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Zwei Leben

Oder aber auch: Ein Campingunfall mit Folgen
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier kommt das erste Kapitel. Von der allerallerersten Version, die ich geschrieben hatte, unterscheidet es sich schon stark. Was wahrscheinlich daran liegt, dass ich die erste Version nie zu Ende geschrieben habe, weil ich irgendwann nicht mehr weiterwusste ^^'
Also viel Spaß beim Lesen! :) Komplett anzeigen

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Eine eindeutige Entscheidung?

Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Gehen oder bleiben? Hierbleiben oder zurückgehen? Was sich so einfach anhörte, war die Entscheidung zwischen zwei Leben, MEINEN beiden Leben.
 

Hier eine Gemeinschaft, die mich mit offenen Armen aufgenommen und mir ein völlig neues Leben gezeigt hatte. Ein spannendes Leben, aber auch ein Leben voller Gefahren, eins, in dem jeder Zeit etwas Unvorhergesehenes passieren konnte.
 

Dort eine große, anonyme Menschenmasse, die sich gegenseitig nicht wahrnahm und sich nicht umeinander kümmerte, es sei denn, es handelte sich um Bekannte oder um eine Katastrophe. Ein langweiliges Leben, planbar, vorhersehbar, selten passierte etwas Unerwartetes.
 

Die Entscheidung schien klar. Oder doch nicht?

Der letzte Familienurlaub

Zirka 1 Jahr davor:
 

„Nat, Mädchen, kommst du? Wir wollen los!“

„Ja Mum, sofort! Ich hab meine neuen Kopfhörer noch nicht gefunden!“ Hektisch sah ich mich in meinem Zimmer um. Es herrschte, wie ich es gerne ausdrückte, ein „geordnetes Chaos“. Für meine Mutter war es allerdings pures Chaos. Normalerweise wusste ich immer, wo meine Sachen ungefähr lagen und konnte sie dann schnell finden, doch bei meinen neuen Kopfhörern war das diesmal nicht der Fall.

„Wenn du nicht in 30 Sekunden unten bist, fahren wir ohne dich!“ Das war mein Vater. Und der machte seine Drohungen wahr. „Ach, scheiß drauf!“, dachte ich mir und sprintete runter. Ich kam noch rechtzeitig und setzte mich hinter meine Mutter auf die Rückbank unseres dunkelgrünen Kombis. Meine Mum blinzelte mir zu. Sie hieß Sarah und war eine der fröhlichsten Personen, die ich kannte. Ihre schulterlangen, schwarzen Haare wiesen trotz ihrer 43 Jahre und den kleinen Kindern, mit denen sie sich tagtäglich im Kindergarten beschäftigte, noch keine Spur von grau auf. Neben ihr, auf dem Fahrersitz, stieg gerade mein Vater ein, Xavier. Er war das Gegenteil von meiner Mutter: groß, kräftig-muskulös gebaut, seine dunkelblonden Haare waren an den Schläfen schon leicht ergraut und meistens war er sehr ernst, was nicht gerade zu einer fröhlichen Persönlichkeit beitrug. Manchmal fragte ich mich, wieso die beiden zusammenkamen und wieso sie immer noch zusammen sind. Aber wie heißt es so schön? Gegensätze ziehen sich an. Neben mir saß mein großer Bruder Andy. Und groß meine ich in zweierlei Hinsicht: zum einen war er 19 und damit zwei Jahre älter als ich und zum anderen war er 1,90 Meter groß und damit sogar noch zwei Zentimeter größer als mein Vater. Seine Haarfarbe hatte er von unserem Vater, seinen Charakter aber glücklicherweise von unserer Mutter geerbt. Außerdem hatte er den Drang mich ständig zu beschützen, was aber glücklicherweise nicht überhand nahm. Ansonsten zeigte er mir allerdings selten, wie gern er mich hatte, was ich ihm aber nicht weiter übel nahm. Es war sein letzter Familienurlaub mit uns, bevor er im Herbst auf die Uni ging. Ich wusste jetzt schon, dass er mir schrecklich fehlen würde. Im Moment jedoch blinzelte er mir zu und grinste:“Meinst du diese Kopfhörer, die du nicht finden konntest?“ Dabei zeigte er auf meinen offenen Rucksack, der zwischen uns stand. Und tatsächlich, da waren meine neuen Kopfhörer, lagen ganz unschuldig oben auf meinem Buch. Ich hatte wohl in meiner Verpeiltheit vergessen, dass ich sie schon eingepackt hatte. Ich schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn. „Ja, genau, die hab ich gesucht“ „Na, dann ist die Fahrt ja jetzt gerettet“, lächelte er, bevor er seinen Blick wieder auf seinen Smartphone richtete. Dabei wurde sein Grinsen noch breiter und ein bisschen wehmütig. Anscheinend schrieb er mit seiner Freundin. „Grüß Anabell von mir“, sagte ich, bevor ich mir meine Kopfhörer in die Ohren steckte. Ein Nicken signalisierte mir, dass er mich gehört hatte.
 

Etliche (also ungefähr 7) Stunden später waren wir am Dock unserer Fähre angelangt. Es war nur eine kleine Fähre mit Platz für vielleicht drei Autos und sie würde uns auf eine der unzähligen kleinen Inseln vor der Küste bringen. Dort gab es einen kleinen Campingplatz, der nur Insidern bekannt war. Dieser besaß zwar ein Sanitärgebäude, aber das Wasser in den Duschen blieb meistens kalt und die Toiletten waren nur Trockenklos. Damit war es auch nicht jedermanns Sache, doch ich liebte diesen Campingplatz, seit wir vor drei Jahren das erste Mal hier Urlaub gemacht hatten. Meine Freundinnen verstanden mich nicht und schüttelten meistens nur den Kopf, wenn ich von diesem Platz schwärmte. Sie waren der Natur nicht unbedingt abgeneigt, doch ein paar Annehmlichkeiten der Zivilisation brauchten sie schon. Die (fast) pure Wildnis überforderte sie. Die Überfahrt dauerte eine ganze Stunde. Ich stand die ganze Zeit an Deck, schaute auf unser Ziel und ließ die Vorfreude immer größer werden. Ich liebte die Natur, vor allem die unberührte, wilde. Das hatten alle aus unserer Familie gemeinsam, weshalb die Wahl für unseren letzten gemeinsamen Familienurlaub auch auf diesen Campingplatz gefallen war. Kurz vor Ende der Fahrt ging ich zu unserem Kombi, auf dessen Dach unsere beiden Kanus festgebunden waren. Als ich einstieg, saß Andy schon auf seinem Platz. Er sah nicht so begeistert aus. „Hey Brüderchen, was ist denn los?“, fragte ich, auch wenn ich mir die Antwort bereits denken konnte. „Was soll denn los sein? Zwei Wochen kein Internet, wahrscheinlich noch nicht mal normaler Handyempfang. Ergo: ganze zwei Wochen kein Kontakt zu Anabell! Das ist der pure Horror!“ Bingo! Meine Vermutung hatte sich bestätigt. „Dafür ziehst du nach dem Urlaub doch mit ihr zusammen, oder nicht?“, versuchte ich meinen großen Bruder aufzuheitern. „Ja, schon. Aber trotzdem! Es ist schlimm, für zwei Wochen mit deiner Freundin keinen Kontakt haben zu können. Aber du verstehst das nicht. Du hattest ja noch nie einen Freund“, maulte er niedergeschlagen. Wo er recht hat, hat er recht. Aber wenn ich ihn mir so ansah, wollte ich das auch gar nicht. Ich ließ mir nicht so gerne meinen Urlaub versauen. „Nimm's nicht so schwer, Andy. Später bist du um jede Minute froh, die du Ruhe vor deinem Partner hast. Nicht wahr, Xavier?“, mischte sich meine Mutter jetzt auch in das Gespräch ein. Von meinem Vater kam nur ein Brummen, welches sowohl Zustimmung als auch Ablehnung bedeuten konnte. In solche Gespräche mischte er sich generell nicht ein. Mein Bruder seufzte nur resigniert. Man sah ihm an, dass er unserer Mutter nicht zustimmte. Aber anstatt sich auf eine Diskussion einzulassen, die er sowieso nicht gewinnen konnte, schaute er aus dem Fenster. Ich tat es ihm gleich und ließ es zusätzlich noch runter. Vor, beziehungsweise überall um uns herum, erstreckte sich ein Wald, ein Urwald. Große, mächtige Bäume, meistens Nadelbäume, standen dicht am Weg, der einzigen Spur menschlicher Zivilisation. Wobei er auch nur aus zwei parallelen Fahrrinnen bestand. Befestigt war er in keinster Weise, er glich eher einem Feldweg. Nach nochmal gut einer Stunde Fahrt erreichten wir den Campingplatz. So wie's aussah hatten wir noch drei Nachbarn, deren Autos neben dem Sanitärgebäude standen. Von ihnen selbst war nichts zu sehen, sie waren wahrscheinlich irgendwo unterwegs, wandern oder Kanu fahren zum Beispiel.

Von den letzten zwei Malen die wir hier gewesen waren, hatten wir uns einen Lieblingsplatz auserkoren und stellten erfreut fest, dass er noch frei war. Er lag abgeschieden am Waldrand, war durch brusthoch wachsende Büsche vom Trampelpfad abgeschirmt und gerade groß genug für uns. Das Auto mussten wir allerdings, wie alle anderen auch, neben dem Sanitärgebäude abstellen. Also stellte mein Vater das Auto ab, wir stiegen aus, nahmen die Zelte aus dem Kofferraum und machten uns direkt daran, sie aufzustellen. Wir hatten zwei 3-Personen-Zelte. Das eine teilten sich meine Eltern, das andere Andy und ich. Da wir sehr viel zelteten, ging der Aufbau sehr schnell. Während meine Mutter danach auf unserem kleinen Gascampingkocher Wasser für Tee und Kaffee heiß machte, stellte mein Vater den kleinen Pavillon auf, den wir immer mit hatten, wenn wir länger als zwei Nächte an einem Ort bleiben. Er bot gerade mal Platz für unseren kleinen Tisch und die vier Stühle. Mehr brauchten wir nicht. Andy und ich holten derweil die Kanus vom Dach unseres Kombis und legten sie neben die Zelte auf den Boden. Nachdem das geschafft war, setzten wir uns in den, im Moment noch nach allen Seiten offenen, Pavillon, tranken Tee und Kaffee und freuten uns, endlich im Urlaub und mitten in der Natur zu sein.

Der Kanuausflug

Die Hälfte unseres Urlaubs war schon vorbei. Andy hatte seinen Liebeskummer glücklicherweise bereits nach zwei Tagen überwunden, mein Vater taute allmählich auf, was man an seiner zunehmenden Fröhlichkeit merkte, auch wenn er immer noch nicht viele Worte machte, meine Mum entspannte mit jedem Tag mehr und auch ich konnte mich mittlerweile vernünftig mit unseren Nachbarn unterhalten, nachdem ich anfangs vor lauter Schüchternheit nur einsilbige Antworten gegeben hatte. Insgesamt waren es drei: ein junges Hippie-Pärchen, welches mit einem anderen Nachbarn, einem zirka 40-jährigen Unternehmer, regelmäßig über ihre unterschiedlichen Weltansichten diskutierte und ein Paar mittleren Alters in seinen Flitterwochen.

Das Wetter war bis jetzt wirklich perfekt gewesen, zumindest tagsüber, weder zu heiß, noch zu kalt. Nachts hatte es ab und zu mal geregnet, sodass wir morgens nach unserem ersten Toilettengang schlammige Schuhe hatten. Das war im Laufe des Tages aber immer wieder verschwunden. Meistens gingen wir wandern, hatten alles Fußläufige erkundet. Heute wollten wir zu unserem mehrtägigen Ausflug starten. Unsere Kanus waren zwar für mehr als zwei Personen ausgelegt, doch um Streitigkeiten zu vermeiden und um genug Platz für Gepäck zu haben, fuhren immer nur zwei Leute zusammen. Die Aufteilung war allerdings nicht die gleiche wie bei den Zelten. Wir hatten nämlich schon bei einer unserer ersten Touren überhaupt (also vor ganz ganz vielen Jahren) festgestellt, dass die besten Kombis Andy mit meiner Mum und ich mit meinem Vater waren. Ich brauchte Ruhe während ich fuhr, wobei Andy und meine Mum beim Kanufahren unbedingt reden mussten.
 

Wir standen also ganz früh auf, frühstückten und verstauten die Sachen im Kanu. Jedes Boot bekam zwei Schlafsäcke, zwei Planen und Essen mit. Für den Fall, dass wir uns verloren, was noch nie vorgekommen war, konnte also jeder überleben. Gegen halb neun ging es los. In unserem Kanu steuerte mein Vater, im anderen saß Andy hinten. Wir fuhren einen Fluss entlang, welcher irgendwo unter der Erde entsprang und an der Stelle, an der er an die Oberfläche trat, breit und tief genug zum Befahren war. Die Bäume standen bis ans Ufer, doch nur selten ragte ein Ast übers Wasser. Außerdem bildeten sie eine so dichte Krone, dass viel Unterholz verhindert wurde und auch auf den Flusslauf selbst fiel wenig Sonnenlicht. Man konnte bis auf den Grund sehen und durch Spiegelungen des Ufers wirkte es sehr geheimnisvoll. Mein Vater und ich blieben hinter den beiden anderen und konnten so nur wenig von deren Unterhaltung aufschnappen, was uns beide aber nicht sonderlich störte. Aus den wenigen Gesprächsfetzen, die wir trotzdem mitbekamen, gingen ganz unterschiedliche Themen hervor: manchmal Andys Beziehung zu Anabell, mal sein Studium und dann wiederum Mums Arbeit und ihre schreckliche Chefin. Um die Mittagszeit war es schwer, einen Rastplatz zu finden, das Ufer war steil und es gab keine Inseln. Am Ende legten wir uns aneinander, ließen uns in der geringen Strömung treiben und aßen die belegten Brote, die Mum uns gemacht hatte. Zum Abend hin wurde das Ufer glücklicherweise flacher und wir fanden einen Platz zum Übernachten. Er war ein bisschen größer als unser Platz auf dem Campingplatz und wurde anscheinend öfter von Kanufahrern benutzt, da es eine mit schweren Steinen umrandete Feuerstelle gab, jedoch ohne Sitzgelegenheiten. Die Planen waren schnell aufgespannt und wir setzten uns auf den Baumstamm, den mein Vater und Andy gefunden und hierher geschleppt hatten. Ausnahmsweise sagten weder Andy noch meine Mum etwas, sodass es eine sehr stille Mahlzeit wurde, nur begleitet durch die Geräusche des Waldes. Feuer konnten wir leider keins machen, da es in letzter Zeit sehr trocken gewesen war und die Waldbrandgefahr damit zu hoch. Als die Sterne schon am Himmel standen, legten wir uns schlafen.

Als wir in unseren Schlafsäcken lagen, stupste Andy mich leicht an: „Sag mal, Nat, wie hältst du es eigentlich aus, tagsüber so wenig zu sagen? Ich könnte das nicht.“ „Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht genau. Ich habe halt nicht das Bedürfnis, so viel zu sprechen. Ich denke, dass Sprechen vom Wahrnehmen abhält, weißt du?“, antwortete ich, ein bisschen überrascht über seine Frage. „Aber was machst du dann? Mit irgendwas musst du dich doch beschäftigen“, meinte Andy ein bisschen ratlos. „Ich beobachte. Wie sich das Ufer verändert, zum Beispiel. Manchmal sehe ich auch Hirsche, die euer Geplapper noch nicht vertrieben hat“, erwiderte ich. Mein großer Bruder brummelte nur. Er war noch nie ein großer Beobachter gewesen, er redete mehr. Darin unterschieden wir uns wie Tag und Nacht. Jetzt drehte er sich aber nur um, wünschte mir eine gute Nacht und damit war alles gut. Was ich ihm allerdings nicht anvertraut hatte, war, dass ich auch viel tagträumte. Meistens sah man mir das auch gar nicht an, aber ich träumte mich oft in meine eigenen Welten. Häufig stellte ich mir einfach vor, wie ich mein Leben ändern könnte, wenn ich nur nicht so schrecklich schüchtern wäre. Ab und zu träumte ich aber auch von einem Leben im Wald, eins mitten in der Natur, völlig unabhängig von anderen und frei von Erwartungen. Nicht, dass ich unter großem Druck vonseiten meiner Eltern stand, aber ich wollte sie auch nicht enttäuschen. All diese Tagträume behielt ich aber grundsätzlich für mich. Noch nicht mal meiner besten Freundin Kim erzählte ich davon. Sie waren mein kleines Geheimnis.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, ihr habt ein bisschen Lust auf mehr bekommen. :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war auch schon das erste Kapitel. Es ist noch nichts spektakuläres passiert, ich weiß. Aber ich wollte euch erst einmal Nataschas Familie vorstellen. Aber die Action kommt noch, keine Sorge. :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, wieder nicht so viel Action.
ABER: Zum einen gibt es eine kleine Andeutung auf den weiteren Verlauf der Geschichte (ich sag jetzt aber nicht was) und zum anderen verspreche ich hoch und heilig, dass es ab dem nächsten Kapitel mit dem losgeht, was diese Fanfic ausmacht, ok? :D Komplett anzeigen

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