Wohlige Nächte von Sauron ================================================================================ Kapitel 1: Love at first sight ------------------------------ Frodo beobachtete den großen Mann, der soeben in Bruchtal eingeritten kam und von seinem prachtvollen Pferd abstieg. Sein großer, muskulöser Körper war beides: faszinierend und beängstigend zugleich, und Frodo fühlte sofort seinen Atem stocken.Er hatte bis jetzt noch nicht viel Kontakt mit großen Menschen gehabt. Er war mit Aragorn gereist, sicher – aber Aragorn war nicht typisch. Er war mehr elbisch, oder passender: eher mit Gandalf zu vergleichen. Doch dieser Mann, der soeben in die Stadt geritten war, hatte genau das Aussehen, dass Frodo sich immer bei den großen Menschen vorgestellt hatte: einschüchternd und arrogant, aber voller muskulöser Eleganz. Der Mann sah urplötzlich hoch, als hätte er Frodo's Blick auf sich gespürt. Er hob seine Hand für einen versuchenden Gruß, bevor er, sein Pferd mit einer Hand führend, fortschritt. Frodo hoffte, dass er heute Abend bei dem großen Fest dabei sein würde. Sein Magen knurrte vor Hunger. Er war erst seit ein paar Tagen aus dem Bett und konnte wieder vernünftig laufen. Sein Appetit war mit aller Kraft zurückgekommen. „Hallo, Frodo!“, sagte Pippin leise und drückte Frodo's Arm. „Wie geht es dir?“ „Mir könnte es nicht besser gehen“, antwortete Frodo ruhig. „Wo hast du denn die ganze Zeit so intensiv hingeguckt?“ Frodo bemerkte, dass er ein geheimes Lächeln auf den Lippen trug. Seine Wangen wurden warm. „Oh, ein Mann ist gerade angekommen mit seinem Pferd. Ich habe mich nur gefragt, wer er wohl sein mag.“ „Das wirst du schon noch sehen. Man hat mich nach dir geschickt. Das Essen ist fertig, und es sind noch einige Leute mehr angekommen. Der Mann wird sicher auch unter ihnen sein.“ Bei dem Abendessen saß Frodo zwischen Sam und Aragorn. Er genoss die Gesellschaft seiner Freunde wie immer sehr; jedoch war er zerstreut. Er bemerkte, dass seine blauen Augen den Tisch zu dem Mann hinabwanderten, der seine Faszination geweckt und gefangen hatte. Er konnte einfach nicht glauben dass dieser Mann eine so seltsame Wirkung auf ihn hatte, und das nach so kurzer Zeit, in der sie sich nicht einmal kennen gelernt hatten. Sein Herz raste und verlangsamte sich in einem komischen Rhythmus. „Entschuldige mich“, sagte Frodo sanft zu Aragorn, „aber wer ist dieser Mann? Kommt er von weit her?“ Aragorn lächelte sanft. Er räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des Mannes zu erregen, der bisher nur konzentriert auf seinen Teller geschaut hatte. „Entschuldige, Boromir. Ich möchte dich jemandem vorstellen.“ Der Mann, der den Namen Boromir trug, schaute auf von seinem Mahl. Seine Augen verweilten auf Frodo. Es sah ganz so aus, als hätte er Frodo zum ersten Mal gesehen und bemerkt. Seine Lippen waren neugierig geöffnet. „Boromir, das ist Frodo Beutlin. Er kommt aus dem Auenland, durch viele Gefahren, von denen du aber noch beim Rat hören wirst. Frodo, das ist der Sohn des Verwalters von Gondors. Er ist gekommen, um die Neuigkeiten beim Rat zu erfahren.“ „Nett, dich kennen zu lernen“, sagte Boromir mit einem sanften Lächeln. „Ich habe noch nie zuvor einen Halbling gesehen, auch wenn mein Bruder mir früher Geschichten erzählt hatte von den kleinen Leuten, die hoch im Norden wohnen. Da muss das Auenland liegen, nehme ich an?“ „Ja“, antwortete Frodo, „und ich habe noch nicht viele Menschen kennen gelernt. Ich bin froh, mit dir Bekanntschaft zu machen.“ Ein großer Elb kam zu Boromir und beugte sich hinab, um ihm etwas in sein Ohr zu flüstern. Boromir nickte und drehte sich zu Frodo um. „Entschuldige mich, aber das ist etwas, wo ich dabei sein muss.“ Der große Mann stand auf, rückte den Stuhl nach hinten und marschierte aus dem Raum. Frodo sah ihm nach, die Wangen hitzig und dunkelrot. Boromir war wirklich ein hochgewachsener Mann, doch er bewegte sich mit Anmut und Wendigkeit. Er hatte schwielige Hände von einem Leben, in dem oft ein Schwert geführt wurde. Seine Stimme war sanft und höflich gewesen. Frodo sah auf und bemerkte, dass Aragorn ihn anlächelte. Frodo versuchte, auf sein Essen zu starren. Er hatte auf einmal gar keinen Appetit mehr. Er war bitter enttäuscht davon, dass Boromir weggerufen wurde, bevor sie hatten mehr reden können. „Er ist ein guter Mann“, murmelte Aragorn, „vertrauenswürdig und mutig.“ „Ja, sieht so aus“, antwortete Frodo leise. „Frodo, du bist Wochen vor dem Beginn der Sitzung in Bruchtal. Du wirst noch genug Gelegenheiten haben, um mit Boromir zu sprechen.“ Frodo's Wangen brannten. Hatte er zu offensichtlich reagiert? Hatte Boromir seinen Übereifer bemerkt? Frodo würde nicht in der Lage dazu sein, es zu ertragen, wenn er jetzt schon einen Fehler in seiner zukünftigen Freundschaft mit Boromir gemacht hatte. Aragorn begann zu flüstern. „Keine Sorge. Du wirst nicht der Erste sein, der bei einem solchen Mann schwach wird.“ Frodo rückte seinen Stuhl zurück. Seine Erniedrigung war hiermit komplett. Er konnte Aragorn nicht mehr in die Augen sehen. „Es tut mir leid, entschuldige mich, bitte“, sagte er höflich. Doch Frodo bemerkte, dass seine Freunde ihm in sein Zimmer folgten. „Was ist los mit dir? Bist du krank?“, fragte Merry und setzte sich auf eine Bank. „Nein, es ist alles gut. Ich möchte nur für eine Weile allein sein.“ Pippin grinste wissend. „Ich glaube, das hat etwas mit einem bestimmten Manne Gondors zu tun, der heute angekommen ist.“ „Sag mal, weiß ein jeder in Bruchtal es mittlerweile?“, keuchte Frodo und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Nein, nur deine besten Freunde.“ „Worüber redet ihr denn?“, fragte Sam beschämt. Frodo erzählte ihm von Boromir, wie er heute angekommen war und welchen heftigen Effekt dies auf Frodo gehabt hatte und wie er sich seitdem fühlte. Frodo errötete noch heftiger. Jetzt, wo es sowieso raus war, konnte er wenigstens besser über seine Gefühle sprechen und diese definieren. Er konnte sich selbst und seinen Freunden versichern, dass er eine plötzliche und heftige Verliebtheit für Boromir empfand. Er wollte mehr über diesen Mann wissen, er wollte alles wissen. Er wusste genau, dass er nun einige Wochen Zeit hatte, um sich nach Gelegenheiten umzusehen, um dem Mann aus Gondor näher zu kommen. „Wenn er immer noch mit den Elben beschäftigt ist, dann ist er auch nicht in seinem Zimmer!“, summte Pippin und setzte sein lausbübisches Grinsen auf. Merry schlug ihn auf den Arm. „Ich merke schon, was du vor hast, mein lieber Cousin.“ „Ich verstehe das nicht“, sagte Frodo mit einem leichten Stirnrunzeln. „Ihr Beutlins seid manchmal so schwer von Begriff!“, sagte Pippin. Sam lächelte leicht. „Was er meint, mein guter Frodo“, begann Merry zu erklären; „dein Liebster ist nicht in seinem Zimmer! Das heißt, wir können hineinschlüpfen und mehr über ihn herausfinden. Du kannst herausfinden, ob er eine andere Frau hat, oder ob...“ „Nein!“, unterbrach Frodo ihn. „Ich durchwühle doch nicht seine Sachen!“ „Du musst ja nicht alles durchwühlen“, schlug Pippin vor; „aber bist du neugierig wie er so lebt? Sein Bett?“ Pippin hob die Augenbrauen vielsagend an. Frodo errötete heftig. „Ich hätte euch das nie erzählen sollen!“ Aber er war in Versuchung. Pippin hatte Recht. Was war schon schlimmes dabei, sich ein wenig in dem Zimmer umzusehen, seinen Geruch einzuatmen und zu sehen, was er alles so dabei hatte? Was für Schwerter er trug? Sein Atem stockte, als er daran dachte, wie Boromir kraftvoll ein Schwert schwang, dass fast so groß war wie Frodo selbst. „Na gut“, murmelte er leise, „aber wenn wir erwischt werden, gebe ich euch allen die Schuld!“ „Jaja, wie du meinst“, kicherte Pippin. „Aber Herr Frodo“, murrte Sam und schüttelte seinen Kopf; „ich weiß ja nicht so genau.“ Frodo legte seinen Arm um Sam's Schultern. „Ist schon okay, Sam. Du musst nicht mitgehen.“ „Wenn du gehst, dann gehe ich auch.“ Frodo holte tief Luft. Trotz seines anfänglichen Ärgers über seine Freunde spürte er einen Anflug von heftiger Freude. Er hatte nichts mehr Schlimmes angestellt seit damals, als sie das Gemüse und die Pilze von Bauer Margot gestohlen hatten als kleine Hobbits. Nach den dunklen Wochen, die hinter ihnen lagen, tat es ganz gut, etwas dummes und junges zu tun. …. „Wisst ihr, wo er schläft?“, fragte Frodo leise, als er seinen Freunden durch einen langen, gebogenen Flur folgte. Das Zirpen der Grillen erfüllte den späten Abend mit einem schönen Klang, und die Nacht roch wie frische Seide. Frodo stellte sich vor, wie es wäre, wenn Boromir ihn auf sein Zimmer eingeladen hätte. Es ließ ihn eine anregende Wärme im ganzen Körper fühlen. Pippin und Merry sahen sich an, dann winkte Pippin. „Ich habe es herausgefunden“, wisperte Pippin; „ich sah meinen Cousin Frodo mit Sternen in den Augen am Tisch, auf Boromir starrend, dieser unmissverständliche Blick von purem Begehren in seinen großen, blauen Augen...“ „Wie kann er da nur widerstehen, frage ich mich...?“, keckerte Merry. „Hört auf, ihr Beiden!“, sagte Frodo, der wieder puterrot anlief. Waren seine Gefühle so offensichtlich für jeden auf dem Fest gewesen? „Wie auch immer“, warf Pippin ein; er aß den letzten Rest des Apfels auf, an dem er seit dem Gang gegessen hatte und warf ihn in einen naheliegenden Eimer. „Ich habe herumgefragt, bis ich herausgefunden habe, wo er schläft. Folgt mir.“ Frodo's Herz stockte, als sie die Biegung zu dem neuen Flur machten und die Stufen hinter sich ließen. Er hatte Bruchtal zwar schon etwas nach seiner Bettruhe erkundet, jedoch war er nie in diesem Teil des Gebäudes gewesen. Pippin stand irgendwann stolz vor einer sehr großen Tür mit einem goldenen Türknauf. Frodo wurde wieder rot. Er war nie zuvor so heftig in irgendjemanden verliebt gewesen wie jetzt. Eine Welle von Schwindel überkam ihn, und er umfasste den Türknauf. „Seid ihr wirklich sicher, dass wir das machen wollen?“, sagte Frodo besorgt. „Er wird sicher für Stunden nicht zurückkommen“, sagte Merry amüsiert; „jedes Gespräch mit Elben dauert doch die halbe Nacht.“ „Ich weiß ja nicht“, murrte Sam und schüttelte seinen Kopf erneut. Pippin drückte die Tür auf, und die Hobbits schlichen hinein. Frodo war beeindruckt von der Größe des Raumes. Seine eigenen Räume waren schon groß, aber die Elben hatten extra versucht, die kleinsten Zimmer für Hobbitgröße zu finden. Dieser Raum jedoch hatte die Größe von Beutelsend, wenn man es in einen Raum packen könnte. Ein großes Schwert und ein schönes Schild ruhten an der Wand. Frodo ließ seine Hand über das Schild gleiten. Es roch nach Pinienholz und Leder. Frodo atmete ein und stellte sich vor, wie er seinen Kopf in Boromirs Haar vergrub. „Was ist das denn?“, hörte er Pippin im Hintergrund fragen. Er sah seinen Cousin verschiedene Ringe von einem Tisch hochnehmen. „Pippin, sei vorsichtig!“, maulte Frodo. „Das sieht wertvoll aus.“ Frodo fuhr mit der Hand über den Griff des Schwertes. Er hob es mit beiden Händen an. Und er hatte Recht mit seiner früheren Vorstellung. Das Schwert war ungefähr in der Größe seines Körpers und sehr schwer. Er konnte es gerade einmal anheben. Er versuchte es vom Boden hochzuheben. Was für eine Kraft musste Boromir haben, dass er es tragen und führen konnte, die Feinde damit töten! Seine eigenen kleinen Hände fühlten sich schwach, weich und unzureichend an. Eine laute Stimme ließ Frodo plötzlich das Herz bis zum Hals schlagen. Er ließ Boromirs Schwert fallen vor Schreck, und es klirrte laut, als es auf dem Boden aufschlug. „Was geht hier vor sich?“ Es war Boromir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)