Second Chance von Turiana ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Als Itachi das nächste Mal wieder zu sich kam, war ihm sofort bewusst, wo er sich befand. Es roch so vertraut um ihn herum und zum ersten Mal seit dieser verrückten… seit seinem Tod konnte er sie wahrnehmen. Es mussten sich viele Menschen in seiner Nähe befinden, und alle ihre Chakren kamen ihm bekannt vor. Wegen der letzten Illusion, in der er seinen kleinen Bruder als Kind gesehen hatte, ging er davon aus, dass er in dieser Illusion noch immer in Konoha war. Dass er sich noch immer irgendwo aufhielt, eingesperrt und aus dem Tod gerissen von jemandem, der sich einen wirklich schlechten Scherz mit ihm erlaubte. Der ihn Chakren von Menschen spüren ließ, die er eigenhändig und mit blutendem Herzen umgebracht hatte. Seine Mutter stand plötzlich im Raum. Itachi sah sie eine Weile nur an, wusste nicht recht, was er von alledem halten sollte. Er hatte sie umgebracht und sie stand vor ihm, als sei nie etwas gewesen- außer, dass er sich in ihren Augen sehr seltsam verhalten haben musste. Ob er Sasuke –wenn es sein echter Bruder wäre- Angst gemacht hätte? Eine Illusion konnte sich nicht fürchten, aber der echte Sasuke hätte bestimmt Angst bekommen. „Itachi, ist alles in Ordnung mit dir?“, erklang die ruhige, warme Stimme Mikotos, bevor sie sich an seine Bettkante setzte. Ihre weiche, warme Hand legte sich auf seine Stirn. „Ja“, antwortete er schnell und setzte sich auf. „Entschuldige, ich war nur sehr erschöpft.“ „Es war auch deine erste Mission als Anbu. Ich glaube immer noch, dass dir die Beförderung nicht gut tut. Du bist erst 13.“ Die Stimme seiner Mutter klang ehrlich besorgt. Ihr Sohn nickte nur und war erleichtert, als sie ging. Er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Seine Bemühungen, diese Illusion zu durchbrechen, waren allesamt gescheitert. Es war, als befände er sich in der Wirklichkeit. Einer sehr bizarren Wirklichkeit. Bei seiner ersten Mission als Anbu war Sasuke erst acht gewesen. Ein halbes Jahr später war Itachi schon auf der Flucht und integrierte sich bei Akatsuki, um so das Dorf und vor allem Sasuke trotzdem irgendwie schützen zu können. Mit acht Jahren hatte Sasuke zwar schon gewusst, wie ihr Bluterbe aussah, aber er hatte es nur selten bei seinem Bruder gesehen. Bevor Itachi gewusst hatte, was auf ihn und Sasuke zukommen würde, wollte er diesem sein Sharingan erst zeigen, wenn er ihm den Umgang damit beibrachte. Als Itachi es dann gewusst hatte, wollte sich der ältere der beiden diesen Anblick für Sasuke aufheben- für den Tag, an dem er sein Leben hatte zerstören und die Leben vieler anderer Menschen beenden müssen. Um bedrohlicher zu wirken. Um der Angst und dem Hass freien Lauf zu lassen durch ein Sharingan, das besser war als die, die Sasuke gekannt hatte. Als Itachi von Verwandten verhaftet werden sollte, die ihn zu Shisuis Freitot befragen wollten, hatte der ältere der Brüder nicht mehr darauf geachtet, dass Sasuke dabei war. Sonst hätte er sich besser beherrscht, damit Sasuke nicht glaubte, sein Bruder habe Shisui getötet. Itachis bester Freund und Cousin hatte Selbstmord begangen, und Itachi hatte hilflos zugesehen. Allein bei der Erinnerung daran wurde ihm übel. Sasuke blickte verunsichert auf sein Essen, als Itachi sich schwerfällig neben ihm niederließ. Ihre Eltern saßen ihnen gegenüber und Mikoto lächelte. Sogar Fugaku wirkte zufrieden, mit seiner Familie essen zu können. Itachi wusste, was Sasuke so verunsicherte- seine Augen. Und er selbst, der große starke Bruder, fühlte sich unsagbar unwohl, auch wenn er es nicht zugab. Er fürchtete, sich selbst in dieser Illusion zu verlieren, die einfach eine sein musste. Ob Sasuke dafür verantwortlich war? Er hatte sich so sehr gewünscht, dass Itachi bei ihm blieb, das wusste dieser. Und er war sehr stark geworden, was den älteren Bruder aber auch stolz machte. Unheimlich stolz. Wie gerne wäre er bei ihm geblieben, hätte selbst auf seinen kleinen wunderbaren Bruder geachtet! Wäre er nun kein Uchiha, hätte er wohl die Stirn gerunzelt. Sein kleiner Bruder… Sollte er wirklich an seiner Situation beteiligt sein, war das Verhalten des jüngeren Sasukes besser einsehbar. Berechenbar. Vielleicht hatte er sich Sorgen gemacht, weil er nicht wusste, ob sein Jutsu geglückt war. Vielleicht war er nun so verunsichert, weil er mit seiner eigentlich toten Familie zusammen war und sich zumindest ihre Eltern nicht daran erinnerten, dass sie eigentlich tot waren. Aber wenn jemand anderes daran schuld war, dass Itachi in seiner Vergangenheit festsaß, dann hatte Sasuke zu diesem Zeitpunkt sein Sharingan nur wenige Male gesehen. In diesem Fall war er nun sicher ziemlich verunsichert wegen ihrem Bluterbe und Itachis merkwürdigem Benehmen. Aber Sasuke war dann ohnehin nur eine Illusion. Trotzdem konnte Itachi nicht anders, als seinen kleinen Bruder anzustubsen und zu fragen, ob er nicht nach dem Frühstück mit ihm trainieren wollte. Der Junge lächelte schüchtern, aber Itachi wusste, wie sehr sich Sasuke freute, obwohl er wohl nicht wusste, wie er Itachi einzuschätzen hatte. Itachi fiel auf dem Weg zum Trainingsplatz und auch später auf dem Trainingsplatz selbst auf, wie gelungen diese Illusion war. Obwohl er es von Sasuke unbemerkt versuchte, wurde die Illusion nicht angekratzt. Es wirkte, als sei es die Realität und keine abstrakte Kunst. Ob doch Sasuke dahinter steckte? Aber würde der kleine Bruder ihn dann nicht darüber aufklären wollen, nun, wo er ihm erklärte, wie er sein Chakra schmiedete, weil Sasuke das in der Akademie gerade lernte? Sein kleiner Bruder tat es jedoch nicht. Er versuchte, die Fingerzeichen zu schließen, während Itachi ihm dabei genau zusah und ihn bei Fehlern korrigierte. Wie früher strahlte Sasuke, als er mit seinem Chakra ein kleines Blatt zerknittern konnte und es sich dunkel verfärbte. Brüderlich legte Itachi ihm den Arm auf die Schultern. „Wunderbar, du hast das Feuer-Element“, grinste er, wie er es nur bei Sasuke tat. Nur, wenn die Brüder alleine waren. Es fühlte sich so ungewohnt an, dass er kaum mitbekam, wie Sasuke ihn fragte, woher er das wisse. „Na, das Blatt ist dunkler, und wenn du genau hinschaust, sieht es angebrannt aus“, erklärte Itachi und kam nicht umhin zu bemerken, dass er diese Illusion mochte, auch wenn er sich nicht erklären konnte, wie er hineingeraten war. „Aber es ist zerknittert. Habe ich dann nicht das Erd-Element?“, erklang Sasukes besorgte Frage. Alle Uchiha trugen das Feuer-Element in sich, und Sasuke machte sich viel zu viele Sorgen, nicht gut genug zu sein. Sanft strich der ältere ihm durchs Haar, hockte sich vor ihn, damit er mit dem Kind auf einer Augenhöhe war. Sanft lächelte er. „Das war dein zweites Element. Du hast auch den Donner. Das Erd-Element sieht etwas anders aus, aber das kann ich dir Zuhause ja zeigen.“ Staunend blickten ihn die unglaublich schwarzen Kinderaugen an, die so glücklich leuchteten, wie sie es immer sollten. Itachi hasste sich selbst, weil er diesen falschen Sasuke liebte. So sehr wie den echten wahrscheinlich. Genauso wie seine falschen Eltern. Vielleicht sollte er es einfach genießen, in dieser seltsamen Welt gefangen zu sein, statt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wer dazu in der Lage sein könnte, eine solche Illusion derart glaubhaft zu gestalten und auf einen Toten wirken zu lassen. Ihn sich lebendig fühlen zu lassen. Es konnte kein normales Genjutsu sein. Das war völlig unmöglich. Itachi kannte niemanden, der dazu in der Lage waren. Kakashi oder einem Hyuga traute er es nicht zu, Obito und Sasuke beherrschten eine solche Technik nicht. Zumindest nicht in seiner Erinnerung. Vielleicht hatte Sasuke sich ja eine solche Kunst angeeignet? Itachi befand nun schon seit einigen Tagen in seiner Vergangenheit und hatte sich eingelebt. Er hatte im Kalender in seinem Zimmer eine Urlaubsbemerkung über zwei Wochen gesehen und war froh darüber. Er würde sich erst wieder eingewöhnen müssen. Auch Shisui lebte in dieser Illusion. Itachi war ihm begegnet, als er Sasuke von der Akademie abholen wollte, und die beiden waren ein paar Stunden später zusammen trainieren. Nun saßen die beiden Cousins im kühlen Gras auf dem Trainingsplatz und entspannten sich. Itachi spürte in sich das Bedürfnis aufsteigen, mit seinem besten Freund über seine derzeitige Lage zu reden. Vielleicht wusste Shisui, ob es jemanden gab, der zu einer solchen Illusion in der Lage war. Oder er konnte Itachi beruhigen und ihm helfen, diese Erinnerungen als einen Traum abzutun. Vielleicht waren sie ja nicht mehr als das. „Shisui?“ Ein Brummen. „Kennst du jemanden, der Verstorbene in ein Genjutsu ziehen kann?“ Verwirrt starrte Shisui ihn an, als sei er verrückt. „Wie kommst denn darauf?“ Itachi saß im Schneidersitz da, lehnte mit dem Rücken an einen Baumstumpf. Er wusste nicht, wie er sich ausdrücken sollte. „Das könnte doch nicht einmal ein Uchiha, Itachi“, grinste Shisui, sah ihn aber weiterhin verwirrt an. Der Anbu seufzte, was er eigentlich nie tat und ihm einen aufrichtig besorgten Blick einbrachte. „Es muss aber einen Weg geben, Verstorbene in ein Genjutsu zu ziehen. Und wenn jemand das mit einem Toten schafft, kann er es sicher auch mit einem ganzen Dorf Verstorbener machen, oder?“ „Und was würde es demjenigen bringen?“ Shisui starrte ihn nun offen an, als sei er wahnsinnig. Itachi würde ihm alles erzählen müssen. Vielleicht gab es ja noch eine andere Lösung. „Ich erinnere mich daran, wie ich bei deinem Freitod dabei war und du mir dein verbliebenes Auge gegeben hast. Wie ich alle umgebracht habe und Sasuke dazu brachte, mich zu töten. Wie ich wiedererweckt wurde, um in einem Krieg zu kämpfen, mich mit jemandem gegen einen Befehl gewehrt und den Verursacher für meine Wiedererweckung in Izanami gezogen habe. Wie ich mich von Sasuke verabschiedete. Und dann bin ich hier aufgewacht und habe Sasuke mit Sharingan angesehen, weil mich das alles hier verwirrt hat. Irgendwer erlaubt sich hier einen riesigen Spaß mit mir- vielleicht sogar mit dem gesamten Clan.“ Itachi sprach leise und war dabei so ruhig, dass es Shisui schwerfiel, ihm nicht zu glauben. Er ahnte, dass Itachi nicht ganz wusste, was er davon halten sollte, mit einem eigentlich verstorbenen Freund zu reden. Sorgsam wählte er deshalb seine Worte. „Und wenn das, was du für wirklich gehalten hast, die Illusion war?“ Sein bester Freund schüttelte den Kopf. „Nein, das ist keine Illusion. Das glaube ich nicht. Wer könnte mir so viele Jahre vorgaukeln?“ Nun leicht verunsichert wog Shisui seinen Kopf hin wie her. „Das müssen wir herausfinden. Was ist eigentlich aus Sasuke geworden, wenn du ihn am Leben gelassen hast?“ Betreten senkte Itachi den Kopf. „Er hat nach meinem Tod herausgefunden, dass ich ihn immer beschützen wollte, und dann Rache an Konoha üben wollen. Er ist ein Abtrünniger geworden und hat sich Konohas Feind angeschlossen. Ich weiß nicht, was er dann getan hat.“ „Du bist sein Bruder und Vorbild. Das war absehbar“, murrte Shisui. „Ich hätte ihm alles erzählen sollen“, meint Itachi leise. „Er war zwar ein Kind, aber er hätte unseren Clan sicher ändern können, auch schon, als er noch zur Akademie ging. Ich habe ihn nie ernst genommen. Das hätte ich tun müssen. Jetzt ist es zu spät dafür.“ Shisui schüttelte den Kopf. „Aber Itachi, du kannst doch jetzt mit ihm reden.“ „Er ist noch ein Kind“, kam es vorwurfsvoll von dem Anbu. „Und eben hast du gesagt, du hättest ihn besser auch schon als Kind einweihen sollen“, entgegnete Shisui sofort. „Sasuke ist jetzt hier in Konoha und lernt wohl gerade für die Akademie. Und ich habe meinen Selbstmord noch nicht geplant. Du hast jetzt die einmalige Gelegenheit, diesen Aufstand mit Sasukes Hilfe noch im Keim zu ersticken!“ Itachi schwieg, biss sich auf die Unterlippe. Shisui hatte recht. Aber alles in ihm sträubte sich, seinem unschuldigen Bruder davon zu erzählen. Wie sollte er ihm erklären, wieso er ihm davon erzählte? „Er wird mich für verrückt halten.“ Shisui lachte. „Er ist dein Bruder. Du wirst immer sein Vorbild sein- auch wenn du verrückt bist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)