My little Pony-venture! von KiraNear ================================================================================ Kapitel 3: Ponymäßiges Sleepover -------------------------------- Langsam folgte ich Gari durch die verwinkelten Gänge, auch wenn sie gut beleuchtet waren und ich sie kaum aus den Augen ließ, kam ich mir ein wenig verloren vor. Wie immer, wenn ich in einer fremden Situation war. Wie immer wünschte ich mir, ich könnte das Ganze nochmal starten, es fühlte sich einfach nicht richtig an. Doch im echten Leben, sei es nun in meiner Welt oder auch in der Welt der Ponys, gibt es keine Speicherfunktion, keinen Soft-Reset oder derartiges. Ich habe auch nicht mehrere Leben. Trotzdem bekam ich das Bedürfnis, auf die Pausetaste zu drücken. Als wäre ich ein Schauspieler, der mal eben eine Drehpause benötigt, um nochmal kurz den Text zu überfliegen. Auch wollte ich wissen, ob die Entscheidung, die ich getroffen habe, richtig war. Vieles ist am Ende harmloser und ruhiger, als ich es am Anfang vermutete. Sei es nun in der Jobsuche, im Gespräch mit anderen Leuten oder auch die unregelmäßigen Raids, an denen ich teilgenommen hatte. Zuhause, in meiner eigenen Welt. Wie viel Zeit wohl bereits vergangen ist? Ob die Zeit schneller oder langsamer läuft als hier? Ich hoffe doch, es ist wie in vielen Filmen und die Zeit verläuft gar nicht oder langsamer. Ich will nicht jünger als er sein … nicht deutlich jünger. Schnell schüttelte ich meinen Kopf, versuchte mich auf die Situation hier zu konzentrieren, doch wie immer fiel es mir nicht gerade leicht. Ich wusste, dass ich ihn noch nicht komplett vermisste, aber früher oder später würde das Gefühl kommen. Und genau davor fürchtete ich mich. Ich versuchte mit aller Kraft, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber mein Kopf blieb stur. Oder mein Herz, ich konnte nicht genau sagen, wer hier gerade wieder mal mehr das Sagen hatte. Erst als wir unser Ziel erreicht hatten, gelang es meinen Gedanken in andere Wege zu driften. Mittlerweile hatten wir Garis Schlafzimmer erreicht, wobei man das eher als Wohnbereich bezeichnen konnte. Eine kleine Höhle, mit mehreren offenen Türen und einer gemütlichen Atmosphäre. Selbst hier war das Licht sehr hell für die Höhlenbedürfnisse, ich wurde das Gefühl nicht los, dass besonders in den Wohngebieten der Ponys stark mit Magie nachgeholfen wurde. Was sie wohl in der Nacht machen? Die können die kleinen Flammen ja schlecht ausmachen … oder? Naja, das wird mir Midnight wohl erklären. Sie hat bestimmt nichts dagegen, wenn sie ein wenig befrage.   Während ich mich noch staunend umsah und immer mehr das Gefühl hatte, in einer fremden Ponywohnung zu stehen, kam Midnight mit einem großen Grinsen und einer Teekanne auf dem Huf auf uns zu. Sie hatte sich wohl gerade einen frischen Tee zubereitet, neugierig hielt ich meine Nüstern hoch und schnupperte. Genauer gesagt versuchte ich es, denn auch hier in diesem Ponykörper war meine Nase nicht gerade der aktivste Riechkolben unter der Sonne. Frustriert schob ich meinen Kopf in den Nacken und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Gastgeber. In der Hoffnung, dass ich in den wenigen Sekunden nichts verpasst hatte. „… ja, ich denke, sie dürfte mittlerweile stabil sein. Es wäre trotzdem gut, wenn du noch das eine oder andere Auge auf sie werfen könntest. Und wenn etwas in der Nacht sein sollte, wenn sie Schmerzen habt oder sich wieder an irgendwas erinnern kann, dann möchte ich umgehend darüber unterrichtet werden.“ Erleichtert atmete ich auf, sie haben also nur über meinen Gesundheitszustand geredet. Dass sie sich so um mich sorgen, machte mich ein wenig verlegen. Gleichzeitig kam ich mir vor, als wäre ich wieder fünf Jahre alt und sie würden über mich reden, als würde ich mit 39 Grad Fieber im Bett liegen. Unwohl rieb ich mir am Hinterkopf, wie immer fühlte ich mich ein wenig schuldig, auch wenn ich normalerweise wusste, dass ich das nicht müsste. Doch dieses Mal war es anders. Ich hatte eine Amnesie vorgetäuscht und auch wenn ich um die medizinische Versorgung dankbar bin, so bereute ich es nun langsam, dass ich ihnen diese Lüge aufgetischt hatte. Auf der anderen Seite hatte ich nicht gerade viel Handlungsspielraum. Und je mehr ich mich wieder erinnern würde, desto weniger müsste ich dieses Theater mitspielen. Mir musste so schnell wie möglich etwas einfallen – auch, wenn es mir im Moment sehr schwer fiel.   Während ich meinen sorgenvollen Gedanken nachgehangen war, hat Gari zusammen mit Midnight die Situation besprochen. Wie von Gari erwartet war Midnight von der Idee, dass ich ihre Mitbewohnerin werden würde, richtig begeistert. Dass ich nur eine Mitbewohnerin auf Zeit und nicht permanent hierbleiben würde, diesen Fakt übersah sie dagegen großzügig. Dennoch sagte ich nichts, zum einen, weil ich sie nicht verletzen wollte. Zum anderen war ich dankbar für einen Ort zum Schlafen und Zurückziehen. Dass ich dann allerdings nicht wusste, was ich in der Zeit machen sollte, wurde mir erst jetzt so richtig bewusst. Zwar hatte ich ein Buch dabei, allerdings wäre auch das irgendwann ausgelesen. Ob ich es gegen ein Buch von hier tauschen könnte? Ob sie hier überhaupt Bücher haben? Doch ich konnte mich nicht umsehen, da bereits Midnight mit einem großen, wenn auch freundlichen Lächeln auf mich zukam. „Sag mal, Mystery, hast du heute schon etwas gegessen?“ Ich überlegte kurz, meine letzte Mahlzeit war tatsächlich länger her. Welche aus zwei Wurstbroten zur Mittagszeit bestanden hatte, zusammen mit frisch abgekühltem Tee und einem kleinen Apfel aus der Kantine. Das meiste davon erzählte ich ihr auch und das Lächeln auf ihren Lippen vergrößerte sich. „Dann wird es dich freuen, dass ich dich und Gari zum Essen einladen möchte. Um ehrlich zu sein, habe ich bereits mit den meisten Vorbereitungen angefangen, während Gari dich untersucht hat.“ Mit rot schimmernden Wangen sah sie kurz zur Seite, bevor sie sich wieder mir zuwandte. „Ich bin zwar noch klein, aber ich kann bereits ziemlich gut kochen. Das können dir die anderen bestätigen!“ Zwar fragte ich mich, was genau dieses Pony mir auftischen würde, wollte aber weder unhöflich noch ablehnend sein und so nahm ich die Einladung des kleinen Ponys an. Abwartend wandte sich Midnight nun Gari zu, die abwechselnd zu uns beiden herübersah. Ganz so, als würde sie sich in diesem Moment ihre Worte zurecht legen wollen. „Nun, Midnight, ich finde deine Einladung ziemlich nett von dir, aber auf mich warten noch ein paar Aufgaben, die ich machen muss, bevor Mutter Luna zu uns kommt …“ Ihre Worte begannen zu stocken, kaum sah sie das jüngere Pony mit glitzernden Augen an. Es fiel Gari nicht besonders leicht, ihren Blick wieder davon abzuwenden. „Bitte, Gari, Mama Luna wird es bestimmt verstehen, wenn du erst hier was isst und dann die Papiersachen machst. Du warst heute sehr lange unterwegs und hast bestimmt auch Hunger. Du musst doch auch was essen, nicht nur die Getreideriegel, die du immer mitnimmst, wenn du unsere Höhle verlässt.“ Gari errötete leicht, sie wusste, die Kleine hatte sie ertappt. In der Tat hatte sie während ihres gesamter Zeit außerhalb der Höhle nur zweieinhalb Getreideriegel gegessen und den Hunger für die meiste Zeit ignoriert. Noch immer wog sie zwischen den beiden Möglichkeit ab, dann begann sie zu seufzen. „Alles klar, du hast gewonnen – ich bleibe zum Essen. Danach werde ich aber sofort gehen müssen, die Papierarbeit wird deswegen nicht weniger und ich möchte mich auch nicht allzu spät ins Bett legen.“   Midnights Augen begannen zu leuchten, so sehr freute sie sich über unsere Gesellschaft beim Essen. Ob sie wohl sonst alleine isst?  Plötzlich musste ich an unsere Essensgewohnheiten denken und auch, wie viele wir damals einfach aufgegeben hatten. Ein gemeinsames, regelmäßiges Mittagessen habe ich nie gekannt und daher auch nie vermisst. Es gab zwar mal Abende, an denen wir zusammen Brotzeit gemacht haben, aber die Zeiten sind auch schon seit über zehn Jahren vorbei. Doch wenn ich so darüber nachdachte, fehlte es mir nicht wirklich. Viel lieber esse ich alleine oder mit anderen vor dem Bildschirm. Oder ich unterhalte mich mit ihnen. Ansonsten kann ich es nicht leiden, beim Essen zu sprechen – zumindest, wenn ich die Leute nicht kannte. Auch wenn die meisten Personen, mit denen ich bisher essen waren, extrovertiert waren, musste ich mir wenigstens keine typischen Sprüche à la, ‚Jetzt sag doch auch mal was! ‘ anhören, wofür ich dankbar war. Doch hier, hier würden sie mich befragen. Würden von mir Fragen und Antworten verlangen, die ich ihnen geben musste. Schon jetzt wusste ich, dass es mir schwerfallen würde, aber da musste ich wohl durch. Ob ich es wollte oder nicht.   Nachdem wir ihr geholfen hatten, den Tisch zu decken und für jeden Getränke (Frisch gebrühten Früchtetee) zur Verfügung zu stellen, begann Midnight aufzutischen. Eine Schüssel, gefüllt mit Salat und sämtlichen Gemüsesorten blickte mir entgegen. Und da es etwas war, was ich auch in meiner eigenen Welt gerne aß, war ich darauf ziemlich neugierig. Zu meiner Überraschung hatte sie sich zu einer leichten Kost entschieden. Wenn sie wüsste, womit ich bei meinem ersten Essen als Pony gerechnet hatte, würde sie meine Erleichterung anders interpretieren. Erneut errötete sie. „Natürlich ist das kein Meisterwerk, aber den anderen schmeckt es auch bisher immer recht gut, wenn ich für sie koche.“ Gari begann den Kopf zu schütteln. „Und ich sage dir immer, du sollst aufhören, dein Licht unter den Scheffel zu stellen. Du kochst fantastisch, sogar besser als ich. Ich bin mir sicher, wenn du fleißig weiter übst, wirst du eines Tages viel erreichen. Sogar Mutter Luna lobt dich und deine Kochkunst.  Vielleicht bekommst du sogar ein Koch-Cutie Mark, wer weiß? Lass dich doch einfach auf dein Talent ein, selbst, wenn es später ein anderes sein wird. Schämen musst du dich für dein Können trotzdem nicht.“ Sie sah zuerst zu ihrem eigenen Cutie Mark, eine altmodische Kerze mit einer kleinen Flamme, zusammen mit einer Lupe. Meine Flanke dagegen zierte ein aufgeschlagenes Buch mit einem kleinen, roten Stern auf einer der Seiten.   „Wow, dein Cutie Mark sieht wirklich wunderschön aus“, begann Midnight zu schwärmen, bevor sie an einem übergroßen Salatblatt herumknabberte. Gari dagegen hielt sich zurückhaltend, biss nur hier und da in ein Stückchen Paprika oder Gurke. Und ich? Ich genoss das leckere Abendessen, es schmeckte weitaus weniger lasch, als ich es vermutet hatte. Irgendwie hatte es Midnight geschafft, dem Salat mit ein paar wenigen Kräutern einen fantastischen Geschmack zu verpassen. Ich blickte noch einmal auf mein eigenes Cutie Mark und brachte nur ein schüchternes „Danke“ heraus. Doch damit war es für Midnight nicht getan. Mit großen Augen sah sie mich an und ich konnte ihr von den Lippen ablesen, wie viele Fragen ihr auf der Zunge lagen. Schließlich hielt es die Kleine nicht mehr aus und begann, mich mit ihrer Neugierde zu überschütten. „Duhu, Mystery, kannst du dich noch daran erinnern, wofür du dieses Cutie Mark bekommen hast? Oder kannst du dich mittlerweile an etwas anderes erinnern? Sag schon, sag schon, geht es dir und deinem Gedächtnis nun besser?“ Gerührt strich Gari dem jungen Pony über den Kopf. „Nun aber mal langsam mit den jungen Ponys, Midnight. So eine Verletzung heilt nicht innerhalb weniger Stunden und bis man sein verlorenes Gedächtnis findet, nun, das dauert seine Zeit. Mystery braucht diese Zeit, gib sie ihr. Sie wird sich vermutlich nicht sofort erinnern, das kommt wohl eher Stück für Stück.“, sagte sie, blickte aber nicht weniger neugierig in meine Richtung. Doch auch etwas anderes lag in ihren Augen und gab mir das Gefühl, als wüsste sie, dass das alles nur eine große Lüge war. Weiß sie es etwa? Kann man es mir im Gesicht ablesen? Wird sie mich irgendwann an die Wand stellen? Ich hoffe nicht, denn dann wüsste ich nicht, was ich sagen soll. Die Wahrheit würde mir doch niemand glauben. Naja, vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, dass sie etwas ahnen könnte. Sie ist nicht Pinkie Pie, die würde auf solche Ideen kommen. War ja beim ersten Equestria Girl Film genau das Gleiche, da hat sie auch gewusst oder erraten, dass Twilight eigentlich eine Ponyprinzessin aus einer anderen Welt ist … oi, wenn ich sie treffe, dann muss ich wohl echt gut aufpassen. Auf der anderen Seite komme ich dann aber wohl leichter nach Hause … Vorsichtig überlegte ich, was ich ihnen sagen könnte und was nicht. Dass ich mir dafür ein paar Minuten Zeit ließ, wurde dagegen nicht negativ von ihnen bewertet.  Oft genug guckten mich die Leute an und ihre Blicke wirkten immer aufdringlicher, je länger ich schwieg. Etwas, was ich noch nie aushalten konnte. Besonders dann werde ich noch nervöser und rede auch genauso. Doch hier spürte ich, dass sie Verständnis für meine Situation hatten, auch wenn es die falsche war.   „Nun ja, ich lese gerne Geschichten, seit ich ein kleines Fohlen bin. Deswegen habe ich in meinem Rucksack auch ein Buch dabei, ohne gehe ich gar nicht aus dem Haus“, dabei deutete ich auf den kleinen Rucksack neben mir. „Und ich kann mich erinnern, dass ich auch selbst gerne Geschichten schreibe. Vermutlich hängt es mit einem von beiden Dingen zusammen. Vielleicht kommt es ja auch von beidem. Immerhin ist es ein Buch, also muss es ja mindestens eines von beidem sein, nehme ich an. Oder?“, sagte ich fragend in die Runde, doch auch die beiden wussten keine andere Alternative. „Alles, an das ich mich noch erinnern kann, ist die angebliche Rückkehr von Nightmare Moon und dass sie von einer Gruppe von Ponys gestoppt wurde. Es war überall dunkel und irgendwer sagte mir panisch, dass es jetzt für immer Nacht sein würde. Aber nach ein paar Stunden war es dann wieder ganz normal, nur, dass die Sonne viel später aufging als sonst. Mehr weiß ich leider nicht“, sagte ich und rieb mir ein wenig die Stirn. Da ich die erste Staffel vor ein paar Jahren erst vor ein paar Jahren, auf einer DVD-Box aus den USA gesehen hatte, waren meine Erinnerungen nicht mehr ganz so frisch, was mir ein tatsächliches Zwicken in der Stirn verursachte. Wenigstens fasse ich mir mal nicht grundlos an die Stirn. Nur, dass ich keine Finger habe, daran werde ich mich noch gewöhnen müssen. „Das ist schon in Ordnung. Verlang nicht zu viel von dir, wer weiß, welchen bleibenden Schaden du sonst davonträgst. Am Ende versuchst du zu viel und kannst dich dann an gar nichts mehr erinnern. Ich kann dir nur den gleichen Rat geben wie Midnight: Warte. Die Zeit wird dir die Erinnerung zurückbringen, du musst nur geduldig sein.“ Gari verschlang die letzten Salatblätter auf ihrem Teller, wischte sich höflich ihren Mund ab und entfernte sich in die Richtung des Ausgangs. „Keine Angst, ich werde jemanden in Equestria über dich und die Gesamtsituation informieren, es wird also alles wieder gut werden.“ „Gari, Gari! Wird es wieder mit DEM Buch sein? Sag schon?“, fragte Midnight aufgeregt und ich konnte Gari für einen kurzen Augenblick ansehen, dass sie nicht gerade glücklich über Midnights Frage war. So, als hätte sie gerade Firmeninterna angesprochen. Oder eine Überraschung ausgeplaudert. Gari seufzte. „Ja, Midnight, es wird mit DEM Buch passieren.“ Sie lächelte uns für einen kurzen Moment an, bevor sie sich umdrehte und in den Höhlengang verschwand. Unsicher überlegte ich mir, wie ich ihr Lächeln deuten sollte, ob es wirklich ein freundliches war oder eins von der wissenden Sorte.   „Hach, das ist so aufregend. Natürlich benutzt sie DAS Buch, alles andere wäre ja viel zu langsam!“, sagte Midnight und sprang aufgeregt im Zimmer herum. Unwohl beobachtete ich das kleine Pony dabei, wie es den „Insider“ immer wieder und wieder vor mir erwähnte. Ich räusperte mich ein wenig. „Midnight … ich denke, Gari wäre es lieber, wenn du eure Geheimnisse nicht gleich jedem erzählen würdest. Sie sah nicht gerade sehr glücklich aus, als du dieses Buch erwähnt hast, welches das auch immer ist. Keine Angst, ich werde auch keine Fragen dazu stellen.“ Vermutlich ist es das gleiche Buch, mit dem Twilight und Sunset miteinander kommunizieren … naja, das werde ich bestimmt noch herausfinden. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. „Aber warum denn, das verstehe ich nicht!“, sagte Midnight verwirrt. Sie tat mir leid, wie sie da so vor mir saß und mich mit großen Augen ansah. „Nun ja…“, begann ich zu erklären. „Ich bin immer noch eine Fremde und jede Gruppe hat irgendwelche Geheimnisse, die man nicht jedem sofort erzählen darf. Immerhin weiß man nicht, welche Absicht fremde Ponys haben und am Ende könnte es sogar sehr gefährlich sein.“ „Ach was“, sagte Midnight und holte sich eine weitere Portion auf ihren Teller. „Du bist doch überhaupt nicht gefährlich, du bist ganz ganz lieb.“ Ich errötete: „Danke, das … ist nett von dir.“ Mag sein, dass ich lieb bin, aber unehrlich bin ich trotzdem zu allen von euch. So lieb bin ich am Ende dann wohl doch nicht. Aber die Wahrheit kann ich ihnen ja schlecht sagen. Hey, ich bin eigentlich ein Mensch aus einer anderen Welt … haha, als ob ich das einfach so bringen könnte. Ich versuchte, Midnight mit einem liebevollen Blick anzusehen, um ihr zu signalisieren, dass ich nicht böse auf sie wäre. Zwar wusste ich nicht, ob mir das gelang, aber Midnight sah schon wieder etwas fröhlicher aus. Auf eine kurze Nachfrage hin gab sie mir ebenfalls eine weitere Portion, wofür ich ihr dankbar war. „Sag mal“, versuchte ich das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, da ich ja nun wusste, dass Midnight wohl gerne plauderte. „Wie ist eigentlich die Welt außerhalb dieser Höhle? Ich habe noch nie davon gehört und auch die Gegend, die ich bisher so sehen konnte vom Eingang aus, sagt mir nichts. Entweder habe ich sie noch nie gesehen oder ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“ Midnight sah mich blinzelnderweise an, dann vergrößerte sich ihr Grinsen, nur um Sekunden später wieder kleiner zu werden. Ich konnte ihr ansehen, dass die Wörter aus ihr heraussprudeln wollten, doch irgendetwas hielt sie wohl zurück. „Leider weiß ich nicht sehr viel über die Welt dort draußen. Die meiste Zeit habe ich hier drinnen verbracht. Weißt du, ich war als kleines Fohlen sehr oft krank und bin sehr oft im Bett gelegen. Daher kann ich dir nicht viel erzählen …“ Sie überlegte hin und her, genauso, wie sie ihren Kopf von der einen Schulter zu der anderen warf. Vermutlich sortierte sie in Gedanken ihre Worte in „Kann ihr ihr erzählen“ und „Muss ein Geheimnis bleiben“ ein. Während ich noch weiterhin meinen Salat aß, beobachtete ich ihr kleines Schauspiel. Bis ihr dann sprichwörtlich eine Glühbirne über dem Kopf aufging. „Sag mal, kannst du dich erinnern, was mit dem Mondstein passiert ist, als du dich in unsere Höhle verirrt hast?“ „Dem Mondstein?“, fragte ich und versuchte mich zu erinnern. Ich wusste nur noch, dass neben mir, kaum war ich in dieser Welt gelandet, eine Menge Splitter um mich herum lagen und dass diese recht milchig aussahen. „Nein, leider kann ich mich nicht mehr erinnern, tut mir leid. Der Stein sah bestimmt sehr schön aus.“ Midnight nickte aufgeregt. „Ja, er war wirklich sehr schön. Aber er war auch so sehr wichtig für uns alle. Mama Luna hat uns mal erzählt, dass da drin eine böse Macht versiegelt ist und dass es ein böses … Omon wäre, wenn der Stein zerbrechen würde.“ „Oh, du meinst wohl Omen, oder?“, sagte ich und spürte einen kleinen Kloß im Hals. Jetzt kann ich nur hoffen, dass nichts an der Geschichte dran ist. Schlimm genug, dass ich so einen hübschen Stein irgendwie zerstört habe, jetzt habe ich anscheinend auch noch irgendwas oder irgendwen auf die Welt hier losgelassen. Na ganz klasse. „Ja, genau das meinte ich. Mama Luna, sie hat da eine Macht namens Erebos eingesperrt und gemeint, dass die wohl ganz böse wäre.“ Ja ganz klasse, das hab ich ja echt gut hinbekommen. Obwohl, es war ja keine Absicht, also kann man mir das nicht wirklich anrechnen, oder? Immerhin habe ich das ja nicht mit Absicht gemacht … vielleicht ist es ja noch nicht zu spät und es ist noch nichts entwichen oder so. „Und was ist dieses Erebos genau?“, frage ich vorsichtig nach, kaum hatten wir unser Mahl beendet und das Geschirr abgespült. Müde rieb sich Midnight die kleinen Äuglein. „Tut mir leid, das weiß ich nicht mehr. Irgendwas mit Dunkelheit und Gefahr und Mama Luna, aber mehr weiß ich leider nicht mehr. Gari hat es mir meistens als Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen, als ich kleiner war, daher kann ich mich nicht mehr erinnern. Gari kann gut vorlesen, da bin ich immer schnell eingeschlafen.“ Glaub, das könnte ich jetzt auch gebrauchen. „Aber wenn du willst, können wir Gari morgen fragen, sie wird es dir bestimmt sagen können“, sagte sie und gähnte so herzhaft, dass ich mich gleich ansteckte. „Wir sollten ins Bett gehen, bevor wir hier noch im Sitzen einschlafen und das ist bestimmt nicht bequem“, sagte ich mit einem Zwinkern, während ich mich umsah. Während ich noch überlegte, ob ich zurück zu der Liege gehen sollte, hatte Midnight bereits eine aufblasbare Matratze aus dem Schrank gezaubert. Diese benötigte lediglich einen kleinen Knopfdruck und schon war ein respektables Ersatzbett für mich vorhanden. „Früher, wenn ich krank war, hat Gari auf dieser Matratze geschlafen. Mama Luna hat sie verzaubert, so dass man nur den Knopf drücken muss und schon pustet sie sich auf.“ Genauso flink hatte sie ein Kopfkissen wie auch eine Decke bereit, die sie mir ebenfalls anbot. Dann legte sie sich in ihr eigenes Bett hinein. „Gute Nacht, Mystery, schlaf gut …“, murmelte Midnight, löschte die Lichter mit einem Hufklatschen und war bereits ins Land der Träume getriftet. Ich dagegen lag auf der Matratze und auch wenn sie sehr angenehm und bequem war, drehte ich mich mehrmals hin und her. Da ich schon immer ein Seitenschläfer war, störten mich auch die Flügel nicht sonderlich. War ja klar, dass mich meine Probleme auch in diese Welt hier verfolgen. Ein fremder Ort, eine fremde Situation und schon konnte ich wieder schlechter einschlafen als sonst. Da ich aber keine Kopfhörer bei mir hatte, wie auch keinen Internetempfang, musste ich notgedrungen auf die ASMR-Videos verzichten. Was meiner Laune nicht gerade half. Erst nach einer schier unendlichen Zeit fielen mir erschöpft und genervt die Augen zu.   Wie lange ich am Ende wach herumgelegen und hinterher geschlafen hatte, konnte ich nicht sagen. Noch leicht müde streckte ich mich in alle Richtungen und drehte mich zu Midnight hinüber, nur um festzustellen, dass diese ihr Bett bereits verlassen hatte. Auch jetzt fiel mir das dezente Licht auf, das in diesem Raum leuchtete. Zumindest war der Raum hell genug, dass man ihn verlassen konnte, ohne über seine eigenen Beine zu stolpern. Neugierig klatschte ich meine Hufe zusammen, so, wie es Midnight getan hatte. Das Nachtlicht verschwand und die normalen Lichter aktivierten sich. Rasch verließ ich meine Matratze und suchte die nächstbeste Toilette auf. Nachdem ich das erledigt hatte, legte ich die Schlafsachen zusammen, drückte den Knopf und schon war meine Schlafunterlage wieder ein kleines, stramm gefaltetes Viereck. Schon erstaunlich, wozu Alihorn-Magie in der Lage ist … Noch immer blieb Midnight verschwunden und da ich nicht wusste, ob und wohin ich gehen könnte, beschloss ich mich, auf einen ihrer Stühle zu setzen und zu warten. Ein wenig knurrte mir der Magen, doch meine guten Manieren wie auch meine gute Erziehung sagten mir, dass ich mich nicht einfach an ihrem Kühlschrank bedienen, sondern auf sie warten sollte. Stattdessen sah ich mich um und nahm ihre Inneneinrichtung zum ersten Mal so richtig war. Neben ihrem Bett, dem Bad und der Kücheneinrichtung verzierten ein paar Blätter mit Kinderzeichnungen ihre Wand, die meisten davon bildeten Prinzessin Luna ab. Aber auch Midnight selbst, Gari und ein paar der anderen Ponys konnte ich auf den Zeichnungen entdecken. Das sieht echt süß aus … vielleicht bekommt sie ja ein Künstler Cutiemark? Naja, aber das sage ich ihr lieber nicht, sonst setzt sie sich nur unnötig unter Druck. Wäre aber trotzdem interessant zu sehen, wie sie es bekommt. Hoffentlich ein süßes, das hätte sie echt verdient. Schließlich fiel mein Blick auf ein dünnes, älter aussehendes Regal gefüllt mit Büchern. Die Buchrücken erzählen mir direkt etwas über die Art des Inhalts:  Ein paar wissenschaftliche Bücher, bei denen ich doch arg bezweifelte, dass Midnight sie bereits lesen konnte. Ein paar Bilderbücher und auch mehrere Romane, darunter mehrere Bände von Daring Doo. Cool, ich hab ja auch ein paar daheim. Schade nur, dass ich mich nicht erinnern kann, welche es sind … ich muss die echt mal lesen, wenn ich wieder zuhause bin. Uff, so viele Bücher daheim, die darauf warten, von mir gelesen zu werden … „Oh, du bist bereits wach? Ich habe dich aber nicht geweckt, oder?“, sagte eine zaghafte Stimme hinter mir und ich drehte mich zu ihr um. Midnight sah mich besorgt an. „Nein, nein, ich bin gerade erst wach geworden, ich hab gar nicht mitbekommen, dass du gegangen bist. Musst dir also keine Sorgen machen“, erwiderte ich und Midnight sah bereits wieder viel fröhlicher aus. „Auf jeden Fall hast du viele interessante Bücher, auch von Daring Doo. Ich mein, ich kann mich erinnern, auch welche zu haben, aber ich weiß nicht mehr, welche das ware.“ Was ja nicht mal gelogen ist, die Kiste mit den Büchern hab ich ja schon wieder seit Monaten nicht mehr angefasst. Und in meiner Datenbank sind sie auch noch nicht erfasst, da ich sie noch nicht gelesen habe. Naja, selbst wenn sie drin stehen würden, ich hätte von hier aus sowieso keinen Zugriff darauf. „Die Bücher hat uns alle Mama Luna mitgebracht“, erklärte Midnight, während sie selbst auf das Regal sah. „Die Geschichten und Bilderbücher sind für uns Kleinen, die anderen, schweren Bücher sind für Gari und die anderen Älteren. Jeder von uns hat Bücher in seinem Zimmer stehen und wir lesen sie überall, daher stehen sie jedes Mal woanders, sobald sich jemand eins genommen hat. Das erklärt auch, warum hier so altersunübliche Bücher herumstehen. Bedeutet dass, dass ich Gari oder jemand anderes in ihrem Alter gerne bei Midnight aufhält? Vielleicht ein Bruder oder eine Schwester oder jemand anderes aus ihrer Verwandtschaft? Vielleicht gehören die aber auch Gari selbst und sie hat sie gelesen, während sie auf Midnight aufgepasst hat. „Die schweren Bücher verstehe ich noch nicht, aber ich liebe die Daring Doo Bücher. Hast du sie auch schon gelesen?“ Als ich dann zur Antwort nur den Kopf schüttelte, sah sie mich leicht entsetzt an. „Dann musst du sie auf jeden Fall lesen! Die sind echt super-duper toll!“ Doch statt einem Daring Doo Band zog Midnight eins über das Weltall und seine Wunder heraus. „Gari will immer, dass ich die hier lese, aber das ist noch viel zu schwer für mich. Ich verstehe überhaupt nicht, was da drin steht, obwohl ganz viele Bilder drin sind. Deswegen hat sie immer mehr von denen reingestellt, auch wenn ich ihr bereits gesagt habe, dass ich das gar nicht möchte.“ Oh, verstehe, deswegen stehen die hier. Sind ja auch ein bisschen viel, um zufällig hier ablegt worden zu sein. „Achja!“, entfuhr es Midnight und sie sah so aus, als wäre ihr die ganze Zeit etwas entfallen. „Mystery, du musst sofort mit mir mitkommen! Lesen kannst du später“, sagte sie und begann an mir zu ziehen. „Was ist denn los?“, versuchte ich aus dem kleinen Pony herauszubekommen, doch sie gab mir keine Antwort darauf. Zumindest keine, mit der ich etwas anfangen konnte. „Wir haben Besucher bekommen. Du willst sie bestimmt auch ganz dolle sehen, oder?“, sagte sie und zog weiterhin an mir herum. Besucher?, fragte ich mich in Gedanken, während ich Midnight aus ihrer Unterkunft folgte. Ob das das Pony ist, das Gari mit ihrem Buch angeschrieben hat? Oder jemand anderes? Ist es jemand, den ich kenne? Vielleicht ist es ja Twilight … oder Luna? Oder nur jemand aus der Gegend, der ihnen Obst verkauft? Naja, das werde ich ja gleich sehen, dachte ich mir und trottete hinter Midnight durch die verwinkelten Gänge. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)