Duell von DerSchleifer ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Herzschlag – Tok tok Ich spüre die Luft auf meiner Wange. Sanft. Kühl. Fast schon zärtlich, wie die Berührung eines geliebten Menschen, umspielt sie die Konturen meines Gesichts. Erklimmt die leichten Erhebungen um meine Wangenknochen, erkundet die kleinen feinen Furchen meiner Narbe am Kinn. Fast so, als wollte sie deren tragischen Kern bis in den kleinsten Winkel erkunden. Irgendwie beruhigend. Genauso wie das gleichmäßige Rauschen in den Bambusblättern, das von ihr begleitet wird. Aber auch kurz und vergänglich wie die Kirschblüte im Frühling. Meine Nackenhärchen sind im Begriff sich aufzustellen, da ist es auch schon vorbei. Knacken im Gehölz erregt mein Gehör. Bringt Unruhe in die Stille, nach der ich mich eigentlich so sehr sehne. Ein abendlich orange schimmernder Sonnenstrahl blendet mich. Ich kneife meine Augen zusammen. Forme sie zu zwei perfekten mandelförmigen Schlitzen. Es stört mich! Ich neige meinen Kopf leicht nach unten und kippe ihn dann ein wenig zur Seite. Mein Haarknoten hat sich gelockert. Ich spüre wie er auf meinem, mittlerweile wieder mit leichten Stoppeln bedeckten, halb rasierten Kopf nach rechts rutscht. Meine Augen entspannen sich. So ist es besser. Ich suche erneut nach der sanften Liebkosung der Brise von eben. Ich finde sie nicht mehr. Es ist wieder so still. Das Licht das meine Augen irritierte, bringt nicht einen Hauch von Wärme mit sich. Es wird Herbst. Die seidene Tracht, ein bedeutendes äußerliches Zeichen meines Ranges, vermag mich nicht zu wärmen. Gänsehaut macht sich auf meiner Brust breit. Sie versetzt meinen ganzen Körper in Spannung. Alle Sinne sind geschärft. Herzschlag – Tok tok Der Boden unter mir ist bedeckt mit braunen länglichen Blättern. Die Erde darunter ist nicht zu sehen. Versteckt vor neugierigen Blicken. Rascheln und sich bewegendes Laub verraten das Versteck von Mäusen oder anderem kleinen Getier. Macht sie zur Beute für den bereits auf den Fersen befindlichen Jäger, der sicherlich irgendwo zwischen den zarten hellgrünen Sprösslingen auf seine Chance wartet. Die dunklen gewellten Stämme ragen so weit nach oben, dass man kaum noch vermag den Himmel darüber zu erblicken. Beim Wiegen spielen sie mit dem Licht der Sonne, das sich immer mehr rötlich verfärbt. Erzeugen fabelhafte Formen und Silhouetten, durch die hin und wieder ein kleiner Vogel huscht. Eine Nachtigall vielleicht? Ich weiß es nicht. Ich habe ehrlich gesagt noch nie eine gesehen. Aber die wundersamen Geschichten um ihren betörenden Gesang, wecken Sehnsucht nach noch unentdeckter Schönheit in mir. Um mich herum ist alles so undurchsichtig. Man vermag das Ende dieses Labyrinths nur zu erahnen und doch ist hier so viel Platz, dass man sich an Ort und Stelle etwas verloren vorkommen mag. Doch ich bin nicht allein! Herzschlag – Tok tok Nicht allzu weit entfernt, steht er regungslos da. Beobachtet mich, mustert mich. Regungslos und starr. Die auf dem Boden vor sich hin welkenden Blätter – sie schweigen. Keine Regung. Wie ein Fels, versenkt in den Wellen eines Steingartens. Das Äußere verrät nicht viel über die wahre Person hinter der Fassade. Auf den ersten Blick aus gutem Hause und von hohem Rang. Ein Mann von großer, kräftiger Statur. Teure, aus Seide gefertigte Kleidungsstücke maskieren die Bestie. Ein perfekt sitzender dunkelblauer Hosenrock. Ein dunkelgrünes Oberteil mit flügelartigen Schultern. In Brusthöhe, das Wappen des Clans. Gewiss von Händen, mit großem handwerklichem Geschick, fein säuberlich aufgebracht. Sie schimmern unregelmäßig im sich immer wieder verändernden Licht des Bambuswaldes. Dann die Klinge. Vom besten Schmiedemeister des Landes angefertigt. Nichts übertrifft dieses Meisterstück menschlichen Könnens. Wenn es eine Kunst gibt, die den Fähigkeiten der Götter am nächsten kommt, dann ist es sicher diese. Zuletzt bleibt schließlich sein Gesicht. Dieses, bis auf eine kleine Ausnahme, fast makellose Antlitz. Nicht der geringste Hinweis ist zu finden, welcher auf jene Gräueltaten schließen lässt, die es miterlebt hat. Wie gesagt, das Äußere verrät nicht viel über eine Person. Taten jedoch schon. Herzschlag – Tok tok Mir wird noch immer schlecht wenn ich an das Leid denke, was jene Klinge anrichtete. Eine Spur aus Blut, welcher ich durch das halbe Land gefolgt bin. Das Schlimmste was einem Mann passieren kann ist, dass Begierde und Verlangen von ihm Besitz ergreifen. Wenn die Befriedigung des eigenen Durstes, jene Ideale ablöst, denen er einst mit bestem Wissen und nobler Gesinnung die Treue schwor. Alles begann mit dem Verrat am eigenen Herrn. Wenn Loyalität der Lust, dem Animalischen in uns weicht, dem was wir in der Regel tief in uns verschließen, gibt es keine Ketten mehr die uns halten können. Das Blut des Fürsten eröffnete das nicht mehr enden wollende Gemetzel. Der Lohn für diese grauenhafte Tat, die Bezahlung welche dafür als angemessen erachtet wurde, reichte aus um sich bis zur Besinnungslosigkeit den körperlichen und geistigen Sünden hinzugeben, die den einst so reinen Geist in den Abgrund trieben. Dabei ist nicht klar ob die Befriedigung dieser Gelüste nicht zunächst nur dazu diente, die Erinnerung an die alte Heimat, die Familie und den Stand zu verdrängen. Alles was danach hinter sich gelassen werden musste. Aber anstatt dieser Gelüste überdrüssig zu werden, verlangte etwas Dunkles und abgrundtief Schlechtes nach immer mehr und mehr. Jedes Mittel war recht um die Sucht nach dem Rausch zu befriedigen. Letztendlich, machte dies vor nichts mehr Halt. Soldaten, Beamte, Kaufleute, zuletzt Frauen und Kinder, die es in den Augen anderer nicht wert waren weiter am Leben zu bleiben, finanzierten den fortwährenden Abstieg. Die Tatsache, dass dieser Mann sterben muss, war mit dem Tod seines Herrn besiegelt worden, den er selbst herbeigeführt hatte. Herzschlag – Tok tok Und so war ich ihm gefolgt. Durch Täler und Gebirge. Durch Sonne und Schnee, Kälte und Hitze. Ich hatte mir unser finales Zusammentreffen anders ausgemalt. Ich hatte vermutet ihm letztendlich auf dem Schlachtfeld zu begegnen. Im Gewirr laut aneinander schlagenden Stahls und brechender Rüstungen. Umringt von, mit Angst und Gleichgültigkeit, langsam dem Leben entschwindender Körper. Doch nun sind wir hier. In der Stille. Der Einsamkeit und der Abgelegenheit der Natur. Ich weiß nicht was uns letztendlich hierher führte, aber ich weiß das es hier enden wird. Der beste Schwertkämpfer der südlichen Provinzen. Und heute soll er sterben. Ich bin von Natur aus kein ängstlicher Mensch. Das war ich nie und ich hatte nicht vor jetzt damit zu beginnen. Und dennoch versetzt mich dieser Moment in eine Art Starre. Vielleicht aber auch, weil ich mich nun einer Konfrontation gegenüber sehe, welche meine bisherigen Erlebnisse in den Schatten stellt. Ich habe massiven Respekt vor seiner Haltung. Ich spüre den Willen, dem hier um jeden Preis entkommen zu wollen und kenne die Fähigkeiten die ihm ermöglichen dies auch in die Tat umzusetzen. Einige von uns sind dazu bestimmt ihr Leben im Gefecht zu lassen, andere wiederrum hatten das Glück, durch das Privileg ihrer Geburt, diesem Schicksal zu entgehen. Ich wurde zwar erzogen dem Weg des Kriegers zu folgen, jenen hohen Idealen unserer Kaste, die den Tod auf den blutigen Feldern als das Höchste aller Geschenke ansahen. Jedoch fällt es mir nun schwer, diese Erwartung mit der harten Realität in Einklang zu bringen. Ich bemerke dass ich, trotz allen Studiums, noch nie wirklich genötigt war offen über diese Möglichkeit nachzudenken. Die Willensstärke und Skrupellosigkeit, welcher ich nun in die Augen schaue, zeigen mir jedoch, dass es heute so weit sein wird. Es wird hier enden. Auf die eine oder andere Weise. Ich bin erstarrt. Herzschlag – Tok tok Was hält mich fest? Was klammert sich so fest an mich, das ich nicht in der Lage bin mich zu rühren? Wie kann ich diesen Ketten entkommen und das Scheusal endlich der ihm angedachten Strafe zuführen? Die finale Szene spielt sich wieder und wieder in meinem Kopf ab. Immer und immer wieder und keine ist wie die Andere. Ein Gewirr aus unendlichen Möglichkeiten und Fehltritten. Fehltritten? Ja, das ist es. Die Möglichkeit, dass es nicht zu meinen Gunsten enden könnte. Die Möglichkeit, dass ich derjenige bin, der am Ende vergeht. Meine Niederlage ist es, die mich in ihren Fängen hält und nicht mehr loslässt. Doch ist nicht sogar eher die Frage ob ich derjenige bin, welcher sich an die Niederlage klammert? Bin ich es, der sich an etwas festhält und deshalb nicht in der Lage ist sich zu rühren? Kein Streich wirkt gut genug, um mir die endgültige Sicherheit zu geben, die ich benötige um diesem elendig lang anmutenden Schauspiel ein Ende zu bereiten. Aber ist es nicht gerade die Sicherheit der wir unser Leben lang hinterherlaufen und die wir doch niemals erreichen? Nichts im Leben ist sicher. Nichts bleibt uns für immer und nicht selten werden uns Dinge entrissen obwohl wir es nicht wollen und es uns schmerzt. Uns teilweise sogar zerstört. Doch warum zerstört es uns? Warum bereitet es uns Schmerzen? Weil wir uns der Vergänglichkeit nicht gewahr sind. Weil wir nicht realisieren das am Ende sowieso alles dem Unausweichlichen geweiht ist. Das Leben zwingt uns immer wieder dazu loszulassen. Nichts im Leben ist sicher. Außer das Eine. Das war es, was Tsunetomo meinte als er schrieb, dass der Weg des Kriegers der Tod sei, das er so leben soll, als sei sein Körper bereits gestorben. Freiheit. Ich muss loslassen. Dem Unausweichlichen in die Augen blicken. Es annehmen. Lass los! Die Starre schwindet. Herzschlag – Tok tok Ich spüre den Griff meiner Klinge in den Händen. Sie wird realer. War sie eben noch fast unerreichbar für mich, so spüre ich nun ihre unglaubliche Kraft. Mein Griff wird fester. Entschlossener. Mutiger. Ich blicke dem Scheusal in die Augen. Noch immer rührt es sich nicht. Ich lasse los. Gehe auf ihn zu. Die Spannung in der Luft ist nahezu unerträglich. Noch immer rührt er sich nicht. Ich nähere mich weiter, die Klinge gegen ihn gerichtet. Und dann passiert es. Stille. Ich stoße zu. Ich spüre die glänzende silberne Klinge in meinen Eingeweiden. Schmerz. Ich fühle mich so lebendig. Mein Mund verzieht sich zu einem leichten Lächeln. Der nächste Schnitt. Die Klinge bewegt sich langsam über meinen Bauch. Ich spüre sie, genieße sie, fühle ihre Gerechtigkeit in mir. Mein Blick wandert nach unten. Blut an meinen Händen. Wie einst das Blut meiner Opfer, denen ich viel zu früh ihr Leben nahm. Ich fühle mich so frei. Anspannung verlässt meinen Körper. Ich fühle mich so leicht. Ein unerwartetes Gefühl des Glücks überkommt mich. Oder ist es Stolz? Nein, ich weiß es. Gerechtigkeit, nein! Ehre! Ich kehre zurück auf den Weg. Ich spüre die Luft auf meiner Wange. Sanft. Kühl. Es wird dunkel. Herzschlag – Tok ……….. tok ………… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)