Seine Heimat war die See von Terion ================================================================================ Prolog: -------- Ich tauchte in Wasser ein. Rauschen, dumpfes Rauschen, das war alles was ich hörte. Das, und meinen eigenen Herzschlag. Schnell und ungleichmäßig. Für den Bruchteil einer Sekunde schien die Welt stehen geblieben zu sein, nur um mich im nächsten Moment daran zu erinnern, dass ich schnellstmöglich auftauchen musste. Zuerst dachte ich, dass meine Lunge nach Sauerstoff ächzte, doch als mein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, spürte ich einen stechenden Schmerz, der mich aufstöhnen ließ. Mein Bauch. Er brannte wie Feuer. Verdammt! Etwas war schief gegangen, doch ich hatte keine Zeit mich um meine Wunde zu kümmern. Ich musste an Land kommen. Gleißende Sonnenstrahlen schienen mir ins Gesicht, doch die Küste war nur wenige Meter von mir entfernt. Land! Ja, das klang nach einem guten Plan. Ich wagte einen kurzen Blick an meinem Körper herab und mir zog sich der Magen zusammen, als ich sah, dass mein Blut das Wasser um mich etwas rot gefärbt hatte. Ich durfte keine Zeit verlieren. Unter normalen Umständen war ich ein sehr guter Schwimmer, doch ich musste bei jeder Bewegung meiner Arme mit mir selbst kämpfen. Es tat so furchtbar weh. Das Salzwasser bohrte sich in meine Wunde wie kleine glühend heiße Dolche, doch ich konnte nicht aufgeben. Das zählte generell nicht zu den Dingen die ich tat. Nach einer Weile spürte ich endlich Sand unter meinen Stiefeln und schaffte es an Land zu kriechen. Ich konnte nicht aufstehen, daher kniete ich im Sand und erlaubte es mir für einen kurzen Augenblick inne zu halten, um meine zitternden Glieder zu beruhigen. Ich atmete mehrere Male tief ein und aus, doch ich merkte schnell, dass ich mir damit keinen Gefallen tat. Ich fühlte die Wärme meines Blutes, als es langsam auf meine Oberschenkel herab tropfte und durch meine Hose sickerte. Was zum Teufel war nur geschehen? Es schüttelte mich noch immer, als ich vorsichtig nach meiner Wunde tastete. Augenblicklich zuckte ich mit einem leisen Schmerzensschrei zusammen, als meine mit Sand bedeckten Finger ein Stück Holz berührten. Großartig. Das Stück einer Planke oder ähnliches musste sich in meine Hüfte seitlich meines Magens gebohrt haben, als ich auf meinem Schiff vor den einschlagenden Kanonenkugeln in Deckung gegangen war. Hilfesuchend sah ich die Küste entlang, doch sah ich niemanden weit und breit.   Verzweiflung machte sich in mir breit als ich nichts und niemanden am Strand sah. Nur Felsen, Palmen, angespültes Holz und Teile von zerstörten Schiffen, zumindest vermutete ich das die Holzteile einmal dazu gehörten. Und Sand... überall Sand! Plötzlich hörte ich Stimmen. Männer, die zueinander sprachen. Es mussten etwa fünf gewesen sein. Noch bevor ich meinen Kopf heben konnte, um nachzusehen, mit wem ich es zu tun haben würde, hörte ich eine nur allzu bekannte Stimme. Ich hatte sie nur wenige Minuten zuvor gehört. Augenblicklich entfachte ein Feuer aus Wut in mir. Diese Stimme...diese Stimme! ER war es, der es erst so weit hatte kommen lassen. ER allein, dieser Bastard! Meine Verzweiflung und Enttäuschung ließen mich meinen Schmerz vergessen. Während ich mich aufrappelte, packte ich mit der rechten Hand das Stück Holz, das in mir steckte und zerrte es mit einem Ruck aus meinem Körper. Ich bereute es beinahe im selben Moment, denn ich schrie auf vor Schmerz und sank wieder wild keuchend in die Knie. Nein.. Nein! Es gab keinen Schmerz. So etwas verspürte ich nicht, redete ich mir ein. Erneut stand ich mit wackeligen Beinen auf. Zwar war mein Blickfeld vom Schmerz getrübt, doch dieses Gesicht würde ich jederzeit wieder erkennen. Wieder stieg der Groll in mir auf. Ich konnte es nicht verbergen. Ich musste diesem Mann zeigen, dass ich noch am Leben war, dass er mich nicht so schnell loswerden würde, auch dann nicht, wenn er mir alles genommen hatte was mir etwas bedeutete. All meine Wut packte ich in nur einen Satz und brüllte ihn aus voller Lunge über den ganzen Strand: „VERFLUCHT SEIST DU!!!“ Wiederum sank ich in die Knie. Steh auf Fiddick, sagte ich zu mir selbst und zwang mich dazu, wieder auf die Beine zu kommen. Erneut meldete sich der Schmerz an meiner Seite und entriss mir ein Stöhnen. Mit der linken Hand drückte ich gegen die Wunde, um so etwas die Blutung zu stoppen. Ich fühlte, wie sich mein warmes Blut seinen Weg durch meine Finger bahnte. Verdammt! Es brannte noch immer wie Feuer. Ich weiß nicht warum, doch für den Bruchteil einer Sekunde schweiften meine Gedanken nach Hause in meine Heimatstadt. Wehmütig sehnte ich mich nach den Zeiten zurück, in denen ich unbekümmert in meiner Stammkneipe gesessen, ein Glas selbstgebrannten Schnaps nach dem anderen hinunter gekippt und von Reichtum, der hohen See und dem Leben als Pirat geträumt hatte. Und nun hatte ich die hohe See kennengelernt, ihre Schönheit, aber auch ihre Gewalt. Ich hatte meinem alten Leben den Rücken zugedreht und wofür? Es war niemand mehr übrig, der an meiner Seite stand. Niemand, der mir mehr etwas bedeutet hatte. Eine furchterregende Erkenntnis kroch in mir hoch: Ich war allein. Ich war auf der Suche nach unermesslichem Reichtum gewesen, doch nun würde meine Reise beendet werden. Und selbst diese allerletzte Reise würde ich alleine antreten. Endlich erlaubte ich es mir los zu lassen, mich dem Schmerz und meiner Verzweiflung vollends hinzugeben. Als wäre es nicht der meine, spürte ich, wie mein Körper zur Seite kippte, doch dann verlor ich das Bewusstsein. Ich sank in tiefe Schwärze...   Als ich aus dem Schlaf erwachte, vernahm ich ein nur allzu bekanntes Knarzen. Das war ein Geräusch, das nur ein Schiff machen konnte, wenn die Wassermassen auf Holz und Pech drücken. Es roch auch nach einem Schiff...leider. Ich musste mich unter Deck befinden, das wusste ich genau. Es stank fürchterlich. Die Gerüche von Pisse, Scheiße, Kotze, Schweiß, Schießpulver und verrottendem Fleisch drangen mir in die Nase. Ich musste dem Gestank jedoch dankbar sein, denn er riss mich zurück in den Alltag. Ich schlug die Augen auf. Vor mir nahm ich eine unbemannte Kanone wahr, die gefährlich mit den Bewegungen des Schiffes mit schwankte. Verwundert sah ich mich nach Gefangenen und Schiffsarbeitern um, doch ich war der Einzige hier unten. Toll. Dieser Bastard hatte mich und würde mich für ein beachtliches Sümmchen ausliefern. Immer wieder fragte ich mich, wie es nur so weit hatte kommen können. War ich so blind gewesen? Nein, nicht blind, geblendet. Geblendet von der Gier nach Reichtum. Doch ich konnte es nicht enden lassen.. nicht so. Ich musste versuchen zu fliehen. Ich lag seitlich auf dem Boden. Erst, als ich versuchte mich aufzusetzen, merkte ich, dass man mir Arme und Beine in eiserne Ketten gelegt hatte. Ich zuckte zusammen, als meine Hüfte mir einen schmerzhaften Stich gab, der mich zischend, einatmen ließ. Verdammt. Es tat noch immer weh, brannte, als hätte jemand die Wunde mit glühenden Kohlen gefüllt. Ich drehte mich mühselig auf den Rücken, weil ich das Gefühl hatte, so vielleicht weniger Schmerzen zu haben. Begleitet wurde diese Pein von einem Pochen in meinem Kopf. Für einen kurzen Moment schien das trotz allem eine gute Position, doch meine Hände und die Fesseln drückten nun gegen meinen Rücken. Gefesselt und verletzt. Das schienen doch die besten Voraussetzung für eine Flucht zu sein, richtig? Ich stieß ein verzweifeltes Lachen aus. Ich fand mich ja selbst zum Brüllen komisch, dass ich nur für den Bruchteil einer Sekunde angenommen hatte, mir käme vielleicht etwas medizinische Versorgung zu. Erneut versuchte ich an meinen Fesseln zu ziehen. Das kalte Metall bohrte sich in das Fleisch um meine Handgelenke und Knöchel, doch zu mehr war ich nicht fähig. Niedergeschlagen seufzte ich. Und nun? Ich lauschte den Geräuschen über mir. An Deck schienen die Männer schwer beschäftigt. Ich hörte, wie sie einander zuriefen und wild hin und her trampelten. Für einen kurzen Augenblick keimte Hoffnung in mir auf. War das vielleicht mein Schiff? Waren die anderen zurückgekehrt, um mich zu befreien? Ich sollte mich jedoch selbst für meine Dummheit und Leichtgläubigkeit schlagen. Selbst wenn jemand gekommen wäre, um mich zu retten, war derjenige wahrscheinlich allein und hatte den weiten Weg mit einem Ruderboot zurückgelegt, mit nichts, als einer Banane als Waffe. Es gab keine Kanonenschüsse, kein gar nichts. Nichts wies darauf hin, dass jemand dieses Schiff hier hätte entern oder stoppen wollen. Verdammt! Ich stieß einen weiteren Seufzer aus und erspähte ein Stück Seil, das jemand um einen Balken etwa zwei Meter über mir gebunden hatte. Gelangweilt beobachtete ich, wie eines der Enden mit den Bewegungen des Schiffes hin und her baumelte. Doch augenblicklich zog sich mir der Magen zusammen, als ich mir meinen leblosen Körper vorstellte - am Galgen hängend. Ich meinte das Seil regelrecht zu spüren, wie es sich kratzend um meine Kehle schlang und mir den Atem raubte. Ich versuchte den Gedanken so schnell wie möglich von mir zu schütteln. Hör auf, Fiddick, es ist noch nicht vorbei! Trotz allem konnte ich meine Hirngespinste nicht ganz loswerden und dachte an etwas, das mir ein Seemann vor einigen Jahren erzählt hatte: "Habt Ihr schon einmal eine Hinrichtung gesehen, Bursche? Es ist nicht schön, aber noch schlimmer ist der Zustand, in dem die meisten Leichen hängen bleiben - stolze Männer, die einst alle sieben Meere besegelt haben, bleiben nun zurück, tot, am Galgen hängend und in ihrer eigenen Scheiße gebadet. Schaut mich nicht so an, Junge, der Magen und die Blase entleeren sich. Das ist ganz normal." Ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, wie meine gesamte Mannschaft entsetzt auf meinen gehängten und stinkenden Körper schaute. Ich hatte mir einen gewissen Ruf als Pirat aufgebaut. Wenn ich gehängt würde, war es mehr als klar, dass man meinen Leichnam zur Schau stellen würde, um andere Piraten damit zu warnen. Irgendwie musste ich verbittert daran denken, was ich einem guten Freund, als wir beide nach einem Monat der Irrfahrt mit einem Schiff ohne Ruder und Segel auf einer Insel gestrandet waren, entgegen geschleudert hatte: "Haltet mir keinen Platz in der Hölle frei, Kamerad. So schnell komme ich noch nicht." Vielleicht war ich damals wohl etwas zu übermütig gewesen. Hör auf damit Fiddick, das ist das Geschwätz eines Schlappschwanzes, schimpfte ich mich selbst und seufzte abermals.   Plötzlich wurde meine bittersüße Grübelei von einem Geräusch unterbrochen. Jemand hatte die Luke zum Unterdeck geöffnet und war dabei, zu mir herab zu steigen. Ich hörte, wie Stiefel die Sprossen der Leiter berührten, die dabei furchtbar knarrten. Danach vernahm ich Schritte, die sich mir langsam näherten. Ich schloss schnell meine Augen und hielt den Atem an, sobald die Person vor mir stand. Die Präsenz war ja fast spürbar. Er ging in die Hocke, nahm ich zumindest an, um zu prüfen, ob ich noch am Leben war. Ich spürte, wie er sich über mich beugte, seine Hand mein Kinn packte und meinen Kopf, den ich leblos zur Seite hängen ließ, gerade drehte. Als die Stütze an meinem Kinn wieder verschwand, ließ ich meinen Kopf wieder zur Seite kippen. Keine Reaktion. Zumindest hoffte ich, dass er das dachte. Ein leiser Fluch glitt über Lippen des Mannes und am liebsten hätte ich breit gegrinst. Ich glaubte zu fühlen, dass er noch immer neben mir war und nutzte den Moment der Überraschung. Mit einem kräftigen Hieb stieß ich nach vorne und ließ meine Stirn gegen sein Gesicht donnern. Er schrie auf vor Schmerz und fiel mit einem lauten Krachen auf seinen Allerwertesten. Volltreffer, dachte ich zufrieden. Ich sah nur, als er sich wieder aufgerichtet hatte, dass er sich seine Nase hielt, aus der Blut zu tropfen schien. "Glaubt Ihr im Ernst, dass ich es Euch so einfach machen würde?", blaffte ich ihn an und fühlte mich überlegen. Das war, im Nachhinein betrachtet, nicht mein bester Schachzug, denn immerhin war ich derjenige gewesen, der gefesselt zu dessen Füßen lag. Doch das war mir egal. Ich wollte ihm Schmerzen bereiten, so, wie er mir Schmerzen bereitet hatte, und allein das Gefühl, dass mir das in geringster Form gelungen war, befriedigte mich etwas. Dieser Gemütszustand sollte aber schnell von Befriedigung zu Ernüchterung wechseln, denn er war wieder aufgestanden und baute sich vor mir auf. Ohne meine Frage zu beantworten, schnellte er zu mir hinunter, riss mein Hemd nach oben und bohrte seinen Finger in meine Wunde. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Mein Blickfeld färbte sich rot, mir schien es alle Eingeweide zusammen zu ziehen, als er durch sein Handeln ein Feuer des Schmerzes in mir entfachte. Jede Zelle meines Körpers war geweckt, um den Schmerz weiter zu tragen, tiefer in mein Bewusstsein hinein. Feuer! Mir trieb es die Tränen in die Augen, als ich fühlte, wie er seinen Finger unendlich langsam drehte. Schmerz. Ich atmete schwer und versuchte vergebens ein Wimmern zu unterdrücken. Hör damit auf, dachte ich und wusste nicht, ob ich damit mich selbst oder ihn gemeint hatte. Wahrscheinlich beide. Unter keinen Umständen wollte ich ihm zeigen, dass er mich in der Hand hatte, doch ich konnte nicht anders, es tat zu sehr weh. Wiederum fühlte ich eine Bewegung in der Wunde und zuckte zusammen, als ich spürte, wie sich den Finger immer tiefer in ihr vergrub. Folter. Ich schrie, wie ich noch nie in meinem Leben zuvor geschrien hatte. In diesem Moment sehnte ich mich nach dem Tod, nach Erlösung. Alles war mir Recht, es sollte bloß aufhören. Vor meinen Augen zuckten weiße Lichter, die mich schier blind machten. Ich flehte darum, dass sie mich doch bitte in die Ohnmacht reißen würden, bettelte förmlich danach. Doch das geschah nicht. Erst als er von mir abließ, verstarben meine Schreie. Angewidert wischte er sich mit einem Taschentuch, das er aus seinem Mantel gezogen hatte, über seinen blutverschmierten Finger. Erst, als er damit fertig war, wandte er sich wieder mir zu. Ich hatte mich zur Seite gedreht, um mich zusammenzukauern. Ich musste für ihn wohl wie ein Häufchen Elend ausgesehen haben, wie ich da vor ihm lag, keuchend, hustend und spuckend. "Fiddick ich hoffe Ihr wisst, dass Ihr Euch das selbst zu verschulden habt, tut Ihr das?", fragte dieser Bastard seelenruhig und sah auf mich herab. "Fahrt...zur Hölle!", brachte ich unter zusammengebissenen Zähnen heraus und spuckte ihm auf die Stiefel. Niemals. Niemals würde ich ihn gewinnen lassen. Er schüttelte belustigt den Kopf. "So viel Biss. Es ist eine wahre Schande Euch auszuliefern, doch Ihr lasst mir keine Wahl: Ihr steht mir im Weg und meine Truhen wollen gefüllt werden", meinte er schnippisch und ging wieder neben mir in die Hocke. "Außerdem...", flüsterte er und seine Stimme hatte einen bedrohlichen Ton angenommen. "...wisst Ihr nun, wo sich mein Versteck befindet. Ihr nehmt es mir doch bestimmt nicht übel, dass ich sichergehen will, dass unser beider Geheimnis fest hinter Gittern verschlossen bleibt." Er erhob sich wieder. "Aber das sollte kein Problem darstellen." Er ließ eine kurze Pause und grinste dann boshaft als er fortfuhr. "Wenn die Sonne aufgeht, werden wir am Hafen anlegen. Und bis dahin..." Er hob seinen Fuß an. "Gute Nacht, Fiddick." Noch bevor ich etwas sagen konnte, ja noch bevor ich nur eines meiner schmerzenden Glieder bewegen konnte, sah ich die Sohle von seinem Stiefel vor meinen Augen. Der Tritt war präzise ausgeführt worden, stark genug, um mich mit nur einem Hieb auf die Bretter zu schicken, jedoch schwach genug, um mich nicht zu töten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)