Psiana aus der Gegenwelt von True710 ================================================================================ Kapitel 31: Läutern ------------------- Ich hatte soeben meinen wohl leichtverdientesten Orden gewonnen. Insgesamt waren wir gerade einmal 30 Minuten in der Arena. Es war erst Mittag, weshalb wir unseren Stadtrundgang bereits jetzt antreten konnten. Anders als sonst, liefen wir diesmal nicht planlos durch die Stadt, sondern hatten unsere Ziele bereits vorher ausfindig gemacht. In Sonnewik gab es einiges zu sehen. Einen Leuchtturm, einen Mampfaxo-Felsen, der in der Bucht Sonnewiks der Natur trotzen musste, eine altertümliche Innenstadt, und und und. Unser erstes Ziel war der Leuchtturm, der am südöstlichen Ende der Stadt beheimatet war. Sehen konnte man ihn, aufgrund seiner Größe, fast von überall, doch seine wahre Höhe erkannte man erst, wenn man vor ihm stand. Auf dem Weg zum genannten Ziel redeten wir natürlich über den Arenakampf, wie leicht er war und dass der Arenaleiter komisch drauf war. Allerdings gab es da auch noch ein anderes Thema, über das wir uns noch Gedanken machen mussten. „Also, Nathaniel. Jetzt wo du alle acht Orden beisammen hast, wie willst du weiter vorgehen?“ „Bis die Liga auf der Maiglöckcheninsel beginnt dauert es noch etwas. Ich wollte …“ „Ich hab einen Vorschlag! Wir könnten eine Fähre ins Kampfareal nehmen. Dort sollen man wunderbar trainieren können.“ „Ähm … ja, von mir aus“, gab ich etwas unsicher von mir. „Um 18:00 Uhr legt die letzte Fähre ab.“ „Scheint so, als hättest du schon im Voraus geplant, dorthin zu gehen.“ „Gut möglich.“ Hannah lachte etwas verlegen dabei. Ich fand es gut, dass auch sie sich Gedanken machte. Und wieso solch interessante Ecken Sinnohs auslassen? Um ehrlich zu sein, war das eigentlich die beste Möglichkeit die Zeit bis zur Pokémon-Liga herumzukriegen. Doch zuvor sahen wir uns noch ein wenig die Stadt an, denn auch hierfür blieb noch genügend Zeit. Die Stadt war schön. Ein nettes Plätzchen reihte sich ans Nächste. Wir standen auf der Spitze des riesigen Leuchtturms und konnten meilenweit aufs Meer hinaus sehen. Riesige, weiße, flauschige Wolken zierten den Horizont und rundeten das Panorama wundervoll ab. Dann ging es durch die mittelalterliche Innenstadt. Wir schlenderten über einen großen Markt, auf dem man nahezu alles kaufen konnte. Wir gönnten uns jeweils ein Souvenir und ein paar Vorräte gehörten auch mal wieder aufgefüllt. Irgendwann standen wir an einem Geländer und sahen eine Bucht vor uns. Sie war nicht all zu groß, doch es reichte für einen Felsen in Form eines Mampfaxo. Alles, was man hätte sehen müssen, hatten wir in dieser Stadt abgehakt. Zudem wollten wir nicht die letzte Fähre um 18:00 Uhr nehmen, sondern etwas früher im Kampfareal ankommen. „Die Fähren legen alle 30 Minuten ab. Wir haben jetzt 16:38 Uhr. Das heißt wir können uns eigentlich schon mal unsere Tickets kaufen und nehmen dann die 17:00 Uhr Fähre. Was sagst du?“ „Ich glaube, da gibt es nicht mehr viel dazu zu sagen. Hört sich nach einem guten Plan an!“ Hannah hat sich richtig schlau gemacht. Es sah so aus, als hätte sie etwas Bestimmtes im Kampfareal vor. Nachfragen wollte ich jedoch nicht, ich ließ mich diesmal einfach überraschen. Auf dem Weg zum Schalter schwiegen wir. Ich wollte Hannahs Glückseligkeit nicht verderben, denn sie hatte durchgängig ein breites Grinsen aufgelegt. Woran das lag? Ich hatte absolut keinen Schimmer. Sie drehte sich herum und reichte mir mit einem Lächeln ein Ticket. „Hier, für dich. Jetzt warten wir noch ein paar Minuten und schon sind wir auf dem Weg ins Kampfareal.“ Wieder schwieg ich, lächelte aber ebenso wie sie, als ich das Ticket von ihr entgegennahm. Psiana stand neben mir und wedelte mit seinem Schweif. Als ich mein Ticket in der Hand hielt, sah ich, wie sich der Gesichtsausdruck meines Pokémons plötzlich veränderte. Auch meine Mimik änderte sich daraufhin. Doch während Psianas Gesicht ernste Züge annahm, wurden meine nur ratlos und fragend. Ok? Ich hatte keine Ahnung was jetzt passieren würde, doch ich glaube, Psiana hatte bisher immer die richtige Vorahnung. Auch Hannah hatte meinen ratlosen Gesichtsausdruck bemerkt. „Stimmt etwas nicht, Nathaniel?“ „Doch, alles in Ordnung. Wollen wir uns auf eine Bank setzen?“ „Ähm … ja klar, wieso nicht?“ Hannah war im ersten Augenblick etwas irritiert. Als sie an mir vorbeigelaufen war, um sich hinzusetzen, warf ich Psiana nochmals einen fragenden Blick zu. Natürlich kam keine weitere Information von meinem Pokémon. Dies war allerdings auch nicht nötig. Wir kamen nicht einmal dazu, uns hinzusetzen. Beinahe wäre ich Hannah hinten reingelaufen, da sie stehenblieb und ich noch auf Psiana fixiert war. Erst als es sich in eine Art Kampfstellung begab, sah ich auf und konnte gerade noch vor Hannahs Rücken abbremsen. „Meine Tochter …“ „Dad … was machst du hier? Wie hast du mich gefunden?“ „Hannah, ich werde dich immer finden. Und ich bin hier, um dich zurückzuholen. Du hast Kanto einfach so verlassen. Warst plötzlich weg. Dieses Verhalten kann ich nicht dulden.“ „Ich bin ja nun schon etwas länger weg. Wieso tauchst du erst jetzt hier auf und willst mich zurückholen?“ „Es gab ein paar sehr wichtige Dinge zu klären, Hannah.“ „Was ist dir denn wichtiger als deine eigene Tochter?“ „Auf einen Satz dieser Art hatte ich mich bereits eingestellt. Hannah, ich bin das neue ranghöchste Mitglied Team Rockets. Giovanni ist abgetreten, ich bin ab sofort der Boss.“ „Na und? Was kümmert mich das?“ Während mir die Kinnlade runterfiel, blieb Hannah erstaunlich gelassen. Ihr Vater war der neue Anführer einer der berüchtigtsten Verbrecherorganisationen der gesamten Pokémon-Welt und sie schmetterte ihm ein läppisches ‚Na und‘ hin. „Hannah, du hast die Wahl. Entweder du kommst mit mir, oder du bleibst hier. Dass Letzteres kein so gutes Ende haben wird, darüber sind wir uns beide im Klaren“, seine Stimme klang sehr bestimmend und hatte etwas Bedrohliches an sich. „Was soll das heißen? Du wirst deine eigene Tochter umbringen?“ „Nein, ich glaube nicht, aber …“ Gregory winkte zwei Rüpel herbei, die Dwayne im Schlepptau hatten. Er war gefesselt und konnte sich kaum bewegen. Man erkannte Blutergüsse und offene Wunden, die auf eine Art Folter hindeuteten. „… es wäre möglich, dass andere Personen dafür sterben. Über dein Schicksal würde ich mir dann erst noch Gedanken machen müssen.“ „Wie krank bist du eigentlich?!“, in ihren Worten konnte man die totale Abneigung heraushören. „Kein Grund mich anzuschreien. Ich würde auch gerne das Psiana deines Freundes, den ich unhöflicherweise noch gar nicht begrüßt habe, an mich nehmen, um dir ein Stück Freiheit zu gewähren.“ „Dad! Oder sollte ich ab sofort vielleicht nur noch Gregory sagen? Ich werde nicht mit dir kommen! Du wirst mir meine Freiheit nicht nehmen und ebenso wirst du sein Psiana nicht bekommen. Du wirst mich auf dieses Schiff steigen lassen, wirst währenddessen hier stehen bleiben und sobald das Schiff abgelegt hat wirst du zurück nach Kanto fliegen! Du wirst keinen Kontakt mehr zu mir aufnehmen und wirst auch nicht mehr plötzlich auftauchen und sagen ich solle zurückkommen! Meine Zeit bei Team Rocket ist vorbei, zu Ende, ich möchte ein freier Mensch sein und als normaler Pokémon-Trainer mit Nathaniel durch die Welt reisen. Das ist es, was mir Spaß macht und was ich tun möchte. Und als mein Vater hast du diesen Wunsch zu respektieren!“ „Ich bin beeindruckt, meine Tochter. Deine Redekunst hast du auf jeden Fall von mir. Allerdings weißt du selbst, dass dein Wunsch ziemlich utopisch in meinen Ohren klingt. Ich bin der Boss, Hannah, du wirst Team Rocket immer verpflichtet sein.“ „Was hast du getan, damit Giovanni abtritt? Dahinter steckst doch bestimmt du selbst!“ „Ist das jetzt nicht völlig egal? Sagen wir, es gab ein plötzliches Umdenken im Aufsichtsrat, der sich für eine Absetzung Giovannis aussprach und stattdessen mich einsetzen wollte.“ „Es ist mir völlig egal, ob du nun das Sagen hast. Ich werde meine Reise mit Nathaniel fortsetzen, ohne ein rotes R zu tragen!“ „Ist dir das Schicksal deines Freundes Dwayne denn wirklich so egal? Glaubst du, er wird deine Entscheidung, die du gerade zu treffen vermagst, überleben?“ „Ich werde jetzt auf dieses Schiff steigen und du wirst zurück nach Kanto fliegen. Tschüss, Gregory!“ Erneut stand ich fassungslos und wie angewurzelt da. Hannah hatte ihre ersten Schritte schon gemacht, als sie bemerkte, dass ich mich noch kein Stück bewegt hatte. Genervt schnaubte sie, drehte sich herum, packte mich an der Hand und zerrte mich an Gregory, den zwei Rüpeln und Dwayne vorbei Richtung Fähre. Psiana folgte unauffällig. Es war kurz vor 17:00 Uhr und ein Lautsprecher verkündete, dass das der letzte Aufruf sei, um an Bord zu kommen. Während Hannah schnurstracks weiter geradeaus stapfte ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen, war meine Neugierde einfach zu groß. Womöglich war es auch gar nicht die Neugier, sondern eher meine Angst, die mich immer wieder zurückblicken ließ. War Gregory wirklich so abgeklärt und ließ uns einfach auf dieses Schiff steigen? Oder gab er Hannah gar ihren Willen und ließ sie in Ruhe? Nein, das konnte nicht sein. Er hatte mit Sicherheit schon diverse Vorkehrungen getroffen. Das war sicherlich nicht unser letztes Treffen. Bevor wir im Rumpf der Fähre verschwanden, warf ich noch einen letzten Blick auf die vier Gestalten. Abwartend, ohne jegliche Regung verweilten sie an der Anlegestelle. Gregory hatte einen in sich gekehrten Blick aufgelegt. Die zwei Rüpel sahen etwas verbissener aus, wussten jedoch auch nicht, was ihr Boss im Schilde führte. Und dann war da noch Dwayne. Sein Kopf war gesenkt, sein Gesichtsausdruck ließ sich nur erahnen. Allerdings war es wahrscheinlich kein Fröhlicher. Als wäre es geplant gewesen, war ziemlich wenig los am kleinen Hafen. Es kümmerte keinen, dass ein sichtlich verletzter junger Mann von zwei düsteren Gestalten gefangen gehalten wurde. Oder anders gesagt, es konnte nahezu keinen kümmern, da eigentlich niemand an uns vorbeilief. Haben Ganoven wirklich immer dieses Glück? Wir standen mittlerweile an der Reling. Die Fähre war zum Glück wesentlich größer als die bisherigen Boote, die mich transportierten, weshalb mir diesmal kein Wasser ins Gesicht spritzen konnte. Das Schiff hatte gerade abgelegt, wir befanden uns quasi noch im Hafen, doch Gregory und seine Handlanger waren weg. Nachdem wir in den Rumpf eingestiegen waren begaben wir uns sofort an Deck, doch erkennen konnten wir keinen mehr. Da ich vermutete, dass Hannah nach so einem Gespräch mit ihren Vater wahrscheinlich nicht sehr redselig sein würde, versuchte ich diese Stille zu durchbrechen, nur um zu sehen, ob sie auch wirklich nicht reden möchte. „Hannah …“ „Jetzt nicht!“ „Ok …“ „Entschuldigung, Nathaniel. Aber ich versuche gerade zu überlegen, welchen Schritt mein Dad als nächstes tun wird. Er wird jetzt alles tun, außer mich in Frieden lassen.“ „Du meinst, wir sind ihn noch nicht los?“ „Mit Sicherheit nicht. Ich glaube, wir können uns im Kampfareal schon wieder auf etwas gefasst machen.“ „Wichtig ist, dass du dir selbst darüber im Klaren bist, was du willst. Mir musst du nicht mehr beweisen, dass du mit dem großen roten R nichts mehr zu tun haben willst. Du hast das gerade deinem Vater gesagt, dem neuen Anführer von Team Rocket.“ „Das ist mir bewusst und das möchte ich auch so. Ich bin da viel zu früh hineingeraten und bin mir jetzt im Klaren darüber, dass ich damit nichts mehr zu tun haben möchte.“ „Ich weiß es zwar schon, aber es ist schön es in dieser Deutlichkeit nochmal zu hören. Also müssen wir uns auch keine Sorgen im Kampfareal machen. Wir schaffen das gemeinsam!“ „Ich will es hoffen …“ Mit einem besorgten Blick sah Hannah in den Himmel. Sie hoffte es wirklich, doch sie kannte eben auch ihren Vater und zu was er im Stande war. Ich legte einen Arm um ihre Schulter und lächelte ihr zu. Sie sah mir in die Augen und gab mir ein Lächeln zurück. Was konnte jetzt noch schief gehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)