Athelas von yezz ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Er sollte eigentlich ein bisschen Gewinn erwirtschaften, um die Miete für den Laden zu sichern und auch das Loch auf seinem Bankkonto stopfen, doch all sein Geld wurde praktisch vom Blumenladen nebenan verschlungen. Lavi presste seinen Kopf gegen die Tischplatte und wimmerte. Er musste auch immer noch Tykis Mittagessen bezahlen. Es war kein gutes Gefühl, so an Geld gebunden zu sein, doch Lavi konnte nicht anders, als weiterhin Blumen zu kaufen, bei denen er nicht wusste, wohin damit. Aktuell standen sie alle auf seinem Esstisch in seiner Wohnung oder waren im Laden verteilt. Nun, da er wusste, dass Kanda auch noch nach 17 Uhr in seinem Laden blieb, ging er manchmal mit dem Vorwand hinüber, um Blumen zur Dekoration des Ladens oder für jemanden anderes zu kaufen. Der Florist bediente ihn nicht um diese Uhrzeit, aber seine Bestellungen wurden immer notiert und Lavi warf immer ein paar Fragen ein, um eine Art Gespräch in Gang zu bekommen. Er wusste, dass seine sozialen Fähigkeiten nicht schlecht waren, doch Kanda schien sich nie wirklich viel zu öffnen. Die Antworten waren immer knapp und niemals eine Einladung, mehr zu fragen. „Also… warum gerade Blumen?“, hatte er einmal gefragt, der andere hob eine Augenbraue. „Warum willst du das wissen?“ „Ich frage mich das nur.“ „Weil ich es möchte“, war die knappe und schroffe Antwort. „Ich habe gehört, dass dir der Laden gehört“, fragte er ein andermal. „Ja.“ „Wie kannst du das aufbringen? Ich meine diese Gegend ist sehr extravagant…“ „Es war ein Geschenk.“ „Von wem?“ „Das geht dich nichts an.“ Oder ein andermal: „Wo kommen deine Blumen her?“ „Händler.“ „Oh.“ Nun seufzte Lavi, als er eine kleine Skizze von einer Sonnenblume ausmalte, die mit einem Strauß kam, den er im Laufe der Woche gekauft und auf seinen Schreibtisch auf der Arbeit gestellt hatte. Sie waren gut zur Übung, doch was auch immer er tat, es führte zu nichts und er war sich auch nicht wirklich sicher, was er da überhaupt tat. Der Florist. Kanda war nun wirklich unglaublich attraktiv, das war sicher. Diese helle Haut, die umwerfenden Augen, diese göttliche, trainierte Figur. Lavi konnte sich nur vorstellen, wie schön es wäre, ihn zu tätowieren. Vielleicht irgendwo am Nacken oder vielleicht sogar die Wirbelsäule hinunter. Scheiße… das… das… er schluckte. Er schweifte ab. „Hey, hör auf Trübsal zu blasen und hol mir mal ein bisschen Desinfektionsmittel, ja?“, rief Tyki von seinem Arbeitsplatz und Lavi erhob sich mit einem Schauben. Tykis Kunde für den heutigen Tag, Tokusa, ein schlaksiger Typ mit sieben Piercings in seinem linken Ohr, legte seinen Kopf interessiert schief. „Probleme mit Frauen?“, fragte er und zischte dann leise, als Tyki das neue Tattoo mit der Flüssigkeit abwischte, welches seinen anderen 6 nun Gesellschaft leistete. „Nahe dran“, antwortete Tyki, als er seine Arbeit abklebte. „Unser Nachbar ist eine richtige Schönheit. Er sabbert ihm schon seit Monaten hinterher.“ „Ernsthaft? Whoa, das muss ich mir später einmal ansehen.“ „W-was zum…“, stotterte Lavi. „Warum erzählst du das jedem?“, klagte er. „Was, bist du eifersüchtig?“ „Nein, ich…“ „Schade“, seufzte Tyki und drehte sich mit seinem Stuhl um, damit er Lavi anschauen kann. „Ich hatte gehofft, du würdest es werden.“ Lavi hielt inne. „Warum?“ „Weil du absolut gar nichts machst, außer Blumen zu kaufen. Das ist langweilig“, gab der andere zurück. „Worauf wartest du? Lade ihn schon ein.“ Als Lavi sich umdrehte und eine Antwort verweigerte, schüttelte Tyki den Kopf. „Du kannst mir nicht ernsthaft sagen, dass du nicht mit ihm ausgehen möchtest.“ „Das ist es nicht“, sagte der Rothaarige leise, guckte aber entschlossen weg. „Ich denke nur nicht, dass er zustimmen wird.“ „Was hast du all die Zeit gemacht, wenn du drüben warst?“ „Ich versuche es, ja?“, verteidigte sich Lavi entrüstet und ignorierte, dass Tyki die Augen rollte. „Er ist nur nicht… sonderlich interessiert.“ „Dann mach ihn interessiert.“ „Das ist nicht so einfach.“ Tyki verengte die Augen und grinste. „Ach wirklich?“ „Hey“, fand sich Lavi am Freitagabend rufend wieder. „Möchtest du mit Soba essen?“ Kanda hielt in der Bewegung am Tresen inne, als der Rothaarige in den Laden gestürmt kam. „Allen hat davon gesprochen und ich habe es noch nie gegessen. Also bin ich neugierig geworden und er sagte, dass du darin ein Experte seist und du einen Ort in der Stadt kennst, der gut ist. Denn ich habe versucht danach zu googlen und habe nichts gefunden. Also können wir gehen?“, sprudelte es aus ihm heraus, ohne wirklich Luft zu holen, während Kanda in anstarrte. „Uh, ich zahle auch!“ „Du kannst alleine gehen“, sagte Kanda endlich und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Arbeit. „Was willst du noch?“ Lavi schloss kurz die Fäuste und verlagerte das Gewicht auf den Füßen. „Ich meinte, ich zahle auch“, versuchte er es erneut. „Ich weiß noch nicht einmal, was ich bestellen soll, wenn ich alleine gehe und ich würde es wirklich gerne ausprobieren. Also bitte?“ Kanda schaute ihn wieder an und Lavi sah schon förmlich das Seufzen des anderen kommen. Er ballte die Fäuste wieder. „Ich werde auch…“ „…In Ordnung“, grummelte der andere. „Ich brauche 30 Minuten zum Abschließen.“ Lavi stand da für ein paar Sekunden und starrte, bevor er sich dazu zwang, in Bewegung zu setzten. „Oh. Uh, in Ordnung. Ich… uh... Ich warte draußen auf dich!“ Er stolperte fast über seine eigenen Füße, so hastig versucht er aus dem Laden zu kommen. Dann lief er in Tyki, der vor dem Laden herumgelungert hatte. „Zehn Mäuse“, sagte Tyki, streckte die Hand aus und grinste. „Ich kaufe dir immer noch ein Mittagessen, also geb mir eine Pause“, Lavi blickte finster. „Dann ein kostenloses Tattoo.“ „Meine Tattoos kosten mehr als 10 Mäuse!“ „10 Mäuse jetzt oder ein Tattoo irgendwann“, Tyki zuckte mit den Achseln. „Immerhin schuldest du mir etwas für dein Date.“ „Ich hasse dich, Mikk.“ „Du kannst mir danken, wenn du ihn heute Nacht in deinem Bett hast“, lachte Tyki und tätschelte Lavi die Schulter. „Ich…“ „Tschüss“, grinste der andere und entfernte absichtlich langsam von Lavi, der vor dem Blumenladen unruhig auf und ab ging. Es ist ein Date. Ein Date. So etwas in der Art. Er hatte zwar gelogen. Na gut er hatte wirklich nie Soba probiert und er wollte nicht alleine essen gehen. Zufällig hat sich eben ergeben, dass Kanda offensichtlich Soba mag und er konnte ihm zum Abendessen überreden. Hitze stieg in ihm auf, je mehr er die Situation realisierte und ließ ihn noch mehr umherwandern. Zum ersten Mal war er kein Kunde, sondern vielleicht… ein Freund? Abendessengesellschaft? Sie würden mindestens eine Stunde zusammen verbringen. Scheiße, worüber sollten sie reden? Lavi kaute auf seiner Unterlippe und ging weiter vor dem Blumenladen auf und ab, so verloren in Gedanken, dass er noch nicht einmal merkte, wie Kanda den Laden verließ und ihn skeptisch beobachtete. Lavi stoppte seine Wanderung, als er ihn bemerkte. „Uh, also los?“, fragte er verlegen. Kanda drehte sich auf dem Absatz um und ging die Straße entlang, ohne darauf zu warten, dass Lavi zu ihm aufschloss, also beeilte sich der Rothaarige. „Und wie war dein Tag?“ „Normal.“ „Irgendwelche interessante neuen Kunden?“ „Nein.“ „Irgendwelche interessante alten Kunde?“ „Nein.“ „Kannst du noch etwas anderes als ‚Nein‘ sagen?“ „Nein…“, Kanda blickte zu ihm herüber. „Was willst du?“ Lavi zuckte mit den Achseln und schluckte kurz. „Ich wollte nur wissen, wie dein Tag war.“ „Indem du dumme Fragen stellst?“ „Das waren einfache Fragen!“ „Scheiß Smalltalk“, schnaubte Kanda. „Ich bin aufgewacht. Bin zur Arbeit gegangen. Habe die Arbeit beendet. Jetzt gehen wir essen. Was sonst noch?“ „… Du bist so zynisch“, stellte Lavi mit einem kleinen Grinsen fest. „Ich bin mir sicher, dass es Dinge bei der Arbeit gab, die auch für dich interessant waren. Du sagtest, du bist Florist, weil du es wolltest.“ „Also?“ „Also was daran magst du? Sich um die Pflanzen kümmern? Blumen zu arrangieren?“ Lavi wartete geduldig auf eine Antwort, während sie weitergingen. „… Die Farben.“ „Was ist mit den Farben?“, fragte Lavi vorsichtig. „Sie verschmelzen“, antwortete Kanda knapp. „Und sie haben eine Bedeutung. Es ist… es ist beruhigend“, sagte er und schaute unentwegt geradeaus ohne zu merken, dass er ungewollt auf eine belebte Straße trat. Lavi schnappte alarmiert nach seinem Arm. „Yu! Sei vorsichtig!“ Kanda erstarrte. „Wie zum Teufel hast du mich genannt?“ „Yu“, Lavi blinzelte und schaute auf. „Das ist dein Name, oder nicht?“ „Es ist Kanda.“ „Aber…“, der Rothaarige runzelte irritiert die Stirn. „Du bist Japaner. Also ist ‚Kanda‘ dein Nachname, richtig?“ „Es ist Kanda“, keifte der andere. „Dummer Hase.“ „…Hase?“, Lavi hielt inne, doch dann bemerkte er, dass Kanda auf seinen linken Arm blickte, wo sein Tattoo von einer Hokusai-Welle, die aber aus Hasen, statt Wasser bestand, war. „Huh.“ Bevor er noch etwas sagen konnte, ging der Florist weiter. „Che. Komm schon.“ Die Stimmung kühlte zwischen ihnen ab, während Kanda ihn zum Restaurant führte, in einem noch schnelleren Tempo als zuvor. Lavi bemühte sich, dem Tempo standzuhalten, war jedoch immer einen halben Schritt zurück. Unbemerkt studierte er Kandas Profil. Es war so einfach, sich im Auftreten des Floristen zu verlieren, in der selbstsicheren und souveränen Haltung, die langen Haare, die hinter ihm wippten. Er war zu sehr in seinem Starren vertieft, dass er in Kanda hineinlief, als er plötzlich anhielt. Lavi blickte sich um und erkannte, dass sie eine der Straßen von Soho erreicht hatten und vor einem Restaurant standen. Kanda schob sich durch den Vorhang, auf dem ein Kanji abgebildet war und begrüßte die Bedienung. „Oh, Kanda-san!“, sagte die Bedienung und leuchtenden Augen. „Du hast jemanden mitgebracht“, sie blinzelte deutlich überrascht doch erholte sich schnell, als Kandas Blick finster wurde. „Möchtet ihr an den Tresen oder einen Tisch?“ „Tresen“, antwortete Kanda. Lavi folgte ihnen mit Unbehagen, als sie an eine Ecke des Tresens geführt wurden und dankte der Kellnerin, als sie ihn warm anlächelte und die Menükarten verteilte. „Was möchten sie haben, mein Herr?“ „Uh…“, Lavi blickte auf die einfach bedruckte Karte. „Was nimmst du, Yu?“ „Nenn mich nicht beim Vornamen“, grummelte Kanda und lehnte sich dabei mit den Ellbogen auf den Tresen, offensichtlich gelangweilt. „Ich bekomme das Übliche.“ „Was ist das Übliche?“ „Zaru Soba mit Tempura“, sagte die Kellnerin hilfsbereit, da Kanda nur geradeaus starrte. „Und einen heißen, grünen Tee.“ Lavi runzelte die Stirn. „Was ist Zaru Soba?“ „Es ist kaltes Soba“, erklärte sie. „Alternativ kannst du auch heißes Soba bekommen, das basiert auf einer Suppe.“ „Ich nehme auch das, was er bekommt“, entschied Lavi. „Wenn es sein übliches Essen ist, wird es gut sein, richtig?“ Das glaubte Lavi auch wirklich, doch als das Gericht serviert wurde, zögerte er bei den grau-grünlichen Nudeln, sie in einem Wirbel auf einer Bambusmatte lagen. Kanda schnappte sich seine Essstäbchen und murmelte irgendetwas, was zu leise war, um es zu verstehen, bevor er aß. Dippte die Nudeln in eine kleine Schale mit dunkler Soße, die an der Seite serviert wurde und schon war es in seinem Mund verschwunden. Er realisierte erst, dass er nur Kanda beobachtete, bis dieser ihn aus dem Augenwinkel einen seltsamen Blick zuwarf. Hastig richtete er seine Aufmerksamkeit auf sein Essen. Nun ja. Lavi vermutete, dass es schon nicht so schlimm sein würde, also dippte er die Nudeln in die Soße, wie er es bei seiner Begleitung gesehen hatte. Der erste Bissen war eigenartig. Die Nudeln waren kalt und Lavi hatte das irgendwie nicht erwartet, auch wenn er kaltes Soba bestellt hatte. Er kaute und schluckte es hinunter, der Geschmack von süßem Seetang und einen Hauch von feinen Gewürzen blieb angenehm in seinem Mund zurück. Lavis Augenbrauen schossen in die Höhe, als er noch ein Bissen kaute und hinunterschluckte. „Das ist tatsächlich… ziemlich gut“, sagte er und hörte, wie Kanda schnaubte. „Ich verstehe, warum das dein Lieblingsessen ist.“ Denn es war so unauffällig und subtil, und dennoch unglaublich intensiv. Alles zur gleichen Zeit. Es erinnerte ihn durch und durch an Kanda. Sie aßen still und Lavi zermarterte sich den Kopf nach einem weiteren Gesprächseinstieg und warf gelegentlich Blicke zum Mann neben ihm. Er fragte sich, ob Kanda nur am Tresen sitzen wollte, damit sie sich nicht in unangenehmer Stille gegenübersaßen und anschauen musste und war sogar etwas dankbar dafür. „Also… ähm… Was ist deine Lieblingsblume?“, war schlussendlich das, was er fragte. „So eine originelle Frage“, schnaubte Kanda. „Das wirst du oft gefragt, huh?“, bemerkte Lavi und hielt beim Kauen inne. „Ich wette, es ist Lotos.“ Kanda drehte sich abrupt zu ihm um und blickte in misstrauisch an, was Lavi grinsen ließ. „Es ist nicht so schwierig, zu erraten, weißt du“, grinste wieder, nachdem er hinuntergeschluckt hatte. „Es ist die einzige Blume, die du nicht in deinem Laden verkaufst.“ „Kein Florist verkauft Lotosblumen“, gab Kanda zurück. „Richtig“, nickte Lavi. „Und dennoch hast du eine in deinem Laden. Lotosblumen sind hier nicht heimisch, oder? Ich weiß noch nicht einmal, wie deine Pflanze bei dem Londoner Wetter wächst. Offensichtlich kümmerst du dich viel darum, denn sie ist so groß und schön.“ „Es ist Wiedergeburt.“ Lavi legte den Kopf schief, verwirrt über den Zwischenruf. „Lotos“, erklärte Kanda. „Sie ist nicht ‚groß und schön‘“, wiederholte er mit finsterem Blick. „Nun ja, das ist sie für mich“, zuckte Lavi die Achseln. „Wiedergeburt. Blumensymbolik, ja? Wie Rosen für Liebe stehen?“ „Ist das das Einzige, was du kennst?“ „Hey, ich bin kein Florist.“ „Also?“ „Ist das nicht teil der Berufsbeschreibung?“, antwortete Lavi verwirrt. „Ich bin sicher, dass die Leute ständig fragen, was für Blumen zu welchem Anlass geschenkt werden. Ich meine, du hast Sträuße für mich gemacht. Ich wüsste noch nicht einmal, was für Blumen ich nehmen sollte. Du hast so viele.“ „Das ist, weil Leute wie du sich nicht darum scheren, was man da gibt“, bemerkte Kanda. „Wenn du es wirklich so meinen würdest, dann würdest du es auch wissen wollen.“ „… Vermutlich“, räumte Lavi ein. „Aber ich könnte sie auf jeden Fall nicht so schön zusammenstellen wie du.“ „Das“, nickte Kanda. „Ist mein Job.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)