Rache von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Rache ---------------- Rache. Das war der einzig Gedanke zu dem Loki fähig war, nachdem er wieder einigermaßen klar denken konnte. Die zerstörte Zelleneinrichtung nahm er nur am Rande war, während er, wie der Rachegott höchstpersönlich, durch die Zelle schritt und wütend ein Stuhlbein mit einem Fingerschnipsen zu Kleinholz zermahlte. Sein ganzes Sinnen war von diesem einen simplen Gedanken ausgefüllt. Er dürstete nach Rache. Die Dunkelelfen würden dafür bezahlen. Sie war tot. Sie war wirklich tot. Die einzige Frau, die ihm etwas bedeutet hatte. In ihm brodelte es. Dieser immense Zorn, den er jetzt fühlte, war nicht vergleichbar mit dem Gefühl, das er empfunden hatte, als er die Wahrheit über seine Herkunft erfahren hatte. Der Zorn darüber, sein ganzes Leben lang belogen worden zu sein, war erst später aufkommen. Nach der Verwirrung. Das hier war anders. Ihn dürstete es nach sofortiger Vergeltung. Mit einem wütenden Schrei pulverisierte er einen Tisch in tausend Einzelteile. Es verschaffte ihm keinerlei Genugtuung. Vielleicht lag es daran, dass er sich von Odin nie so verstanden gefühlt hatte wie von Frigga, der er seine magischen Fähigkeiten verdankte. Es war schon in seiner Kindheit so gewesen, dass Thor, der geborene Kämpfer, seinem Vater näher gestanden hatte, während er sich Frigga verbunden gefühlt hatte. Denn sie beide teilten ein Band, das niemand sonst in ganz Asgard verstehen konnte. Magie, das war es, was sie trotz allem anderen immer verbunden hatte. Dieses magische Band, das selbst die Entdeckung seiner wahren Natur, dieser Verrat an ihm, nicht hatte zerstören können. Dieses Band war jetzt endgültig zerschnitten. Tot. Sie war tot und es war seine Schuld. Wenn auch nicht beabsichtigt, so ließ es sich doch nicht leugnen. Wenn er dem Kursed nicht den richtigen Weg gezeigt hätte... Negative Gefühle war er gewohnt: Neid, Zorn, Hass. Aber er war nie von Schuldgefühlen geplagt gewesen. Bis jetzt. Fast geistesabwesend legte er eine Illusion über seine Zelle, sodass es für alle so aussah, als säße er nun lesend auf dem Boden. Erst dann glitt er langsam an der Zellenwand zu Boden. Mit einem Mal fühlte er sich seltsam kraftlos und alt. Er bereute es, dass seine letzten Worte zu ihr so grausam gewesen waren. „So ist es. Du bist nicht meine Mutter“, flüsterte er bitter. Er sah noch einmal diesen kummervollen Blick von ihr, sein aussichtsloser Versuch sie zu berühren, als eine Geste der Entschuldigung gemeint, ehe ihr Trugbild verschwand. Er hatte Frigga seit seiner Rückkehr so oft von sich gestoßen, aber sie hatte sich nie von ihm abgewandt. Hatte ihn trotz allem wie einen Sohn - ihren eigenen Sohn - geliebt. Loki vergrub verzweifelt den Kopf in seinen Armen und bekämpfte erfolglos das Brennen in seinen Augen. Wann hatte er das letzte Mal geweint? Geweint um eine andere Person? Er wusste nicht, wie lange er so gesessen hatte, verzweifelt und mit sich selbst hadernd, ehe er wieder von glühendem Zorn erfüllt wurde. Zorn auf Odin. Wieder einmal Odin. Immer und immer wieder war es Odin. Odin, der um ihre Verbindung wusste, der wissen musste, wie wichtig Frigga ihm trotz allem noch gewesen war. Und dennoch überbrachte er ihm diese Nachricht nicht persönlich. Nein, er ließ sie „dem Gefangenen“ durch die Wache überbringen. Wahrscheinlich sollte er auch noch dankbar sein, dass er überhaupt informiert worden war. Das sähe dem großen Allvater ähnlich. Hasste er ihn nun wirklich so sehr, dass er Loki nicht einmal erlaubte von ihr Abschied zu nehmen? Hatte er jetzt endlich sein Ziel erreicht? Diese Gleichgültigkeit und Kälte, die ihm jetzt entgegen schlug. War es nicht das, was er gewollt hatte? Da er keine Anerkennung und keinen Stolz von Odin erringen konnte, hatte er darauf gebrannt zu beweisen, dass dieser ihn nie akzeptieren würde. Ihn akzeptieren konnte. Dass er ihn insgeheim für seine Frostriesennatur hassen musste. Oder ihn schon immer verachtet hatte. War das jetzt der finale Beweis, dass er immer recht gehabt hatte? Aber warum war er dann jetzt nicht glücklich? Warum konnte er sich nicht bestätigt fühlen? Warum schmerzte diese Erkenntnis trotz allem? Wieder sah er ihr liebevolles und gütiges Gesicht vor sich. „Du hast eine erstaunliche Auffassungsgabe. Bei allen anderen, nur nicht bei dir selbst.“ Energisch schob er sie aus seinen Gedanken. Es schmerzte an diesen Augenblick zu denken und er konnte sich jetzt keinerlei Ablenkung erlauben. Genug von diesem Selbstmitleid! Er musste sich fokussieren. Musste seinen Zorn in die richtigen Bahnen lenken. Ihn kanalisieren. Er würde zu seiner Rache kommen und wenn er dafür alle neun Welten in Schutt und Asche legen müsste. Es würde nicht allzu lange dauern, bis er diese Zelle verlassen würde. Oh ja, sein Bruder würde ihn früher oder später aufsuchen und um Hilfe bitten. Wenn er auf eines zählen konnte, dann auf Thors Berechenbarkeit. Odin würde sich in Asgard verschanzen, statt das Heil in der Offensive zu suchen. Ein Gedanke, den Thor verabscheuen würde. Abzuwarten lag nicht in seiner Natur, zudem würde er die Stadt und seine Sterbliche zu schützen versuchen. Die Sterbliche, die Odin als Köder nutzen wollen würde. Das würde Thor niemals zulassen. Er würde sie um jeden Preis schützen wollen. Selbst wenn das Verrat am Allvater bedeuten sollte. Diese Geradlinigkeit seines Geistes war es, die dafür sorgte, dass Thor nie dazu fähig sein würde, komplizierte Pläne schmieden zu können. Darin war Loki der unübertroffene Meister. Und genau das würde der Grund sein, warum dieser Tor auf ihn angewiesen war. Nur Loki konnte sie beide unerkannt aus Asgard hinaus führen. Der Donnergott würde ihn brauchen. Und Loki würde ihm helfen. Denn dieses eine Mal würden sie beide das gleiche Ziel haben und es war ihm gleich, ob sein Bruder wirklich wusste, wie sehr ihn Friggas Tod belastete. Zum ersten Mal kümmerte es ihn nicht, falls sein Bruder seine Maske durchschauen sollte. Er wurde nicht grundlos als Gott des Unheils bezeichnet. Er würde die Welten in Chaos stürzen. Denn wenn er seine Mutter schon nicht hatte schützen können, würde er sie auf jeden Fall rächen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)