My little Pony-venture! von KiraNear ================================================================================ Kapitel 2: Stabile Argumente ---------------------------- Die Höhle war viel länger und größer, als ich sie mir bisher vorgestellt hatte. Zu meiner Überraschung wurde sie gut beleuchtet, obwohl hier und da an den Felswänden nur kleine Fackeln befestigt waren. Ob das auch an Lunas Magie liegt? Damit die kleinen Fillies keine Angst im Dunklen bekommen oder nicht über ihre kleinen Hufe stolpern? Nicht so wie ich die ganze Zeit … Bisher konnte ich es mir nicht so richtig vorstellen, wie es sich anfühlt, wie ein Pony herumzulaufen. Zwar hatte ich die vielen Staffeln von MLP geguckt, ebenso die vier Equestria Girl Filme, aber auf ein Pony-Dasein können einen diese vielen Episoden und Filme nicht vorbereiten. Ich dachte immer, es wäre eine Art von Krabbeln, nur eben nicht auf den Knien. Dann hätte ich versucht, meine Erinnerung aus der Kleinkindheit hochzuholen, als ich mit zu vielen Murmeln und Spielzeugautos im Wohnzimmer meiner Großmutter gespielt hatte. Auf diese Erinnerung hätte ich eventuell bauen können. Doch das hier … das war etwas vollkommen anderes. Als Kind konnte man sich wenigstens auf seine kleinen Händchen und seine kompletten Unterschenkel abstützen. Nur hier, als Pony stand man nur auf seinen dünnen Beinchen und den Hufen. Selbst an die Geräusche musste ich mich noch gewöhnen. Klack, klack … als würde ich High Heels tragen. Eine seltsame Art von High Heels. In diesem Moment konnte ich nur hoffen, dass ich mich daran gewöhnen könnte. Naja, wenn es Twilight und Sunset in die andere Richtung geschafft haben, dann wird mir das auch möglich sein. Wenigstens habe ich ein Horn, ich kann mir echt nicht vorstellen, wie man mit den Hufen etwas aufheben oder halten kann. So wie in den ganzen Fananimationen, die ich hier und da auf YouTube gesehen habe. Ob es wirklich so schwer ist, wie es da immer dargestellt wurde? Oder ob es eigentlich total einfach ist? Hm, das jetzt zu fragen … ne, das kann ich nicht. Die würden mich doch einfach nur ansehen. Bestimmt würden sie mich auch fragen, warum ich nicht mein Horn benutze. Ob ich das auch auf den Unfall und den Gedächtnisverlust schieben kann? Das wäre ziemlich klischeehaft, ist aber jetzt auch nicht so, als hätte ich eine andere Wahl. Naja, sie sind die Einzigen, die mir jetzt helfen können … dennoch, sie anzulügen ist ja auch nicht so richtig. Uff, Kira, hör auf so viel zu denken, ich sehe dahinten schon … Mondlicht? Und ich glaube, es würde bestimmt auffallen, dass ich geistig gerade nicht anwesend bin.   Erst jetzt nahm ich das fröhliche Geplapper der kleinen Ponys um mich herum wahr. Sie liefen vor, hinter und auch neben mir, so viel Platz war in diesen Gängen vorhanden. Als ich die ganzen Abzweigungen sah, war ich ganz froh, dass die Kleinen mir zum Ausgang halfen. Ich würde mich nur in irgendeiner dieser Miniwege verirren und Stunden brauchen, bis ich wieder aus der kompletten Höhle rausgefunden hätte. Bei meiner Neugierde, gepaart mit dem schlechten Orientierungssinn, hätte ich mich in Nullkommanix verlaufen. Und das würde mir in meiner Situation nun wirklich nicht weiterhelfen, besonders, da ich immer noch wackelig auf den Beinen bin. Ob ich als Kind genauso hilflos war? Meine Mutter hatte mir oft genug erzählt, dass ich als Kind Gleichgewichtsstörungen und deswegen spezielle Schuhe benötigt hatte. Diese haben mir das zwar korrigiert, aber im Moment brachte es mir herzlich wenig. Zum Glück zeigten die kleinen Fohlen um mich herum Verständnis und stützten mich, wenn ich immer das Gleichgewicht verlor. So gut es ihnen möglich war. Die restlichen Ponys redeten wild durcheinander, auch war hier und da eine Frage dabei. Allerdings war ich zum größten Teil damit beschäftigt, mich aufs unfallfreie Gehen zu konzentrieren, außerdem fielen so viele Fragen, dass sie die Antwort nicht mitbekommen hätten. Immer mehr kann ich das Mondlicht sehen, wie es in den Höhlengang hineinleuchtet, gleichzeitig ließ auch das Licht der Fackeln nach. Bis sich uns plötzlich jemand in den Weg stellt. Wer auch immer es ist, er oder sie hatte es sogar geschafft, die kleinen Fillies von einer Sekunde auf die andere zum Schweigen zu bringen. Gebannt, aber auch erfreut sahen sie alle das fremde Pony am Eingang an. Auch ich konnte das Fohlen sehen, allerdings nicht erkennen. Ob sie wohl so eine Art Anführerin ist? Auf jeden Fall hat sie die kleine Gruppe hier ziemlich gut unter Kontrolle …   Ich überlegte mir, ob ich eines der Fohlen neben mir vorsichtig fragen soll, wer gerade angekommen ist, als Midnight es mir schon abnimmt. Kann sie etwa Gedanken lesen? Oder war das nur Zufall? „Gari! Schön, dass du wieder hier bist! Hattest du mit deiner Mission Erfolg?“, fragte Midnight freundlich die Fremde. Hm, also offenbar ist es eine freundliche Anführerin, so wie sich Midnight anhört… „Ja, danke der Nachfrage, es ist alles gelaufen, wie es sollte …“ Misstrauisch brach sie ihren Bericht ab und starrte in meine Richtung. Die Augen zu Schlitzen geformt, betrachtete sie abwechselnd mich und die kleinen Fohlen um mich. Erst, als sie erkannte, dass von mir keine Gefahr ausging, lockerte sich ihre Haltung. „Fremdes Einhorn! Nenne mir deinen Namen und deine Absichten!“, versuchte sie so ernst zu klingen wie es ihr möglich war. Mit einem Mal hatte sie ihre Laune von einer „freundlichen Anführerin“ zu einer „ernsthaften Herrscherin“ gewechselt. Sie war kleiner und jünger als ich, dennoch hatte ich das Gefühl, dass ihr ihr bereits nach wenigen Sekunden Rechenschaft schuldig wäre. Die Wahrheit konnte ich auch ihr nicht sagen, also musste ich mein Spiel weiterspielen. Schnell suchte ich mein Gedächtnis nach meinem neuen Namen ab und wurde zu meinem Glück fündig. „Mein Name ist … Mystery Pen, aber du kannst auch einfach Mystery sagen …“ „Sie war gaaaaaanz weit hinten in der Höhle, da, wo die wunderschönen Kristalle wachsen. Midnight hat sie gefunden, wie sie gerade am rausgehen war … oder, Midnight?“, unterbrach mich eins der jüngsten Fohlen. Was mir am Ende sogar ganz recht ist, mein Hirn ging im Normalfall immer in den Blockadenmodus und andere Personen fiel es im Gegensatz zu mir viel leichter, die aktuelle Situation verständlich nahezubringen. Mein Mund fährt dagegen zusammen mit meinem Hirn Achterbahn, da ich es nicht schaffe, den Kontext in der richtigen Menge und Reihenfolge zu setzen. Nicht nur einmal hatte eine Kollegin bei der anderen rückfragen müssen, da ich nicht rüberbringen konnte, was ich gerade von ihr wollte. Midnight nickte nur leicht den Kopf. „Ja, das stimmt, ich habe sie am Ende der Höhle gefunden, genauer gesagt in der Kristallecke. Allerdings konnte sie mir nicht sagen, was sie dort gemacht hat oder wie sie dort hingekommen ist, aber sie hat wohl das Gedächtnis verloren. Das Einzige, an das sie sich erinnern kann, ist ihr Name. Sogar beim Laufen hat sie Schwierigkeiten …“ Für ein paar Sekunden, welche mir wie eine dunkle Ewigkeit vorkamen, schwieg das junge Fohlen. Vermutlich war sie sehr belesen, jedenfalls klang Gari, wie sie Midnight genannt hatte, deutlich erwachsener als sie wohl in Wirklichkeit war. Überhaupt waren alle Fohlen etwas größer als ich es erwartet hatte. Naja, in meiner Welt bin ich ja auch ein Zwerg, da würde es mich nicht wundern, wenn ich es hier auch wäre. Oder ich habe mir die Proportionen bisher ganz falsch vorgestellt … „Ich kann noch nicht genau sagen, wie das alles zusammenhängt“, fuhr Midnight fort. „Aber als ich sie gefunden habe, konnte ich genau sehen, dass der große Mondstein zerstört war. Bestimmt war es nur ein Unfall,…“ „Aus unserem Gast werden wir das wohl nicht herausbekommen“, unterbrach Gari sie und musterte mich nun noch deutlicher. Dass das nicht gerade meinen Mut wachsen ließ, war ihr genauso klar wie mir selbst. „Das Gedächtnis verloren … verstehe. Wie ungemein praktisch.“ Praktisch? Was genau meint sie damit?   Während ich darüber nachdachte, was genau sie mit „praktisch“ gemeint haben könnte, wandte sie sich wieder an Midnight und sah sie verwundert an. „Was genau ist nun der Grund, weshalb ihr die Höhle verlassen wollt? Vor allem die ganze Gruppe?“ „Nun, das ist ganz einfach, Gari“, antwortete Midnight. „Zumindest ist der Grund sehr schnell erklärt. Mystery hat Probleme mit dem Gleichgewicht und da sie sehr freundlich zu sein scheint, wollen wir sie begleiten. Erst waren es nur ein paar, aber am Ende sind dann doch alle mitgegangen. Ich hoffe, das kannst du verstehen. Wir dachten, da Mutter Luna nicht hier ist, dass wir sie einfach zu Prinzessin Twilight bringen könnten.“ Noch immer betrachtete Gari mich, als wäre ich eine Art Spionin oder Verräterin. Ich hatte absolut keine Ahnung, ob und was ich sagen sollte, also beschloss ich zu schweigen. Zumal ich schlecht sagen konnte, woran es genau lag, weshalb wie ich wie auf rohen Eiern herumlief. Dass ich vor kurzem noch ein Mensch war, ein Wesen, das in dieser Welt oder diesem Universum gar nicht existierte, konnte ich unmöglich sagen. Twilight, die würde das verstehen. Aber sonst niemand.   Gari seufzte und versuchte, so freundlich wie möglich zu gucken. Möglicherweise hatte ich ihren „Test“ bestanden. Oder aber sie versuchte nur die „Gute-Miene-zum-bösen-Spiel“-Nummer. „Es ist zwar nobel, dass ihr diesem fremden Pony helfen wollt, allerdings muss ich sagen, dass mir das alles hier nicht so gefällt. Besonders, dass ihr sie alle zusammen begleiten wollt. Was, wenn Mutter Luna zurückkommt und hier niemand ist? Was soll sie dann von uns denken? Was, wenn es sie sogar traurig macht? Habt ihr schon einmal daran gedacht?“ Betroffen senkten sich sämtliche Ponyköpfe, was die ganze Situation noch unangenehmer für mich machte. Es war schon immer kein gutes Gefühl für mich, wenn jemand anderes wegen mir in Schwierigkeiten geriet. Ich muss auf jeden Fall was sagen. Aber was? Nicht, dass ich damit noch alles verschlimmere … nein, ich muss es einfach versuchen. Schlimmer kann es ja nicht werden, oder zumindest eskalieren. Nein, einen Versuch ist es wert. Wenn es scheitert, dann ist sie wenigstens auf mich wütend und nicht auf die Kleinen. Mein nervöses Gefühl sagte mir, dass es keine gute Idee war, da überhaupt einzugreifen. Auf der anderen Seite wollte ich nicht untätig herumstehen. Hatte sogar gleichzeitig das Gefühl, dass ich etwas sagen müsste. Eine „Eigenschaft“, die mich schon lange an mir nicht mochte. Ich dachte über beide Seiten der Medaille nach, aber so intensiv und lange, dass ich nicht weiß, was ich wirklich möchte. Und oft mache ich am Ende entweder gar nichts oder das Falsche. Zwar ab und zu auch das Richtige, aber ich wünschte, ich würde in meinen Gedanken nur eine klare Position vertreten und nicht immer nur „Ja, aber die andere Seite“ mit reinziehen. Entscheidungen waren schon immer etwas, mit dem ich mich schwer tat, egal, wie klein oder harmlos sie waren. „Stimmt, das war nicht gerade eine gute Idee. Es ist dunkel draußen und nicht alle von uns haben ein helles Fell. Uns dann zu suchen könnte selbst mit einer Nachricht bestimmt nicht so einfach sein … aber die Kleinen haben es nur gut gemeint. Passiert mir auch, ich möchte etwas aus einem guten Grund machen, denke es aber nicht bis zum Ende durch. Wir sind aber noch nicht weit gekommen, also ist auch noch nichts passiert. Ich hatte noch nie eine Amnesie, daher weiß ich leider nicht, wie man sich da richtig verhält. Jedenfalls vermute mal, dass es meine erste Amnesie ist. Es würde ja auch reichen, wenn nur ein paar wenige Ponys mitkommen würden …“ „Nein, nichts da! Wenn wir auf Mutter Luna warten, dann wir alle zusammen oder gar nicht“, sagte Gari ein wenig zu schroff, was uns alle inklusive mir selbst zusammenzucken ließ. Was ihr natürlich nicht entging. Dennoch wich sie nicht von ihrer Position ab. „Was ich damit sagen möchte, ist, dass es für uns alle besser wäre, wenn wir hier auf Mutter Luna warten würden. Da draußen ist es sehr gefährlich, besonders für die jüngsten unter uns. Außerdem könnte uns Mutter Luna mit deinem Problem mit Sicherheit helfen, viel besser als wir es könnten. Zumal jemand, der an einer Amnesie leidet, erst einmal untersucht werden sollte, auf eventuelle Verletzungen. Dann hätten wir schon einen ersten Hinweis, der uns auf die Ursache des Gedächtnisschwunds hinführen könnte. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich das gerne übernehmen.“ Da mir selbst kein Gegenargument einfiel, nickte ich nur. „Ja, das wäre keine schlechte Idee, zumal ich im Dunkeln nur schlecht sehen und mein Horn noch nicht so richtig benutzen kann. Vermutlich habe ich das wohl auch vergessen… und eine Untersuchung wäre in der Tat hilfreich, da ich ja auch nicht alle Stellen meines Körpers sehen kann.“ Ein letztes Mal beäugte mich Gari, als hätte ich mit meinen letzten Bemerkungen nun endgültig über die Strenge der Glaubwürdigkeit geschlagen. Doch sie sagte nichts und so atmete ich auf. „Gut, da wir das hier geklärt haben – lasst uns alle in die Haupthalle zurückgehen. Außer dir, Mystery, ich möchte mir wie gesagt deine Verletzungen ansehen. Zwar bin ich keine Krankenschwester, aber ein bisschen kann ich erste Hilfe leisten.“ Die einzige Verletzung, die ich spürte, war mein drückender und schmerzender Kopf, doch bei mir konnte man sich da nie sicher sein. Bestimmt hatte ich wieder irgendwo an meinem Körper eine Schnittwunde und spürte sie mal wieder nicht.   Während die anderen in die Richtung eines großen, hellbeleuchteten Höhlengangs verschwanden, nahmen Gari und ich einen anderen Weg. Dieser führte zu einem nicht weniger beleuchteten, aber kleineren Raum mit einem Bett, einem kleinen Schrank und einem winzigen Waschzuber. Das Wasser darin sah klar aus, vermutlich würde es jeden Tag gewechselt werden. Klar, die werden ja jetzt hier in der Höhle auch keine Wasserleitungen legen, wenn sie schon Fackeln statt Strom benutzen. Wobei manche von denen aber schon echt hell brennen … das muss doch ein Zauber sein! „Leg dich bitte mal da drauf.“ Mit dem Huf deutete Gari auf das kleine Bett, welches recht nah am Boden lag. Kaum hatte ich es mir darauf gemütlich gemacht, spürte ich schon, wie sie meinen Kopf so genau es ihr möglich war unter die Lupe nahm. Diese Berührungen fühlten sich seltsam, aber nicht unangenehm an. Nur sehr, sehr ungewohnt. Sie versuchte so vorsichtig wie möglich zu sein und ich hätte nie gedacht, dass das mit Ponyhufen überhaupt möglich wäre. Als sie schließlich meinen restlichen Körper erreichte, erstarrte sie. In meinem Hirn spielten sich diverse Szenarien ab, welche schlimmen Verletzungen ich haben könnte, dass sie so neben der Spur war, aber ich irrte mich. Stattdessen starrten mich ihre übergroßen Pupillen an und ich hatte das Gefühl, als hätte sie ein Mordsgeheimnis aufgedeckt.   „Du … du hast Flügel! Bist d… du etwa eine Prinzessin?!“ In ihrer Stimme lag Verwirrung, aber auch etwas wie Ehrfurcht konnte ich daraus hören. Ich schüttelte den Kopf – kein Wunder, dass Gari so verwirrt war. Vorhin im Gang waren die kleinen Ponys dicht an mich gedrängt gewesen, außerdem war auch das Licht an dieser Stelle, nahe des Ausgangs, im Gegensatz zur restlichen Höhle nicht das Beste. Dass Gari überhaupt irgendwas auch nur halbwegs erkennen konnte, wird für mich ein Rätsel bleiben. „Nein, ich habe zwar Flügel, aber ich bin keine Prinzessin. Zumindest wüsste ich doch davon, oder?“ Wieder dieser prüfende Blick. Als wären bei Gari nur ein paar wenige Gesichtsausdrücke vorhanden. „Wie dem auch sei, auf jeden Fall kann ich erst einmal nichts erkennen. Es ist möglich, dass du eine innere Verletzung hast, aber die kann ich leider nicht erkennen. Dazu habe ich leider nicht die Möglichkeiten … auf jeden Fall sind wir schon mal ein wenig schlauer. Bleib noch einen Moment liegen, ich will nur sicher gehen, dass ich nichts bei deiner Untersuchung übersehen werde.“ Während Gari weiterhin sämtliche Körperstellen untersuchte, kam ich wieder ins Grübeln. „Aha, ich wusste doch, ich habe hier etwas übersehen! Tut mir leid, dass mir das nicht gleich aufgefallen ist, aber offenbar hast du hier an der Seite eine leichte Verletzung. Dadurch, dass dein Fell so hellrot ist, ist es mir nicht gleich aufgefallen. Aber hier ist Blut und es ist noch nicht alt. Vermutlich kommt deine Amnesie daher. Wie fühlst du dich?“ Sie wischte behutsam die Stelle, an der sich offenbar das Blut befand, mit einem Lappen ab. Was nicht verhinderte, dass ich vor Schmerzen zurückzuckte. „Mein Kopf tut ziemlich weh, aber es ist keine Art von Schmerz, die ich bisher hatte. Vermutlich kommt das von der Wunde. Aber sonst fühle ich mich ganz in Ordnung, nur ein wenig erschöpft.“ Dies genügte ihr als Antwort, mit weiteren Details hätte sie wohl auch nicht mehr anfangen können.   Mir fiel auf, dass sie von niemanden erwähnt wurde, als ich die kleinen Fillys getroffen habe. Auch, als wir die Höhle verlassen hatten, wurde ihr Name kein einziges Mal erwähnt. „Gari, kann ich dich mal was fragen?“ Diese sah kurz von meiner Kopfverletzung auf, dann drückte sie weiter auf ihm herum. „Natürlich kannst du das. Was möchtest du denn gerne wissen?“ Nervös schob ich den Speichel in meinem Mund umher, in Richtung Hals. Na toll, mein Pony-Ich hat also das gleiche Problem … „Als wir vorhin die Höhle verlassen wollten, hat keiner erwähnt, dass es dich noch gibt. Ohne das jetzt irgendwie unhöflich zu meinen. Aber ich hab grad das Gefühl, dass sie dich vergessen hätten. Dabei bist du wohl so eine Art Anführerin, oder? Warum waren sie also so überrascht, dich zu sehen? Oder haben dich in Betracht gezogen?“ Kurz zuckte ich zusammen, als erneut etwas kaltes mein Fell berührte. Ein kurzer Blick auf meine untere Körperhälfte verriet mir, dass Gari sich daran gesetzt hatte, eine Stelle meines hinteren Beins zu kühlen. Offenbar hatte sie eine neue Stelle zum Versorgen gefunden. „Hier hast du dir einen blauen Fleck geholt … ich dachte zuerst, es wäre eine natürliche Farbstelle, aber das ist wohl nicht der Fall“, war ihr einziger Kommentar dazu. Dann setzte sie ihre Untersuchung fort.   „Nun, deine Frage kann ich ganz leicht beantworten. Ich war … unterwegs, auf einer Mission für Mutter Luna. Nichts besonders, ich konnte nur den anderen nicht genau sagen, wann ich wieder zurückkommen werde. Da ich es selbst nicht wusste. Die anderen haben wohl noch nicht mit meiner Rückkehr gerechnet und mich deshalb vergessen. Besonders die jüngeren Fohlen handeln recht kopflos, daher wundert es mich nicht. Sie meinen es nicht böse, aber sie haben ihren Kopf noch viel zu tief in den Wolken, um an die wirklich wichtigen Dinge zu denken. Wie deine Untersuchung.“ „Verstehe.“ Ja, das ergibt schon Sinn. Denn dann hätten die Kleinen bestimmt gesagt, dass wir auf … Gari warten sollen. Oder? Wären sie trotzdem rausgelaufen? Ich frage mich, wie sehr man kleine Fohlen mit Kleinkindern vergleichen kann. Ob sie viel miteinander teilen? „Du wirst uns vermutlich nicht kennen … zumindest kann ich keine feindlichen Absichten erkennen. Wenn du sie nicht gerade sehr gut versteckst. Wenn das mit der Amnesie nicht nur eine Lüge war.“ Erneut stieg die Nervosität in mir. Wie schaffte das kleine Fohlen das nur? Doch sie begann nur zu kichern. „Keine Angst, ich möchte dir nichts unterstellen. Für den Moment jedenfalls nicht. Es ist nur so, da ich die Älteste und Klügste hier bin, gehört es zu meinen Aufgaben, auf die anderen Acht zu geben, wenn Mutter Luna nicht hier ist. Hast du zumindest schon einmal von uns gehört, uns, den Kindern der Nacht?“ Ich hatte zwar eine rege Ahnung, aber so richtig konnte ich mich nicht erinnern. War da nicht irgendwas mit ‘nem Video auf YouTube? Gut, das kann ich ja schlecht sagen. Also beschloss ich stumm den Kopf zu schütteln. „Das ist auch kein Wunder, die allerwenigsten können etwas mit diesem Namen anfangen. Ich werde dir die Kurzfassung erzählen, damit du dich nicht ganz so verloren fühlst. Wir sind die Kinder der Nacht, genau genommen eine Nachfolgegeneration der ersten Kinder. Kannst du dich noch an die Geschichte von Nightmare Moon erinnern?“ Das konnte ich natürlich, verfolgte ich die Serie doch schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Ich wog ab und entschied mich dann, dass ich wenigstens irgendeine Erinnerung haben sollte. Irgendwie. Wenn ich jetzt nein sagen würde, das wäre selbst für mich zu unglaubwürdig. „Ein wenig“, flunkerte ich. „Ich glaube, die beiden Schwestern waren im Streit und Prinzessin Luna hatte sich in Nightmare Moon verwandelt. Daraufhin wurde sie von ihrer Schwester in den Mond verbannt oder so … aber den Rest weiß ich leider nicht mehr.“ „Zurückliegende Erinnerungen scheinen also noch vorhanden zu sein. Gut, das grenzt die Lücke deiner Erinnerungen ein wenig mehr ein. Um die Geschichte zu beenden, Nightmare Moon konnte nach 1000 Jahren aus dem Mond entkommen. Prinzessin Twilight und ihre Freunde waren in der Lage, die Finsternis aus Mutter Luna zu vertreiben. Weißt du auch noch, warum die beiden Schwestern überhaupt erst ihren Streit begonnen hatten?“ Angestrengt begann ich nachzudenken, doch dieses Mal tat ich ahnungslos. „Mutter Luna war traurig über die Tatsache, dass fast alle Ponys nur den Tag erlebten und die Nacht im Bett verbrachten. Sie hatte sogar vorgeschlagen, dass es für die wenigen Ponys, die die Nacht lieber mochten, in einer eigenen Kolonie leben können. Dabei wollte sie nur nicht mehr einsam sein. Kurze Zeit später hatte sie sich leider verwandelt … aber die wenigen Ponys, die sich als die Kinder der Nacht bezeichnet hatten, sind noch immer auf ihrer Seite und lieben die Nacht nach wie vor. Bitte verstehe mich nicht falsch, natürlich achten und lieben wir auch den Tag oder die anderen Prinzessinnen. Aber unsere unendliche Liebe und Treue gehört allein Mutter Luna. Hier treffen wir uns oft mit ihr. Leider kann sie uns nicht jede Nacht besuchen, denn sie wacht auch über die Träume der Schlafenden. Noch immer halten wir uns im Dunklen, allerdings in anderen Höhlen als in dieser auf und ich hoffe, du hast Verständnis dafür, dass ich hier nicht weiter erzählen werde.“ Ich schwieg, hatte viel zu gebannt Garis Erzählung gelauscht. Diese verstand es als eine wortlose Zustimmung und fuhr fort. „Wir befinden uns zwar auf einem anderen Kontinent, aber bekommen doch ein paar Informationen, was in Equestria gerade vor sich geht. Zumindest, was die wirklich wichtigen Dinge, wie Prinzessins Twilights Krönung oder die Heirat zwischen Prinzessin Mi Amore Cadenza und Shining Armor betrifft. Daher haben wir eine ungefähre Ahnung davon, was sich auf dem ehemaligen Heimatkontinent so alles abspielt. Vermutlich kommst du von einem der anderen Kontinente, die wir nicht auf dem Schirm haben. Zumindest ist mir nichts von einem fünften Alicorn bisher bekannt. Du bist mir bisher noch nicht bekannt.“   Die restliche Untersuchung  lang ging jede von uns beiden ihren eigenen Gedanken nach. Woran Gari dachte, konnte ich beim besten Willen nicht sagen, was aber auch daran lag, dass ich ihr Gesicht nur sehr selten sah. Nicht, dass es mir viel über ihre Gedankengänge gesagt hätte. Also ließ ich mich in meine eigenen fallen. Dann fasse ich mal zusammen, was ich alles weiß. Twilight ist eine Prinzessin, also bin ich in Staffel vier oder später. Die Hochzeit war definitiv davor. Leider hat sie nichts von Tirek, Starlight Glimmer oder anderen Ereignissen erzählt. Gut, ich weiß jetzt nicht, wie stark die Ereignisse rund um Starlight bekannt gegeben wurden. Wenn ich Glück habe, bin ich soweit in der Timeline von MLP, dass Discord vollständig reformiert wurde. Dann könnte er mir zurück in meine Dimension helfen. Immerhin kann er sie ja ganz einfach aufmachen. Aber so schnell wird es nichts. Erstmal muss ich es rüber nach Equestria schaffen. Und dann sehe ich weiter. Obwohl es schon echt cool wäre, Fluttershy und Pinkie Pie zu treffen. Oder all die Main Six. Je nachdem, wie weit die Timeline ist, treffe ich bestimmt auch Starlight Glimmer. Erstmal eins nach dem anderen. Nur nicht auffallen oder verdächtiges tun. Gari vertraut mir, aber wer weiß, wie lange und wie sehr? Hilfe, ich klinge ja fast schon wie eine Verbrecherin!   „Mystery, ihr hattet vorhin ziemlich viel Glück, dass ihr euch noch nicht auf den Weg gemacht habt. Die Gegend hier ist sehr gefährlich, besonders nachts. Ich möchte nur nicht, dass sich meine Freunde unnötig in Gefahr begeben. Es wäre sehr schwer für euch geworden, nach Equestria zu kommen. Du hast offensichtlich die Kontrolle über dein Gleichgewicht verloren, bei deinem Unfall wurde bestimmt in deinem Gehörgang etwas beschädigt. Da wirst du deine Flügel erst recht noch nicht beherrschen können. Zumal Prinzessin Twilight sich im Moment nicht im Schloss befindet.“ Hier wurde ich hellhörig. „Wie meinst du das, dass Prinzessin Twilight nicht im Schloss ist? Ist sie denn überhaupt in Ponyville oder woanders?“ Ob sie wohl wieder einem Freundschaftsproblem nachgeht? „Ich weiß nichts Näheres, aber laut Mutter Luna reist Prinzessin Twilight in Equestria umher, wegen  einer Mission. Welche, wollte mir Mutter Luna leider nicht verraten. Eine Entscheidung, die ich natürlich akzeptiere. Vermutlich ist es eine geheime Mission, immerhin ist eine Prinzessin darin involviert. Ob sie nun von ihrer Aufgabe bereits zurückgekehrt ist oder wo sie sich im Moment befindet, kann ich also leider nicht sagen.“ Seufzend ließ ich meinen Kopf zurück auf das Bett sinken. Die ganze Zeit über hatte ich mir schon gedacht, dass es nicht einfach werden würde. Doch wie immer war es nicht gerade schön, mit der Realität konfrontiert zu werden. Mit der Tatsache, dass man mit seiner Vermutung am Ende richtig lag. „Wenn du möchtest, kannst du in dieser Zeit unser Gast sein, ich würde dich gerne einladen. Jemand muss sich um deine Verwundung und auch um dein verschwundenes Gedächtnis kümmern. Selbst wenn du es nicht verloren hättest, diese Gegend hier nicht gerade sicher. Für ein fremdes Pony ist das hier alles kein Zuckerschlecken, auch haben wir mit dem nicht gerade unproblematischen Nachbarland zu kämpfen. Ohne Magie bist du da verloren oder hast es noch schwerer als wir es bereits haben. Wir könnten dir helfen, deine Erinnerungen wiederzufinden und auch ein wenig Magie beibringen. Vielleicht hilft ja das eine bei dem anderen Problem. Und die Kleinen scheinen dich schon in ihr Herz geschlossen zu haben … es würde sie freuen, wenn du noch ein wenig bleiben würdest. In der Zwischenzeit kann ich ja eine Nachricht nach Equestria verfassen, möglicherweise kann sich jemand an dich erinnern und kann dich dann nach Hause zurückbringen. Es ist natürlich dir überlassen, denn trotz deiner Größe bist du wohl schon ein ausgewachsenes Alicorn. Ich will nur, dass du weißt, dass du, solange du hier bist, unsere Gastfreundschaft genießen kannst. Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich betrachte dich nicht als Freundin oder derartiges. Ich will nur nicht, dass die Kleinen da draußen herumrennen. Sie würden viel mehr Schwierigkeiten machen, als dass sie eine Hilfe wären und sie wären nicht viel mehr als Lebendfutter. Die Welt außerhalb unserer Höhlen, sie kennen sie nicht und so schnell wird es sich auch nicht ändern. Zumindest nicht, bis sie alt genug dafür sind. Bis wir sie dafür vorbereitet haben.“ Wieder schwieg sie für ein paar Sekunden, als müsste sie sich ihre nächsten Worte erst genau überlegen. „Mutter Luna würde es sicherlich nicht gerne sehen, dass wir einen verletzten Gast einfach hinauswerfen. Das ist alles und mehr musst du auch nicht wissen.“   Verwirrt darüber, ob sie mich nun mochte, hasste oder mir einfach nur misstraute, weil ich von außerhalb war, dachte ich über ihre Worte nach. Meine Ungeduld sagte, ich sollte spätestens bei Tagesanbruch hinausgehen, die Welt entdecken und meinen Weg nach Equestria finden. Zwar war mein Orientierungssinn nicht der Beste, aber ich würde schon zurechtfinden. Immerhin konnte ich das ja auch vor dem Zeitalter der Smartphones und es gibt immer irgendwen, den man fragen konnte. Erst jetzt fiel mir auf, dass mein Rucksack nicht mit mir gekommen war. Wow, das sieht jetzt bestimmt noch mehr wie ein Verbrechen aus, nur mein Rucksack, der da vor dem merkwürdigen Spiegel liegt. Wie lange es wohl dauert, bis man nach mir sucht? Wie lange werden sie wohl brauchen, bis sie meinen Rucksack finden? Welche Schlussfolgerungen werden sie wohl ziehen? Arme Mama, ihre Nerven werden das wohl nicht mitmachen … Aufkommende Tränen unterdrückend, versuchte ich mich wieder mehr auf mich und meine aktuelle Situation zu konzentrieren. Vermutlich wäre es wirklich vernünftiger, wenn ich hier bleiben würde, auch wenn ich am Ende nur geduldet bin. Und Magietraining könnte mir tatsächlich nicht schaden. Bestimmt wollen sie mir dann auch das Fliegen beibringen … oi, das kann ja was werden. Viel lieber würde ich mich bis morgen ausruhen und dann gehen. Aber das andere ist vernünftiger … argh, die Kopfschmerzen machen es mir nicht gerade einfach. Wieso fühlen sich vernünftige Entscheidungen immer so doof an? Es hilft nichts, auch wenn es mir nicht wirklich gefällt.   Eine Antwort abwartend, sah Gari mich an, was mir erst jetzt so richtig auffiel. Ich versuchte mich aufzurichten, was mir zum Glück problemlos gelang. „Danke für dein Angebot und keine Angst, ich habe es schon richtig verstanden. Du hast einfach nur Angst um deine Freunde, mir würde es genauso gehen, wenn ich an deiner Stelle wäre … jedenfalls nehme ich es an, will aber nicht zu lange bleiben. Nur, bis es mir besser geht oder jemand aus Equestria kommt und mich abholt. Das klingt doch gut, oder nicht?“ Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich wohl nur rund zwei oder höchstens drei Wochen hier verbringen werde, stimmte ich dem Angebot zu. Vernünftig zu handeln fühlt sich echt nicht immer gut an. Ein Lächeln stahl sich auf Garis Gesicht, aber ich konnte nicht wirklich deuten, ob es nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Aus einer Schublade zog sie einen Verband und wickelte ihn um meine Augen. „Gut, dann ist es entschieden. Allerdings kann ich dich hier nicht lassen, nein. Ich werde dich in Midnights Unterkunft führen. Für den Moment brauchst du nicht zu wissen, wo das liegt. Das wirst du noch früh genug erfahren, aber jetzt noch nicht. Nimm meinen Huf, ich werde auf dich aufpassen, keine Angst. Ich werde dich nicht stolpern oder gegen irgendein Hindernis laufen lassen.“ Teilweise beruhigt, versuchte ich ihren Huf zu finden, was mit verbundenen Augen nicht so einfach war. Schließlich verließen wir das kleine Krankenzimmer wieder und ich hatte keine Vorstellung davon, was mich erwarten würde. Ich konnte nur hoffen, dass mein Aufenthalt hier so angenehm wie möglich werden würde.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)