Fehlerhaft von MissGreen ================================================================================ Kapitel 1: -----------   Geboren am 1. Mai 2000 wurde das kleine Mädchen nach dem Sieg benannt. Victoire. Eine Ehrung des Tages an dem die Schlacht gegen den dunklen Lord gewonnen wurde. Ein Tag an dem viele starben, ein Tag der so viel nahm und dennoch neue Hoffnung gab. Victoire. Älteste Tochter von Fleur und Bill Weasley. Der ganze Stolz der Weasley Familie, das erste Enkelkind. Rosige Wange und kleine blonde Löckchen. In den Armen ihrer Mutter, die erschöpft von der Geburt im Bett des Hospitals lag. Glücklich, aber erschöpft. Victoire. Das Vorbild für die Jüngeren, die stets ein Auge haben sollte auf sie. Anständig und natürlich klug. Victoire.   Die Tür wurde geräuschvoll aufgestoßen. Die Blondine erwachte aus einem seichten, unruhigen Schlaf. „Notfall, Vic. Wir brauchen dich“, und schon fiel die Tür wieder ins Schloss und der Schein, des Neonlichts aus dem Gang verschwand. Es dauerte einen Moment bis sie in der Wirklichkeit ankam, aufgeschreckt aus dem kurzen Schlaf, der Ruhephase die man ihr gegönnt hatte. Wie lange mochte es gewesen sein? Sie konnte es nicht sagen. Die schmale Pritsche war kein ideales Bett gewesen, doch für ein wenig Ruhe war es ausreichend gewesen. Sekunden waren vergangen, ehe sie das noch einmal das Wort Notfall in ihrem Kopf nachklingen hörte und ihr Körper zu begreifen schien, wo sie eigentlich war. Bereitschaftsdienst. Sie setzte sich auf, das blonde Haar fiel ihr über die Schultern. Die Verspannungen in ihren Schultern schmerzten, doch sie hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Nicht besonders elegant rutschte sie von der Pritsche und griff nach dem weißen Kittel der über einem der Stühle hing. Ein letzter Blick im Raum und schon war sie auf den Flur getreten. Die Tür rastete hinter ihr ein, wie ein endgültiges Zeichen, dass die Nachtruhe beendet war. Das Licht der Neonröhren flackerte leicht auf und blendete ihre Augen, die sich noch nicht ganz an die Helligkeit gewöhnt hatten. „Vic?“, eine der rundlichen Schwestern stand vor dem Notfallraum 3. Sie war etwa einen Kopf größer als die 1.65m kleine Weasley und hatte einen dunklen Pagenkopf, der ihr Doppelkinn leider noch mehr zum Ausdruck brachte. Ihre Augen waren zu stark geschminkt, zu dunkel für den Job und ihr Gesicht wirkte fahl und abgespannt. Auch sie musste schon einige Stunden hinter sich haben. „Abby“, Vic beschleunigte ihren Schritt, während sie aus der Tiefe ihres Kittels ein Haargummi hervor zauberte, um das störrische blonde Haar zurück zubinden. Leichte lockige Strähnen sträubten sich und fielen ihr zurück ins Gesicht. Den Kampf würde sie nun nicht gewinnen. „Er komm gleich rein. Auror, verletzt im Einsatz. Mehr wissen wir noch nicht, es ist kritisch“, gab sie einen kurzen Bericht der Lage ab, während sie nervös an ihren Fingernägeln herum fummelte. Der Nagellack, welcher diese einmal geziert hatte war bereits halb abgeblättert. Etwas was hier nicht gerne gesehen wurde. Doch Vic verkniff sich einen Kommentar. Sie schätzte Abby aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihres Charakters und nicht wegen ihres Aussehens. Doch ihr war bewusst dass die anderen Heiler, vor allem die jungen Herren mit denen die Blondine in der Ausbildung waren gerne abfällige Kommentare über die dralle Schwester machte. Früher hatte sie sich bemüht etwas dagegen zu sagen, aber mit der Zeit hatte sie es aufgegeben. Waren doch die Oberflächlichkeiten dieser Idioten etwas, was sie nicht mehr ändern würde. „Warum bist du so nervös?“, misstrauisch betrachtete sie die Ältere. Sie wusste nicht wie alt Abby sein mochte. Sie war weder im Alter ihrer Mutter, noch älter. Doch hatte sie deutlich auch einige Jahre mehr vorzuweisen als sie selbst. Es war schwer die Frau einzuschätzen. „Oh, ich … ich habe nur Angst, dass er es nicht schafft“, flüsterte sie. Die Gefahr bestand immer. Die Kollegen würden ihnen die Schuld geben, die Familie würde weinend in der Ecke sitzen, wenn es eine Familie gab. Am schlimmsten war es jedoch, wenn Kinder anwesend waren, die nun keinen Vater mehr hatten oder keine Mutter. Die Blicke voller Verzweiflung einerseits, dann die Hoffnung, dass man vielleicht doch eine gute Nachricht hatte. Aber man hatte sie nicht. Bittere Entäuschung und dann häufig der Zusammenbruch. Vic gehörte nicht zu jenen, die sich in das persönliche Schicksal ihrer Patienten herein steigerten. Als Anfänger hatte sie diesen Fehler ein einziges mal begangen und hatte es bitterlich bereut. Sie wahrte Abstand, professionell, aber genug Einfühlungsvermögen, um nicht als eiskalt zu gelten. „Wir werden sehen“, entgegnete sie nur, denn nichts anderes blieb zu sagen. Es dauerte nur wenige Minuten bis Schreie auf dem Flur zu hören waren. Schmerz erfüllt, dass sie Victoire durch Mark gingen. Ihr Körper wurde sofort unter Anspannung gesetzt, als auf einer Trage ein junger Mann herein geschoben wurde. Seine Schreie. Sie hörte nichts außer seiner Schreie, während sie immer näher kamen. Abby lief schon auf sie zu, während Victoire noch einen Moment in Schockstarre verfallen war. Nur eine Sekunde, vielleicht zwei, dann setzte sich auch ihr Körper in Bewegung und sie drängte sich zwischen die Männer. „Was haben wir?“, hauchte sie und blickte in die schmerzverzerrten Augen. Sie waren glasig blau und voller Tränen, die seine Wangen herunter rannen. Das ganze Gesicht des Mannes war verschrammt und mit Dreck, Blut und Tränen befleckt. Wieder schrie er und stöhnte. Bäumte seinen Körper auf. „Warren Samson, 29 Jahre alt, wurde in Kensington in der Rabbit Row gefunden, nachdem in einem verlassenen Haus eine Razzia durchgeführt wurde. Mehrere unbekannte Flüche trafen ihn und haben ihn schwer verwundet. Offene Wunden an Thorax und ...“, ein Schrei unterbrach die Ausführungen des Mannes, der Warren mittlerweile in den Behandlungsraum geschoben hatte. Das Licht flackerte auf und helle strahlen umfassten den Untersuchungstisch auf den Warren gehievt wurde. „Auf eins... zwei … drei“, mit geübten Griffen hatten sie Warren verlagert. Immer noch wurden sie von seinen Schreien unterbrochen. „Wir müssen seine Schmerzen lindern“, rief Victoire Abby zu, die sich einen Überblick über die Wunden verschaffte. Die weiteren Aufzählungen waren lang gewesen, doch besonders fatal empfand die Blondine es, dass sie die Rippen des Mannes sehen konnte. Es dauerte bis sie die Blutungen unter Kontrolle brachten, immer wieder taten sich neue Wunden auf und die Flüche die er abbekommen hatten mussten analysiert werden. „Das ist unmöglich, so viel kann ein Körper kaum ertragen“, hauchte Victoire, die dabei war einen Bruch seines Arms zu richten, den er sich bei einem Sturz zugezogen haben schien. „Das ist Wahnsinn. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat“, mittlerweile war bestimmt eine Stunde vergangen. Die Schreie verstummt und ein Wimmern ging von dem Mann aus, der von der Ohnmacht immer wieder in den Wachzustand zurück glitt. Zumindest hatte er keine Schmerzen mehr, die hatte sie ihm nehmen können, was seine Verletzungen doch nicht minimierte. „Warren, hören sie mich?“, sie blickte ihm in die Augen. Angst, sie sah sie ihm deutlich an. Das Haar war durchnässt, Tränen liefen wieder seine Wangen herunter. „Wir haben vieles richten können. Gegenflüche,... Wunden stillen und heilen können. Doch da ist viel, was uns Rätsel aufgibt. Wir haben noch keine genaue Diagnose. Sie wissen nicht was passiert ist oder ihre Kollegen. Was man gegen sie eingesetzt hat?“, sie versuchte sachlich zu sprechen. Doch ihr war klar, dass es die Panik nur schüren würde. Doch wie sollte sie ihm nehmen, wenn sie ihn nicht belügen wollte. Es stand schlimm um ihn. Selbst wenn sie die Hälfte der Verletzungen hatten versorgen können, so gab es noch genug, was ihm sein Leben aushauchen könnte. Sein Herzschlag war unregelmäßig, sein Atmen schwach. „Ich … ich … wei.. weiß es.. weiß es nicht“, schwach, er war so schwach. Für Victoire war es ohnehin ein Wunder, dass er noch lebte. Doch wenn er die Nacht überstand, dann waren die Chancen nicht schlecht, auch wenn sie daran zweifelte, dass er seinen Beruf jemals wieder aktiv ausüben konnte. „Wir verlegen sie jetzt auf ein Zimmer und beobachten sie. Währenddessen versuchen wir heraus zu bekommen, was sie noch getroffen hat, in Ordnung? Seien sie stark Warren“, sie nickte Abby zu, die ihn fertig machen würde, um ihn auf sein Zimmer zu bringen. Die Nacht würde schwer werden, doch er lebte. Mehr als sie sich erhofft hatte, nachdem was sie bei seiner Einlieferung gesehen hatte. Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wand. Atmete einen Augenblick tief durch und verließ dann den Behandlungsraum. „Geht es ihm gut? Hat er es geschafft“, die Blondine drehte sich um. Ein breitschultriger Mann stand im Flur. Er hatte einen zerrissenen Umhang, seine Hosen waren fleckig, blutig und matschig, ebenso sein Gesicht. Ein paar Schnitte zierten seine Wangen, aber ansonsten sah er unversehrt aus. Seine grauen Augen schauten sie fragend an. Eine Mischung aus Besorgnis und Ärger sprach aus ihnen. Das was sie oft sah, wenn sie es mit Auroren zu tun hatte. Er war etwa 40 Jahre, zumindest ihrer Schätzung nach, sein Haar war dünn und erste graue Haare wuchsen zwischen dem aschblonden Haar, dessen Haaransatz doch arg nach hinten verrutscht war. „Wenn er durch die Nacht kommt, dann hat er eine Chance“, erwiderte sie und verschränkte die Arme unter der Brust. „Aber vielleicht können Sie helfen, dass er es schafft. Was ist passiert?“, ihre Miene blieb eisern. Keine Zeit für Mitgefühl. Der Mann wollte, dass sie seinem Kollegen half, dafür musste er selbst helfen und nicht nur fordern. „Ich … wie soll ich ihnen helfen, es ist doch ihre verdammte …“, sie sah deutlich, dass er die Faust geballt hatte, doch die Anspannung ließ nach. „Dass es mein verdammter Job ist ihn zu retten?“, die Heilerin legte den Kopf schief und ließ ihre Augenbrauen nach oben fahren. „Ist es nicht ihr Job ihrem Partner den Rücken frei zu halten, damit so was nicht gar nicht passiert?“, noch immer blieb sie ruhig, doch sie wusste, dass sie damit einen wunden Punkt getroffen hatte. Sie kannte Auroren. So viele hatte sie schon versorgt und selbst hatte sie sie in ihrer Familie. Ja, sie wusste wie diese Männer und Frauen tickten. Zumindest die meisten. Wut glimmte in seinen Augen auf. Er schlug gegen die Wand. „Sie haben ja keine Ahnung“, es war fast ein Schrei, so laut schmiss er ihr die Aussage entgegen, doch die Blondine ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Erschrocken hatten sich einige der Schwestern umgedreht, doch die Situation hatte nichts Bedrohliches. „Hab ich nicht, in Ordnung. Vielleicht erzählen Sie es mir dann, weil ohne Informationen, kann ich ihrem Partner nicht helfen. Ihn haben ein paar ziemlich üble Flüche getroffen, die wir nicht ausmachen können und ihn dementsprechend nicht richtig behandeln können. Also sagen sie mir was passiert ist, was ihn getroffen hat und wir können seinen Zustand stabilisieren. Momentan ist er mehr in einer Schwebe zwischen Leben und Tod“, damit hatte sie die Lage auf den Punkt gebracht. Doch die Wahrheit war für die meisten schwer zu ertragen. Dem Gesicht des Mannes war anzusehen, dass er es kaum fassen konnte. Ungläubig sah er sie an. „Sie können … nicht … aber sie ,... sie müssen doch“, stammelte der Mann, der fast ihr Vater hätte sein können. Immer wieder sah man es, wie die auch die Stärksten in Situationen wie diesen einknickten. Fehler eingestanden und sich für vieles die Schuld gaben, was sie nicht kontrollieren konnten. Der Mann taumelte. Wie betrunken kam er ihr vor, doch es war der Schock. „Das .. das kann nicht sein“, er griff sich an den Kopf und trat einen Schritt zurück. „Setzen wir uns“, sie wies auf ein paar Stühle neben einem der Behandlungsräume. Wieder flackerte das Licht kurz auf und Victoire spürte die Müdigkeit in ihren Knochen, als sie sich auf dem Stuhl niederließ. Er atmete schwer. „Entschuldigen Sie …“, Einsicht, da war sie. Weit aus schneller, als Victoire sie erwartet hatte. Doch wer wusste, ob dieser Auror bereits häufiger diese Erfahrung gemacht hatte. „Ich hätte Sie nicht so anfahren dürfen, Sie tun hier sicherlich alles, was Sie können“, den Kopf in die Hände gestützt wirkte er auf sie unheimlich zerbrechlich. Ein geschlagener Mann, der mit seinen Kräften am Ende war. Fast hatte er einen Kollegen verloren und es war noch nicht klar, ob er die Nacht überstehen würde. „Kein Problem, so etwas erleben wir hier häufiger. Also Mr.“, Victoire stockte einen Moment, wusste sie auch, dass sie gerade Warrens Partner vor sich sitzen hatte, hatte niemand Angaben dazu gemacht, wie der Mann hieß, der so auf sie wirkte, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. „Frederic, Frederic Slaughter“, sagte er schwach. Slaughter. Vic sog scharf die Luft ein. „Also Mr. Slaughter, was ist passiert?“, sie hatte die Finger ineinander verschränkt im Schoß liegen, während der Mann neben ihr noch immer neben sich zu stehen schien. „Es kam wie aus dem Nichts“, murmelte dieser. Mr. Slaughter stand eindeutig unter Schock. Verdammt. „Sie sollten erst mal was Warmes trinken“, sie sah sich nach einer der Schwestern um. Um diese Uhrzeit wuselten sie nur selten über die Gänge, sondern hielten sich entweder im Schwesternzimmer oder auf den Zimmern der Patienten auf. „Warten Sie“, sie erhob sich und bemerkte ihre schmerzenden Knie, doch versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Sie wollte sich hinlegen, schlafen. Doch die große Uhr über dem Ausgang der Station verriet ihr, dass sie noch gut 4 Stunden vor sich hatte, ehe ihre Schicht zu Ende war. Vier Uhr in der Früh. Vic beschleunigte ihren Schritt. Einmal um die Kurve und sie hatte das Zimmer erreicht in dem die Schwestern ihre Pausen hielten. Ein Klopfen, dann öffnete sie die Tür. Vier müde Gesichter schauten sie an. Abby war nicht dabei, vermutlich war sie noch bei Warren und versorgte den armen Kerl. „Kann einer von euch einen Tee für den Partner von Mr. Samson besorgen. Ich versuche heraus zu bekommen, was für Flüche ihn getroffen haben, aber er scheint ziemlich unter Schock zu stehen“, Kyra schien zu murren. Eine der jüngeren Schwestern, die sich in der Ausbildung befanden. Sie schien nicht viel Interesse dabei zu haben ihre freie Zeit für einen Tee zu opfern. Vielleicht auch weil die Nachtschicht sie schaffte. Doch Vic hatte allgemein keinen guten Eindruck von der Brünetten. Kyra war schlank, eher mager und bestimmt 1.78m groß und überragte damit sogar so manchen Herrn in der Abteilung. Ihr Blick war eisern und trotzig, ihre Art gewöhnungsbedürftig und insbesondere gegenüber Vic schien sie eine Art Weigerung entwickelt zu haben. Daher auch nicht die Kandidatin die sich erhob. Cara Lumes erhob sich. Cara war Mitte 30 und Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern. Sie hatte ebenso wie Victoire blondes Haar, dass sie allerdings weit aus länger trug. Bei der Arbeit hatte sie es stets zu einem Knoten nach oben gebunden, streng nach hinten, ohne dass auch nur eine Strähne heraus schaute. So streng ihre Haare auch waren, so warm waren ihre Augen. Braun wie Karamell, ihre Stimme sanft, sodass sie jeden Patienten zur Ruhe bringen konnte. Eindeutig die richtige Kandidatin. „Ich hole ihn“, bot sie an und keine der anderen Schwestern schien Einwände zu haben. Dankbar lächelte Victoire ihr zu und schloss die Tür wieder, als sie beide heraus getreten waren. „Du siehst müde aus“, Cara betrachtete die Heilerin skeptisch. „Eine anstrengende Schicht, aber es sind nur noch 4 Stunden“, ihre Schultern zuckten. „Also, ich sitze vor Raum 18 mit Mr. Slaughter, danke dass du dich darum kümmerst“, freundlich, aber bestimmt die Unterhaltung an diesem Punkt zu unterbrechen machte Victoire auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu Mr. Slaughter, der immer noch in sich gesunken auf dem Platz saß, dem sie ihm zugewiesen hatte. „Meine Kollegin holt ihn einen Tee. Vielleicht fällt ihnen schon etwas ein?“, sie wollte dieses Gespräch beenden, musste sie doch schließlich noch einen Bericht für die Krankenakte des Mannes verfassen, der immer noch mit seinem Leben kämpfte. Sie wollte sich ausruhen, einen Moment finden in dem sie die Augen schließen konnte. Doch stattdessen saß sie hier mit einem Mann, der seine Sprache verloren zu haben schien. Schluchzte er? Nein, er atmete jedoch schwer. Victoire seufzte und lehnte sich gegen die harte Plastiklehne des Stuhls. „Mr. Slaughter waren Sie und ihr Partner alleine oder war ein großes Team involviert?“, vielleicht gab es ja noch einen vernünftigen Zeugen, den sie nach den Geschehnissen fragen konnte, denn der Mann mit dem aschblonden Haaren und den Geheimratsecken war vollkommen in seiner Welt aus Selbstmitleid versunken, Vorwürfen uns Angst. „Mr. Slaughter“, versuchte sie es noch mal. Ärgerlich schnalzte sie mit der Zunge. Die Hoffnung irgendwas aus ihm heraus zu bekommen schwand immer weiter. „Nur wir zwei“, hauchte er. „Einfach Einsatz, es sollte ein einfacher Einsatz sein“, stammelte der Mann und fuhr mit seinen Händen durch das Haar. „Haben sie seine Frau verständigt? Wo ist Olivia?“, jetzt wurde der Mann wieder panisch. Hektisch sah er sich um und Victoire hatte das Bedürfnis ihn ruhig zu stellen. Von einer Olivia wusste sie nichts. Aber die Schwestern würden sich gekümmert haben, sie würde Cara fragen, soweit diese den Tee brachte. Wo blieb die eigentlich? Um diese Zeit dürfte nicht viel in der Cafeteria los sein. Sehnsüchtig ging ihr Blick um die Kurve. „Olivia muss doch Bescheid wissen“, wiederholte Mr. Slaughter und blickte panisch an. So viele Emotionen in so kurzer Zeit. Vic biss sich auf die Unterlippe. Was sollte sie nun sagen. „Wir fragen gleich die Schwester, ob sie etwas genaueres weiß, beruhigen sie sich. Also sie waren zu zweit, richtig?“, ihr Blick war durchdringend, vielleicht beruhigend. Sie wusste es nicht. Bei Menschen in derartigen Situationen war es schwer zu sagen, wie man sich richtig verhielt. Jeder war anders. Sie hörte eine Tier. Auch Frederic wurde hellhörig. „Liv?“, doch es war nicht die Frau des Patienten, sondern Cara mit dem Tee. Sie reichte ihm den weißen Becher mit dem Logo des Hospitals. Dampf stieg über der bernsteinfarbenen Flüssigkeit auf, sodass Frederic Slaughter leicht pustete. Die Wärme in seinen Händen schien zu wirken. „Danke, Cara. Hat jemand Mr. Samsons Frau verständigt?“,Victoire blickte Cara von ihrem Platz aus an. „Wir haben sie verständigt“, erwiderte Cara ruhig und sah zu dem Mann neben Victoire, der vorsichtig einen Schluck von dem heißen Tee nahm. „Sie musste erst jemanden finden, der die Kinder nimmt. Sie wollte sie nicht mit hier her bringen“, erklärte sie weiter und Victoire nickte leicht. Also zumindest keine Kinder, die sie fragend ansahen und nach Antworten harrten, was mit ihrem Vater war. Cara nickte und verschwand dann wieder. „Okay, Mr. Slaughter. Mrs. Samson kommt also bald. Machen sie sich keine Sorgen“, langsam kam sie sich bescheuert vor. „Ich komme gleich wieder“, was brachte es auch noch länger hier zu sitzen, er brauchte Zeit sich zu beruhigen, auch wenn sie nicht sagen konnte wie lange das sein würde. Victoire ließ die Hände in die Taschen des Kittels gleiten und spürte die Packung Zigaretten deutlich. Nur noch wenige waren in der Packung, sie musste sich dringend eine neue besorgen, wenn die Schicht vorbei war. Ihre Schritte hallten im Gang wieder. Wieder flackerte das Licht. Sie hasste diese Neonröhren. Genervt trat sie durch den Notausgang ins Treppenhaus und nahm den Weg hinab zu einer Tür nah bei der Feuertreppe. Draußen war es dunkel. Die Sterne waren hier nicht gut zu erkennen, wie fast nirgendwo in London. Der Smog schien zu fressen. Die kühle Nachtluft weckte sie etwas auf, doch brachte ihr auch eine leichte Gänsehaut. Umständlich fummelte sie die rot-weiße Packung aus der Kitteltasche und entnahm eine der restlichen vier Zigaretten. Zwischen Mittel- und Zeigefinger steckte sie sich in den Mund, während sie die Packung mit der anderen Hand wieder in die Tasche packte. Sie musste die Hand schützend vor die Flamme des Feuerzeugs halten, damit sie nicht sofort wieder ausging. Rot glimmte die Zigarette auf und sie nahm einen tiefen Zug. Lief den Rauch in ihre Lungen, spürte förmlich wie der Drang nach Nikotin befriedigt wurde. Sie hatte an ihrem dritten Arbeitstag angefangen zu rauchen. Zunächst hatte Victoire es ihren Eltern verschwiegen. Schließlich war sie doch das gute Kind, die Älteste, das Vorbild. Doch das hatte Vic eigentlich schon lange aufgegeben. Zudem war sie erwachsen. Manchmal fragte sie sich, warum sie sich soviel Gedanken darüber machte was ihre Eltern dachten, ihre Onkel und Tanten. Musste sie doch am Ende nur sich selbst Rede und Antwort stehen. Es hatte dennoch gedauert, bis sie es begriffen hatte, bis sie selbst verstanden hatte, dass sie nicht perfekt sein musste, vielleicht auch nicht konnte. Wieder blies sie den Rauch in die Nachtluft. Sie fröstelte. Sie spürte wie die Kälte sich durch den dünnen Stoff ihrer Arbeitskleidung fraß, sich an ihrem Körper zu schaffen machte. Dennoch blieb sie stehen und ließ ihren Blick noch einen Moment über die Stadt wandern. Die Lichter überall. Noch drei, noch zwei, noch ein Zug. Das letzte Mal entließ sie die Wolke in die Luft und drückte den Stummel am Geländer aus, ehe sie wieder zurückkehrte. Eine kurze Flucht aus der Realität und dennoch hatte sie ihr geholfen den Kopf wieder klar zu bekommen und ihre Hoffnung lag darin, dass auch Mr. Slaughter bereit war zu sprechen. Mit schnellen Schritten nahm sie die Treppen zurück und trat wieder auf die Station. Abby und Kyra drehten gerade ihre Runde. Während Kyra sie wie immer ignorierte, warf Abby ihr aus ihrem runden Gesicht her ein Lächeln zu. „Mrs. Samson ist eingetroffen“, sagte sie leise, jedoch so laut, dass sie es hören konnte. Resigniert nickte Victoire. Auf in Runde zwei. Eine zerbrochene Ehefrau. „Jake ist schon bei ihr, aber sie warten auf dich“, war sie so lange weg gewesen, dass Jake sich hatte der Frau annehmen müssen? Das konnte nicht sein, sie hatte nur eine Zigarette geraucht. Die Hände tief in den Taschen bog sie um die Ecke und erreichte eine kleine Sitzgruppe. Olive Samson lag in den Armen von Frederic Slaughter. Vic konnte das Gesicht der Frau nicht erkennen, aber sicherlich weinte sie. Ihr dunkelbraunes, ja fast schwarzes Haar reicht ihr bis zu den Ellenbogen und wirkte zerzaust, als wäre sie gerade aufgestanden. Sie schien sich notdürftig etwas übergezogen haben. Denn ihre Hose sah verdächtig nach einer Schlafanzughose aus. Eine braune Stoffhose mit hellen, vielleicht rosa Punkten, dazu einen zu großen olivgrünen Pullover, der vermutlich ihrem Mann gehörte. Sie wirkte wie ein Kind, dabei war sie weder besonders zierlich oder klein. Vermutlich sogar größer als Victoire, aber die ganze Situation veränderte ihre Erscheinung. Jake hatte seine Hand auf ihren Arm gelegt. „Da kommt sie schon“, mit einem Nicken wies er in die Richtung von Victoire, die ihren Schritt beschleunigte und sich um eine professionelle Miene bemühte. Weder zu schwarz malerisch, noch zu glücklich. „Mrs. Samson, nehme ich an“, sie trat vor die Frau, die nun aufsah. Ihr Gesicht war rot vom Weinen und ihre Augen verquollen. „Sie... sie ha... haben Wa.. Warren beh.. behandelt?“, schluchzte sie und sah die Heilerin aus erwartungsvollen Augen heraus an. „Victoire Weasley. Richtig, ich habe ihn nach seiner Einlieferung behandelt“, erklärte sie sachlich und ließ sich neben Jake nieder. „Er hatte schwere Verletzungen, als er eingeliefert wurde. Wir haben alles getan, doch wir konnten nicht alle Flüche identifizieren, weshalb sein Zustand immer noch kritisch ist. Bisher konnte ich leider aufgrund des Schockzustand seines Partners“, sie wies ruhig auf Mr. Slaughter, der die Frau seines Partners noch immer zu stützen versuchte, „konnte ich meine Befragung leider noch nicht fortsetzten, um eventuell zu erfahren, welche Flüche ihn getroffen haben könnten“, woraufhin sich Mrs. Samson losriss. „Freddie, sags ihnen, warum sagst du es ihnen nicht“, sie wurde hysterisch. Jake bedachte seine Kollegin mit einem bösen Blick. Natürlich hatte Victoire gewusst, dass sie so reagieren würde. „Liv... ich“, er versuchte sich gegen die halbherzigen Schläge zu wehren, die verzweifelte Mrs. Samson vorzubringen hatte. Jake nahm ihre Arme und hielt sie fest. „Bitte beruhigen sie sich“, wie immer. Jake war einer jener Kollegen, der gut mit Menschen konnte, vor allem mit Frauen. Ein McDreamy, wenn man so wollte. Ein tadelloses Aussehen und dann war er auch noch einfühlsam. Etwas woran es Victoire manchmal haperte oder eher, woran sie kein Interesse hatte. Die Blondine gehörte zum ehrlichen Schlag, denn nur das brachte die Leute meist dazu mit der Wahrheit heraus zu rücken. So betrachtete sie den Partner des Mannes weiter, der immer noch in einem der Zimmer um sein Leben kämpfte. „Ich.. .ich weiß es wirklich nicht“, seine Hände zitterten. „Wie können Sie das nicht wissen?“, skeptisch betrachtete Victoire den Mann genauer. Irgendetwas an der Sache war faul. Sie spürte es deutlich. „Ich erinnere mich nicht“, doch daran glaubte die Blondine nicht. Kurz strich sie sich eine der Strähnen hinters Ohr, die ihr einmal wieder lästig ins Gesicht fielen. „Vic ...“, Jake wollte sich einmischen, doch Victoire schnitt ihm mit einer Handbewegung den Satz ab. „Mr. Slaughter“, begann sie, während das Schluchzen Mrs. Samson lauter wurde und Jake ihre Hand drückte. Victoire wurde es lästig immer wieder das Jammern der Frau zu hören. Es störte sie beim Denken. „Jake bring sie zu ihrem Mann, ich muss mit Mr. Slaughter reden“, dieser schien sichtlich nervöser zu werden und betonte noch mal, dass er sich nicht genau erinnere. Es wäre alles doch so furchtbar schnell gegangen. Ihr Blick lag weiter auf dem Mann, der auf seinem Stuhl herum rutschte. Der Dreck mischte sich mit Schweiß, der ihm auf der Stirn stand, dabei war es nicht besonders warm. Noch einen Moment wartete sie ab, bis das Schluchzen der Frau im Gang verschwunden war. „Sagen Sie mir jetzt die Wahrheit. Sie wissen genau was geschehen ist“, konfrontierte sie ihn mit der einzigen Wahrheit. Zumindest jener, die sie für wahrscheinlich hielt. „Ich bin schuld“, jetzt begann auch er zu schluchzen, doch Victoires Blick blieb eisern. „Reden sie weiter“, entgegnete sie ruhig, während sie die Arme unter der Brust verschränkte. Wie eine Barriere die kein Mitleid zu ließ. „Ich bin der höher gestellte Auror, ich habe längere Erfahrung“, wieder dieses Schluchzen, langsam machte es sie wütend. Frederic Slaughter war ein erwachsener Mann und jetzt weinte er vor ihr, als würde er um Mitleid betteln. „Es sollte kein aufregender Einsatz werden, es hieß eine verdächtige Person hielte sich in dem Gebäude auf, nicht gefährlich, aber wir sollten das unter die Lupe nehmen. Nur zu zweit... weil der Status nicht hoch war“, langsam fing er sich. Dennoch war dieses Zittern in seiner Stimme. „Das Haus stand schon länger leer, das erkannte man an den Spinnweben“, fuhr er fort, doch diese Details interessierten die Heilerin wenig, dennoch wagte sie es nicht ihn zu unterbrechen, denn die Gefahr, dass er wieder in Tränen verfallen würde, war zu hoch. „Wir konnten die Person nicht direkt lokalisieren, also sind wir rein. Das Haus war größer als von Außen gedacht“, nervös begann er an der Nagelhaut seiner rechten Hand herum zu fummeln. „Magisch?“, lenkte die Blondine ihre Frage ein und bekam ein zustimmendes Nicken. „Wir riefen ins Haus, dass die Person sich ergeben sollte. Doch niemand reagierte. Also entschieden wir uns, dass wir uns trennen müssten“, Victoire ahnte bereits jetzt, was geschehen war. „Ich nahm das Untergeschoss unter die Lupe, Warren ging nach oben. Gerade als ich im hinteren Teil des Hauses war, hörte ich den Kampf, die Schreie. Ich bin sofort nach oben, aber da war es schon zu spät. Wir hätten uns nicht trennen dürfen“, er gab sich die Schuld und sicherlich trug er sie, doch ebenso sein Partner und die Zentrale. „Haben sie den Täter gesehen, haben sie ihn stellen können?“, doch er schüttelte nur den Kopf. Victoire nickte leicht. Sie hatte ihn hart ran nehmen müssen, doch sie wusste nun die Wahrheit, aber auch, dass sie Warren nicht helfen konnte, zumindest nicht durch weitere Antworten seines Kollegen. „Mr. Slaughter, ich danke ihnen für die Offenheit. Ich denke ihre Zentrale wird sich mit dem Fall befassen, leider wird das nur Mr. Samson nicht helfen“, sie erhob sich wieder von ihrem Platz und reichte ihm die Hand. „Sie sollten nach Hause gehen, sich waschen und schlafen. Das war eine harte Nacht und ich glaube die nächsten Tage werden für sie auch nicht angenehmer, als für Mr. Samson, sollte er die Nacht überstehen“, sprach sie die Dinge aus, die Slaughter wohl am wenigsten hören wollte. Dennoch erwiderte er ihren Händedruck müde und stand ebenfalls auf. „Ich danke ihnen“, damit ging er an ihr vorbei. Mrs. Samson saß am Bett ihres Mannes. Sie weinte bitterlich und hielt die Hand die so leblos schien in ihrer. Dennoch schien er zu atmen, zu leben. Dennoch war es kritisch. Noch immer ging sein Atem unregelmäßig. Ohne die Erleichterung der Schmerzen wäre er sicherlich bereits gestorben, da war Victoire sich sicher. Sie stellte sich neben Jake, der durch die Scheibe des Zimmers die Frau betrachtete, die dort um das Leben ihres Mannes fehlte. „Hast du was aus dem Kerl heraus bekommen?“, Jake sah sie nicht einmal an. „Ja, aber es hilft uns nicht“, entgegnete sie und blickte ebenfalls durch die Scheibe. Das Licht im Raum war gedimmt. Dennoch konnte man von draußen genug erkennen. „Lassen wir sie in Ruhe“, Jake drehte sich um. Noch einen Moment blieb Victoire stehen und betrachtete die Frau, die so sehnlich darum fehlte, dass ihr Mann es schaffen würde. Das musste Liebe sein. Victoire war sich nicht sicher, ob sie wusste was Liebe war. In ihrer Schulzeit war sie mit Teddy Tonks zusammen gewesen, doch vielleicht war es mehr ein verknallt sein, denn schnell hatte man festgestellt, dass man doch nicht so viel gemein hatte oder eher Victoire nicht das Mädchen war, was Ted sich gewünscht hatte. Victoire hatte damit leben können, sie hatte nicht einmal geweint. Vielleicht sagte das genug über die Beziehung aus. Danach hatte es viele gegeben, doch festlegen hatte sie sich nie gekonnt. Sprunghaft und launisch hielten ihre Affären meist nicht mehr als 48 Stunden oder zogen sich unregelmäßig über Wochen hinweg ohne jemals so etwas wie Gefühle im Sinn zu haben. Zumindest nicht von ihrer Seite aus. Noch etwas, was man zu bemängeln pflegte. Warum sie nicht endlich jemanden anständigen mit nach Hause brauchte. Nicht in Betracht nahm zu heiraten, eine Familie zu gründen. Zähne knirschend ließ Vic diese Gespräche über sich ergehen, doch insgeheim verfluchte sie sie. „Du solltest ein wenig einfühlsamer sein, Vic“, brach er das Schweigen, während sie die leeren Gänge in Richtung der Sitzecke hinunter gingen. „Und wie weit wäre ich damit gekommen?“, trotzig reckte sie das Kinn nach vorne. Wie oft hatte sie das schon gehört. Als Frau erwartete man von ihr genau das. Patienten in den Arm nehmen, ihnen Mut zu sprechen und Versprechungen machen, in zu sagen, dass alles gut werden würde, während man ihre Hand hielt, Tränen trocknete. Doch das war noch nie ihre Art gewesen. Ehrlichkeit währte am Längsten und je mehr man sich emotional einwickeln ließ, desto schwerer wurde es. „Zumindest wäre die Frau jetzt nicht so aufgelöst, weil sie glaubt, dass sein Partner ihn auch noch im Stich gelassen hat“, erwiderte Jake ruhig, was jedoch nicht dazu führte, dass die Blondine einsichtiger wurde. „Dann kennt sie die Wahrheit, Jake. Was bringen ihr Lügen, zumal es nicht seine Schuld ist, sondern die der Aurorenzentrale, die den Fall falsch eingeschätzt haben“, zumindest zum großen Teil. Das war ihre Meinung und davon würde man sie auch nicht abbringen. Sie sah keinen Sinn darin der Frau die Wahrheit zu verschweigen, sich anzubiedern. Nein, zumal die Wahrheit wichtig für ihren Mann war. So wussten sie immerhin, dass er ihnen nichts verschweig, weil er nichts gesehen hatte. Natürlich, sie hätten sich nicht trennen dürfen, das konnte man beiden Männern zum Vorwurf machen. „Vic, manchmal bist du ein wenig ...“, er schien nach dem richtigen Wort zu suchen, während er an der Sitzecke vorbei hing. „Ein wenig was?“, sie blieb stehen und blickte ihn fragend an. Nicht nur, weil sie eine Antwort verlangte, sondern auch, weil sie sich fragte, wo er hin wollte. „Ein wenig forsch, komm wir holen uns einen Kaffee“, mit einem Nicken wies er zu den Fahrstühlen. Kaffee klange zumindest nach einem guten Vorschlag. „Forsch?“, die Weasley legte den Kopf schief und betrachtete ihren Kollegen. „Hm... danke“, wieder schloss sie zu ihm auf, ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Forsch, vielleicht war das gern. Zumindest war es anders, als die anderen, die hier heulend mit am Betten der Patienten saßen. Nein, so schlimm war es natürlich nicht. Aber bei manchen, gerade den Neulingen hatte sie doch das Gefühl. Das Ping ertönte und der Aufzug hatte sie in die oberste Etage gebracht. Um diese Uhrzeit war die Cafeteria ziemlich leer. Nur eine grummelige Arbeitskraft, ein grauhaariger Mann mit Schnauzbart und tiefen Falten las den Tagespropheten an seinem Platz an der Kasse. „Such dir einen Platz, ich hole zwei Kaffee. Ich schätze mal du trinkst ihn immer noch schwarz?“, Jake zwinkerte ihr zu und Victoire nickte knapp. Natürlich wusste er das noch. Hatte er ihr doch noch vor … wie lange war es her? Nicht sehr lange vermutlich, den Kaffee ans Bett gebracht, während sie sich Nachts in den Laken seines Bettes gewälzt hatten. Es war eine Affäre gewesen, doch Vic hatte sich schon länger nicht mit Jake getroffen. Sie hatte schlichtweg das Interesse an McDreamy verloren, der vor allem von den jungen Auszubildenden immer wieder angestarrt wurde. Sie tuschelten hinter seinem Rücken und schienen ihm zu verfallen. Die Polster waren abgenutzt, doch immer noch weich. Besser als die Plastikstühle unten in der Station, weshalb sie sich leicht nach hinten lehnte, einen Moment die Augen schloss und durchatmete. Wie lange noch? Zwei Stunden vielleicht. Sie hatte schon länger nicht auf die Uhr gesehen. „Alles in Ordnung?“, sie roch den Kaffee, der vor ihr abgestellt wurde. Das Zeug hier war nicht gut, aber es erfüllte seinen Zweck. Langsam schlug sie die Lider auf und betrachtete den Mann, der ihr gegenüber sah. Ja, er sah gut aus. Jake war ein gutaussehender Kerl. Klug, anständig und ein Moralapostel, etwas was sie ehrlich gesagt schon immer etwas gestört hatte. Viel zu oft hatte er Recht, was sie noch weniger leiden konnte und doch war sie schon viel zu oft mit ihm in der Besenkammer oder seinem Bett gelandet. „Hab ich was im Gesicht?“, scheinbar betrachtete sie ihn schon lange. „Nein, ich denke nur nach“, entgegnete sie nüchtern und nahm den Kaffeebecher in beide Hände. Zumindest war er heiß. Frisch gebrüht vielleicht oder einfach warm gehalten. Wer konnte das schon mit Sicherheit sagen. Es roch nach Kaffee, war aber dünn und erfüllte damit nur mäßig seinen Zweck. „Er wird nie lernen Kaffee zu kochen“, bemerkte Jake, während er amüsiert ihr Gesicht betrachtete. „Nein, wird er nicht“, irgendwie war das Gespräch unangenehm, obwohl Victoire nicht einmal sagen konnte warum. Vielleicht weil sie etwas in seinen Augen sah, was ihr Angst bereitete. Würde er jetzt etwas sagen, was sie nicht hören wollte? „Meinst du er schafft es?“, nachdenklich rührte er in seiner Tasse herum. Jake nahm immer drei Stück Zucker und Milch. Mit Kaffee hatte das was in seinem Becher war, also nicht mehr viel zu tun. „Vielleicht.“ Jake schien diese Antwort nicht gefallen. Seine Miene verzog sich leicht zu einem skeptischen, vielleicht auch leicht verärgerten Ausdruck. „Dir fehlt es ein wenig an Optimismus, Vic“, bemerkte Jake und nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher. Das Logo des Hospitals leuchtete auf der Tasse wie ein Mahnmal. „Wer optimistisch ist, wird öfter enttäuscht, Jake. Ich bin lieber Realist“, bemerkte die Blondine kühl. Was brachte es ihr, wenn sie mit einer optimistischen Grundstimmung an die Arbeit ging und immer wieder Rückschläge einstecken musste? „Du bist eher ein Pessimist“, entgegnete der junge Mann und schmunzelte leicht. „Findest du? Aber auch so kann einen das Leben immerhin nur positiv überraschen“, kam es nun etwas schärfer über ihre Lippen. „Immer eine Antwort, was?“, Jake schmunzelte und nahm einen Schluck von seinem Kaffee oder zumindest dem was er Kaffee nannte. „Du fehlst mir“, da waren die Worte, die sie nicht hören wollte. Ein tiefer Seufzer entfuhr der Blondine. Diese Art von Gesprächen hatten ihr noch nie gelegen. Sie gehörte nicht zu den Frauen, denen das Herz auf der Zunge lag oder die Interesse an großer Romantik hatten. Ein Schutzmechanismus hatte Jake es einmal genannt, doch das war es nicht, zumindest glaubte Victoire das nicht. Die Weasley war schlicht und ergreifend nicht an solchen Dingen interessiert. Hatte keine Ader für Kerzenlicht und Rosenblüten. Für die großen Momenten der Zweisamkeit. Eine Hochzeit in weiß, die sich ihre Mutter schon seit Kindertagen für sie wünschte. Stille herrschte. „Willst du nichts dazu sagen?“, sein Blick war ernst. Viel zu ernst. Wieder nahm die Heilerin einen Schluck von der brauen Brühe in ihrer Tasse. Sie schmeckte nicht gut, aber war ein Ausweg aus dieser Situation. „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte sie schwach, schob die weiße Tasse weg und stand auf. „Geh jetzt nicht“, begann er. „Wieso nicht? Ich will nichts dazu sagen, Jake“, sie schob sich aus der Sitzbank, strich den weißen Kittel glatt und betrachtete den gutaussehenden Heiler ein letztes Mal. „Wir sollten darüber reden“, begann der andere noch mal. „Jake, ich will nicht darüber reden, das wollte ich noch nie, oder?“, sie drehte sich um und ging auf den Aufzug zu. Jake blieb sitzen. Vermutlich benötigte der Mann eine Pause, einen Moment der Ruhe, wo die Weasley ihn doch so vor den Kopf gestoßen hatte. „Vic?“, Abby empfing sie unten als sie aus dem Aufzug stieg, sie hatte die Hände tief in den Taschen, ebenso tief wie sie in ihre Gedanken versunken war. Die Stimme riss sie aus ihrer Gedankenwelt. „Ja?“, sie hob den Kopf an und sah in das rundliche Gesicht der dunkelhaarigen Schwester. „Wir bekommen gleich noch mal einen neuen Patienten. Sechsjährige, wurde von ihrem Bruder verzaubert und hat jetzt eine Flügel und eine Schweinenase, die Eltern bekommen es nicht rückgängig gemacht, es sind Muggel. Ein Beamter des Vergissmich- Büros ist unterwegs“, erklärte sie ruhig. Das konnte etwas werden. Die Eltern würden hysterisch sein, denn sie würden nicht verstehen, was hier vor sich ging. „Na wunderbar“, stöhnte die Blondine und machte sich auf dem Weg zum Empfand. Zumindest war nichts Schlimmeres passiert, aber in Anbetracht der Lage, würde es doch stressig werden. Zumindest hatte sie bald Dienstschluss. Müde lehnte sie sich gegen den Tresen und betrachtete Abby, die ihr milde zu lächelte. „Ich kann mich um die Eltern kümmern bis der Vergissmich da ist“, bot sie freundlich an, ein Angebot, dass die Blondine ohne weitere Umschweife annahm. Diese Dinge zu händeln war ohnehin nicht gerade ihre Stärke, selbst wenn sie im Grunde alles sagen konnte, was sie wollte, denn sie würden sich am Ende ohnehin nicht dran erinnern. „Werden sie die Erinnerungen des Jungen auch verändern oder ihn belehren?“, diese Frage stand immerhin noch im Raum. Er war immerhin noch lange nicht soweit nach Hogwarts zu gehen, doch die Gefahr, dass er wieder zauberte wäre mit einer Erinnerungsveränderung nicht gebannt. Doch war jemand in dem Alter schon bereit sich mit der Wahrheit auseinander zu setzen und sie für sich zu behalten, bis es soweit war die Eltern einzubeziehen? Das Ministerium hatte hier seine Regeln, aber die kannte Victoire nicht genau. „Ich weiß es nicht, er ist glaube ich noch zu jung, um das alles zu verstehen. Es sind noch 5 Jahre bis er eingeschult wird“, sie zuckte mit den massigen Schultern, als auch schon die Türen aufgestoßen wurde. Das Mädchen schien glücklich mit ihrer Schweinenase und auch der kleine Junge empfand die ganze Situation als äußerst komisch, während die Eltern vollkommen außer sich waren und zum Glück für Victoire auch schon von Abby abgefangen wurde. Sie nahm sich des kleinen Mädchens an, dass munter mit den Flügeln schlug. Fliegen schien es damit aber nicht zu können. Sie trug ein gepunktetes Nachthemd in zartrosa, hatte blonde Locken und ein breites Lächeln. Zufrieden lachte sie und klatschte in die Hände. Wie alt mochte sie sein? Vielleicht zwei Jahre? Nicht viel älter. Der Junge hielt ihre Hand. Sein Pyjama trug den Aufdruck irgendwelcher Superhelden, die Victoire unbekannt waren. Seine Füße steckten in Turnschuhen, die nicht zugeschnürt waren und man hatte ihm achtlos eine Jack über geworfen. Das blonde Haar wies ähnliche Locken auf, wie das seiner kleinen Schwester und auch er schien über die Situation mehr als amüsiert. Zumindest das war ein gutes Zeichen. „Ich bin Victoire und ihr seid?“, begrüßte sie die beiden und schob sie in einen Untersuchungsraum, wo sie das kleine Mädchen auf eine Pritsche setzte. „Das ist Clara und ich bin Harry!“, sagte er und gab seiner Schwester einen Schnuller, den er offensichtlich in der Jackentasche gehabt hatte. „Harry... aha. So heißt mein Onkel auch“, erklärte sie und wies den Jungen an sich auf einen der Stühle zu setzen. „Also Clara“, sie befühlte kurz die Nase und die Flügel. „Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass deine Eltern aufhören sich so aufzuregen, was?“, die Kleine kicherte. „Ich hab das gemacht! Ich!“, bemerkte Harry fröhlich und ließ die Beine auf dem Stuhl hin und her baumeln. „Hab ich gehört“, bemerkte die Weasley und holte ihren Zauberstab hervor. „Wow ist das ein Zauberstab“, Harry war vom Stuhl gerutscht und an die Pritsche getreten. „Das ist ein Zauberstab. 11 ½“ aus Zedernholz mit Veelahaarkern“, erklärte sie und die Augen des Jungen wurde noch größer. „Und du kannst richtig zaubern?!“, er schien begeistert. „Wollen wir doch mal schauen, ob ich das kann“, die Blondine schwang den Stab und murmelte ein paar Worte, die Harry jedoch nicht verstand, als auch schon die kleine Stupsnase von Clara wieder zu sehen war und die Flügel sich zurückbildeten. „Weg“, murmelte Harry beeindruckt. „Lern' ich das auch mal?“, fragend legte er den Kopf schief. „Aber sicher, aber so lange musst du es lassen einfach so zu zaubern. Das ist gefährlich, okay?“, nachdenklich betrachtete Harry das Werk der Heilerin. Nickte dann aber eifrig. „Wenn ich dann auch irgendwann so zaubern kann!“, grinste der Junge breit und nahm die Hand seiner kleinen Schwester, die mit dem Schnuller in ihrem Mund spielte. „Da draußen wird aber noch jemand mit die sprechen wollen, Harry“, bemerke die Blondine. Etwas, was ihr ehrlich gesagt nicht gefiel, doch wollte sie sich wirklich um diese Uhrzeit kurz bevor sie in ihrem wohl verdienten Feierabend ging noch mit einem Ministeriumsangestellten streiten? Sie war sich nicht sicher, eigentlich schon. Aber das schlechte Gewissen plagte sie. „Wieso?“, seine Augen verengten sich skeptisch zu Schlitzen. Er hatte den Kopf schief gelegt und betrachtete die Heilerin argwöhnisch, während das Geräusch des Schnullers den Raum erfüllte. „Weil du gezaubert hast“, bemerkte Victoire. Wie sollte sie dem Jungen auch erklären, dass er eigentlich das Gesetz missachtet hatte. Ein Gesetz, dass er nicht einmal kannte. Sie seufzte schwer, doch der Blick des Lockenkopfes änderte sich nicht. „Ja und?“, Trotz sprach aus seinen Wort. Deutlich konnte sie ihn hören und ihn in seinem Gesicht lesen. „Rede einfach mit ihm, mehr will er nicht“, eine Lüge, die sie nur ungern aussprach, aber irgendwie selber versuchte daran zu glauben. Um des Jungen Willen. Dennoch schien er ihr nicht zu glauben. Vielleicht weil Victoire keine gute Lügnerin war, nie eine sein wollte. „Harry,... du hast unerlaubt gezaubert, auch wenn du vorher nicht wusstest, dass du es kannst. Daher wird sich der Mann mit dir unterhalten. Was er dann tun wird, weiß ich nicht. Vielleicht löscht er deine Erinnerungen an das hier und du wirst erst mit deinem Brief nach Hogwarts erfahren, was du wirklich bist“, die Blondine seufzte und verschränkte die Arme unter der Brust. Der kleine Junge starrte sie ungläubig an. „Meine Erinnerungen löschen?“, stammelte er verwirrt. „Vielleicht, ich weiß es nicht“, sie wusste es wirklich nicht. Es war der Plan, aber es war nicht sicher gewesen. „Kommst du mit?“, er sah ängstlich aus. „Das darf ich leider nicht, Harry. Du und deine Schwester, ihr müsst allein mit ihm reden. Sicherlich wird er nett sein“, sicherlich war nicht sicher. Aber sie wollte auch keine falschen Versprechungen machen. Dennoch hatte sie meist nur mit netten Vergissmich zu tun gehabt. Sie öffnete die Tür und schob die beiden Kinder auf den Flur. Jake saß mittlerweile bei den Eltern, die schon mit einem Zauber belegt worden schienen. Zumindest schienen beide ziemlich entspannt. Er sah nicht zu ihr herüber. Vermutlich hatte er ihr den Abgang nicht verziehen, aber damit konnte sie leben, musste sie leben. Der Vergissmich trat auf sie zu. Er hatte einen Reiseumhang über einer schlichten Jeans und einem dunkelblauen Pullover mit bekannten Emblem einer Mugglefirma. Eine Brille zierte sein markantes Gesicht. Sie hatte einen starken, dunklen Rahmen. Sein Haar war fast rabenschwarz, jedoch relativ kurz. „Richard Madden“, stellte er sich vor und blickte zu den Kindern. „Du musst Harry sein“, bemerkte er und kniete sich vor die beiden Jüngeren. „Und das ist deine Schwester?“, fragte er freundlich. Leicht eingeschüchtert nickte Harry der Lockenkopf und sah zu Victoire hinauf, die ihm aufmunternd zu lächelte. Ein paar Worte und die drei verschwanden etwas. Ihre Schicht war vorüber. Sie hatte keine weiteren Worte mit Jake gewechselt, der kurz nach dem Harry mit seiner Familie verschwunden war, noch einen anderen Fall übernommen hatte. Gähnend stand sie im Umkleideraum. Hängte den Kittel in den Spind, nicht allerdings ohne vorher die Gegenstände aus den Taschen zu entfernen. Zauberstand, Zigaretten, Feuerzeug, Kopfschmerztabletten und anderes Zeug. Ohne es weiter durchzusehen ließ sie es in ihre Handtasche fallen, nahm ihre Kleidung heraus und zog sich um. Ihre Jeans war kalt und fühlte sich nicht gut an auf ihren Beinen. Der Pullover kratzte an den Armen. Doch vielleicht war sie einfach nur überempfindlich. Wieder entwischte ihr der Laut eines Gähnens. Die Jacke noch überziehend, griff sie nach ihrer Tasche und verließ die Station. Langsam kehrte wieder Betrieb ins Krankenhaus ein. Erste Patienten erschienen im Foyer und suchten nach der richtigen Station, doch sie ignorierte die hilfsbedürftigen Menschen und trat auf die rauen morgendlichen Straßen Londons. Die Kälte umschloss sie, doch die frische Luft gab ihr dennoch auch einen neuerlichen Kick. Sie fühlte sich wacher. Etwas, was einem der Körper vorgaukelte. Nur einen Moment. Die Hände tief in die Jackentaschen geschoben setzte sie ihre weg fort. Doch nicht nach Hause, sondern zunächst an jenen Ort wo sie sich am noch wohl fühlte. Noch immer auf. Gestalten saßen in der Ecke, einige an der Bar. Auch wenn es draußen bereits hell war, war es hier noch schummrig. Rauchig und irgendwie wie in einer anderen Welt. Sie ließ sich auf einem Barhocker nieder und ließ ihre Handtasche auf dem leeren Barhocker neben sich fallen. „Das übliche?“, der Barkeeper lächelte ihr zu. Schach nickte sie und erwartete gierig das Glas mit der kristallklaren Flüssigkeit. Endlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)