The GRIMM and the BIEST - Part 2 [Aftermath] von hikabella ([GRIMM - Nick x Renard]) ================================================================================ Wutausbrüche ------------ Hank und Wu saßen bereits im Auto, als Nick die Garage betrat. Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz und legte den Sicherheitsgurt an, bevor sein Partner den Motor startete.   „Was wollte der Captain denn von dir?“, fragte Wu mit hochgezogener Augenbraue und deutete mit dem Daumen zurück über seine Schulter.   „Irgendwas über das wir Bescheid wissen sollten?“, hakte auch Hank nach.   „War nichts weiter“, meinte Nick nur in einem genervten Ton und winkte ab. Er atmete geräuschvoll aus und starrte aus dem Fenster.   ‚Also wenn das ‚nichts‘ ist, dann bin ich ein Blutbader‘, dachte Hank zweifelnd und warf einen Blick in den Rückspiegel. Dort traf er auf den ebenfalls zweifelnden Blick von Wu. Er zog einen Mundwinkel hoch und schüttelte kaum merklich den Kopf. Der Sergeant glaubte dem Grimm ebenso wenig, dass alles okay wäre, wie er selber. Aber Hank hatte ums Verrecken keine Idee was hier vor sich gehen mochte.   Höchst ärgerlich.   Auf der Fahrt zum Tatort redeten beide Detectives nicht viel miteinander und selbst Wu hielt sich auffällig zurück mit seinen beißenden Kommentaren. Sogar die Klaustreich-Lektion fiel aus, Wu würde es sich halt eben wieder im Trailer mit den Büchern gemütlich machen müssen. Nicht dass ihn das groß störte…   Seit Wu eingeweiht war lief es immerhin an den Tatorten viel lockerer und schneller ab. Sie mussten sich keine komischen Ausreden und merkwürdige Theorien mehr aus den Fingern saugen, um ihn ruhig zu halten. Ein einfaches „Wesen“ genügte und es wurden keine weiteren Fragen gestellt. Das machte es Nick leichter seinem ‚Zweitjob‘ nachzugehen. Im Nachhinein wunderte er sich tatsächlich gelegentlich, warum sie den Sergeant eigentlich nicht schon viel früher eingeweiht hatten.   Aber natürlich wusste er die Antwort: weil er es nicht verstanden hätte.   Der arme Kerl war ja damals fast durchgedreht, als er auf den Aswang traf, da wollte der Grimm ihm einfach nicht noch mehr zumuten. Aber Wu hatte seinen Platz in der kleinen privaten Eingreiftruppe gefunden und ganz wie der Nerd, der er im tiefsten Inneren seines Herzens war, verbrachte der Sergeant nun ganze Nächte damit alle Bücher und Wesen zu studieren, über die Nicks Tagebücher zu berichten wussten.   Er hoffte bloß, dass nicht irgendetwas passierte, das den Asiaten wieder aus der Bahn warf.   So wie er selber gerade aus der Bahn zu rutschen drohte.   Nick konnte gelegentlich den verwunderten Blick von Hank auf sich spüren, aber der Grimm sah sich nicht genötigt (oder auch nur in der Lage) irgendwas zu sagen, dass die Situation entspannt hätte. Er war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und Gott wusste, er hatte genug um die Ohren, um das er sich Sorgen machen musste.   ‚Adalind‘, dachte er wieder und sah förmlich einen roten Schleier vor seinen Augen vorbeiziehen. Wenn sie das nächste Mal aufeinandertrafen würde Nick für nichts garantieren können…   ***   Schließlich kamen sie am Tatort an. Ein Streifenwagen wartete am Bordstein, davor stand ein Krankenwagen und ein Techniker vom CSI machte eben noch Fotos von der eingetretenen Tür.   Es handelte sich um eines der einfacheren Häuser in der Straße. Zwei Stockwerke, kein Keller und an der rechten Seite eine Garage mit Auffahrt. Das Grundstück hatte an der Vorderseite keinen Zaun und das kleine Blumenbeet vor den Fenstern war vertrocknet. Links neben dem Haus verlief ein kleiner Weg der vermutlich in den Garten führte. Hier versperrte anscheinend normalerweise eine Tür aus Maschendrahtzaun den Weg, doch im Augenblick stand diese weit offen. Vermutlich hatten die Kollegen das Haus von allen Seiten begutachten wollen und sie geöffnet. Gleiches galt auch für das Garagentor, das ebenfalls geöffnet worden war und den Blick auf eine große Sammlung von eingedellten Kartons und Kisten, angeordnet um einen kanariengelben 74er Ford Mustang mit schwarzer Motorhaube herum freigab. Kein übermäßig wertvolles Modell, aber ganz sicher keine Familienkutsche. Ein Muscle-Car.   „Scheußliche Farbe“, kommentierte Wu und schüttelte bei dem Anblick den Kopf. Warum nicht schwarz? Oder wenigstens rot? Blau mit Weiß wäre auch besser gewesen als das…   Der Wagen passte jedenfalls optisch nicht so recht zum Gesamteindruck des Hauses, da die Lackierung blitzte und funkelte. Offenbar war er das Lieblingsstück des Hausherren und das Einzige, was ihn interessierte, denn das Haus machte ansonsten insgesamt einen eher schäbigen, heruntergekommenen Eindruck.   Schließlich traten sie an die Eingangstür und begrüßten die Kollegen.   „Wow“, meinte Wu und pfiff leise durch die Zähne beim Anblick der zersplitterten Tür und des rausgebrochenen Schlosses. „Da war aber jemand sauer…“   „Klaustreiche sind sehr besitzergreifend“, erinnerte ihn Hank und sah sich dann im Eingangsbereich des Hauses um.   „Ach was“, merkte Wu an und zog wie üblich seine Augenbraue hoch.   Nick ging an beiden vorbei und sprach den Officer an, der dort auf sie gewartet hatte. „Da hatte einer ziemlich viel Kraft“, meinte der und deutete auf die Tür kaum dass Nick ihn begrüßt hatte. „Die Frau hatte abgesperrt und wollte ihn nicht ins Haus lassen, weil ihr Mann betrunken war und herumschrie. Schließlich gab die Tür nach und er fiel über sie her. Hat sie ziemlich böse im Gesicht erwischt, aber zum Glück kamen wir noch rechtzeitig, bevor er ihr schlimmeres antun konnte.“   „Wer hat die Polizei gerufen?“, wollte Hank wissen, der inzwischen zu Nick und dem Officer getreten war, Wu im Schlepptau.   „Einer der Nachbarn“, antwortete der Officer und schlug sein Notizbuch auf. „Ein gewisser Stuart Franklin von schräg gegenüber. War wohl gerade auf dem Weg zur Arbeit, als er das Drama mitbekam. Rief sofort die 911 und versuchte dann den wütenden Ehemann zu stoppen. Hat zwar der Frau etwas Zeit verschafft, ihn dafür aber selber fast das Leben gekostet.“ Der Officer deutete auf die Liege und den darauf festgeschnallten Mann beim Rettungswagen. Hank konnte sehen, dass sein Gesicht unter der Sauerstoffmaske blutig war, genau wie sein zerrissenes Hemd. Die Sanitäter untersuchten offenbar gerade noch vereinzelte Schnitt- und Platzwunden, bevor sie die Liege in den Krankenwagen hoben.   „Ich versuche kurz mit ihm zu reden bevor man ihn wegbringt“, sagte er zu seinem Partner. „Sprich du mit der Frau, dann nehmen wir uns zusammen den Ehemann vor.“   „Ist gut.“ Nick wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Officer zu, der wohl auf Anweisungen von dem Detective wartete. „Wo ist der Ehemann?“   „Der wurde von den Kollegen bereits aufs Revier gebracht. Er war kaum ruhig zu stellen, also wollten sie ihn erst mal zur Ausnüchterung in eine Zelle stecken.“   „Auch gut“, antwortete Nick. „Und die Frau?“   „Im Wohnzimmer mit meiner Partnerin. Sie wird gerade ärztlich versorgt.“ Er deutete mit der Hand in die entsprechende Richtung.   Der Detective nickte und dankte ihm für die Hilfe. Dann folgte er der angegebenen Richtung und betrat gemeinsam mit Wu das Wohnzimmer.   Es sah hier drinnen eindeutig nach einem Kampf aus. Stühle waren umgekippt, eine Lampe musste vom Tisch gefegt und an die gegenüberliegende Wand geschleudert worden sein. Überall lagen Glasscherben und verstreutes Obst. Vermutlich hatte die Frau eine Schale zur Verteidigung geworfen, stellte Nick mit geübtem Blick fest, da die Splitter und Äpfel alle eine Bewegung in Richtung Eingangstür zeigten. Viel hatte es ihr aber nicht geholfen.   Die angekündigte Polizistin stand bei der Ehefrau und befragte sie routiniert mit ruhiger Stimme. Die Frau saß halb zusammengesunken auf der Couch, eine Decke wärmend über ihren Schultern ausgebreitet, als könnte diese sie vor der Welt beschützen. Das Make-Up des Opfers war völlig verschmiert und ihre linke Wange war rot und geschwollen. Ein Sanitäter hatte seine Tasche auf dem Couchtisch bei der Frau abgestellt und zog gerade Gummihandschuhe über, um die Verletzung zu versorgen. Er nahm ein paar kleine Kompressen aus einem sterilen Beutel und betupfte damit vorsichtig die geplatzte Lippe und Augenbraue. Die Frau zuckte vor Schmerz zusammen und zeigte eine Aufwallung.   „Tugendschaf“, seufzte Nick (Warum ließ sich so ein sanftes Wesen auf einen Klaustreich ein? Das Ende war doch von Anfang an abzusehen gewesen…).   „Die Frau sieht auch wirklich fast aus wie ein Opferlamm“, murmelte Wu leise. „Dabei ist doch noch ne Weile hin bis Ostern…“. Er winkte der Polizistin zu und nickte in Richtung seines Begleiters. Der Officer entschuldigte sich bei der Frau und trat zu ihren Kollegen.   „Sarge“, nickte sie dem Asiaten zu und betrachtete den Grimm neugierig.   „Dana“, begrüßte Wu die Frau und deutete auf Nick. „Das ist Detective Burkhardt. Ich glaube ihr hattet noch nicht das Vergnügen, oder?”   „Nein”, antwortete die Polizistin und lächelte. „Aber ich habe schon viel von Ihnen gehört, Detective.“ Sie lächelte geheimnisvoll ehe sie leicht den Kopf bewegte und ihr Wesen offenbarte.   „Officer Dana“, nickte er zur Begrüßung. ‚Eine Scharfblicke, nicht schlecht. Gute Beobachtungsgabe‘, dachte Nick. Er warf Wu einen Blick zu, hob die Braue und deutete mit einem leichten Kopfnicken in Richtung des Officer. Mit den Lippen formulierte er ein tonloses ‚Wesen‘.   Der Sergeant verzog den Mund und hob die Brauen. Er warf der Frau einen schnellen Blick zu und schien sie mit neuen Augen zu betrachten. „Ich gehe mal schnell mit Ihrem Kollegen die Befragung der Nachbarn koordinieren. Bin gleich wieder da“, meinte Wu schließlich und entfernte sich in Richtung Eingangstür.   Nick schaute ihm einen Moment hinterher und wandte sich dann wieder der Polizistin zu. Er neigte den Kopf zur Seite und lächelte schief. „Respekt für das Outing, Officer. Ich treffe nicht oft jemanden, der in meiner Gegenwart so offen damit umgeht.“   Sie zuckte mit den Schultern. „Wir stehen schließlich auf derselben Seite, Sir“, antwortete sie ruhig. „Ich weiß von Ihren Fällen und wie Sie mit den Wesen umgehen. Vor einiger Zeit haben Sie einer Bekannten von mir geholfen. Sie erinnern sich bestimmt an die Sache mit diesen Geisterjägern?“ Burkhardt brummte zustimmend. Die Ehefrau eines der Opfer des Mataca Zumbida war selber eine Scharfblicke gewesen. „Ich gebe zu, ich hatte erst so meine Zweifel, aber Sie sind wirklich nicht wie Ihre Vorfahren. Sie helfen Wesen.“ Dann deutete sie mit einem Nicken auf die Ehefrau. „Und sie kann jede Hilfe gebrauchen, die sie kriegen kann.“   Nick seufzte und betrachtete die verängstigte Frau. „Tugendschafe haben es nie leicht“, antwortete er. „Aber warum sie sich ausgerechnet auf einen Klaustreich eingelassen hat…“   „Die übliche Geschichte“, meinte Officer Dana und zuckte wieder mit den Schultern. „High School Liebe – er war der beliebte Sportlertyp und sie die Graumaus-Leseratte. Er war anfangs ganz liebevoll und aufmerksam, trug sie auf Händen. So lange, bis er ihr den Ring an den Finger steckte und sie zu seinem Eigentum erklärte. Eine Zeit lang lief es wohl trotzdem noch gut, dann wurde er arbeitslos und begann mit der Sauferei. Sie musste das Geld verdienen, schob Doppelschichten um alles zu finanzieren und gleichzeitig erwartete er von ihr den Haushalt zu führen und ihn von vorne bis hinten zu bedienen. Und wenn sie nicht schnell genug neues Bier ranschaffte… naja, Sie verstehen.“ Dana schlug die Rechte zur Faust geballt in die flache Linke und verzog die Mundwinkel.   Ja, der Detective verstand nur zu gut, was die Polizistin meinte. Nicht ohne Grund hatten Klaustreiche so einen schlechten Ruf als Ehepartner. Dass es trotzdem immer noch Frauen gab, die sich mit ihnen einließen ging über seinen Verstand.   „Allerdings…“, Officer Dana zögerte und zog die Brauen zusammen. „Seien Sie mir nicht böse, Detective, aber warum hat man Sie zu diesem Fall hinzugezogen? Nichts gegen Sie persönlich“, beeilte sie sich zu sagen, „aber es ist doch eher ungewöhnlich, dass bei einem Fall von Hausfriedensbruch, häuslicher Gewalt und Körperverletzung zwei Detectives mit der Spezialität Mordermittlung hinzugezogen werden. Und dann auch noch ausgerechnet ein Grimm…“   „Warum wundert Sie das, Dana? Wenn Sie schon wissen was ein Grimm ist müsste Ihnen doch klar sein, dass sowas zu seinem Aufgabengebiet gehört“, antwortete Wu, der inzwischen unbemerkt dazu getreten war, schlicht. „Er kümmert sich eben um alle ‚wesentlichen‘ Fälle beim Portland P.D.“. Er grinste.   Überrascht sah Dana erst Wu an und warf dann Nick einen fragenden Blick zu. Der winkte ab. „Ja, der Sergeant weiß Bescheid. Wir können also frei reden.“   „Genau, ich bin ein… wie heißt das? Ein ‚eingeweihtes Ungesicht‘, richtig?“ Er wippte auf den Zehenballen vor uns zurück, als versuchte er sich etwas größer zu machen.   „Wie du sagst, so ist es, Wu.“ Nur mit Mühe konnte Nick ein leises Lachen unterdrücken und tätschelte stattdessen seinem Kollegen die Schulter.   Die Polizistin wandte sich daraufhin ihrem Vorgesetzten wieder zu und grinste. „Heißt das, ich darf jetzt die ganze Wahrheit in meine Berichte schreiben, Sarge?“   „Er weiß Bescheid, Officer, nicht das ganze Department“, beeilte sich Nick zu sagen, zwinkerte ihr dann aber zu und meinte verschwörerisch, „aber Sie können ihm ja kleine Zettelchen reinlegen, wenn es Ihnen Spaß macht. Er liiiebt interessante Wesen-Geschichten.“ Nick schnaubte amüsiert über den typischen genervten Ausdruck des Asiaten.   „Ha ha.“ Wu sah wieder Officer Dana an. „Und unser lieber Grimm hier sollte besser mal kurz dem Ehemann auf die Finger klopfen, wenn ich mich hier so umsehe. Hat er genug mit zu tun.“ Diesmal verzog der Detective das Gesicht und rollte mit den Augen.   „Soso“, meinte die Officer nur mit unbestimmtem Ton und ihr Blick wanderte über Wu‘s Schulter zur Tür.   „Nick?“, bat Hank, der eben den Raum betrat, seinen Partner zu sich. Der entschuldigte sich bei den uniformierten Kollegen und ging rüber zur Tür, wo Hank auf ihn wartete.   „Er weiß übrigens auch Bescheid“, hörte Nick noch Wu sagen, dann wandten sich die beiden wieder der Ehefrau zu.   „Und hast du was rausbekommen?“, der Grimm sah seinen Partner fragend an.   „Ich habe nicht viel von diesem armen Kerl erfahren können, bevor sie ihn ins Krankenhaus gebracht haben. Nick, der Mann hatte einen Kreislaufstillstand, während ich ihn ansprach. Der Notarzt meinte er könnte schwere innere Blutungen davongetragen haben, da mehrere Rippen gebrochen wurden. Er müsse sofort operiert werden. Und selbst dann können sie noch nicht sagen, ob er wieder gesund wird.“   Nick pfiff leise durch die Zähne. „Da hatte aber wirklich jemand ne Mordswut.“   „Kann man so sagen. Auf jeden Fall ist aus dem Hausfriedensbruch und häuslicher Gewalt damit jetzt mindestens zusätzlich eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung geworden. Und wenn der Mann die OP nicht überlebt haben wir sogar einen Mord. Du musst dir definitiv mal den Ehemann vornehmen, Nick.“   Die Augen des Grimm wurden wieder kalt bei diesen Worten, genau wie vorhin auf dem Revier. Er warf einen kurzen Blick auf die verletzte Ehefrau und verließ dann schnellen Schrittes das Haus, die Hände zu Fäusten geballt. Überrascht sah Hank ihm eine Sekunde hinterher, dann lief er seinem Partner nach, der bereits beim Auto angekommen war und die Fahrertür aufriss. „Hey, Nick, was ist denn los? Wo willst du denn hin?“   „Wohin? Na ich geh natürlich mein Werkzeug holen“, antworte der mit beißendem Sarkasmus in der Stimme. „Glaubst du etwa ich hab meine Doppelaxt hinten im Kofferraum zu liegen?“ Er deutete mit dem ganzen Arm in die entsprechende Richtung, während er sich mit der anderen Hand auf den Türrahmen stützte. Ein leichter Grauschleier zog sich einmal über seine Haut und seine Augen blitzten gefährlich.   Er wirkte so wütend, dass Hank unwillkürlich die Hände hochriss. „Hey Mann, ganz ruhig. Muss ja nicht gleich jeder mitkriegen, dass du ein Grimm bist. Was hast du denn in letzter Zeit? Du bist doch sonst nicht so reizbar…“   „Was ich habe?“ Wütend schmiss Nick die Tür wieder zu. „Na was denkst du denn, was ich hab?“ Mit beiden Fäusten hämmerte er einmal auf den Rahmen des Autos und warf dann die Arme in die Luft. „Kaum zu glauben, dass mich auch mal jemand fragt, was ich habe oder möchte.“ Er schnaubte wütend und deutete auf das Haus, aus dem sie gerade gekommen waren. „Ist dir eigentlich klar was du gerade eben zu mir gesagt hast? Das ‚um den Ehemann kümmern‘? Das höre ich jetzt schon zum dritten Mal heute Morgen. Weißt du nicht was das normalerweise bedeutet, wenn du jemanden wie mich damit beauftragst? Was soll ich denn tun? Ihn windelweich prügeln? Ihn ‚Kraft meiner Grimmigkeit‘ aus der Stadt jagen? Einen Kopf kürzer machen?“ Nick schloss kurz die Augen, atmete tief durch und schüttelte leicht den Kopf. Als er den Blick wieder hob und seinen Partner ansah wirkten seine Augen einfach nur leer. „Hank, was machen wir hier eigentlich? Der Officer hat Recht wenn sie sich wundert was zwei Mordermittler hier vor Ort sollen. Der Mann wurde beobachtet, bei der Tat aufgegriffen und bereits verhaftet. Darum kümmern sich die normalen Officers. Alles andere ist Sache der CSIs und der Staatsanwaltschaft. Was sollen wir hier also ermitteln? Warum sind wir hier?“   „Weil der Captain uns hergeschickt hat. Bell hier nicht den falschen Baum an. Wenn du ein Problem mit dem Fall hast, dann solltest du es vielleicht mit ihm klären und nicht mir deswegen den Kopf abreißen…“   „Weißt du was“, meinte der Grimm und reckte das Kinn. „Genau das werde ich tun.“ Er holte sein Handy aus der Jackeninnentasche, rief aus dem Speicher die Nummer von Sean Renard auf und wählte. Nach nur zwei Freizeichen wurde am anderen Ende der Anruf entgegengenommen. „Captain? Ich hab’s mir anders überlegt. Wir sollten wirklich reden.“ ***   Nachdem er den Captain angerufen und das Handy nach dem kurzen Gespräch wieder in seine Jackentasche gesteckt hatte, war Nick noch einen Moment am Wagen stehen geblieben, um sich wieder zu beruhigen. Die arme Frau hatte schon genug mitgemacht, da musste sie nicht auch noch einen wütenden Grimm erleben. Renard hatte ihn auf den Feierabend vertröstet, also musste er das hier wohl oder übel erst mal zu Ende bringen.   Als er schließlich das Haus wieder betrat war der Sanitäter gerade fertig geworden und packte seine Sachen zusammen. Der Grimm hatte mit Engelszungen auf die Ehefrau eingeredet, damit sie ihren Mann anzeigt, aber die Frau war viel zu verängstigt. Was auch immer ihr Mann hatte erreichen wollen, als er den Nachbarn fast totprügelte, es hatte zumindest die Frau überzeugt, dass es besser wäre sich einem Klaustreich nicht entgegenzustellen.   „Oder können Sie nicht…?“, hatte ihn das Tugendschaf mit einem tränenreichen Augenaufschlag gefragt.   Genau so eine Situation hatte er immer vermeiden wollen. Es lag Nick viel daran den Wesen von Portland zu helfen, für Gerechtigkeit zu sorgen, wo er konnte. Aber er war immer noch ein Polizist und was sich die Frau von ihm erwartete… oder vielleicht auch nur unterschwellig erhoffte… das wäre Selbstjustiz. Und das machte er nicht.   Zugegeben, es war nicht so, dass er dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Viel von dem, was vor nicht allzu langer Zeit beim Aufeinandertreffen mit diesen ‚Wesenrein‘ passiert war fiel unter Selbstjustiz. Und wenn man es genau betrachtete fiel so einiges, was er in seinem ‚Nebenjob‘ tat und erlebte unter diesen Begriff, doch bei Wesen war das eben nicht so einfach. Hier gab es kein Schwarz und Weiß, sondern eine einzige große Grauzone, mit all den jahrhundertealten Fehden und Antipathien der verschiedenen Wesengruppen gegeneinander. Und dem Wesenrat und dem Gesetzbuch-Kodex nicht zu vergessen. Aber Nick glaubte trotz allem noch an Recht und Gesetz. Und die Frau hatte noch lange nicht alle normalen Möglichkeiten ausgeschöpft.   Sicher, Nick hatte bereits zweimal mit solchen einseitigen Ehen zu tun gehabt und in beiden Fällen war es für die Frauen schier unmöglich gewesen, sich alleine aus dieser Ehe zu befreien. Aber sie mussten es ja auch nicht unbedingt alleine bewältigen. Auch unter den Wesen gab es in der Gemeinde Möglichkeiten Hilfe zu bekommen. Wenn man denn nur danach fragte. Das hatte ihm Rosalee damals erzählt, nachdem er von Alicia und ihrem Mann berichtet hatte. Und diese Informationen gab er nun an die verzweifelte Frau weiter in der Hoffnung, sie würde seinem Rat folgen. Er versicherte ihr trotzdem, sie könne sich jederzeit an ihn wenden, wenn es schlimmer werden würde und sie Hilfe bräuchte. Gleichzeitig hatte er aber auch ihre Erwartungen an das, was er auszurichten vermochte, gedämpft. „Ich tue was ich kann, aber wir regeln das nach Recht und Gesetz und nicht anders.“ Das Tugendschaf hatte ihn daraufhin mit erstaunten großen Augen angesehen.   Officer Dana hatte ihm ihrerseits während des Gespräches mehrfach prüfende Blicke zugeworfen und sogar zustimmend genickt, als er der Frau von den Hilfemöglichkeiten erzählte. Ihr war mit Sicherheit aufgefallen, dass er nach Hanks Bemerkung zunächst wütend das Haus verlassen hatte. Ihre eigene Reaktion auf die dumme Anmerkung von Wu hatte deutlich gezeigt, was sie unter diesem einfachen Satz verstand. Nämlich das gleiche, wie Nick selber. Zum Abschied hatte sie ihm dann auch tatsächlich die Hand geschüttelt und eine leise Bemerkung über ahnungslose Ungesichter gemacht. „Lassen Sie sich von den Leuten bloß nicht zu irgendwas Dummem überreden“, hatte sie gesagt. „Sie helfen den Wesen von Portland mehr, wenn Sie so weitermachen wie bisher und Ihren Job als Polizist erledigen. Axtschwingende Grimms gab es bereits genug. Sie sind anders und das meine ich positiv, Detective. Und abgesehen davon erreicht man mit Drohungen bei Klaustreichen eh meistens eher das Gegenteil. Hat mich jedenfalls wirklich gefreut Sie mal persönlich kennenzulernen, Grimm.“   „Ganz meinerseits, Officer Dana.“ Der Detective würde es wahrscheinlich niemals zugeben, aber das Gespräch hatte ihm gut getan. Er begegnete so oft Misstrauen, dass dieser Vertrauensvorschuss einiges wieder gut machte.   Dann traf er letztlich doch noch auf den Mann. Rein dienstlich natürlich.   Nachdem er ausgenüchtert war, hatte Hank ihn in den Verhörraum bringen lassen, um ihn mit der schweren Körperverletzung zu konfrontieren, der er beschuldigt wurde. Der hilfsbereite Nachbar hatte die OP inzwischen überstanden, aber sein Zustand wurde von den Ärzten noch immer als ‚sehr kritisch‘ eingestuft.   Nick hatte sich während des Verhörs absichtlich im Hintergrund gehalten, bereit Hank jederzeit zu unterstützen, sollte es notwendig werden. Und da es um einen Klaustreich ging, war es natürlich irgendwann nötig.   Er hatte erst ruhig mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt gestanden und nur beobachtet. Als sich der Mann dann immer mehr in seine Wut steigerte und auch der Pflichtverteidiger seinen Mandanten nicht mehr beruhigen konnte schritt er ein.   Eigentlich brauchte es nicht viel. Der Klaustreich wallte während einer seiner Tiraden auf und Nick trat nur an den Tisch und stützte sich ihm gegenüber mit beiden Händen auf der Platte ab. Als hätte er ihn geschlagen zuckte der Klaustreich zurück und seine Aufwallung verschwand. Seine Lippen formulierten ein entsetztes ‚Grimm‘. Hank musste sich beinahe ein Lächeln verkneifen und der Anwalt sah seinen Schützling leicht irritiert an. Offenbar war der kein Wesen.   „Beten Sie lieber, dass der Mann überlebt, George“, hatte er dem Klaustreich gesagt, bevor er sich wieder aufrichtete. „Ansonsten sehen wir uns wieder.“ Dann schaute er Hank und den Anwalt fragend an. „Möchte jemand einen Kaffee? Ich könnte einen vertragen…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)