Legend of Pirates von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 4: Wir alle tragen die Flamme der Freundschaft in unserer Brust ----------------------------------------------------------------------- ...What should we do with the cursed pirates~?...   ...What should we do with the cursed pirates~?...   ...What should we do with the cursed pirates, captured in the darkness~?...     Leise summten die verwünschten Seelen ihr Lied, welches verzerrt durch die pechschwarzen Gewässer hallte. Die verschleierten Stimmen sangen die klangvolle Melodie, mit der sie ihre neuen Besucher in ihrem verfluchten Reich willkommen hießen. Nichts, als endlose Schwärze tränkte die nebelige Umgebung, in der sich kein Himmel befand.   Tortuga war eine durch Raum und Zeit gerissene Zwischendimension, die eigentlich nicht existieren konnte... nicht durfte. Und dennoch gerieten unsere Helden dorthin, wo es weder Licht, noch Sein gab. Verschlungen von dem Schlund des Nichts, gefangen in der Existenzlosigkeit.   Auf einer einzelnen Planke trieben die drei bewusstlosen Piraten durch das dunkle Meer, welches kein Land weit und breit aufwies. Neben ihnen fuhren unzählige, kleine Boote. Das dunkle Holz der Verkleidung morsch und an vielen Stellen löchrig, sowie splitternd. Eine einzige Person saß in einem der Boote, lediglich eine brennende Kerze befand sich in den anderen. Einzig durch das unkontrollierte Flackern ihres Scheines wurde die kalte Finsternis erhellt.   Der Gesang weiter anhaltend, begannen einige der sich darunter befindlichen Stimmen urplötzlich tuschelnd zu flüstern. Ein heimtückischer Unterton ihr Wispern begleitend, ihre Worte ganz und gar unverständlich. Dies konnte kein gutes Zeichen für das schlafende Trio bedeuten.   Kurz darauf wurde der Chor, mitsamt dem Flüstern leiser, immer weiter abklingend, bis der über das Gewässer schallende Klang vollends verstummte, abgelöst von der drohenden Geräuschlosigkeit. Zeitgleich verzogen sich die friedlich schlummernden Gesichtszüge der drei Helden zu einer geplagten Mimik. Ihre Mundwinkel sich angespannt verziehend, kniffen sie ihre Augen angestrengt zusammen und verstärkten den Griff ihrer Hände um den hölzernen Rand der länglichen Planke. Ihr sechster Sinn warnte die Drei davor, unter keinen Umständen ihren rettenden Halt loszulassen.   Keine Sekunde später begab sich ihr Geist auf unruhige Wanderschaft, fern ab ihrer Leiber im Hier und Jetzt.   Shachi, Heat und Wire wurden, jeder für sich, in einen unklaren Traum hineingezogen, während ihre Körper weiter durch das Gewässer in eine unbestimmte Richtung trieben. Die Frage, ob sie je wieder aufwachten, hing von ihrem Unterbewusstsein ab, welches die träumerischen Bilder zu verarbeiten versuchte. Garantie auf ihr Erwachen gab es nicht, nur die Gewissheit einer endlosen Reise durch ihre Sinne.     Träume sind die Spiegel der Seele, geben Einblicke hinter die Fassade eines Selbst...   Sind sie eine Illusion? Eine Warnung? Oder gar reiner Trug?   Für die Einen sind sie eine Hilfe zu verstehen... Für Andere ein lauerndes Hindernis, welches Angst hervorruft...   Ein Traum kann aus purer Schönheit, vollkommener Sorglosigkeit und erfüllten Wünschen bestehen... Alpträume hingegen, enthalten Abscheulichkeit, Befangenheit und Wehmut...   Ihr beider Bedeutung ist jedoch gleichbleibend ausdrucksstark...       ~*~       Ein zuckersüßes Schlaraffenland mit den farbenprächtigsten Süßigkeiten aller Art erschuf die Fantasie des ersten Schlafenden. Bäume aus Zuckerstangen, Sträucher aus Lutschern und gepflasterte Wege aus Schokoladentafeln zierten die kunterbunte Landschaft. Von den Wolken aus weichem Soufflé hagelten vielfarbige Zuckerperlen auf die Erde hinab. Aus glänzendem, grünen Wackelpudding bestand der Untergrund. Die Luft roch, neben vielartigen Gaumenfreuden, nach einer Mischung aus ofenfrischen Plätzchen und gekochtem Vanillepudding.   Zwischen all den Süßspeisen hüpfte ein einzelner, großer Gummibär fröhlich pfeifend durch die Gegend, während er gut gelaunt: „Ich bin ein Gummibär~“, trällerte. Seine Farbe war ein leuchtendes Orange und auf seiner gelatineartigen Nase trug er eine getönte Brille aus süßem Esspapier. Er lächelte freudestrahlend bei dem Anblick der glitzernden Leckereien, an denen er vorbei hopste.   Mit ausgebreiteten Armen tanzte der Bär über den federnden Boden, durch den Perlenregen und steuerte das größte Bauwerk der ganzen Umgebung an: Ein Schloss aus einer riesigen, mehrstöckigen Sahnetorte, die vereinzelte Erdbeeren und andere Obststücke auf ihrem Haupt zierte.   In der Mitte der Torte saß eine gigantische Marzipanfigur, in Form des Jolly Rogers der Heart-Piraten, der grinsend darauf wartete, von Shachi verspeist zu werden. Bei dem Gedanken daran beschleunigten sich unwillkürlich seine Hüpfer über den Wackelpudding-Pfad, sodass er beinahe zu seinem Bestimmungsort flog. Hin und wieder naschte er dabei von einer der ihn anlächelnden Süßwaren, von allem musste er mindestens zweimal kosten.   Neben ihm huschten einige Mäuse aus Zuckerschaum umher, sowie über die Erde schlängelnde Gummischlangen. In der Nähe hörte man das Rauschen eines Karamellwasserfalles, in welchem einzelne Gummifische stromaufwärts schwammen. Zwischendurch wechselte das Wetter von perlendem Hagel, zu schneienden Zuckerstreuseln und regnender Schokoladenmilch.   Es war der Traum eines jeden Süßigkeiten-vernarrten Gourmets. Shachi fühlte sich in seinem überzuckerten Traumland pudelwohl.   Fragte sich nur, für wie lange...     Mitten auf einer großen Bühne stand der Feuerspucker, vor ihm sein ihm zujubelndes Publikum, welches auf seinen lang ersehnten Auftritt wartete. Die flutenden Scheinwerfer waren einzig und allein auf den Rastaträger gerichtet, während Links und Rechts neben ihm zwei breite Pyro-Flammen aus dem Nichts aufstiegen. Eine einzelne Schweißperle rann Heats Stirn hinab, seine Nähten verzierten Mundwinkel waren zu einem vorfreudigen Grinsen verzogen. Langsam setzten sich seine Beine in Bewegung, immer weiter zum Rand der Tribüne gehend.   Über ihm flogen tanzende, gebratene Wildschweine durch die Luft, denen er kurz einen schmachtenden Blick zuwarf, ehe er seine Augen schweren Herzens wieder auf die aufgeregte Menge vor ihm richtete. Innerlich rang er mit sich, wem er seine Aufmerksamkeit zuerst schenken sollte. Doch fällte sein Magen für ihn die Entscheidung, weswegen er wenigstens einmal herzhaft in eines der saftigen Flugschweine biss. Dann widmete er sich seiner ungeduldigen Fangemeinde.   Das Mikro hielt er fest in seiner geballten Hand, hob dieses triumphierend in die Luft und leckte sich mit der Zunge den letzten Tropfen Bratensoße von seinen Lippen. Noch bevor er mit der Show begann, flogen ihm diverse 'Geschenke', wie Berry, Spirituosen und Unterwäsche um die Ohren, die von seinen Fans in Richtung der Bühne geworfen wurden. Jedoch interessierte ihn das recht wenig, da er es kaum abwarten konnte, mit seinen Feuerkünsten den Leuten eine Darbietung zu geben.   „Rock 'n Roll!“, rief Heat breit grinsend in das Mikrofon und stellte sich in einer lässigen Pose in Position an den Rand der Bühne. Umgeben von Feuersäulen und orange-gelben Lichtern, ließ er seine letzten Worte verlauten, bevor das Mikro locker aus seiner ausgestreckten Hand gen hölzernen Boden fiel. „Ich werd's euch richtig einheizen, Freunde!“   Tief holte er Luft. Keine Sekunde später, als das Gerät geräuschvoll mit dem Holz kollidierte, stieg ein flammender Feuervogel zwischen Heats Lippen empor, seine Flügel bläuliche Flammen tragend. Seine brennenden Flügel breitete das lodernde Tier weit über den Köpfen der Zuschauer aus und flog über die staunenden Gesichter hinweg, Richtung nächtlichem Himmel, um dort seine Runden zu drehen. Gleichzeitig atmete der Feuerspucker erneut ein, ehe ein Flammenross, mitsamt Reiter dem Vogel folgte, die Hufen einzelne Feuerschwaden beim Galoppieren nachziehend.   Heat war der Mittelpunkt von allem und jedem und machte seinem Namen alle Ehre. Nach Herzenslust tobte er sich aus, genoss die Akzeptanz und Anerkennung, welche ihm entgegengebracht wurden, und knabberte ab und zu an einer der fliegenden Fleischkeulen, um sich zu stärken. Kurz gesagt: Ihm ging es prächtig.   Noch...     Laut erklangen die Schritte der nachdrücklichen Absätze auf dem Laufsteg, über den Wire wie eine geübte Grazie stolzierte. Umgeben von unzähligen Spiegeln, in welchen er sich selbst aus dem Augenwinkel bewundern konnte, zierte seine Lippen ein durch und durch von sich selbst überzeugtes Schmunzeln. Doch war er nicht hier um seine anmutige Schönheit zur Schau zur Stellen. Sein Ziel war die schneeweiße Tür mit dem goldenen Stern, welcher ausschließlich für ihn schien.   Mit einem lockeren Stoß öffnete er die Tür, schritt durch sie hindurch und wurde empfangen von einer süßlich duftenden Parfümwolke, sowie zwei Maiden, die sich an je eine seiner Seiten vor ihm verbeugten. Im Beauty-Himmel war der Umhangträger angelandet, einem Spa, in dem ihm all seine Wünsche erfüllt wurden.   Zuerst führten ihn seine Begleitungen zu einem der Massagebänke, auf der seine Muskeln die pure Entspannung genießen konnten. Währenddessen kümmerte sich die zweite Spezialistin um seine Nägel, welchen eine frische Farbe aufgetragen wurde. Wohlig seufzte Wire und schloss dabei seine Augen. Mit seinem Bauch lag er auf der Bank, sein Gesicht durch die hohle Polsterung gesteckt. Die Behandlung war überaus erholsam für seine leicht reizbaren Nerven.   Anschließend begab er sich, ausgeruht und mit neuem Glanz, zum Nebenraum, in dem der Star-Fotograf auf sein Eintreffen wartete. Unter dem Licht der strahlenden Lampe stand der Kid-Pirat vor der blanken Wand, posierte selbstbewusst vor der ihn anvisierenden Kamera und streckte seinen gelenkigen Körper in alle erdenkliche Richtungen.   „Treffe bloß meine Schokoladenseite!“, mahnte er den Fotograf schmunzelnd und wechselte seine Pose, fuhr sich mit beiden Händen durch seine schulterlangen Haare und positionierte einen seiner hohen Stiefel einen Schritt weit nach vorne. „Ich möchte zehn Abzüge von jeder Fotografie haben, in Postergröße und auf güldenem Seidenpapier gedruckt.“   Blitzlicht um Blitzlicht folgte, den Film des Apparates füllend, während das Selbstbewusstsein des Piraten mit jeder geschossenen Aufnahme wuchs. Immer und immer höher stieg sein Ego...   ...Doch je höher man flog, desto tiefer fiel man bekanntlich.     Alle Drei vernahmen sie nun unterbewusst einen Klang in ihren Träumen, welcher die Welt um sie herum veränderte. Mit jeder verstrichenen Sekunde wurde der Ton lauter, während der Wendepunkt zwischen Traum und Alptraum näher rückte. Die Zeit war gekommen, ihnen ihre Unbeschwertheit zu rauben und ihre gläserne Illusion zu zerbrechen.       ~*~       `... ... ♪~´   Wenn die Spieluhr beginnt, ihr Stück zu spielen... Werden Herz und Verstand mit einem Fluch belegt werden.   „You belong to me... / Du gehörst mir...“   `♪~ ♪~ ♪~´   Ihr Lied stimmt langsam an, ihr Rhythmus geruhsam und andachtsvoll... Begleitend von Harmonie und Frieden.   "You will be mine... / Du wirst mein sein..."   `♪~ ♫~ ♪~´   Der zweite Takt beschleunigt sich, wirkt unrhythmisch und beunruhigend... Wie ein ungelöstes Versprechen offenbaren die Noten das eintreffende Schicksal.   "I will come to get you... / Ich werde dich holen kommen..."   `♫~ ♫~ ♫~´   Ihre letzte Strophe jedoch, trägt kraftvolle und drohende Tonfärbungen... Getränkt von Gefährlichkeit und Düsternis.   "I give you my heart... / Ich gebe dir mein Herz..."   `♫~ ... ♪~´   Sobald ihre Melodie erstirbt, wird der Schwur eingelöst... Und drei Piraten werden ihn leisten.   "...But you give me your all. / ...Aber du gibst mir dein Alles.“   `♪~ ... ...´       ~*~       Shachi stand in seiner menschlichen Form vor dem riesigen Bauwerk aus Sahne und Tortenböden, blickte mit großen Augen an diesem hinauf und trug sein größtes Lächeln, welches sich bis über seine freudestrahlenden Wangen zog. Direkt vor ihm befand sich eine Tür aus dickem Lebkuchen, die in das Innere der Torte führte. Seine Aufmerksamkeit vollends auf sein zuckersüßes Ziel gerichtet, bemerkte er nicht, was hinter ihm geschah.   Die Luft, welche einst nach Pudding und Plätzchen roch, hatte einen durch und durch verbrannten Geruch angenommen. Während die Bäume aus Zuckerstangen zerbröckelten und in sich zusammenfielen, schmolz der Schokoladen-Pfad, sowie der See aus Karamell gefror. Am Himmel war nun, statt weichen Wolken, verklebte und verschmorte Teigmasse zu sehen.   Auch das Grinsen des aus Marzipan bestehenden Heart-Piraten Jolly Rogers war verschwunden, seine Mundwinkel nach unten zeigend, was Shachis Augen jedoch verborgen blieb. Für ihn war es noch immer das allerschönste Backwerk, trotz säuerlicher Sahne und vertrocknetem Teig-Boden.   Zuerst klopfte der junge Pirat aus Höflichkeit dreimal gegen die Lebkuchen-Tür, ehe er mit den Schultern zuckte und sie öffnete. Eine Staubwolke aus Puderzucker empfing ihn. Leise hustend schritt er durch sie hindurch und gelangte ins unterste Stockwerk der Konstruktion. Ähnlich einem mehrstöckigen Gebäude besaß die Torte fünf Ebenen, welche darauf wartete, von dem abenteuerlustigen Jungen entdeckt zu werden.   In dem ersten Geschoss befand sich eine Bildergalerie, die Rahmen Links und Rechts die Wände schmückend, während im Raum verteilt unzählige Stofftiere verteilt saßen. Weil es Shachis Traum war, wurden die Fotos und Gemälde von seinen Erinnerungen erschaffen. Auf ihnen konnte er seine Freunde, Familie und all die Landschaften sehen, welche er bisher gesehen hatte. Die Figuren aus Plüsch waren unter anderem Miniatur-Ausgaben seiner liebsten Menschen, sowie an die selbigen angelehnte Tiere, wie ein Pinguin, ein Eisbär und ein Schneeleopard. Auch ein graues Ferkel und eine Fledermaus fanden darunter ihren Platz.   `Sie sind so niedlich!´, dachte Shachi sich strahlend, `Besonders der grimmig guckende Schneeleopard!´   Als der Heart-Pirat sich jedes Kunstwerk eingehendst betrachtet hatte, ging er weiter Richtung der großen Treppe gegenüber der Eingangstür. Freudig lachend rannte er die aus Hartmarzipan bestehenden Stufen hinauf, zu seiner nächsten Erkundungstour. ...Dabei merkte er nicht, dass die Augen der Stoffkörper, sowie die der abgedruckten Bildergesichter ihn verfolgten.   Das zweite Stockwerk war eine große Küchenstube, die Shachi sich schon seit längerem sehnlich wünschte. Jegliches Rezept, welches er über die Jahre kreiert, und aufgeschrieben hatte, flog wie magische Buchstaben willkürlich durch die Räumlichkeit. Etliche Meisterkoch-Auszeichnungen in Form von Pokalen und Schriftstücken befanden sich aufgereiht in einer Vitrine neben den Backöfen und Kochstellen.   Jedoch war Shachis Entdeckerfreude momentan viel zu groß, als dass ihm jetzt der Sinn nach dem Ausleben seines Hobbys stand. Er wollte alles sehen, weswegen er keine Zeit verlor und sich auf den Weg zur nächsten Ebene machte. ...Woraufhin die schriftlichen Auszeichnungen hinter seinem Rücken in kleinen Fetzen loderten, sowie die schimmernden Pokale schmolzen.   Etage Nummer 3 hatte dutzende verpackte Geschenke, die den gesamten Saal füllten. Hinter den buntesten Farben an Papier, versteckte sich alles, was der Heart-Pirat sich je in seinem Leben gewünscht hatte: Kochutensilien, Leckereien und verschiedene, glitzernde Objekte für seine stetig wachsende Sammlung. Wobei ebenso viele der Pakete leer waren... Mit Liebe und Glücksgefühlen befüllt, welche er verspürte, als er die Verpackung dieser aufriss.   Nachdem er sämtliche Kästen, große und kleine, geöffnet hatte, hinterließ er das Chaos aus Geschenkpapier und Einzelteilen aus Kartonagen. ...Welches nach seinem dortigen Verschwinden lichterloh brannte.   In der vorletzten Station, vor dem Höhepunkt des Bauwerks, erwartete ihn... absolut Nichts. Ein leerer Raum, den er nach belieben nach seiner Fantasie dekorieren konnte. Eben diese Herausforderung nahm der schöpferische Pirat nur zu gern an.   Breit lächelnd stand er in dem Torbogen zwischen Treppe und kahler Räumlichkeit, schob die weißen Ärmel seines Anzugs nach oben und streckte seine Arme vor sich aus. Zeitgleich hob er seine Hände, einem führenden Dirigenten gleichend. Seine rechte Hand schwenkend, erschuf er auf der rechten Seite ein Paradies für die abstraktesten Tierarten, wie auch deren Lebensräume aus großflächigen Landschaften, Wasserstellen und Höhlen. Dafür erweiterte sein Unterbewusstsein den Platz, welcher ihm zur Verfügung stand, sodass die Räumlichkeit viel größer wirkte.   Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand malte er nach Herzenslust die prächtigsten Zeichnungen an die Wand. Seine Traumbilder unterschieden sich wesentlich in Form und Farbe von denen der Realität, welche beinahe unkenntliche Musterungen besaßen. Letztlich tobte er sich mit Ton und Gips aus, um den Rest des malerischen, linken Raumabschnittes zu verzieren.   Fertig und zufrieden mit seiner Arbeit, riss der Künstler enthusiastisch seine beiden Arme in die Luft.   „So, und jetzt geht’s auf zum Endspurt!“, rief Shachi zu sich selbst und rannte los, Richtung Endstation seines Traumes, „Ich kann's kaum abwarten, juhu~!“   Während der nichts ahnende Pirat sich seinem Unheil näherte, verschwanden die vier unteren Stockwerke von der Bildfläche. Das Torten-Gebilde fiel langsam, aber sicher in sich zusammen, das gebackene Schloss unter seinen Füßen bebend. Nun fehlte nicht mehr viel, bis Shachis träumerische Fiktion mit einem lauten Knall zerplatzte...     Heat wurde bereits ungewöhnlich oft von Alpträumen heimgesucht. Seine teilweise pessimistische Sichtweise, wie auch die ihn stetig begleitende Furchtsamkeit und Besorgnis gegenüber Schicksalsschlägen trugen die Schuld daran. Er schlief vorwiegend sehr tief und lange, wegen seiner leichten Vergesslichkeit erinnerte er sich am nächsten Morgen nicht mehr an seine düsteren Traumbilder. Doch wälzte er sich nachts oftmals unruhig hin und her, sowie er im Schlaf fluchend redete oder gar schlafwandelte.   Nun wurde ihm sein Alptraum vor Augen geführt, welchen er mit vollem Bewusstsein durchleben musste.   Auch in dieser Illusion, zwischen Feuer- und Flammenspiel, begann der hinterhältige Prozess des Fluches schleichend und wägte den Piraten vorerst in Sicherheit. Solange, bis sich die Kluft der lauernden Schwärze auftat, um den Träumenden zu verzehren. Zudem verspürte man Emotionen während des Schlafens intensiver, denn je.   Noch immer stand der Kid-Pirat grinsend auf der Bühne, seine huskyblauen Augen das fackelnde Schauspiel der knisternden Figuren am Himmel verfolgend, sowie es seine aufgeregte Zuschauerschaft tat. Zu seinen Füßen lag weiterhin achtlos das Mikrophon, welches alsbald kratzende und verstimmte Töne von sich gab. Dies stellte den Anfang der Veränderung dar, doch kümmerte es den Rastaträger bislang wenig.   Mittlerweile ähnelte die hölzerne Tribüne einem Schlachtfeld aus Fan-Tributen und abgenagten Knochen. Am nächtlichen Himmelszelt schwebten, neben Vogel und Pferd, Flammenschmetterlinge und das würdevoll lodernde Kid-Piraten Logo. Allesamt die mit vereinzelten Sternen geschmückte Hintergrundkulisse untermalend.   Mit Stolz erfüllter Brust griff der Feuerkünstler nach einer auf dem Holz liegenden Flasche Rum, die er an seinen Nähten verzierten Lippen ansetzte, während er sich eine kurze Verschnaufpause gönnte. Er war voll und ganz zufrieden mit sich selbst und seiner Leistung, wirkte gar überschwänglich, weil er allen zeigen konnte, was er drauf hatte.   Heat war innerlich Feuer und Flamme für jeden, der ihm wichtig war. Sein Herz mochte am langsamsten von ihnen allen schlagen, dafür brannte die Wärme der Freundschaft in seiner Brust heller als alles andere. Ob Zombie oder nicht war vollkommen egal. Er war mit Leib und Seele ein guter Freund und stolzer Pirat, dies war das Einzige, was zählte.   Als er Rum-trinkend dort auf der Bühne saß, schweiften seine Gedanken ab, zu all den Tagen, die er bereits erleben durfte. An gute, wie auch trübe Tage dachte er zurück, während seine Erinnerungen an das Himmelszelt seines Traumes projiziert wurden. Wie ein Film flimmerten die einzelnen Lebensabschnitte durch die Nacht... Von seiner traurigen Kindheit, bis hin zu dem Beitritt seiner Crew und noch viel weiter.   Dreckig lachende, rote Lippen zeichneten sich am Himmel ab, folgend von einem warmen Schmunzeln seines besten Freundes und eine blau-weiß gestreifte Maske. Übergehend zu einem gelben U-Boot, mitsamt des Kapitäns von diesem, dann einem freudestrahlenden Lächeln und einer dunkelblauen Kappe. Mit jedem von ihnen wurde Heats Grinsen herzlicher und seine huskyblauen Augen wässriger, dabei fiel ihm das Schlucken des brennenden Schnapses immer schwerer. Rückblickend hätte er sich kein schöneres Leben wünschen können.   Irgendwann verblassten die Bilder letztlich, sodass nur noch seine lodernden Kunstwerke unter den Sternen leuchteten. Heats glücklich-resignierender Blick senkte sich, auf seine ebenso glückselige Zuschauerschaft herab.   Doch änderte sich sein Gesichtsausdruck augenblicklich, als alle Feuerfiguren urplötzlich ineinander kollidierten... und eine riesige Explosion hervorriefen.   Heats aufgerissene Augen sahen die tödlichen Funken wie in Zeitlupe auf die Menschen vor ihm hinab regnen. Während die an seinen Lippen angesetzte Flasche langsam aus seinen Händen glitt und im Anschluss dröhnend auf dem Untergrund zersplitterte, kniff der Rastaträger panisch seine Augenlider zusammen, seinen Kopf dabei von dem schrecklichen Schauspiel abwendend, welches keinen Atemzug später folgen sollte.   ...Vor den Schreien der Verletzten und den tief beleidigenden Schuldvorwürfen konnte er seine Ohren dennoch nicht verschließen.   „Du Monster!“ … „Mörder!“ … „Verrecke und schmore in der Hölle, du Missgestalt!“ … „Stirb! Stirb! Stirb!“   Immer lauter wurden die hasserfüllten Rufe der Überlebenden, sodass sich Heat nun seine Hände auf seine Ohren presste, was ihm keinerlei Erfolg brachte. Sein Körper war zu Stein erstarrt, seine Gedanken vollends blank. Er wollte niemals jemanden mit Absicht verletzen oder gar Leid zufügen. Die Schuld traf ihn nun mit voller Stärke.   Da er seine Augen weiterhin geschlossen hielt, bemerkte er nicht, wie die wutschäumenden Zuschauer nach und nach auf die Bühne kletterten... mit Mistgabeln, Schwertern und brennenden Molotov-Cocktails bewaffnet.   Man sagte, in Träumen konnte man nicht sterben. Jedoch war dies kein gewöhnlicher Traum, den unsere drei Helden erfuhren, sondern ein verwunschener, in welchem dies sehr wohl möglich war. Wenn Heat nicht bald aus seiner Starre herausfand, sollte er nimmer mehr das Licht der realen Welt erblicken.     Wire saß in einem vergoldeten Sessel in der VIP-Lounge, ein ebenso goldenes Sektglas in seiner Hand haltend. Sein Abbild auf aberdutzenden Fotos, Postern und Autogrammkarten verewigt, die verteilt auf Wänden und Boden ihren Platz fanden, war er gänzlich mit sich selbst im Reinen. Ihm fehlte es hier an nichts... fast nichts. Sein Unterbewusstsein fühlte, dass er seinen besten Freund vermisste, selbst würde er sich dies niemals eingestehen.   Seufzend warf der selbsternannte Star seine schwarzen Haare mit einer lockeren Handbewegung nach hinten und lehnte sich zurück in die Polsterung des Sessels, seinen Ellenbogen auf der Lehne abstützend. Kurz seine Augen schließend, versuchte er den Gedanken an seinen langjährigen Mitstreiter zu verdrängen... Als er seine Lider abermals öffnete, stand ebendieser jedoch als Traumerscheinung direkt vor ihm. In dunkler Butler Aufmachung.   Mehrmals blinzelte Wire, dessen Augen die Größe von Tellern annahmen, bevor ihm das Sektglas aus seinen lackierten Fingern rutschte und die sprudelnde Flüssigkeit sich in seinem Schritt verteilte. Zischend fluchte er, ihm stand die Röte der Peinlichkeit im Gesicht geschrieben, während er aufstand und versuchte die Nässe mit seinen Händen grob wegzuwischen, was keine seiner einfallsreichsten Ideen war. Dann wurde er von seinem blauhaarigen Gegenüber angesprochen und zeitgleich an dessen Anwesenheit erinnert.   „Lasst mich Ihnen helfen, Milord“, sprach der überhöfliche Heat-Verschnitt in einem vollends kontrastfremden Charaktermuster und trat einen Schritt auf den schockierten Träumenden zu, welcher zeitgleich mehrere Stolperer rückwärts ging. Wire kam nicht drumherum, sich vorzustellen wie der Feuerspeier sein Problem beseitigen wollte, und fürchtete um seine geheiligten Kronjuwelen.   „Ich verspüre keinerlei Appetit auf kross-gebratene Eier! B-Bleib weg von mir!“, stammelte der Dreizackbesitzer sichtlich verunsichert und hielt im Rückwärtsgehen seine beiden Hände abwehrend vor sich, indessen ein einzelner Schweißtropfen seinen Nacken hinablief. Doch stieß er nicht, wie zu erwarten, gegen den Sessel als Widerstand, sondern gegen eine mit Narben überdeckte Brust, die seine Flucht verhinderte.   Ihm selbst war nie bewusst gewesen, wie viel sein bester Freund ihm im Grunde bedeutete... Bis heute, als sein träumender Geist ihm die Wahrheit offenbarte und zahllose Heat-Doppelgänger erschuf. Diese standen in den verschiedensten Ausführungen im Raum verteilt, ähnlich einer Kostüm-Party, in welcher jeder Rastaträger sich verkleidet hatte. Von Halloween-, Faschings- und Oster-Vermummungen, bis hin zu Fabelwesen-Verkleidungen war alles vertreten.   Es war Wires schlimmster Alptraum. Keines der Kleider war darüber hinaus modisch abgestimmt. Das schrecklichste Outfit, welches einer der auf ihn zulaufenden Zombies trug, war jedoch das eines grässlich geschminkten Clowns. Vor ihnen besaß er am meisten Furcht. ...Einer der Gründe, warum der Kid-Pirat vor einiger Zeit den Streckbrief eines gewissen Samurais mit roter Nase mit einer seiner Tinkturen eingeäschert hatte.   Die haselnussbraunen Augen blickten dem blanken Horror in quietschbuntem Clownskostüm entgegen, mehrere lang anhaltende Sekunden, bevor er einige Oktaven höher aufschreiend die Flucht ergriff, auf allen Vieren, durch das Gewirr an Beinen. Ja, er wollte angehimmelt werden... nicht gestalkt und von helfenden Händen überfallen. Auch wollte er seinen besten Freund wiedersehen. Nur den einzig Echten, in all seiner ungehobelten und eigenen Art, die er über die Jahre zu schätzen gelernt hatte.   Wie in einem schlechten Zombie-Film schlurften die verkleideten Gestalten ihm hinterher, wiederholten: „Lass uns dir helfen“, in Dauerpredigt und verfolgten Wire. Rennend öffnete er die Tür zum Flur und schlug sie schnell lautstark hinter sich zu. Schwer atmend, lehnte er einen Moment mit seinem Rücken gegen das Holz. Das entspricht nicht der Realität..., sprach er sein gedankliches Mantra und setzte dann zum nächsten Sprint an.   Der schmale Gang schien kein Ende zu nehmen, wurde mit jedem seiner klackernden Schritte länger und führte ins Nichts, was Wire allerdings nicht wusste. Zwischenzeitlich rissen die kratzenden Zombie-Hände die Tür ein, woraufhin mehrere Rastaträger stolpernd zu Boden fielen und die Nachkommenden achtlos über sie drüber stiegen. Ihr Anführer war der immer grinsende Zombie-Clown, dessen Fratze verzerrter nicht hätte sein können.   „Helfen... Helfen... Helfen...“, schallte das gebrummte Wort immer und immer wieder in ein und der selben Tonlage vervielfacht durch den Flur. Dabei untermalte ein Zombie-ähnliches Stöhnen die Rufe.   ...Und es kam, wie es kommen musste. Einer Wires hohen Absätze brach ab und veranlasste ihn zum Fall in Begleitung eines stockenden Aufschreis. So klischeehaft es klang, war es die reine Tatsache.   Zu allem Übel erschien urplötzlich eine Wand hinter seinem Rücken, gegen die er sich eilig presste, während er der vermummten Horde entgegen schaute. Zwei Schlurfer... drei, vier... dann hatten sie ihn erreicht.   Seinen Kopf schützend unter seinen Armen versteckend, erwartete Wire den Zusammenstoß mit seinem Alptraum mit blauer Quietsch-Nase und Bratensoße spritzendem Blumenanstecker... Ehe etwas geschah, was er niemals für möglich gehalten hatte.       ~*~       „Huhu, du da! Was machst du denn da drin?“, fragte Shachi, der vor einer riesigen Gefängniszelle stand, und beäugte die violette Flamme, die er in der Dunkelheit des Inneren ausfindig machen konnte. Das fünfte Stockwerk der Torte ähnelte einem unheimlichen Gefangenentrakt, in dem sich nur eine einzige Zelle befand, an dessen dicke Stäben der Heart-Pirat sich klammerte und seine Nase im Zwischenraum durchsteckte. „Hallooo...? Kannst du sprechen? Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst, weißt du. Schön wär's aber trotzdem...“   Von der gruselig, düsteren Umgebung ließ der Heart-Pirat sich in keinster Weise stören, stattdessen ließ er sich von dem flackernden Flammenspiel des großen Feuers vor ihm hypnotisieren. Durch dieses wurde ihm gleichermaßen warm und kalt ums Herz. Kurz darauf entdeckte er die kleine versilberte Spieluhr, die neben dem Wesen auf dem Boden stand.   „Ui, ist die toll~!“, strahlte er vor Begeisterung mit glitzernden Augen und versuchte gleichzeitig seine vorschnellen Finger nach dem Silber durch die Vergitterung zu strecken. „Darf ich mir die Mal leihen...? Ich will sie nur kurz ansehen... wirklich...“   Nach mehreren, vergeblichen Versuchen an den in der Finsternis blitzenden Schatz heranzukommen, schmollte der Heart-Pirat geknickt und ließ dabei seine Schultern hängen. Zeitgleich verspürte er jedoch das deutliche Beben unter seinen Füßen, das ihn auf den Einsturz des sahnigen Gebäudes aufmerksam machte. Augenblicklich wurde Shachi der Ernst der Lage bewusst, woraufhin er alles andere vergaß.   „Hey, Flämmchen, wir müssen hier raus!“, rief er der ruhig lodernden Erscheinung zu und erschuf in seinem Traum einen Dietrich in seiner rechten Hand, mit dem er an dem Schloss der Zelle herumwerkelte. „Komm mit mir mit! Ich bringe dich in Sicherheit, versprochen.“   Shachi war ein Meister auf dem Gebiet der Diebeskünste, weswegen er die Verriegelung nach wenigen Momenten geknackt hatte. Dass er damit den größten Fehler beging, ahnte der hilfsbereite Junge nicht.   In dem Augenblick, als er das Siegel des verfluchten Ortes löste, wurden die Würfel des Schicksal neu ausgeworfen. Der Traumfresser, wie die flammende Figur in manchen Mythen genannt ward, hatte sich nicht ohne Grund in dem Traum des Naivsten unserer Helden eingenistet.   Nun war die Kreatur frei. Freigelassen durch Tugendhaftigkeit und Selbstlosigkeit.   Das violette Feuer breitete sich schlagartig aus, nachdem Shachi den ersten Schritt in die Zelle getan hatte. Wie ein grelles Licht wuchs das eisige Flammenmeer heran, verschlang seine sämtliche Umgebung und erhielt seine zerstörerischen Kräfte wieder.   Es floh von diesem Ort, an dem es lange Zeit gefangen war, mit ihm nahm es die drei Helden, deren Träume es bislang manipulierte.   So erwachte das Trio plötzlich synchron aus ihrem Schlaf und konnte in allerletzter Sekunde der Tragödie entfliehen...       ~*~       Zurück in der Zwischendimension, wurden die an der Planke haltenden Körper an ein Ufer aus schneeweißem Sand gespühlt, welcher sich unter dem rabenschwarzen Gewässer farblich stark absetzte. Wie durch ein Wunder war keiner von ihnen ertrunken.   In einer sehr unbequemen Haltung lagen Shachi, Heat und Wire aufeinander, in umgekehrter Reihenfolge. Der Leidtragendste unter ihnen war der Umhangträger, welcher den nassen Fuß seines über ihm liegenden, besten Freundes in sein aufwachendes Gesicht gedrückt bekam. Shachi, die Spitze des Dreier-Turmes, war ein anhänglicher Schläfer und umarmte seine unteren Gefährten im murmelnden Halbschlaf.   Eine dunkelfarbene Welle schwemmte über die Drei, woraufhin sie alle schließlich in den vollkommenen Wachzustand fanden. Nacheinander standen sie auf, ein jeder von ihnen seine ausgeruhten Glieder streckend. Shachis lächelnden Lippen waren die Ersten, welche nach einem ausgiebigen Gähnen Worte formten.   „Da seid ihr ja!“, begrüßte er seine Links und Rechts neben ihm stehenden Mitstreiter freudig und warf jedem von ihnen einen eingehend-musternden Blick zu, ihr Wohlergehen prüfend. „Ich hab euch echt vermisst, Leute!“   Der unverblümte Heart-Pirat sprach das aus, was sie alle dachten und kein anderer von ihnen aussprechen konnte. Heats peinlich berührter Blick wanderte zu seinen Füßen, während Wire sich leise räusperte, um die genierliche Atmosphäre zu vertreiben. Niemand verlor ein Wort über seinen Traum, weil er aus ihren Gedächtnissen genommen wurde.   Das wärmende Feuer Heats trocknete daraufhin ihre benässten Kleider, ehe sie sich mit ihrer neuen Umgebung vertraut machten. Hinter ihnen befand sich das dunkle Meer, vor ihnen eine weitflächige Landschaft aus hellem, feinen Sand. Doch verweilte noch etwas anderes auf dem schneeweißen Untergrund, welches die huskyblauen Augen des Rastaträgers erfassten.   „'N ganzer Haufen fetter Klunker!“, posaunte Heat lautstark seinen Fund aus und verzog seine blassen Lippen dann zu einem Schmollmund, „Nope, sind's doch nur olle Steine.“   Viele Handgroße Felsen reihten sich vor seinen Füßen auf, denen er nun einen enttäuschten Blick zuwarf. Woraufhin ihn der Frust packte und er knurrend einen von ihnen wegtrat.   Womit er nicht gerechnet hatte war, dass der weiße Stein im nächsten Augenblick zu Leben erwachen sollte. Sechs Beine, mitsamt doppelten Scheren und zwei dunklen Stielaugen formten sich unter dem runden Felsgestein, welcher sich daraufhin erhob. Es waren hunderte Krebse, deren Panzer einem Stein ähnelte... Hunderte Krebse, die es nicht gern sahen, dass einer ihrer Kameraden schikaniert wurde.   Zeitlupenartig weiteten sich Heats Augen, die Erkenntnis langsam zu seinem Kopf durchsickernd... bevor er die Beine in die Hand nahm und das Weite suchte. Seine Arme von seinem Körper gestreckt, ließ er ein langgezogenes „Scheiße!“ zwischen seinen Nähten verzierten Lippen verlauten und wurde dann von den Krustentieren in einer Vielzahl über das sandige Ufer gejagt.   Shachi und Wire sahen ihrem Freund nach. Letzterer schüttelte ungläubig seufzend seinen Kopf und hielt sich eine seiner lackierten Hände an seine Stirn. Eine solche, nervliche Strapaze nach dem Aufwachen war pures Gift für den Kid-Piraten.   „Dieser Aschekopf...“, zischte er leise, während der Heart-Pirat neugierig die seltsamen Tiere bestaunte und überlegte, ihnen allen einen Namen zu geben oder eines von ihnen als Haustier zu behalten.   Als Heat die Insel einmal rennend umrundet hatte, stoppte er außer Atem neben seinen beiden Begleitern und nahm mehrere tiefe Luftzüge.   „Ich... mag's... nich'... mehr...“, schnaufte er und warf einen schnellen Blick hinter sich. Wie eine trampelnde Herde Huftiere rasten die Krebse aus der Entfernung weiterhin auf ihn zu... Doch hielten sie urplötzlich an und kehrten um, in Richtung des schwarzen Gewässers gehend, in welchem sie keine Sekunde später mit etlichen Plätscher-Geräuschen verschwanden.   „Was is'n jetzt los? Ha, die Viecher haben's Angst vor mir!“, schlussfolgerte der Rastaträger und stellte sich gerade hin, seine Brust aufplusternd. „Fürchtet's euch nur, elende Drecksdeppen! Mit mir is' nicht gut Schnitzel essen.“   „Als ob. Nicht einmal eine mickrige Fliege kannst du von deinen käsigen Klotzen vertreiben“, höhnte Wire ihm ungläubig zu und verschränkte seine Arme, während er seinem besten Freund einen alles sagenden, strafenden Blick zuwarf. „Ich hoffe, dies ist dir eine Lehre gewesen. Lerne daraus und bla bla bla...“   Statt der mahnenden Prädigt zuzuhören, blies Heat lieber einzelne Feuerschwaden der Langeweile und Desinteresse aus seinem Mund und pfiff dabei leise vor sich hin. Ohne einen einzigen Ton herauszubringen, da er nicht pfeifen konnte.     Plötzlich spürten sie alle drei eine starke Präsenz, welche sich ihnen näherte. Die verschiedenfarbigen Augenpaare schweifen gleichzeitig in Richtung Inselmitte, wo jemand geschmeidigen Schrittes auf unsere Helden zuging. Pure Gefahr strahlte die feminine Gestalt aus. Ihre makellose Haut war in einen leichten Violetton gehüllt, ihre wehenden, langen Haare ein schimmerndes Schwarz wie Ebenholz, ein heller Blauton dieses unterstreichend. Der Schwung ihrer Hüfte war der Traum eines jeden Mannes.   Jeden ihrer Schritte verfolgte das Trio wie gebannt von ihrer Erscheinung, bis sie letztlich vor ihnen zum Stehen kam. Ein herablassend und zugleich verführerischer Ausdruck auf ihren Meerjungfrau gleichenden Gesichtszügen tragend. Sie öffnete ihre vollen Lippen, als ob sie etwas sagen wollte, doch kam ihr der überdrehte Heart-Pirat zuvor.   „Guten Abend, Madame!“, sprach der lächelnde Shachi die bildhübsche Frau in seiner besten Manier an, welche er sich über die Jahre von seinem gesitteten Kapitän abgeschaut hatte. Er zog seine Ballonmütze von seinem Kopf und verbeugte sich leicht vor ihr, bevor er ihre Hand nahm, auf welcher er ihr einen Kuss auf den kleinen Finger gab. Dass diese Geste gewöhnlicherweise für den Handrücken einer Dame bestimmt war, hatte er längst vergessen oder sich nie gemerkt. „Wie lautet der Name dieses schönen Besens?“   Schnell entzog sich das weibliche Wesen dem Griff des jungen Piraten, zischte ihm abwertend zu und wendete sich von ihm ab, ihren Körper dabei von ihm wegdrehend. Der Nächste, der sein Glück versuchen wollte, war Wire, welcher ihr vorerst einen beinahe eifersüchtigen Blick zuwarf, ehe er sie ansprach.   „Lady“, begann er und musterte sie von oben bis unten, „bei aller Liebe, wie können Sie ein solch knappes Kleid mit einer solch grässlichen Farbe ihrer Pumps kombinieren?“   Auch er sollte keine Antwort erhalten, woraufhin der Letzte in ihrem Bunde auf die Frau zuging... zustolperte und mit seiner Nase voraus in ihrem üppigen Dekolletee landete. Mit hochrotem Kopf entfernte sich Heat aus dem weichen Doppel-Kissen, nuschelte eine unverständliche Entschuldigung und öffnete schließlich sein loses Mundwerk.   „Shit. Shit. Shit. Das nenn' ich Monster-Milchtüten!“, starrte er direkt, beinahe sabbernd, auf besagtes, fleischbestücktes Körperteil. Einige Sekunden später wanderte sein fassungslos-hypnotisierter Blick langsam höher, in die erzürnten Schlangen-Augen, die ihn erdolchen wollten.   Nicht im Geringsten eingeschüchtert, arbeiteten Heats Nähten verzierten Lippen beinahe mechanisch, seine nächsten Worte formend: „Willst du das Schnitzel zu meiner Soße sein?“   Mit ihrer Geduld am Ende, zog die Frau mehrere Male scharf die Luft ein und versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte ein Ziel vor Augen, welches sie nicht verlieren durfte. Den ihrer Meinung nach Einfältigsten der Dreien suchte sie sich heraus, ging mit zwei eleganten Schritte auf ihn zu und schwang ihre Hüfte dabei besonders betörend.   Mit einer ihrer violett lackierten Hände umgriff sie Shachis Kinn, sich seinem Gesicht mit ihrem eigenen nähernd, sodass ihre Lippen einen knappen Zentimeter vor den Seinigen stoppten. Und hauchte ihm mit süßlich-verführerischer Stimme leise wispernd zu.   „Du möchtest meinen Namen erfahren...?“, fragte sie ihn, ihre Stimme wie fließender Honig klingend, während sie den Heart-Piraten mit verzaubernden Pheromonen einhüllte. Ein leichtes Nicken seitens Shachi, mitsamt gebannt-kindlichen Augen antworteten ihr, woraufhin sich ihre geschminkten Lippen zu einem zufriedenen Schmunzeln verzogen.   „Ich nenne ihn dir...“, begann sie erneut ihren Zauber wirken zu lassen und spielte mit ihrer freien Hand mit einer seiner orangenen Haarsträhnen. „...Wenn du mir deine Seele gibst.“   Shachi dachte nicht nach, seine Antwort folgte prompt:   „Ok“, lächelte er mit fester Stimme, ehe sich der naiv wirkende Ausdruck in seinen honigfarbenen Augen in einen absolut bestimmten, ohne jeglichen Zweifel änderte. „Aber nur, wenn du mein Freund wirst.“   Was der Sukkubus bislang nicht wusste: Ihre Pheromone hatten keinerlei Auswirkung auf den unschuldigen Heart-Piraten. Seine Worte entsprachen der vollkommenen Wahrheit seiner ehrlichen Gedanken. Als sie dies bemerkte, wurde sie in eine Schockstarre versetzt.   „W-Was...?“, war das stotternde Erstaunen der weiblichen Stimme unüberhörbar, während sie mit ihrem Gesicht zurückwich und ihn irritiert ansah. Dass ihr Bann nicht funktionierte und er ihr aus freien Stücken seine Seele geben würde, überraschte sie. Dies hatte noch nie jemand zuvor getan.   Wieder begegnete Shachi ihr mit der reinen Ehrlichkeit, abermals seine Worte wiederholend, deutlicher als zuvor.   „Ich gebe dir alles, alles was ich habe und tue alles, was ich für dich tun kann, wenn du mein Freund wirst.“   „W-Warum?“   Der Heart-Pirat lächelte aus vollstem Herzen; „Weil ich dich mag.“       ~*~       Einst wurde eine wunderschöne Frau geboren. Ihre unermessliche Schönheit Fluch und Segen zugleich. Hinter ihrem lieblichen Gesicht ward unendliche Traurigkeit und unmenschliche Last verborgen.   „Niemand achtet dich, weil du eine Frau bist.“ Eine schallende Ohrfeige folgte den hasserfüllten Worten. „Du bist dazu da, Männer zu beglücken und ihre Kinder zu gebären.“   „A-Aber... bin ich denn wirklich nichts wert...?“, traute sich die junge Frau mit zittriger Stimme den ungepflegten Mann zu fragen, der daraufhin in lautstarkem Gelächter ausbrach. „Du? Was wert? Haha! Der Dreck unter meinen Schuhen ist teurer, als du es je sein wirst. Jetzt geh zurück an die Arbeit, Schlampe!“   Um das Leben ihrer kranken Eltern und ihr eigenes zu sichern, war sie gezwungen, ihren Körper an fremde Männer zu verkauften. Seelischer Schmerz und Selbstabscheu gingen Hand in Hand, waren ihr täglicher Begleiter und zerfraßen Stück für Stück ihr zuvor reines Herz.   „Wo gehst du hin, mein Kind?“, erklang die schwache Stimme ihrer gebrechlichen Mutter. Hustend lag die altersschwache Frau in dem Ehebett neben ihrem an Geräte angeschlossenen Angetrauten, ihre Sorge um ihre Tochter deutlich in ihren müden Augen zu erkennen. „Bitte sorge dich nicht um uns. Lebe, mein Engel.“   Es waren die letzten Worte, welche die Jugendliche von ihren Eltern hören sollte. Ihre beiden Elternteile verstarben, während sie den täglichen Kampf kämpfte, den sie nicht gewinnen konnte. Zeit zum Trauern ließ man ihr nicht. Zu tief war sie an diesem dunklen Ort gefangen.   „Heulst du schon wieder, Weib?!“, brüllte ihr die Stimme ihres Vorgesetztes entgegen, während sie ihre Tränen mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte. „Du verscheucht uns die gesamte Kundschaft, du nutzloses Stück!“   Sie hasste sich für ihre Taten, hasste ihren makellosen Körper und hasste alle Männer. Das Vertrauen in das männliche Geschlecht wurde durch jede traumatisierende Nacht bis auf den kleinsten Funken Sympathie ausgelöscht.   Ihre Existenz bestand in dem Beglücken abscheulicher Menschen, als seelenlose Hülle umherwandernd, ohne jeglichen Lebenswillen. Bis sie an den Falschen geriet, der ihr Leiden auf die furchtbarste Weise beendete, das Motiv Eifersucht...   Nur, um sie in ihre nächste Hölle zu schicken: Eine Dimension zwischen dem gefühllosen Leben und dem endgültigen Tod. Das verfluchte Reich Tortuga.   Mit dem Hass und der Unruhe in ihrem versteinerten Herzen verwandelte sie sich in ihrem gefangenen Nachleben in einen Sukkubus. Einer Kreatur, die sich von männlichem Leben und Träumen nährte und ihnen das Leid zufügen konnte, welches man ihr einst antat. Sie schwor sich Rache. Und bekam sie letztlich auch.   Niemand konnte ihren Reizen widerstehen, keiner sich ihrem Zauber widersetzen... Doch wurde dieser mit einem einzigen, freudestrahlenden Lächeln zertrümmert.     „Werde mein Nakama!“, wiederholte Shachi seine Bitte und sah die erstarrte Frau vor sich besorgt an. Er streckte eine Hand nach ihrer Schulter aus, seine Stimme einen fürsorglichen Unterton annehmend. „Hey, geht’s dir gut-?“   Panisch schubste sie den Jungen von sich weg, ging dabei einen Schritt nach hinten und schrie ihn aggressiv an.   „Fass mich nicht an!“, erklangen ihre Worte schrill und verzweifelt, indessen sie mit ihren Tränen kämpfte. Sie wollte keine Schwäche zeigen, nie wieder. Der Heart-Pirat landete mit seinem Rücken in dem sandigen Untergrund, sah kurz von unten zu ihr herauf und senkte dann traurig seinen Kopf, sodass ihm einzelne, orangene Haarsträhnen über seine Augen fielen.   „Tut mir leid... Ich habe dich nicht zwingen wollen...“, flüsterte Shachi schuldbewusst, das Rauschen der ans Ufer schlagenden Wellen neben ihm sein Wispern verschluckend. Der Sukkubus hörte sie dennoch und wirkte nur verunsicherter. Sie verstand nicht, warum er sich bei ihr entschuldigte und mit ihr befreundet sein wollte.   Heat und Wire, welche die Szene stumm beobachtet hatten, fanden nun ebenfalls aus ihrer Starre, weil die paralysierenden Pheromone ihren Effekt verloren. Der Umhangträger kniete sich neben Shachi und half ihm auf, zu einer auf dem Boden sitzenden Position, während der erzürnte Rastaträger sich der verstörten Frau widmete. Er stellte sich beschützerisch vor seine beiden Kameraden, zwischen sie und dem Sukkubus, und verschränkte knurrend seine Arme vor seiner Brust.   „Bist's du unser Freund oder unser Feind?“, fragte Heat sie in todernstem Ton und überließ ihr die Wahl, wie er ihr gegenübertreten sollte. Um seine Freunde zu beschützen, machte er bei Gegnern keine Unterschiede zwischen Geschlechtern.   Die geistesabwesenden Augen der Schönheit fanden zu den abwartenden, hellblauen des Kid-Piraten. Zwischen ihrer Vergangenheit und der Realität gefangen, wisperte ihr Stimme leise vor sich hin, den Blickkontakt aufrecht haltend.   „Ich... bin nur eine Frau...“, sprach sie die Worte, welche ihr so oft eingeprägt wurden, „Männer und Frauen können keine Freundschaft schließen.“   Heat blinzelte mehrmals, verstand nicht, was sie meinte.   „Hä?“, war das Erste, was seine Nähten geschmückten Lippen formten, „Ob Kerl oder Weib, ist's doch egal-.“   „Du verstehst es nicht!“, fauchte sie ihn an und ballte ihre lackierten Fäuste. Sie fühlte sich missverstanden und hatte genug von den drei Piraten. „Weil ich kein Mann bin...“, führte sie ihren Satz nicht zu Ende und sah verbittert zu Boden, Heats fragendem Blick nicht länger ertragen könnend.   Der Rastaträger kratzte sich nicht weiter wissend am Hinterkopf; „Du bist's echt komisch“, sagte er und begann dann breit zu grinsen. „Aber wir sind's auch. Warum können wir dann nich' zusammen komisch sein?“   Sprachlos blickte ihn die schwarzhaarige Frau an, eine ihrer zitternden Hände an ihren geöffneten Mund haltend. Von der Aufmerksamkeit der Schönheit peinlich berührt, glühten Heats blassen Wangen auf, während er schüchtern zur Seite blickte.   „N-Naja, Eins haben's wir alle gemeinsam...“, begann er in einem leisen Nuscheln zu erklären, seine grinsenden Lippen weiter nach oben ziehend, während er ihr einen verlegenen Seitenblick zuwarf, welcher dem Blick eines treuseligen Huskys ähnelte. Woraufhin er in die Hosentasche seiner weinroten Ballonhose griff und ihr eine geröstete Krabbe hinhielt. „...den Hunger.“   Heats Worte waren mitnichten unwahr. Zwar ahnte er nicht, dass ein Sukkubus keine menschliche Nahrung zu sich nehmen konnte, doch den immer währenden Hunger nach seelischen Gefühlen verspürte sie stets. Hunger war die Gemeinsamkeit, welche sie für wahr mit ihm teilte.   In die emotionale Enge gedrängt, klammerte die violetthäutige Frau nun ihre Arme fest um ihren Oberkörper, nach Halt suchend. Ihre Tränen regneten wie funkelnde Glasperlen ihre feinen Wangen herab, während sie vor dem Kid-Piraten in die Knie ging und ihr Gesicht unter ihren beiden Händen zu verstecken versuchte.   Für einen Moment waren nur ihr leises Schluchzen und das leise Wellenrauschen in der Stille zu vernehmen. Der Rastaträger fasste ihre Glücks-Tränen falsch auf, als die der Trauer, und wurde abermals von Schuldgefühlen ergriffen. Verunsichert wedelte er aufgeregt mit seinen Händen vor sich hin, gestikulierte eine Sprache, welche nur für ihn selbst einen Sinn ergab, und stammelte Worte, die keinerlei Zusammenhang hatten.   Abrupt stoppte er die unkoordinierten Bewegungen, als er die Hand seines besten Freundes auf seiner Schulter spürte. Der links von ihm stehende Shachi war es, der die Worte fand, die ihm den schweren Stein der Schuld vom Herzen nahmen.   „Siehst du nicht ihr Lächeln?“, fragte der Heart-Pirat ihn mit einem mitfühlenden Schmunzeln auf seinen Lippen und blickte warmherzig auf die kniende Frau hinab, welche die versiegelten Perlen der letztes Jahre weinte. Für ihre verstorbenen Liebsten... für ihr Leid und ihr grausames Leben, welches ihr viel zu früh genommen wurde.   Als ihre Tränen schließlich versiegten, blickte sie mit glückstrahlenden Augen hinter ihren Fingern zu den drei Piraten auf und zeigte ihre wahre Schönheit: Mit einem mädchenhaften Lächeln, welches mehr Ausstrahlung und Kostbarkeit besaß, als jede Äußerlichkeit es je hätte tun können. Nur ihre Eltern durften es bislang geschenkt bekommen.   Langsam stand sie auf, ging ohne Zurückhaltung auf Heat zu und küsste ihn sanft auf seine rechte Wange, ihm damit ihre Dankbarkeit zeigend. Keine Sekunde später verpuffte sein feuerrotes Gesicht unter einer Dampfwolke, während er sich abwesend mit seinen Fingern gar ehrfürchtig über die Hautstelle fuhr. Dann hielt der Sukkubus zaghaft ihre Hand in Richtung des sie anlächelnden Heart-Piraten.   „Entschuldige“, sagte sie und blickte kurz zur Seite, bevor sie ihn reuevoll ansah. „Aber ich habe keinen Namen mehr...“, gestand sie ihm kleinlaut und biss sich dabei auf ihre Unterlippe.   Shachi strahlte bis über beide Ohren, über die freundschaftliche Geste, zögerte keine Sekunde und nahm ihre Hand, die er sanft drückte.   „Ich bin Shachi“, stellte er sich freudig vor, „Schön dich kennenzulernen, Flämmchen.“   Eine letzte Träne perlte über ihre seligen Gesichtszüge, ihr Lächeln nicht verschwindend, indessen sie leicht nickte. Die Freude über ihren neuen Namen konnte sie nicht verbergen. Kurz darauf hielt sie ihre Spieluhr in den Händen, welche sie dem Jungen entgegenhielt.   „Spiele sie“, flüsterte sie ihm zu, über das kindliche Glitzern in den honigfarbenen Augen des Piraten leise lachend, und überreichte ihm dann ihren kostbarsten Schatz. „Um den Fluch aufzuheben, musst du ihre Melodie rückwärts erklingen lassen.“   So schnell, wie Shachis vor Freude bebenden Finger nach der geschlossenen Spieluhr griffen, konnte keiner der Anwesenden gucken. Voller Respekt sah er sich das schimmernd-silberne Heiligtum an, dessen Form sechseckig war und diverse Tribal-ähnliche Symbole zierten. Dann blickte er ehrfürchtig in die belustigten Schlangenaugen der noch immer lachenden Frau.   „Darf ich wirklich...?“, wisperten seine fassungslosen Lippen die Frage, deren `Nein´ er nicht akzeptieren würde, und erhielt ein ermutigendes Nicken als Antwort.   So öffnete der junge Heart-Pirat den versilberten Schatz mit einem leisen Klicken, während sich seine beiden Begleiter neben ihn stellten und sein Tun beobachteten. Selbst das Meer schien mit allen Anwesenden zu verstummen... als der Deckel sich anhob und das violette Herz auf dem kleinen Podest zum Vorschein kam. Es war ihr eigenes.   Rücksichtsvoll und langsam griffen Shachis Finger nach dem kleinen Dreh-Hebel, der rechts an der verzierten Box angebracht war. Alle Augenpaare blickten auf das regungslose Organ... welches zu pulsieren begann, als er den Mechanismus einfühlsam gegen den Uhrzeigersinn drehte.   Zeitgleich, mit dem Widerhall der traurigen und gefühlvollen Melodie, schickte das Herz mit jeder Strophe einen intensiven Impuls über Land und Wasser, welcher gleichermaßen die Herzen unserer Helden wärmte und den Fluch der Gefangenschaft und ewigen Alpträume von ihnen nahm.     `... ... ♪~´   "...You gave me everything from you. / ...Du hast mir alles von dir gegeben."   `♫~ ... ♪~´   "You've won my heart... / Du hast mein Herz erobert..."   `♫~ ♫~ ♫~´   "You came to me... / Du bist zu mir gekommen..."   `♪~ ♫~ ♪~´   "I am yours... / Ich bin nun dein..."   `♪~ ♪~ ♪~´   "I belong to you... / Ich gehöre dir..."   `♪~ ... ...´       ~*~       Zur gleichen Zeit   Rosafarbene Federn, wehend im wiegenden Wind. Weit über dem schwarzen Gewässer, in der Luft ohne Himmel, stand das furchteinflößende Monster. Ein verzerrtes Grinsen zierte die Lippen, welche ihre grässliche Lache verlauten ließen. Er beobachtete unsere Helden aus der Entfernung. Studierte seine neuesten Spielzeuge.   In seiner gekrümmten Hand hielt er einen rosaroten Edelstein, den er gelangweilt mehrere Male warf und anschließend wieder auffing. Der psychopathische Blick hinter seiner blutroten Sonnenbrille bedingungslos auf seine Opfer gerichtet, hätte er amüsierter nicht sein können.   „Fufufu~“, schallte der markerschütternde Klang seiner Lachsalve durch die Todesstille der verdunkelten Umgebung. Gierig leckte er sich über seine hohnlachenden Lippen. „Ihr armseligen Narren... Ich werde mir eure Köpfe holen, einen nach dem anderen. Doch zuvor reiße ich sie euch von euren Schultern.“   Keine Drohung, nein, ein Versprechen. Der totgeglaubte Mann sehnte sich nach Vergeltung. Hatte das Trio verfolgt und fand keinen Frieden, bis er seinen Rachefeldzug beendet hatte. Sein Körper weilte längst nicht mehr unter den Lebenden, sein ruheloser Geist wurde einzig und allein von seiner Bestimmung geleitet.   Er besaß nichts mehr, was er verlieren konnte... was ihn umso gefährlicher werden ließ.   Mit einem letzten Wurf, ließ er das Juwel in seiner Hand ruhen und steckte es letztlich in seine mattrosa-fuchsig gemusterte Hosentasche. Dann stürmte er los. Durch die Luft gleitend in Richtung Insel, auf das unwissende Trio zu. Nichts konnte seinen Durst nach Blut und Rachgier noch aufhalten.   Sein Federmantel flatterte unruhig hinter ihm her, seine großen Schritte die eines Raubtieres ähnelnd, während er seine Hände wie Krallen von seinem Körper weg hielt. Er jagte lautlos und präzise, mordete schnell und gewissenlos. Sein liebster Zeitvertreib das Erdrosseln mit messerscharfen Fäden.   Dreizehn... Zwölf... Elf... Schritte, bis er seine drei Ziele erreichte.   Die verbitternde Kälte strahlte er aus. Ein Herz besaß er nicht, hatte er niemals besessen. Er erinnerte sich genau an den Tag, an dem ihm das Katana seines geliebten Spielzeugs den Gnadenstoß gab. Immer und immer wieder spielte sich diese eine Szene in seinem geisteskranken Kopf ab. Wie auch jetzt. Bei dem Gedanken daran begann eine Wutader auf seiner Stirn zu pochen.   Zehn... neun... Acht... Sekunden, bevor er seiner Verbitterung Ausdruck verleihen konnte.   Unkontrolliert und vorfreudig zuckten seine Finger. Nicht mehr lange, dann kann der dunkle König seinen Schachzug auf dem Spielfeld machen. Mit rasender Geschwindigkeit bewegte er sich fort. Seine kurzen, blonden Haare mit den Federn wehend, während seine verzerrten Mundwinkel mit jedem überbrückten Meter weiter nach oben glitten, dabei seine Zähne zeigend. Sieben... Sechs... Fünf... verbleibende Augenblicke. Vier... Drei... Zwei... ...Dann war die Zeit vorbei.     Die am Ufer stehenden Personen richteten gerade rechtzeitig ihre Köpfe nach oben, um die breite Figur über ihnen zu erblicken. Nicht einmal blinzeln konnten sie, ehe sich die eiskalten Klauen des Monsters um Wires Hals legten... und zudrückten.   Wires Tribut an den Teufel wurde noch nicht gefordert. Er hatte sein Opfer bislang nicht erbracht... Wird es sein Leben sein?   „WIRE!/WIRE!“, schrien Shachi und Heat gleichzeitig, als sie die lebensbedrohliche Situation erfassten. Erschüttert sahen sie auf den übergroßen Mann, der seelenruhig zwischen ihnen stand. Sein kaltes Lächeln auf seinem Gesicht gefroren, während er den Kid-Piraten fest in seinem klauenartigen Griff behielt.   Mit einem verzweifeltem Ruf nach seinem Freund klammerte sich der Heart-Pirat um einen der Arme Doflamingos und wollte ihn von dem blasser werdenden Wire wegzerren. Doch hatte der schmächtige Junge nicht die geringste Chance. Der Rastaträger sah rot. Er verlor jegliche Beherrschung, weil sein bester Freund in größter Gefahr schwebte.   Heats Ziel war der mit Federn bedeckte Rücken, den er mit seinen zornerfüllten, Mitternachtsblau gewordenen Augen anvisierte, während er animalisch knurrend Luft holte. Seine Flamme brannte heißer, als sie es je zuvor getan hatte.   Dennoch besaß sie keinerlei Wirkung und schien von dem rosa Gefieder absorbiert zu werden, sodass sie im Nichts verschwand und sich sofort auflöste.   Wire selbst versuchte mit seinen Fingernägeln verzweifelt die um seinen Hals gelegten Arme zu zerkratzen, mit geweiteten Augen schaute er der blutroten Sonnenbrille des pinken Tods entgegen. Es bildete sich keine einzige Wunde auf der Haut seines Angreifers.   Doflamingo war unsterblich geworden, sowie er es immer sein wollte.   Stille. Die erdrückende und todbringende Stille zählte die letzten Sekunden herunter, bis eines ihrer jungen Leben entschwand. „Hör auf!“, verblich Shachis Flehen in der alles verschlingenden Dunkelheit und wurde von Wires Ohren nicht mehr wahrgenommen. Sein erschlaffender Körper wurde in eine frostige Decke gehüllt, die alles und jeden verstummen ließ und ihm der trügerischen Wärme des Todes übergab.   Letztlich übergab er seinen Tribut an den Teufel... in Form seiner Luft.   Ein allerletztes Röcheln... dann entschieden die Fäden über Wires Schicksal. ...Es waren Heats weinrote Ranken-Fäden.   „Griffel. weg. von. meinem. Blutsbruder!“, glich das Rufen eher einem aggressiv knurrenden Zombie-Aufschrei, welcher durch die Todesstille schnitt. Noch nie war Heat so wütend gewesen, wie in diesem Moment. Seine zuvor hellblauen Augen spiegelten ein tief dunkles Nachtblau wider, während seine Dornentätowierung blutrot aufleuchtete.   Von Panik und Aggressivität erschaffen, schlangen sich die dornigen Nähte des Kid-Piraten blitzschnell über seine ausgestreckten Arme, wie eine zischende Schlange auf ihre Beute zuschnellend. Woraufhin sie sich um den gesamten Körper des federnen Biestes wickelten, dem Kokon einer Spinne gleichend, und ihn von dem Umhangträger wegrissen.   Dies war das Einzige, was den aus Schicksalsfäden bestehenden Mann aufhalten konnte: Der rote Faden der Freundschaft, welcher die beiden besten Freunde verband.   Damit rettete Heat Wires Leben. Zum zweiten Mal seit dem Beginn ihrer langjährigen Freundschaft...       ~oO*Oo~       „Hey, Holzkopf, wo hast du denn das Tattoo her?“, fragte der zwölfjährige Wire den vierzehnjährigen Heat und zog eine seiner Augenbrauen nach oben, während er die dunkelroten Dornenranken musterte, welche sich über die Arme und den Hals des blauhaarigen Kid-Piraten schmiegten. Der schwarzhaarige Junge setzte sich anschließend zu seinem schweigenden Freund auf das dunkle Holz der Reling ihres Schiffes.   Mit einer Angel in seiner Hand, saß der junge Heat wie so oft des Morgens dort, blickte gedankenversunken dem Aufsteigen der Sonne entgegen und hing seinen leeren Überlegungen an vergangene Tag nach. Seine hellblauen Rastalocken sollten alsbald an Länge gewinnen, bisher reichten ihm diese nur bis über seine Ohren, sein Gesichtsausdruck war immerzu ausdruckslos, beinahe traurig wirkend.   „Ich hab's keine Ahnung“, erklärte er seinem Kameraden nach mehreren Minuten unberührt schulterzuckend und klammerte seine mit verheilten Wunden verzierten Finger etwas fester um den selbstgebastelten Stock seiner Angel. „Es ist heute Morgen einfach da gewesen... Ist's doch eh egal wie ich ausseh'.“   Ein Jahr war es nun her, seit Heat den Kid-Piraten beitrat. Die Verletzungen seiner ihn misshandelnden und verstoßenden Eltern allesamt geheilt, zu Narben der Erinnerung geworden. Die Leere in seinem langsam schlagenden Herzen blieb.   Den Blick in einen Spiegel mied er, konnte den Anblick seines Äußeres nicht ertragen und flüchtete vor jedem Gespräch darüber. Als er heute nach einem Alptraum seiner Kindheit aufwachte, sah er die dunklen Markierungen an seinen Armen, doch konnte selbst dies keine Gefühlsregung in ihm hervorrufen. Er akzeptierte es schlichtweg, wie er seine Vernarbungen hinnahm.   „Hmmm...“, summte der junge Wire leise nachdenkend vor sich hin und schaute ebenso zu dem am Horizont erscheinenden Licht, welches das Meer in sanfte Orangetöne hauchte. Seine Stimme nichts weiter, als ein Flüstern, welches die unberührte Stille nicht zu stören wagte. „Ich finde, es steht dir.“   Seine Worte wurde von den geruhsam schlagenden Wellen in die Ruhe des Morgens getragen, wo sie letztlich von dem endlosen Blau über das Meer trieben.   Über längere Zeit verweilten die beiden Freunde dort wortlos und genossen die Gesellschaft des jeweils anderen. Bis plötzlich die Schnur der Angel anschlug, die Heat fest in seinen Händen halten musste, um sie nicht zu verlieren.   „Shit, das muss ein echt großer Brocken sein!“, erkannte der Rasta-Kurzhaarträger und stemmte sein ganzes Körpergewicht gegen den Ruck des Meeresbewohners, welcher an dem Haken – mit einem dicken Fleischkeulen-Köder – angebissen hatte. Weil er es allein nicht schaffte, klammerten sich nun auch Wires Finger um den hölzernen Stock.   Zusammen schafften sie es letztlich, das Meerestier aus dem Wasser zu ziehen, das daraufhin mit einem lautstarken Platschen an die Wasseroberfläche drang. Doch hatten sie nicht mit dem gigantischen Maul gerechnet, welches sich ihnen nun entgegenstreckte.   Heat hatte mit seiner fälschlichen Köderwahl einen mittelgroßen Seekönig an Land gezogen.   Das Kid-Piraten-Schiff geriet stark ins Schwanken, der Wucht des übergroßen Fischkörpers wegen. Woraufhin der Kapitän und der Vize der Crew durch die Tür des Decks stürmten. „Was verfickt nochmal-?!“, donnerte die Stimme des rothaarigen Jugendlichen keine Sekunde später über die Planken, doch blieb das Fluchen von dem Rastaträger ungehört.   Seine sich ungewöhnlicherweise weiteten Augen sahen nur Eines: Seinen nach hinten stolpernden, besten Freund in Richtung mit scharfen Zähnen versehenen Maul fallen.   Wires junger Körper spiegelte sich für den Bruchteil eines Momentes in den huskyblauen Iriden Heats wider. Er spürte den freien Fall und bewegte seinen vor Schreck geöffneten Mund, um drei stumme Worte zu formen, die seine abgeschnürte Stimme nicht aussprechen konnte:   „Hilf mir, Heat.“   Der Angesprochene las sie von den Lippen seines Freundes ab. Doch wusste er nicht, was er tun sollte. Unbewusst streckte Heat seinen viel zu kurzen Arm zu seinem hinabgleitenden Kameraden, den er niemals hätte erreichen können... Bevor das passierte, womit niemand der drei Jungen an Deck gerechnet hätte.   Wie von selbst schlängelte sich Heats mysteriöse Tätowierung über seinen rechten Arm, bis zu seiner ausgestreckten Hand und schuf das Band, welches die beiden Kid-Piraten seit diesem Augenblick an verbinden sollte. Als die dunkelrote Ranke Wires Hand erreichte, schnitt sich dieser an einer der Dornen, sodass ein einzelner Blutstropfen auf das Tattoo herabfiel. Keine Sekunde später leuchtete die Dornenranke in einer noch viel kraftvolleren Farbe auf, blendete den Seekönig mit ihrem Licht und vertrieb ihn schließlich, bevor Eustass Captain Kid ihn mit dutzenden Schwertern hätte aufspießen können.   So entstand das unerschütterliche Band der Freundschaft zwischen Heat und Wire, durch eine Tätowierung, welche ihr Bündnis auf ewig symbolisieren sollte. Und Heats Herz fühlte sich fortan endlich vollständig, gefüllt mit der unersetzlichen Liebe zu seinem Bruder.       ~oO*Oo~       Doflamingos vor Wut bebender Körper, welcher noch immer in dunkelrote Schnüren eingewickelt war, wandte sich unkontrolliert auf dem Ufer aus weißem Sand hin und her. Sein verzerrter Schrei aus Frust und Zorn, schallte über das Land und Wasser der gesamten Dimension und ließ diese erschüttern. Woraufhin sich ein riesiger Riss über ihr aller Köpfen bildete und sich durch den nicht existierenden Himmel ausbreitete, das Bild von warnenden Polarlichtern ähnelnd.   Wie auch die letzte Illusion wollte der dunkle König die Welt mit seiner unermesslichen Macht zum Kollabieren bringen.   Wire, der sich nach mehreren ausgehusteten Luftzügen langsam erholte und wieder Farbe auf seine Gesichtszüge bekam, wandte sich an den Sukkubus. Sein sich klärender Verstand arbeitete sofort wieder.   „Wie kommen wir hier weg?“, fragte er sie in forderndem Ton, seine Stimme noch kratzig und heiser, und wartete ungeduldig auf ihre Antwort. Die junge Frau überlegte kurz angestrengt, bevor sie sich an die Worte erinnerte, welche sie einst im Sand der Insel eingraviert gelesen hatte: „`Von der Dunkelheit verschlungen, ertrunken im Meer, finden die Seelen ihre Freiheit.´“   Der Umhangträger warf ihr einen Blick zu, der an ihrem Verstand zweifelte, während sich der Untergrund zu den Füßen unserer Helden veränderte. Ungehalten schwebten die weißen Sandkörner in Richtung Himmel und wurden von dem Spalt zwischen den Dimensionen aufgesogen. Selbst das Wasser des dunklen Meeres bewegte sich unruhiger, einige große Wassertropfen bewegten sich ebenfalls auf den alles verschlingenden Riss zu.   Unseren Helden blieb nicht viel Zeit, sie mussten handeln.   „Alles klar“, nickte Shachi verstehend, seiner neuen Freundin all sein Vertrauen gebend. Und packte sich seine beiden Begleiter, je eine Hand von Heat und Wire greifend, bevor er ohne Zögern auf die schlagenden, schwarzen Wellen zuging.   „Scheiße, is' die Plörre arschkalt!“, beschwerte sich der Kälte-empfindliche Feuerspeier und schlang sich seine Arme um seinen bibbernden Oberkörper, während seine Zehenspitzen das Wasser berührten. „Da frier'n mir ja die Klöten ab-!“   „Jammere nicht, du wehleidige Triene! Niemanden interessiert dein fauliges Fallobst. Was, wenn meine zarte Haut einer schrumpeligen Rosine gleichen wird? Das wäre eine wahrhaftige Tragödie!“, argumentierte sein bester Freund klagend und band sich dabei seine schwarzen Haare zu einem kurzen Zopf. Bevor beide in eine Diskussion im Laufen verfielen, in der es darum ging, wer von ihnen beiden mehr unter dem kühlen Nass zu leiden hatte.   Als alle drei Piraten kniehoch im Wasser standen, warf Shachi der Frau einen traurigen Blick zu, weil sie selbst seelenruhig am Ufer stehen blieb. „Kommst du denn nicht mit uns mit?“, fragte er sie leise flüsternd, seine honigfarbenen Augen voller Schwermut. Ein Kopfschütteln wurde ihm als Antwort entgegengebracht.   „Ich-“, wollte Flämmchen ihnen erklären, dass sie das Trio nicht begleiten konnte, doch wurde sie von dem markerschütternden Knurren Doflamingos unterbrochen.   „Ihr Würmer bleibt hier!“, befahl er in einem Ton, der keine Wiederworte erlaubte, und riss sich mit all seiner Kraft von Heats Schnüren los, die daraufhin ein zerreißendes Geräusch von sich gaben. Zorniger denn je, pulsierten zwei große Wutadern auf seiner Stirn, seine Lippen zu einem wutzerfessenen Ausdruck verzogen, während er in seinen beiden offenen Handflächen seine scharfen Fäden heraufbeschwor.   Der Puppenspieler würde seine Opfer nicht entkommen lassen, niemals.   Der Sukkubus handelte ohne nachzudenken und gab dem zögernden Trio den entscheidenden Stoß ins Wasser. Ein dreifaches Platschen folgte, ehe die Piraten gleichzeitig wieder auftauchten. Shachi und Wire hielten sich an Heat fest, dem einzigen Schwimmer unter ihnen.   Drei Köpfe ragten nun über der Wasseroberfläche, drei Augenpaare zu ihr hinaufschauend.   „Lebt wohl“, flüsterte die junge Frau mit brüchiger Stimme, während sie ihren Kameraden einen Blick über ihre Schulter zuwarf. Das Bild des Trios unter ihren wässrigen Augen leicht verschwimmend. „Ihr... seid die ersten Freunde, die ich jemals hatte-“, versagten ihre zittrigen Lippen abermals, in ein leises Schluchzen übergehend. Dabei schloss sie ihre Augen. Dann lächelte sie, ohne Reue und ohne Bedauern.   „...Ich liebe euch.“   Es waren ihre letzten Worte, bevor sie auf den großen Mann im Federmantel losrannte. Es war der letzte Moment, vor ihrem endgültigen Abschied... Der letzte Atemzug ihres zweiten Lebens.   ...Wahre Helden sterben mit einem Lächeln...     Ihr Körper wurde von violetten Flammen umhüllt, als ihr Lebenslicht erlosch. Die letzten Glutfunken stiegen langsam tanzend den Himmel hinauf... ehe unzählige, weiße Flocken von ebendiesem auf die Erde hinab fielen: Der weiße Ascheregen der Trauer.   Letztlich war ihre geschundene Seele endlich frei.   Im gleichen Augenblick schwemmte eine Welle über die Köpfe der drei Piraten, sie in der unbeherrschten Strömung mitreißend und unter das schwarze Wasser ziehend. Wie in Zeitlupe sanken Shachi, Heat und Wire in die Schwärze hinab, keiner von ihnen sich dagegen wehrend. Ihre Hände vereint und niemals loslassend. Selbst die Angst vor dem Tod konnte sie nicht trennen.   Vorerst konnten sie ihren Verfolger abschütteln, doch war ein erneutes Treffen unvermeidlich, da sich der letzte Edelstein ihrer Reise in Doflamingos Besitz befand. Wann dieses stattfinden sollte, stand bislang noch in den Sternen.   Eines war jedoch Gewiss: `Tortuga´, das Grab der Piraten, hatte nicht nur Doflamingos Seele zurückgebracht... Und sollte seinem Namen schließlich gerecht werden.     Shachis stumme Tränen, die Wasser aufwärts perlten, wurden von dem Meer verschluckt, sowie ihr aller Luft mit jeder verstrichenen Sekunde weiter genommen wurde. Heat und Wire schlossen ebenfalls ihre Augen, die letzten Luftblasen zwischen ihren Mündern gen Oberfläche schwebend. Niemand von ihnen musste diesen entscheidenden Moment allein verbringen.   Das Trio ertrank wenige Augenblicke später friedlich und ohne Schmerz. Dieser illusionierte Ort wurde ihre Grabstätte.   Die Prophezeiung Tortugas hatte sich erfüllt. Alsbald sollten die Piraten jedoch in ihrer vollen Pracht wiedergeboren werden, wie ein Phönix aus der Asche steigend.   Mit einem Federkleid in den Farbtönen: Orangener Morgenröte, diamantblauem Firmament und haselnussbrauner Dämmerung.   Die Farben der neuen Hoffnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)