkten. Sofort wirbelte sie zu dem Jungen herum.

„Gilthunder!“, fauchte sie. „Wie oft noch? Erschrecke mich doch nicht so!“ Ihr Blick bohrte sich in seinen leicht amüsierten. „Und wehe du lachst jetzt.“, drohte sie dem Jungen und stapfte wütend davon.

Beschwichtigend hob Gilthunder die Hände, während er mühelos mit dem Mädchen mithielt. „Okay, Tschuldigung, aber es war einfach zu verlockend. Was machst du da eigentlich?“, erkundete er sich bei Alisa, die wieder die Nase in die Höhe gestreckt hatte und versuchte den Honiggeruch wieder aufzufangen.

„Lass mich in Ruhe.“, knurrte sie. „Müsstest du nicht bei Margaret sein? Du bist doch ihr persönlicher Leibwächter, nicht?“, fragte sie, immer noch die Augen geschlossen.

Gilthunder zuckte mit den Schultern. „Sie hatte mir gesagt, ich solle dich holen, denn sie hätte eine Überraschung für dich.“

„Ich mag keine Überraschungen.“, knurrte Alisa miesgelaunt.

„Sie sagte, sie hätte etwas gefunden, was dir vielleicht ein paar mehr Informationen über die Feen gibt.“

Alisa wirbelte herum. Ihre Augen funkelten aufgeregt. „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, rief sie und rannte auch schon los.

Kopfschüttelnd folgte Gilthunder ihr.
 

Schlitternd kam Alisa in der Bibliothek zum stehen. Ihre hellen Augen huschten suchend durch den Raum, bis sie schließlich Margaret entdeckte. Die älteste der Prinzessinnen winkte sie zu sich. Ihre Augen strahlten sie förmlich an. In den Händen hielt sie ein dickes, in Leder gebundenes Buch auf dem in Goldenen Lettern stand: Die Geheimnisse dieser Welt. Alisa runzelte die Stirn, dann trabte sie zu Margaret. Diese saß auf einen Stuhl an einem der vielen Lesetische die überall verteilt standen. Alisa rannte auf sie zu und bremste nur mit Mühe vor dem großen Eichentisch. Margaret stand auf und schloss sanft ihre Arme um Alisa. Diese ließ es einfach geschehen und genoss die Wärme die sich wie eine schützende Decke um sie legte. Am Anfang war sie bei jedem noch so kleinen Geräusch zusammengezuckt, doch nach einer Weile hatte sie sich langsam entspannen können. Margaret war ein sanftmütiges, geduldiges Mädchen, welches die verängstigte Alisa immer wie eine kleine Schwester behandelt hatte. Sie war es auch, die sich um ihre Wunden gekümmert hatte, nachdem sie aus der Gefangenschaft befreit wurde. Sie vertraute Margaret, sowie auch Elizabeth, Veronica und Barta, die ihre neue Familie geworden war. Nach einer Weile ließ Margaret sie los und nahm das vom Tisch. Sie schlug es von hinten auf und blätterte eine Seite nach vorne. Sie gab es Alisa und betrachtete gespannt ihren Gesichtsausdruck, während diese sich die beiden Seiten anschaute. Das eine Bild war von einer Zeichnung gekrönt. Zwei große Blütenstängel erhoben sich und gingen bis zur Mitte der Seite. Ab da ging der Stängel in die Blüte über, die wohl ein Veilchen darstellen sollte. Alisa wusste es nicht wirklich, da sie noch nicht viele Blumennamen kannte. Ihre Mutter hatte ihr früher viele Blumen beschrieben und wie sie hießen. Kleine Gestalten flogen in der Luft von einer Blume zur nächsten. Es waren kleine, feingliedrige Gestalten mit fast durchsichtigen Flügeln und spitzen Ohren. Die Kleidung der Feen bestand hauptsächlich wohl aus Naturmaterialen. Im Hintergrunde erhoben sich weitere Blumen und fliegende Feen. Auch war ab und zu ein großer Pilz zu erkennen, auf dessen Hut sich einige Feen niedergelassen hatten und wohl die Sonne auf ihrer Haut genossen.

Der Text war kurz und erhielt Fakten die Alisa schon längst wusste. Enttäuschung machte sich in ihr breit, denn sie hatte gehofft, endlich mehr über das Volk ihrer Mutter herauszufinden.

Bevor sie das Buch zuschlug, wanderte ihr Blick noch einmal zu dem Bild, schweifte über die lachenden Gestalten, die glücklichen Gesichter, bis sie plötzlich eine Fee entdeckte, die etwas außerhalb von alldem auf einer Margerite stand und lächelnd alles beobachtete. Sie war etwas größer als die anderen Feen. Sie trug ein zartes Kleid in der Farbe des Sonnenuntergangs, was gut zu der Farbe ihrer Haare passte, da diese in einem hellen Blau standen. Ihre Augen hatten ebenfalls diese Farbe. Irgendwie kam diese Fee Alisa bekannt vor. Das letzte Mal hatte sie sie gesehen, als sie drei Jahre alt war. Ihr Herr war in den Raum mit den Sklaven gekommen und hatte sie wegbringen lassen. Alisa hatte weinend ihrer Mutter hinterhergeschrien, doch diese hatte sie nur über ihre Schulter hinweg angelächelt.
 

Alisa stolperte zurück und ließ das Buch fallen. Sie landete unsanft auf ihren Hintern. Mit aufgerissenen Augen starrte sie das Bild des immer noch aufgeschlagenen Buches an. Ihr Herz pochte wie ein Presslufthammer, während sich bereits Tränen über ihre Wangen bahnten. Ihre Muskeln schmerzten, doch sie wusste nicht woher. Schweiß ließ ihre über die Arme.

Erst als sie eine sanfte Berührung an ihrer Schulter spürte, sah sie auf. Gilthunder sah besorgt in ihr Gesicht.

„Alles in Ordnung, Küken?“, fragte er besorgt.

Alisa antwortete nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihren Atem zu beruhigen, der immer schneller wurde, und auch ihre Muskeln zu entspannen, damit sie aufhörten zu zittern. Nutzlos. Sie spürte bereits wie die Nacht nach ihr griff um sie mit sich zu nehmen.

Tatsächlich wurde kurz nach diesem Gedanken alles schwarz um sie. Sie hörte Margaret aufschreien und spürte Gilthunder sie noch rechtzeitig auffing, bevor sie mit dem Kopf auf den Boden schlug.

Kapitel 5

So langsam taten Alisa die Füße weh. Sie setzte trotzdem weiter einen Fuß vor den anderen und versuchte das laute Grummeln ihres Magens zu ignorieren. Gowther und das Ungetüm gingen voraus und der Abstand zwischen ihnen und der Fee wurde immer größer. Schon Stunden waren sie unterwegs und nirgendwo war ein Zeichen von Zivilisation zu sehen. Alisa verlor allmählich die Geduld und fragte sich, ob Alan wirklich den Weg aus diesem Wald kannte oder sich ebenfalls verlaufen hatte. Es begann zu dämmern. Sie hatten den ganzen Tag nichts gegessen. Wurden die beiden denn nicht müde?

Irgendwann konnte die junge Fee wirklich nicht mehr weiter laufen und ließ sich mit einem lauten Seufzen auf den Boden fallen. Endlich drehten sich ihr neuen Weggefährten zu ihr um.

„Hmm?“, machte Alan nur und legte den Kopf schief.

„Ich gehe keinen Schritt weiter!“, maulte sie. „Ich brauche unbedingt was zu Essen und zu trinken, sonst sterbe ich!“

Der Junge mit den grünen Haaren trat stirnrunzelnd auf sie zu.

„Hab' ganz vergessen, dass man Essen muss. Tut mir leid“, sagte er.

Alisa hob erstaunt die Augenbrauen. Was für ein komischer Kauz, dachte sie. Ist er überhaupt ein Mensch?

Er setzte sich im Schneidersitz neben sie und schaut sie unverwandt an.

„Wo kriegen wir jetzt was zu essen her?“

Die Fee überlegte nicht lange und schaute sich um. Auf der Suche nach etwas Essbarem, stießen ihre Augen auf einen kleinen Busch, an denen ein paar Brombeeren wuchsen. Da sie im Fische fangen nicht besonders geschickt war und auch Jagen nicht so ihr Ding, würden Früchte wohl reichen müssen. Sie streckte ihre Hand in Richtung des Busches aus und konzentrierte sich auf die Energie der Natur. Alan schaute ihr neugierig zu.

Sie schloss die Augen. Ganz deutlich konnte sie die Energie in diesem Busch pulsieren spüren. In ihren Gedanken weitete sie diese Energie, ließ sie weiter und kräftiger fließen. Sie schickte ein Stück ihrer Lebensenergie in diesen Busch und Alan konnte stauend sehen, wie dieser anfing zu wachsen und sich neue, dicke Beeren formten.

„Abendessen!“, rief Alisa fröhlich und stürzte sich hungrig auf die süßen Beeren. Der grünhaarige gesellt sich bald zu ihr und zupft eine Beere von einem kleinen Zweig. Er schien sie gründlich zu studieren.

„Was sind das für welche?“

„Brombeeren. Sie schmecken köstlich“, antwortet ihm Alisa schmatzend. „Probier' einfach mal!“

Und schon landet die kleine, dunkle Beere in Alan‘ Mund.

Alisa wollte gerade Alan‘ Reaktion abwarten, da hörte sie auf einmal Stimmen und Schritte, die sich in ihre Richtung zu bewegen schienen.

Ihr Körper war auf der Stelle in Alarmbereitschaft. Angespannt suchten ihre Augen schon ein geeignetes Versteck. Neben ihr rührte sich Alan aber kein bisschen. Sein Gehirn schien noch mit der Beere beschäftigt zu sein.
 

Kurzerhand schnappte sie sich den grünhaarigen und schleppte ihn hinter ein hohes Gebüsch. Leider hatte sie das Ungeheuer in der lila Rüstung total vergessen... Dieses saß nichtsahnend genau an der Stelle, wo Alan ihn allein gelassen hatte und starrte hoch in Richtung Himmel. Dort flogen gerade zwei Vögel zwitschernd vorbei. Was für eine seltsame Szene...

Alisa hatte keine Zeit mehr nachzudenken. Direkt gegenüber von ihnen traten ein paar Gestalten aus dem Schutz der Bäume. Eine von ihnen war unübersehbar, denn sie war riesengroß. Ihr orangener, eng anliegender Body war ebenfalls sehr auffällig, mal abgesehen von ihrem riesigen Hammer, den sie in der Hand hielt. Sie war knapp genau so groß wie die größten Bäume im Umkreis und sie musste den Baumkronen ausweichen, weshalb sie genervt meckerte.

„Warum mussten wir den Weg durch das Dickicht nehmen? Kann man nicht ein wenig Rücksicht auf eine Riesin nehmen?“

„Ich kann mir vorstellen, dass sich Gowther im Schutz des Waldes versteckt. Deshalb müssen wir eben auch dort suchen“, begründete ein ziemlich kleiner, blonder Mann, der vorausging, seine Entscheidung. Neben ihm stand ein ziemlich ernst drein blickender Mann mit silbernen Haaren und einem roten Lederoutfit.

„Außerdem hättest du auch einfach am Fluss entlang gehen können, Diane. Dann hätten wir auch dort jemanden gehabt, der Ausschau hält“, erinnerte sie ein braunhaariger Junge, der auf einem schwebenden Kissen lag und müde gähnte. Die Riesin, die offensichtlich Diane hieß, knurrte grimmig. Wahrscheinlich, weil ihr auffiel, dass er recht hatte.

Alisa spürte, wie sich Alan neben ihr bewegte, doch er machte keinen Mucks. Die blauhaarige Fee starrte gebannt auf die fremden Leute vor ihr. Wer auch immer sie waren, äußerlich passten sie so gar nicht zusammen.

Doch dann erstarrte die Truppe in ihrer Bewegung. Natürlich hatten sie die Rüstung entdeckt.

„Seht ihr auch, was ich sehe?“, fragte der braunhaarige flüsternd und seine Gefährten nickten.

„Sitzt er da wirklich einfach und schaut den Vögeln nach?“, fügte der blonde staunend hinzu.

„Das ist so typisch Gowther!“

Der silberhaarige trat selbstsicher grinsend vor und ging auf das Ungetüm zu.

„Yo, Gowther! Da bist du also! Ich denke mal, dass du uns noch kennst.“

Auf einmal wirbelte der Helm des Ungeheuers in die Richtung des Mannes. Mit einem lauten Schrei stürzte es sich auf ihn, doch der Mann mit den silbernen Haaren wich geschickt aus.

„Ban!“, rief der Blonde und gesellte sich nun zu seinem Gefährten. „ Pass auf! Gowther ist unberechenbar!“

Auch die übrigen Gruppenmitglieder machten sich nun zum Kampf bereit. Sie kreisten die riesige Rüstung von allen Seiten ein und hoben bedrohlich ihre Waffen. Die Rüstung brüllte und krümmte sich, wobei die Rüstung langsam von seinem Körper sprang und nacktes, wulstiges Fleisch freisetzte.

Aus der Rüstung sprang ein hässliches, dämonisches Monster mit scharfen Krallen und Zähnen.

Die Gruppe keuchte erschrocken.

„Was ist denn DAS?“, schrie Ban sichtlich angewidert.

„Das ist nicht Gowther!“, rief Diane erschüttert und verpasste dem Monster einen Hieb mit ihrem Hammer.

Alisa traute ihren Augen nicht. Was ging da bloß vor? Und wieso war Alan mit einem Monster unterwegs? Sie riskierte einen Blick nach rechts, aber vom Jungen mit den grünen Haaren fehlt jede Spur. Ihr Herz sank ihr in die Hose als sie sah, wie er sich auf die Gruppe zubewegte. Sie wollte ihn zurückrufen und ihn fragen, ob er lebensmüde war, aber ihre Lippen wollten sich vor Angst nicht öffnen.
 

Alan‘ gewaltige Kräfte ließen Alisa innerlich erzittern. Sie war geschockt und beeindruckt zugleich. Wer hätte gedacht, dass in diesem komischen Kauz ein Krieger steckte? Und das seine grünen Haare gar nicht seine echten Haare waren... Alan stand nun mit purpurnen Haaren und mit Brille vor ihnen. Die Gruppe schien ihn sofort wiederzuerkennen.

„Gowther! Du hast uns vielleicht einen Schrecken eingejagt!“

„Wieso hast du dich nicht sofort gezeigt?“

„Und wieso war dieser ehemalige Heilige Ritter in deiner Rüstung?“

Doch Angesprochener ignorierte ihre Fragen geflissentlich und legte nur den Kopf schief.

„Captain, ich stehe den Deadly Sins wie versprochen zur Verfügung“, sagte er ausdruckslos und an den blonden kleinen Mann gerichtet. Dann drehte er den Kopf in die Richtung, in der Alisa‘ Versteck sich befand.

„Hey, Alisa! Du kannst dich ruhig zeigen. Die Gefahr ist vorbei.“

Sofort huschen alle Augenpaare zum Kopf des Mädchens, der hinter dem Gebüsch hervor lugte.

Ertappt fuhr Alisa zusammen. Sie wusste nicht, ob sie Gowther‘ Worten trauen durfte. Er hatte ihr sogar seine wahre Identität verschwiegen! Er gehörte zu den Seven Deadly Sins! Und diese Leute gehörten wohl ebenfalls dazu. Hieß es nicht, dass sie brutale Verbrecher waren? Andererseits hatte sie dies von ein paar heiligen Rittern gehört und diese verzapften auch einige Lügen.

Sie atmete geräuschvoll aus.

Gowther hatte ihr Versteck verraten und sie war immer noch zu schwach, um zu fliegen. Die paar Brombeeren hatten sie nicht genug gesättigt.

Also trat sie (zum zweiten Mal an diesem Tag) aus ihrem Versteck hervor und schritt langsam auf die Gruppe zu. Der blonde grinste sie herzlich an und streckte ihr zur Begrüßung die Hand hin.

„Hallo, ich bin Meliodas und wer bist du?“

Kapitel 6

Kalter Wind fegte über Liones. Die Baumkronen bogen sich in die entgegengesetzte Richtung aus der der kalte Wind kam. Es sah für Alisa aus, als würden die Bäume versuchen sich mit ihren starken Wurzeln im Boden festzukrallen, umso zu verhindern, das sie weggefegt wurden. Dunkle Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Hoffentlich würde das Gewitter vorüberziehen, hoffte Alisa. Sie mochte keine Gewitter. Als Kind hatte sie sie geliebt, aber seit dem Gewitter, in dem sie den alten Mann begraben musste der immer so nett zu ihr gewesen war, fühlte sie sich immer unweigerlich daran erinnert. Sie hatte den alten Mann nicht lange gekannt, aber er war der einzige gewesen, der sie wie ein fühlendes Lebewesen behandelt hatte. Traurig trat Alisa zurück und schloss das Fenster mit zitternden Fingern. Warme Tränen liefen ihr das Gesicht hinunter. Sie hasste sich zwar dafür, doch stoppen konnte sie sie nicht.

Als sie sich beruhigt und die Vorhänge zurück gezogen hatte, sah sie sich in ihrem Zimmer um. Es war ein großer Raum, an dessen Nordseite ein riesiges Bett stand. Alisa liebte dieses Bett. Es hatte Unmengen an Kissen und die Matratze war so weich, das man darin fast komplett versinken konnte. In der Sklaverei hatte sie nur eine dünne Strohmatratze gehabt unter der man jeden Stein spüren konnte. Doch noch mehr als ihr Bett liebte sie die Decke, denn diese hatte man mit einer wunderschönen Wiese bemalt. Immer wenn sie Nachts nach oben schaute, hatte sie immer das Gefühl durch einen Spiegel in eine andere Welt zu blicken. Sie müsste nur die Hand ausstrecken und die Oberfläche zu berühren, dann könnte sie ebenfalls in diese bunte Welt in der sie das ganze Leid vergessen konnte. In der sie friedlich unter der Sonne liegen konnte und den Pflanzen beim wachsen zusehen könnte.

Ein sanftes aber doch trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie mochte vielleicht nie genau in diese Welt, die da oben aufgemalt war, sehen können, doch sie würde schon bald in eine ebenso fantastische Welt reisen. Ihr Entschluss stand schon fest und sie hatte ihren “Vater“ schon längst gefragt. Er war zwar traurig gewesen, doch er hatte ihren Wunsch verstanden. Alisa war ihm deswegen sehr dankbar. Sie hatte nicht gehen wollen, ohne zu mindestens einem Familienmitglied Bescheid zu geben. Batra hatte ihr auch das Versprechen abgenommen, seinen Töchtern, Elizabeth, Veronica und Margaret, von ihrem Beschluss erst zu erzählen, wenn Alisa schon aufgebrochen wäre. Sie könnte es nicht ertragen, wenn die drei sie bitten würden, zu bleiben. Das würden sie zwar nie tun, aber Alisa wusste immer noch nicht wirklich, was in den Köpfen der Menschen rumging.

Alisa wandte sich um und ging zu ihren Schreibtisch. Sie nahm an ihrem Stuhl Platz und starrte auf das leere Blatt Papier das auf der Arbeitsfläche ruhte. Ihre Finger schnappten sich den Bleistift der danebenlag. Alisa musste nicht lange nachdenken was sie zeichnen wollte. In ihrem Kopf erschien das Bild eines riesigen Baumes mit weit ausladenden Zweigen. Die Blätter waren Pink. Aber in keinem grellen Pink, sondern in einem hellen, leuchtenden. Alisa wusste nicht, ob es diesen Baum wirklich gab, oder er einfach nur ein Traum gewesen war.

Zufrieden hob sie den Blick von ihrer Zeichnung hoch. Alisa war ungemein stolz auf ihre Zeichnungen. Irgendwie kam es ihr vor, als wäre dies das einzige worin sie wirklich gut drin war. Sie starrte eine Weile auf ihr Bild. Dann fiel es ihr wieder ein. Sie tastete nach dem Vermächtnis ihrer Mutter, das sich stets an ihrer linken Hüfte befand. Sie zog den Dolch hervor und verglich den Baum auf der Scheide des Dolches eingehend mit ihrer Zeichnung. Sie staunte. Es war exakt der gleiche Baum. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein musste noch das Bild des Baumes herum geschwebt sein. Mit den Fingerspitzen strich sie liebevoll über den Baum. Immer wenn sie ihn ansah, spürte sie tiefe Verbundenheit, obwohl sie ihn noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Es kam Alisa vor, als würde das Bild des Baumes sie rufen, denn auf einmal spürte sie eine tiefe, unerklärliche Sehnsucht in sich aufwallen. Alisa wollte diesem Baum so nah sein wie möglich.
 

Schleichende Dunkelheit senkte sich über Liones. Das Gewitter war, wie Alisa gehofft hatte, vorbeigezogen. Nicht ein einziger Tropfen war auf den Straßen gelandet. Sie zog die Vorhänge zurück und schaute dem Sonnenuntergang zu. Sie liebte es, wenn der Himmel in Flammen aufging und alles in sein rotes Licht tauchte. Einige Stunden stand sie da und beobachtete, wie der Himmel immer schwärzer und schwärzer wurde, wie langsam der Mond aufging und die ersten Sterne sich hinter den Wolken hervortrauten.

„Wunderschön…“, hauchte Alisa. Sie war von dem Anblick immer wieder überwältigt. Ihr Zimmer lag auf gleicher Etage wie das Esszimmer. Alisa drehte sich um und schnappte sich ihre Jacke. Dann sprang sie aufs Fensterbrett. Sie war wirklich froh darüber Flügel zu haben, denn die brachten sie immer sicher nach oben aufs Dach. Sie setzte sich auf den höchsten Punkt um den besten Ausblick zu haben. Ihre Jacke hatte sie unter sich ausgebreitet. Alisa wurde nur selten kalt. Es war als würde ein unsichtbares Feuer unter ihrer Haut brennen und sie immer wärmen. Sie legte den Kopf in den Nacken und suchten mit ihren Augen nach einem bekannten Sternenbild. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie fand nichts. Das verärgerte sie.

„Na? Was machst du denn für ein Gesicht, Ali-chan?“

Erschrocken zuckte die blauhaarige zusammen. „Erschreck mich doch nicht so, Elizabeth!“, beschwerte sie sich und sah ihre Schwester mit gerunzelter Stirn an. „Wie bist du überhaupt hier hoch gekommen?“, wollte sie wissen.

„Geklettert.“, sagte Elizabeth leichthin und nahm neben Alisa Platz.

„Ach ja. Ich habe deine unheimliche Fähigkeit an jeden belieb hohen Ort zu klettern, vergessen.“ Kopfschüttelnd blickte Alisa Elizabeth an. Sie trug eine dunkle Jacke mit Fellkragen. „Aber was tust du eigentlich hier?“

Elizabeth sah sie mit blitzenden Augen an. „Das haben wir doch früher schon immer gemacht, weißt du nicht mehr? Außerdem…“ Sie zögerte. „Außerdem wollte ich mich von dir Verabschieden.“

Erschrocken zuckte Alisa zusammen. Elizabeth lachte. „Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass wir es nicht mitbekommen hätten. In letzter Zeit bist du noch stiller geworden, als du ohnehin schon bist. Dann isst du auch noch weniger. Mehr Hinweise brauchten wir nicht um herauszufinden, dass irgendetwas ist. Als wir Vater danach fragten, ob er etwas wüsste, hat er es erzählt. Bevor du jetzt etwas sagst: wir haben nicht vor, dich davon abzuhalten zu gehen. Wir alle wissen, wie wichtig dir das ist.“

„Wer ist wir?“, fragte Alisa, obwohl es ihr schon schwante.

„Ich, Veronica, Margaret, Gilthunder, Howzer und Griamore.“, sagte Elizabeth und zählte jeden an ihren Finger ab.

Stöhnend blies Alisa Luft aus. „Wie ich es mir schon dachte.“, murmelte sie.

Elizabeth musterte sie amüsiert. Dann wurde ihre Miene wieder ernst. „Auf jeden Fall, haben wir uns ein Abschiedsgeschenk für dich ausgedacht.“ Sie griff in ihre Jackentasche und holte eine kleine Schachtel heraus. Die grauhaarige reichte der verdutzten Alisa die Schachtel.

„Keine Sorge. Es ist etwas was wir ALLE gemacht haben.“, lachte sie als sie den zögerlichen Blick ihrer Schwester bemerkte.

„Gut.“, sie blies die angehaltene Luft aus. „Wenn Howzer, Gilthunder und Griamore es alleine gemacht hätten, hätte ich es nie im Leben auf gemacht.“ Danach herrschte kurz Schweigen, in der Alisa langsam das dunkelgrüne Samtband abwickelte. Sie betrachtete es ehrfürchtig. Elizabeth kicherte, nahm es ihr aus der Hand, beugte sich über ihren Kopf und band die hellblauen Haare zu einem Zopf. Alisa hielt ganz still und wartete bis sich Elizabeth in ihre ursprüngliche Sitzposition begab. Dann nahm Alisa vorsichtig den Deckel von der Schachtel. Darin befand sich ein kleiner Beutel. Er war tiefrot und mit kleinen Kranichen bestickt. Saunend hob Alisa den Talisman hoch. Sie staunte. So wie es aussah, war Handgemacht.

„Wir haben alle zusammen daran gearbeitet.“, erklärte Elizabeth stolz.

„Wahnsinn.“, hauchte Alisa, die immer noch nicht fassen konnte, dass das ein Geschenk von allen für sie war.

Elizabeth nickte ernst. „Behalte es immer bei dir. So können wir sicher sein, dass es dir gut geht.“ Sie beugte sich zu Alisa und drückte sie sanft an sich. „Bitte pass auf dich auf. Da draußen ist es gefährlich. Denk an uns. Okay?“ Elizabeth legte ihre Stirn an Alisa‘. „Und komm bitte lebend wieder zurück.“

Kapitel 7

„Mein Name ist Alisa.“ Die grasgrünen Augen des blonden Jungen, der nicht viel älter aussah als ein Kind, musterten sie neugierig.

„Du bist nicht aus dieser Gegend, oder? Bist du mit Gowther gereist?“

„Ich bin ihm erst heute Morgen begegnet. Bin aber schon lange unterwegs und-“ Ein lautes Magengrummeln unterbrach Alisa‘ Worte. Verlegen kratzte sie sich am Kopf.

„Naja, ich habe in den letzten Tagen nicht viel gegessen. Hab‘ mich im Wald verirrt.“

Meliodas und die anderen sahen sich vielsagend an.

„Es ist gleich dunkel. Wir sollten zum Boar‘ Hat zurückkehren.“. schlug der Junge auf dem Kissen vor. Meliodas nickte. Er war wohl der Anführer dieser seltsamen Truppe.

„Wir haben Gowther gefunden, unsere Mission ist erfüllt. Alisa?“ Der blonde wandte sich nochmal an sie.

„Wir kennen den Weg nach Ordan. Wir bringen dich hin, wenn du willst. Und Ban muss sowieso nochmal für uns kochen. Du bist zum Essen eingeladen.“

Neben ihm stöhnte Ban genervt.

„Lern endlich kochen, Captain!“

Alisa wusste nicht, ob sie dem Braten trauen sollte. Aber sie hatte solchen Hunger und obwohl sie die Deadly Sins waren, hatte irgendetwas sie aufmerksam gemacht. Vielleicht war es ein bekannter Geruch, doch sie konnte ihn nicht genau zuordnen. Allein würde sie den Weg nie finden und sich weiterhin von Beeren ernähren müssen. Sie entschied sie dazu, über ihren eigenen Schatten zu springen. Zum zweiten Mal an diese Tag. Und die Sonne war schon fast untergegangen.

„Ich nehme die Einladung an und danke.“, sagte sie mit fester Stimme. Sie war ein wenig stolz auf sich. Diese Leute sollten bloß nicht herausfinden, dass sie sich beinah vor allem und jedem fürchtete. Sie wusste, dass sie stark und mutig werden musste, um ihr Ziel zu erreichen und sie war sie sicher, dass die Entscheidung mit ihnen zu gehen, ein Schritt in die richtige Richtung sein würde.

Meliodas grinste und forderte die anderen zur Umkehr auf. Alisa folgte ihnen, ließ aber keinen auch nur eine Sekunde aus den Augen, soweit es die Dunkelheit zuließ. Der Mond schien gespenstig auf die vor ihr laufenden Schatten. Gowther blieb seltsamerweise bei ihr und sie warf ihm einen scharfen Blick zu.

„Danke, dass du mir deine wahre Identität verschwiegen hast.“, grummelte sie.

„Gern geschehen.“, sagte er monoton, was sie total verwirrte.

„Das war Sarkasmus, du Idiot!“

„Was ist das?“ Ihre Faust zuckte gefährlich, aber sie musste sich zusammenreißen. Wenn sie ihm jetzt eine scheuerte, würden die anderen sie doch garantiert hier zurücklassen. Also atmete sie ganz tief ein und aus.

„Vergiss es einfach.“ Und damit beschleunigte die blauhaarige ihre Schritte. Gowther dagegen nahm ihre Wut nicht im Entferntesten wahr.
 

Es war mitten in der Nacht als sie endlich den Waldrand erreichten. Alisa war erschöpft, müde und hungrig, aber das war alles vergessen, als sie endlich ins Freie traten. Sie atmete die frische Bergluft tief ein und hätte vor Freude beinah geweint. Leider war ihr Fußmarsch noch immer nicht vorbei, was sie kurz nach ihrer Erleiterung wieder die Laune verdarb. Jetzt ging es auch noch bergauf.

„Wann sind wir endlich da?“, beschwerte sich aber seltsamerweise nicht Alisa als Erste, sondern Diane. „Ich bin so Müde.“ Ihre Gefährten ignorierten sie. Vermutlich waren sie alle genauso erschöpft. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber irgendwann hörte Alisa Diane erleichtert aufatmen und sie verstand auch warum: Sie nährten sich einem kleinen Häuschen mit Spitzdach, das kurz vor einem kleinen Dorf stand. Alisa konnte einige Lichter brennen sehen. Endlich, dachte sie und mit einem Mal schmerzten ihre Füße noch mehr als zuvor.

Meliodas öffnete als Erster die Tür und trat ein. „Willkommen im Boar Hat!“, rief er der blauhaarigen zu. Diese trat als Nächstes ein und wurde sofort von Wärme umhüllt. Kerzen erleuchteten das kleine Haus, das sie sofort als Wirtshaus identifizierte. Eine Bar war vorhanden, sowie einige Tische und Stühle. Alles war aus dunklem Holz und sah sehr gemütlich aus.

Ihre neuen Gefährten traten nun auch ein und ließen sich auf die Stühle fallen.

„Endlich!“, stöhnte Ban und schenkte sich erst einmal ein Bier ein. King war schon auf seinem Kissen eingeschlafen. Der hat es gut, dachte Alisa etwas neidisch. Musste nicht laufen.

Sie blickte sich um und suchte nach Etwas oder Jemanden, dem sie diesen vertrauten Geruch zuordnen könnte. Hier im Wirtshaus war dieser nämlich um einiges stärker und es lag ihr beinah auf der Zunge, wer es war. Die Bestätigung fand sie aber erst als plötzlich ein Mädchen, mit silbernen Haaren in Schlafklamotten die Treppe herunterkam, um die anderen zu begrüßen.

„Da seid ihr ja wieder!“ Sie strahlte übers ganze Gesicht.

„Elizabeth, warum bist du noch auf?“, fragte Meliodas verdutzt. „Es ist mitten in der Nacht.“

„Ich konnte nicht schlafen.“, gab sie verlegen zu.

Alisa war wie zu Stein erstarrt, als sie das Mädchen gebannt anblickte. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, sie hier zu treffen. Sie fand keine Worte dafür, zu sehen, dass es ihr gut ging. Sehr gut sogar. Sie spürte nur, wie eine Freudenträne über ihre Wange lief.

Da entdeckte Elizabeth den Neuankömmling und ihr Gesicht verwandelte sich in Unglauben und Freude zugleich.

„Das kann nicht sein…“, murmelte sie. „Du bist doch nicht…“ In ihrer Stimme schwang so viel Liebe und Ehrfurcht mit, dass Alisa noch mehr weinen musste. Sie konnte nur nicken und schon kam die Prinzessin auf sie zugestürmt.

„Alisa!“, rief sie schluchzend und fiel der blauhaarigen um den Hals. „Du bist es! Du bist am Leben!“

Alisa krallte sich an ihrer alten Freundin fest, spürte wie sehr sie sie vermisst hatte. Es tat so gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen.

„Elizabeth…“, flüsterte sie. „Ich bin so froh, dich wiederzusehen.“

Doch Ellie löste sich schnell wieder von ihr und stemmte die Hände wütend in die Hüften.

„Es wäre schön gewesen, zwischendurch mal von dir gehört zu haben! Wir haben uns so viel Sorgen um dich gemacht! Ein Brief oder sowas zu schicken wäre doch nicht schwer gewesen! Gilthunder und Howzer sind vor Sorge fast Amok gelaufen!“

Alisa senkte den Blick ertappt zu Boden. Ja, das hätte sie machen können, aber sie hatte ihnen nicht sagen wollen, dass ihre Suche bisher erfolglos gewesen war. Wenn sie ihnen schrieb, dann nur, wenn sie endlich wusste, wer und was sie war und woher sie kam. Ohne diese Erkenntnisse wollte sie ihren Ziehschwestern und ihrem Ziehvater nicht mehr unter die Augen treten, geschweige denn ihnen einen Brief zukommen lassen.

„Tut mir leid.“, sagte sie schuldbewusst. „Ich habe mein Versprechen nicht vergessen!“, fügte sie aber dann nachdrücklich hinzu und sah die Prinzessin ernst an. Diese vergoss immer noch Tränen und schüttelte den Kopf in Unglauben.

„Schon okay, meine Liebe. Hauptsache dir geht es gut.“

Da räusperte sich Meliodas laut.

„Soso“, sagte er, sich ganz genau bewusst, dass er die schöne Wiedersehensszene damit kaputt machte. „Ihr kennt euch also.“ Erst jetzt bemerkten die zwei Mädchen, dass die Deadly Sins um sie herum standen und große Augen machten. Sogar King war aufgewacht.

„Das ist Alisa, eine Fee, die lange Zeit mit mir und meinen Schwester zusammen in Liones gelebt hat.“, stellte Elizabeth die blauhaarige vor.

Alisa biss sich auf die Lippe. Sie war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee von Elizabeth war, ihre Identität aufzudecken, aber offenbar vertraute die Prinzessin den Deadly Sins sehr.

„Na, so ein Zufall!“, sagte Diane, dessen Stimme von hinter den Fensterläden kam.

„Eine Fee?“, sagte King überrascht.

„Hallo, Alisa!“ Eine ziemlich hohe Stimme meldete sich von unten und Alisa senkte den Blick bis sie ein rosanes Schwein zu ihren Füßen entdeckte.

„Ich bin Hawk. Schön dich kennenzulernen.“, sagte das Schwein. Alisa glaubte, dass sie träumte.

„Es spricht?“, kreischte sie geschockt und alle um sie herum lachten.

Kapitel 8

„Hab ich mich erschreckt. Ich dachte schon, ich werde verrückt.“ Alisa kniete sich vor das Schweinchen und streckte zögerlich ihre Hand aus. Ihre Finger zuckten kurz, als habe sie Angst, doch dann strich die Hawk sanft über den Kopf.

Elizabeth beobachtete wie Alisa Hawk hinter den Ohren kraulte. Sie musste bei diesem Anblick lächeln. Es ging nicht anders. Alisa hatte immer noch Angst vor jedem den sie nicht länger kannte, als ein paar Monate oder Jahre. Es schien, als würde sie auch fürchten, dass dieses harmlos aussehende Schwein ihr etwas antun würde. Die blauen Augen von Alisa hoben sich und begegneten den neugierigen Blicken der anderen. Besonders King schien sie interessierter, als vorher zu mustern. Alisa fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee von Elizabeth war, ihre Feenherkunft erwähnen zu lassen. Sie vertraute ihnen zwar, aber Alisa tat das nicht. Ganz im Gegenteil: Sie misstraute ihnen mit jeder Sekunde mehr.

Sie sind die Seven Deadly Sins. Laut den Erzählungen seien die Seven Deadly Sins die stärksten und schlimmsten Ritter des ganzen Königreiches, die von den übelsten Schwerverbrechern gegründet wurde.

Schwerverbrecher… Was war das eigentlich? Jede Sünde für sich war schon ziemlich schlimm, egal ob man sich Sklaven hielt, sie weiterverkaufte, oder ein ganzes Land zerstörte.

„Alisa…“, seufzte Elizabeth. „Du tust es wieder.“

Alisa schreckte auf. Sofort kapierte sie, was Elizabeth meinte. Sie sah zu den Wänden. Tatsächlich… Durch die Holzritzen drang schon dichtes Moos und durch das offene Fenster war eine Pflanze mit dunklen, dicken Früchten gewachsen. Außerdem wuchsen am Boden, wo sie mit ihren Füßen den Boden berührte, büschelweise dickes Gras und wunderschöne Blumen.

Alisa stöhnte auf. Das durfte doch nicht wahr sein! Es war ihr persönlicher kleiner Tick. Immer wenn sie sich Sorgen machte oder sehr in Gedanken versunken war, machten sich ihre Kräfte selbstständig und verzauberten die Umgebung in einen Dschungel. Das war schon immer so gewesen und hatte ihr als Kind nichts als Ärger eingebracht. Doch im Schloss hatte man sich gefreut, wenn bei jedem ihrer Schritte Blumen und Gras aus dem Boden schossen.

Alisa dachte daran, wie sie bei den Pferdeställen ausversehen Disteln hatte wachsen lassen. Die Pferde waren in Panik geraten, als plötzlich das stachelige Gewächs zwischen ihnen auftauchte und einige schafften es aus ihren Boxen auszubrechen.

Bei diesen Gedanken musste Alisa unweigerlich lächeln. Sie erinnerte sich noch zu gut daran, wie ein kleiner Junge damals, während das Pferd noch in Panik davonrannte, auf seinen Rücken sprang und es mühelos anhielt, bevor es sich noch etwas tat. Sie erinnerte sich, wie sie damals zu dem Jungen auf dem Pferd gestarrt hatte und wie sie damals dieses schwache Pochen ihres Herzens gefühlt hatte. Der Wind hatte seine dunkelblonden Haare zerzaust und seine lila Augen hatten zu ihr hinunter gestrahlt.
 

„Geht es ihr nicht gut?“, fragte Ban in die Runde. Das Feenmädchen stand noch immer an derselben Stelle und hatte die Augen auf ein unbekanntes Ziel in der Ferne gerichtet. Das Gras war inzwischen schon auf Höhe ihrer Hüften gewachsen.

„Ihr geht es gut. Nur ist gerade… in Gedanken.“, versuchte Elizabeth den Zustand ihrer Schwester zu erklären.

Interessiert schaute King zu, wie neues Gras zu ihren Füßen wuchs und bald den ganzen Raum füllte. Die verschiedensten Blumen schossen in die Höhe. Moos drang erneut zwischen den Ritzen der Holzdielen hervor. Sein Blick glitt zu der Verursacherin. Sie starrte immer noch aus dem Fenster. Ihr hellblaues Haar wehte im leichten Wind und in ihren ebenfalls hellblauen Augen spiegelten sich die Sterne. Es schien, als sei sie mit den Gedanken vollkommen woanders. Vielleicht war sie das auch. Wahrscheinlich sogar, sonst hätte sie dem wachsen der Pflanzen längst Einhalt geboten.

King legte den Kopf schief. Irgendetwas an diesem Mädchen war anders. Irgendwie fühlte er, dass sie zwar eine Fee war, aber wiederum auch nicht. Dieses Gefühl verwirrte ihn. Anscheinend war Alisa ein Mitglied des Feen-Clans, aber wie konnte ein anderes Gefühl ihm sagen, dass dem nicht so war?

Er beschloss für sich, das Mädchen erst einmal im Auge zu behalten. Er misstraute ihr nicht, nur war er ein wenig Neugierig darauf wie sie sein würde. Was er bisher gesehen hatte, ließ darauf schließen, dass dieses Mädchen ihre Angst zwar verstecken wollte, es ihr aber aufgrund ihrer verkrampften Körperhaltung und ihre wild umher huschenden Augen nicht gelang. Sie war nervös und hatte Angst. Obwohl im Moment nichts von dem Nervenbündel, dass sie im Wald getroffen hatten, nichts mehr zu sehen war. Sie hielt ihre Gefühle sorgfältig unter Verschluss. Erst als sie Elizabeth erblickte hatte, hatte er sowas wie echte Gefühle in ihren Augen gespürt.
 

„Alisa?“, fragte Elizabeth vorsichtig. Der Kopf der Fee fuhr erschrocken nach oben. Sie sah die silberhaarige mit einem plötzlich gehetzten Ausdruck im Gesicht an. Ihre Augen schossen durch den Raum. Als sie keine Gefahr entdeckte, ließ sie hörbar die Luft entweichen.

„Was ist denn los?“, fragte sie verwirrt.

Elizabeth kicherte. „Du hast wieder vor dich hin geträumt.“

„Ach, hab ich das?“, gab Alisa erstaunt zurück.

„Hast du. Und ich glaube, ich weiß sogar von was du- oder, besser gesagt: von wem du geträumt hast.“

Es dauerte eine Weile bis Alisa zu begreifen schien. Auf ihren Wangen bildete sich ein leichter Rotschimmer. Elizabeth kicherte wieder.

„D-Das stimmt gar nicht. Ich habe nicht von ihm geträumt. Ich habe nur an früher gedacht.“

Sofort verschwand das Lächeln aus Elizabeth‘ Gesicht. Sie sah ehrlich betreten drein. „Tut mir leid.“, murmelte sie. „Ich wollte nicht- naja, alte Wunden aufreißen,“

Alisa, dessen Gesicht im Schatten gelegen hatte, drehte sich zu Elizabeth um. Ihre Lippen hatten sich zu einem Lächeln verzogen, dass allerdings als gezwungen erschien. „Mach dir nichts draus, Ellie. Du kannst ja nichts dafür.“ Sie stoppte einen Moment. Ihre Augen weiteten sich kurz und ihre rechte Hand fuhr zu ihrem linken Unterarm. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie presste die Lippen aufeinander, dann nahm sie die Hand von ihrem Unterarm. Sie blickte in das besorgte Gesicht von Elizabeth und lächelte.

„Keine Sorge. Es tat nur kurz weh.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen!

Ich grüße alle, die sich hier her verirrt haben und danke ihnen recht herzlich, dass ihr diesen Text gelesen habt. Diese FF schreibe ich mit einer Freundinn auf FanFiktion.de. Sie heißt Spiritneverdies.
http://www.fanfiktion.de/s/5561b7790002c3d3c962ae0/1/Breaking-free-of-Slavery Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  harpyie
2016-02-02T11:35:48+00:00 02.02.2016 12:35
Sehr schön dich ff
Aber wann geht es denn weiter? :3
Hab alles gelesen und will jetzt das Finale lesen.....
Bitte bitte bald :3
Von:  Fufu
2015-08-03T06:11:53+00:00 03.08.2015 08:11
Ich bin gespannt was daraus noch wird! Hört sich bisher zumindest schonmal interessant an, auch wenn OC Geschichten immer sone Sache sind XD Aber das nächste Kapitel werd ich sicher auch noch lesen, sobald es da ist :3
Bin kein Schreiberling, deswegen nicht wirklich produktive Kritik, aber der Schreibstil ist super flüssig und alles ist gut verständlich! Ich hab da spontan echt nichts dran auszusetzen und freu mich schonmal aus die Fortsetzung
Antwort von: abgemeldet
03.08.2015 14:01
Hey Fufu,
ich mag OC Geschichten eigentlich auch nicht so, aber ich hatte diese Idee und nachdem ich mir Alisa ausgedacht habe, wollte ich die Geschichte auch schreiben. Ich hoffe, dass sie keine Mary wird. Ich hoffe es wirklich und streng mich an, sie auch keine werden zu lassen.
Also, ich finde, deinen Kommentar sehr nett zu lesen und es macht mir nichts aus, wenn man nichts auszusetzten hat ;)


Zurück