The GRIMM and the BIEST - Part 2 [Aftermath] von hikabella ([GRIMM - Nick x Renard]) ================================================================================ Ruhe nach dem Sturm? -------------------- „Portland P.D.“, riefen die beiden Officer erneut, da keiner der im Raum anwesenden Personen sofort reagierte. Renard musste leicht die Augen zusammenkneifen und mit einer Hand sein Gesicht abschirmen, da das Licht der Taschenlampen ihn blendete. „Hier ebenfalls“, antwortete er ruhig. „Alles unter Kontrolle.“ Nick stand noch immer mit dem Rücken zur Tür und den Kollegen, löste sich aber nun mit einem kleinen Seufzer aus seiner Erstarrung und das Grau verschwand. Er ließ den Klaustreich los, der prompt das Gleichgewicht verlor und rücklings auf dem Bett landete. Immerhin fiel er weich. Der Grimm ballte die Hände zu Fäusten, die noch immer vor Wut leicht zitterten. Finster ließ er den Mann nicht einen Wimperschlag lang aus den Augen und reckte dem Wesen das Kinn herausfordernd entgegen. „Oh, hallo Captain“, grüßten die Männer, sobald sie ihn erkannten. Die Lampen und Waffen wurden gesenkt und der Raum kurz mit den Augen abgesucht. Da offenbar keine weitere Gefahr drohte steckten sie ihre Waffen weg und richteten sich auf. „‘Tschuldigung, wir haben Sie nicht gleich gesehen, Sir.“ „Schon gut Officers, wir machen alle nur unsere Arbeit“, winkte Renard ab. „Wir haben den Verdächtigen bereits verhaftet“, teilte er mit und warf Nick einen schnellen Seitenblick zu, bevor er mit dem Daumen auf den Mann deutete, der hinter ihm auf dem Bett lag. Der Captain beobachtete die beiden Uniformierten während sie näher kamen. Der Grimm stand zwar noch immer wie eine stumme Herausforderung an den Klaustreich vor diesem, aber da die Kollegen weder seltsam reagierten noch irgendwelche Fragen stellten hatten sie wohl nichts davon mitbekommen, dass der Detective nur Sekunden zuvor noch wie eine lebende Leiche ausgesehen hatte. Renard konnte das nur Recht sein. Er schob den Grimm etwas barsch beiseite, als er den mit Handschellen gefesselten Mann am Ellenbogen packte, vom Bett zog und den uniformierten Kollegen entgegen schob. Normalerweise hätte Nick zumindest ein erbostes ‚hey‘ von sich gegeben, immerhin musste er sich am Nachttisch abfangen, weil der Captain ihn mit seinem Stoß aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, aber er blieb still, das Gesicht weiter vom Geschehen abgewandt. „Nehmen Sie ihn mit Officers“, wies Renard die Neuankömmlinge an. „Er ist festgenommen wegen Hausfriedensbruch und tätlichem Angriff. Lesen Sie ihm seine Rechte vor und schaffen Sie ihn aus meinen Augen.“ „Jawohl, Sir“, nickten die beiden, packten den Mann rechts und links am Arm und zogen ihm mit. Kaum waren die Männer aus der Tür legte Renard dem Grimm die Linke auf die Schulter und sah ihn besorgt an. „Alles klar bei Ihnen?“ Der Jüngere rieb sich mit einer Hand über die Stirn und legte die andere an die Hüfte neben seiner Dienstwaffe. Das war eine typische Haltung für den Detective – von dem finsteren Blick und den zusammengepressten Lippen mal abgesehen, die noch immer maßlose Wut ausdrückten. Das war eher typisch für den Grimm. Renard hob fragend eine Braue und Nick atmete tief durch, bevor er schließlich nickte. Der Captain klopfte ihm einmal kurz auf die Schulter und trat dann einen Schritte beiseite. „Detective?“, kam plötzlich die leise Stimme von Ellie Graupner aus dem Badezimmer und brachte damit ihre Anwesenheit wieder in Erinnerung. Vorsichtig lugte sie am Türrahmen vorbei ins Schlafzimmer. Nick räusperte sich und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln, auch wenn er sich keineswegs danach fühlte. „Das war gerade noch rechtzeitig, was?“ Die Frau presste die Lippen aufeinander und nickte kurz, bevor sie wieder nervös die Augen niederschlug. „Hat… hat mein… Schwager Sie verletzt, Detective?“ fragte sie leise und deutete auf ihre linke Wange. „Wurden Sie… meinetwegen verletzt?“ Nick warf Renard einen überraschten Blick zu und tastete nach seiner Wange. „Nein, das ist früher am Tag passiert. Es hatte nichts mit Ihnen zu tun, Mrs. Graupner.“ „Da bin ich aber erleichtert“, flüsterte sie mit zittriger Stimme. „Ich will nicht, dass noch wer meinetwegen verletzt wird…“ Ihre Knie fingen an unter ihr nachzugeben und sie musste sich am Türrahmen festhalten. „Sie sollten sich besser setzen“, empfahl daraufhin der Captain und bot ihr seine Hand als Stütze an, aber die Frau hob ablehnend die Hand. „Es… geht schon.“ Renard trat ein paar Schritte zurück, um ihr Platz zu machen. Er verfolgte aufmerksam, wie sie mit wackeligen Schritten zum Grimm hinüber ging - bereit notfalls einzugreifen, sollte sie es nicht alleine schaffen. Vorsichtig setzte sie sich auf das Bett, bevor ihre Knie nachgeben konnten. Sie hielt noch immer mit einer Hand das Telefon umklammert. Mit der anderen richtete sie sich unbeholfen ein wenig die Haare und hielt dann wieder ihren Mantel zu. Es schien ihr ein wenig unangenehm zu sein in diesem Aufzug vor den Männern herumzulaufen. Unbeholfen lächelte sie den Grimm an. Eine kurze Aufwallung schwappte über ihre Züge und ließ das Tugendschaf für einen Moment sichtbar werden. Verlegen kicherte sie und lächelte dann erneut kurz in seine Richtung, bevor sie die Augen wieder niederschlug. Wollte sie etwa mit Nick flirten? Das Biest knurrte leise und Renard musste sich zusammenreißen, die arme Frau nicht finster anzustarren. Sein Herz schlug etwas schneller und der Magen krampfte sich leicht zusammen… Was an Adrenalin bei der Erstürmung des Hauses gefehlt hatte, machte sich offenbar nun bei diesem Anblick in ihm bemerkbar. Bis sich seine Nägel schmerzhaft in das weiche Fleisch seiner Handflächen bohrten, war dem Royal gar nicht bewusst gewesen, dass er die Hände in den Manteltaschen zu Fäusten geballt hatte. Nun verschränkte er die Arme locker vor der Brust und verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. Er zwang sich ruhig zu atmen und konzentrierte sich darauf, die verkrampften Glieder zu entspannen. Bis er die leichte Röte auf den Wangen von Mrs. Graupner bemerkte funktionierte das auch ganz gut. Aber bei diesem Anblick verkrampfte sich das Biest erneut. Renard schüttelte den Kopf. Die Frau war gerade erst knapp einem Anschlag ihres Schwagers entgangen, sie wusste vermutlich selber nicht einmal genau, was sie eigentlich gerade tat. Die Röte musste nicht einmal irgendwas in Richtung Nick bedeuten, es konnte auch einfach bloßes Schamgefühl dahinter stecken. Und davon hatten Tugendschafe ja reichlich zu bieten. Aber dem Biest war das völlig egal. Die Frau verletzte sein Territorium. Das würde es nicht dulden… Einen Moment lang war Sean selber wegen der Tiefe seiner spontanen Abneigung dieser Frau gegenüber überrascht. Und das nur, weil sie dem Grimm wie ihren Retter in strahlender Rüstung ansah. Vielleicht war es ganz gut, dass er nicht regelmäßig mit dem Detective zu Einsätzen fuhr, stellte Renard zähneknirschend fest, auch wenn sie bei den seltenen Gelegenheiten stets wie ein perfekt eingespieltes Team arbeiteten. Aber offenbar konnte er seinem Biest in Nicks Gegenwart nicht trauen, vernünftig zu reagieren. Andererseits… tat das Biest in letzter Zeit ohnehin selten etwas vernünftiges, wenn es um den Grimm ging. „Erzählen Sie uns bitte was passiert ist, Mrs. Graupner“, forderte der Captain die Frau schließlich auf und lenkte damit ihren Blick wieder auf sich. „Na… natürlich…“ Mit leiser Stimme berichtete das Tugendschaf, wie sie gerade zu Bett gehen wollte, als mit einem Mal Geräusche aus dem Erdgeschoß ihre Aufmerksamkeit erregten. Sie hatte sofort die Tür zum Schlafzimmer abgeschlossen und den Detective angerufen. Einige Minuten lang blieb es danach ruhig und sie hatte schon gehofft, sie hätte sich das vielleicht doch alles nur eingebildet, aber plötzlich bewegte sich die Klinke und jemand drückte von außen gegen die Tür. Sie hatte noch versuchen wollen zusätzlich einen Stuhl unter die Klinke zu packen, aber der Angreifer war schneller. Er trat die Tür ein und packte sie brutal am Handgelenk. „Ich… versuchte mich loszureißen und ins Bad zu kommen“, berichtete sie weiter und rieb sich unbewusst über die rote Stelle an ihrem Arm, auf der sich deutlich die Finger des Angreifers abzeichneten. „Ich… schlug mit dem Telefon auf seine Hände ein und er ließ mich endlich los. Aber ich hatte wohl zu viel Schwung und fiel hin. Ich weiß nicht genau, was dann passierte… hab mir wohl den Kopf irgendwo angeschlagen, einen Augenblick lang sah ich nur Sterne.“ Beide Polizisten nickten. Das musste passiert sein, unmittelbar bevor sie die Treppe hochgestürmt waren. Die Geräusche, die sie von Unten gehört hatten, passten jedenfalls zu ihrer Schilderung. „Was geschah danach?“ fragte Nick weiter. Kurz warf sie ihm einen tränenerfüllten Blick zu. „Ich weiß nicht genau, ich lag am Boden und bekam plötzlich so schlecht Luft… und es war so dunkel um mich herum. Ich erinnere mich nur an sein… dreckiges Lachen und… seine… Hand an meinem… Slip…“ Sie schluchzte leise. Es schien, dass der Mann versucht hatte sie zu vergewaltigen. Vermutlich als Strafe dafür, dass sein Bruder verhaftet worden war. „Er hörte erst auf, als Sie beide in den Raum stürmten.“ Ihre Hände rangen nun unruhig in ihrem Schoß. Das Telefon piepte ein paar Mal auf, vermutlich hatte sie aus Versehen irgendwelche Tasten gedrückt. Nick fing Renards Blick ein und zog die Braue hoch während er mit dem Zeigefinger erst auf seine Kehle tippte und dann mit einer Kopfbewegung auf die Frau deutete. Der Captain blickte prüfend an die entsprechende Stelle bei Mrs. Graupner und verstand sofort worauf der Detective hinaus wollte. Die Frau war gewürgt worden. Nicht bloß tätlicher Angriff, sondern auch versuchter Mord und versuchte Vergewaltigung. Und wenn man jetzt noch davon ausging, dass der Ehemann seinen Bruder angestiftet hatte… das würde beide Männer für eine Weile hinter Gitter bringen. Vorausgesetzt die Frau machte keinen Rückzieher. „Gut, Mrs. Graupner, machen Sie sich bitte keine Sorgen mehr, wir passen jetzt auf Sie auf. Ab hier übernehmen erst Mal die Kollegen von der Spurensicherung. Sie müssen aber morgen bitte im Revier vorbei kommen und eine offizielle Aussage machen.“ Der Captain sah kurz auf die Uhr. Die Männer sollten eigentlich bald da sein – falls sie nicht an einem anderen Tatort aufgehalten wurden. „Wir warten nur eben noch auf die Ambulanz, Mrs. Graupner. Sie sollten heute Nacht vermutlich besser ins Krankenhaus.“ „Nein nein“, antwortete sie erschrocken und riss die Augen auf. „Kein Krankenhaus, keine Ambulanz.“ Renard seufzte. Was hatte diese Frau bloß? „Mrs. Graupner, zu Ihrem eigenen Besten sollten Sie sich untersuchen lassen. Sie könnten sich eine Gehirnerschütterung zugezogen haben. Damit ist nicht zu spaßen. Und die Kollegen von der Tatortermittlung müssen auf jeden Fall Ihre Verletzungen dokumentieren und Beweismittel sicherstellen.“ „Beweise?“ sie klang erschrocken. „Aber… wozu?“ „Für die Anklage vor Gericht. Ihr Schwager ist in Ihr Haus eingedrungen und hat Sie angegriffen“, antwortete der Detective. „Und die roten Striemen an ihrem Hals sprechen nicht gerade von einer liebevollen Umarmung.“ Verwirrt fasste sie sich an die Kehle und stöhnte überrascht auf, als sie die gequetschten Stellen berührte. „Aber warum sollte Thomas…“ Der Captain runzelte die Stirn. Sie schien sich ihrer Lage noch immer nicht voll bewusst zu sein. Was hatte sie denn erwartet, was der Mann von ihr wollte? „Und… vor Gericht? Ich… aber... wenn mein Mann das erfährt… er ist doch sein Bruder, ich meine…“ Nick fing Renards Blick auf und rollte nur mit den Augen. Tugendschafe… „Ihr Mann hat seine eigenen Probleme, Mrs. Graupner“, stellte der Captain fest. „Sie sollten sich selber einen Gefallen tun und morgen diese Aussage machen. Danach werden Sie beide Männer für eine Weile nicht mehr belästigen.“ „Genug Zeit, um sich in Ruhe ein neues Leben aufzubauen“, ergänzte Nick und zog einen Mundwinkel hoch. „Yo, Nick? Captain?“ tönte in diesem Moment die für diese Zeit viel zu muntere Stimme von Sergeant Wu zu ihnen herauf. „Oben“, meldete sich Renard und trat an die Tür, um seinen Untergebenen in den Raum zu winken. „Mrs. Graupner“, begann Nick währenddessen, wurde aber von der Frau unterbrochen. „Bitte“, warf sie ein, lächelte unsicher und legte dem Detective beide Hände auf den Arm, „bitte nennen Sie mich Ellie. Das… hat schon lange keiner mehr gemacht…“ Nick warf Renard einen hilflosen Blick zu, aber der war mit dem Sergeant beschäftigt und stand mit dem Rücken zu ihm. „Also gut… Ellie“, der Grimm seufzte leise. Das Adrenalin in seinem Kreislauf hatte zwar inzwischen begonnen abzuebben, aber er musste sich noch immer schwer zusammenreißen, sich auf die Frau zu konzentrieren und dabei höflich zu bleiben. Ihm war eigentlich mehr nach Schreien und Wände eintreten zumute. Aber dafür konnte ‚Ellie‘ ja nichts. Nicht wirklich jedenfalls. Andererseits… Er räusperte sich. „Hören Sie, wenn Sie nicht im Krankenhaus bleiben möchten und die Ärzte keine Einwände haben, wird Sie niemand dazu zwingen. Aber Sie sollten sich wirklich untersuchen lassen. Der Captain hat Recht, eine Gehirnerschütterung ist keine leichte Sache. Sie sollten heute Nacht auf jeden Fall nicht alleine sein, nur um sicher zu gehen. Haben Sie jemanden, bei dem Sie vielleicht bleiben könnten? Verwandte? Freunde?“ Das Tugendschaf schniefte und rieb sich mit dem Handrücken über die Nase. Sie bot wirklich einen schrecklichen Anblick. „M…meine Eltern“, flüsterte sie schließlich. „Sie wohnen am anderen Ende der Stadt.“ „Wollen Sie sie anrufen?“ „Ich… ich glaube nicht…“, schüttelte sie den Kopf. Wahrscheinlich wollte sie nicht schon am Telefon ein ‚Wir haben es dir ja gesagt‘ hören. Schwere Schritte auf der Treppe kündigten die erwarteten Kollegen vom CSI an und bereits wenige Augenblicke später betraten auch schon zwei Männer mit ihren Laborköfferchen und großen Fotoapparaten bewaffnet den Raum. Einer der Officer von vorhin hatte sie nach oben begleitet und schaute nun Wu in Erwartung von Anweisungen für die weitere Vorgehensweise an. Der Sergeant winkte ihn beiseite und erteile ihm leise die entsprechenden Befehle. „Na gut“, meinte Nick und konzentrierte sich wieder auf das Tugendschaf. „Dann übernehmen jetzt die Kollegen. Und wenn Sie fertig sind, wird ein Officer Sie zu Ihren Eltern fahren, sofern die Ärzte keine Einwände haben, in Ordnung?“ „Kö…können Sie nicht…?“ fragte sie hoffnungsvoll und sah Nick wieder mit diesen großen traurigen Augen an. Der Grimm kratzte sich verlegen am Hinterkopf und sah sich kurz mit einem leicht verzweifelten Ausdruck in den Augen nach seinem Vorgesetzten um. Der stand noch mit Wu an der Tür, aber diesmal sah er auf, als er Nicks Blick auf sich spürte. „Ellie, ich…“ Der Gesichtsausdruck des Detectives zeigte Renard nur zu deutlich, dass der gerne irgendwo anders gewesen wäre. Überall, nur nicht hier. „Es tut mir Leid, Mrs. Graupner“, mischte der Captain sich daher nun ins Gespräch ein und kam wieder näher, „aber der Detective kann leider nicht. Er muss sich erst mal um… andere Dinge kümmern.“ Er deutete mit dem Daumen in Richtung Fenster, wo ihr lautstark lamentierender Schwager zu hören war, der vermutlich auf der Rückbank des Streifenwagens herumtobte. Der Mann hatte sich erstaunlich schnell erholt, aber so waren Klaustreiche nun mal. Feige im Angesicht eines Stärkeren und Großmäuler, wenn die Gefahr vorüber war. „Aber die Kollegen werden Ihnen sicherlich genauso gut helfen.“ Er lächelte verbindlich, streckte die Hand nach dem Grimm aus und winkte ihn zu sich. „Kommen Sie, Nick?“ Es tat ihm zwar Leid für die Frau, aber selbst wenn er nicht dessen Gesichtsausdruck gesehen hätte, er konnte seinen Detective nicht hier lassen. Ellie Graupner war verletzt, seelisch wie körperlich, und man konnte ihr ansehen, dass sie sich am liebsten dem Grimm an den Hals geworfen hätte. Ihrem Retter in der Not… Das Biest fing in seinem Inneren wieder an zu rumoren. Es würde den Grimm keine Sekunde länger als nötig in der Gegenwart dieser Frau dulden. Und ausnahmsweise konnte Sean ihm da nur lebhaft beipflichten. Er musste seine Leute schützen. Und seinen Grimm insbesondere. „Sofort Captain“, Nick sah seinen Vorgesetzten kurz dankbar an. Der Royal hatte den Wink sofort verstanden. Wesen oder nicht, als Polizist musste er den professionellen Abstand wahren. Alles andere konnte sie in Teufels Küche bringen. Denn sollte das irgendjemand in den falschen Hals bekommen und gäbe es auch nur den geringsten Zweifel an den Handlungsweisen des Polizisten, wäre das mindestens ein Fall für die Dienstaufsicht. Einer der Gründe, warum Polizisten normalerweise ja auch immer zu zweit unterwegs waren und warum man weibliche Officers damit betraute, sich um Frauen in so einer Lage zu kümmern. Das Department hatte kein Interesse an möglichen Klagen wegen sexueller Belästigung. In diesem Moment traf der Sanitäter ein und deckte damit praktischerweise ihren Rückzug. „Machen Sie sich keine Sorgen, Ellie“, beeilte sich der Detective daher der Frau zu versichern, während er beiseitetrat, um Platz für den Notarzt zu machen. Der begann auch sogleich damit, das Tugendschaf zu untersuchen. „Die Kollegen werden sich gut um Sie kümmern. Vielleicht ist sogar noch Officer Dana im Dienst. Ich werde mal in der Zentrale nachfragen. Sie wissen doch, die Kollegin von heute Vormittag?“ Elli blickte enttäuscht drein und schniefte erneut, nickte aber bestätigend, dass sie sich erinnerte. „Soll ich sie für Sie rufen?“ bot er hoffnungsvoll an. Das wäre die perfekte Lösung für beide Seiten. Einen Moment zögerte sie noch, sah den Captain wieder flehentlich an, nickte aber dann aber doch zustimmend als der ein Kopfschütteln andeutete. Es war ihr zwar anzusehen, dass sie lieber seinen Begleitschutz gehabt hätte, aber sie drängte zum Glück nicht weiter. Nick war erleichtert. „Gut, dann leite ich das an die Zentrale weiter. Jetzt werden wir uns erst mal mit Ihrem Schwager unterhalten. Falls noch was sein sollte, Sie haben ja noch meine Karte. Und was Ihren Mann betrifft… denken Sie darüber nach, was ich Ihnen heute Mittag erzählt habe. Sie müssen das nicht alleine durchstehen, es gibt Einrichtungen, die Ihnen helfen können.“ Aufmunternd nickte er ihr noch einmal zu, bevor er Renard in Richtung Treppe folgte.   * * * „Einrichtungen die helfen?“ fragte der Captain auf der Treppe halb über die Schulter hinweg, kaum dass sie außer Hörweite der normalen Polizisten waren. Der Detective zuckte mit den Schultern, auch wenn der Mann vor ihm das kaum gesehen haben konnte. „Rosalee hatte mir in der Richtung mal ein paar Adressen genannt, an die sich… Wesen mit… derartigen Problemen wenden können.“ Der Royal nickte beifällig. Das hatte die Fuchsbau gut gemacht. Es zeigte, dass der Grimm durch seine Freunde mehr in der Wesengemeinde verwurzelt war, als er angenommen hätte. Das konnte sich noch als großer Vorteil für beide Seiten erweisen. Solange sich der Wesenrat nicht einmischte. „Und warum speziell dieser Officer?“ fragte er interessiert. Nick grinste verschmitzt. „Wegen ihres besonderen… Hintergrundes.“ Renard blieb kurz stehen, drehte sich halb zu ihm um und sah ihn prüfend von der Seite an und nickte dann, „Wesen“. Was auch sonst… Am Fuß der Treppe blieben beide stehen und warteten auf den Sergeant, der noch die CSI-Leute instruierte. Die rote Stelle auf Nicks Wange hatte mittlerweile angefangen sich an den Rändern bläulich zu verfärben. Renard fühlte sich bei dem Anblick… etwas zwiegespalten. Einerseits bedauerte er, dass er Nick vorhin mit mehr Kraft als nötig erwischt hatte, aber andererseits… auch wieder nicht. Ab und an brauchte der Grimm einfach eine kleine Erinnerung daran, dass er nicht Superman war, lachte das Biest leise in seinem Inneren. Wu erschien wenig später auf dem Kopf der Treppe und gesellte sich dann zu ihnen. „Hey, hatte nicht erwartet, dass wir heute hier noch mal auftauchen würden“, begrüßte er den Grimm locker und stemmte die Hände in die Hüften. „Klaustreiche“, antwortete Nick lapidar und zuckte nur mit einer Schulter. Wu verzog den Mund und hob eine Augenbraue. Dann deutete er mit einem Finger auf Nicks verfärbte Wange. „War der das? Sah gar nicht so stark aus… hat dich überrascht, wie?“ Er schnaubte vergnügt über seinen privaten Witz. Der Grimm zog nun seinerseits eine Braue hoch und sah Renard strafend an. „Nun, ich fürchte das war meine Schuld, Sergeant“, gab der Captain zu und schob die Hände in die Taschen seines Mantels. Er ignorierte die ungläubig aufgerissenen Augen von Wu und warf einen kurzen Blick in die Runde. Die normalen Officer hatten sich bereits nach draußen verzogen und ein Streifenwagen fuhr gerade vom Haus weg. Damit waren sie im Erdgeschoss alleine. Die Spurensicherung würde dagegen oben sicher noch einen Moment brauchen. Sie hatten also keine unerwünschten Zuhörer zu befürchten. Vorerst jedenfalls. Während Renard so abgelenkt war, deutete Wu fragend mit dem Daumen auf ihren Vorgesetzten und formte lautlos mit den Lippen ein ‚was zur Hölle…‘ in Richtung Nick. Doch der Detective winkte nur ab. „Ein Missverständnis.“ Wu zog die Stirn kraus. Es war klar, dass er Nick nicht glaubte. Der Sergeant. wippte einmal auf den Zehenspitzen und seine Augen wanderten an Renard prüfend auf und ab. Dann hob er beschwichtigend die Hände und schüttelte leicht den Kopf. ‚Wenn Du meinst…‘, schien sein Blick zu sagen und er ließ es erst mal dabei bewenden. „Wo ist eigentlich Hank?“, fragte er stattdessen. „Zu Hause nehme ich an“, antwortete Renard und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Augen des Asiaten wurden wieder größer. Er betrachtete Nick verwundert. „Und ich habe dein Auto draußen gar nicht gesehen…“ „Das liegt daran, dass ich ihn hergefahren habe, Sergeant. Ich war gerade zufällig bei Nick zu Hause, als der Anruf von der Frau kam und es war ja wohl kaum nötig mit beiden Fahrzeugen hier aufzukreuzen.“ „Zufällig?“, in Wus Stimme schwang mehr als nur ein Hauch Unglaube mit, während er sich wieder mit diesem übertriebenen Seitenblick Nick zuwandte. ‚Ach was?‘ Nicks Schultern verspannten sich kurz und die Augen wurden für den Bruchteil einer Sekunde zu Schlitzen, dann sorgte die schneidende Stimme ihres Vorgesetzten dafür, dass Wu sich wieder ihm zuwandte. Nick atmete langsam aus und versuchte seine Fäuste wieder zu lockern. „Wollen Sie etwa einen detaillierten Bericht, wie wir unseren Feierabend gestalten, Sergeant?“ Der Captain klang verärgert. Offenbar war er von den Fragen ebenso genervt, wie der Grimm. Was irgendwie ein komisches Licht auf die Sache warf, fand Wu. Vor allem das ‚wir‘… Aber dieses Mal behielt er den Gedanken lieber für sich. Vorerst. „Natürlich nicht, Sir…“ „Wu, du weißt nicht zufällig, ob Officer Dana noch im Dienst ist?“, versuchte Nick dann den kleinen Asiaten abzulenken, bevor der noch eine weitere blöde Bemerkung machen konnte, die ihm ganz sicher im Kopf rumschwirrte. Der Sergeant machte einen selbstgefälligen Eindruck und wandte Nick wieder mit dieser übertriebenen Bewegung den Kopf zu. Ob das typisch für Asiaten war? „Nicht nur zufällig, Nick. Das gehört zu meinem Job.“ Er warf einen schnellen Blick auf seine Armbanduhr. „Und wenn ich mich nicht irre sollte sie noch etwa eine Stunde Dienst haben.“ Wu legte den Kopf schief und sah sein Gegenüber fragend an. „Warum?“ „Weil wir sie hier brauchen, Sergeant“, antwortete Renard knapp an Nicks Stelle. „Rufen Sie die Zentrale und fordern Sie sie an. Mrs. Graupner… die… ‚besonderen Umstände‘ erfordern die Anwesenheit eines weiblichen Officers mit... speziellem Hintergrund.“ „Mit anderen Worten“, fasste Wu zusammen und griff nach seinem Funkgerät an der Schulter, „wir brauchen ein Wesen um ein anderes zu beschützen. Geht klar, Sir.“   * * * Fünf Minuten später waren Nick und der Captain wieder am Auto und Renard öffnete die Fahrertür. Den Griff in der Hand drehte er sich zu seinem Detective um. „Wo soll ich Sie absetzen? Zu Hause? Oder wollen Sie tatsächlich noch ins Revier und sich gleich mit dem Eindringling beschäftigen?“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Streifenwagen, der eben losfuhr. Wu wollte noch mal aufs Revier und liegengebliebenen Papierkram erledigen, hatte er behauptet. Was übersetzt vermutlich eher hieß, dass er sich unterwegs was zu essen holen und im Trailer endlich die Bücher nach Klaustreichen durchforsten wollte. Dieser kleine Nerd… Nick blieb halb auf der Straße stehen und vergrub die Hände in seinen Jackentaschen. Er wirkte unentschlossen, als er den schwächer werdenden Scheinwerfern hinterherblickte. „Wenn ich ehrlich sein soll“, gab Renard zu bedenken, da der Grimm sich scheinbar nicht wirklich entscheiden konnte, „ich würde Ihnen davon abraten den Mann heute noch ins Verhör zu nehmen, Detective. Es ist schon spät und Sie haben sich Ihren Feierabend und das Bier redlich verdient. Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause. Aber vorher besorgen wir Ihnen noch was Anständiges zu essen“, bestimmte er mit einem Augenzwinkern und winkte Nick endlich einzusteigen. Doch kaum saß er im Auto, überlegte der Detective es sich anders. „Lassen Sie mich einfach bei Monroe raus, Captain. Oder wollen Sie vielleicht noch aufs Revier und die beiden Männer verhören?“ Der Royal schüttelte den Kopf und setzte rückwärts aus der Parklücke. „Nein, nicht mehr um diese Zeit. Die sollen sich ruhig erst mal über Nacht etwas abkühlen in der Zelle.“ Kurz runzelte er die Stirn, als ihm etwas einfiel. „Ich hoffe die Kollegen denken daran, die beiden Brüder nicht zusammen in eine Zelle zu stecken. Ich will nicht, dass die sich absprechen können…“ Renard legte den Vorwärtsgang ein und beschleunigte langsam, während ein kleiner Teil von ihm insgeheim bedauerte, den Grimm nicht noch zum Essen einladen zu können und den Abend so angenehmer ausklingen zu lassen, als er begonnen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)