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Der Pfad des blutroten Teufels

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich glaube einige Kapitel sind etwas gränzwertig. Könnte man mir vielleicht eine ENS schicken, falls diese Geschichte - widererwartens doch besser in den Adult-Bereich gehört? Komplett anzeigen

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Das Gerücht vom blutroten Teufel


 

„Solltest du zufällig „den Pfad des blutroten Teufels“ kreuzen, dann gibt es drei Gebote, die unbedingt befolgt werden müssen.

Erstens - Zeige Reue, dass du an Gott geglaubt hast.

Zweitens – Opfere die Chance auf ein langes Leben.

Drittens – verfluche dein Leben, in welchem du das Glück hattest von einem Teufel gemordet zu werden.

Befolgst du diese Gebote, so wird „der Pfad des Blutroten Teufels“ dich davonkommen lassen.“
 


 

„In letzter Zeit gehen innerhalb Englands eine Menge solcher diffusen Gerüchte umher. Es scheint als reden die zuständigen Behörden nur noch von grausamen Serienmördern, die 'Jack the Ripper' gleichkommen. – Durch solche selten dämliche Scherze, erschaffen die doch die größten Mysterien um solche kranken Existenzen. Die beiden kürzlich aufeinandergefolgten Fälle ähneln sich in vielen Details, aber verglichen mit Jack the Ripper, der die Leichen einfach nur zerstückelt hatte, war jemand wie der Teufel, kein Vergleich. Der Teufel häutet seine Opfer und kehrt das Innere, gänzlich nach außen, um das Opfer völlig unerkenntlich zu machen, sagt man, aber letztendlich haben wir bisher nur eines an beiden Tatorten gefunden... Was die beiden Fälle also im Großen und Ganzen gemeinsam haben ist schlussendlich, dass sie eine ziemliche Blutlache hinterlassen.“ Der junge Mann mit dem silbergrauen Haar und der gänzlich weißgrauen Kleidung nippte an seinem gerade frisch aufgebrühten Earl Greay. Wie üblich genoss er diesen mit einem Schluck Milch. Sein Gegenüber war ebenfalls ein junger Mann, in ungefähr seinem Alter. Die Gestalt jedoch war zierlicher und schmaler als seine. Das hellblaue Haar war ihm langgewachsen und er trug sie nun nach hinten gebunden. Marufuji Shou hatte sein äußeres Erscheinungsbild in der Tat kräftig verändert. Dennoch war seine Körperhaltung noch immer etwas unsicher, vor allem wenn es um dieses unsägliche Thema ging, welches sie hier miteinander besprachen. Von Unbehagen gequält richtete Shou seine dünne, runde Brille und ergriff endlich wieder das Wort: „Ach ehm… und warum weißt du so viel darüber? Stellst du Nachforschungen an, Edo?“

Der Brite nickte und hüllte sich zunächst in einer künstlerischen Pause, während der er seinen alten Schulkameraden ganz genau in Augenschein nahm. „Ja, auf eine Anfrage der zuständigen Behörden hin, habe ich mich dazu bereiterklärt. Am Anfang hatte ich keinerlei Interesse daran, aber ich habe eine ziemlich grausige Geschichte gehört. Die Geschichte die den Grund erzählt wodurch 'der Pfad des blutroten Teufels' seinen Namen erhalten hat. Der Name rührt nicht daher, dass er tote Körper in deren eigenen Blut tränkt, es heißt dass er blutrote Kleidung trägt die im Wind flattert. Glücklicherweise hat man eine einzige Nachricht, von einem der Opfer, gefunden. Einer der Blutzeugen schrieb etwas, kurz vor dem Zeitpunkt seines Todes, dass er zwar unausgesprochen lassen musste, aber auf einem Dollarschein mit seinem eigenen Blut niederschrieb.
 

'Der Teufel ist ein unvergleichlich schönes Fräulein, ein ebenso edler Herr und äußerst wahnsinnig. Dieser Teufel, dessen roter Mantel im Wind flattert sang die Worte: Wo befindet sich mein Gott?‘

Von diesem Opfer blieb nichts anderes zurück als diese eine Notiz, ein entstellter Klumpen Fleisch und Unmengen von getrocknetem Blut“, Edo Phoenix verzog sein Gesicht zu einer bitteren Miene, die Erinnerung an zahlreiche Fotografien der Spurensicherung, sowie der kiminaltechnischen Untersuchung fuhr ihm wieder ins Gedächtnis, doch der Silberhaarige ignorierte diese unseligen Eindrücke und fuhr fort: „Dieser rote Mantel geht mir nicht aus dem Sinn.“

„Warte mal... ich glaube...“, warf Shou wie vom Blitz getroffen ein. Eine unsagbare Kälte fuhr ihm durch Mark und Bein, denn er ahnte bereits, worauf Edo hinaus wollte. Er erinnerte sich an ein lang entferntes Geschehnis, welches sich vor vielen Jahren zugetragen hatte. An seinen Freund, gebeugt über einen weiteren, leblosen Körper. Dieser eine Junge, der so strahlend hell wie die Sonne war und stets in rot gekleidet… Doch dieser Gedanke war vollkommen absurd.

„Exakt! Die Verbrechen des Teufels haben Anfang des Jahres begonnen und nun bereits sechs Tote erreicht. In London fand man hier und da Eingeweide und Fleischklumpen zerstreut, welche von der Spurensicherung identifiziert wurden. Einige der Fleischklumpen stimmen sogar mit der DNA der beiden neuen Mordopfer überein. Was bisher alle Opfer miteinander gemeinsam haben ist, dass sie alle noch nicht erwachsene Jungen waren. Das Alter liegt meistens zwischen fünfzehn und siebzehn Jahren. Niemand von ihnen konnte bisher ganz genau identifiziert werden, aber durch eine Liste der spurlos verschwundenen Personen, seit Anfang des Jahres, konnte ich eine ungefähre Vermutung ziehen um wen es sich vielleicht handeln könnte. Was mich auf meinen Verdacht brachte war aber eigentlich nicht die rote Kleidung, sondern vielmehr, dass… Alle von ihnen hatten ähnlich blaues Haar wie er.“

„Johan...!?“, stieß Shou schockiert aus wobei er ähnlich klang wie eine aufgescheuchte Maus.

„Genau. Deshalb ist der blutrote Teufel...“, begann der Silberhaarige, doch unterbrach sich selbst.

Sowohl Edo als auch Shou verfielen in betroffenes Schweigen. Eine erdrückend schlechte Stimmung legte sich schwer auf die Gemüter der beiden jungen Männer und überzog sie mit einer unangenehmen Gänsehaut. Langsam konnte auch Shou nachvollziehen, wieso Edo ihn extra aus Japan einfliegen ließ, obwohl er genug als Lehrer an der Duellakademie zu tun hatte. Ohnehin war Shou sehr überrascht gewesen wieder etwas von seinem alten Bekannten zu hören – sie waren nie die besten Freunde gewesen und dennoch teilten sie viele gemeinsame Abenteuer – nun verstand er ein wenig besser. Edo brauchte Gewissheit, denn hier ging es um einen zweifelsohne gefährlichen Serienmörder. Die beiden tauschten einen weiteren Blick aus und seufzten tief, ohne es abgesprochen zu haben. Dabei bekamen sie das Gefühl, dass ihr Atem in der schlechten Atmosphäre anfing zu faulen.

„Natürlich gibt es für meine Vermutung noch keinen eindeutigen Beweis. Es ist viel mehr nur ein intuitives Gefühl. Wer wäre zu so etwas in der Lage? Vor allem nach so langer Zeit des Verschwindens, ist es ziemlich fragwürdig. Aber trotzdem, auch wenn dieser kleine Dummkopf schon vor zehn Jahren spurlos verschwunden ist, liegt der Verdacht näher, wenn man sich die Mordopfer ansieht. Ich gebe zu, dass es eine gewagte Vermutung ist. Trotzdem kann ich nicht sagen, dass es vollkommen unmöglich ist... mit der Farbe Rot wird Yuuki Juudai nun mal in Verbindung gebracht und die Toten ähneln Johan“, fügte der Produellant nachdenklich hinzu, wobei er auf seinem Daumen herumkaute. Angesichts von Juudais wechselnden emotionalen Zustands in der Isekai, war Edo sich darüber in Klaren, was man ihm in gewissen Momenten einiges zutrauen konnte. Vor allem Alleingänge und ungestümes Verhalten lagen dem ehemaligen Roten Helden nahe. Bei dem Gedanken was vor zehn Jahren geschehen war, wollte Edo seine Gedanken lieber nicht weiterfliegen lassen.

„Das stimmt schon, da kann ich dir leider nur zustimmen“, erwiderte Shou mit einem äußerst missgelaunten Ton, welcher sich ebenfalls in seinem finsteren Gesichtsausdruck widerspiegelte.
 

Yuuki Juudai.
 

Er war schon immer so etwas wie ein großer Bruder für Shou gewesen. Ein Bruder nach dem Shou sich seit Kindertagen gesehnt hatte. Ein strahlender Held, auf den man sich stets verlassen konnte, wenn man sich in Gefahr befand. Dennoch hatte Yuuki Juudai sich nicht immer als zuverlässiger Freund erwiesen, wenn es darum ging freundschaftlichen Rat oder Unterstützung zu spenden. In ihm befand sich, wie in jedem anderen Menschen auch, mehr als nur eine Seite.

Dann, vor zwölf Jahren, verfiel Juudai durch seine tiefe Verzweiflung in eine mentale Sackgasse und Haou erwachte in ihm. Als oberster König dieser fremden Welt, durchschritt er die Isekai um eine Spur von Feuersbrünsten und Tod hinter sich herzuziehen. Ausgelöst wurde dieses emotionale Trauma durch den Verlust eines einzigen Menschen: dem Austauschschüler von der Nordakademie, Johan Andersen. Trotz Allem war Juudai der Held Aller gewesen. Ein Junge, der die Welt mehr als nur einmal vor der kompletten Zerstörung retten konnte.

Woran Shou sich erinnern konnte genau daran erinnern, wann er Juudai das letzte Mal gesehen hatte. Es war vor zehn Jahren gewesen. Damals stand kein stolzer Sieger vor ihnen. Es kauerte ein bemitleidenswertes Etwas vor ihm. Diese jämmerliche, heruntergekommene Gestalt die dem widerlichsten Wahnsinn verfallen war. Vor zehn Jahren hatte Yuuki Juudai wirklich und wahrhaftig seinen besten Freund, Johan Andersen, unwiderruflich verloren.
 

Der Grund dafür war keinesfalls Yuberu oder irgendeine andere feindliche Kraft, sondern schlicht und ergreifend, das Schicksal namens Tod.
 

Dieser plötzliche Tod riss die beiden für immer auseinander. Juudai hatte Johans Tod mit eigenen Augen ansehen müssen, woraufhin er in eine grausame, geistige Verfassung verfiel. Juudai weinte bitterlich, rief und schrie. Er schrie Johans Namen auch dann noch, als seine Stimme schon heiser wurde und zu verstummen drohte.

Die Todesursache Johans ist bis heute völlig ungeklärt. Es handelte sich um ein einziges Mysterium. Bis zum Vortag seines Todes war Johan Andersen ein vollkommen gesunder, junger Mann gewesen. Es gab keine Anzeichen eines Herzinfarktes oder innerer Hirnblutungen. Er schien wie in den ewigen Schlaf hineingesegelt zu sein, ein friedlicher Schlummer bis ans Ende aller Tage, wie es aussah.

Johan war ein zum Erschaudern wunderschöner Junge gewesen, der wie eine perfekte Porzellanpuppe auf dem Schlachtfeld gestorben war. Wo Johans unversehrte Leiche und Yuuki Juudais Aufenthaltsort verlagert wurden, wusste binnen drei Tage niemand mehr. Nach etwa einer Woche gab es kein einziges Lebenszeichen mehr von ihnen. Weder von Johan, noch von Juudai. Nicht einmal der engste Freundeskreis des Helden wusste auch nur das kleinste Detail über das, was sich nach Johans Tod zutrug.

„Aber trotz Aller Hinweise, glaube ich nicht, dass Aniki... dass mein Aniki so etwas... wie 'der blutrote Teufel'... das kann ich einfach nicht glauben. Aniki war immer unser Held gewesen. Juudai hat gegen die Seven Stars gekämpft, Saiou vernichtet und alles, was uns je bedroht hat! Und nachdem er in die Pro-League eingetreten ist, hat er blutrünstige Mörder gefasst, aber selbst hätte er nie Hand an andere gelegt.“

„Natürlich gibt es keine Beweise und meine Schlussfolgerungen gehen auch nicht über Mutmaßungen und Theorien hinaus. Sie rühren eher von der unklaren Beweislage her. Aber eines wirst wohl auch du nicht vergessen haben oder, Shou? Der Juudai, den wir in der Isekai vor unseren Augen hatten war kein einfacher Serienmörder, er hat regelrechte Massaker veranstaltet. Selbst der Begriff 'Mörder' ist für ihn noch zu harmlos, finde ich. Haou war ohne Zweifel ein Tyrann“, entgegnete Edo mit verschränkten Armen und einer ziemlich nachdenklichen Miene. Gerade weil Edo vermutete, dass Shou sich zunächst auf Juudais Seite schlug, hatte er ihn hierher eingeladen. Er brauchte einen Gegenpol zu seinen harten Vermutungen, ansonsten fühlte sich Edo in seinen eigenen Kombinationen verloren.

„Natürlich weiß ich das! Als ob ich so etwas vergessen könnte... Aber Aniki war damals nicht er selbst. Er hat sein Herz nur für Johan völlig vergessen und abgetötet… Er wusste doch nicht, was er tat“, entgegnete der kleinere der beiden jungen Männer, doch murmelte Shou gleich darauf weiter, „Außerdem ist Johans Tod schon zehn Jahre her...warum sollte Aniki jetzt?“

„Das ist eine andere Frage. Wichtiger ist der Fakt, dass weder Johans sterbliche Überreste, noch Yuuki Juudai auffindbar sind.“

„Na hör Mal, es sind zehn Jahre vergangen! In dieser Zeit sollte die Leiche schon längst verrottet sein, oder nicht? Selbst Aniki sollte während dieser Zeit begriffen haben, dass Johan längst wieder ein Teil der Erde geworden ist. Es sind zehn Jahre, Edo! Jedenfalls ist das meine Meinung.“

„Es sind wie schon gesagt alles nur Theorien, aber genau deshalb kooperiere ich auch mit den zuständigen Behörden. Außerdem bin ich mit all diesen Informationen auch zu dir gekommen, damit ich deinen Rat einholen kann. Shou, du kennst Juudai am besten und hast mir nun erzählt, dass es wenigstens Ansatzweise möglich wäre. Auch, wenn wir keine Beweise haben, stelle dich bitte geistig darauf ein, dass Juudai eventuell doch zu einem psychopathischen Serienmörder geworden ist...“, erklärte Edo ruhig, so dass er seinem Bekannten keinen Anlass gab sich mit ihm zu streiten, „Aber sag, Shou, was würdest du tun, wenn sich herausstellt, dass er es war und du auf ihn triffst? Glaubst du, dass du ein gewöhnliches Gespräch mit ihm führen kannst? Was wäre, wenn du nicht mental darauf vorbereitet bist, glaubst du, dass du dich gegen ihn zur Wehr setzen könntest? Wahnsinn macht keinen Halt vor alter Freundschaft. Auch wenn es eine noch so gute Zeit war.“

Shou sollte es als guten Ratschlag nehmen, alle Möglichkeiten abzuwiegen, fügte Edo hinzu und klopfte seinem alten Bekannten ziemlich nüchtern auf die Schulter. Es lag nicht in der Natur des Briten die Dinge zu überdramatisieren, noch fand er es gut, wenn man Menschen unterschätzte. Menschen brauchten nicht viel, damit man sie vollkommen verändern konnte. Diese Erfahrung musste er bereits als kleiner Junge machen, als er seinen Vater tot auffand. Ob es nun Gier nach Geld oder Ruhm sei, es brauchte nicht viel um jemanden vollkommen in das schlimmste Abbild seiner Selbst zu verwandeln.

Ohne, dass Edo es auch nur ahnte, ahnte Shou allerdings tatsächlich, in welche Richtung die Gedankengänge des Anderen gingen und war ebenso in der Lage ihnen zu folgen. Was Shou viel mehr aus der Bahn warf war die Tatsache, dass Edo sich offensichtlich um ihn sorgte und sogar seinen Rat einholte. Er kannte seinen alten Bekannten so nicht. Sonst verhöhnte er diejenigen, welche ihm unterlegen waren und wirkte herablassend und oft arrogant. Außerdem musste Shou zugeben, dass Edos Intuition nicht schlecht war. Wie sehr Shou seinen besten Freund auch liebte, das Wort ‚Teufel‘ konnte im selben Atemzug wie ‚Held‘ sehr wohl mit Yuuki Juudai in Verbindung gebracht werden. Das Monster Yuberu, von dem er wie besessen und manisch geliebt worden war, gehörte zweifellos zur Gattung der Dämonen. Seinem Wissen nach verschmolz sein Bruderersatz einst mit diesem verrückten Monster. Trotz allem spürte Shou ein starkes Verlangen danach, die Argumente seines Bekannten wiederlegen zu wollen. Jedenfalls, wenn es ihm irgendwie möglich war; und falls nicht, dann wollte Shou mit eigenen Augen sehen wie der Teufel sein Ende fand und hoffentlich wieder zu demselben, liebenswürdigen Aniki wurde, den er an der Duellakademie kennengelernt hatte.

„Also Shou“, Edo riss den Anderen aus seinen kreisenden Gedanken, langsam streckte er ihm die Hand entgegen, „Bist du bereit mit mir zusammenzuarbeiten?“

Shous leichtbraune Augen tragen die strahlenden Saphire des Silberhaarigen. In ihnen war zu lesen, dass sie beide dazu bereit waren ‚dem Teufel‘ von Angesicht zu Angesicht entgegenzustellen um ihm das Handwerk zu legen. Shou schlug in die Hand des Briten ein und nickte: „Du kannst dich auf meine Hilfe verlassen, Edo Phoenix.“

„Sehr gut. Tu mir aber den Gefallen und mach keine Alleingänge. Du kennst dich in London nicht aus und es wäre einfältig von dir, wenn du dich als Held versuchst“, meinte er trocken und wohlwissend, dass sein ehemaliger Mitschüler jedenfalls früher zur eher tollpatschigen Sorte gehörte. Shou warf ihm einen eher entgeisterten Blick zu.

„Ach, was soll das denn heißen?“

„Tu einfach nichts Blödes und halt dich an unsere Absprachen, alles klar?“ Noch immer ein bisschen unzufrieden mit dieser lapidaren Erklärung, die sich vielmehr anhörte wie eine Ausrede, stimmte Shou nachgebend zu. Eine Hetzjagd auf einen Mörder begann für die beiden Duellanten und sie waren sich sehr sicher, dass es keine erfreuliche Suche werden würde.
 


 

Fortsetzung folgt.

Der blutrote Teufel

Ein verrücktes Lachen schallte durch die Dunkelheit. Es klang so schrill, dass es einem durch Mark und Bein ging und eine unbehagliche Gänsehaut auf der Haut hinterließ, sobald man es hörte. Nachdem das Gelächter verstummt war, folgte die wahrhaftige, eigentlich wunderschön anzuhörende Jungenstimme. Hätte sich jemand in diesen Gefilden befunden, dann mochte man kaum glauben, dass es sich um ein und dieselbe Stimme handelte, die eben noch seiner kranken Ekstase Ausdruck verliehen hatte.

„Das war nun der Siebte. Es war zu einfach. Oh jah, es war wirklich zu einfach.“ Ein leises Kichern folgte auf die verträumte Aussage hin. Sein Herz klopfte schnell und kräftig vor Erwartung. Es fehlten nicht mehr viele bis er sein Ziel erreichen würde.

'Der Pfad des blutroten Teufels' oder auch 'Die Hexe Madea', wie man ihn mittlerweile hier in London nannte, war ebenso bekannt wie der brutale Verbrecher Jack the Ripper. Fernerhin tränkte der blutrote Teufel seine Umgebung verträumt in Blut und leckte lebensfremd ein wenig von seinen Händen. Kurz darauf legte er seine Stirn in Falten. Diese weichen, feuchten Innereien waren vor nur einem kleinen Moment noch ein Teil dieses lebendigen Menschen gewesen und hatten pulsiert und ihre natürliche Arbeit im Körperinneren verrichtet. Sie fühlten sich noch immer lauwarm in seinen blutbesudelten Händen an. Der Teufel liebte das Gefühl vom warmen Leben zwischen seinen schmalen Fingern, doch hatten diese menschlichen Überreste mittlerweile eine Temperatur erreicht, die er nicht mehr als angenehm empfand.

„Sieh‘ sich einer diese Unmengen von Blut an. Gut dass ich kein Vampir bin, sonst hätte ich vermutlich alles davon trinken müssen“, sprach er zu sich selbst. Früher hatte er mit den Seelen der Karten gesprochen, die ihn oft besuchten, heute kamen sie nicht mehr zu ihm. Vielmehr konnten sie ihn nicht mehr erreichen, denn der blutrote Teufel und die Hexe Medea sind vor vielen Jahren schon weltfremd geworden. Ihre Gedanken waren an jemand anderen gebunden, den es nicht mehr gab in dieser Welt, den sie doch aber unter allen Umständen wiederfinden wollte.

Zu den Füßen des Teufels lagen all die Teile, die zuvor noch in einem Menschen gewesen waren, doch augenblicklich glich alles einem verschmierten Chaos. Ähnlich wie eine groteske Zeichnung eines traumatisierten Kindes. Es handelte sich um eine vollkommen rote Blutlache, welche langsam immer dunkler wurde. Vor kurzem glich dieser weite Fleck noch einem kleinen See, auf dem das Mondlicht herabschieb und der Teufel sich spiegeln konnte. Hin und wieder war die Oberfläche von kleineren und groben Unregelmäßigkeiten unterbrochen – Fleisch-, Faser- und Muskelstücken kamen immer weiter und weiter zum Vorschein, so wie das Blut trockener wurde. All dies konnte man kaum mehr als Mensch identifizieren. Selbst das schöne, nun mehr durch und durch mit blutbesprenkelte, saphirblaue Haar nicht mehr. Nur hier und dort stach es aus dem dunkelroten Kontrast zu den Überresten heraus. Das Gesicht des jungen Mannes war durch die abgezogene Haut, kaum mehr als ein solches zu erkennen. Die sonst so genau passenden Augäpfel waren aus ihren Höhlen gerissen und gleich darauf vom Teufel zertreten worden. Der Schauplatz spiegelte die Szene eines grausamen Gemäldes über die Hölle wieder.

Der getötete Jugendliche war lediglich in einen gewöhnlichen Haushalt hineingeboren worden und hatte eine ebenso normale Erziehung sowie Ausbildung genossen. Wie es seinen gewohnten Routinen entsprach, sollte er an diesem Abend wie üblich nach den abgeschlossenen Terminen wieder nach Hause zurückkehren. Nach der Schule zum Duel Monsters Duellklub, dann zum Physiknachhilfeunterricht bei einem nahen Verwandten und dann, gegen zweiundzwanzig Uhr wieder nach Hause. Zu seinem Leidwesen aber kreuzte dieser Junge den Pfad des blutroten Teufels, der wohl ausgerüstet mit einem Deck war, doch nicht den Hauch einer Chance gegen diesen gefährlichen Gegner hatte. Dieser unglückliche Jugendliche machte den Fehler, dem Teufel gegenüber eine überaus erbärmliche Gestalt zu zeigen und bitterlich um sein Leben zu betteln. Genauso wie es jeder andere Mensch, der an seinem Leben hing auch täte. Der Junge, den der Teufel lieb hatte, war dagegen ganz anders gewesen. Der Junge damals, war wirklich außergewöhnlich selbstlos und dazu bereit gewesen sein eigenes Leben für all seine Schulkameraden zu opfern.

Der Teufel hatte diesen Jungen geliebt.

„Hmm. 'Der Pfad des blutroten Teufels' hat gar keinen so schlechten Klang, aber ich mag ihn nicht. Wenn es schon etwas mit Rot sein muss, warum nicht 'Die roten Schuhe des Teufels', das würde ich viel besser finden. Aus den Märchen von Hans Christian Andersen. 'De røde Sko' – Karen, die rote Schuhe trug. Haha...“, sinnierte der Teufel gedankenverloren, während er im roten Fleck tanzte, als trüge er tatsächlich feine, rote Tanzschuhe.
 

Es war dem Teufel nichts anderes übrig geblieben als seinem Opfer die Beine abzutrennen, wobei er belustigt in die kalten Hände klatschte. Er hatte endlich die siebte Komponente, oder viel mehr das siebte Menschenopfer, für das von ihm gewünschte Organ. Beim letzten Mal hatte er für die Nieren gemordet. Das Menschenopfer vor dem, heimste ihm die Leber ein und zuvor hatte der Teufel die Milz und die Lunge errungen. Die Harnblase war schlussendlich mit diesem siebten Opfer, in seine Hände gefallen. Nun fehlten ihm nur noch vier weitere Organe und Innereien. Darunter waren der Dickdarm, Dünndarm, der Magen, die Hoden und als letztes noch das Herz. Die weiteren fünf Bestandteile ergaben zusammen die zwölf Tode, die es laut des heiligen Rituals verlangte. Ob aber andere, klardenkende Menschen ein solches Ritual als heilig titulierten, interessierte den Teufel nicht. Für ihn war es ein langersehntes Wunder. Ein solches Mirakel konnte nur heiligen Ursprungs sein. Da war sich der blutrote Teufel ganz sicher.

Fünf Organe und sechs Eingeweide. Es fehlten ihm noch einige wertvolle Dinge, darunter eines der wertvollsten für das Ritual: das Herz. Dieses Opfer ward mit Bedacht gewählt. Der Teufel kannte das Gesicht und den Namen seiner Beute bereits, aber er war ihm bisher noch nie gegenübergestanden.

Neben dem Wertvollstem, dem Herzen waren die Hoden von größter Wichtigkeit für den Teufel.

Die Hoden…

Oh ja, diese fehlten ebenfalls noch. Eben dieser Gedanke brachte den Teufel erneut dazu, in ein hysterisches Kichern zu verfallen, das schier endlos erschien. Es soll Fälle gegeben haben, in denen Jack the Ripper den Uterus einer Frau herausgezogen hatte. Vielleicht war er, dem Serienmörder doch nicht so ungleich. Das Lachen verstummte nicht. Sobald 'der Pfad des blutroten Teufels' ein solches Lachen ausstieß, bedeutete es entweder dass er vollkommen verzückt war, oder augenblicklich frei von jeglichen Emotionen. In diesem Augenblick musste es wohl sein Verzücken gewesen sein.

„Sobald die zwölf Tode, nein, die zwölf Menschenopfer gebracht sind, wird 'Kettenmaterial' aktiviert. Ich brauche diese blöden Augäpfel und auch die Haut dieses Jungen nicht. Das Haar ist auch nutzlos. Nur noch dein schöner Körper bleibt übrig. Keine Sorge, man wird dich finden und wahrscheinlich bekommst du ein würdiges Begräbnis. Aber du wirst für alle Ewigkeit durch meine Hand weiterschlafen“, säuselte der Teufel, wobei er auf das wenige Blau des Haares herabsah, welches ihn noch immer an seinen Geliebten erinnerte, „Es ist ein Jammer. Du hättest sicher jemanden glücklich machen können. Genau wie er mich einst glücklich machte…“

Wenn der Teufel an seinen Geliebten dachte, der einfach weiterschlief, wurde sein Gemüt ein wenig sanfter. Er liebte alles an ihm. Allerdings blieb die wunderschöne Gestalt seiner Begierde noch immer eingefroren. Seit er das letzte Mal den wohlklingenden Namen ausgesprochen hatte, waren zehn Jahre vergangen. Der schlummernde Junge verblieb treu an der Seite des Teufels, allerdings er war nicht mehr und nicht weniger, als ein lebloser Körper.
 

Ein Toter sprach nicht.
 

Er überbrachte dem Teufel kein Liebesgeflüster.
 

Ein Toter sagte kein Wort.
 

Er flüsterte ihm weder Liebe zu, noch tadelte er ihn für diesen Wahnsinn.
 

„Nur für dich werde ich zu einem Dämon, zu einem Monster, wenn es sein muss, oder auch zu einem Mörder. Vielleicht aber auch zu einem Teufel oder einer hinterhältigen Hexe und ziehe mir dieses rote Paar Schuhe an, um wie ein dummes, kleines Mädchen in der Welt zu tanzen. Meinetwegen werde ich auch zur Schneekönigin, ich werde alles für dich. Denn jetzt kann ich nicht mehr zum Rückzug ansetzen. In dem Augenblick, als du 'ermordet' wurdest habe ich damit begonnen und jetzt habe ich endlich den Siebten eingesammelt, da lohnt es sich nicht einen Rückzieher zu machen. Ich werde wie Medea meinen sündigen Weg bis zum Schluss gehen. Ganz egal wie viele mich fürchten oder mir die kalte Schulter zeigen…

Egal wie viele mich in die Hölle zurückwünschen, oder auch verfluchen…

Für mich… spielt das alles keine Rolle“, sang nun die leicht feminine Stimme des Teufels vor sich hin.

In der griechischen Göttersage heißt es, dass die berühmte Hexe Medea von Hera, Zeus' Frau dazu verführt wurde ihren Vater zu hintergehen und sie verliebte sich Hals über Kopf in den eigentlichen Erzfeind Jason. Es gelang ihr tatsächlich Jason zu heiraten und ihre Intentionen waren, von den aller besten Absichten gewesen, allerdings wurde sie letzten Endes von ihrem Mann gefürchtet, als er von ihren teuflischen Taten erfahren hatte. Jason vermählte sich erneut, mit der Prinzessin eines anderen Landes. So entschloss sich die von Eifersucht und Wut geplagte Medea dafür die neue Frau ihres Mannes zu verbrennen und anschließend verschaffte sie ihrem eigenen Kind und sich selbst ein Begräbnis, so dass sie für immer von Jason getrennt waren. Allerdings hatte sie dadurch auch ihr Leben im göttlichen Paradies verwirkt.

Der Teufel warf sich das herausgezogene Organ, welches mittlerweile ausgekühlt war, in den Mund und schluckte es ohne zu kauen herunter. Das Gefühl jeden Moment erbrechen zu müssen, breitete sich in seinem Hals aus. So eine Harnblase war eigentlich viel zu groß zum Schlucken, doch der Teufel riss sich zusammen und tat es trotzdem ohne seine Miene zu verziehen. Dann, machte er sich auf den Weg und ließ den Rest des Opfers ungeachtet auf der Straße liegen. Man konnte sowieso nicht mehr erkennen, ob dieser Körper ursprünglich einmal ein anständiger Mensch gewesen war, oder nicht.

„Johan... Johan… Mein Johan...

Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Für dich Johan, nur für dich, gebe ich mein Bestes. Würdest du vielleicht schon aus dem Grund wieder für mich lächeln? ...“, wie ein naives Mädchen, sang der Teufel die Worte süß und leise hervor. Der Wahnsinn dieser Liebe schrie aus ihm heraus. In seinen Handlungen lag keine Gerechtigkeit mehr. Alles war einfach nur noch vom Wahnsinn verdreht.

„Jeder, der dir schaden will, werde ich mit meinen eigenen Händen von dir fernhalten. Alles was du hasst, werde ich mit meinen bloßen Händen ausmerzen.... Sind dies die Taten eines Ketzers? Oder eines Partners? Oder bin ich jetzt zur Ausgeburt des Krieges selbst geworden...?“ Ein leises Lied vor sich hin summend, legte der Teufel den Weg bis zu seinem Nest zurück. In sein warmes Nest, in welchem sein Geliebter auf ihn wartete. Derjenige, für den die zwölf Tode vollbracht werden mussten. Eine leblose Hülle. Der tote Körper seines Geliebten, der schön wie eine Porzellanpuppe darauf wartete, die fehlenden Teile wiederzubekommen. Hier in dieser dunklen Grotte, in der nur der Geruch der See und feuchten Algen hineindrang. Erst seit geraumer Zeit vermischte sich dieser angenehme Duft nach Meer mit dem modrigen Geruch von Fleisch und metallischem Blut. Von seinem aufgeregt schlagenden Herzen geleitet, tanzte der Teufel in dieses schaurige Nest zurück und murmelte verträumt vor sich hin:

„Nein, Glaube... Glaube ist Wahnsinn. Ich habe lediglich Sünde in mir aufgenommen um Gott endlich nicht mehr ertragen zu müssen. Wo ist nur mein Gott?“

Niemandes Stimme antwortete ihm. Deshalb musste der Teufel die Antwort selbst aussprechen und fuhr fort: „Mein Gott ist der Herr des Regenbogens. Johan Andersen ist bis in alle Ewigkeit an meiner Seite.“

'Der Pfad des blutroten Teufels' oder 'Yuuki Juudai' heulte wie ein verträumtes, junges Mädchen.
 


 

Fortsetzung folgt

Der Junge Hans und der Engel mit den Regenbogenschwingen

'Du bist Hans C. Walker, habe ich Recht? Verstehst du, was ich sage?'
 

Das war der erste Satz, den der „Engel“ zu ihm sagte als dieser zum ersten Mal bei dem Jugendlichen auftauchte. Im ersten Augenblick bekam er einen unheimlich großen Schrecken, aber aus alter Routine fing sich der Junge und bemühte sich ruhig zu bleiben. Bisher gab es für jeden dieser Fälle eine rationale Erklärung, selbst wenn die Einstufung ‚rational‘ nicht von jedem Menschen in seinem Umfeld als solche galt. Der Jugendliche fasste also den Entschluss so zu reagieren wie üblich, wo er es über die Jahre für gewöhnlich empfand mit solchen Geschöpfen zu kommunizieren und somit antwortete er dem Engel:

„Ja, mein Name ist Hans Christian Walker.“ Sein voller Name lautete wohl so. Im ersten Moment fragte er sich, ob dieser Engel bis hierher in die Straßen Londons kam, um ihn abzuholen. Obwohl er keine Furcht vor einem solchen Ereignis kannte, hatte er bis zu dem Zeitpunkt eigentlich vorgehabt noch ein wenig länger auf der Erde zu verweilen. Pläne schmiedete er bereits seit der Junior High School. Zahlreiche Pläne die alle samt in der Pro-League endeten, obwohl seine Eltern ihm den Weg zur Duellakademie versperrt hatten. Dennoch malte er sich bereits die gesamte Karriere im Kopf aus. Nach abgeschlossener Ausbildung wollte er außerdem eine Familie gründen, mit jemandem, der dazu bereit war ihr Leben mit ihm zu teilen.

'Hans, ich bin nicht gekommen um dich mit ins Jenseits mitzunehmen, oder so etwas in der Art. Ich habe auch nicht vor, dir den Weg zu ins Reich der Toten zu zeigen, falls du irgendwann sterben solltest. Ich weiß nicht, ob es überhaupt Wesen gibt, die für solche Dinge zuständig sind. Im Grunde genommen bin ich nicht einmal ein richtiger Engel, glaube ich. Falls du aber Pläne hast noch etwas länger am Leben zu bleiben, dann würde es mir helfen, wenn du mir zuhörst, denn dein Leben ist in großer Gefahr.', der Engel erklärte dies mit einem äußerst bekümmerten Gesichtsausdruck. So traurig, dass Hans das Gefühl bekam, dass diese Augen die Schrecken vieler Jahre mitangesehen hatten. Bis auf ein Nicken brachte er keinerlei Reaktionen hervor und blieb stumm. Der Engel hingegen machte einen erleichterten Eindruck, da er bemerkte dass der Jugendliche auf ihn hören wollte. Kurz darauf gewährte der Engel ihm einen Blick auf seine prachtvollen Flügel, welche er vor seinen erstaunten Augen ausbreitete. Sie waren mit sieben Edelsteinen verziert, die das Licht verzückt umspielte und zum Glitzern brachte. Dieses paar weißer Flügel war wunderschön.
 

Nachdem der Engel seine Flügel vollkommen ausgebreitet hatte und Hans ihn von oben bis unten musterte, stellte er fest, dass der Engel ihm bis auf die letzte Haarspitze glich. Jemand Außenstehendes hätte ihn für einen schon lange verstorbenen Bruder halten können. Für einige Sekunden verfiel der Junge namens Hans selbst dem Gedanken, dass sie miteinander blutsverwandt waren. Ihr Haar unterschied sich ein wenig, da das des Engels etwas wilder erschien. Sowie des Engels Augen, die so viel heller und smaragdgrün erstrahlten als seines es je täten. So hell wie Edelsteine funkelten sie.

Der Engel fuhr fort: 'Du kennst doch sicher die Gerüchte über ‚den Pfad des blutroten Teufels‘, nicht wahr? Diese Geschichten, die zurzeit in England florieren, sind bis zu einem gewissen Grad wahr. Es sind für die meisten Leute sicher alles nur Gerüchte, doch du, Hans, bist möglicherweise sein zwölftes Opfer. Im Augenblick ist der Teufel dabei, sein siebtes Opfer zu finden und im Anschluss zu töten. Mit anderen Worten, hat er noch fünf andere Opfer vor sich, bevor er Hand an dich legen wird. … Ich vermute zwar, dass du mir diese Geschichte nicht glaubst, aber alles was ich sage ist wahr. Wenn du weiter so unbekümmert vor dich hin lebst wie bisher, dann wirst du sein zwölftes Opfer werden, hast du verstanden?'

„Klar kenne ich die Geschichten, die Nachrichten sind voll von den Berichten. Von Gerüchten kann wohl kaum mehr die Rede sein, vor allem wenn man sich die Blutspuren betrachtet, die dieser Wahnsinnige hinter sich herzieht“, antwortete ich ohne große Umschweife, „Du willst mir also sagen, dass ich zur Zielscheibe dieses Teufels werde? Wenn du dir extra die Mühe machst um einen einfachen Schüler aufzusuchen, dann gibt es keinen Grund dir zu misstrauen... Aber kannst du mir sagen, was für einen Grund dieser Teufel haben sollte mich zu töten?“

Hans legte meinen Kopf etwas schief, da die Situation sogar für ihn sowohl merkwürdig als auch überfordernd war. Der Engel machte einen überaus überraschten Eindruck, da sein Gegenüber die Geschichte ohne die geringste Widerrede glaubte. Der Engel atmete hörbar, erleichtert aus. Gutgläubigkeit war in dieser Welt nicht mehr oft vertreten und man konnte sich darüber nur wundern, aber auf der anderen Seite musste es einen Sinn haben, dass ein heiliges Wesen ihn besuchte. Außerdem gab es viele Menschen im näheren Umfeld des Schülers, die seine Worte wunderlich fanden. Manchen erzähle er, dass er in der Lage war Geister zu sehen und auch, dass Hans mit einigen kommunizierte um sich die Zeit zu vertreiben. Viele von diesen Leuten erschrecken sich fürchterlich vor ihm und fanden ihn unheimlich. Allerdings besuchte ihn Engel mit Regenbogenschwingen zum ersten Mal, aber er empfand es als kein fragwürdiges Ereignis. Aus diesem Grund ging Hans ebenfalls davon aus, dass es sich bei dem Anlass für den Besuch eines Engels die Verkündung seiner Todesstunde handeln musste. Die meisten Leute, wären sicher schreiend davongelaufen und kurz darauf ihren Psychologen informiert. Hans kannte übernatürliche Dinge in und auswendig und schlussendlich auch in der Lage dem geflügelten Wesen Glauben zu schenken.

'Du bist ein ziemlich seltsamer Geselle. Ich mag Leute wie dich, die sich selbst in solchen Momenten nicht fürchten. Der Grund weshalb du zur Zielscheibe wirst, ist ziemlich offensichtlich, wir sehen uns ähnlich. Es dir bis ins Detail zu erklären ist aber sehr schmerzhaft für mich. Lass es mich von Anfang an erklären. Ich denke du hast bemerkt, dass ich nur ein Geist bin. Körperlich befinde ich mich im Unterschlupf des blutroten Teufels. Allerdings bemerkt er mich nicht mehr. Dieser Dummkopf hat sich schon seit zehn Jahren verschlossen und es gelingt mir nicht mehr zu ihm vorzudringen', erklärte der Engel und fuhr nach einer kleinen künstlerischen Pause fort, '...Obwohl es im Moment ein Vorteil ist, dass ich ihm unbemerkt entkommen kann. Auf jeden Fall möchte ich dich beschützen. Ich finde es nämlich nicht gut, dass jemand wegen mir sein Leben lassen muss, obwohl er noch eine strahlende Zukunft vor sich hat.'

„Willst du damit etwa sagen, dass der Teufel für dich, der du doch ein Engel bist, die ganzen Morde verübt?“

'Ziemlich vereinfacht ausgedrückt, ja. Es ist aber viel, viel komplizierter…'

„War der Teufel zufällig dein Geliebter, obwohl du ein Engel bist?“

'Irgendwie schon, ja.'

Der Engel zuckte lediglich mit den Achseln und bejahte die Frage ohne großes Drumherum zu sprechen. Hans nickte bedächtig. Irgendwie begann diese Geschichte ziemlich interessant zu werden. Fantasy Geschichten hatte der Schüler schon als kleiner Junge geliebt und England hatte er ebenfalls sehr gern. Natürlich, schließlich war dies sein Vaterland, doch darum ging es mir bei meiner Verbundenheit nicht. Der wahre Grund dafür ist, dass er Wesen wie zum Beispiel Feen und Leprecons mochte. Einst hatte Hans sich unglücklicherweise im Wald verirrt und traf ein Einhorn. Dieses Einhorn war eins dieser freundlichen gesinnten, welches ihm dann den ganzen Weg bis zum Rande des Waldes führte, damit er wieder nach Hause fand. Es handelte sich streng genommen um die Seele eines 'Sonnenlicht-Einhorn' und diese Erscheinung hatte Hans ziemlich fasziniert. Diese Duell Monsters Karte gewann einen speziellen Platz in seinem Herzen und er hatte sie in sein Deck integriert damit sie ihn als Talisman beschützte.
 

Wie auch immer, dieses Ereignis lag schon viele Jahre zurück. Die momentane Begebenheit entpuppte sich nun als eine ebenso interessante Geschichte. Der Geliebte des Engels mit den Regenbogenflügeln war also der Serienmörder, den man besser unter dem Medienpseudonym 'der Pfad des blutroten Teufels' kannte. Diese Tatsache machte die ganze Angelegenheit natürlich äußerst dramatisch. Nun da der Engel ihm die ganze Situation erklärt hatte, musste Hans ihm in allen Punkten Recht geben. Wenn sie sich nebeneinander stellten, dann verwechselte man sie mit großer Wahrscheinlichkeit miteinander. Vielleicht war es bisher ein riesiges Glück gewesen, dass Hans dem Teufel noch kein einziges Mal begegnete.

Bis auf den Medienrummel wusste Hans nicht sehr viel über den Teufel. Es ging nicht weit über die allseits bekannten Gerüchte hinaus und diese waren sicherlich voller unnötiger Übertreibungen, so dass er nicht zu sagen vermochte, was davon den Tatsachen entsprach.

Der erste Fakt, der ihm zu Ohren kam war die atemberaubende Schönheit des Teufels. Das Geschlecht schien aber jedem vollkommen unklar zu sein. Einmal hieß es, dass der Teufel in der Gestalt eines unvergleichlich anmutigen Mädchens erschien. Aber in einer anderen Version hieß es, dass er ein so gut gebauter, muskulöser junger Mann war, so dass es einem kalt über den Rücken lief, sobald er sich vor einem aufbaute. Eines hatten die beiden Geschichten allerdings miteinander gemeinsam und der Punkt war, dass es sich stets um ein vom Wahnsinn ergriffenes Wesen handelte. Aus den Presseberichten über die Leichen zu schließen, gab es keinen einzigen Zweifel am Geisteszustand des Täters. Sein Medienname rührte nicht nur von der schier endlosen Blutlache her, sondern auch von seiner Kleidung. Man sagte, der Teufel sei in dunkles Rot gekleidet. In blutrote Kleidung sogar. Diese sei angeblich der Schlüssel zu den pechschwarzen Flügeln, die ihm aus dem Rücken sprossen. Man hatte den Teufel wohl in einer Vollmondnacht davonfliegen sehen, doch letzteres erschien Hand beinahe ausgeschlossen. Wie man sich die Farbe der Kleidung oder sonstige äußerliche Merkmale erklärte, wusste er ebenfalls nicht, immerhin überlebten die Leute nicht lange wenn sie schon auf ihn trafen.

„Nebenbei gefragt, der Teufel... ist der nun eigentlich männlich? Oder eine Frau? Die Erzählungen sind sich da nicht einig und wenn du wirklich mit dem Teufel lebst, dann musst du das ja wissen.“

Der Junge nahm an, dass dem Engel seine Direktheit die Dinge beim Namen zu nennen ein wenig missfiel. Als Hans diese merkwürdige Frage stellte, ließ der Engel ein leicht verstimmtes Brummen hören: ‚Wenn ich sagen sollte, was der Teufel am ehesten ist, dann ist er wohl ein Junge.‘

Egal wie man sich den Engel auch ansah, er war definitiv auch männlich. Eine Antwort, die Hans umso mehr überraschte.

„Dein Geliebter war als auch ein Junge?!“

'Wie ich schon sagte, er war so etwas wie mein Geliebter. Er war mein bester Freund. Mit ihm war alles ein wenig unbefangener und an seiner Seite fühlte man sich stets leichter. Auch in den schwierigsten Situationen, konnte man mit ihm noch lachen. Das Atmen fiel mir so leicht wenn er bei mir war und ohnehin habe ich seine Anwesenheit von Anfang an sehr genossen. Auch jetzt sehne ich mich nach seiner Körperwärme, denke ich.‘, erklärte der Engel und stoppte sich selbst, seine Wangen färbten sich leicht rot und er lenkte wieder ins eigentliche Thema ein, ‚Also, in dieser Gestalt kann ich nicht wirklich an seiner Seite sein, wie du sicher verstehen kannst. Vielleicht wäre es bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich gewesen. Dieser Zeitpunkt ist schon lange vorübergezogen…'

„So ist das also... aber sag mal, Engel, hast du den Teufel so wirklich geliebt?“

'Na du fragst mir merkwürdige Sachen. Natürlich liebe ich ihn immer noch, das liegt doch auf der Hand, oder? Auch wenn er jetzt für dieses Blutbad verantwortlich ist, ändert es doch nichts an meinen Gefühlen zu ihm. Trotzdem bin ich gegen diese Verbrechensserie.'

Der Engel hatte ohne zu zögern geantwortet und zeigte dabei nicht auch nur einen kleinen Funken Schamgefühl. Dennoch prahlte er nicht mit seiner Liebschaft. Ein Zeichen dafür, dass die beiden Wesen wohl ebenbürtige Existenzen waren. Außerdem ließ die Erzählung darauf schließen, dass sie einander auf gleiche Weise und ebenso intensiv geliebt haben.

Was für eine verrückte Sache.

Ebenso verrückt wie die Tatsache, dass der Teufel bereits sieben Menschen auf dem Gewissen hatte und nun wahrscheinlich noch fünf weitere zu töten plante.

Was war es denn nun eigentlich? Irrsinn, Übermut oder Anbetung, was Hans da empfand? Er konnte dieses Gefühl selbst nicht genau benennen. Vielleicht handelte es sich um Faszination.

„Ihr habt euch also beide geliebt.“

'So sieht es zumindest aus. Als ich noch am Leben war, hatten wir uns geküsst und miteinander geschlafen.'

Der Engel war ziemlich gewöhnlich und freigiebig mit seinen Informationen.

„...Obwohl ihr beste Freunde und obwohl ihr beide Jungen wart, habt ihr miteinander geschlafen?“

Hans konnte wohl nicht verbergen, dass er plötzlich Feuer gefangen hatte.Er interessiere sich für Welten, die er für gewöhnlich nicht betrat. Der Engel war schon ziemlich cool und der Teufel soll unheimlich schön sein. Wie die beiden wohl zusammen gewirkt hatten, dass konnte Hans sich auch in meinen wildesten Träumen nicht ausmalen. Sicher war das gegebene Bild noch viel schöner, als er es sich im Kopf vorstellte.

'Interessiert dich das? Bis jetzt hast du nur solche überflüssigen Dinge gefragt, vielleicht sollten wir aufhören über mich zu reden und uns darauf konzentrieren, was wirklich wichtig ist', meinte der Engel zunächst ein wenig irritiert über die Leichtfertigkeit des Jugendlichen, allerdings fuhr er gleich darauf fort, 'Ja, er war männlich wie ich, doch irgendwie war er mit der Zeit auch ein wenig weiblich geworden. Deshalb hatte ich noch weniger Bedenken. Obwohl es mir in jedem Fall egal war. '

„So?“

Der Engel sprach in Rätseln. Nach seinen eigenen Erzählungen handelte es sich um den Teufel also irgendwie auch um ein Mädchen, wenn es denn Möglichkeiten für solch einen Zustand gab. Ob er irgendwas zwischen den üblichen Geschlechtern, mit welchen man geboren werden konnte, vertrat? Eine Schönheit oder ein Schönling, es gab Gerüchte über beides, deshalb könnte der Teufel doch auch ein zweigeschlechtliches Wesen sein.

Irgendwie überkam ihm das Gefühl, dass er den Teufel gern einmal zu Gesicht bekommen wollte. Doch wenn Hans die Worte des Engels richtig interpretierte, dann traf er den Teufel erst dann, wenn die Stunde seines Todes unmittelbar bevorstand. Sollte Hans allerdings die Chance haben eine so schöne Gestalt zu treffen, dann zahlte er gern diesen hohen Preis. Jedenfalls hatte Hans das in diesem einen Moment so empfunden. Es blieb allerdings fürwahr bei diesem einen Augenblick. Denn auch das Bedürfnis mindestens innerhalb der durchschnittlichen Lebenszeit eines Menschen zu existieren brodelte in seinem Inneren. Hans war gerade mal siebzehn Jahre alt. Eine Laufbahn als Produellant lag erst vor ihm und außerdem, war der dazu gezwungen sich den langen, steinigen Weg selbst zu ebnen.

„Du sagtest, dass du mich beschützen willst, aber wie hast du das vor? Die Polizei werden wir kaum zur Rate ziehen können. Selbst wenn wir denen erzählen wo sich dieser neue Jack the Ripper aufhält, sie würden uns für verrückt erklären und sich lustig machen. …Nebenbei gefragt, wenn du im Nest des Teufels schläfst, warum hast du bisher niemandem gesagt wo es ist?“

'Nein, das würde nichts bringen. Wie du selbst schon erkannt hast, wären gewöhnliche, sterbliche Menschen einem solchen Teufel kaum gewachsen. Es bedarf anderen Kräften. Solche Kräfte, über die nur Leute verfügen, die das Spiel beherrschen oder Seelen wahrnehmen können, so wie du und ich. Hierbei kann ein Mensch, so sehr Polizist sein wie er will, gegen den Teufel hat kein Gesetz irgendeine Wirkung. Am Ende gäbe es nur eine Leiche mehr als nötig. Ich kann schon vor mir sehen wie der Strahl von Neos den armen Kerl verbrennt. Also lassen wir die gewöhnliche Polizei am besten aus dem Spiel.'

„Neos!?“, Hans wiederholte voller enthusiastischer Aufregung den Namen, welcher ihm gerade zu Ohren kam. Neos... ob es sich wirklich um den legendären Neos handelte? Falls es tatsächlich der Wahrheit entsprach, dann musste er wohl vor seinem Tod noch um ein Autogramm bitten. Obwohl es wohl keinen tieferen Sinn hätte, denn immerhin nutzte ihm eine Unterschrift des legendären Duellanten nichts in der Stunde seines Ablebens. Dennoch sehnte Hans sich nach einem Beweis seinem größten Idol gegenübergestanden zu sein.

„Wenn du Neos sagst... meinst du damit vielleicht wirklich den Elementar Helden Neos?! Der Neos des 2008 zum Weltmeister gewordenen Juudai Yuuki! Oh jeh, bei so einer Ehre von Neos' Strahl verbrannt zu werden, würde ich mich auch freiwillig umbringen lassen... Aber war Neos Angriff nicht mit den Fäusten ausgeführt?“

'Schon, aber wenn es zum echten Kampf kommt scheint sein Angriff aus irgendeinem Grunde nicht mehr physisch zu sein. Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass man ihm jetzt keinen Heldenstatus mehr zuschreiben kann. Aber ich muss schon sagen, du kennst dich ganz schön gut aus.', meinte der Engel, obwohl es ihm sehr gewöhnungsbedürftig vorkam, dass jemand dem Augenschein nach, so wenig an seinem Leben hing.

„Ich bin schon seit meinem fünften Lebensjahr ein riesen Fan von all den großen Duellanten der Pro-League, die damals an der Hauptstelle der Duell Academy zur Schule gegangen sind! Leider verschwand mein ‚Karmesinroter Held, Juudai Yuuki‘ vor zehn Jahren, aber er wird für mich immer der Karmesinrote Held bleiben. ...Warte mal kurz... kann es sein, dass 'Der Blutrote Teufel'...!?“, wollte der Jugendliche teilweise geschockt und teilweise enthusiastisch wissen.
 

Dass Hans erst jetzt hinter dieses Geheimnis kam!
 

Das Puzzle passte zumindest zusammen, wie die Faust aufs Auge und es erklärte zumindest den Verbleib seines größten Idols.

'Das hast du richtig erkannt. Der Blutrote Teufel ist Yuuki Juudai. Die neue Gestalt meines einzigartigen, besten Freundes. Vor zehn Jahren, als ich ganz plötzlich, für ihn unerklärlichen Gründen starb, hat er sein Heldenleben aufgegeben. Sogar dem Menschsein entsagte er vollkommen, nachdem ich verstarb. Juudai ist eine ausgesprochen lange Zeit ein gestörter Irrer gewesen und in letzter Zeit eben zum Massenmörder. Natürlich mordet er nicht ohne Sinn und Verstand. Er tut das alles nur, um mich wiederzubeleben. Ich liebe Juudai, aber ich habe keine Ambitionen mich wieder zum Leben erwecken zu lassen. Jedenfalls nicht so. Und an dieser Stelle, Hans, möchte ich mich mit dir beraten. Würdest du mir hin und wieder deinen Körper überlassen?'

„Wie bitte!?“

'Ich fragte, ob du mir nicht hin und wieder deinen Körper ausleihen würdest. Wenn du keine Schule hast oder auch sonst mal frei hast. Ich habe einen guten, alten Freund der mit Scotland Yard zusammenarbeitet und mit dem würde ich gern ein paar Worte wechseln. Der Nachteil ist aber, dass er nicht die Seelen von Karten wahrnehmen kann und deshalb wird er wohl kaum von mir notiznehmen können…'

„Haa...“, als ob der Engel noch eine weitere, Farbenmalerei mit Worten vorhatte, lächelte er leicht. Hans allerdings hatte seine Gesichtszüge merkwürdig verzogen, als er die Worte 'Körper verleihen' hörte. Mit anderen Worten sollte er diesem Engel erlauben sich von seinem Körper abhängig zu machen. Oder vielmehr sollte es wohl andersherum laufen, denn ihm die Gewalt über seinen Körper zu geben hieße ein Stück Freiheit aufzugeben. Auf der anderen Seite wirkte es wie eine interessante Wendung in diesem ganzen verworrenen Mysterium, aber irgendwie machte es ihm auch Angst. Immerhin war sein Gesprächspartner hier ein Engel.

'Mach dir keine Sorgen, ich habe nicht vor irgendwelche perversen Dinge mit deinem Körper zu tun. Ich will dich auch nicht in tiefe Verwicklungen beim Scotland Yard reißen, sondern einfach eine Unterredung mit meinem alten Freund führen. Und dennoch ist das ein wenig viel verlangt, hm? Ist es zu viel verlangt?', der Engel hatte seinen Kopf leicht schief gelegt, auf dieselbe Weise, wie zuvor Hans es getan hatte. Er glich ihm so sehr, dass er beinahe das Gefühl hatte einem Spiegel gegenüber zu stehen, der seine Bewegungen entgegengesetzt zu ihm tat. Es verursachte ein mulmiges Gefühl in Hans‘ Magengegend.

„Hmm... was du sagst hört sich ziemlich interessant an. Also gut. Im Gegenzug würde ich allerdings gern etwas von dir wissen.“

'Wenn ich dir antworten kann, werde ich es tun.'

„Wie lautet dein Name?“

Nachdem der Jugendliche dies fragte, kam ein belustigtes 'ist das alles? Das kann ich dir leicht beantworten' als Reaktion, und der Engel seufzte erleichtert aus, so als ob eine unerträgliche Last von seinen Schultern fiel. Er schien dem jungen Briten doch irgendwo noch vollkommen menschlich zu sein und das war etwas, das Hans an ihm mochte.

'Mein Name ist Johan Andersen. Ich stamme aus Norwegen und ging dort zur Duell Academy Arctic Zweigstelle. Im Jahre 2007 bin ich in meinem dritten Studienjahr für ein Semester zur Hauptstelle der Duellakademie gegangen – für einen Austausch – dort lernte ich Yuuki Juudai kennen. Gestorben bin ich dann in Japan. Ich denke, ich bin nun schon seit zwölf Jahren tot. Auf gute Zusammenarbeit, Hans Christian Walker.'

Der Engel lächelte und streckte dem Jungen die Hand entgegen. Reflexartig tat Hans es ihm gleich und in dem Moment als sich ihre Hände trafen und die des Jungen relativ durchsichtig wurde, entstand wohl unser Vertrag und somit wurde anscheinend auch die Stunde seines Todes bestimmt. Der Engel tat Hans in diesem Moment furchtbar Leid.
 


 

Nachdem er von seiner Jagd zurückgekehrt war, hauchte er einen sanften Kuss auf das bläuliche Haar des noch immer frisch erhaltenen Körpers. Für den Teufel war dies zu einer Gewohnheit geworden, den wunderschönen Körper, der nun einer Wachspuppe glich mit einem leichten Kuss auf den Haarschopf oder die Stirn zu begrüßen. Der Teufel aber bildete sich noch immer ein, dass es ihm durch diese kleinen Rituale wärmer und gleichzeitig leichter ums Herz wurde. Selbst wenn Johan gestorben war, er war noch immer kostbar für den Teufel.

Ja, manchmal glaubte er selbst wahnsinnig geworden zu sein. In manchen lichten Momenten, dachte er wirklich darüber nach, ob er nicht etwas Falsches tat. Doch leider waren diese hellen Momente viel zu kurz und gar nicht mehr zahlreich. Es war jedoch ein Beweis dafür, dass in ihm noch immer ein Funke von menschlichen Gefühlen herrschte und wenn ihn solch ein Moment erreichte, dachte er schwer nach. Was wohl passierte, wenn sein Liebster wieder erwachte. Es gab viele Spekulationen in Juudais Herzen. Eine von diesen lautete, dass Johan ihn auf der Stelle auszuschimpfte ohne darüber nachzudenken, dass er plötzlich wieder lebte. Die Wahrscheinlichkeit dafür war sogar ziemlich hoch. Vielleicht würde er ihn auch mit Beleidigungen überhäufen oder aber ohne zu Zögern den Teufel für seine Schandtaten umbringen.

„Ich wollte nicht wieder erweckt werden“, vielleicht würde Johan so etwas sagen.

„Ich liebe dich nicht“, womöglich antwortete er auch auf diese Weise.

„Abscheuliches Monster!“, war eine andere Möglichkeit oder aber so etwas wie „Ich wünschte, ich hätte dich nie geliebt.“

Sollte es ihm gelingen seinen Geliebten wiederzubeleben, könnte er ihm so etwas entgegnen und somit die Existenz des Teufels gänzlich zu Nichte machten. Dennoch war 'Der Pfad des blutroten Teufels' dazu bereit alles zu riskieren. Trotz allem wollte der Teufel sein Ziel weiter verfolgen. Selbst wenn er nicht mehr zurückgeliebt werden sollte, es war ihm mittlerweile egal. Seine erste Priorität war, dass Johan lebte. Sollte Johan Andersen das Leben des Teufels beenden, dann war es das größte Geschenk, welches er Juudai machen konnte. So lange Juudai, Johan noch ein einziges Mal mit seinen eigenen Augen erblicken konnte um mit ihm zu sprechen.

„Selbst wenn ich ein gemeiner Thor bin, es ist mir egal.“

Juudai liebte Johan. Als sich ihre Lippen zum aller ersten Mal berührt hatten, hatte Juudai bei sich gedacht, dass es ihm auch egal wäre, wenn er plötzlich zu einem Mädchen wurde. Tief in seinem Herzen gab es Momente da er wirklich gerne eins gewesen wäre. Juudai erinnerte sich gut an den Moment, als sie tief miteinander verbunden waren und die Töne ihrer Herzen aufeinander fielen und er vor Freude ein paar Tränen vergoss. Als Johan diese sah, trocknete er die glitzernden Tränen mit einem 'Du bist wunderschön'.

Seit wann war Johan eigentlich seine ganze Welt geworden?

„Ich werde nie wieder schön sein aber … so lange ich Johan noch ein aller letztes Mal sehen kann, ist es mir egal wie tief ich mich in Sünde werfen muss. Mein geliebter Gott. Mein geliebter Johan. Ich werde nicht eher aufhören, bevor ich dich nicht an meiner Seite weiß. Selbst wenn ich mit diesen blutgetränkten Schuhen weitertanzen muss.“
 

In dem Märchen von Karen, die wegen ihrer roten Schuhe ihre Beine verlor, verzweifelte und betete und betete zu Gott, er möge ihr doch helfen. Zum Schluss wurde ihr gestattet in den Himmel zu kommen. Irgendwie naiv und irgendwie erschien diese Geschichte wie eine Lüge. Es gab keinen Gott. Es gab auch das himmlische Paradies nicht. Es gab nur das Diesseits wohinter sich die Hölle versteckte.

Shangri La, Utopia, Elysium... Die Menschen hatten sich all diese Traumländer ausgedacht und es gibt sogar noch sehr viele mehr. Für Yuuki Juudai gab es damals nur ein Traumland und das war Kaiba Land. Er hatte früher tatsächlich so darüber gedacht. Für 'Der Pfad des Blutroten Teufels' aber waren solche Kindheitsträume nicht mehr wichtig. Für ihn gab es solch eine Idealwelt nicht mehr.

„Mein Paradies ist nur hier. Eine Welt ohne Johan hat für mich keinen Sinn. Wenn du nicht da bist, dann werde ich nur von der Welt mit Füßen getreten und hungere und durste vor mich hin. Weißt du das eigentlich, Johan? Dass du mich einfach nur in den Wahnsinn treibst?“

In seiner Kindheit wollte Juudai schon immer ein Held werden und er hatte sein Ziel schließlich Jahre später erreicht. Während er die Welt mehrere Male vor Unheil bewahrte, hatte ihn diese allerdings rücksichtslos im Stich gelassen. Freilich hatte Juudai geglaubt, mit seinem Plan ein kleines Trostpflaster für seine Situation gefunden zu haben, doch es war ein trügerisches und letztendlich hinterließ dieses nur noch eine viel tiefere Narbe. Sicherlich hatte er selbst auch schlimme Dinge getan.

Der Junge, der früher einmal die sanfte Dunkelheit Haou gewesen war, wurde eines schönen Tages einfach zu einem Teufel.

„Ich wurde von dir verrückt gemacht. Mein eigenes Leben und mein Körper haben mich und auch dich verrückt gemacht. Wenn ich dich nicht getroffen hätte, dann wäre ich sicher nur ein Grünschnabel geblieben und niemals erwachsen. Ich hätte sicher in einer total gewöhnlichen Welt gelebt und sie mit Lobgesang gepriesen und vielleicht sogar glücklich in ihr gestorben. Für dich wollte ich diese grausame Welt erobern. Für dich habe ich meinen Gerechtigkeitssinn über Bord geworfen. Für dich, bin auch zur Hälfte ein Mädchen geworden. Für dich, habe ich meine Unwissenheit und Unschuld verloren Dieses Mal werde ich eben zu einem mordlustigen Teufel. Nur für dich. Für dich, tue ich alles.“

Die leblose Hülle antwortete ihm nicht. Sie hüllte sich in Schweigen, doch warf sie dem Teufel, schwache, traurige Blicke zu.

„Seit du mein Herz erobertest...“

Der tote Körper zuckte nicht einmal mit der Wimper, die Gliedmaßen hingen lediglich schlaff herunter. Johans Körper war bereits seit zehn Jahren tot. Im Moment wartete diese Hülle nur darauf, wie einst das Gefäß einer unheimlich wertvollen Seele zu werden. Der Teufel atmete tief durch und ließ den Körper zurück in sein Grab aus weißen Blumen. Die Blumen verwelkten niemals und der tote Körper war angereichert mit dem Nährstoff des „Rainbow Dragons“ und würde in alle Ewigkeit strahlen. „Necro Fleur“ war die Blume des Todes. Eine wunderschöne Pflanze, auch wenn der Teufel diese Schönheit kaum wahrnahm. Sie sollte den Körper einfach nur schützen. Das war alles wozu sie nutzte.

„Sollte ich irgendwann zu einem Monster werden, wirst du dann immer noch mein Freund sein? Sollte ich zu einem Monster werden, wirst du mich dann trotzdem noch lieben?“, wie immer sang der Teufel diese Sätze wie magische Zauberformeln und wartete dem Toten auf. Er schloss langsam die Augen und wartete vergeblich auf eine Antwort. Die Augen des Teufels spiegelten nichts wieder und sie sahen auch nichts, bis auf die schlummernde Hülle, die ihm müde Blicke zusandte.

Der Teufel hatte sie all die zehn Jahre nicht bemerkt.

Die Seele seines Geliebten.

Die Seele, welche stets an seiner Seite verweilte und immer treu antwortete: 'Ich werde dich immer lieben, du mein wertvollster Mensch auf Erden.'
 

Noch nie, hatten die Ohren des Teufels diese Antwort vernommen.
 


 


 

Fortsetzung folgt.

Die Nummer Acht, der junge Kaius

„Ich glaube er liebte mich.

Ja, es war mit Sicherheit Liebe.“

Allerdings war es das erste Mal für ‚die achte Opfergabe‘ vom ‚Pfad des blutroten Teufels‘ sich ohne jegliche Vorwarnung mit Haut und Haaren zu verlieben.

Welch unsägliches Schicksal sein Herz an einen Teufel zu verlieren.

Kaius lief einem schrecklichen Schicksal entgegen, welches bereits bei seiner Geburt bestimmt worden war. Ob in jungen Jahren oder nicht, seine Wahl des ersten Mädchens sollte kein glückliches Ende nehmen. Der junge Bursche verliebte sich also auf den ersten Blick Hals über Kopf in diese zierliche Gestalt, welche sich lautlos durch die belebten Straßen Londons bewegte. Schon seit geraumer Zeit hatte er sie bemerkt und stets im Augenwinkel behalten, eine elfengleiche Schönheit.

Ihr Profil zeigte einen traurigen Ausdruck. Die schneeweiße Haut bildete einen hübschen Kontrast zu ihren rehbraunen Augen. Das Haar hatte sie in der Winterskälte unter einer scharlachroten Kapuze ihres Mantels versteckt. Allem Anschein nach war sie in ihren eigenen Gedanken verloren, während sie ein paar Schritte mit ihrem Kaffee zum Mitnehmen ging. Sie stellte sich an einen Tisch um mit einem kleinen, weißen Plastiklöffel in ihrem warmen Getränk zu rühren, welcher sich in einem ebenso weißen Kunststoffbecher befand, den man an jedem kleinen Straßenkiosk kaufen konnte. Ihr Körper war unter dem Mantel in tiefes schwarz gehüllt und trug ein enganliegendes Oberteil, welches bis zum Hals zugeknöpft war und dazu lange, dunkelgraue Hosen. Irgendwie hatte Kaius das Gefühl eine junge Witwe, von ungewöhnlich jungen Jahren vor sich zu haben.

„Entschuldigen Sie...“, er sprach die Gestalt wie aus einem Reflex heraus an. Er fühlte tief in seinem Herzen, dass es nie wieder solch eine unglaublich passende Gelegenheit gab diese Frau wiederzusehen, wenn er die Chance nicht am Schopfe packte. Nicht ohne Grund wurde ihm nachgesagt, dass er eine besondere Gabe besaß mit anderen Menschen zu kommunizieren. Mit anderen Worten, sollte es für ihn keine Schwierigkeit darstellen ein unverfängliches Gespräch zu führen: „Sind Sie allein?“

„Hm? … Ah, ja das bin ich“, die Frau hob ihren Kopf und blickte Kaius mit denselben trostlosen Augen an, die bereits die Farbe ihrer Kleidung aussagte, ihre Stimme klang eben wie eine Winterlandschaft an einem Nebeltag als sie ihm weiter antwortete, „... Ich bin wohl allein. Aber was kümmert Sie das?“

Die Frau bedachte den blauhaarigen Jugendlichen mit ihren Augen, die ihn so reizvoll wie das Funkeln von Schneekristallen ansahen. Obwohl ihre Augen von einer ganz anderen Farbe waren, erinnerten sie den Blauhaarigen an Eis und Schnee. Kaius empfand es so, als würde von diesen merkwürdigen Augen eine unbegreiflich schaurige Hand ausgehen, welche ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken kriechen ließ. Allerdings war er gleichzeitig so unsagbar angetan von diesem süßen Gift, dass er ohne zu überlegen die Hände der Frau in seine Nahm. Er war sich sofort sicher gewesen, dass es sich um Liebe auf den ersten Blick handelte und obwohl er sich erst am Ende seines sechszehnten Lebensjahres befand, machte er sich selbst die Weissagung die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Dabei kannte er diese Frau nicht. Weder ihren Namen, noch ihr Alter war ihm bekannt. Doch was kümmerten ihn Zivilstatus und Angaben zur Person, wenn man die unsterbliche Liebe gefunden hatte, die durch mehrere Leben hindurch immer wieder traf da sich der rote Faden des Schicksals mit ihnen verknüpft hatte. Unwichtige Details, welche Kaius trotzallem schon bald herausfinden sollte.
 

Kaius blickte die junge Frau begeistert an und fragte sie mit enthusiastischer Stimme: „Also, nur wenn Sie Zeit hätten; würden Sie sich dann vielleicht mit mir duellieren?“

„Huh? Ein Duell?“, wiederholte sie mit etwas überraschter Miene. Die erste normale Regung, die sie von sich gab. Der junge Mann aber bemerkte, dass er während seines schnellen Herzklopfens, kaum richtig ausdrücken konnte, was er zu sagen hatte. Er fühlte wie sein Herz regelrecht heulte und schrie. Eben aus diesem Grund kam er wie aus dem Nichts auf diese unverfrorenen Worte. Jetzt im Nachhinein bereute er bereits wie er sich äußerte, auch heutzutage schickte es sich nicht besonders jemanden einfach zu einem Duell zu fordern. An ihrer Situation hatte sich schließlich nach diesen wneigen Minuten noch nichts geändert. Zu Kaius‘ Erstaunen aber, ließ die junge Frau ein leises Kichern verlauten und antwortete sogar recht positiv: „Na schön. Ich hatte schon befürchtet, Sie wollten mich zu einem öden Date einladen, aber wenn es sich um ein Duell handelt, dann sage ich nicht nein. In diesem Falle werde ich immer wieder Ihr Partner sein. Wenn Sie es möchten.“

Während die junge Frau weiter ihr leises Lachen äußerte, zog sie aus der Brusttasche ihres Mantels ein Deck hervor. Ein paar Karten konnte Kaius mit bloßem Auge erhaschen. Es waren 'Ritual' und 'Böses Wurmungeheuer' und sicher bestand dieses Deck auch noch aus anderen groben, japanischen Wörtern und düsteren illustrierten Karten, doch die genauen Namen, konnte er nicht entziffern. Diese Frau war also Japanerin, dachte der Jugendliche in aller Stille bei sich, doch im Nachhinein hätte es ihm von Anfang an klar sein müssen. Ihre Gesichtszüge waren asiatisch und auch der geringe Busen und kaum merkbaren Kurven, ließen sie kaum wie eine westliche Frau – geschweige denn wie eine Engländerin – wirken. Dennoch hatte er nicht viel darüber nachgedacht, da diese Frau in einem wunderschönen Queen’s English sprach. Die junge Dame wollte wohl kein weiteres Geheimnis daraus machen, aus welchen Karten ihr Deck zusammengesetzt war und diese kühne, elegante Gestalt kam ihm plötzlich vor wie eine leibhaftige Göttin. Allerdings hätte er nicht erwartet, dass sie ihm so gefährlich werden konnte, dass sie alles in seinem Leben zu Nichte machte.
 

„Ich greife direkt mit Gishiki Zielgigas an!“, sie setzte wieder zum Angriff an, „Es scheint so, als wäre es mein Sieg.“

„Ich habe wieder verloren. Ich habe mir schon gedacht, dass Sie ein unheimlich starker Gegner sind“, meinte Kaius immer noch unverändert enthusiastisch.

„Dasselbe kann ich von Ihnen behaupten, Sie sind ziemlich begabt. Außerdem haben Sie Selbstvertrauen“, entgegnete die Schönheit in einem leichten Singsang, wobei ihre Stimme einem Eishauch glich.

„Hmm... im Moment habe ich viel mehr das Gefühl, dass ich völlig vernichtet worden bin.“

Nach fünf Duellen hatte Kaius ganze fünf Niederlagen erleiden müssen. Im Nu hatte sie Runde für Runde seine Verteidigungslinie durchbrochen und sogleich das Ass-Monster ihres Decks heraufbeschworen und ihn jedes Mal gnadenlos angegriffen um ihm die letzten Lebenspunkte zu rauben.

Beim ersten Mal war es 'Trishula, Draache der Eisbarriere', die zweite Niederlage kam durch 'Priesterlich‘, seine dritte Niederlage entschied sich mit Hilfe von ‚Dragon of Tefnuit'. 'Sagenhafter Mythical' schickte sie in den Kampf um die vierte Runde für sich zu entscheiden und entschied sich letztendlich das fünfte Duell mit dem Monster 'Gishiki Zielgigas', welches ihm furchtbar zugesetzt hatte. Dass die Frau mit jedem neuen Duell ein neues Themendeck aus ihrem Mantel zog, sagte dem jungen Mann bereits schon, dass sie nicht mit ihrem normalen Deck kämpfte. Das 'Juwelenkrieger' Deck des Burschen war bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungeschlagen gewesen, doch wie Kaius nun mitbekam, war sein Selbstvertrauen etwas zu groß um es mit den wirklich großen Duelantinnen und Duellanten aufzunehmen.Im Grunde hatte er noch keinen blassen Schimmer von einem wirklich harten Duell. Vermutlich war dies auch der Grund weshalb er sich nie an eine professionelle Liga heranwagte, sondern stets nur bei einem Hobbyklub duellierte.

„Sie haben ziemlich düstere Themendecks, nicht wahr? Sie sehen harmlos aus, aber letzten Endes wird man gnadenlos vernichtet. Ihr Stil verrät sicher einiges über Ihre Persönlichkeit, kann das sein?“, erkundigte sich Kaius verschmitzt lächelnd. Er war der Fremden mit jedem Duell mehr und mehr verfallen. Sie wirkte ungezähmt und voller Mysterien.

„Tja, wie soll ich sagen... einige davon sind schon ziemlich passend, ja. Andere wiederum nehme ich einfach nur in mein Deck weil ich sie mag aber Gishiki zum Beispiel bevorzuge ich, weil diese Karte mich doch daran erinnert, dass es zwischen Himmel und Erde eben doch mehr gibt und sie symbolisieren den Teufel und die verbotenen Künste, welche törischte Grünschnäbel verführen. Die sind mir wohl am ähnlichsten, glaube ich.“ Ihre emotionslosen Augen trafen die grasgrünen des Jugendlichen. Sie bildeten einen interessanten Kontrast, denn das Braun ihrer Iris glich der einer sterbenden Tundra, während das vitale Grün in Kaius‘ Augen, den Kronen eines kräftigen Waldes gleichkam.

„Ist das so?“

„Hm, ich denke schon, dass es so ist.“

Diese Frau zeigte in der Tat ein undurchschaubares, leichtes Lächeln. Auch ihre Empfindungen und Gefühle konnte er nicht einmal erahnen. Diese wunderschöne Person vor ihm schien lediglich eine Nou-Maske zu tragen. Eine blasse, lächelnde Maske durch die man nicht hindurchsehen konnte. Wahrscheinlich tat man besser daran nicht hinter eine solch tückische Fassade zu schauen. Kaius war sich nicht so sicher, ob diese Frau jemals auf dieser Erde gewandelt war. Ihre Augen schienen nicht nach vorn zu blicken, sondern viel mehr in die weite Ferne, so als träumte sie von einer unerreichbaren Zukunft.

Als er an diesen Gedanken angekommen war, tauchte er abrupt aus diesen wieder auf. Es gab eigentlich keinen Zweifel, sie lächelte wie eine Nou-Maske. Dieses Gesicht machte ihn auf einmal unglaublich unsicher. Mit dieser Einsicht verspürte er ihren Einfluss in seiner Magengegend und wie sie sein Herz sachte, jedoch gewaltsam berührte. Dennoch konnte er sich nicht von ihr trennen, Mal abgesehen davon, dass er es gar nicht wollte. Kaius entschied sich also, sich nicht weiter beirren zu lassen, so wie auch sie ihr wahres Herz nicht vor ihm ausbreitete.

„Du benutzt die 'Juwelenkrieger', nicht? Ein schönes Thema, es erinnert mich an meinen besten Freund.“

„Ihr bester Freund?“, dieses Wort kam recht unerwartet. Die Schönheit wirkte so unnahbar, kühl und schien von allem fern zu sein. Der Jugendliche hatte das Gefühl, dass selbst der Klang der Worte, 'bester Freund', nicht zu ihr passten. Die Worte, welche ihm zu ihrer Person am ehesten einfielen waren 'Einsamkeit' und 'Nichtsein'. Dennoch kam ironischerweise so eine Bezeichnung wie 'bester Freund' aus ihrem Munde, welcher noch immer zu einem dünnen Lächeln geformt war. Die Asiatin hatte es mit so viel Nostalgie ausgesprochen, dass sie in der Tat tief im Herzen irgendetwas mit sich tragen musste. Jeder, mit einem bisschen Menschenkenntnis musste zu diesem Schluss kommen.

„Ja, mein bester Freund. Der wichtigste Mensch in meinem Leben. … Du schaust aber verwirrt drein. Ist irgendetwas Merkwürdiges dabei, dass es auch in meinem Leben einen wichtigen Menschen gibt?“, hakte sie nach, wobei sie etwas verstimmt klang.

„Nein, daran ist nichts Merkwürdiges, aber...“

„Aber dein Gesicht verrät mir, dass du dafür kein Verständnis hast. Kaius, du phantasierst noch immer über 'stolze Einsamkeit', kann das sein?“, fragte sie weiter, wobei ihre Tonlage ein wenig mehr Ärger zeigte. Es schien als habe der junge Brite einen wunden Punkt bei der asiatischen Schönheit getroffen. Eines überraschte ihn allerdings doch und durch diese Überraschung vergaß er jede Etikette: „Warum... kennst du meinen Namen?“

„Durch Zufall. Er stand auf deinem Notizheft, das ich gesehen habe“, entgegnete sie unmittelbar auf seine Frage.

Immer noch sahen ihre Augen in die Ferne und seine Gedanken wollten nicht loslassen. Er wollte sich nichts daraus machen.

„Tut mir leid, dass ich dich ärgern muss“, meinte sie kurz und dieses Mal richtete sie ihre braunen Augen auf ihn und obwohl sie nichts widerspiegelten versank Kaius dennoch in ihnen.

„In dieser Hinsicht ähnelst du meinem besten Freund ein wenig. Er sah war immer lesbar und hübsch.“

Ihre dünnen, gepflegten Hände wanderten zu ihm und umfassten sein Kinn. Der junge Mann sagte nichts. Kaius konnte auch nichts dagegen tun, dass ihm die Gesichtszüge entgleisten und ihm eher einen dümmlichen Ausdruck verliehen. Ihre Fingerspitzen fühlten sich eisig an, doch immer noch musste er feststellen, dass er die fremde Frau ziemlich edel fand. Sie selbst entsagte zwar der 'stolzen Einsamkeit', aber wie man es auch drehte und wendete, für eine solche Frau gab es keinen anderen Ausdruck.

„Sag, kennst du die Schneekönigin?“, wollte sie plötzlich wissen, wobei sie ihn ebenfalls familiär ansprach.

Kaius nickte verwirrt, diese Geschichte kannte doch jedes kleine Kind. „Ja. Das ist doch eins von Andersens Märchen.“

„Richtig. Ich hab kurz darüber nachgedacht, über unsere Situation. Ich finde, sie ähnelt diesem Märchen in manchen Punkten, findest du nicht auch? Ich bin der Junge namens Kai, der einen Eissplitter des Spiegels in seinem Herzen trägt. Du aber bist die Königin, die den Jungen bezaubert, so dass er sich danach sehnt im eisigen Schloss zu leben. Doch das Mädchen, Gerda, die ihn retten soll... die gibt es in unserer Version der Geschichte nicht“, erklärte sie noch immer mit spitzer Zunge.

Kaius blieb zunächst sprachlos, es brauchte eine ganze Weile bevor er die richtigen Worte zu fassen bekam um ihr standhaft zu bleiben: „Ich glaube ich interessiere mich sehr für denjenigen, den Sie 'besten Freund' nennen. Es ist schon ziemlich komisch, dass jemand wie Sie so liebevoll über jemanden spricht. Wenn Sie jemanden, den sie gerade erst getroffen haben ein solches Geständnis machen, dann muss es wohl wahrhaftige Liebe gewesen sein. Jedenfalls denke ich das.“

Die Mundwinkel der Frau aber verkrümmten sich zu einem Ausdruck extremer Grausamkeit und Kaius glaube zu spüren, dass sich ein unendlich großer Abstand zwischen ihm und der bezaubernden Frau auftat. Seine Ohren vernahmen einen Singsang, welcher nur aus einem Wort, nämlich 'bedauerlich' bestand. Sie hatte in der Tat eine bezaubernd angenehme Stimme. In der Tat musste ihr Herz wohl von einem Eissplitter eines Spiegels durchbohrt worden sein. Diese Frau erschien tatsächlich so schön wie der Teufel selbst sein musste. Giftige Worte fügte sie ihrer eisigen Stimme hinzu:

„Liebe? … Tja Liebe... Früher hatte ich wirklich mal einen fanatischen Glauben daran gehabt. Aber eigentlich ist 'Liebe' doch viel mehr eine Seifenblase. Eine irreführende Illusion. Liebe hält nicht für die Ewigkeit. Sie ist nicht unvergänglich und auch nicht unendlich. Sie ist lediglich eine langwierige Krankheit, die eines Tages ein Ende haben wird.“

„Aber Sie können doch nicht ewig mit dieser Gefühllosigkeit leben, oder?“, als die Schneekönigin den Jungen, dessen Herz von einem Splitter des Spiegels durchbohrt wurde, dies fragte, erwiderte die Schönheit Kaius Blick mit einem Schneesturm. Eine absolute Stille breitete sich aus. Keiner der beiden regte sich, nur hin und wieder zwinkerten die Augenpaare als einzige Bewegung. Nach einigen Minuten erst verzog sich ihr Gesichtsausdruck wieder und sie zeigte Überraschung, obwhl ihr Gesicht von Eis überzogen wirkte. Warum war eine so bezaubernd schöne Frau so zynisch sich selbst gegenüber? Sah sie etwa auf sich selbst herab? Für den jungen Mann war das alles ziemlich unverständlich.

„Du musst das nicht verstehen“, die Frau ordnete langsam die Karten an und steckte die Karte 'Ritual', welche sie als letztes benutzt hatte, wieder in ihr Deck und die Innentasche ihres Mantels zurück. Sie war dabei an ihm vorbei zu gehen, legte dann doch noch kurz ihre Hand auf seine Schulter und klopfte sie leicht, „Weißt du, es ist schön jung zu sein. Junge Leute glauben noch an so vieles. Ganz bedingungslos versteht sich; und man sagt, dass eine strahlende Zukunft vor ihnen liegt. Es wird auch behauptet, dass ein junges Menschenleben angereichert ist mit Hoffnung.“

Wenn man sich diese Frau ansah, dann erschien sie irgendwo in ihren Zwanzigern zu sein. Wenn die Dinge gut standen, dann sogar noch in der ersten Hälfte ihrer Zwanziger, doch das Innere dieser Frau schien schon viel älter zu sein. Sie sprach wie eine Alte, die sich fürchterlich nach ihrer Vergangenheit sehnte und die früheren Erlebnisse ganz langsam noch einmal durchkaute um den schimmligen Geschmack zu schmecken.

„'Tschuldige, aber ich werde weder zu deiner Schneekönigin noch werde ich zu deiner Gerda werden. Aber ich verspreche dir, dass wir uns in naher Zukunft wiedersehen werden. In sehr naher Zukunft. Wenn die Zeit gekommen ist, dann werde ich dir meinen Namen verraten. Immerhin wäre es nicht fair, wenn nur ich deinen Namen kenne, wenn du stirbst. Nicht wahr?“, kam es leise aus ihrem Munde.

„Ist das so? Darauf freue ich mich schon jetzt.“

„Ich mich auch.“

Die Frau stand da, doch wandte sie Kaius den Rücken zu und wurde sogleich von einer Menschenmasse verschlungen, so dass der Junge sie nicht mehr sehen konnte. Im Londoner East End Cafè wurden auf der Terrasse ein leerer Standplatz und ein junger Mann zurückgelassen.
 

Dies Geschah fünf Tage vor Vollmond,
 

an einem schönen, sonnigen Nachmittag.
 


 

Seit dieser scheinbar zufälligen Begegnung vergingen fünf lange Tage und die Person, welche Kaius für die Schneekönigin gehalten hatte, tauchte tatsächlich wieder auf. Unter dem fahlen Licht des Vollmondes stand die Gestalt in einem roten Mantel, große dämonische Schwingen und klarer männlichen Gestalt vor ihm. Diese Flügel waren ganz bestimmt nicht von dieser Welt, sie strahlten eine Besonderheit aus und übertrugen einen gewaltigen Eindruck auf ihn. Sie sahen nicht aus wie ein CGI Effekt aus einem modernen Horror- oder Fantasyfilm. Nein, sie bestanden ganz sicher aus Fleisch und Blut. Einen Menschen mit Flügeln begegnete Kaius zum ersten Mal und dennoch erkannte er den Fremden sofort. Er trug dieselben trostlosen Augen, wie die Schönheit, welche er vor ein paar Tagen kennengelernt hatte. Zweifellos handelte es sich um ein und dieselbe Person. Warum die elegante Asiatin plötzlich jedoch in der Gestalt eines attraktiven Jünglings erschien, konnte er sich nicht erklären.

„Wir hatten abgemacht, dass du mir deinen Namen verrätst, richtig?“, erinnerte Kaius den Fremden an dessen Versprechen.

„So ein Abkommen hatten wir wohl, aber ich denke, dass du dir mit nur ein wenig Phantasie doch schon vorstellen kannst, welcher Name für mich geläufig ist, nicht wahr?“, kam es zur Antwort und seine unnatürlichen Flügel flatterten noch stärker. Hinter ihm hob sich der rote Mantel noch kräftiger vom Mondlicht ab. Diese Gestalt war von oben bis unten rot. Die Gestalt, die er vor kurzem getroffen hatte war nicht mehr dieselbe in beinahe gänzlich schwarz gekleidete, Witwe, welche diese unendliche Traurigkeit ausstrahlte. Vor ihm stand nun eine in rot umhüllte, vor wilder Entschlossenheit brennende Person.

Rot. Purpur. Scharlach. Rubinrot... Kaius erinnerte sich an all die verschiedenen Nuancen, die er bereits gehört hatte. Der junge Bursche schluckte hart. Auf der anderen Seite seiner bebenden Schultern stand der sagenumwobene Kerl, der unheilträchtige Szenarien mit sich brachte. Gerade in diesem Augenblick nun blickten sie sich einfach nur schweigend an. In diesem Schweigen lag nichts; keine Tundra und auch keine Eiswüste. In der Tat war der hier vor ihm ein richtiges, lebendiges Wesen – allerdings mit Flügeln.

„Der Pfad des blutroten Teufels“, flüsterte Kaius tonlos.

„Hervorragende Antwort! In letzter Zeit nennt man mich allerdings auch 'die Hexe Medea' oder auch 'Mad Scarlett' und auch 'Bloody Mary'. Alle diese Spitznamen gebrauchen sie im selben Atemzug. Sie vergöttern mich gerade zu, so wie idiotische Anhänger irgendeiner Sekte. Was glauben die eigentlich, was ich bin? Jeder Einzelne von ihnen ist schlicht und ergreifend verrückt geworden“, spottete der Teufel.

„Und das sagen ausgerechnet Sie...“

„Das trifft wohl auf uns beide zu. So ist es doch“, der Teufel zeigte ein höhnisches Lächeln, „Wie kann sich ein junger Bursche wie du nur in jemanden wie mich verlieben?“

„So sieht es wohl aus. Aber liegt es denn nicht auf der Hand? Man wird gleich von der ersten Sekunde an wie vom Blitz getroffen“, entgegnete Kaius und zuckte leicht mit den Achseln, „Wenn man Sie flüchtig ansieht, dann könnte man meinen, dass sie total verrückt geworden sind.“

„Es ist wohl der Wahnsinn.“

„Nein, das ist Liebe.“

„Nenne es wie du willst, aber es ist einfach nur eine Illusion. Also, ich denke du kannst dir ungefähr vorstellen, was nun mit dir geschehen wird, nicht wahr? Nun denn, was wirst du tun? Um dein Leben betteln?“

Er war wahrhaftig der 'Pfad des blutroten Teufels' der vor ihm stand und gleichgültig auf Kaius hinabsah. Doch wenn der Bursche ehrlich war, dann hatte er weder Panik noch Furcht davor, von ihm getötet zu werden. Mit diesem Mord, würde auch Kaius zu einer Legende werden, jedenfalls dachte dieser törichte Junge so. Nur plagte ihn noch eine viel wichtigere Frage, auf die er bisher noch keine Antwort bekommen hatte. Warum tötete er weiterhin während er als Teufel bezeichnet wurde? Um dies herauszufinden öffnete Kaius erneut seinen Mund: „Ich durfte Sie noch nicht über ein paar wichtige Dinge ausfragen. Ich würde sie gern als Geschenk ins nächste Leben mitnehmen, wenn's recht ist. Würden Sie mir die paar Fragen gewähren?“

„Von mir aus. Was willst du wissen?“

„Zunächst Mal Ihren Namen. Ihren richtigen Namen. Und natürlich warum Sie Ihre Hände mit Blut besudeln, ist es für ihren 'besten Freund'? Und was ist mit Ihren blutbefleckten Flügeln?“, als der junge Mann seine Fragen äußerte, begann der Teufel zu lachen an und bedachte Kaius mit einem verzückten Lächeln. Dieses Mal klang das Lachen des Teufels allerdings nicht leise, sondern hörte sich nach einem ausgewachsenen, boshaften Gelächter an. Es schallte in den stillen Gassen von London wider. Das sich jemand so sehr für seine Person interessierte, obwohl er doch kurz vor seinen letzten Augenblicken stand, belustigte den Teufel doch sehr.

„Hm, nun schön, ich habe es dir immerhin versprochen. Es ist mir egal ob du dieses Wissen mit ins Grab nimmst. Du scheinst dich ja geradezu nach dem Tod zu sehnen und diese bezaubernde Schneekönigin wird sich schließlich nicht vom jungen Kai abwenden, nicht wahr?

Mein Name ist Yuuki Juudai. Früher nannte man mich den Roten Helden, doch damit haben sie nun endlich aufgehört. Warum ich Menschen töte hast du allerdings schon sehr gut erkannt, ich tue es für meinen besten Freund. Für Johan gebe ich diese zwölf Opfergaben, nur für ihn will ich diese zwölf Tode in Kauf nehmen“, erklärte er nun doch gesprächiger werdend.

Kaius bemerkte die Verzückung im Gebaren und in den Augen des Teufels, die er nicht einmal zu verbergen versuchte. 'Der Pfad des blutroten Teufels' war bereits von Gerüchten umrankt und umwoben, doch keines von ihnen gestand ihm Menschlichkeit zu und schon gar nicht, dass er ein Ausländer war. Niemand hätte sich einfallen lassen, dass es sich um Yuuki Juudai handeln könnte, der in der Tat ein gewöhnlicher Mann war. Dass er sich jedoch für Johan diese Mühen machte und sich dieser sündhaften Dinge bezichtigte, ließ doch an seinem Charakter zweifeln. Vielleicht tat Juudai dies auch gerade weil er ein einfacher Mensch war und jemanden verlor, der ihm sehr viel bedeutet hatte. Aber was brachten ihm zwölf Tode? Diese Morde brachten seinen besten Freund doch wahrlich nicht dazu wieder mit ihm in Kontakt zu treten. Oder steckte noch mehr dahinter?

„Und das wievielte Opfer bin ich bereits?“, hakte Kaius nach, obwohl er eigentlich etwas anderes fragen wollte.

„Das achte Opfer. Bis ich auf dich traf habe ich sieben junge Männer getötet und dich werde ich nun in ihre Mitte einreihen. Du bist 'die Nummer Acht, der junge Kaius'. Du bist der Junge, der sich fürchterlich in mich verliebt hat und das ist das einzige, was für mich zählt. Na ja, bisher warst du der absolut verrückteste Kerl der mir untergekommen ist... aber ehrlich gesagt gefällt mir das gut.“

„Es ist mir eine Ehre.“

„Das meinte ich. Ich mag deine Einstellung. Aber für mich ist einzig und allein Johan wichtig. Von der Zehenspitze bis zur einzelnen Haarsträhne, jedes kleine Stück meiner Zellen gehört Johan. Sorry, aber ich gedenke nicht, dich auch mit nur einem einzigen Kuss zu belohnen.“

'Ahaha-aha-haha', so ungefähr schallte das Lachen des Teufels durch die Dunkelheit. Er genoss diese Situation und aus diesem Grund konnte er sich kaum anders helfen als seinem Entzücken weiter Luft zu machen. Es war das Lachen eines Mörders, welches nicht verstummen wollte. Sein Lachen hielt vermutlich weiter an, bis er seinen Wunsch nach so langer Zeit erfüllt hatte. Dieser beste Freund namens Johan war dem Teufel überaus teuer und wahrscheinlich wurde er vom Teufel geliebt. Es erschien Kaius so, als war Johan bereits tot, denn das war eine ziemlich gute Erklärung für den erbärmlichen seelischen Zustand Juudais.

„Soll das etwa heißen, dass ich dir an deiner Seite nicht genug bin?“

„Natürlich nicht, du wirst Johan niemals ersetzen können.“

„Aber ich habe das, was dieser Johan nicht bekommen kann, richtig? Besser gesagt, haben auch die sieben Leute vor mir und auch die vier Leute, die Sie noch zur Strecke bringen werden das, was Sie für diesen Johan brauchen. Das ist doch so, hab ich Recht?“

Der Bursche dachte sich zu diesem Zeitpunkt, dass es vollkommen okay so war. Der Teufel konnte ihn ruhig umbringen, wenn Kaius als Opfer für irgendetwas nützlich wurde und ein Zeichen in dieser Welt hinterlassen konnte. Ein normaldenkender Mensch hätte ihn mit Sicherheit als völlig verrückt erklärt, doch im Moment war es wirklich sein Ernst. Er wollte von diesem Teufel umgebracht werden.

In dem Augenblick als sie aufeinander getroffen waren, hatte sich der eisige Splitter des Spiegels der Königin in sein Herz gebohrt und ließ nicht mehr locker. Kaius saß in der Falle, doch er war ein williges Opfer, welches nicht sehr an seinem eigenen Leben hing. Er wollte Ruhm und einen hohen Bekanntheitsgrad wie alle diese großen Duellanten zu denen er aufsah. Nun, als Opfer eines Serienmörders in die Geschichte einzugehen, war vielleicht nicht die Art von Ruhm, die er sich eigentlich wünschte, aber Kaius war nicht wählerisch.

„Ihre Klinge, die Sie führen, ist allein unser. Sie würden sie niemals auf Ihren geliebten Johan richten. Mit anderen Worten, ist es etwas, dass wir von ihm gewonnen haben, ein einzigartiges Ding. Liege ich da richtig?“

„Ja, diese Klinge habt ihr euch verdient. Zweifellos wende ich all meine Gefühle nur Johan zu aber, tja... Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie sich in eine einzige Lüge wandeln, denn für diese Gefühle töte ich. Aber auch falls sie ihren Sinn verlieren, tu ich es, weil ich Glauben an Johan habe! Mein Gott, Johan Andersen.“

„Deshalb töten Sie nur junge Männer, die Ähnlichkeit mit mir haben, stimmt das? Entsprechen wir alle Ihrem Johan und sehen ihm ähnlich? Aus dem Unterbewusstsein heraus haben sich Ihre Gefühle materialisiert und haben ihnen eine Gestalt verliehen. Und nicht zu vergessen haben sie Ihre Liebe völlig verbogen, Ihre Gebete völlig verdreht und sind vermutlich in eine merkwürdige Offenbarung entartet. Wie interessant. Es macht mich irgendwie glücklich.“

„Mann, bist du aber pervers“, spottete der Teufel leicht angewidert.

„Versteh mich nicht falsch, ich wollte dir damit preisen.“

Dieser Teufel, dieser wunderschöne Yuuki Juudai. Aber wieso war Johan, an den der Teufel so sehr glaubte, wohl gestorben? War es vielleicht ein Unfall? Oder wurde auch er umgebracht um vielleicht sogar den Teufel selbst zu retten? Nun, es bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass er an einer schweren Krankheit verstorben war.

Wo Kaius schon auf dieses Thema kam, er hatte Mal gelesen, dass es innerhalb der Familie des Pegasus J. Crawford einen Verlust durch eine schwere Krankheit gegeben haben soll und es hieß, dass er darüber den Verstand verloren und den Duellkönig, Mutou Yuugi in einiges hineingezogen hatte. Natürlich war das, was man so in den Zeitungen lesen konnte zu meist nur eine brodelnde Gerüchteküche, doch vielleicht war ja doch etwas Wahres daran.

„Einen Gott zu töten ist die Aufgabe des Teufels“, die klare Stimme des Teufels hallte durch die Dunkelheit der Nacht, allerdings meinte der Bursche im Hintergrund die Stimme der Schneekönigin zu hören. Irgendwie wurde es ihm erst jetzt begreiflich: er war 'das achte Opfer, der junge Kaius'. Der Achte und vor ihm gab es sicher schon den Zweiten und den Dritten und ganz bestimmt auch den Ersten.

Der Mensch, mit dem alles begonnen hatte.

„Sie... 'der Pfade des blutroten Teufels' haben also einen Gott getötet, nicht? 'Johan, mit dem alles begann', 'der erste Johan', den haben Sie getötet.“

„Richtig. Der Teufel tötet Götter. Der, den ich über alles geliebt habe, der, der für den Teufel der absolute Glaube, der Gott war, wurde von einer göttlichen Vorhersehung getötet. Deshalb werde ich zwölf Abbilder des Gottes töten. Ihre Leben an mich reißen und den Gott für den Teufel wieder zurückholen.“

„Sie sind ja irre...“, murmelte Kaius, vor allem weil die Worte des Teufels keinen Sinn machten und sich vollkommen widersprachen.

„Die Liebe macht Menschen wahnsinnig. So ist es, sie macht auch Teufel wahnsinnig!

Und deshalb! Tu mir einen Gefallen und stirb auch du!!“, die Stimme, die Kaius in diesem Moment vernahm klang wie aus weiter Ferne, doch er konnte spüren, wie das Gesicht des Teufels sich hinter ihn bewegte und ihm fast die Luft abschnürte. Als nächstes spürte er, wie sein Körper von hinten festgehalten wurde und er in der Tat nicht mehr genug Luft bekam. Langsam, ganz sachte bekam er mit, dass er sein Bewusstsein verlor.

Im Nu wurde der Körper des Jungen von der Mitte heraus herumgedreht. Seine Innereien nach Außen gekehrt. während seine Haut nach innen gekrempelt war, die weichen aber doch so grotesken Teile lagen entblößt vor dem Teufel. Nun ruhte der Körper vor ihm und allmählich erhob der Teufel seine Hand um sie langsam in das warme Fleisch hineinzuführen, um das Objekt seiner Begierde herauszureißen.

Der immer noch warme Dünndarm.

Er pulsierte noch.

Sicher tat er das, da er sich seiner alten Funktion noch immer erinnerte, denn schließlich hatte er vor einigen Sekunden noch eine richtige Aufgabe gehabt und gelebt.

„Kaius, du hast genau drei Fehler begangen. Der erste war, dass du mich getroffen und mich auch noch angesprochen hast. Dein zweiter Fehler war blind daran zu glauben, dass du Liebe für mich empfandst und der dritte... ja der dritte war, dass du Johan mit dem ersten Opfer verwechselt hast!“, donnerte die Stimme des Teufels triumphierend über den kümmerlichen Fleischhaufen.
 

Die erschlagen und bei Seite geworfene Leiche wurde ebenso wie die anderen Sieben vor Kaius, zu einem stummen, leblosen Körper und es gab kein Wort mehr, dass er hätte äußern können.

Hier, im East End, in welchem einst Jack the Ripper zahlreiche Frauen getötet und den Weg mit ihrem Blut getränkt hatte, nahm auch der Teufel als Schauplatz für sein kleines Spielchen. Wie er es auch schon bei den sieben Leuten vor Kaius getan hatte, ließ er den leblosen Körper zurück und flog davon. Auf leisen Schwingen eines Dämonen. Jedoch unterschied sich ein kleines Detail, er sprach in einem leisen Singsang, den niemand hören konnte vor sich hin: „Johan Andersen, der einzige Gott in meinem Leben war 'Zero'“
 

Am nächsten Morgen wurde die Leiche Kaius‘ gefunden, welche sich wie die sieben anderen bisher auch, in demselben schrecklichen Zustand befand, so dass niemand mehr feststellen konnte wer sich hinter diesem toten Körper versteckte. Ohne Pass oder Schülerausweis war Kaius unterwegs gewesen. Somit brachte man die Leiche des Jugendlichen nach einigen Ermittlungen unter dem Namen 'die Nummer Acht, John Dough' zu den Akten und musste ihn zu den ungelösten Fällen hinzufügen.

Der Name des einfältigen Kaius aber wurde nur noch in den verworrenen Erzählungen des Teufels erwähnt. Danach wurde es toten still um ihn und sein Name verschwand aus den Gedächtnissen der Menschen, ohne den erwünschten Ruhm zu erlangen, von dem er sein Leben lang geträumt hatte.
 


 


 


 

Fortsetzung folgt.

Der Teufel, der zum Gottestöter wurde

Es befand sich dem Augenschein nach eine recht zwielichtige Person im Hintergarten des Gebäudes von Scotland Yard. Ein noch sehr junger Mann, wahrscheinlich war es richtiger zu sagen, dass er noch ein Jugendlicher war. Zumindest machte er den Eindruck eines halben Kindes. Diese zwielichtige Gestalt blieb den wachsamen Augen der Securitywächtern allerdings nicht verborgen und somit wurde er schneller festgenommen, als ihm lieb war. Schnell und hastig versuchte der Jugendliche aus dem brutalen Griff der Männer zu befreien und versuchte sich zu erklären: „Ich habe nichts gemacht! Ich will auch nichts ausspionieren oder irgendetwas anderes dergleichen. Ich warte nur auf jemanden!“

„Und wer soll das sein, Bürschchen?“, wollte einer der souveränen Männer wissen, worauf der junge Eindringling eine ernste Miene zog und ebenso mit gedämpfter Stimme sprach: „Edo Phoenix, der zur Zeit für den Scotland Yard an dem Fall des Serienmörders, auch besser bekannt als 'der Pfad des Blutroten Teufels' arbeitet. Er ist mit mir auf dieselbe Schule gegangen, die Duel Academy! Außerdem ist er jetzt ein Pro Duellant...“

Die beiden Spezialwachen tauschten vielsagende Blicke miteinander aus. Für einen einfachen zum Stalker gewordenen Fan von Edo Phoenix, war dieser Grünschnabel in der Tat zu gut informiert. Somit beschlossen sie Edo Phoenix in die Empfangshalle zu rufen, doch dieser erschien nicht sonderlich begeistert, dass er sich extra aus seinem eigenen, komfortablen Büro begeben musste, nur um zu sehen dass irgendein Kind ihn sehen wollte.

„Können Sie sich nicht selbst um solche niederen Probleme kümmern!?“, motzte er die beiden Wachen an. „Ich habe nun wirklich keine Zeit für so was. Außerdem habe ich keine Kinder in meinem Bekanntenkreis.“

Wie dieser Jugendlicher aber an diese wichtigen Informationen herangekommen war, machte Edo auf der anderen Seite doch neugierig. Diese kleinen Details die er genannt hatte musste er von irgendeiner Behörde haben, die sich ihm bereitwillig angeschlossen hatte. In diesen Fall waren nur eine handvoll Leute eingeweiht, die Edo perönlich kannte und genug vertraute um zu wissen, dass sie solche streng geheimen und vor allem privaten Informationen nicht weitergeben würden. Da Edo allerdings ziemlich missgelaunt war und sich mit solchen Dingen eher weniger gern beschäftigen wollte, kam sein Schimpfen wie aus der Pistole geschossen, als er die Tür zum Empfang geöffnet hatte.
 

Edo stockte der Atem ein wenig, als er den Jugendlichen in Augenschein nehmen konnte, der von den Wächtern durchgelassen worden war. Zu Edos Überraschung war er sehr ruhig und wirkte sogar relaxed, obwohl er nun in Edos Privatbüro hineingelassen wurde, da der Silberhaarige keine Wiederworte mehr kannte. Die entspannte Art des Jungen war nicht Edos einziges Problem, es war in der Tat so, dass derjenige, welcher vor ihm stand einem gewissen ziemlich unverschämten Jungen ähnlich war. Zunächst nickte Edo zu sich selbst und musterte den Jungen einmal von oben bis unter. Wie man es auch drehte und wendete, er hatte diesen Jungen schon einmal gesehen, er war genauso wie dieser kindische Grünschnabel von damals. Dasselbe schöne blaue Haar zierte ihn, doch ein kleines Detail war doch nicht übereinstimmend. Anstelle von einem gitzernden Paar smaragdgrüner Augen blickten ihn Mausgraue entgegen. Es schien auch so als hatte sich der Kleidungsstil ein wenig verändert, immerhin war an seinem Outfit nicht eine Rüsche zu sehen. Nun, das konnte nichts anderes bedeuten, als dass er sich geirrt hatte, also beschloss Edo seine innere Ruhe wieder herzustellen und sich zu sortieren. Im nächsten Augenblick jedoch, wurde dieser Plan wieder zu nichte gemacht als sich der Junge am Tee und den Süßigkeiten bediente, die aufgetischt waren: „Heeh, Edo. Es ist zehn Jahre her seit ich das letzte Mal was gegessen habe, aber hrlich, der Kuchen und die anderen Süßigkeiten zum Tee sind richtig gut. Ich wette die würden Juudai sogar noch besser gefallen als Katsudon, also im Falle dass du ihn festnehmen kannst, solltest du ihm welche anbieten. Also, Edo, meinst du nicht wir sollten reden? Am besten ein wenig über den berühmten 'Pfad des Blutroten Teufels'?“

Es war nicht zu fassen, dass dieser Junge ihm auch noch zuzwinkerte. Edo hingegen hatte es die Sprache verschlagen und brachte in diesem Moment nichts anderes als ein sprachloses Jaulen hervor. Es war als wäre dieser unverschämte Grunschnabel der Unterwelt entronnen. Das war ganz und gar kein lustiger Scherz.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein! Du... du kannst doch unmöglich Johan sein!?“, brachte Edo letztendlich doch viel mehr stimmlos heraus.

Der Junge der aussah wie Johan lachte auch mit dessen Stimme und zeigte ein für ihn typisches Grinsen dass sowohl Entschlossenheit als auch Mut signalisierte.

„Tja ich schätze, ich bin wohl Johan“, entgegnete der Blauhaarige und trank seine Tasse Tee aus, die er sich ohnehin mehr oder weniger ohne Aufforderung genommen hatte, „Also, willst du dich nicht setzen?“

Der Silberhaarige stieß einen missbilligenden Laut aus. Wer glaubte dieser Junge war hier der Boss? „Mach dir bloß keine Gedanken, vor zehn Jahren ist 'Johan Andersen' vernünftig gestorben, im Falle dass du an deinem Bewusstsein zweifelst. Ich habe mir diesen Körper lediglich geliehen. Ich nahm an, dass der Teufel diesen Junge, Hans, als zwölftes Opfer erwählen würde und deshalb habe ich mit ihm korrespondiert und diesen Körper als Leihgabe bekommen. Das heißt also, dass ich eigentlich nur eine Seele bin. Ich bin auch nur aus einem Grunde zu dir gekommen und der ist kein anderer als dir bei der Sache mit dem Teufel zu helfen. Also was ist? Kannst du mir immer noch nicht glauben?“, erklärte Johan ohne aufforderung, um Edos Stummes verlangen nach noch mehr Beweisen zu stillen. Außerdem bot Johan an ihm noch andere Fragen zu beantworten, so wie Juudais Maße, sein Spruch den er so oft sagte wenn er ein Duell gewann oder eben seine eroganen Zonen. In diesem Moment allerdings winkte Edo ab und gebot ihm zu schweigen. Diese Details weckten Edos Interesse ganz und gar nicht. Zweifelsohne hatte der Brite es mit Johan Andersen zutun, ansonsten hätte er wohl kaum diese recht delikaten Informationen aussprechen können. So viele Informationen, die außer Johan Andersen niemand wissen konnte – und auch nicht wissen wollte.

„Und? Willst du mir jetzt wirklich sagen, dass dieser Serienmörder tatsächlich dieser Idiot von Yuuki Juudai ist!?“, harkte Edo energisch nach. Die gesamte Zeit über hatte er gehofft, dass es nicht der Fall war, doch so wie sich Johan anhörte, gab es gewiss keinen Zweifel daran. Der Jugendliche vor ihm veschränkte lässig seine Arme hinter dem Kopf und nickte: „Wie immer stellst du dich nicht blöd an um Sachen zu schlucken. Das ist sehr hilfreich, weißt du, Edo? Es gibt keinerlei Zweifel daran, dass Juudai der Serienmörder ist. Ich lebe normalerweise mit ihm zusammen, deshalb gibt es da-...“ „Was sagst du da du-...“ „Nein, nicht so wie du denkst. Nicht der Junge Hans lebt bei Juudai, sondern ich, meine Seele. Leider bin ich für Juudai nicht sichtbar. Wenn das der fall wäre und wir uns gegenseitig verständigen könnten, wäre es vermutlich nie zu diesen Morden gekommen.“
 

Da Edos Blick Bände darüber aussagte wie sein Gedankengang gewesen war, hatte Johan ihm besser gleich die Flausen aus dem Kopf genommen. Der junge Hans hatte keinerlei Fehler gemacht und diesen Gedanken musste er Edo einfach wieder nehmen. Der junge Hans war sogar einer der gewöhnlichsten Menschen die man sich vorstellen konnte und dennoch, wenn sein Gesicht nicht so viel Ähnlichkeit dem Johans gehabt hätte, dann wäre er mit sicherheit dem Teufel nie begegnet. Edo seufzte schließlich: „Ist ja gut, ich habe verstanden. Und, was ist Juudais Ziel? Du?“

„Wie immer gut kombiniert“, entgegnete Johan, „Sein Plan scheint es zu sein von zwölf Jugendlichen eine bestimmte Innerei zu entnehmen und diese dann gemeinsam als Opfer für das 'Chain Material' zu gebrachen. Ich denke er braucht dieses Ritual um die Wiedergeburt eines Menschen hervorzurufen. Um ehrlich zu sein hat er meinen Körper sorgfältig gepflegt und aufbewahrt, so dass er meine Seele sicher wieder in den Körper zurückbringen kann, nehme ich an. Gleichzeitig würde das aber auch bedeuten, dass die Seele, die meinen Körper momentan noch im Schutz hat, und das ist natürlich Rainbow Dragon dafür sorgen würde, dass ferner kein Mensch mehr sein würde sondern Yuuki Juudai noch näher käme. Juudai scheint das nicht sonderlich zu kümmern.“

„Das ist doch wahnsinnig... da weiß man doch gar nicht mehr, was dieser Idiot eigentlich damit beweckt...“, bemerkte Edo kurzerhand.

Es klang für Edo wie ein schlechter Scherz, eine Sammlung gut sortierter Menschen zu opfern nur um einen anderen wieder auferstehen zu lassen. Johans Erklärung noch einmal zusammenfassend, verhielt es sich wohl genau so, allerdings blieben einige Details noch wie kryptische Rätsel. Zunächst mal konnte man die Toten nicht wieder zum Leben erwecken. Dazu sei gesagt, verstand er die Methode, die Juudai da geplant hatte ebenfalls nicht. Als könnte man zwölf Menschenleben für eines aufwiegen und sie verwenden um nur einen wieder aus seinem ewigen Schlaf zu zwingen! Betrachtete man diesen Fall geschichtlich, musste Edo zugeben dass es bisher noch niemanden gegeben hatte, der aufgrund eines Rituals gleich zwölf Menschen umbrachte. Selbst in Kriegen waren Massenmörder nicht dafür bekannt ihre Opfer als Ritualzutaten zu gebrauchen. Edo fand augenblicklich keinen vernünftigen Vergleich für diesen Wahnsinn.

„Ich schätze mal, dass er 'Der Pfad des Blutroten Teufels' genannt wird, gerade weil er das alles ohne Skrupel erfolgreich in die Tat umsetzen kann“, murmelte Edo wie zu sich selbst, allerdings war er noch immer an Johan gewandt. Sein alter Schulkamerad allerdings, schien ihn lesen zu können und die Gesichtszüge veränderten sich in eine ernste Miene und wirkte als ob er ein Urteil sprach: „Und zu guer letzt müssen wir wohl einsehen, dass Yuuki Juudai schon lange nicht mehr 'Der Rote Held' ist.“

Edo schwieg bedächtig. Wie man es auch betrachtete, man konnte die Fakten nicht mehr ignorieren und auch wenn Edo den Bericht Johans gern als eine absurde Geschichte hätte abgetan. Die Beweislage war erdrückend, so dass der Silberhaarig es einfach nicht mehr vermochte. Der Junge, den man einst Yuuki Juudai nannte konnte man am heutigen Tag nicht mehr als Mensch betiteln. Viel mehr war er nur noch ein armer junger Mann, der seinen Verstand in einer endlosen Isolation verloren hatte und Wahnsinn nicht mehr vom grenzenlosen Optimismus unterscheiden konnte. Für ihn war Johans Existenz das größte Maß auf der Welt und ihn zu verlieren bedeutete für Juudai die schlimmste Angst und sollte ihn anscheinend wieder zum gewaltigsten Massenmörder werden lassen. Denn ihm war alles egal, hauptsache Johan war bei ihm. Juudai war schon immer etwas zur Labilität hin tendiert in Zeiten solcher Tragödien.

Damals in der Isekai hatte man ihm er Verständlichkeit halber überliefert, dass seine Freunde gestorben waren, doch damals war es für ihn möglich gewesen seine Sinne wieder zusammen zu halten. Damals, in der Isekai, waren die Umstände vollkommen anders gewesen und man hatte die versiegelten Seelen wieder zurückschicken können. Diese Sünden des Mordens waren ihm damals vergeben worden, vor allem weil Johan wieder selbstständig atmete.

Dieses Mal jedoch war es anders.

Johan war tot.

Er kam kein zweites mal zurück.

„Was hast du eigentlich genau vor? Was bezweckst du damit, dass du mir alles brühwarm erzählst?“, harkte Edo nach.

„Könntest du Juudai nicht aufhalten?“, wollte Johan wissen, „Den bereits acht toten Menschen kann zwar nicht mehr geholfen werden, aber für die vier weiteren jungen Männer ist es noch nicht zu spät.“

„Das mache ich doch schon. Allerdings liegt die jetztige Situation allerdings so aus, dass wir bisher nicht einmal ein richtiges Muster erkennen konnten“, entgegnete Edo sehr gereizt, es wurmte ihn, dass er bisher keinerlei Anhaltspunkte hatte und hier mit einem Verstorbenen redete der ihm nur altkluge Ratschläge gab, „Lass mich dich anders fragen, hast du eine Ahnung warum Juudai akkurat zwölf Menschen umbringen wird? Immer wieder solche, die dir ähnlich aussehen?“

„Soll ich es dir auch erzählen, wenn es nur wage Vermutungn sind und meine Theorien auch von der Wirklichkeit abweichen könnten?“, konternete Johan mit einer Gegenfrage.

„Natürlich sollst du das, wir hatten bisher nicht einen Anhaltspunkt von dem die Realität hätte abweichen können!“, entgegnete Edo und schlug ein Bein über sein anderes. Johan konnte in seinem Gesicht lesen, dass er genervt war. Vor allem weil er so hilflos erschien, doch eben dieser Ausdruck brachte Johan dazu ein trockenes Lächeln zu zeigen. Edo war sich sicher, dass dieser Junge bereits einige Monate dieses leicht verzweifelte Lächeln auf den Lippen hatte.

„Weißt du, alles begann damit dass eine Falle unglaublich schief gelaufen war. Ich habe damit gar nicht gerechnet und und ehe ich mich versah war ich auch schon tot. Es kam wie ein einfacher Fluch auf uns zu.

'Teufel töten Götter' heißt es, und diesem ungeschriebenen Gesetz ist Juudai gefolgt denn für ihn war 'Johan Andersen zum Gott geworden' und doch befand er sich nicht mehr auf dieser Welt. Als Juudai dies begriff und auch verstand, dass es nichts mit seinem Willen sondern mit 'einer Fügung des Schicksals' zu tun hatte, gab er sich dennoch die Schuld an meinem Tod. Für dich mag es sich anhören als sei das die Zusammenstellung einer alten griechischen Tragödie, das tut nicht viel zu Sache.

Jedenfalls war es nicht seine Absicht gewesen mich umzubringen und auch aus diesem Grund beschloss er mich wieder auferstehen zu lassen. Egal was es kostete und egal mit welchen Mitteln er daran gehen musste. Ein paar Jahre lang recherchierte und suchte Juudai nach einer Möglichkeit. Ich war ihm ie ganze Zeit über gefolgt, allerdings war er nicht im Stande gewesen mich zu bemerken. Getrieben von seiner inneren Überzeugung fand er nach zehn Jahren endlich die Lösung all seiner Fragen. Die Lösung heißt 'Kettenmaterial'. Wenn du dich erinnerst, es ist dieselbe Karte, welche Yuberu einst in der Isekai verwendete. Yuberus letzter Trumpf bei dem sie genau zwölf Opfergaben brauchte um sie mit der Isekai zu verschmelzen und damit zur völligen Zerstörung zu bringen“, erklärte Johan langsam, so dass Edo auch jedes Detail mitbekam.

„Wie lautete der Katentext noch gleich...!?“, murmelte der Silberhaarige wieder wie zu sich selbst.

„Es ist eine Art der Fusionskarte. Sie enthält eine Kombination aus Alchemie und ein Text, den man recht frei interpretieren kann. Wenn man den Text liest und die Karte aktiviert wird eine gewaltige Energie freigesetzt die sich auch auf die Wirklichkeit auswirken kann. Trotzdem bedeutet das nicht, dass die Karte unzulässig ist oder als Schummeln gilt. Als sie damals in der Isekai zum Einsatz kam, verwendete sie reine Energie, was sie ansonsten verwendete weiß ich beim besten Willen nicht. Wie auch immer, was Juudai dieser Karte als Opfergabe gibt sind wohl zwölf Tode. Von allen Zwölf entwendet er je eine Innerei. Je nachdem um welchen Typ Innerei es sich handelt, verleibt er sie sich ein um sie vom fremden Blut zu reinigen. Anschließend trägt sie liebevoll mit sich um sie in einem Sarg aus Glas zu legen.“
 

Edo verzog das Gesicht. Das alles hörte sich über alle Maßen widerwertig an. Nicht nur, dass er aus den toten Körpern von zwölf Jungen Organe stahl um sie dann mit aller Höflichkeit in einen Glaskasten zu setzen. Es hörte sich an als ob man ein paar hübsche Torten in ein Schaufenster setzte um sie dann mit kleinen Preisschildchen zu versehen damit jeder verstand wie teuer sie ihm waren. So sah es also im Kopf des 'Pfad des Blutroten Teufels' aus.

Edo fluchte laut: „Gott ist der ekelhaft, das grenzt ja schon fast an Necrophilie...“

„Nah, sein Charakter scheint momentan schlimmer zu sein als das. Aber ich kann dich beruhigen, bisher hat er sich weder an den toten Körpern vergangen noch fühlt er sich irgendwie von ihnen erregt. Es ist nur so, dass er sich besonders um eine leblose Hülle kümmert und sorgt. Doch wenn ich ehrlich bin, es macht mir trotzdem ziemlich Angst. Ich denke, wenn es nicht mein Körper wäre, dann hätte ich ihn schon längst angebrüllt dass es verdammt ekelhaft ist was er da macht und wäre ihm sicher weinend davongelaufen“, erklärte Johan.

„Und was war deine erste Reaktion...?“, erkundigte sich Edo ein wenig skeptisch.

„Nun ja... ich habe mir gedacht, dass er mich doch wirklich unglaublich lieben muss, wenn er so weit geht. Zu schade dass ich nie Arme hatte um seine Umarmungen zu erwiedern. Vielleicht hätte er mich dann schon längst bemerkt“, antwortete der Blauhaarige mit leicht errötenden Wangen. Edo schüttelte angewidert den Kopf: „Gott ihr beiden Perversen passt doch wirklich wie Arsch auf Eimer. Wenn ihr beiden zusammen seid, dann endet alles im Chaos.“

„Das ist Liebe, Edo, nichts weiter“, meinte Johan, der sich bei dem Jungen Hans den Körper geliehen hatte.

„Liebe, sagst du?“, murmelte Edo wieder wie zu sich selbst. Liebe konnte solch ein von Leid gezeichnetes Wort sein. Edo hatte es soeben selbst gespürt, es schien als wollte sich seine Zunge dagegen wehren dieses Wort auszusprechen, irgendwie hinterließ es ein unangenehmes Gefühl. Liebe war eine komplexe Emotion, von der man am meisten in Märchen hörte. Sie war ein obskures Ding, die Liebe, die keine feste Gestalt kannte. In dieser Welt gab es auch die Ansicht, dass die Liebe ein furchtbarer Fluch war. Ein Fluch an den solche Idioten wie Johan glaubten. Dann wiederum gab es Leute wie Edo, die an solche Flüche oder solche Worte niemals Glauben schenken konnte.

'Mit Liebe kann man die Welt retten.'

'Die Liebe ist das größte Gut auf der Welt'

Das alles waren Bezeichnungen, die Edo in den Ohren wehtaten. Es klang einfach viel zu perfekt. Aber auch die andere Seite, dass man aus Liebe alles mögliche anrichten konnte. Das beste Beispiel für solch eine zerstörerische Liebe war sein Vater, der durch die Hingabe zum Kartendesign auf brutale Weise ermordet wurde. Nun, das war nun über zehn Jahre her und gehörte zu relativ alten Kamellen.

„Es hört sich zwar wirklich nett an, dass du das Wor Liebe in den Mund nimmst, aber soll das heißen, dass Juudai wegen genau dieser Liebe achten jungen Menschen die Chance auf eine zukundt genommen hat? Ist es das was du sagen willst? Johan, meinst du das wirklich ernst, dass du ihn mit Liebe entschuldigen möchtest? Das ist doch Schwachsinn! Nonsense! Wegen der Liebe soll dieser Junge zu all das fähig sein ist doch...“, bracht es aus Edo heraus, er konnte einfach nicht glauben zu was sich der gesamte Fall plötzlich entwickelt hatte. Allerdings blieb Johan still und bedacht. Er schüttelte den Kopf bevor er erneut fortfuhr: „Ich will sein Handeln weder verherrlichen noch möchte ich damit die Werbetrommel für verrückte Köpfe rühren. Ich denke doch selbst... dass das hier einfach nicht... geht. Aber er hört mich nicht, Edo! Glaubst du ich finde das lustig? Seit damals hat irgendetwas in seinem Kopf 'klick' gemacht und seither ist er verrückt geworden. Edo, es gibt auch Teufel auf dieser Welt und leider ist der Junge, den ich liebe und der Junge der mich schon immer geliebt hat einer davon geworden.“

Edo warf einen aufmerkamen Blick auf Johan und dessen geliehenen Körper. Diese Traurigkeit in seinen Augen und mit welcher Trauer er die Worte „Zerstörung“ und „Wahnsinn“ sagte, stand ihm. Selbst in diesem Moment, in dem beide ihre Gestaltn komplett verändert hatten schienen sie sich immer noch sehr zu lieben. Deshalb wollte der eine für seine Liebe morden während der andere nicht wollte dass dass diese für seine Liebe tötete.

„Ein vor Liebe durchgedrehter Massenmörder... Johan, glaubst du, dass Scotland Yard so jemand aufhalten kann?“, harkte Edo nach während er Johan mit einem forschenden Blick bedachte.

„Tja. Ich würde sagen, dass man das nur herausfinden kann, wenn man es versucht. Ich denke zwar, dass er nicht mehr viel von seiner wirklichen Persönlichkeit überbehalten hat, aber wie er auf dich, einen alten Bekannten reagieren könnte weiß ich nicht“, anttwortete Johan sofort.

„Wow, obwohl du weißt was passieren könnte willst du, dass ich losgehe um ihn zu stoppen. Du bist echt ein egoistischer Typ“, meinte Edo und streckte sich schließlich genüsslich um sich dann vom Sofa zu erheben, „Also gut, schluss mit den langen Reden, ich hab den Köder schon gefressen. Erzähl mir endlich wo dieser Idiot ist und ich werde den Rest erledigen.“

„Du bist mir wirklich eine sehr große Hilfe“, meinte dieser verdächtige Junge und atmete erleichtert aus und seine Schultern wirkten auf einmal sehr viel lockerer. Es wirkte so als ob Johan sogar nervös gewesen war. Dann allerdings lächelte Johan ein wenig verloren: „Das war eigentlich schon alles an Informationen, die ich dir geben kann: der Ort an dem Juudai sein Nest eingerichtet hat ist in Irlands Küste der Bucht. Aber ich würde dir nicht empfehlen dort direkt hinzugehen, das ist kein Ort für Lebende. Ich denke die sicherere Variante wird sein den neunten Jungen zu suchen.“

„Weißt du wer das sein soll?“

„Na ja, ich hab nur spärliche Informationen, um sehrlich zu sein. Das nächste Opfer, 'Die Nummer Neun – Heiz', lebt im East End und heißt mit vollem Namen Heiz Woodford. In den letzten Tagen hat Juudai diesen Namen immer und immer wieder vor sich hin gebrabbelt. Er hatte sogar ein Foto von ihm bei sich und so weit ich es erkennen konnte hat er ein wenig blasseres Haar als ich“, erklärte Johan, worauf Edo nickte: „Also das ist wirklich sein Kriterium...“

„Tja, so sieht es wohl aus. Sie alle ähneln mir sehr, aber ich glaube das Aussehen der Jungen ist vollkommen egal, was wichtig ist, sind die frischen Organe. Dabei möchte ich gar nicht, dass er das tut, ich möchte ihre Leben nicht und ihre Organe nicht damit sich meine Gestalt oder meinen Körper wieder verändern kann.“

Edo dachte plötzlich über die Wortwahl des anderen nach. Gestalt und Körper mussten so etwas wie Schlüsselworte mit einer versteckten Bedeutung sein. Zuerst hatte Edo gedacht, dass es einer von Johans schlechten Scherzen war, doch vielleicht war dies tatsächlich eine erogene Zone. Nun wollte Edo nicht unbedingt unhöflich und direkt mit dieser Vermutung hervorprassen. Dier berühmte 'Teufel' allerdings war auch dafür bekannt, dass er wirkte wie ein 'markelloses, wunderschönes Fräulein'. Nun konnte man von Juudai behaupten was man wollte, er war nicht der männlichste Junge, dem man begegnen konnte. Trotz allem gab es nie einen Zweifel daran, dass Juudai ein Mann war. Schon früher hatte es einige Momente gegeben, in denen man Juudai für ein Mädchen gehalten hatte.

„Jo-...Johan! Sag mal... habt ihr eigentlich... also Juudai und du, hattet ihr auch mal... du weißt schon, fleischlichen Kontakt?“, brachte Edo plötzlich doch etwas peinlich berührt hervor.

„Du meinst, ob wir Sex hatten?“, harkte Johan nach, „Klar, hatten wir.“

Die Antwort kam ohne jegliches Zögern und wie aus der Pistole geschossen, so dass es eher Edo ziemlich überraschte. Ein solches Detail war doch viel mehr etwas, das man für sich behielt oder wenig indirekter beantwortete. Johan, der für den Teufel zum Gott geworden war, fuhr weiter fort: „Also, um ehrlich zu sein ist Juudai der einzige, mit dem ich je Sex gehabt habe, deshalb kann ich es nicht gut beurteilen, aber wenn ich es recht bedenke, dann unterschied er sich nicht viel von einem Mädchen. Er war immer schon zierlich und klein und ganz und gar nicht wie dieser große Massenmörder und schon gar nicht wie ein Teufel. Juudai war hatte oft geweint, weil er unbedingt mein Kind bekommen wollte... aber natürlich, das ging nicht und dann starb ich auch noch. Wenn ich damals bei dem Experiment nicht plötzlich gestorben wäre, dann bin ich mir sicher, dass Juudai mein Kind geboren hätte...“
 


 

Im East End war befand sich die bereits bekannte Gestalt des 'Pfades des Blutroten Teufels'. Außer ihm befand sich nur noch ein weiterer Mensch auf den Straßen. Vor wenigen Tagen war das Gerücht verbreitet worden, dass der Teufel unterwegs war und seither befanden sich kaum noch Leute in diesem Viertel, es sei denn sie mussten.

Gen Himmel blickend konnte man den bereits weiß, jedoch immer noch großen Vollmond erkennen, vor dem ein scharlachroter Mantel im Wind wehte. Vor zwölf Jahren etwa, trugen einige Jungen diese herrlich roten Jacken da sie Schüler des Hauptsitzes der Duel Academy waren und ihre Freizeit in einem heruntergekommenen Studentenwohnheim, Osiris Red, zugebracht hatten. Auf dieser Welt wurde gemunkelt, dass es nur einen gab, der die Schönheit dieser Jacke in ihrem vollen Ausmaß vorzeigen konnte.

Die andere Gestalt, die sich draußen befand, war Marufuji Shou. Er hatte es mit eigenen Augen sehen müssen um das Schrecklichste glauben zu können und jetzt, da er ihn direkt vor seinen Augen hatte, konnte Shou nicht anders als vor Zorn und Enttäuschung die Zähne zusammenzubeißen und seine Lippen stark aufeinander zu pressen.

Er hatte es nicht glauben wollen.

Vor ihm stand zweifelsohne das Wesen, welches junge Männer auszog um ihnen das Fleisch von den Knochen zu ziehen und dann ihre Innereien nach außen zu holen, so dass die Leichen nur noch im grotesk zugerichteten Zustand gefunden werden konnten. Vor Shou stand der Mann, den mann 'den Pfad des Bluroten Teufels' oder auch 'Die Hexe Madea' und noch ganz anders nannte.

Er war von Kopf bis Fuß vom hervorgeprasselten Blutregen mit frischer, roter Flüssigkeit bespränkelt, so dass selbst der scharlachrote Mantel ein hübsches Muster bekommen hatte. Sein feins Antlitz war eenfalls mit Blut verschmiert. Trotzallem minderte es die Schönheit der Gestalt kein bisschen. Es war so als betrachtete man das Gemälde einer dunklen Todesfee.

Der Teufel, der eben noch etwas rundes in seinen Händen hatte kreisen lassen, steckte es zunächst in seinen Mund, bis er letztendlich bemerkte, dass jemand dicht bei ihm war und so wandte er sich in aller Gemütlichkeit um. Bei Shous Anblick zuckte sein gesammter Körper zusammen.

„Aniki...“, flüsterte Shou, der seinen Gegenüber noch immer einen verstörten Blick zu warf. Yuuki Juudai sah noch immer so auf wie vor zehn Jahren, als seine Erinnerungen angehalten wurden. Shous Stimme ging beinahe in der Nachtluft unter. 'Aniki' hatte Shou ihn schon immer genannt und es schien als könne er sich noch immer daran erinnern. Der Teufel lächelte heiter, so als seien diese zehn Jahre nie verstrichen. Mit diesem leichten Grinsen auf seinem Gesicht ging er auf Shou zu und ließ den toten Körper wie er war auf den Boden hinter sich liegen. Shou wich ein paar Schritte zurück. Nicht aus Angst, sondern angeekelt vom metallischen Geruch des Blutes, welcher sich mit dem fauligen Gestank von Tod vermischte.

„Nanu, Shou! Wie lange haben wir uns denn nicht mehr gesehen?! Ich schätze es müssten zehn Jahre sein, oder?“, kam es freudig von Juudai, „Mann, du bist ganz schön alt geworden, kann das sein? Na ja, so ist das wahrscheinlich, man kann nichts gegen das altwerden tun, nicht?“

„Aniki... du... du hast dich kein bisschen verändert“, entgegnete Schou wobei seine Wore noch immer leise und schwächlich an Juudais Ohr drang.

Er hatte es nicht glauben wollen.

Doch die Realität traf ihn wie eisige Grausamkeit.

Nun drang zusammen mit dem Gestank von Blut und Tod auch jener in Shous Nase, den er so gut kannte, der aufgeweckte Junge damals, der sich wie eine junge Katze in er Sonne badete. Der Jung, em Shou nachgeeifert war, der stets den Duft von Sonnenblumen mit sich trug. Der Duft des sonnengleichen 'Roten Helden' Yuuki Juudai folgte ihm noch immer.

Aber dieser Junge war nicht mehr 'der Rote Held' er war ein Massenmörder. Shou war zu nichts anderem in der Lage als ein wenig zu zittern und seine Stimme vermochte nicht mehr richtige Worte hervorzubringen. Es hörte sich viel mehr an wie ein kratziges Quaken eines kleinen Frosches. Der sonst so entspannte Juudai sah auf den zum jungen Mann gewordenen Shou hinüber, doch veränderte sich sein Gesichtsausdruck in eine misstrauische Miene.

„Was ist los, Shou? Ist dir nicht gut?“

„L-Lass mich dich an Stelle von Johan fragen! Hast du vor zu einem Gott zu werden? Oder zu einem Teufel? Antworte mir, Aniki, was hast du da hinten gemacht, ich will es wissen! Aniki! … Nein... 'Der Pfad des Blutroten Teufels'!!“, brach aus Shou heraus, mit jedem Wort mutiger und kräftiger klingend. Als er jedoch das Wort Teufel in den Mund nahm, verblasste der Ausdruck in Juudais Gesicht und es erstarrte zu Stein: „Ah verstehe... Shou, du siehst also auch nicht mehr in mir als das?“

Das kalte Gesicht des Teufels traf Shoul mitten ins Herz: „Ich mag diesen Namen nicht. Schon gar nicht wenn du mich so nennst. Also Shou, lass auch mich dich etwas fragen: warum schaust du mich mit diesen Augen an? Warum aktivierst du deine Duel Disk und wendest sie gegen mich? Ist es so falsch, dass ich Johan liebe?“

Die leuchtenden Augen des Teufels zeigten es. Er war davon überzeugt, dass niemand wusste was richtig war oder falsch. Er fand es merkwürdig, dass niemand ihn wirklich verstand. Deshalb prahlte er mit seinem Plan und deshalb fühlte er sich betrogen. Die letzte Frage des Teufels klang, als ob 'Yuuki Juudai' im Inneren der Bestie weinte.

„Warum? Warum wollen mich alle daran hindern Johan wiederzusehen!?“

Tief in seinem Herzen, irgendwo dort in seinem verkümmerten Herzen, wuste er es. Was richtig war und was nicht.

Letztendlich war Yuuki Juudai stets solch ein Mensch der unter Umständen auch etwas falsches tat um etwas Gutes zu bewirken.
 

Fortsetzung folgt

Die Nacht in der es kein Zurück mehr gibt

In einer schummrigen Seitengasse am East End in London flatterte ein roter Mantel im Wind. Das Mondlicht schien nicht nur auf den Teufel hinunter, sondern auch auf den leblosen Körper, dessen Haut heruntergekratzt und nach innen gekehrt war. Nun lag das Fleisch der Leiche frei und hier und da hingen einer paar größere Adern heraus. Langsam und stetig tropfte frischer Lebenssaft daraus hervor, welcher im bleichen Licht des Mondes strahlte und glitzerte. Kaum zu glauben, das eben jene Flüssigkeit noch vor wenigen Minuten durch einen Menschen floss und ihm die Kraft verlieh sich eigenständig zu bewegen. Wäre man vor wenigen Minuten an dieser Stelle vorbei gegangen, hätte man nicht mehr gesehen, als zwei junge Männer die sich unterhielten. Dagegen wirkte derselbe Ort wie ein skurriles Szenario eines schlechten, amerikanischen Horrorfilms in dem zu viel Blut floss.

‚Der Pfad des blutroten Teufels‘ oder auch ‚die Hexe Medea‘ und auch alle anderen Titel, welche ihm bereits gegeben wurden, verwiesen alle auf die Wesen der Unterwelt und des Bösen. Mit diesen unheimlichen Wesen zusammen wurde die Farbe Rot in Verbindung gebracht. Dem Teufel folgt das Rot überall hin. Die rote Farbe formte den Teufel und der Teufel liebte diese Farbe. Deshalb hüllte er sich in das kräftigste Scharlachrot, welches er finden konnte. Rot hatte ihn noch nie im Stich gelassen und das leuchtende, frische Blut hatte ihn stets vor Begeisterung brennen lassen.

Nur eines gefiel ihm gar nicht.

Das getrocknete Blut, welches langsam seine Farbe in ein unreines rotbraun oder gar schwarz verwandelte. Der Teufel war der Meinung, dass diese Farbe jegliches Leben verloren hatte. Es befand sich nicht ein Funken Lebenskraft mehr darin. Die bloße Vorstellung, dass die leblose Hülle seines Geliebten jemals mit dieser toten Farbe bedeckt werden könnte, stimmte den Teufel verdrießlich.

‚Die Nummer Neun, Heinz‘ der vor wenigen Augenblicken vom Teufel niedergerungen wurde, hatte nicht dieselbe jämmerliche Figur geliefert und um sein Leben gewimmert wie die Nummer Sieben. Er war auch kein von Neugierde herbeigelockter Einfallspinsel wie die Nummer Acht gewesen. Er, die Nummer Neun war einfach nur ein ängstlicher, um sein Leben bangender junger Mann gewesen. Aus diesem Grund hatte sich der Teufel dazu entschlossen ihn nur mit einem Schlag zu töten, so dass Heinz nur noch in der Lage war, erschrocken nach Luft zu schnappen. Gnädig war der Teufel stets gewesen, jedenfalls seiner Meinung nach.

Nun hielt er den Dickdarm von Heinz in seinen Händen und spielte fasziniert damit. Kurz darauf wanderte sein Blick zum Nachthimmel hinauf, an dem der Mond noch immer bleich hinunter schien. Vor ein paar Tagen war Vollmond gewesen, doch mittlerweile war die vollkommene Rundung wieder beschädigt. Langsam ballte er seine blutverschmierte Hand und drohte der Sichel. Heute Nacht war es nicht wie sonst. Der Teufel fühlte sich nicht vom Mord und dem Gedanken seinem Ziel nähergekommen zu sein, beruhigt.

Jedes Mal, wenn er einen Körper kaputtschlug, zerbarst er und das prasselnde Geräusch von schweren Bluttropfen war zu vernehmen. Aus diesem Grund wurde der Teufel ständig vom noch warmen Blut seines Opfers getroffen. Seine Jacke wurde nicht nur vom unansehnlich werdenden rotbraunen Blut getränkt und dadurch zu seiner unerträglichen Last, sondern auch seine helle Hose und die weiße Haut wurden rot gesprenkelt. Die rechte Hand, mit der er das Innere der Leiche durchkämmte war von der klebrigen Flüssigkeit versiegelt. Es war genauso wie bei all den Morden zuvor gewesen. Nachdem seine Tat vollbracht war, kehrte er für gewöhnlich in sein Nest zurück, wusch sich das Blut von den Händen und verfiel erneut in einen pechschwarzen Schlaf.

Nur Heute schien alles anders zu sein. Als sei der Teufel von irgendeiner Dummheit befallen, fühlte er, dass diese rote Farbe ihn Heimsuchte. Plötzlich fühlte er sich überhaupt nicht mehr wohl in diesem merkwürdig kräftigen Rot, so dass er von einem Impuls getrieben seine Jacke auszog und auf den Boden warf. Mit nur wenigen Handgriffen zückte der Teufel seine Duel Disk und rief eine kleine Seele aus seinem Gishiki Deck hervor.

„Gishiki Ariel, etwas Wasser bitte.“

Das kleine Wesen, welches aussah wie kleine Zauberin, machte Gebrauch von ihrer Magie und half dem Teufel sein Gesicht reinzuwaschen. Ein anderes Wassermonster, wie seinen Elementarhelden Bubbleman rief er nicht. Für den Gebrauch der Elementarhelden war Yuuki Juudai bekannt und auch Haou, der für seine grausamen Taten in der Isekai bekannt war hatte die Helden gerufen. Doch der Teufel spürte, dass es wenig sinnvoll war diese Helden zu rufen um seine Sünden hinfort zu waschen.

„Warum so plötzlich…?“, ging es dem Teufel durch den Kopf, der zum ersten Mal so eine Unruhe in seinem Herzen spürte. Er wunderte sich darüber und suchte mit den Augen nach irgendeiner plausiblen Erklärung. Schließlich, nachdem er einige Male herumgewirbelt war, konnte er die schmächtige Gestalt eines anderen Menschen erkennen. Zunächst war nur das klacken der Schuhe gegen den Asphalt zu hören gewesen, die weiter an Lautstärke gewannen und schlussendlich gänzlich verstummten. Auf dem Gesicht des Teufels breitete sich ein breites Grinsen aus. Vor ihm stand nun jemand, den er sehr gut kannte, doch dessen Miene wirkte überhaupt nicht erfreut. Dennoch gab diese Person ihm ein frischeres Gefühl.

„Hey, Shou!“

„Warum…“, entgegnete die helle Stimme des anderen zunächst, und fuhr aufgebrachter fort, „Warum das alles, Aniki!?“

Die erhellte Stimmung war offenbar nicht von langer Dauer. Als Shou diese Worte ausgesprochen hatte wurde die Luft von Fäule befallen und es breitete sich eine verstimmte Atmosphäre aus. Der Teufel fühlte sich etwas gereizt.

„Hey was ist denn mit dir los, Shou? Du siehst blass aus“, meinte Juudai noch immer mit aufgeweckter Stimme und wollte seinem alten Freund die rechte Hand reichen, die ihm gerade erst von dem kleinen Monster gewaschen wurde. Eben diese Hand wurde ihm von Shou weggeschlagen. Juudai durchfuhr ein penetranter Schmerz, doch dieser ging nicht von seiner Hand aus. Es war etwas, das viel mehr tief in seinem Herzen war und ihm sehr vertraut. Wie lange hatte er diese Pein nicht mehr gespürt? Vermutlich seit Johan gestorben war.

„Warum tust du solche Dinge? Wieso tötest du als ‚Pfad des blutroten Teufels‘ all diese unschuldigen Menschen!?“, schrie ihm Shou entgegen, wobei seine Worte für Juudai klangen wie ein Fluch. Sie erfüllten Juudais Körper mit unglaublicher Qual, die ihn nicht verlassen wollte. Der Gesichtsausdruck seines alten Freundes war hasserfüllt und wollte sich nicht zum Guten verändern. Für Juudai war es bitter und er litt unter diesen stechenden Augen.

Shou tat ihm weh.
 

„Weißt du… ich habe immer zu dir aufgesehen. Ich habe dich so sehr gemocht! Aber… aber jetzt… Ich bin wohl ein Narr gewesen. Ist es Johan, der dich so sehr verändert hat, Aniki!?“, fuhr Shou ihn an und zückte nun seine eigene Duel Disk und aktivierte diese im mit derselben Bewegung.

„Hör auf, Shou! Nimm deine deine Disk runter, ich bitte dich! Ich will dir nicht wehtun, verstehst du?“, entgegnete Juudai mit Nachdruck. Doch er war sich sicher, dass auch Shou ihn nicht daran hindern konnte sein Ziel zu erreichen.

„Nein! Ich habe mit Edo gesprochen und selbst darüber nachgedacht. Er meinte, dass du mich vielleicht auch umbringen könntest und dass… Dass der ‚Pfad des blutroten Teufels‘ nicht mehr Aniki… nicht mehr Yuuki Juudai ist. Aber ich, ich wollte selbst mit dir reden! Weil ich ganz fest darauf vertraut habe, dass mein Aniki niemals grundlos andere Leute tötet!“

„Shou…“, brachte Juudai neinahe tonlos hervor. Er beobachtete den blassgewordenen Jungen vor sich, der wutentbrannt sein Deck in die Disk steckte. Juudai hingegen konnte sich nicht daran erinnern, dass der Teufel den Namen ‚Marufuji Shou‘ als ein potentielles Opfer niedergeschrieben zu haben. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. Shou gehörte nicht zur Beute des Teufels.

Jedoch konnte wohl niemand dafür garantieren, dass sich der Teufel an seinen eigenen Plan hielt, sobald er in seinen unberechenbaren Irrsinn getrieben wurde.

„Es ist Zeit für ein Duell zwischen uns, Aniki. So wie du es mir früher schon gesagt hast, als mein Bruder jeglichen Respekt vor anderen verlor und zum Hell Kaiser wurde. Weißt du noch was du mir damals gesagt hast!? Ich solle mit beiden Beinen auf den Boden stehen und mich ihm gegenüberstellen. Deshalb, Aniki… stelle ich mich nun dir entgegen. Bis du dich wieder daran erinnerst, wofür du früher gestanden hast: lass uns Spaß beim Duellieren haben!“, schrie ihm der Kleine entgegen.

Ihre Blicke trafen sich.

Ein goldgelbes Feuer, welches vom Glauben an Gerechtigkeit durchflutet war.

Leere, rehbraune Augen hielten beinahe emotionslos dagegen.

„Geh mir aus dem Weg, Shou.“

„Auf keinen Fall!“

„Ich bitte dich, Shou, verschwinde!“, bellte Juudai, wobei er sich den Kopf hielt als litt er unter monströsen Kopfschmerzen. Shou wich keinen Schritt zurück, sondern richtete seinen Blick fest auf Juudai. Es schien ihm so als konnte er spitze, weiße Zähne aufblitzen sehen. Vielleicht war dies ein spezielles Merkmal des Teufels. Der blauhaarige Shou war sich darüber bewusst, dass sein Geschrei wahrscheinlich der Auslöser dieses Anfalls war. Die Augen des Jungen weiten sich vor Horror, denn aus Juudais Rücken kamen deutlich und auffallend ein paar Flügel hervor. Es waren große, dämonische Flügel und er hatte sie bereits ein paar Mal in seinem Leben gesehen. Die Flügel des Teufels waren die Flügel des Monsters Yuberu. Shou spürte wie die feinen Härchen auf seinen Armen sich aufstellten. Er begann innerlich zu zittern, denn diese Gestalt vor ihm war so furchteinflößend, dass Shou sich am liebsten verkrochen hätte. Als Juudai die Hände von seinem Kopf nahm, blickten zwei heterochrome Augen entgegen. Eines war leuchtend orange, das Andere leicht grünlich und sie strahlten helles Licht aus. Shou schnappte stumm nach Luft. Auch diese Augen gehörten zu Yuberu.

Nun konnte der Kleinere der beiden jungen Männer nichts anderes mehr tun, als ein paar Schritte nach Hinten zurück zu weichen. Eine solche Szene konnte man sonst nur in Horrorfilmen sehen, kurz bevor es das nächste Mordopfer gab.

War Shou etwa wirklich das nächste Opfer?

Der Junge kümmerte sich augenblicklich nicht um diesen Gedanken. Ihm war etwas anderes viel wichtiger, nämlich dass er nicht glauben konnte, dass Yuberu in seinem besten Freund weiterlebte. Shou wollte dies nicht akzeptieren.

„Shou…“, wimmerte Juudai vor sich hin, während er sich langsam von seinem schlimmen Anfall erholte. Seine Worte klangen dünn und elend. Die Flügel des Teufels umschlangen seinen dünnen Körper und Juudai weinte. Er weinte wobei er Shous Namen sagte und weiter klagte: „Mein Kopf zerspringt, Shou. Es hämmert in meinem Kopf! Es macht mich verrückt, verdammt, es ist so grausam! Es ist als ob ich etwas zerstören muss! Aber Shou! Nicht du bist die Nummer Zehn, Elf oder Zwölf! Deshalb bitte ich dich noch einmal, verschwinde von hier! Niemand kann mich aufhalten! Ich kann den Teufel nicht aufhalten! Falls du dich mir weiter in den Weg stellst, Shou dann könnte es passieren, dass ich nicht mehr wiederstehen kann und dich doch umbringe! Und das will ich mit allen Mitteln verhindern!“

„Dann erkläre mir wieso! Warum tötest du so viele Menschen? Und wenn du die Chance hast mich zu töten, dann zögerst du?!“, Shou forderte sofort eine Antwort.

„Um Johan wieder auferstehen zu lassen brauche ich Opfergaben“, entgegnete Juudai ohne Umschweife oder Reue in seiner Stimme. Der ihm gegenüber stand riss seine Augen auf vor Schreck. Es war also tatsächlich wahr. Juudais Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln: „Du dürftest es jetzt auch verstanden haben, oder, Shou? Ich bin schon lange nicht mehr bei rechtem Verstand.“

„Aber selbst wenn-…“ „Meine Güte, wer hätte das gedacht, dass du jemals so viel Einsicht zeigst. Ich gebe dir ganz Recht, du bist schon lange nicht mehr klar im Kopf“, wie aus dem Nichts unterbrach eine andere, klare Stimme den Anderen. Es war die Stimme einer ihnen bekannten Person, doch sie bereitete Juudai eher ein unbehagliches Gefühl. Ein junger Mann trat ihnen entgegen, der aufgegeben mit dem Kopf schüttelte. Edo Phoenix war eingetroffen und brachte noch jemanden mit sich. Es war ein junger Mann, der ungefähr im selben Alter war wie das neunte Opfer des Teufels und seine Gestalt ähnelte der, eines gewissen anderen Jungen. Es war derselbe junge Mann, der Edo vor kurzem aufgesucht hatte. Derjenige, der Johan Andersen bis aufs kleinste Haar glich, doch nicht Johan Andersen war.

„Scheint so als wären wir nur ganz knapp zu spätgekommen. Das neunte Opfer hat seinen Erlöser wohl schon gefunden. Und wie man sehen kann, liegt seine Leiche auch schon über die ganze Straße verstreut“, brachte Edo trocken hervor, wobei seine saphirblauen Augen allerdings mit Verachtung auf die Szene niederblickten, „Egal wie oft ich das hier noch sehe, ich kann einfach nur darauf plädieren, dass du ganz schön miese Hobbies hast. Und noch dazu einen richtig gruseligen Geschmack was Kunst angeht, wenn du uns jedes Mal Nachbildungen der Hölle präsentierst…“

„E-…Edo!? Warum bist du hier?“, kam es etwas zittrig aus Shous Munde.

„Das wollte ich dich gerade fragen. Wie kannst du es eigentlich wagen als Laie allein loszuziehen um den Aufenthaltsort eines Verrückten zu bestimmen!?“, entgegnete Edo einerseits beeindruckt und andererseits mit herablassenden Unterton. Dennoch war Shou sich sicher, dass Edo sich Sorgen um ihn gemacht hatte, denn nun da er zur Situation gekommen war, konnte er erleichtert ausatmen.

„Leider sind wir zu spät. Der Neunte ist auch schon tot…“, bemerkte Hans, welcher neben Edo stand. Nein, hierbei handelte es sich nicht um Hans. Es war Johan, der sich den Körper des jungen Mannes geliehen hatte. Es war Johan, der entsetzt seinen Mund öffnete und voller Kummer seine Hände zusammenschlug. Juudai, dessen Augen scharf genug waren um jede noch so kleine Bewegung zu beobachten, nahm auch das Klagen wahr. Plötzlich verwandelte sich seine Miene und er brachte ein einziges Wort hervor: „Johan?“

Vor wenigen Momenten noch hatte er sich vor Schmerzen gekrümmt und war von Qualen heimgesucht worden, doch all diese Gefühle waren auf einmal wie in Luft aufgelöst. Augenblicklich machte Juudai den Eindruck eines verträumten, jungen Mädchens. Ein junges Fräulein, das die Gefahren der Welt noch nicht kannte. Juudai wirkte wie ein scheues Kitz, als er den Namen seines Geliebten in den Mund nahm.
 

Johan aber betrachtete Juudai mit düsterer Miene. Er wusste um den schwachen, emotionalen Zustand, in welchem sich Juudais Geist befand. Dieses Trauma hatte Johan seit zwei Jahren mit angesehen, während er als Geist an Juudais Seite verweilte. Er hatte ihn im Schlaf beobachtet, der oft von grausamen Träumen heimgesucht wurde. Manche Tage waren so intensiv, dass Juudai immer und immer wieder dieselben Worte brüllte.

‚Lüge! Eine Lüge! Es muss eine Lüge sein!! Johan kann gar nicht tot sein!!‘

‚Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand!! Und trotz allem!? Was habe ich denn falsch gemacht!?‘

‚Johan! Es ist alles meine Schuld… Johan…‘ Seit Jahren schon wiederholte Juudai diese Worte. Sie gehörten zu ihrer Zeit und wiederholten sich wie eine Schallplatte, die einen Sprung hatte. Immer, immer und immer wieder. Schon seit zehn Jahren ging das so.

Die Ereignisse, welche sich in der Isekai zugetragen hatten, hatten in seiner Seele bereits ein emotionales Trauma eingraviert. Unsichtbare Narben, die niemals wieder verheilten.

„Du bist Johan… aber dennoch… bist du es nicht. Johan ist immerhin schon vorausgegangen. Du musst Hans sein, nicht wahr?“, murmelte Juudai bedächtig, „Weshalb du bei Edo und den anderen bist, weiß ich allerdings nicht.“

„Genau der bin ich. Du hast vor mich als letzten umzubringen, stimmt‘s?“, entgegnete Johan.

„Richtig. Ich seheschon, du bist Hans C. Walker. Du bist mein zwölftes Opfer und du wirst sterben nachdem ich dir das Herz herausreiße. Der Grund dafür ist ganz einfach, weil du Johan am ähnlichsten siehst.“, erläuterte Juudai ruhig.

„Wow, das klingt echt unangemessen…“

„Vielleicht. Aber wieso auch nicht?“, sprach Juudai nüchtern, so als ob er aus seinem Wahnsinn wiedererwacht war. Sein Anfall klang langsam ab, wobei das Zittern nachließ. Vermutlich kam es durch die Gewissheit, dass er diesen Fremden mit Johan verwechselt hatte, dass die Heterochromie in seinen Augen wieder verschwand.

Edo hingegen bewegte sich nun auf Shou zu und riss ihn vom Schlachtfeld mit Juudai fort. Shou ließ sich von dem anderen mitziehen und schließlich ließ er sich mit einem dumpfen Plumpsen auf den Boden fallen, als ob ihn alle Kraft entwichen war. Sein Blick fiel auf seinen besten Freund, dessen dunkelbraune Augen wieder die alte Frische ausdrückten. Diese Augen kannte Shou, diese waren es, die er immer an seinem Aniki geliebt hatte. Juudai holte tief Luft und atmete sie wieder ruhig aus, so als ob er sich sammeln musste. Vielleicht kam es auch daher, dass er sich immer noch nicht ganz von all der Aufregung erholt hatte. Wahrscheinlich hatte es mit seiner grotesken Verwandlung zutun, die ihm vermutlich ziemlich viel Kraft kostete.

Johan fragte sich, was er wohl sagen sollte oder ob er überhaupt etwas sagen sollte. Während er das Für und Wider abwog, hüllte Johan sich in Schweigen. Vielleicht war es das Klügste, denn bei einem labilen Geist war es leicht gewisse Grenzen zu überschreiten. Das Leben von Hans wollte er auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Stattdessen kam Edo ihm nun zuvor und wandte sich direkt an den Braunhaarigen: „Juudai, nun lass es endlich gut sein! Hör auf mit diesen sinnlosen Morden und denk mal darüber nach! Sieh dich an, wie töricht du doch bist! Glaubst du im Ernst, dass Johan sich so etwas gewünscht hat? Du solltest doch am besten wissen, dass Johan nicht zu der Sorte Mensch gehört, die sich über solche Opfergaben freuen!“

Johan, der während Edos Ansprache eigentlich hatte eingreifen wollen, ohrfeigte sich in Gedanken. Das war die Grenze, die er auf keinen Fall überschreiten wollte.

„Töricht…sagst du?“

„Na ja, ist es denn nicht so? Egal von wessen Standpunkt aus du es betrachtest, du bist keinesfalls im Recht! Das dürfte doch auch dir klar sein! Ich habe zwar früher schon oft gesagt, dass du ein dummer Tölpel bist, aber dass du dermaßen geistesgestört wirst, hätte ich nie gedacht. Jetzt versuch doch mal ernsthaft darüber nachzudenken… Warum sollte ein Mensch wiederauferstehen, sobald du zwölf andere getötet hast!? Wie kannst du so einen Unsinn überhaupt glauben?!“

Juudai zeigte ein herablassendes Grinsen, wenige Menschen hat die Möglichkeit diese Charaktereigenschaft aus ihm heraus zu kitzeln, die er zweifelsohne in der Isekai bekommen hatte: „Das wird wohl daran liegen dass ich geistesgestört bin.“

„Edo!“, Johan wollte sich einmischen, stattdessen legte sich eine erdrückende Stille über die Situation. Juudai erschien ihm schwach, so wie er nun die Schultern herabhängen ließ. Im Augenblick war nicht mit Sicherheit abzusehen, wie sich ihre Lage verändern könnte. Ein schwacher Juudai ließ normalerweise mit sich reden, denn der Teufel ruhte. Nun kam es ganz darauf an wie die drei über ihre nächsten Schritte entschieden. Eine einzige Wahl konnte über ihr aller Leben entscheiden. Shou hatte zuvor eine falsche Wahl getroffen und konnte nur durch Edos und Johans Auftauchen gerettet werden. Johan vermutete, dass sie sich bereits auf dem Weg zum Klimax befanden. Direkt auf das Ende zu und er erwartete nicht, dass es sich um ein Gutes handelte. Wenn Edo nicht auf seine Ausdrucksweise achtete, dann käme wohl niemand von ihnen dreien wieder lebendig nach Hause.

Johan trat einen Schritt nach vorn, um Edo etwas zuzuflüstern, doch dieser winkte ab: „Misch dich nicht ein. Ich werd‘ heute nicht eher ruhen, bevor ich diesem verträumten Bastard nicht eine runtergehauen hab. Nicht, dass es sonderlich viel nützen wird aber…“

Auf sein verärgertes Knurren folgte ein lautes Klatschen. Edo war ruhigen, aber schnellen Schrittes auf Juudai zugegangen und wuchtete ihm die Faust in eine seiner Wangen. Im ersten Moment verstand der Braunhaarige die Welt nicht mehr, denn ihm war nicht klar was geschehen war. Mit weit aufgerissenen Augen, wurde dem jungen Mann plötzlich bewusst, dass er physische Schmerzen hatte. Er hatte schon lange keine irdischen Schmerzen mehr verspürt. Wenn Juudai darüber nachdachte, dann hatte er so etwas das letzte Mal vor zehn Jahren gefühlt. Das ihn so etwas Einfaches vollkommen zu lähmen vermochte, lag daran, dass er diese Art von Kontakt und Empfindungen schon vor Jahren vergessen.

In diesem Moment fühlte Juudai sich befreit und genoss diesen gewöhnlichen Schmerz. Ein sanftes, ruhiges Lächeln trat auf seine Lippen.

„…Tut ganz schön weh. Aber ich denke das ist das, was ich im Moment gebraucht habe. Ich weiß, was du mir sagen möchtest, Edo. ‚Glaubst du denn nicht, dass die Hinterbliebenen der Opfer sich genauso fühlen wie du‘ oder ‚tu nicht so als wärst du in dieser Sache unschuldig‘ und anderes wird wohl dabei sein. Aber ich muss dir leider sagen, dass es mich nicht kümmert. Es ist zu spät, Edo, es macht keinen Sinn mehr von meinem Plan Abstand zu nehmen. Ich kann nicht mehr zurück, wie auch? Jetzt, wo ich schon so weit gekommen bin? Du solltest von jetzt an die Finger aus diesem Fall lassen, Edo. Niemand kann mich jetzt noch aufhalten“, erklärte Juudai mit einem unschuldigen Lächeln auf den Lippen. Johan, der diese Situation schweigend mitangesehen hatte, bedachte Juudai mit einem sorgevollen Blick.

Mit jedem gesprochenem Wort, jeder Geste erkannte er, dass sie den Lauf der Dinge wohl kaum verändern können. Alles deutete auf eine Tragödie hin. Mit jedem Schritt, den Juudai tat, rückte ein glückliches Ende für ihre Seelen in weiter Ferne. Johan wusste es genau. Er spürte, dass er dem Lauf dieser Geschichte machtlos gegenüber stand. Aufgegeben und enttäuscht von sich selbst, schüttelte er schweigend den Kopf und seufzte. Johan Andersen konnte nicht anders, als Yuuki Juudai trotz aller Grausamkeit und Wahnsinn zu lieben. Doch musste er gab auch ganz klar zu, dass er diese sinnlosen Morde nicht guthieß und ihnen ein Ende bereiten wollte. Wie sehr er sich wünschte als Seele weiterhin neben Juudai zu leben, Monat um Monat und Jahr um Jahr. Die Möglichkeit zu haben Juudai dabei zu beobachten, wie er ein längeres, erfülltes Leben lebte und auch ihm dabei Glück und Freude zukommen ließ. Das wäre Johans größtes Glück. Doch anscheinend nicht für Juudai. Er war stur genug und sah stets nur ‚den lebenden Johan‘ bei sich. Diese Sturheit war schuld daran, dass die Gabe und Chance das Übernatürliche wahrzunehmen abschottete und sich dieser Kanal für die beiden womöglich für immer verschloss.

Johan erinnerte sich an die endlosen Nächte, in denen Juudai sich immer und immer wieder dieselbe Frage stellte, während der Teufel schlief, war dies denn wirklich der Sinn daran zu lieben? Egal wie oft Juudai diese Frage aussprach, irgendwann hatte Johan aufgehört zu zählen und ebenso viele Male hatte er ihm geantwortet.

Nein. Liebe war nicht dieser Schmerz. Es bedeutete den anderen so zu akzeptieren und mit ihm im Herzen zu leben. Aber egal, wie hart er darum kämpfte Juudai zu erreichen, er hörte ihm einfach nicht zu. Seine Stimme kam nie bei ihm an.

„Edo, Shou… ich denke ich habe es jetzt eingesehen. Ich denke, die Notbremse dieser gefährlichen Konstruktion aus Zahnrädern ist schon lange außer Kraft getreten“, meinte Johan in bitterer Stimmlage, „Ab und zu kommt dieser bestialische Instinkt hervor, nicht Juudais, sondern der des Teufels, den Juudai nicht beherrschen kann. Ihr beiden müsstet es auch noch kennen… Das was damals in der Isekai geschehen ist. All das, was Juudai erkennen ließ, was seine größte Furcht ist und dass ihm mentale Schmerzen viel heftiger unter Druck setzen als alles andere. Diesem Druck hat er nie gut standgehalten und sogar seine Gestalt verändert. Die Geschehnisse in der Isekai war eine Verstrickung von vielen tragischen Ereignissen und wir alle haben zusammengearbeitet um die Lasten von Juudai zu nehmen, auch wenn er sich hauptsächlich selbst davon befreien musste… Das Problem ist, dass ihm niemand die neue Last ‚Johan ist tot‘ nehmen kann. Deshalb…

Fürchte ich…

Dass man Juudai nicht mehr aufhalten kann.“

Die beiden jungen Männer, die sich neben Johan befanden lauschten aufmerksam. Durch jedes weitere Wort wurden sie sich bewusster, dass er höchstwahrscheinlich Recht behalten wird. Besonders Shou quälte diese Erkenntnis. Plötzlich schoss ihm allerdings eine andere Sache durch den Kopf und er wandte sich an Johan, der noch immer in Gestalt von Hans bei ihnen war und begann ihn mit Fragen zu löchern: „Warte mal, wer ist eigentlich dieser Kerl hier, der fast so aussieht wie Johan? Vor allem was redet er hier über meinen Aniki und wieso spricht er so als ob er ihn und uns schon seit Jahren kennt? …Also, nicht dass ich mich nicht schon die ganze Zeit frage, aber…“

„Oh Mann, Shou, jetzt denk doch mal nach und beachte, wie er Japanisch spricht… Aber es scheint als ginge es dir besser, das ist immerhin etwas“, entgegnete Edo, der sich ein wenig die Stirn rieb. Shou aber fand Edos Kommentar überhaupt nicht lustig und beschwerte sich unheimlich über den plötzlichen Themawechsel. Was hatte denn seine Gesundheit mit diesem merkwürdigen Mann zutun, der so tat als kannten sie sich schon seit Ewigkeiten. Vor allem, wie konnte er wissen, dass Juudai einst Haou war und was in der Isekai geschehen war. Johan bedachte die Szene mit einem bitteren Lächeln, während sein Blick wieder zu Juudai glitt. Es schnellten Flügel aus seinem Rücken hervor und kurz darauf nahm er Abstand von ihnen dreien, während Johan in seine Richtung zeigte.

„Ich glaube er möchte uns jetzt davonlaufen“, bemerkte der Blauhaarige.

„Hey Shou, jetzt lass gut sein, ich kann doch nicht aus dem Nähkästchen plaudern, wenn er da uns zuhört.“

„Ah-… dann warte doch gefälligst mit so was, bis wir allein sind…“

„Ist mein kleines Geheimnis jetzt endlich durchgekaut, ihr beiden?“, wollte Johan wissen, der immer noch seine Augen auf Juudai gerichtet hatte, der sich in eine Sichere Höhe, auf das Dach eines Hauses begab und die Arme lässig hinter seinen Kopf verschränkte, wie ein unschuldiges Kindergartenkind und gelangweilt das Dach entlang spazierte.

„Ich habe eigentlich erwartet, dass er schon viel früher das Weite sucht…“, brummte Edo missbilligend.

Aus sicherer Entfernung betrachtete Juudai seine drei Freunde. Er erweckte eher den Anschein sich auf Bereitschaft zu halten und seine Bewegungen ließen darauf schließen, dass er sich ernsthaft langweilte.

„Natürlich ‚laufe ich euch davon‘, so wie ihr mich hier stört! Außerdem möchte ich weder Shou noch Edo etwas antun, also ziehe ich mich hier zurück. Hans, ich werde dich morgen allein abholen“, meinte Juudai vom Dach eines Wohnhauses hinuntersehend.

„Morgen?“, fragte Johan während in ihm eine neue Hoffnung keimte, „Wenn das bedeuten soll, dass du die Nummer Zehn und die Nummer Elf laufen lässt, dann ist mir deine Entscheidung willkommen!“

Ein helles Kichern kam aus seinem Munde: „Versteh mich bloß nicht falsch. Ich habe lediglich meinen Plan geändert. Es sieht immerhin nicht so aus, als ob ihr mir noch viel Zeit lasst, also muss ich jeden die beiden letzten noch heute Nacht aus dem Weg räumen. Und um ehrlich zu sein, ich bin nicht erpicht darauf mich mit Edo zu duellieren. Mich mit ihm zu messen lag mir noch nie sehr gut. Er hat mich früher schon gequält.“

Juudai sagte diese Worte leichtfertig vor sich hin, so als handelte es sich um alltäglichen Klatsch und Tratsch, welchen man jeden Tag auf der Straße hörte. Dabei handelte es sich eigentlich um seine weitere Vorgehensweise und genau das, kam für Edo überraschend. Auf der anderen Seite sagte das nur etwas über Juudais innere Vorbereitung aus. Er war bereit dazu diese Menschen zu töten und Juudai würde vermutlich erst in Erwägung von seinem Plan abzulassen, wenn sein über alles Geliebter ihm ins Gesicht schrie: ‚Du solltest lieber sterben!‘. Doch bis zu diesem Tag hin würde er wohl immer weiter und weiter gehen.

Edo wechselte einige vielsagende Blicke mit Johan aus. Einer von ihnen sollte ihm sagen, dass ihm die alte Geschichte in Juudais zweitem Schuljahr an der Akademie wirklich leidtat. Die anderen aber entschuldigten sich bei Johan, denn ihre kleine Konversation hierdraußen, mitten in der Nacht hatte schlicht und ergreifend das Schicksal ihrer Zukunft bestimmt. Gleichzeitig breitete sich eine merkwürdige Seelenruhe in ihm aus.

„Ah, ich habe von der Sache gehört. Du bist dafür verantwortlich, dass die Karten vollkommen leer wurden, richtig? Um wieder davon befreit zu werden, musstest du bis zum Jupitermond Io reisen, nicht wahr?“, entgegnete Johan ruhig.

„Ja, genau die Geschichte meine ich“, sprach Juudai in ebenso besonnener Stimmlage, „Hans. Du siehst Johan tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Das mag ich wirklich sehr.“ Damit wandte Juudai ihnen den Rücken zu und war im Begriff zu verschwinden.

„He-hey, warte!!“, schrie Edo ihm hinterher, wobei er im Begriff war ihm nachzulaufen. Bevor er sich in Bewegung setzen konnte, kam Juudai ihm zuvor indem er ein paar riesige Ungeheuer der Monstergruppe Übelschar auf ihn hetzte um sich ihm in den Weg zu stellen. Edo schnalzte grimmig mit der Zunge, Shou blieb wie angewurzelt stehen während Johan seine Augen nicht vom Teufel abließ und an dessen Lippen hängen blieb, die sich tonlos bewegten. Der einzige der in so einer Situation die Nerven dafür hatte, die Lippen des Teufels zu lesen, war nur Johan. Er verfolgte den ‚Pfad des blutroten Teufels‘ weiter mit den Augen, bis er in den pechschwarzen Nachthimmel verschwand, der nur von einsamen Sternen und einer fahlleuchtenden Sichel erhellt war. Der Teufel hatte ohne Zweifel ‚Ich werde dich töten‘ gemurmelt, Juudai allerdings sagte ‚Ich liebe dich, Johan‘ und war kurz darauf verschwunden.
 

Die Nacht zog vorüber.

Ein leuchtender neuer Morgen brach an und die Menschen in London gingen ihrer täglichen Arbeit nach. Durch die Medien aber ging immer und immer wieder eine Nachricht rum: in den Londoner Straßen wurde gegen Morgen zwei neue Leichen entdeckt. Sie wurden im selben Zustand gefunden, wie die vielen anderen. Einen Unterschied gab es jedoch. Laut den Fernsehberichten waren die beiden neuen Leichen nicht fein säuberlich von ihren Gliedmaßen getrennt worden, sondern es machte den Eindruck, als habe man sie durch einen Reißwolf gedreht. Die Identifikation der Toten stand ebenfals noch aus, denn an ihrem zerpflückten Fleisch hatten sich bereits eifrige Frühaufsteher, wie die Krähen und Raben der Stadt gelabt. Ob man es jemals möglich war die armen Opfer zu identifizieren.

Edo biss sich hart auf die Lippen während er mit Shou und Johan am Frühstückstisch saß und die Nachrichten sah. Sie hätten Juudai aufhalten können. Vielleicht wäre es möglich gewesen ihn mit Gewalt zu stoppen. Auf der anderen Seite, hatte er am Vorabend erkannt über welch große Magie dieser Teufel verfügte. Gegen so eine Macht konnten sie nichts tun. Edo gab zu, dass ihm im Augenblick jeder als Gegner lieber war als Juudai. Sogar Saiou wäre ihm tausend Mal lieber gewesen.

„Keine Sorge, Edo. Bald ist alles vorbei.“

„Aber um welchen Preis, Johan!? Um welchen Preis? Hans wird auch sterben, falls du es vergessen hast. Und zwar heute!“, entgegnete Edo. In seinen Augen war Zorn zu verzeichnen. Er hasste es, wenn er Verbrechen dieser Art machtlos gegenüber stand. Es gab im das Gefühl sich wieder in jener Nacht zu befinden, als er seinen Vater tot in dessen Büro gefunden hatte.

„Ich weiß Edo. Wenn ich dafür garantieren könnte, dass Hans nicht passiert, dann würde ich es tun“, meinte Johan bedächtig. Shou war nicht in der Lage etwas zu sagen. Er konnte sich schwer damit abfinden, dass sein Aniki zu solchen Taten fähig war.
 


 

Fortsetzung folgt

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„Heh, Engel… der Teufel ist ein unglaublich hübscher Typ. Dazu ist er auch ganz schön zerbrechlich.“ Johan erinnerte sich an die Worte seines Wirtes, die er nur wenige Minuten zuvor geäußert hatte während er sich hellwach im Bett umherwälzte. Die Hoffnung endlich in den Schlaf zu kommen gab Johan mittlerweile auf. So hing er seinen Gedanken nach, wie er vor einigen Stunden noch Hans angesehen hatte und dessen vor Hitze und vor Peinlichkeit berührtes Gesicht erkannte.

‘Ich weiß nicht, wie du zu diesem Schluss kommst, aber du wirst sterben so lange es weitergeht wie bisher. Das weißt du doch?’, wollte Johans transparente Seele mit ernster Miene wissen. Seitdem sie auf Juudai, oder viel mehr den Teufel, gestoßen waren nistete sich ein Gefühl von starker Gewissensbisse in dem Inneren des Engels ein. Seine Aufgabe hätte sein müssen diesen jungen Menschen von allem Unglück zu bewahren und nicht dafür zu sorgen dass alles noch viel schlimmer wird. Auf der anderen Seite, nahm dieser leichtsinnige Junge, die Form einer Zielscheibe in dem Moment an, als der Teufel sich seine Opfer auswählte. Hans‘ Schicksal wies ihn an früh zu sterben, egal ob Johan sich mit ihm zusammen tat oder nicht.

“Ja. Trotzdem bin ich nicht betrübt und wenn ich schon sterben muss, dann durch die Hand eines so schönen Menschen”, entgegnete Hans ungewissenhaft ohne weiter darüber nachzudenken, „Jetzt mach nicht so ein enttäuschtes Gesicht, Engel.“ Johans Gesichtsausdruck veränderte sich trotz allem nicht. Ganz im Gegenteil erwiderte das geflügelte Seelenwesen den Blick des anderen, der sich lachend im Bett hin und herwarf, mit der Stirn in Falten gelegt und düsteren Augenbrauen. Der Engel war in der Tat ein übernatürlich gut anzuschauender Junge und dies ging Hans nun durch den Kopf. Auch wenn er im Moment so ernst dreinschaute. Für Hans war die vergangene Nacht, in der sie auf den Teufel stießen wie ein Traum, welcher in weiter Ferne lag. Ein Traum, welcher selbst ihm nur erzählt wurde. Dabei erkannte Hans bereits, dass der geistige Zustand des Mörders dem entsprach, was die Gerüchte besagten. Hans fand diese kranke Besessenheit erstaunlich. Wie sehr musste ein Geist gelitten haben um sich solchen bestialischen Ritualen hinzugeben. Dennoch konnte dieser herzlose Mörder sich in jemanden wie den Engel verlieben.

„Ist es nicht merkwürdig, dass er dazu bereit ist, zwölf Leben auszulöschen um ein einziges wiederauferstehen zu lassen?“, dachte nun Hans laut nach, „Für den Teufel musst du unglaublich viel bedeuten, wenn er dein Leben mehr wertschätzt als alle anderen. Ich glaube, dass du das größte Dasein für ihn bist und wenn ich daran denke, dass ich ein Teil des Ganzen werde, erfüllt es mich sowohl mit Angst als auch Faszination.“

‚Du siehst das falsch, ich bin auch nur ein ganz gewöhnlicher Mensch, so wie du. Nur meine Gestalt hat sich verändert, denn mein Geliebter hat meine Hülle mit dem Rainbow Dragon verbunden. Auf diese Weise erhielt ich diese Flügel‘, entgegnete Johan mit einer Miene, die bedrückt wirkte, ‚Das einzige was wirklich hierbei zählt ist, dass wir uns gegenseitig geliebt haben. Aber du, Hans, machst mir große Sorgen. Du bist zu unbedarft und wirst dein Leben einfach so weg.‘

Johans Wiederauferstehung war seines eigenen Erachtens auch kein Grund einfach so ein anderes Leben aufzugeben. Egal wie oft er Hans Argumente beibringen wollte, er wollte doch nicht auf seine Predigten hören. Sich selbst davon abbringen sie zu äussern vermochte Johan allerdings auch nicht. Schlussendlich blieb ihm nichts anderes übrig als Hans‘ eigenwillige Attitude zu akzeptieren. Johan fühlte mit Edo und Shou, die nach dem gestrigen Vorfall kaum mehr Energie und Willenskraft hatten um sich etwas auszudenken um dem armen Hans zu beschützen. Ihre Lebensgeister waren so auslaugt gewesen, dass sie lediglich zusichern vermochten, dass Hans für einen Tag lang in ihren Gewahrsam genommen werden konnte. Johan trieb es beinahe zur Weissglut, dass dieser Junge, den man unter allen Umständen das Leben retten wollte, einen vergeblichen Dienst erwies. Der blauhaarige sehnte den Moment herbei an dem er seinen beiden, alten Freunden gegenübertreten konnte um sich bei ihnen fåür die getane Arbeit zu bedanken. Ganz so, wie es in Japan der Brauch war. Edo und Shou sowie auch Johan waren dagegen so leicht aufzugeben. Wenigstens einen dieser unnötigen Opfer wollten sie vor dem Tode bewahren. Zu den vielen anderen sollte sich nicht auch noch Hans‘ Leiche einreihen. Ihr Plan war es zunächst Hans aus der Schusslinie zu nehmen und an einen ganz anderen Ort bringen, so dass der Teufel ihn nicht so schnell fand. Dies war Edos Einfall zu dem Ganzen, zu mehr war er in dieser Nacht nicht mehr im Stande gewesen. Ebenso wenig wie Shou.

„Versteh mich bitte nicht falsch, Engel, ich weiß, dass der Teufel verdammt ernst macht. Aber sag mal, was würdest du tun wenn der Plan des Teufels Erfolg hat und du wieder zum Leben erwachst? Du sagtest mir am Tag unserer Begegnung, dass du nicht wieder zum Leben erweckt werden möchtest, nicht wahr?“, wollte Hans nun wissen und er beobachtete Johan genau und mit eindringlichen Augen. Die Seele des Jungen blieb auf dem Bett liegen und er besah sich die weiß gestrichene Decke schweigend. Er dachte angestrengt nach und dieser Zustand war ihm sehr gut anzusehen. Schließlich, nach wenigen Minuten der Stille brachte Johan hervor: ‚Stimmt, ich brauche wirklich kein Leben, das auf zwölf anderen gebaut ist… aber… aber ich denke, dass ich nicht anders könnte als ihn zu umarmen. Ich müsste es einfach tun, denn er hat so lange… Er hat ganze zehn Jahre lang für unsere Zweisamkeit gekämpft. Ich weiss welch einsame Jahre das waren – abgeschottet vom Rest der Welt – und alles wozu Juudai in der Lage war, war mit einem toten Körper dazusitzen oder zu schlafen. Ein toter Körper ist kalt weisst du? Und er hat ihn trotzdem über alle Massen vorsichtig behandelt und mit grossem Respekt behandelt und sich darum gekümmert. Auch wenn es nur eine leblose Hülle ist… Juudai hätte oft einfach nur heulen mögen und dessen bin ich mir wohlbewusst. Trotzdem konnte ich nichts anderes tun als alles schweigend mit anzusehen. Und das finde ich schon lange frustrierend.‘

„Du bist echt n netter Kerl, hm?“, kommentierte Hans mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.

‚Findest du? Ich denke viel mehr, dass ich auch ganz schön einfältig bin‘, entgegnete Johan, dessen Gesicht anfing zu glühen, denn die Röte stieg ihm in den Kopf. Er versuchte sogar seine Nervosität zu überspielen indem er sich den Hinterkopf ein wenig kratzte. In diesem Moment fing Hans an darüber nachzudenken, wie es wohl für diesen Engel war zehn Jahre lang an der Seite seines Geliebten zu verweilen, ohne dass er von seiner Seele auch nur Notiz nahm. Was für ein Gefühl das wohl war. Fühlte es sich schlicht und ergreifend frustrierend an, so wie Johan es bereits beschrieben hatte? Oder noch viel schlimmer und intensiver? Hans ging davon aus, dass es nicht wunderlich wäre, im Lauf dieser vielen Jahre durchaus zu verzweifeln. Der jugendliche Brite vermutete, dass er selbst wohl nicht akzeptiert hätte, dass sein Geliebter zu einem Serienmörder wurde. Er vermutete, dass alle seine Gefühle durch diese Tatsache im Keim erstickt wären. Vermutlich verwies der Engel auf diese Sache, wenn er meinte ein einfälltiger, junger Mann zu sein. Auch wenn sein Geliebter ein blutrünstiger Dämon, oder auch ein wildgewordener Verrückert, die Hexe Medea oder noch ganz andere Betitelungen trug, die seinen momentanen Geisteszustand gut wiederspiegelten, all diese Tatsachen konnten doch Johans Liebe zu ihm nicht erschüttern. Wären sie ein gewöhnliches Paar gewesen, käme ihre Beziehung durch all diese Leiden zu einem jähen Ende.
 

Hans blieb auf dem Rücken liegen und starrte die feinen unebenheiten der Decke an. In seinem Kopf ging er immer und immer wieder die Möglichkeiten durch, ob es nicht doch einen Weg gäbe, mit dem die Geschichte vom Engel mit den Regenbogenschwingen und dem Teufel zu einem glücklichen Ende kam. Letztendlich hörte sich alles so an, als könne der Teufel nicht ohne seinen Engel sein. Ansonsten gäbe es mehr und mehr Opfer.

Doch was bedeutete eigentlich das Theater mit dem gesamten Ritual?

Der Engel erwähnte zuvor, dass der Teufel über eine übernatürlich lange Lebensspanne verfügte. Deshalb wirkte es auf den jungen Briten viel mehr wie ein unglaublich großer Nachteil, wenn der Engel nicht mehr als Seele neben ihm existierte, sondern wieder zu einem Mensch mit einer gewöhnlich kurzen Lebenszeit wurde. Eine Seele für alle Ewigkeit neben sich zu haben, wirkte zunächst als bessere Wahl für den Teufel. Dieses Ritual wirkte viel riskanter und gefährlicher auf den Jungen.

„Ah-…“, als fiele Hans gerade etwas ein, entfuhr ihm ein kleiner Laut, der Johan sagte, dass sein Gegenüber vermutlich etwas begriffen hatte. In der Tat war dem Jugendlichen gerade ein Licht aufgegangen. Die Antwort lag schon lange vor ihm, wie auf einem Silbertablett serviert und dennoch übersah Hans es ständig. Der Engel und der Teufel waren ein Liebespaar und beide wohl zweifelsohne Männer, wenn man sie rein vom Geschlecht her betrachtete, mit welchem sie geboren wurden. Dennoch machte es für Hans den Eindruck, dass der Teufel die Position des weiblichen Teils übernahm und es gab eine spezielle Sache, die eine Frau vermag; einem Mann jedoch für alle Zeit verwehrt bleibt. Für diese eine Sache mussten beide, sowohl die Frau als auch der Man am Leben sein um sie überhaupt zur Sprache zu bringen.

„So könnte des Pudels Kern sein…“, murmelte Hans vor sich hin.

‚Hm? Was meinst du?‘, wollte Johan mit überrascht aufgerissenen Augen wissen.

„Ach, gar nichts, vergiss es“, entgegnete der Jugendliche und winkte ab. Johan hatte seine Gedanken nicht mitbekommen und auch keine Gelegenheit dazu gehabt sie zu lesen, denn er hatte zu gerade diesem Zeitpunkt nicht die Überhand über Hans‘ Körper. Somit machte sich Johan auch keine Gedanken darüber vielleicht etwas Wichtiges zu verpassen.

„Es ist nichts“, versicherte Hans noch einmal und winkte dem Engel zu, „Gute Nacht.“

Johan tat es dem anderen gleich, wobei er ein sanftes Lächeln zeigte: „Jepp. Gute Nacht, Hans.“

Der tiefe Schlummer ergriff endlich Besitz von diesem jungen Körper. Endlich versank er tief darin und träumte einen Traum, der von der Glückseligkeit von einem anderen handelte.
 

„Johan! Johan, wach jetzt endlich auf, es ist schon Mittag. Auch wenn heute ein Feiertag ist, du schläfst wirklich zu lange“, rief ihn eine Stimme aus dem Schlaf und rüttelte sanft an seiner Schulter. Müde blinzelte Johan aus seinen smaragdgrünen Augen und streckte sich genüsslich: „Aahm, ist gut… Guten Morgen, Juudai…“

„Dein Kopf ist wohl noch nicht ganz wach, stimmt’s?“, grinste Juudai breit während er die Bratpfanne auf seiner Schulter platzierte und ein gespieltes Seufzen ausstieß. Johan hingegen setzte sich gezwungenermaßen auf und murmelte ein: „Du bist zu laut.“ vor sich hin, ohne es böse zu meinen.

„Das Essen wird kalt, Johan, also steh jetzt endlich auf.“

„Unmöglich, das ist viel zu anstrengend“, scherzte Johan nun schon ein bisschen wacher.

„Meine Güte, du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen“, ging Juudai grinsend auf diesen Scherz ein.

„Ich kann erst aufstehen, wenn du mich küsst“, meinte Johan und streckte sich lang im Bett aus. Juudai hingegen schüttelte den Kopf: „Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, hm?“ Der braunhaarige Junge sprang ebenfalls der Körperlänge nach ins Bett und liegt sich seicht auf Johan fallen um ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. Johan allerdings bewegte sich immer noch nicht aus dem gemütlichen Nest heraus.

„Wie, bist du immer noch nicht zufrieden?“, wollte Juudai herausfordernd wissen. Sein Freund allerding schüttelte den Kopf: „Nein, mit Gier zerstört man sich selbst. Also, ich stehe jetzt auf.“

Immer noch ziemlich verschlafen ließ Johan seine Beine aus dem Bett baumeln. Seine Haare sahen noch vollkommen zerzaust aus und auch wenn er sie bald im Badezimmer kämmte, ließen sie sich kaum bändigen.

„Mann, Juudai du bist echt gut gelaunt heute Morgen“, meinte Johan hoffnungslos verschlafen, „Dagegen fühle ich mich schon wie ein alter Greis.“

Juudai prustete belustigt: „Was redest du denn da, du bist doch erst zwanzig Jahre alt. Für einen Japaner fängt das Leben jetzt erst an, denn man wird erst mit zwanzig Jahren mündig. Bis dahin darf man weder Alkohol trinken noch wählen gehen.“

„Ach du meine Güte, ich wusste gar nicht, dass du politisch so engagiert bist!“, kommentierte Johan mit großem Erstaunen. Für ein paar Sekunden fragte er sich, ob es noch mehr Facetten an Juudai gab, die er noch nicht kennen gelernt hatte. „N-na ja“, stammelte Juudai zur Antwort, „Ich interessiere mich auch nicht wirklich, aber ich hätte die Möglichkeit.“

Ihn verließ ein etwas verlegenes Lachen. Er wandte sich um und band seine knallrote Schürze um, damit er endlich den Rest des Frühstücks machen konnte. Johan hingegen verliess nun vollends das Bett und wankte noch immer ein wenig schlaftrunken zum Kleiderschrank hinüber. Sofort erkannte man, dass die beiden zusammen lebten, wobei sie den Eindruck erweckten eines glücklichen Ehepaares.
 

Was war das? War das Sterbealter des Engels nicht auch zwanzig Jahre gewesen?
 

Hans verstand, dass es sich hierbei um einen Traum, oder die Erinnerung an einen Traum. Es handelte sich um eine Erinnerung an das Leben des Engels, der mit zwanzig gestorben war, doch hier in dieser Spiegelung lebte er glücklich wie jeder normale Bursche in seinem Alter. Vielleicht handelte es sich bei diesem Ereignis auch nur um einen Wunschtraum, eine noch nicht eingetretene Möglichkeit für diese beiden Menschen.

Was wäre geschehen, wenn ihnen ein bisschen Glück vergönnt bliebe und sie ihr Leben miteinander teilen konnten?

Oder sollte Hans mit diesem Traum vor Augen geführt werden, wie Johan zu Tode kam?

Es musste nach Hans‘ eigenem Ermessen wohl eher das Zweite sein, denn nun wechselte seine Perspektive zu dem heiteren Juudai. Hans‘ merkwürdig durchsichtiger Körper schwebte in die Küche, in der Juudai, der später einmal ein gemeingefährlicher Mörder werden sollte, aber im Augenblick mit seiner kleinen Pfanne hantierte um Rührei zu machen. Ungefähr so wie Hans im Moment schwebte, fühlte sich der Engel sicher die ganze Zeit. Es war kaum zu glauben für den jungen Briten, dass dieser grausame Teufel wie eine Karikatur einer lustigen Anime-Mutter am Herd stand und vor sich hin pfiff während er das Frühstück zubereitete. Die Atmosphäre erschien als ob ihnen kein Wässerchen trüben konnte und nie ein hartes Schicksal sie treffen könnte. Juudai verfügte immerhin über ein gutes Rhythmusgefühl.

„Kuri kurii“, eine helle Stimme durchbrach diesen Rhythmus und da Hans ebenfalls in der Lage war die Seelen der Karten zu sehen, beobachtete erstaunt, dass die Seele eines pelzigen Balls mit grünen Füssen und einem paar weißer Flügel auftauchte.

„Hey alter Kumpel. Klar bin ich gut gelaunt, Hanekuribou, mir macht’s doch nichts aus, dass Johan ein bisschen verschläft. Wenigstens kann ich ihm hiermit eine kleine Freude bereiten“, entgegnete Juudai dem kleinen Monster, „Ich glaube heute wird noch etwas Gutes geschehen.“ Das Hanekuribou gab ein leicht verärgertes „kurii“ von sich, so als ob er seinem Verbündeten sagen wollte, dass ihm die gute Laune der Verliebtheit auf die Nerven ging. Kurz darauf verschwand es wieder als sei es nie dagewesen. Hans ging in diesem Moment einiges durch den Kopf. Er versuchte den Standort zu wechseln, so wie zuvor, doch es gelang ihm nicht. Dies war immerhin nicht sein Traum, denn woher hätte er all das hier wissen sollen? Wieder kamen ihm dieselben Gedanken in den Sinn, welche er bereits kurz vor dem Einschlafen gehabt hatte.

Vor einiger Zeit hatte der Engel ihm erzählt, dass sie sich geküsst und miteinander geschlafen hatten und eben diese Vertraute und die Liebe zueinander, waren deutlich zu sehen gewesen. Dennoch konnte die Verbindung von zwei Männern nicht ganz genauso ablaufen, wie bei gemischten Paaren. Auf jeden Fall, wenn man es von der physischen Seite aus betrachtete. Deshalb kam Hans dieser Gedanke. Wenn der Teufel den Standpunkt einer Frau einnahm und den Engel vom Grunde seines Herzens liebte, dann lag der Wunsch nach einem Kind vielleicht sogar nahe.

„So lange Johan bei mir ist, dann ist mir alles andere ziemlich egal“, murmelte Juudai zu sich selbst und gab seinem Rührei den letzten Schliff, füllte die Portionen auf zwei Teller und pfiff dabei ein weiteres Lied ‚row, row, row, the boat‘ ging der bekannte Text dazu.

So also sah der Alltag eines richtig verliebten Paares aus und endlich gelangte auch Johan in das Esszimmer. Noch immer standen ihm die Haare zu allen Seiten ab, aber er wirkte weniger schlaftrunken. Langsam trottete er zu Juudai herüber, legte seine Arme um ihn und zog ihn zu einem sanften Kuss zu sich. Für den Brünetten schien dies alles ganz natürlich zu sein und er begrüsste seinen Geliebten mit folgenden Worten: „Ich wusste, dass du aufstehen kannst wenn du dir Mühe gibst!“ Die beiden sahen sich für ein paar Sekunden an und verfielen in schallendes Gelächter.
 

Die Szene veränderte sich allerdings zum schlimmsten.
 

Dieses Mal befand sich Hans an einen furchtbar finsteren Ort. Am Himmel sammelten sich düstere Quellwolken und untermalten die bedrohliche Stimmung. Die Landschaft, welche sich vor Hans‘ Augen auftat meinte er zu kennen. Die schmalen Straßen, die sich zwischen den kleinen Einfamilienhäusern, lokalen Schreinen, kleinen Supermärkten und Reisfeldern hindurchschlängelten gehörten wohl zu einem japanischen Dorf, welches wirklich sehr ländlich lag. Bilder von solchen Orten hatte Hans schon oft in irgendwelchen Reisemagazinen und im Fernsehen ansehen können. Es sah allerdings nicht so aus als seien sie auf der Duellinsel gelandet.

In der Ferne kam Johan in Sicht. Seine Augen hielt er geschlossen und rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. Juudais Gesicht konnte Hans noch nicht erkennen, aber sehr wohl, dass Johan kurz darauf kollabierte und zu Boden fiel. Juudai stürzte auf seinen Freund zu und hievte ihn in seine Arme. Schreiend und wehklagend wiegte der Brünette den Anderen in seinen Armen hin und her. Ein verzweifeltes Schluchzen drang durch die idyllische Stille des Dorfes und langsam begann es zu regnen. Das leichte Tröpfeln entwickelte sich jedoch in Windeseile zu einen ausgewachsenen Wolkenbruch. Nach kürzester Zeit sammelte sich eine Menschenmenge um die beiden jungen Männer herum. Diese gehörten aber keinesfalls zur schaulustigen Dorfgemeinschaft, sondern machten den Eindruck mit den beiden bekannt zu sein. Hans kannte ein paar dieser Leute, die zu den Bekannten aus der Pro-League gehörten. Der Oja-Manjoume, Hell Kaiser Ryou und Edo Phoenix, welchen er gestern schon irgendwie kennen gelernt hatte, standen um den verstörten Juudai und den scheinbar leblosen jungen Mann herum. Aber auch Shou hatte sich dazu gesellt und bei ihnen war außerdem eine unge Frau mit blondem Haar. Das attraktive Mädchen ging als erste auf Juudai zu und versuchte mit Worten zu den vollkommen wildgewordenen Brünetten einzureden. Sie versuchte ihn wohl zu beruhigen, denn sie streichelte immer wieder seinen Rücken. Ihre Augen wirkten hilflos und traurig. Obwohl Hans ihre Worte nicht verstehen konnte, meinte er fühlen zu können, wie bemüht sie um ihn war. All ihre Mühe war allerdings vergeblich, denn Juudai schüttelte aufgebracht den Kopf, wobei anstelle von Worten nur eine heisere Stimme den einen Namen schrie.
 

Ich verstehe… der Engel ist gerade geboren worden. Johan ist also eben gestorben und im selben Moment zum Engel geworden!
 

Nur für Hans allein war noch jemand in dieser Runde anwesend. Oder sollte man sagen, einen von ihnen gab es doppelt. Hinter dem in Wahnsinn verfallenden Juudai stand der Geist seines Geliebten und sah auf seinen eigenen toten Körper nieder. Seine Augen waren trübe auf Juudai herab, denn das war alles was er tun konnte. Denn die Hand eines Toten konnte den Rücken eines Lebenden nicht berühren.

„Es ist meine Schuld!! Weil ich sagte, er sei so etwas wie ein Gott! Weil ich ihn über alles geliebt habe! Weil ich sagte, dass ich ihm meinen Körper gäbe um ihm zu huldigen! Weil ich solche Dinge dachte ist er-…“, dies und noch andere, viel verworrenere Dinge schrie Juudai in den strömenden Regen hinaus.

Endlich konnte Hans Worte verstehen, die gesprochen wurden. Jedenfalls glaubte er das, denn durch diese Wortfetzen ging ihm der eigentliche Sinn verloren. Vielleicht verstanden alle anderen aber genauso wenig, denn die umherstehenden Leute legten den Kopf schief. Sie verstanden die Erklärung des verzweifelten Juudai einfach nicht. Wahrscheinlich gab es auch keine rationale Erklärung für einen solch plötzlichen Tod.

Hans jedoch erinnerte sich daran, dass der Engel seinem alten Freund Edo Phoenix den Grund seines Todes erläutert hatte. Er hatte es erwähnt, auch wenn er selbst nicht alles bis ins Detail wusste.

‚Der Grund… tja, es verhält sich so, dass es einen Mechanismus – oder einen Fluch, wenn du so willst – gibt, dass Teufel Götter töten. Juudai hat diesen Fluch ernst genommen und dadurch, dass Johan Andersen, der für Yuuki Juudai ähnlich wie Gott war, starb, nahm er die Schuld auf sich. Es hatte mit seiner eigenen Logik zutun, dass er sich selbst als meinen Mörder betitelte.‘

So war es wohl. Der Teufel, der seinen geliebten Gott tötete, wurde zu einem blutdurstigen Schlächter. Denn der Teufel wollte, den lebendigen Körper des Engels zurück. Ja, so musste es wohl sein.
 

So ist es. Das bedeutet wohl, dass mir nichts anderes übrig bleibt als zu sterben…
 

Hans stellte sich innerlich darauf ein. Der Teufel, welcher nur in der Lage war lebendige Körper zu bemerken, konnte den Geist des Engels bis in alle Ewigkeit nicht mehr finden. Ganz gleich wie nahe sie sich eigentlich waren, sie würden einander verpassen, bis in die Unendlichkeit. Diese Endlosschleife war überhaupt nicht amüsant.

Wenn Hans allerdings starb, dann bekäme der Engel seinen lebendigen Körper zurück und konnte wieder auferstehen. Sobald dies geschah gäbe es noch eine Möglichkeit für die beiden ein glückliches Leben miteinander zu führen. Dieser Gedanke bereitete Hans die größte Freude.

Bisher war Hans noch nie in der Lage gewesen, einem anderen Menschen wahre Freude und Glück zu bereiten. Schon immer wurde er als eigenartig betitelt, als er noch ein Kind war, als völlig hoffnungsloser Eigenbrötler bezeichnet und von Klassenkameraden gemieden. Mit diesem Ruf war Hans aufgewachsen, doch hatte er ihm nur lange Tage voller Seufzen und Kopfzerbrechen bereitet. Das Leben war kein fröhliches oder spaßiges Erlebnis. Jedenfalls nicht hauptsächlich. Erst seit Hans den Engel getroffen hatte, empfand er die Zeit als amüsant. Es war nur ein kleiner Bruchteil seiner bisherigen Lebenszeit, doch dieser Teil war wirklich interessant.

Deshalb…
 

Deshalb entschied Hans sich dazu, dass er zum Herzen des Engels werden wollte.
 

Damit endete der Traum.
 

Die Nacht war bereits weit vorangeschritten und der Mond kletterte langsam am dunklen Nachthimmel hinauf. Er leuchtete in einem so hellen Zitronengelb, dass man es kaum aushalten konnte davon geblendet zu werden. Die Seele des Engels schlief neben ihm. Vielleicht tat Johan es aus Gewohnheit, vielleicht musste er auch schlafen um seine Existenz wieder mit Energie zu füllen. In vielen Büchern hatte Hans gelesen, dass es auch für die Seele Energie kostete einen Körper zu besetzen, welcher nicht ihr eigener war. Wie dem auch war, Hans fühlte sich in diesem Augenblick hellwach und durch die eiserne Stille gestört.

Plötzlich jedoch regte sich etwas in der mondhellen Nacht. Von draußen hörte man eine Stimme alarmiert rufen: „Er ist da!! Er ist hier aufgetaucht! Der Teufel ist eingetroffen!!“ Hans meinte in dieser Stimme einen Anflug von Panik zu hören.

„Ein Ritualmonster hat sich materialisiert! Es schreitet zum Angriff!!!“ „Gibt es denn niemanden hier, der dieses Monster aufhalten kann?“ „Wo ist denn nun dieser superbegabte Duellant, den wir eingestellt haben!?“ Draußen vor dem Fenster spielte sich ein fürchterliches Spektakel ab. Gleich darauf jedoch, verwandelte sich der Aufruhr in Totenstille. Die nächtliche Ruhe in den Straßen Londons war wiederhergestellt. Dies alles geschah in weniger als einer Minute.

Kurz nachdem es wieder still war, zersprang das Fenster in tausend kleine Glassplitter, welche das helle Mondlicht brachen und das Zimmer in ein Glitzerspiel verwandelten. Als Hans aus dem Bett sprang und sich dem Luftzug zuwandte, sah er ihn leibhaftig vor sich stehen. Im Angesicht des Mondlichtes spielte der Wind verträumt mit der scharlachroten Jacke. Der ‚Pfad des blutroten Teufels‘, oder auch ‚die Hexe Medea‘ war eingetroffen. Diese Namen wurden durch zahlreiche Gerüchte verbreitet, doch der wahre Name dieses durch die Liebe wahnsinnig gewordenen Verrückten war kein anderer als Yuuki Juudai.

„Hi. Ich bin gekommen um dich abzuholen. Du wirst die Opfergabe des Herzens sein.“

„Was hast du mit den Polizisten gemacht!?“, wollte Hans wissen, während seine Stimme mehr Ruhe ausstrahlte als er eigentlich fühlte.

„Die haben sich alle schlafen gelegt. Ich denke, dass sie mir den Gefallen tun und nicht vor morgenfrüh aufwachen“, antwortete der Teufel monoton, „Die haben wegen mir schon genügend Arbeit am Hals. Ich finde wir sollten ihnen etwas Luft zum Atmen. Du nicht auch?“ Hans sah den Teufel zunächst ein wenig ungläubig an. Immerhin hatte er damit Recht, doch hätte der Jugendliche dem Teufel solche Aussagen nicht zugetraut. Sie belustigte ihn sogar so sehr, dass Hans sich nicht mehr zurückhalten konnte und anfing zu lachen. Der Teufel war ein ziemlich interessanter Zeitgenosse.

„Nun gut, Teufel, dann lass mich dir eine Frage stellen. Bist du nun eine Frau, oder ein Mann? Seit diese Gerüchte im Umlauf sind, hat mich diese eine Frage sehr beschäftigt“, meinte Hans, dessen Halsschmuck nun im Mondlicht ein wenig leuchtete. Es fiel dem Teufel erst jetzt auf und es trieb ihm ein leichtes Lächeln aufs Gesicht. Hans trug ein Kreuz um den Hals, als sei er ein katholischer Priester, der versuchen könnte den Teufel in die Unterwelt zu verbannen.

„Solche Dinge nützen bei mir nichts“, erklärte der in rot Gekleidete.

„Keine Sorge, ganz so naiv bin ich nicht“, entgegnete Hans und sah auf sein Kreuz herab, „Es soll den Engel, der zu mir kommt abhalten uns zu stören. Also, Teufel, was ist nun? Möchtest du mir nicht wenigstens diese eine Frage beantworten, wenn du mir schon das Herz rauben willst?“

Der Teufel zeigte noch immer ein schiefes Lächeln und er legte seine Hand an die Hüfte: „Ist das so, ja? Ich wusste gar nicht, dass es solche Gerüchte über mich gibt. Es scheint als würdet ihr Normalsterblichen denken mein Geschlecht wäre unbekannt, aber weil du es bist… Ich bin sowohl männlich als auch weiblich. Denn dieser Körper ist nun der eines Teufels, also so wandelbar wie es mir beliebt.“

„Bedeutet das, dass du auch schwanger werden kannst?“, harkte Hans fasziniert nach.

„Die Möglichkeit besteht zumindest. Ich bin aber nicht gekommen um eine Stunde Sexualkundeunterricht bei dir zu nehmen, das weißt du doch, oder?“

Hans nickte, wobei er sehr damit bemüht war nicht in belustigtes Lachen zu geraten. Immerhin teilte er denselben Humor mit dem Teufel: „Nein, nein, das weiß ich. Ich wollte mir nur eine Grundlage verschaffen, dich überhaupt richtig zu verstehen. Das heißt also, dass ich damit richtig liege, dass du den Engel… ehm… nein, dass du Johan also wirklich liebst, ja?“ Hans nickte wie zu sich selbst und ging auf den Teufel zu und nahm essen Hand. Der Teufel bedachte sein zwölftes Opfer mit verwirrter Miene. „Du kennst Johan?“

Hans nickte lediglich, doch er versuchte ihm nichts zu erklären. Für den Teufel wäre diese Geschichte zu unglaubwürdig und vermutlich würde es ihn nur verärgern. Stattdessen entschloss Hans zu schlussfolgern: „Du wünschst dir ein Kind von Johan Andersen, stimmt’s?“

Der Teufel schnappte überrascht nach Luft. Er hatte wohl nicht erwartet, dass jemand, der ihn gar nicht kannte, durchschaute.

„Wenn es um Nachwuchs geht, dann muss dein Partner leben, damit du von ihm ein Kind empfangen kannst. Ein Geist ist dir da keine sehr große Hilfe. Deshalb versuchst du mit allen Mitteln deinen Freund wieder auferstehen zu lassen, hab ich Recht? Oder liege ich damit etwa falsch?“, räsonierte Hans weiter.

„Du hast zum einen Teil Recht, aber zum anderen ist es anders. Hans, wusstest du, dass ein toter Körper furchtbar kalt ist? Ich möchte, dass mein geliebter Johan wieder voller Wärme steckt, so wie früher als wir miteinander das Bett teilten. Wenn ich heute Johans Körper umarme, dann ist da nichts. Kein bisschen Wärme. Ich möchte seine Wärme nicht noch einmal verlieren“, erklärte er und zwischen ihnen wurde es für eine ganze Weile still, „Nicht noch einmal!“

Diese Worte sprach der Teufel mit Nachdruck. In seiner Stimme lag der Schmerz von einer großen Niederlage, die eine tiefe Narbe auf seinem Herzen hinterlassen hatte. Das Bewusstsein die Unterstützung des einzigen Menschen verloren zu haben, der in der Lage gewesen war sein Trauma aus längst vergangenen Tagen zu besänftigen, tötete die emotionale Welt des Teufels weiter ab. Hans rührte sich kein Stück, er stand immer noch nahe beim Teufel, doch seit ihrem Händeschütteln hatte er sich keinen Millimeter von dem Mörder entfernt. Der Teufel änderte seine Stimmlange und seine Worte klangen vielmehr wie ein Singsang: „Du hast es wohl begriffen. Alles bis ins kleinste Detail. In dem Fall wirst du auch wissen, dass du sterben wirst. Ich werde dir das Herz herausschneiden und damit Kettenmaterial in Bewegung setzen.“

Es war die Stimme der Hexe Medea die so schaurig sang. Mit diesem Gesang setzte sich eine Magie frei, die Hans den Kopf verdrehte. Ihm wurde schläfrig zumute und seine Sinne leicht vernebelt. Selbst wenn Hans es gewollt hätte, er sah sich keinesfalls mehr in der Lage sich zu bewegen oder zu fliehen.

„Du bist der letzte. Mit deiner Opfergabe wird Kettenmaterial aktiviert. Nur noch dieser letzte Schritt, also nimm’s mir bitte nicht übel.“

Die schläfrige Stimme des Jungen murmelte leise. Stünden sich die beiden Männer nicht gegenüber, so hätte man Hans‘ Stimme kaum wahrnehmen können und während er sich taub und leicht fühlte entgegnete er dem Teufel: „Ich verurteile dich nicht. Weißt du, vor ein paar Stunden hatte ich einen Traum. Es war ein wirklich schöner Traum in dem ihr glücklich aussaht. Der Engel und du… ihr wart wirklich hübsch miteinander anzusehen. Weißt du wie das ist, Teufel? Wenn man von niemandem akzeptiert wird und behandelt, wie ein Außenseiter? Alle um mich herum haben schon immer geglaubt, dass ich einen an der Klatsche habe. Niemand hat mich je gebraucht und bis auf meine Familie hat sich noch nie jemand um mich gekümmert. Selbst wenn mich auf der High School niemand mehr mit Worten verletzt hat, so sahen sie doch mit solchen Augen auf mich herab. Egal wie man es dreht und wendet, ich gehöre einfach nicht in diese Welt. Dann lernte ich den Engel kennen und er sah mich nicht eine Sekunde lang so an wie alle anderen. Mit ihm hat das Leben Spaß gemacht und wenn du nun mein Herz als würdiges auserkoren hast, dann gebe ich es gern für ihn. Allerding…“

„Ich hätte nicht gedacht, dass sich jemand so bereitwillig opfert. Und? Was willst du noch sagen?“ Der Teufel war willig ihm ein wenig Gehör zu schenken. Immerhin opferte er sich freiwillig.

„Der Engel hat mir auch gesagt, dass er nicht wiederbelebt werden möchte. Also… wenn du ihm wieder Leben einhauchst, deinem Gott… Was tust du wenn er anfängt dich zu hassen und zu verabscheuen? Oder wenn er dich verflucht?“ Natürlich wusste Hans durch die vielen Gespräche mit Johan auch, dass dieser ihn bis in alle Ewigkeit lieben würde und schon aus dem Grunde nicht mit dem Teufel anfinge zu schimpfen. Dennoch sollte der Teufel besser darüber nachdenken. Irgendwo in einem Buch über okkulte Bräuche hatte Hans einmal gelesen, dass es gut passieren konnte, dass sich die wiedererweckten Personen in ihrer Persönlichkeit veränderten und eben nicht mehr dieselben waren.

Der Teufel jedoch schwieg und schüttelte den Kopf. Wie Hans bereits erwartete war er von seinem Plan besessen und kümmerte sich nur noch um sein Ziel.

„Das ist mir egal. Selbst wenn Johan mich hasste, auch wenn er mich verabscheute oder verfluchte… das alles spielt keine Rolle für mich. Solange er mich noch einmal ansieht, ist es mir ganz gleich ob er mich noch liebt oder nicht, wenn ich nur seine Stimme noch einmal hören kann. Wenn er mich noch einmal beim Namen nennt, bin ich glücklich. Deshalb muss ich mir über solche Dinge keine Sorgen mehr machen.“

„Ich verstehe…“, kam es langsam aus dem Munde des betäubten Jungen, „Es ist wirklich unglaublich.“ Er sprach die Worte mit der ganzen Ehrlichkeit seines Herzens. Der Teufel war selbst in seiner Grausamkeit noch unglaublich beeindruckend und schön. Selbst wenn er durch den endlich wiedererwachten Johan zu Tode käme, dann würde der Teufel sicher nur den Anschein eines schlummernden, wunderschönen Mädchens machen. Das wäre vermutlich für alle Beteiligten das Beste gewesen. Hans schloss seine Augen. Hinter seinen geschlossenen Lidern stellte er sich seine Umgebung vor.

„Judai Yuki, der die Elementarhelden verwendet. Höre mir genau zu, denn es gibt noch eine letzte Sache, die ich dir erzählen muss“, murmelte Hans verschlafen, dessen Bewusstsein in immer weitere Ferne rückte, „Johan Andersen liebt dich immer noch. Er war die ganze Zeit bei dir, an deiner Seite.“

„Du wusstest es also, dass ich früher mal die Helden eingesetzt habe. Zurzeit benutze ich sie nicht mehr, aber sollte ich irgendwann sterben, dann werde ich bei ihnen um Vergebung bitte. Wenn ich zu ihnen gehe, werde ich wohl auch dich und die anderen elf Seelen besuchen gehen. Sobald es soweit ist, können wir wieder miteinander sprechen. Solange es nur bedeutet, dass ich aus den Tiefen der Hölle kriechen muss, dann werde ich das tun“, entgegnete der Teufel beinahe emotionslos.

„Das hört sich so an als treffen wir uns schon bald wieder, hm?“

„Wohl früher als wir beide erwarten“, antwortete der Teufel, auf dessen Gesicht ein bitteres Lächeln zu verzeichnen war, als er seinen Arm hob und die Hand nach Hans‘ linker Brust ausstreckte. Der Ort, an dem das Herz wohnte. Der Teufel konnte es in seinem ruhigen Rhythmus schlagen hören. Überraschend wie ruhig es schlug, denn viele seiner anderen Opfer wären schon vor Angst beinahe umgekommen. Vermutlich lag es an der Betäubung mit der er Hans belegte, damit er einen recht angenehmen Tod erlitt. Dieser Motor lief auf jeden Fall, kräftig und stark klopfte es, als ob es am nächsten Morgen wieder einen neuen Tag erlebte.

Hans lauschte mit geschlossenen Augen. Alles was er spüren konnte waren die Fingerspitzen des Teufels, die sich langsam an seine Brust setzten und im Begriff waren ihm das Herz säuberlich herauszuschneiden. Doch die Fingernägel des Teufels fühlten sich abgerundet und weich an.

„Dann sei so lieb und sterbe für mich“, flüsterte die Stimme des Teufels, „Lebe wohl, Nummer Zwölf – Hans. Du bist der Junge, der dem Gott ein neues Herz schenkt.“

Über der Hauptstadt Englands brach ein neuer Morgen an. Die Vögel zwitscherten heiter, so als erwarteten sie ein großes Fest in den Straßen dieses großen Ortes. Die Sonne schien an diesem Morgen so grell und heiß vom Himmel, dass man fast meinen konnte, es sei Sommer. In einem Nebengelass von Scotland Yard wurde ein weiterer, toter Junge gefunden, welcher in seinem Bett lag und den Anschein erweckte friedlich zu schlafen. Beim näheren Hinsehen aber, konnte man erkennen, dass alles was ihm fehlte, sein Herz war. Die linke Brust wurde ihm ausgehöhlt, als habe sich ein Kind daran versucht zu Ostern für das Eierbemalen ein paar selbst leer zu pusten. Das Laken und die Unterseite der Decke waren blutgetränkt, denn den Schwall der Aorta hielt sich nicht von allein auf. Der Körper des jungen Hans wurde nicht wie all die anderen zerfleischt, zerstückelt und seine äußere Hülle blieb bis auf das Loch in seiner Brust unversehrt. Es machte den Anschein als ob der Teufel dieses eine Opfer mit großem Respekt behandelt hatte.
 

Der Teufel war in derselben Nacht noch entkommen, ohne dass auch nur ein Polizist etwas davon mitbekommen hatte. Auch Edo und Shou, welche in einem weiteren Nebengelass, drei Straßen weiter untergekommen waren, bekamen von dem Aufruhr erst am nächsten Morgen zu hören.

Juudai machte Gebrauch von der Fallenkarte Spiegeltor, welche ihm den Zugang in sein Nest gewährte. Mit dem frischen Herzen in seiner Hand kehrte er zurück um die letzte Opfergabe in die Reihen der anderen zu gesellen. Erleichtert seufzte Juudai aus. Es war ein langer Weg gewesen. Nun hatte er endlich die zwölf Opfergaben zusammengesammelt, die zwölf Innereien, die er benötigte um Johan wieder auferstehen zu lassen. Der Braunhaarige öffnete den hübsch glitzernden Christallkasten, in dessen Mitte er den toten Körper seines Geliebten gelegt hatte und ordnete die Opfergaben im Kreis, um ihn herum, an. Sämtliche dieser Opfergaben erweckten den Eindruck noch frisch und gerade erst aus ihren dazugehörigen Körpern entfernt worden zu sein. Anders als deren Nachlass, die vom Teufel regelrecht zu Hackfleisch verarbeitet geworden waren. Auf Johans Körper legte Juudai nun eine Karte, welche unmittelbar danach zu leuchten begann. Der Teufel schloss langsam seine Augen.
 

Kettenmaterial wurde aktiviert und begann sich zu entfalten.
 


 

Fortsetzung folgt.

Im Tod miteinander verbunden


 

An jenem Tag, den dem Tag als der Teufel seinen Gott tötete, entschied sich das Schicksal einer Reihe von Menschen.

Dreizehn Menschen starben innerhalb von ein paar wenigen Wochen.

Alles begann mit ‚Zero‘ Johan Andersen, der Geliebte des Teufels, welcher die Hülle eines Gottes hinterließ als er starb.

Der erste Tod erfolgte mit dem ersten Opfer, ‚Nicolas‘ der ein gottesfürchtiger Mann war. Ihm wurde die Milz entfernt nachdem er starb.

Das zweite Opfer hieß Lucas, welcher ein heroischer Narr war. Er gab seine Gallenblase nachdem er starb.

Julius war das dritte Opfer und einfach nur seinem Unglück entgegen gelaufen. Die Lunge schnitt der Teufel ihm hinaus nachdem er seinen letzten Atemzug getan hatte.

Claus nannte man den vierten Toten, welcher ein großer Fan des Teufels war. Nachdem er seinen letzten Atemzug getan hatte, gab er seine Leber.

Der fünfte hieß Scott und er bemerkte gar nicht, wie ihm das Leben entwich. Er gab seine Bauchspeicheldrüse.

Die Nummer sechs hieß Arthur und war ein moderner Realist. Ihm wurden die Nieren entfernt.

Der siebte war Marcus, der junge Feigling der um sein Leben bettelte. Ihm wurde die Urinblase entnommen.

Die Nummer acht, der junge Kaius hatte sich auf den ersten Blick in den Teufel verliebt und gab seinen Dünndarm für ihn.

Das neunte Opfer nannte sich Christopher und litt unter leichten Depressionen. Nachdem er starb, gab er seinen Dickdarm.

Der zehnte war Richard, der stets auf Reisen war. Ihm wurde der Magen entnommen nachdem er für immer eingeschlafen war.

Ronald war der elfte und stets ängstlich einer schlimmen Krankheit zu erliegen. Als er starb gab er seine Hoden.

Die Nummer zwölf war Hans C. Walker. Ein exzentrischer Junge, welcher sich freiwillig für den Gott opferte. Nachdem er starb wurde ihm das Herz entrissen.

In dem Moment als der Teufel die zwölf Opfer brachte, aktivierte er gleichzeitig ‚Kettenmaterial‘, eine Fallenkarte welche den Gott des Teufels wieder ins Leben zurückrief.

Auf diese Weise wurde ein Gott zum Teufel und der Teufel wurde zu einem närrischen Mädchen.

Und damit schlief der Tod im Inneren des Teufels.
 

Leben begann sich wieder in dem lange toten Körper zu regen und langsam öffnete er seine Augen einen Spalt weit. Die Augenlider waren ihm so schwer, wo sie so lange aufeinander lagen. Vor langer Zeit waren seine Augen blind geworden und jetzt da er sie endlich wieder öffnete, vernebelte sich seine Sicht durch Feuchtigkeit, die in ihnen aufstieg.

Bumm… bumm… bumm. Ein sanfter, gleichmäßiger Rhythmus regierte seinen Körper. Bumm… bumm… bumm. Ungeachtet der langen Zeit des Stillstands klopfte sein Herz und pumpte Blut durch seinen gesamten Körper. Bumm… bumm… bumm. Unaufhörlich heulte das Herz in seiner eigenen Sprache. Das Herz des zwölften Opfers, Hans Christian Walkers heulte weiter.

„Juudai…“, flüsterte die etwas heisere Stimme des Blauhaarigen. Ihm kam es vor, als sei es ein Tag wie jeder andere auch. Einer der gewöhnlichen Tage, bevor Johan gestorben war, als sie noch gemeinsam in seinem Haus in Norwegen gelebt hatten. Er bekam den Eindruck wieder an den Tag zurückversetzt zu sein, als sie gemeinsam ihr Leben miteinander teilten und den warmen Frühling begrüßten, während die beiden auf der Terrasse frühstückten. Neben ihm war Juudai und neben Juudai befand sich Johan. Damals, als sie glücklich waren. Doch die Erinnerung an vergangene Tage entsprach nichts weiter als einer Illusion.

„Dummkopf… du hast schon wieder verschlafen“, entgegnete Juudai.

„Das stimmt nicht, ich war beinahe zehn Jahre lang wach…“, meinte Johan. Er stellte fest, dass er seinen Körper ungewöhnlich leicht und fließend bewegen konnte. Als wäre er die ganzen Jahre lang am Leben gewesen. Wärme durchflutete selbst seine Finger und holten ihm die Körpertemperatur eines gesunden Menschen zurück.

„Also ist Hans gestorben?“, wollte Johan nun wissen.

„Ja. Seine Hülle ist bis auf das Herz unversehrt. Nur sein Herz schlägt nun in deiner Brust, Johan. Er war ein guter Junge. Ein bemitleidenswerter, aber dennoch ein guter Junge“, antwortete Juudai ihm.

„Er hat mich Engel genannt, weißt du? Ich schätze ich war vielmehr ein Todesengel für ihn“, meinte der Blauhaarige ein wenig betrübt, doch seine Stimme entblößte tiefe Dankbarkeit. Mit Johan, der ‚Zero‘ gab es dreizehn Tote. Dreizehn leben waren miteinander in einem einzigen Körper verbunden. Johans Lippen formten sich zu einem bitteren Lächeln. Dreizehn, diese Zahl war in der Tat ein merkwürdiger Zufall. Für ihn als Europäer bedeutete sie nichts Gutes, im Fall das man abergläubisch war. Außerdem war der ‚Tod‘ die dreinzehnte Karte in jedem Tarotkartendeck. Johan spielte in der Tat die Rolle eines Todesengels. ‚Das haben wir ja toll hinbekommen‘, ging es Johan kurz durch den Kopf, doch es war nicht mehr zu ändern und so tat er den Gedanken mit einem leichten Seufzen wieder ab.

Der Junge erhob sich und schloss den Anderen, seinen besten Freund und Geliebten in seine Arme. Der Teufel, der die Hauptstadt Englands in Angst und Schrecken versetzt hatte, derjenige, den man als Serienmörder über alles fürchtete, war nun wieder mit Johan vereint. Hätte man die beiden in diesem Moment beobachtet, dann bekam man den Eindruck das Wiedersehen mit einem lange vermissten und über alles geliebten Kind mitzuerleben. Schon immer war Juudai von eher kleiner, schmächtiger Stattur gewesen und nun, da er sich in Johans Armen befand, wirkte er beinahe zerbrechlich. Yuuki Juudai, der sich selbst eingeredet hatte, dass die ganze Welt sich gegen ihn gerichtet hatte, war nun endlich an seinem Ziel angelangt.

„Johan… sag mir ehrlich… verfluchst du mich jetzt, weil ich dich zurückgeholt habe? Schimpfst du mich jetzt aus, weil ich dich wieder auferstehen ließ? Sag, wirst du mich jetzt auch einen Teufel nennen?“, fragte die leicht nuschelnde, gleichzeitig bebende Stimme in einem verunsicherten Ton, „Ich meine… wenn dem so ist, dann… war es mir das trotzdem wert.“ Juudai nahm seinen ganzen Mut zusammen um angeberisch zu klingen. Nur Johan kannte diesen zerbrechlichen Brünetten gut genug um zu wissen, dass er eigentlich ein paar aufmunternde Worte hören wollte. Nur Johan wusste, dass Juudai nicht wirklich stark war.

„Danke, dass du so lange um mich gekämpft hast. Ich weiß, dass es schlimm und schrecklich für dich war. Ich weiß wie einsam du warst, Juudai. Aber… jetzt ist alles gut, hörst du? Du bist nicht mehr allein“, entgegnete Johan leise, während er ihm durch das zerzauste Haar streichelte.

„Johan?“

„Ich weiß von allem, was du in diesen zehn Jahren erlebt hast“, erklärte er und aus diesem Grund schon wollte er nicht mit Juudai schimpfen. Johan wollte seinen Freund viel mehr versichern, dass er bei ihm war und ihm nichts übelnahm. Johan wusste, dass er Juudai damit verhätschelte und schon immer schwach gegenüber seines Freundes. Er verwöhnte ihn viel zu gern.

„Johan… Johan… Oh Johan! Oh Mann… ich.. ich bin so glücklich, mir wär’s egal wenn ich auf der Stelle sterben würde“, meinte Juudai während er sich an Johans Brust drückte.

„Ich auch…“, gab Johan lächelnd zu.

„Ich hatte einen langen Traum, Johan. Ich habe davon geträumt, dass du immer bei mir warst und mich die ganze Zeit beobachtetest. Ich habe mich darüber gefreut, dass du bei mir warst aber… Nun… nun frage ich mich ob die letzten Jahre nicht alle nur ein böser Traum war. Das du gestorben warst… dass mich alle einen Teufel nannten und ich einen Menschen nach dem anderen tötete und solch eine schreckliche Gestalt annahm… Ich… ich hatte solche Angst als du nicht mehr bei mir warst, Johan“, sprudelte es aus dem Brünetten hervor, währen Johan dessen mit Blut besprenkelten Haar sanft mit der bloßen Hand durchkämmte. „Ich weiß dass du daran beinahe zerbrochen bist. Die Angst hat auf dich gelauert wie ein Untier in der Tiefe. Ich weiß wie sehr sie dich vom Rest der Welt isoliert hat“, meinte Johan leise. Er spürte wie dieser schwache Junge an seiner Brust weinte. Obwohl er in der ganzen Stadt gefürchtet wurde, ließ er nun seinen Tränen freien Lauf wobei er sein Gesicht versteckte. Johan spürte lediglich die heißen Tränen durch seine Kleidung dringen.

Juudai hatte keine einzige Träne vergossen, seit dem Tag als Johan starb.

„Ich weiß das alles, weil ich immer an deiner Seite war.“

„Wie?“, die rehbraunen Augen schauten erstaunt zu Johan hinauf.

„Ich weiß, dass dir jeden Tag zum Weinen zumute war, aber dass du nie eine Träne vergossen hast. Das alles und noch viel mehr weiß ich, Juudai“, fügte der Blauhaarige hinzu. In diesem Moment fand Johan, dass Juudai das schmalste Wesen auf der ganzen Welt war. Dieser Junge, den man früher einen großen Helden genannt hatte und nun als grausamen Teufel verfluchte. Dieser unglaublich zerbrechliche Junge bedachte Johan nun mit einem verwirrten Blick. Johan aber schenkte ihm ein leichtes, warmes Lächeln welches ihn gänzlich mit Freude durchflutete.

„Ah, ich verstehe…“, murmelte Juudai und seufze auf. Johan verstand Juudai stets. Es gab niemanden, der ihn besser kannte, „Johan… ich glaube ich habe es jetzt endlich begriffen. Wie ich für immer mit dir zusammen sein kann. Ich hätte die eine Sache einfach aufgeben müssen… Die eine Sache, die ich nicht aufgeben wollte. Doch vielleicht wäre es das gewesen, dass ich unbedingt hätte vergessen sollen. Ein Teufel kann nun mal nicht auf normale Weise ein Kind bekommen, hab ich Recht?“, kam es nun einsichtig von Juudai. Johan nickte und antwortete mit leiser Stimme: „Ich denke schon.“

Der junge Hans hatte ihn kurz vor seinem Tod gefragt, ob er sich ein Kind gewünscht habe. Die Antwort, welche der Teufel ihm gegeben hatte war jedoch nicht vollständig. Es stimmte, dass ein Teufel kein klares Geschlecht besaß und beliebig zwischen den beiden Merkmalen, mit denen die durchschnittliche Zahl der Menschen geboren wurde, zu wechseln vermochte. Auf der ganzen Welt gab es Geschichten darüber, dass eine Jungfrau von einem Incubus geschwängert wurde oder eine Succubus den Samen eines jungen Mannes entnahm. Solche Erzählungen wanderten durch die ganze Welt. Sie hatten viele Gemeinsamkeiten, vor allem da es sich ausschließlich um Fälle handelte in denen ein sterblicher Mensch und ein übernatürliches Wesen in diesem Akt verwickelt waren. Es existierten keine Geschichten über zwei Teufel, die Kinder miteinander bekamen. Es ließ sich nur vermuten, dass es einen Zusammenhang mit dem Schicksal eines Teufels hatte, denn seine Existenz beschränkte sich darauf die Menschen zu verführen und in Sünde zu stürzen.

Juudai hätte von dem menschlichen Johan schwanger werden können. Nun da Johan ein gefallener Engel und selbst einem Teufel entsprach, gab es wohl keine Möglichkeit mehr. Dies konnte Juudai nun endlich verstehen und einsehen.

„Sicherlich war dieser Weg von Anfang an der falsche und ich hätte einfach nur Mensch bleiben müssen. Die zwölf Menschenopfer für Kettenmaterial sind bestimmt auch unnötig, habe ich Recht? Eigentlich ist das so einfach zu verstehen…“, die tränenschwere Stimme Juudais wurde nur durch seine herunterfallenden Tränen unterstützt und noch undeutlicher. Johan wischte sie ihm vorsichtig mit der Handfläche von den Wangen.

Sie waren angenehm warm.

Der blut- und tränenlose ‚Pfad des blutroten Teufels‘ und auch die grausame Dämonin ‚die Hexe Medea‘ war ganz anders als dieser Junge hier vor ihm. Selbst ‚Mad Scarlett‘ entsprach nur einem emotional instabilen Menschen.

„Was habe ich nur getan?“, fragte sich Juudai ohne eigentlich eine Antwort zu erwarten.

„Du bist eben doch ein unglaublich törichter Narr“, entgegnete Johan. Juudai nickte, wobei seine Stimme den Anflug eines Lachens andeutete: „Tja, ich war schon immer ein Narr und aus Narren werden eben törichte Narren.“

„Scheint so. Deshalb passt du auch zu mir. Auch wenn wir die schlimmsten Dinge zuließen, ich liebe, Juudai“, gestand Johan ohne zu Zögern.

Juudai hob sein tränenüberflutetes Gesicht und sah die große Karte Kettenmaterial an. Die Fallenkarte, mit der man gegen die Ketten des von Göttern auferlegten Schicksals zu rebellieren vermochte. Mit ihrer Hilfe war es ihm sogar möglich diese Welt in Schutt und Asche zu legen. Richtig angewendet ermöglichte sie es ihm auch, Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.

„Kettenmaterial…“, murmelte Juudai schließlich.

„…Wirst du sie jetzt zerstören?“

„Nein“, entgegnete Juudai nur. Er betrachtete die noch immer kontinuierlich rotierende Karte und nahm sie noch einmal in seine Hände um ihren Text zu überprüfen: „Wenn diese Karte mit der Absicht aktiviert wird um eine Polimerisation zu vollziehen, ist es möglich das Fusionsmaterial von der Hand, vom Feld oder vom Deck auszuwählen und vom Spiel auszuschließen. Das fusionsbeschworene Monster kann nicht im selben Zug angreifen, in dem diese Karte aktiviert wurde und das fusionsbeschworene Monster wird am Ende des Zuges zerstört.“

Kettenmaterial konnte in Kombination mit Superpolimerisation so gut wie alles herbeirufen, doch das hieß nicht, das sie die Lösung für alles war. Am Ende ließ sich der Nachteil der Zersötung nicht aufheben. Juudai lächelte bitter. Eigentlich war es genau diese Kombination, welche Yuberu vor vielen Jahren verwendete. Dieses Monster wollte zwei Welten miteinander verschmelzen, aber am Ende wäre das Ganze vernichtet worden. In Juudais Falle aber, hatte er mit dem Zusatz gerechnet, dass Johan durch den Effekt einer Karte nicht zerstört werden konnte. Auch der Körper eines Teufels zerbarst nicht durch einen einfachen Karteneffekt.

Allerdings…

War die Ausschließung aus dem Spiel immer noch möglich.

„Als Opfergabe geben wir unsere Seelen. Meine eigene und deine, Johan… Das wird gehen, glaube ich. Ich will keine neue Welt erschaffen und ich möchte auch keine Welt vernichten und ich möchte auch kein Gott werden. Mein Wunsch ist erfüllt worden. Deshalb…“, Juudai unterbrach sich selbst, denn er bemerkte, dass Johan die Sache genauso sah und so sprach er weiter, „Dann ist es wohl auch in Ordnung einfach so zu sterben. Auch wenn es egoistisch ist.“

Johan stimmte dem zu und brachte Juudai mit einem Kuss zum Schweigen. Ein Lichtstrahl fiel in das Nest des Teufels um das Paar zu erleuchten. Es war nicht das Licht der Sonne, sondern die Reaktion des Rituals, welches ein blasses doch gleichzeitig so schönes Leuchten erzeugte. Die beiden jungen Männer fühlten ihren gegenseitigen Atem. Sie beide wünschten sich von ganzem Herzen gemeinsam zu sterben. Sie hielten einander so fest, dass sie ihre Wärme spüren konnten. Wenn das Sterben so war, dann fühlte es sich wie das Beste an.

Die Worte des jungen Hans klangen in ihren Ohren. ‚Wir werden uns wahrscheinlich eher wiedersehen, als uns lieb ist.‘ So war es wohl. Juudai sah nach draußen um den schwächer werdenden Mond zu entdecken, welcher der Sonne platzmachte um ihr die Chance zu geben den Horizont hinaufzuklettern. Juudai war sich sicher, dass die Polizeibeamten, die er zuvor in einen tiefen Schlaf versetzt hatte in wenigen Stunden aufwachten und einen Bericht zu erstatten hatten.

„Hans, wenn der Morgen anbricht werden wir…“

Die beiden jungen Männer schlossen ihre Augen währen Kettenmaterial und Superplimerisation weiter leuchteten und schließlich ihren Effekt in Kraft setzten. Der Pfad des blutroten Teufels kam an das Ende seines Ziegelsteinweges. So einfach und so unbeschwert ging er seinem Ende entgegen. Die beiden Männer lächelten friedlich und taten ihren letzen Atemzug.

In der Morgendämmerung an diesem Tag, war ein gigantischer Regenbogen über dem Haupt der Londons zu sehen, obwohl es gar nicht geregnet hatte. Dieser Regenbogen schmückte den Himmel über Englands Hauptstadt für mehrere Stunden bevor er nur sachte wieder verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.

Die Bevölkerung in England wurde nicht durch den ungewöhnlichen Regenbogen in Aufruhr versetzt, sondern durch eine einzige Nachrichtenmeldung, die durch das ganze Land umherging. Der tyrannische Serienmörder war tot aufgefunden worden und in genau in dem Moment, als der Nachrichtensprecher die Neuigkeiten zum ersten Mal ausgesprochen hatte, verschwand auch der Regenbogen.
 

Die Bevölkerung in London mochte feiern und über den Tod des grausamen Mörders frohlocken, wie es wollte. Es gab eine Handvoll Menschen, deren Arbeit jetzt begann. In einem der Nebengelasse des Scotland Yard ließ Edo sich erschöpft nieder und ließ sich und seinem Assistenten Shou einen Tee ins Büro kommen. Während Shou betrübt auf den Tisch niederblickte, wirkte Edo gereizt: „Hat dieser Bastard es schon wieder geschafft. Stirbt einfach so weg, ohne seine gerechte Strafe zu erlangen. Immer wieder das Gleiche mit ihm. Jetzt haben wir zwar die Leiche des Verbrechers, aber der Fall hat immer noch so viele Ungereimtheiten und Dinge, die geklärt werden müssen. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit.“

Shou nickte und nahm den Tee entgegen. Der freundliche Duft von Earl Gray und Zitrone stieg ihm in die Nase und die Wärme des Getränks schmeichelte seinem unruhigen Herzen.

„Das ist bestimmt ganz schön viel Papierarbeit für dich, oder Edo? Du hast dir eine Pause verdient“, meinte der Blauhaarige und nahm einen kleinen Stück, „Aber bitte rede nicht so über ihn, ich weiß ja, dass ich ganz schön naiv bin, aber trotzdem… fluch woanders über ihn.“

„Glaub bloß nicht, dass du der einzige bist, der durch Juudais Tod Schaden genommen hat. Es berührt mich auch…“, entgegnete Edo, der dennoch gehofft hatte, dass es für seinen alten Bekannten noch eine Chance gab.

„Natürlich nicht, ich meine… Aniki war doch irgendwie noch… na ja irgendwie jedenfalls Aniki“, behauptete Shou. Edo streckte sich kurz und knetete sich kurz die steifen Schultern. „Wie dem auch sei, es gibt viele Leute hier in dieser Stadt, die recht erleichtert aufatmen weil der schreckliche Serienmörder ‚der Pfad des blutroten Teufels‘…nein, dass Yuuki Juudai jetzt tot ist“, meinte er, wobei sich seine blauen Augen mit Shous grauen trafen. Sobald er ausgesprochen hatte, kam ihm ein: „Ach sei doch Still Edo, was willst du eigentlich wirklich hier?“

Edo grinste, es war selten, dass man so eine Reaktion aus Shou herauskitzeln konnte. Er überreichte ihm schweigend eine dicke Akte, aus der sogar ein paar Blätter herausquollen und ihr somit den Eindruck eines ungeordneten Chaos verlieh. Shou nahm sie ebenso scheigend entgegen, wobei er den Aktendeckel öffnete und verwirrt fragte: „Was soll das sein!? Sind das die Ergebnisse der Autopsie?“

„Ganz genau. Und sie bringt eine Nachgeschichte mit sich, die man der Öffentlichkeit nicht einfach so berichten kann. Das ist wirklich eine sehr… wie soll ich das ausdrücken…“, Edo legte eine künstlerische Pause ein um die richtigen Worte zu finden, „…delikate Angelegenheit. Ich war dabei als sie Johans und Juudais Leichen untersucht haben. Ich sage dir, Shou, in dieser Akte steht absolut alles. Jede auch noch so unerfreuliche Einzelheit, wie viel Geld sie mir für die Arbeit geboten haben bis hin zur Identität der Leichen und die DNS-Abgleichungen. Alles wurde hier festgehalten von dem Moment an, als einer der Pathologen das Skalpell in die Hand nahm bis sie die Todesursachen herausfinden wollten. Ich war dabei, deshalb kann ich beurteilen wie genau diese Aufzeichnungen sind, Shou. Das Ergebnis siehst du ganz am Ende. Ich verspreche dir, dass es einen bitteren Nachgeschmack beibehält. Selbst ich muss an dem Gedanken daran noch würgen…“, erklärte Edo.

„Würgen!? Was hast du denn da erlebt, dass es dich so mitnimmt?!“, wollte Shou stirnrunzelnd wissen während er weiter in der schweren Akte blätterte. Johan war wohl der erste, den man untersucht hatte. Äußerlich zusehen waren keinerlei Schäden oder andere Merkmale. Als sei er einfach eingeschlafen und in den Tod gesegelt. Als man seinen Körper allerdings öffnete, fand man ein groteskes Gewirr von Eingeweiden und anderen Innereien. Shou entgleisten jegliche Gesichtszüge als er die Fotos sah.

„Der Pathologe kam mit dem Verdacht, dass diese Organe die dort kreuz und quer herumlagen, wie in einer Wurst vielleicht zu den zwölf Toten gehören. Sie waren alle mit den Organen und Innereien von ‚Johan Andersen‘ verknüpft und so… Zugegeben allein schon der Gedanke ist ziemlich krank, aber letztendlich wurde jedes Organ mit der DNS von Johan und den zwölf Opfern verglichen. Wahrscheinlich kam ihm der Gedanke, weil man Hans C. Walker ohne sein Herz auffand. Schließlich ergaben die Untersuchungen tatsächlich, dass es sich um Hans‘ Herz handelte. Bei diesem Anblick wurde mir schon anders…“, erklärte Edo, wobei seine Stimme verdeutlichte, dass er große Probleme damit hatte einen weiteren Würgereiz zu unterdrücken, „Vor allem fand ich merkwürdig, dass man Juudai und Johan in einer Unterkunft fand, die sie früher während ihrer Laufbahn bei der Pro-League manchmal gemietet haben… Das ist alles wirklich bizarr.“

„N-nicht nur bizarr…“, stammelte Shou, der sichtlich beeindruckt von den ganzen Bildern und Informationen war, „Bei uns in Japan gab es mal einen Horroroman mit dem Titel ‚die menschliche Wurst‘, aber das war wenigstens eine fiktive Geschichte. Es gibt auch zahlreiche Videospiele bei denen man wirklich ekelhafte Dinge zu sehen bekommt, aber das hier ist doch die Realität!?“

„Wohl wahr, aber das kommt eben davon, wenn man ein uraltes Spiel in die moderne Zeit einführt und nicht mit den Konsequenzen eines zerstörten Geistes rechnet…“, meinte Edo, während er beobachtete wie sein Assistent eine Seiten nach der nächsten umblätterte. Die folgenden fünf oder sechs Seiten handelten über jedes noch so kleine Detail von Johans Körper. Schließlich gelangte Shou zur ersten Seite, die den Körper seines besten Freundes genauestens unter die Lupe nahm. Den Inhalt empfand Shou bereits von der ersten Zeile an sehr anstößlich und brachte ihn dazu hörbar nach Luft zu schnappen.

Hermaphroditismus.

Die Untersuchungsergebnisse besagten, dass bei Juudai beide Geschlechter vollständig ausgebildet waren. Er war tatsächlich zweigeschlechtlich gewesen und diesen Fakt gab man ganz nonchalant in dieser Akte preis.

„D-das habe nicht mal ich gewusst…“, flüsterte Shou schockiert aus.

„Und das war noch nicht alles, Shou. Es gibt noch ein Detail, wo mir dann wirklich das Kotzen kam…“, fügte Edo hinzu, „Ehrlich gesagt kann ich Johans Vorlieben nicht so leicht nachvollziehen… aber es kann ja nicht jeder einen guten Geschmack haben.“

„Dieser verdammte Norweger! Wegen ihm ist Aniki durchgedreht! Er ist ihm bis in eine andere Dimension gefolgt nur um ihn zu retten und dann hat er sich auch noch von diesem…Yuberu… Ich könnte so… Er ist zwar schon tot, aber von mir aus könnte er gleich noch mal sterben!“, brach es wütend aus dem Blauhaarigen hervor.

„Shou, hör zu!“

„Nein, verstehst du nicht Edo, dieser verdammte Kerl hat meinen Aniki in den Dreck gezogen und das werde ich ihm nicht verzeihen!“, wütete Shou weiter. Edo sah ein, dass es nichts brachte Shou zu beruhigen. Er beruhigte sich vermutlich nicht mehr von allein und außerdem erschien es ihm sowieso am besten, wenn Shou es mit eigenen Augen las anstatt es selbst zu erzählen. Die wirklich pikanten Details hatten ihn schließlich zum Erbrechen gebracht und Edo garantierte für nichts.

Der Inhalt des Berichts war schockierend und lange nicht so leicht zu verstehen, wie Johans. Es hieß, man habe den Uterus in Juudais Körper nur aus reiner Routine geöffnet, doch in diesem schlief eine beträchtliche Ungewöhnlichkeit. Als man die Gebärmutter entfernte und aufschnitt, entdeckte man etwas darin, das man herausziehen konnte. An dieser Stelle nun vergaß Shou seinen gesamten Zorn wieder und geriet ins Stottern.

„E-Edo! Hier steht ‚Fötus‘ geschrieben! Hier steht tatsächlich, dass Juudai einen Fötus in sich trug, aber das kann doch nicht wahr sein, oder? Ich meine, sieh dir doch genau an, was hier steht! Obwohl sich im Körperinneren ein Baby befand, wuchsen ihm Haare und es öffnete die Augen?“, kam es verstört aus ihm heraus. Edo nickte bedächtig, der Erinnerung an das Ereignis jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken: „Glaub mir, das war auch zu viel für mich. Das Kind hätte mindestens sieben Monate in der Entwicklung stecken müssen um Augen überhaupt auszubilden… Das Fruchtwasser klebte natürlich noch an ihm, aber man konnte trotzdem die Haarfarbe erkennen. Es war dasselbe türkisblau, welches Johan besaß und auch die Augen glichen Smaragden. Ich stand neben dem total paralysierten Pathologen, der dem Kind in die Augen sah und es war, als hob es seinen Kopf und sah uns direkt an. Für uns war es so, als konnten wir seine weinende Stimme in unseren Herzen vernehmen. Ein lautes, verzweifeltes Babyschreien und es fragte mit der Stimme seines Herzens ‚Sind Mama und Papa tot?‘ und dann verstarb es wohl gänzlich.

Glaub mir, es war wie in einem Horrorfilm.“

Die Fotos, die man von dem toten Fötus gemacht hatte, waren den Dokumenten selbstverständlich beigefügt. Gleich darauf begann der Pathologe auch das Kind zu obduzieren. Wenn es nicht in diesen Akten festgehalten worden wäre, dann hätte Shou sich sicherlich geweigert an diese Details zu glauben. Den Zellen, die aus der Haut dieses Fötus entnommen wurden ließen darauf schließen, dass es bereits zehn Jahre in seiner Entwicklung steckte. Edo lag mit seiner Einschätzung ganz richtig. All dies glich einem einzigen Horrorfilm. Shou versuchte sich nicht vor Unbehagen zu schütteln.

„Das ist wie in diesen japanischen Geisterfilmen, wenn eine Frau so wirklich wütend wird. Juudais Verhalten überstieg natürlich selbst diese Horrorfilme… Aber wenn dich das alles schon beunruhigt, dann lass mich dir das krönende Ende erzählen. Unglaublicher Weise bestand das Erbgut des Kindes zu Hundertprozent aus Johans Erbmaterial. Normalerweise ist jeder Mensch eine Kombination aus den Genen der Mutter und des Vaters. Damit hätte man davon ausgehen müssen, dass Fünfzigprozent des Erbgutes von Juudai kämen, der ja immerhin die Mutter war. Aber da lagen wir falsch. Dieser Fötus war kein gewöhnliches Kind. Es war eine reine, exakte Kopie von Johan Andersen“, fügte Edo hinzu und brachte Shou dazu sich doch vor Grusel zu schütteln.

„Schluss damit, Edo, ich habe genug gehört… und ehrlich gesagt, ist mir jetzt schlecht.“

Shou wollte diesem verdammten Norweger nichts verzeihen, zumindest murmelte er so etwas, als er im Begriff war das Büro zu verlassen. Edo folgte ihm und brachte ihm wenigsten zu einem Bad, denn sein Assistent sah wirklich sehr mitgenommen aus. Die beiden entschieden sich dafür, die Akten unveröffentlicht niederzulegen. All diese unverständlichen, verwirrenden und vor allem ekelhaften Details konnte man der Öffentlichkeit nicht zumuten. Shou und Edo setzten sich also in den folgenden Tagen zusammen um Akten er erstellen, die der allgemeinen Öffentlichkeit eine glaubhafte Schilderung der Ereignisse präsentierte.
 

Auf diese Weise entstand eine Version der sich zugetragenen Ereignisse, die man mit weltlichen Erklärungen erläutern konnte. Der berüchtigte Serienmörder ‚der Pfad des blutroten Teufels‘ veränderte sich mit der Zeit und verwandelte sich in eine Großstadtlegende, die man sich nachts am Lagerfeuer zuflüsterte. ‚Es heißt, der Pfad des blutroten Teufels‘ mordete zwölf Menschen um seinen wiederauferstandenen Geliebten in die Ewigkeit zu folgen‘, hieß es. Scotland Yard sah sich dazu gezwungen diese Geschichten so in den Umlauf zu bringen um die wahren Begebenheiten zu verschleiern.

Doch die Zeit stand nicht still und die Menschen redeten lang und mit großem Enthusiasmus. Somit gingen auch die Legenden von Mund zu Mund und nahem andere Formen an, sie entwickelten sich unkontrolliert weiter. Aus einer Großstadtlegende wurde ein Großstadtmythos geschaffen, bis sie letztendlich aus den Köpfen der Menschen verschwand und geriet schließlich in Vergessenheit. Somit war der Teufel nur noch als längst vergangener Okkultismus beim Scotland Yard bekannt und die Vertuschung war damit perfekt.
 


 

Ende.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leser!
Vielen Dank, dass ihr euch ‚Den Pfad des blutroten Teufels‘ bis zum Ende durchgelesen habt. Ich weiß, dass viele Dinge unverständlich sind und vieles im Dunkeln liegt und ein Mysterium bleibt. Ich kenne zwar meine Ideen und Gedanken, aber ich möchte sie euch auch an dieser Stelle nicht verraten. Jeder soll sich selbst einen Reim darauf machen.
Diese Geschichte ist ehrlich gesagt durch ein Experiment entstanden. Ich wollte unbedingt mal etwas anderes ausprobieren und habe mich von anderen Autoren wie Suzuki Kouji inspirieren lassen. Außerdem befinde ich mich wieder in einer neuen GX-Fangirl-Phase (oh Gott, wie schlimm das klingt :P) und wollte unbedingt wieder etwas mit Spiritshipping schreiben. Ich gebe zu, dass diese hier im großen Kontrast zu meinen vielen anderen Spiritshipping Fanfictions von früher steht, aber das wollte ich auch. Der Gedanke hinter dieser Thematik war die Auswirkungen der Liebe – oder Verliebtheit. Es ist schließlich kein Geheimnis mehr, dass menschliche Verliebtheit eigentlich eine Anomalie die chemischen Substanzen im Gehirn ist und damit, wenn man es so betrachtet einer Krankheit ähnelt. Also wollte ich die feine Grenze zwischen Liebe, Wahnsinn und Besessenheit aufzeigen. Ob mir das nun gut gelungen ist oder nicht, weiß ich nicht. Wenigstens weiß ich, dass ich einige von euch doch einen schweren Klumpen in den Magen legen konnte. Hat aber auch Spaß gemacht ekelige Dinge zu schreiben xD
Wie dem auch sei, liebe Leser, das hier wird auch nicht die letzte Geschichte sein und erstrecht nicht die letzte für das Spiritshipping. Ich habe bereits eine etwas längere Geschichte im Kopf, die davon handeln wird was wohl geschehen wäre, wenn Saiou nicht besiegt worden wäre. Also, es wird sogar dort Spiritshipping geben und vieles anderes auch. Aber, es gibt etwas, das ich euch gern bekanntgeben möchte… ich habe mich dazu entschlossen, zwei oder drei alte Geschichten wieder aufzunehmen und zu Ende zu schreiben. Diese zwei sind „Buschwindröschen“, welche ich mit einer „Re!“-Version neu beginnen möchte, denn die Geschichte hat sich auch ein wenig in meinem Kopf verändert, so dass es sich nicht mehr um ein reines Royalshipping handelt. Die andere Geschichte ist „Another Precious Rainbow“. Ja, ihr habt richtig gehört ;) Ich bin mir noch nicht sicher, wann genau die Bearbeitung und Fertigstellung beginnen kann, aber ich werde es tun. Die dritte Geschichte, die ich vielleicht beenden werde ist „You are (not) alone“, dazu werde ich einen neuen Titel haben (eigentlich nur der Deutsche – Du bist (nicht) allein“) und sämtliche OCs die mir vor einiger Zeit geliehen wurden, werde ich durch meine eigenen, nun passenderen OCs ersetzen.
Bevor ich mich aber meinen Remakes widme, werde ich einem ganz neuen Projekt meine Aufmerksamkeit widmen. Dieses wird teilweise etwas kompliziert, aber Spiritshipping wird ein großer Bestandteil auch dort werden.
Ich hoffe, dass ein paar von euch auch in meine neuen Fanfics reinliest und ganz viel Spaß damit haben wird. Vielen Dank an alle, die ‚Den Pfad des blutroten Teufels‘ gelesen haben, die diese Geschichte auf die Favoritenliste genommen, kommentiert und empfohlen haben.

Bis zur nächsten Geschichte,
liebe Grüße von Ruki (Miburou).
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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Feuchen
2016-09-21T03:14:05+00:00 21.09.2016 05:14
Huh~ gerade mal angefangen und ich finde die Idee echt nicht schlecht und auch, wie du es schreibst ^^
Antwort von:  YukimuraRuki
21.09.2016 18:50
Heiho, danke für deinen Kommentar ^-^
Ich hoffe dass dir die folgenden Kapitel auch gefallen, obwohl die Geschichte jetzt schon wieder ein bisschen älter von mir ist - nur eben hier noch nicht komplett hochgeladen :)


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