No Princess von Yinjian ================================================================================ Kapitel 40: Anna und Satoshi ---------------------------- Was war passiert? Müde rieb sich Anna über die Augen. Etwas schweres lag auf ihr, das Zimmer war stockfinster. Ein Blick auf den Wecker zeigte ihr den 17. Dezember an, 1:42 Uhr nachts. Es war Samstag. Das Mädchen versuchte sich aufzusetzen. Es tat weh. Man hörte ein genervtes Stöhnen. Schneeweißes Haar lag auf ihrem Schoß, ein weiterer Blick zeigte ihr, dass es Shiro war. Müde streichelte sie seinen Kopf, der sich wohl in ihrem Schoß versenkt hatte. Neben ihr bewegte sich noch etwas: Sho hatte sich an ihren Arm geschmiegt und war durch ihr plötzliches Aufstehen unruhig geworden. In seinem Mund war eine dunkle Locke – er hielt Hikari in seinen Armen, wie einen Teddybär, doch diese schien das momentan nicht zu stören. „Was ...“, fragte sich Anna leicht verwirrt und rieb sich ihre Stirn. Ihr war schlecht. Ihr war warm. Besorgt sah sich das Mädchen um, ob noch mehr Leute in ihrem Bett lagen, doch anscheinend war das erst mal alles für heute. Mit einem merkwürdigen Knacken in den Beinen stand sie aus dem Bett auf und ging Richtung Tür. Sie wollte auf Toilette gehen. Die Tür öffnete sich tonlos und das Mädchen betrat den dunklen Flur mit der Abendbeleuchtung. Es war leer und kalt. Man hörte keine Stimmen. Der Gang zur Toilette lief ohne Probleme, allerdings wunderte sich Anna, was passiert war. Dass sie keine Jogginghose, war ihr gar nicht aufgefallen. War das das Gefühl eines Katers? Hatte sie gestern Nacht getrunken? Sie konnte sich an nichts erinnern. Irgendwie schmerzten ihre Knochen und Muskeln und bei jedem Schritt hatte sie den Eindruck, unter ihrem Gewicht einklappen zu müssen. Gebeutelt lief sie den Flur entlang und klopfte an eine der Türen, trat ein und sah sich um. Akira lag in seinem Bett und schlief. Seufzend schritt sie auf ihn zu. Sie hatte gehofft, er wäre wach gewesen. Seit die beiden sich endlich ausgesprochen hatten schien alles wie früher zu sein. Sie redeten und lachten wieder miteinander, obwohl er sich sehr stark zurück hielt was Berührungen und Küsse anging. Seit er ihr Tattoo gesehen hatte, hat er sie nicht mehr in solch einer Art angefasst. Anna fragte sich, warum, aber die Zufriedenheit, dass er überhaupt wieder mit ihr sprach, war schon genug. Sie zog die Bettdecke zur Seite und legte sich zu dem Rotschopf. Sofort öffnete dieser die Augen. „Anna, was machst du hier?“, fragte er überrascht und setzte sich auf. Auch Anna öffnete ihre Augen wieder. „Mir geht’s nicht gut.“, murmelte sie leise und legte ihre Hand auf seinen Bauch. Er seufzte und legte sich wieder hin. Beruhigend streichelte seine Hand über ihren Oberarm. „Habt ihr gestern getrunken?“, fragte das Mädchen schließlich schlaftrunken. „Ne.“, antwortete Akira gähnend und streckte seinen freien Arm kurz, während er sie in ihrem anderen hielt. Eigentlich hatte Anna das Gefühl gehabt, dass alle eine wilde Party gefeiert hatten und die anderen deshalb in ihrem Bett gelegen haben. Aber anscheinend hatte sie Unrecht. „Du glühst förmlich. Soll ich dir Wasser bringen?“, fragte er leise, doch Anna schüttelte den Kopf. Die Übelkeit und die Kopfschmerzen brachten dröhnende Müdigkeit mit sich. „Willst du hier schlafen?“, fügte er nach einigen Sekunden hinzu. „Ja.“, antwortete das Mädchen karg und bohrte ihre Wange in seine Brust. Stille trat ein. Akira sagte nichts, aber seine Finger streichelten weiterhin über ihren Arm. Sie waren zart in der Berührung, liebevoll. Sie sagten ihr, dass er immer noch wach war und warten würde, bis sie eingeschlafen war. Doch Anna wusste, dass etwas passiert war. Die Gedanken ließen sie nicht einschlafen. „Was ist passiert…?“, fragte sie leise und das Streicheln hörte für eine Sekunde lang auf. „Du hast Fieber bekommen.“, erklärte Akira und er war noch leiser, als Anna. Es war fast nur ein Flüstern. Hatten sich die anderen Sorgen gemacht und hatten deswegen bei ihr im Bett geschlafen? Annas Augen ruhten auf der Brust, auf der sie lag. Sie senkte und hob sich langsam. Deswegen ging es ihr schlecht. Deswegen hatte sie Kopfschmerzen. War das wirklich der Grund? Sie seufzte kurz. „Schlaf einfach, morgen geht’s dir besser.“, murmelte Akira müde. Er küsste sanft die weichen Haare und Anna schloss ihre Augen wieder. Wenn er das so sagte, würde es wohl stimmen. Die Finger glitten weiterhin über ihre Haut, landeten irgendwann in ihren Haaren und spielten mit einzelnen Strähnen. Die ruhigen Bewegungen seines Brustkorbes, sein leises Atmen, das verträumte Spielen mit ihren Haaren – alles beruhigte Anna wieder. Irgendwann wusste sie nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war und schlief wieder ein. Eine warme Hand auf ihrer Stirn weckte sie wieder. Brummig öffnete Anna einen Spalt weit die Augen. Die Hand ruhte noch für eine Sekunde dort, ehe sie dem Mädchen Sicht auf ihren Besitzer geben konnte. „Morgen.“, murmelte eine ruhige und ermüdete Stimme. Akira schloss die Augen wieder. „Du hast immer noch Fieber. Ich geh' Liam holen.“, erklärte er kurz, streckte sich und war drauf und dran aufzustehen, doch Anna hielt ihn fest. Sie wollte nicht, dass er geht. „Was ist los?“, fragte der Junge leicht überrascht. Die Blondine setzte sich auf, legte ihre Arme um Akira und legte sich auf ihn. Es war einfacher ihr Gewicht dazu zu benutzen, um ihn im Bett zu halten. Der Rotschopf seufzte kurz, lehnte sich wieder zurück und begann ihren Rücken zu streicheln. Erst jetzt merkte Anna, dass ihr T-Shirt schweißnass war und an ihrem Körper klebte. Die Finger streichelten gedankenversunken über den feuchten Stoff. Woran dachte Akira gerade? Anna öffnete wieder für einen kurzen Moment die Augen. Ihr Kinn ruhte auf seiner Brust, es war einfach ihm in die Augen zu sehen. Sie waren eher blassgelb an diesem Morgen, als würde das Feuer in ihm noch schlummern. Was verbarg sich hinter diesen Lidern? Was beschäftigte seinen Kopf gerade? Annas Blick bohrte sich in seine Stirn, doch nichts. Nicht einmal das Gefühl, er würde sie davon abhalten wollen, es war einfach eine Menge von Nichts, die sie empfing. „Willst du wissen, woran ich denke?“, flüsterte Akira, als wüsste er genau, was Anna vorgehabt hatte. Müde nickte sie. „Ich denke, dass wenn du so weiter machst, ich mich vielleicht nicht mehr zurück halten werde, auch wenn du krank bist.“. Ein kleines Grinsen schaffte es auf Akiras Gesicht und auch Anna musste schmunzeln. „Niemand hat je gesagt, dass du dich zurück halten sollst.“, hustete sie heiser und war erschrocken von dem Kratzen in ihrer Kehle. „Du solltest am besten was trinken.“, schmunzelte Akira, als er die raue Stimme von Anna gehört hatte. „Und wir sollten dir neue Klamotten anziehen. Du schwitzt ganz schön.“, seine Hände wanderten Annas Rücken hinab und begannen, das Ende des Shirts anzuheben. Ein kurzer Stoß kühle Luft krabbelte über Annas Rücken und ließen sie für einen Moment erschaudern. Ihr Gesicht rollte auf die Wange und sie schloss wieder die Augen. „Mach was du willst.“, murmelte sie leise. Ihre Hände fühlten den Körper unter sich ab, als wäre ihr das Gefühl etwas fremd. Akira tat wie ihm geheißen und begann, das Shirt hochzuziehen. Sofort zuckte Anna zusammen, als sie schmerzhaft einen seiner Finger auf ihrer Haut spürte. Auch Akira setzte sich sofort auf und legte seinen Kinn auf Annas Schulter ab, ehe er erneut das Shirt hoch hob. Das Mädchen lehnte wie ein nasser Sack Mehl an seiner Brust. Sie konnte sich schlecht aufrecht halten. Dennoch spürte sie, wie seine Augen ihren Rücken musterten. „Ist etwas passiert? Irgendetwas in der Schule oder so?“, fragte Akira argwöhnisch und Dringlichkeit klang in seiner Stimme mit. Anna schüttelte müde den Kopf. „Keine Ahnung.“, murmelte sie erschöpft. „Komm' schon. Irgendetwas?“, hakte er nach, doch Anna rieb sich nur verschlafen die Augen. Sie konnte sich nicht erinnern. Egal, wie sehr sie es versuchte, nichts von den letzten Tagen drang ihr zurück ins Gedächtnis. „Ich hol' Satoshi. Wir können das nicht so lassen.“, bei diesen Worten stützte Anna sich bei Akira ab und schaffte es, ihren Oberkörper aufzurichten. Sie wollte Satoshi nicht sehen. „Nein.“ „Anna, dein Tattoo...“, begann Akira, wurde aber durch ihren strengen Blick davon abgehalten, weiter zu sprechen. „Ich will ihn nicht sehen.“, murrte sie leise, obwohl sie nicht einmal wusste, wieso. Akiras Blick ruhte für einige Sekunden auf ihren Augen, ehe er genervt seufzte und mit einem Ruck Annas T-Shirt hoch hob. Dort hörte es nicht auf – mit einem weiteren Ruck zog er es ihr über den Kopf. Stocksteif saß Anna da und starrte Akira fassungslos an. Sie spürte, wie die kühle Luft ihre Brüste kitzelte. Sie trug keinen BH. Sofort drückte sie sich an Akiras Oberkörper. „Gib's mir zurück.“, fauchte sie leise. Das war nicht mehr lustig. „Nein.“, brummte Akira. Auch er lächelte nicht. „Sofort.“ „Nein. Erst, wenn ich Satoshi geholt habe.“, erklärte sich der Rotschopf und durfte dadurch zum ersten Mal das Gesicht einer schmollenden Anna sehen. Wütend bohrte sich ihre Faust in seine Schulter, doch schnell konnte sie feststellen, dass sie nicht mal annähernd die Kraft hatte, Akira wehzutun. Seufzend ließ sie sich wieder auf seinem Oberkörper sacken und schloss die Augen. „Dann nicht.“, schnauzte sie nachgiebig und legte ihre Arme um ihn. „Dann müssen wir so bleiben.“. Wenn Akira versuchte, sie mit ihrem Shirt zu erpressen, nur damit er Satoshi holen und Anna eins auswischen konnte, hatte er sich geschnitten. Ihr war es egal, dass er sie so im Moment sah – er sah ja nicht einmal wirklich was. Aber sie würde ihren Willen durchsetzen, komme, was wolle. Sofort wusste sie, dass er mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte. Für einige Sekunden saß er wirklich einfach nur da und musterte sie, im Unklaren darüber, was er tun solle. „Oh, dir ist es also egal, ob ich dich nackt sehe, ja?“, hörte sie ihn schließlich sagen und ein kurzes Schaudern lief ihren nackten Rücken herab. Starrköpfig nickte sie. „Okay.“, sagte er dann und seine Hände verließen ihren Rücken. Sie legten sich auf ihre Seiten, wanderten langsam hoch Richtung Brust. Sofort klemmte Anna ihre Arme an ihren Körper, damit er nicht weiter gehen konnte. „Was, ich dachte es wäre dir egal?“, man konnte ein leichtes Lächeln aus seiner Stimme hören. „Wenn du es siehst, ja. Anfassen ist eine andere Geschichte.“, schnauzte Anna und spürte, wie die Hitze in ihr Gesicht zurück kehrte. Schon hatten seine Hände ihre Schulter erreicht. Akira lehnte sich zurück. Sein Hinterkopf ruhte auf dem weichen Kopfkissen, dass Anna in der Nacht noch gespürt hatte, doch seine Hände hielten immer noch ihre Schultern fest. Ehe sie sich versah lag Akira vor ihr und seine Arme waren Stützen für ihren Oberkörper – gut ein halber Meter trennten Anna nun von ihm. Es war kühl. Ihre ganze Brust war entblößt. Die Wärme seiner Brust hatte sich verflüchtigt, es wurde kalt. Goldene Augen starrten sie an. „Also ansehen ist okay, ja?“, murmelte er noch einmal leise. Anna fixierte ihren Blick auf Akiras Augen. Wenn er ihr nicht mehr ins Gesicht sehen würde, würde sie es sofort erkennen. Natürlich war ansehen nicht okay – was dachte er sich? Wollte er unbedingt Satoshi hierher holen? Ihre Augenbrauen rückten näher aneinander. Argwöhnisch beobachtete sie Akira und wartete auf seinen nächsten Schritt. Dieser hielt seinen Blick auf Augenhöhe. „Guck ruhig hin.“, schnauzte sie dann leise, als würde er noch weitere Provokation brauchen. Er erwiderte nichts. Die Stille war erdrückend. Sie mochte das Gefühl nicht, wie ihre Brüste so kurz über ihm in der Luft schwebten. Annas Mundwinkel verzogen sich nach unten. Langsam wurde es anstrengend, so auf seinen Händen gestützt zu liegen. „Du weißt es lohnt sich nicht, sie anzusehen, wenn man sie nicht auch anfassen kann.“, und da war es wieder – ein kleines, feines, sadistisches Lächeln schimmerte auf Akiras Lippen und sofort wurde Anna rot. Seufzend wandte sie ihren Blick ab. „Geh' Satoshi holen.“, murmelte sie leise und spürte sofort, wie die Distanz zwischen den beiden geschlossen wurde. Der warme Oberkörper kehrte als Standheizung zurück. Vorsichtig küsste Akira ihre Stirn. „Ich bin gleich wieder da.“, waren seine süßen Worte, als er Anna zur Seite legte, zudeckte und aufstand um den Raum zu verlassen. Genervt griff Anna nach ihrem Shirt, doch sofort fielen ihr wieder die Augen zu. Es war zu anstrengend gewesen. Warum war sie überhaupt wieder krank? Ja, vielleicht war Dezember die Zeit, in der viele Leute krank wurden – normale Leute. Seufzend rieb sie ihr Gesicht ein wenig im Kopfkissen, das von Akiras Geruch getränkt war. Es dauerte nicht lange und sie war fast wieder eingeschlafen, da öffnete sich die Tür erneut. „Sie kam einfach so zu dir?“, murmelte Satoshis Stimme argwöhnisch. „Ja, hab' ich doch gesagt. Und sowieso – was geht dich das an?“, schnauzte Akira genervt zurück. Gewicht setzte sich auf der Matratze ab. Müde drehte Anna ihren Kopf um und sah, wie Satoshi an ihrer Seite kniete. Schroff zog er die Decke zurück und Anna krümmte sich unter der Kälte zusammen. „Wow.“, eine andere Stimme erhob sich. Sofort suchte das Mädchen aus ihrer Position den Raum ab, doch er war nicht in ihrem Blickfeld. „Kennst du das, Iori?“, fragte Akira verwundert über dessen Reaktion. „Nein… Also ja, aber nicht in diesem Ausmaß.“, antwortete der Tengu besorgt und trat näher – nun konnte auch Anna ihn sehen. „Was macht ihr da?“, fauchte sie leise ins Kopfkissen, doch mit einem kurzen, strengen Blick von Satoshi fragte sie nicht weiter nach. „Wir müssen sie erst mal waschen. Dann sehen wir weiter.“, seufzte Satoshi und fuhr sich über die Stirn. Warum war er besorgt? „Ihr nervt. Haut ab.“, schnauzte Anna. Der Anblick dieser besorgten Gesichter machte sie krank. Wütend suchte ihre Hand nach ihrer Decke, doch sofort wurde ihr Handgelenk festgehalten. „Stell dich nicht so an. Ich bring dich ins Bad.“, murmelte Satoshi. „Nein, ich will das nicht.“ „Du verhältst dich wie ein kleines Kind.“ „Ist mir egal, geh weg!“, wütend riss Anna ihre Hand von Satoshis Griff frei. Der Shiki starrte sie böse funkelnd an. „Soll es jemand anderes tun?“, fragte Iori leicht eingeschüchtert. „Shiro.“, schnauzte Anna und vergrub ihr Gesicht wieder im Kopfkissen. „Verpiss' dich, Toshi.“. Bei diesen Worten sahen alle Anwesenden, wie ein Geduldsfaden in Satoshi riss. Wütend stand er auf und verließ – ohne ein weiteres Wort zu sagen – das Zimmer. „Wieso hast du plötzlich so'n Hass auf ihn?“, wollte Akira verwundert wissen. Anna atmete tief durch. Wieso eigentlich? Es musste etwas gewesen sein, was in den letzten paar Tagen passiert war. Allerdings konnte sie sich überhaupt nicht daran erinnern, was los war – nichts drang in ihren Kopf. Stille trat ein. Seufzend ließ sich Iori in einen der Stühle fallen. „Was denkst du, was du hier tust?“, schnauzte Akira nun genervt. „Was schon – ich pass auf sie auf. Immerhin kenn' ich mich damit besser aus, als du.“ „Ist mir egal. Du darfst sie nicht nackt sehen. Geh.“, murrte der Rotschopf. Iori lächelte hämisch. „Oh, eifersüchtig?“, kicherte der Tengu bösartig und sofort trat Akira gegen einen der Stuhlbeine, die zu Ioris Stuhl gehörten. Seufzend stand er auf und verließ das Zimmer mit den Worten: „Du brauchst nicht gleich so auszurasten.“. Akiras Füße trugen ihn wieder zu seinem Bett. Mit einem Seufzen setzte er sich an die Bettkante zu Annas Seite. Vorsichtig führte er seine Hand auf den unteren Teil ihres Rückens. „Akira… Was ist los?“, fragte Anna leise. Ihr Blick war an die Wand geheftet. „Du blutest. Anscheinend schon die ganze Nacht.“, antwortete er leise. Es war nicht die typische Ruhe, die er ausstrahlte. Sorge klang in seiner Stimme mit. Sofort spürte Anna, wie Unbehagen sich in ihr breit machte. „Ist es schlimm?“, fragte sie leise, doch sie brauchte seine Antwort eigentlich nicht zu hören. Das nasse T-Shirt in ihren Armen schien schon Antwort genug zu sein. „Wenn ich das so sehe … Ich würde sagen, ja. Aber da du noch wach bist und reden kannst wahrscheinlich nicht zu schlimm.“, antwortete er ihr wahrheitsgetreu und seine Finger erreichten ihr Steißbein. „Man, hättest du mir so etwas gesagt, wenn du nicht krank gewesen wärst...“, lächelte er traurig und brachte damit auch Anna zum Schmunzeln. „Du hast nicht mal hingeguckt, du Feigling.“, grinste sie neckisch und die Rauheit in ihrer Kehle brachte sie kurz zum Husten. Akiras Hand verließ ihren Po und legte sich auf ihren Kopf. „Ich hab' dir schon mal gesagt, ich werd's noch oft genug sehen.“. Sanft streichelten seine Finger durch ihre Haare. Es war in solchen Momenten, dass Anna über seine Anwesenheit glücklich war. Beruhigt schloss sie wieder die Augen. Es dauerte nicht lange, bis sich leise die Tür öffnete. Mit besorgtem Blick trat Shiro ein, dicht gefolgt von Satoshi, der jedoch im Türrahmen stehen blieb. Akiras Blick wanderte zur Tür. Er hob einen Finger an die Lippen um zu bedeuten, dass sie leise sein sollen – Anna war gerade wieder eingeschlafen. Shiro nickte kurz und trat zum Bett. In seinen Armen trug er eine kleine Schüssel mit heißem Wasser und Kräutern, die Liam und Toki vorbereitet hatten, sowie einen Waschlappen und neue Klamotten. Vorsichtig stand Akira vom Bett auf und ging zur Tür. Satoshi wandte sich ab, als der Rotschopf die Tür hinter sich schloss, doch bevor er weggehen konnte, hielt Akira ihn an. Er hatte nie viel mit dem neuen Shiki gesprochen – Adam war um einiges umgänglicher gewesen. Außerdem hatte er eine Ausstrahlung, die es einem nicht leicht machte, ihn anzusprechen. „Satoshi… Was ist passiert?“, fragte Akira leicht argwöhnisch und musterte den grauen Hinterkopf. Der Shiki drehte sich um, sagte aber nichts. „Hey. Ich rede mit dir.“, brummte Akira nun genervt. In Satoshis Gesicht sah man Enttäuschung und Abneigung – eine komische Kombination. „Das geht nur Anna und mich etwas an.“, schnauzte er und ging wieder los. „Ich merke doch, dass dich was stört. Und sie scheint auch nicht sonderlich begeistert zu sein.“, erwiderte Akira nun und folgte dem grauhaarigen Mann. Er war tatsächlich etwas größer als Akira, ein Erwachsener halt. Irgendwie auch leicht einschüchternd. „Ich hab' dir nichts zu sagen. Ich hab' es ihr bereits gesagt, das sollte reichen.“, murmelte er nur und ging auf sein Zimmer zu. Akira folgte ihm. „Anscheinend war es schlimm genug, um ein Fieber bei ihr auszulösen.“, erwiderte Akira nun, doch Satoshi musste lächeln. „Sie hatte das Fieber schon, als ich sie darauf angesprochen habe.“. „Worauf?“ Satoshi wandte seinen Blick an Akira, ließ sich dann in seinem Stuhl sinken und starrte den Rotschopf an. Man konnte erkennen, wie hinter diesen grauen Augen sich die Gedanken wunden und ineinander verschlangen, als wäre er sich nicht ganz sicher, wie viel er sagen konnte und wie viel er sagen durfte. Seufzend zog er ein Notizbuch aus seiner Schreibtischschublade. Die Seiten flatterten leicht, als er darin blätterte. „Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht mehr viel Zeit hat.“, antwortete er schließlich, als er die Seite gefunden hatte, die er brauchte. „Was meinst du damit?“, Akira hatte den Schreibtisch erreicht und versuchte einen Blick in das Notizbuch zu erhaschen, in dem Satoshi nun einige Dinge nieder schrieb. Dieser schien es nicht einmal verstecken zu wollen. „Was ich damit meine ist: Ihr Körper wird schwächer. Wenn es so weiter geht, stirbt sie bald.“, seine Worte waren kalt, ohne Mitleid. Akira starrte ihn an. Hatte er wirklich keinerlei Mitgefühl für seine Königin? „Du brauchst nicht so zu gucken, es ist offensichtlich.“, murrte Satoshi nun, da er Akiras Blick gesehen hatte. „Wenn sie weiterhin so schwach bleibt, dann hat sie nicht mehr viele Optionen. Das hat ihr nicht gefallen.“. „Schwach?“, entgegnete Akira unglaubwürdig. „Als der Inspektor hier war, hat sie alle Polizisten in ihren Bann gezogen. Sie konnte wochenlang das Wetter beeinflussen, damit der Mondgott uns nicht beobachten konnte. Durch Liams Training hat sie ...“, doch er wurde unterbrochen. „Ja, schwach. Nicht von ihren Kräften her, sondern von ihrer Mentalität. Sie kann Leute nicht einfach so abschreiben. Die Sorgen, die sie um Kai und Mika hat, beeinflussen sie enorm.“. „Ist es nicht deine Aufgabe, ihr dabei zu helfen damit fertig zu werden?“, schnauzte Akira sofort, doch erhielt er nur ein höhnisches Grinsen als Antwort. „Das war Adam.“. Stille trat ein. „Du siehst sie echt nicht als deine Schwester an, oder?“, fauchte Akira nun leise und das Grinsen auf Satoshis Lippen wurde breiter. „Nein.“ „Was ist sie dann für dich?“. Der junge Mann erhob sich aus seinem Stuhl und schloss das Notizbuch. „Sie ist eine heiratsfähige Königin.“. Für eine Sekunde lang wusste Akira nicht, wie er reagieren sollte. War das sein Ernst? „Bist du in sie verknallt?“, fragte er sofort fassungslos. Dass Satoshi ihm nicht antwortete, sondern ihn einfach nur musterte, machte ihm noch mehr Sorgen. „Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht viele Optionen hat. Aber sie hat welche. Vielleicht kannst du ja helfen, sie dazu zu überreden.“. „Wieso sollte -“ „Erstens: Sie kann sich töten lassen. Ihre Energie würde im besten Fall einfach zerfallen und sich in kleiner Konzentration wieder über die Welt verteilen. Im schlimmsten Falle würde sie von den Feinden absorbiert werden.“, unterbrach Satoshi ihn und fuhr fort: „Zweitens. Sie kann so weiter machen, wie bisher, und ihre Kraft verteilen. An Shiro, die Tengus, die Wölfe, Hikari. Sie kann jedem von euch ein bisschen Macht abgeben. Aber das wird nicht reichen – sie würde so schwach werden, dass jeder sie einfach umbringen könnte. Und ich persönlich hätte lieber keine schwache Königin. Drittens: Sie sucht sich endlich einen Mann und gibt ihre Macht ab. Ich habe mich übrigens dagegen ausgesprochen, dass sie dich wählt.“ Akira starrte den Shiki fassungslos an. Mit jedem Wort, das er sprach, wurde er wütender, doch das letzte Stück gab ihm den Rest. „Wieso?“, wollte der Rotschopf wissen. Seine Stimme klang rau und fremd. „Wieso?“, lächelte Satoshi arrogant und schüttelte den Kopf. „Wegen deiner Umstände, natürlich. Es ist eigentlich egal, wie sehr du zu ihr passt – was mit der Macht passieren würde, wenn du sie einmal hast, ist die viel wichtigere Frage. Man hat schon an deinem Vater erkannt, dass deine Art nicht gut mit zu viel Macht umgehen kann. Ich meine, dein Vater hat es geschafft in der ganzen Hölle einen Krieg anzuzetteln. Er frisst seine eigene Art, um weiter leben zu können. Wie viele Brüder und Schwestern von dir hat dein Vater schon aufgenommen? Es ist abartig, um ehrlich zu sein. Meinst du, Anna wäre sicher, sobald sie dich wählt? Ich bin mir ziemlich sicher, dass sobald die Gier und Sucht in dir zu groß wird, Anna das erste deiner Opfer werden wird. Und damit kommen wir zum nächsten Thema: Dich. Anstatt dort zu bleiben und deiner Familie zu helfen bist du weggerannt. Du bist zu Mirai geflüchtet und hast dich versteckt, wie der kleine Feigling, der du bist. Du hast gemerkt, dass Anna sich in dich verliebt, und du hast immer mehr Angst bekommen, ihr die Wahrheit zu erzählen, bis es so weit war, dass du sie komplett ignorierst. Anstatt also mit deiner Angst klar zu kommen, hast du lieber die Leute um dich herum verletzt. Selbst Shiro konnte es erkennen und er ist weiß Gott nicht die hellste Kerze am Kronleuchter.“, lachte der Shiki entnervt und ging zu einem der Regale, um das Notizbuch wieder einzuordnen. Akiras Gesicht war leichenblass. Das Goldene in seinen Augen hatte sich in ein metallenes Blassgelb gewandelt. Sein Mund wurde trocken. „Woher weißt du das alles?“, fragte er atemlos und starrte auf den breiten Rücken. Der Shiki hatte sich wieder in seinen Stuhl gesetzt und musterte Akira eindringlich. „Im Gegensatz zu Anna weiß ich, wie ich meine Kräfte kontrollieren kann.“, antwortete er und sein Lächeln verstarb. „Außerdem bin ich nicht nur Annas Shiki. Tatsächlich bin ich im Moment wahrscheinlich stärker, als meine eigene Königin.“, brummte er und man hörte ein Stück weit Enttäuschung aus seiner Stimme. „Weiß sie...“, begann Akira, doch Satoshi wedelte genervt mit der Hand. „Ich hab' ihr nichts gesagt. Immerhin ist es deine Aufgabe, ihr die Wahrheit zu erzählen. Aber je mehr du dich damit zurück hältst, desto mehr bestätigt es mich darin, dass du ein beschissener Feigling bist. Ganz ehrlich, wenn sie so ein Monster wie dich wählen würde, würde ich wahrscheinlich nicht mehr lange hier bleiben. Dich als meinen Meister anzusehen würde mir die Galle hochtreiben.“. Akira wurde heiß. Er spürte wie jeder Fleck Haut seines Körpers mit Schweiß bedeckt wurde. Er starrte Annas Shiki an. „Du bist überhaupt nicht so wie Adam.“, schluckte er schließlich und wischte sich nervös über die Stirn. „Natürlich nicht. Adam war schwach, deshalb ist er gestorben. Und wenn Anna weiterhin schwach bleibt, wird sie es auch tun.“, gab er emotionslos von sich und ging zu seinem Schrank, um nach Wäsche zu suchen. Akira verfolgte ihn mit seinem Blick. „Ganz ehrlich, es ist wahrscheinlich besser so, dass Adam gestorben ist. Anna war viel zu abhängig von ihm und wenn er noch hier wäre und die beiden gegen Eve antreten müssten, würden sie sich gegenseitig ins Verderben ziehen.“. Er griff nach einer Hose. „Ich verstehe jetzt, warum Anna dich gerade nicht sehen will.“, lächelte der Rotschopf entgeistert und sah Satoshi dabei zu, wie er sein Shirt auszog. Dieser lächelte. „Ja, ich weiß: Die Wahrheit tut weh. Niemand sieht sie gerne. Manchmal muss man die Menschen halt dazu bringen, sie einzusehen.“. Der Shiki wandte Akira den Rücken zu und was er dann sah, gab ihm komplett den Rest: Riesige, schwarze, dicke Linien breiteten sich wie Flügel auf Satoshis Schulterblättern aus. Sie glühten in einem unheimlichen Schwarz. Das bisschen Rest Farbe, das Akira in seinem Gesicht hatte, verschwand komplett. Satoshi lachte leise. „Wieso hast du…“, fing Akira an, doch schnell bedeckte der Shiki seinen Rücken wieder mit einem Shirt. „Wieso?“, wiederholte er lächelnd und der Ton in seiner Stimme gefiel Akira gar nicht. „Vielleicht passe ich ja einfach besser zu ihr, als du?“. „Alles okay?“. Shiros tiefe Stimme löste ein Schaudern in Akira aus. Gedankenversunken hatte er auf Annas nackten Rücken gestarrt, während Shiro eine Salbe auf ihrer Haut verteilte. „Du starrst seit einigen Minuten ins Leere. Soll ich euch beide alleine lassen?“, fügte der Wolfsdämon mit leicht roten Wangen hinzu, doch Akira schüttelte den Kopf. Seufzend faltete er seine Hände unter seiner Stirn zusammen und starrte auf seine Knie. „Was hältst du von Annas Shiki?“. Endlich schaffte er es, die richtigen Worte zu finden, um Shiro darauf anzusprechen. „Ich mag ihn nicht.“, antwortete der Weißhaarige sofort und bestimmt, ehe er seine Hände an einem Handtuch trocken rieb. Akira war mehr als dankbar für diese Antwort. „Ich mag' nicht, wie er Anna ansieht und wie er mit ihr redet.“, fügte er schließlich hinzu. „Was meinst du?“, fragte Akira leicht überrascht nach und hob seinen Blick ein bisschen. „Wenn sie nicht hin sieht, starrt er sie an.“, antwortete er geistesabwesend und streichelte über die wunde, zerschnittene Haut seiner Mutter. „Und wenn sie mit ihm reden will, ist er immer arrogant und überheblich. Als würde er sie nicht leiden können. Aber in Wirklichkeit, denke ich ...“, Shiros Blick wanderte zu Akira und blieb einige Sekunden lang auf ihm liegen. „Was?“, erwiderte dieser verwirrt, ehe Shiro schließlich seufzte. „Ich glaube, in Wirklichkeit liebt er sie.“, murmelte er. „Wie kommst du denn auf sowas?“, entgegnete Akira ungläubig. „Denk drüber nach. Er sagt die ganze Zeit, er sei nicht ihr Bruder. Nicht ihre Familie. Es ist fast schon auffällig, so oft sagt er das. Anna hat es mir erzählt.“. „Kann schon sein, aber für mich sieht es eher aus, als könnten die beiden sich überhaupt nicht leiden. Er ärgert sie die ganze Zeit, sagt, wie schwach sie sei und...“, bei diesen Worten entzündete sich erneut eine Flamme der Wut in Akiras Magengrube. Er brach ab. Shiro wandte seinen Blick wieder ab. „Jede Nacht stand er bei Anna und hat auf sie aufgepasst, als er noch in Schattenform war. Du hast ihn gesehen.“, antwortete Shiro leise. „Ja, aber ist das nicht seine Aufgabe als Shiki?“ „Zu diesem Zeitpunkt war er noch nicht ihr Shiki. Er hat Adams Gedanken und Gefühle, er hat alle Erinnerungen von Anna, seit sie klein und beim Schattenvolk war, in sich aufgenommen. Er kennt sie fast ihr ganzes Leben.“, erklärte Shiro und man sah, dass Trauer in ihm aufkeimte, als wäre er neidisch darauf, Anna noch nicht so lange gekannt zu haben. Akira musterte den Wolfsdämon und seufzte schließlich. Er wuschelte dem Jungen kurz schroff durch die Haare. „Du bist wirklich noch ein Kind.“, seufzte er leise. „Du auch.“, erwiderte Shiro unbeeindruckt und stand vom Bett auf. „Es wäre schön, wenn du endlich mal zum Mann werden würdest und ihr erklärst, was eigentlich los ist. Ich will nicht, dass sie noch länger leidet. Und um ehrlich zu sein...“, Shiro machte am Türrahmen Halt und drehte sich noch einmal zu Akira um: „Ich finde du bist der beste, den sie kriegen könnte. Also versau' es nicht nochmal.“. Die Tür schloss sich wieder und Shiro ließ einen beklommenen Akira zurück. Dieser musterte den kleinen, zerfetzten Rücken, der vor ihm lag. Er hatte sie nicht angezogen. Vielleicht, damit die Salbe nicht vom Shirt verwischt wurde? Oder damit Akira sah, was vielleicht seine Schuld war? Der Rotschopf erhob sich und zog sein Shirt aus, ehe er in das Bett kletterte. Er legte sich neben Anna auf den Rücken, hob ihren Oberkörper mit einem Griff unter ihren Achseln an und bettete die junge Frau auf seiner Brust. Ihre Brüste waren weich, unglaublich zart. Ihre Haare waren strähnig vom ganzen Schwitzen und schimmerten in einem dunklen Gold. Ihre Augen waren geschlossen, sie schlief wie ein Stein, und ihre Stirn war mit Schweißperlen bedeckt. Sie glühte immer noch. Vorsichtig wanderten seine Hände auf ihre Pobacken. Er traute sich nicht, ihren Rücken zu berühren. Er sah aus, als würde jede einzige Berührung weh tun. Das Bluten hatte gestoppt, dennoch waren noch tiefe Schnitte in der Haut, die bis in das Fleisch reichten. Es erinnerte fast an den Alptraum, den sie einst bei Mirai Zuhause gehabt hatte. Seine Finger umfassten das runde Fleisch und drückten ihren Unterkörper leicht an seinen. Natürlich wollte er ihr nahe sein – er wollte der einzige sein, der ihr so nahe sein durfte. Er würde sie nicht hergeben, vor allem nicht an diesen furchtbaren Shiki. Auch nicht an Sho, Ren, Mirai oder sonst irgendjemanden, der sie wollte. Niemand sollte sie haben. Akira schloss seine Augen. Die Worte, die Satoshi ihm gesagt hatte, hallten in seinem Gedächtnis wieder. „Sobald die Gier und Sucht in dir zu groß wird, wird Anna dein erstes Opfer sein“. Er hatte genau das angesprochen, wovor Akira am meisten Angst gehabt hatte – der Grund, sich zurück zu halten. Er wusste nicht, was stärker war: Die Angst, Anna los zu lassen oder die Angst, sie zu zerstören. Beide Aussichten sahen nicht rosig aus. Doch musste er sich nicht dafür entscheiden, was für sie am besten war? Der süße Geruch von Vanille und Himbeere drang in seine Nase und Akira holte einmal tief Luft. Sie hatte gesagt, dass es ihre Entscheidung sein würde. Also würde er sich allem fügen, was sie beschloss. Selbst wenn es darauf hinaus lief, sie los zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)