Das Märchen von Prinzessin Röschen von Writing_League ================================================================================ Kapitel 1: Das Märchen von Prinzessin Röschen --------------------------------------------- Es war einmal ein Mädchen, das war schön im Antlitz, freundlich und gut. Es hatte einst den Schatten in seinem Herzen nachgegeben, und war zu seinen Untergebenen gar hässlich und garstig gewesen, doch es hatte daraus gelernt, und seit dem Vorfall im Schloss der Gekomon war das Mädchen zu einer wunderbaren Frau herangereift. Ihr Antlitz ward nur noch schöner geworden mit den Jahren, die ihr Körper heranreifte. Tachikawa Mimi war frohen Mutes, ihre Schritte beschwingt, wie sie durch die Auen der Digiwelt wanderte, ihre geliebte Freundin Palmon zu treffen war ihr Ziel. Kein böser Gedanke kam ihr, als sie an einem gar wunderschönen Schloss vorüberkam. Es sah aus wie das schönste aller Märchenschlösser, goldenes Licht schien es zu umfangen und aus den Fenstern zu strahlen, auf pinken Türmen ragten lilafarbene Turmspitzen in den strahlenden Himmel empor. Mimi konnte nur stehen bleiben und staunen, und weil die Schönheit des Schlosses sie so gefangen nahm, vergaß sie ihr Ziel für einen Moment aus den Augen und bog vom Weg ab, wollte sehen, wer in diesem wunderbaren Schloss wohnte. Und als hätte das Schloss selbst ihre innere Frage erhört, öffneten sich die schweren Pforten und gewährten Mimi Einlass. Wie könnte sie denn da widerstehen? Leichtfüßig sprang Mimi die Treppen hinauf, fand sich sogleich in dem beeindruckenden Schloss wieder. Der Boden war so blank poliert, dass sie sich darin spiegeln könnte, und vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. "Hallo! Guten Tag? Ich wollte nicht stören, aber die Tür stand offen, und ich wollte mich umsehen!" Ihr Ruf war wie ein Weckruf für das ganze Schloss und aus allen Türen und Ecken, die Treppen herunter und sogar aus dem Blumentopf hinter der Säule erschienen lauter kleine grüne Pflanzen mit einer lilanen Blüte auf dem Kopf. "Oh!", rief Mimi entzückt aus. "Ihr seht ja wunderschön aus! Fast wie mein Palmon..." Die Digimon trauten sich nur langsam auf den Eindringling in ihrem Schloss zu, doch schließlich streckte sich eines der Pflanzendigimon vor Mimi. "Wir sind Aruraumon. Dies ist unser Schloss. Seid uns willkommen!" Und wie es sich verneigte, da neigten auch die anderen Blumen ihr Haupt vor dem Mädchen, das noch viel entzückter kicherte. "Oh, wie lieb von euch! Führt mich ruhig herum, ich will mir euer schönes Schloss gern ansehen, damit ich es bewundern kann." Die kleinen Digimon kamen der Aufforderung des schönen Mädchens nach, und wie sie es so durch ihr Schloss führten, da tuschelten sie aufgeregt miteinander. "So schön, dieses Menschenkind", sagte das eine Aruraumon. "Es muss eine Prinzessin sein, jawohl!", sagte das andere, und ein drittes sagte: "Es soll unsere Prinzessin sein!" Und wie sie Mimi das ganze Schloss gezeigt hatten, da neigten sie abermals alle das Köpfchen vor ihr, als hätte der Wind sie umgeblasen, und baten im Chor: "Bleibe bei uns, und sei unsere Prinzessin Röschen!" Und weil die Aruraumon sie so lieb fragten, da wurde Mimi das Herz ganz leicht, und sie konnte nur antworten: "Unheimlich gern!" Vielleicht war es der Zauber des Märchenschlosses, vielleicht war es Schicksal, doch mit jedem vergehenden Glockenschlag, den Mimi im Schloss verbrachte, vergaß sie mehr und mehr, warum sie wieder gehen sollte. Was brauchte sie denn auch draußen in der Welt? Dort waren nur rohe Digimon, noch rohere Menschenjungen, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten... und hier, bei den Aruraumon, war sie glücklich. Sie bekam die besten Speisen auf den Tisch, und teilte sie gern mit ihren neuen Freunden, und abends, als man sie in ein gar königliches Gemach führte, da bot sie an, den Platz unter ihren vielen Decken zu teilen, damit die Aruraumon nicht frieren müssten. Alle Sorgen waren lang vergessen. Bis, an dem schicksalhaften sechzehnten Tag, den sie im Schloss erwachte, ihr Gemach leer war, ihre Gefährten fort. Sofort eilte Mimi los, um die Aruraumon zu suchen, in der Sorge, dass ihnen etwas geschehen sein könnte. Als sie sich dem Speisesaal näherte, da hörte sie das aufgeregte Plappern und Schnattern ihrer Freunde, doch ehe sie erleichtert zu ihnen stoßen konnte, hörte sie einige hart gesprochene Worte deutlich hervor: "Es ist nun 16 Tage her. Erinnert ihr euch an den Spruch der bösen Rosemon? Unser Dornröschen soll sich an seinem 16. Tage stechen, und in einen hundertjährigen Schlaf fallen!" Da ward Mimi ganz bang zumute, und mit einem Mal fiel ihr auch wieder ein, was sie draußen vor dem Schloss zurückgelassen hatte. Ihre Familie, ihre Freunde, Palmon! So schnell ihre bloßen Füße sie trugen, eilte sie davon, kehrte den Aruraumon den Rücken, doch an dem Weisspruch des Rosemon schien eine Wahrheit zu stecken, und in ihrer Eile achtete sie nicht darauf, wo sie lief, blieb an einem Holzspan am Treppengeländer hängen und stach sich, sodass sie sofort wie tot umfiel. "Oh weh, oh weh, unser Dornröschen ist verflucht!", riefen die Aruraumon aus, als sie sie bald darauf fanden. Sie brachten sie in ihre Schlafkammer, und um ihren Schlaf zu bewachen gingen sie hinaus, vereinten ihre Kräfte, sodass das Schloss hinter einer Hecke aus Blossomon verborgen ward. Izumi Koushirou machte sich große Sorgen. Wirklich große Sorgen. Klar, sie waren aus dem Alter heraus, dass sie sich noch jeden Tag trafen um über Digimon zu reden, aber... es war doch noch eine gewisse Bindung da. Und als Palmon vor gut zwei Wochen bei ihm auf dem Bildschirm aufgetaucht war, völlig verzweifelt, dass Mimi verschollen war, da hatte er natürlich die alten Ritter aktiviert, bei Mimis Familie angerufen (sie war das Wochenende im "Urlaub" - also in der Digiwelt), und nach einer Telefonkette alle Freunde in der Digiwelt zusammengetrommelt. Zuerst hatten sie noch gewitzelt, dass Mimi vielleicht irgendwo in eine Fallgrube gefallen war. Dann waren die Witze etwas verzweifelter geworden, dass ein aufstrebendes böses Digimon sie als Konkubine gefangen hatte. Und dann waren die Witze vollkommen verstummt. Zwei Wochen. Sie fehlte in der Schule, fehlte zuhause, und noch immer fehlte jede Spur. Kein Digimon hatte sie gesehen, niemand von einem neuen bösen Digimon gehört... es war unerklärlich. Doch Koushirou war nicht dafür bekannt, aufzugeben. Und so... "Ich hab eine Spur!" Den freudigen Ausruf hörte niemand, außer dem angespeichelten Bildschirm und dem halb vertrockneten Glas Saft neben seiner Tastatur. Daten-Tracking. All die Stunden Computer hatten endlich ihren Dienst getan. Sofort hatte er Taichi an der Strippe. "Hör zu! Ich hab zurück verfolgt, wo Mimi vor zwei Wochen die Digiwelt betreten hat, und von dort aus habe ich einen Radius gezogen und in diesem nach seltsamen Vorkommnissen in den letzten Tagen gesucht, aber da war nichts, und ich dachte schon, ich müsse den Radius erweitern, da..." "Koushi, japanisch bitte!" Koushirou lachte verlegen, rieb sich über die Nase, die den riesigen Augenring in seinem Gesicht zweiteilte. "Ich hab sie gefunden. Mimi. Bestimmt. Vor einer Stunde ist das Schloss der Aruraumon auf einmal von Blossomon-Hecken umwachsen worden. Das ist unglaublich verdächtig, meinst du nicht? Die Aruraumon haben zwar gesagt, sie wissen nichts, aber warum sollten sie sonst so etwas tun, wo doch keine Gefahr sichtbar ist, und..." "Wir gehen los!", unterbrach der ewige Anführer Taichi ihn abermals, doch es machte Koushirou nichts in diesem Fall. Das hieß nur, dass sie endlich in Bewegung kamen. "Ich schicke die Koordinaten an eure Digivices, wir treffen uns drüben!", rief er noch in den Hörer, dann legte er auf. Vielleicht hätte er während seiner Arbeit zwischendurch einmal auf die Uhr sehen sollen, dann hätte Koushirou sich nun nicht gewundert, warum nur so wenige Digiritter zu ihrer Hilfe geeilt waren. Aber aus dem drei Uhr morgendlichen Tiefschlaf unter der Woche ließen sich normale Oberschüler so leicht eben nicht wecken, nicht einmal, wenn es um so etwas großes ging. Er zuckte nur die Schultern. Taichi war da, und Hikari, und sogar Palmon hatte den Weg zu ihnen gefunden. Etwas weiter hinten stand Yamato, immer noch cool und lässig, an dem ein aufgeregter, nicht mehr ganz so winziger Takeru zupfte und zog, um ihn zur Gruppe zu bekommen. Am Himmel leuchtete ein satter Vollmond ihnen den Weg. "Dort hinten müsste das Schloss sein!", nahm Koushirou einfach die Führung an sich, als klar wurde, dass sonst niemand mehr kommen würde. Und wenn sollten sie eben ihren Digivices folgen, klaro? Klaro. Im Licht des Mondes war das Schloss der Aruraumon gut zu erkennen oder eher... das, was davon übrig war. Es war tatsächlich überwuchert von Ranken und Dornen, und die Blossomon standen davor Wache. "Hallo Blossomon!", rief Taichi, wieder ganz in seiner Rolle, als sie näher kamen. "Wir suchen eine Freundin von uns, Mimi. Habt ihr sie zufällig gesehen?" Ein Murmeln und Wispern ging durch die Hecke, ehe eines der runden Blumengesichter die Digiritter direkt ansah. "Geht hinfort! Unsere Prinzessin Röschen muss nun Schlafen hundert Jahr! So steht es geschrieben!" Koushirou konnte kaum fassen, was er da hörte, und Hikaris gemurmeltes "Wo, bei den Gebrüdern Grimm?" hinter ihm machte es kaum besser. "Lasst unsere Freundin frei!", verlangte er vehement, sein Digivice schon in der Hand. Es war gut. Denn kaum, dass er diese Forderung geäußert hatte, gingen die dornigen Ranken zum Angriff über. Taichi war sogar noch schneller gewesen als er, und Greymon verbrannte die Ranke zu Asche, ehe sie den Digirittern zu nahe kommen konnte. "Los Freunde!", rief Taichi, ließ die Fliegerbrille auf seine Stirn schnalzen, das Digivice fest umklammert. "Mach sie fertig, Greymon!" Doch auch als Kabuterimon, Gatomon, Garurumon und Angemon zur Hilfe kamen war gegen die Dornenhecken kein Ankommen... "Los schon!", rief Palmon, verzweifelt, das als einziges nicht hatte digitieren können. "Bringt mich zu meiner Mimi, schnell!" Da kam Koushirou eine Idee. "Leute, haltet hier die Stellung!" Und schon hatte er Palmon gepackt, sich auf Kabuterimons Rücken geschwungen und hatte abgehoben. Dank der Hilfe ihrer Freunde konnten die Blossomon sich nicht weit genug strecken, um sie aus dem Himmel zu pflücken, und vom Licht des Mondes geführt landeten sie schließlich auf einem der hohen Balkone. Koushirou kannte keine Scheu und schlug die Glastür zum inneren des Schlosses ein, verschaffte ihnen Zutritt, und gefolgt von Tentomon und Palmon machte er sich auf die Suche. "Mimi? Mimi!" Doch auf sein Rufen kam keine Antwort, bis auf einmal... ein kleines Aruraumon das Köpfchen um die Ecke streckte. "Sind es schon Einhundert Jahr? Seid ihr der Prinz, der gekommen ist, um Prinzessin Röschen zu befreien?" Koushirou schnaubte, doch dann nickte er schnell. "Ja, ich bin genau deswegen hier. Hundert Jahre und so... wo ist Mimi?" Das Aruraumon war entweder nicht so ganz helle, oder aber es sah in Koushirou tatsächlich mehr, als der sich selbst je zugestehen würde - Prinz??? -, denn es winkte mit seiner pflanzlichen Hand. "Folge mir." Der Raum, in dem sie bald standen, war groß, von einer Laterne und dem hereinfallenden Mondlicht erhellt, und Koushirou konnte gut erkennen, dass da auf dem Bett... "Mimi!" Schon war er zu ihr geeilt, fasste panisch nach ihrer Hand. Sie war kühl, doch nicht bedenklich kalt, immerhin. Er rüttelte an ihrer Schulter. "Mimi! Mimi wach auf!" Das Kichern des Aruraumon hinter ihm ließ ihn funkelnd herum fahren. "Was habt ihr gemacht, warum wacht Mimi nicht auf!?", empörte er sich, doch das Aruraumon schüttelte nur den Kopf. "Wir haben gar nichts gemacht! Weißt du denn nicht, wie es geschrieben steht? Das Prinzessin Röschen wird schlafen Hundert Jahr, bis dass der Kuss der wahren Liebe ihres Prinzen sie erretten mag..." Tentomons eloquentes "ohoh" war wirklich nicht hilfreich, Koushirou konnte nicht verhindern, dass seine Wangen rot wurden. Küssen. Er sollte... aber wahre Liebe? Und... er hasste es, wenn er nicht wusste, was er tun sollte! "Na los, küss sie schon!", meinte das Aruraumon noch einmal, noch immer kichernd. "Nur nicht so schüchtern!" Doch ehe Koushirou in die Verlegenheit käme, eine Entscheidung zu treffen, war Palmon auf das Bett gesprungen. "Paperlapapp! Fluch, Hundertjähriger Schlaf, so ein Märchenkram! Das sind einfache Schlafpollen, das rieche ich doch gegen den Wind noch an." Und mit einem gezielten Pollenpusten in Mimis Gesicht begann die auf einmal, sich zu regen, und Koushirou fiel ein ganzer Steinschlag vom Herzen. Prinz oder nicht... Das Aruraumon sah recht enttäuscht drein. "Neinneinnein, so geht das nicht! Das Märchen geht so, dass die Prinzessin von einem Kuss erweckt wird, das ist Betrug! Ihr schummelt!" Koushirou beachtete sein Meckern nicht, half lieber der schlaftrunkenen Mimi, sich aufzusetzen. "Alles in Ordnung?", fragte er in leisem Ton. Mimi war nur kurz desorientiert, doch ein Blick auf Aruraumon schien ihr die Erleuchtung zu bringen, und sie seufzte. "Oh ihr. Wir hätten doch viel mehr Spaß zusammen haben können, während ich wach bin!" Viel zu elegant schwang sie die Beine über die Bettkante und stand auf, und Koushirou konnte gar nicht schnell genug ebenfalls auf die Füße kommen. Es ging ihr gut. Das war gerade das wichtigste. Dass sie hier in Nachthemd vor ihm stand, das konnte er auch zuhause noch reflektieren... Sein Gedanke wurde von einer zarten Berührung an seiner Wange unterbrochen, die so schnell vorbei war, dass er sie kaum realisiert hatte, ehe es zu spät war. Dann wurde sein Gesicht noch röter. "Danke für die Rettung, mein Prinz", flötete Mimi vergnügt, hakte sich dann bei ihm ein. "Mehr Kuss bekommt ihr nicht zu sehen, Aruraumon. Macht es gut!" Und wie das erweckte Prinzessin Röschen am Arm ihres Prinzen durch die Flure schritt, da erwachte das Schloss zu neuem Leben, und die Blossomon schwanden, ihren Dienst getan, brachten die Aruraumon zurück. Dass Taichi und die anderen Digiritter nur in Verwirrung starren konnten, als Mimi und Koushirou durch die großen Tore zu ihnen nach draußen traten, war wohl zu verstehen, nicht wahr? Aber wenn sie nicht gestorben waren, dann erlebten sie gewiss noch heute die buntesten Abenteuer in der Digiwelt. THE END Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)