Alles auf Grün von somali77 ================================================================================ Kapitel 6: Alles auf Grün ------------------------- ~ „ ... Sometimes, when you fall you fly.“ -Neil Gaiman ~ Auf den Straßen war es langsam dunkler geworden. Das Licht des schwindenden Tages löste sich auf in farbverschluckender Schattentinte. Die Ketten aufgereihter Straßenlaternen glühten in zartem Rosa. Sie rannten und lachten, brachen durch Gestrüpp, überkletterten Mauern. Irgendwo vor dem leuchtenden Tokyo Tower in der Ferne trafen sich Kuroo und Terushima auf offener Straße wieder. »Alter, was für ein Schreck«, gluckste Terushima. »Ich dachte, mein Herz bleibt stehen!« »Sind sie uns gefolgt?« »Glaub´ nicht... shit, das waren Ausländer, oder...?« »Mädchen!«, Terushima rieb sich beide Hände durch sein Gesicht, »Ahh...! Sollten wir zurück und sie fragen, ob sie Hilfe brauchen? Die haben sich bestimmt total verirrt...« »Lass mal, Suga kümmert sich sicher.«, Kuroo gluckste, »Wo sind die Anderen? Noya war so schnell weg, hahah! Der hat fast nen Kondensstreifen hinter sich hergezogen!« »Glaube, die sind in die andere Richtung... Alter!«, Terushima ging schnaufend in die Knie, dann richtete er sich auf, streckte den Rücken und fuhr sich durchs Haar, um blonde Strähnen wieder nach hinten zu kämmen. Die meisten fielen auf halbem Weg wieder seitlich. »Oh mann.«, lachte er, »Meine Frisur ist total am Arsch! Du hast echt ganze Arbeit geleistet.« »Sieht gut aus.«, munterte Kuroo ihn sehr selbszufrieden auf, »Verwegen.« »Wohl eher Penner- mäßig!« »Verwegener Penner.« »Hahah!« Terushima schnaufte, dann erstarrte seine Miene ganz plötzlich: »Meine Sachen!«, stieß er hervor. »Chill mal, die sind hier...«, Kuroo hob eine dunkle Sporttasche. »Oh Gott! Alter-... du rettest mir echt das Leben! Danke, Mann! Ich bin einfach losgerannt und hab gar nicht mehr dran gedacht! Shit, das wär echt scheiße gewesen, hätte ich die noch mal suchen müssen!« »Kein Ding«, grinste Kuroo, »So bin ich... immer da für meine Schäfchen.« Er übergab das Gepäck. »Danke!« »Was ist da überhaupt alles drin?« »Naja, Übernachtungszeug ... Ich schlaf doch heute im Hostel.« »Ahh, stimmt ja.« »Acht- Mann- Schlafsaal!«, Terushima pumpte eine halbherzige Siegerfaust in die Luft, »Yay!« »Heh, das ist cool. Musst du auch mit der Bahn?« »Ja!« »Sollen wir noch zusammen ... zur Haltestelle ... ?« »Klar!« Sie gingen schweigend, Schulter an Schulter. Nachts war diese spezielle Gegend von Tokyo beinahe ausgestorben. Kaum Menschen fanden sich auf der Straße. »Ist das immer so?«, platzte Terushima schließlich heraus, »Spielt ihr dabei immer Volleyball?«, er ließ seine Schuhe am Boden schlurfen. Es war fast, als wollte er sich gegen die Vorwärtsbewegung stemmen. Noch nicht so schnell dort ankommen, wo ihre Wege sich trennten. »Nein, nicht immer«, Kuroo zuckte die Schultern, »Wenn Oikawa dabei ist, will er meistens nur ins Curry- House...« »Oh, wow. ... Warum?« »Tja, er ist ziemlich verbissen, und wenn er ein Spiel nicht gewinnt, kommt er gar nicht gut darauf klar... damit man aber für das andere locker sein kann, sollte man einigermaßen entspannt sein, also...« »Hm... was ist mit Ushijima?« Kuroo schüttelte den Kopf, »Der war noch nie dabei.« »Wirklich nicht? Warum?« »Keine Ahnung ... manche mögen das einfach nicht. Oder vielleicht hat sich auch nur noch keiner getraut, ihn drauf anzusprechen ... « Terushima grinste. »Was meinst du...?«, überlegte er, »Ist der eher Dom oder Sub?« »So funktioniert das nicht«, schmunzelte Kuroo. »Aber überleg doch mal! Interessiert dich das nicht? Er ist super kontrollfixiert, man könnte meinen, er würde eher Dom sein...« »Schon möglich. Allerdings sagt das, wie sich jemand im Alltag gibt, wenig aus über seine wirklichen Vorlieben.« »Auch wieder wahr...«, Terushima streckte sich seufzend. »Trefft ihr euch manchmal wo anders? ... Privater?« »Naja ... niemand hat eine eigene Wohnung. Die meisten haben auch noch Geschwister, oder zumindest Eltern ... Zimmer sind klein und hellhörig... das ist kompliziert. Und dann noch die 300 Kilometer jedes Mal, zwischen hier und Sendai... Man braucht was, das gut erreichbar ist, aber ausreichend ungestört ...« » ... Man will ja auch keine Leute traumatisieren.« »Richtig.« »Die das unfreiwillig mitkriegen...« »Das wäre schlecht. Was theoretisch noch geht, wären Unterkünfte. So was im Stil von Trainingscamps. Da ist man zwar auch nicht komplett alleine, aber immerhin relativ privat und ungestört ... ist aber gleich wieder teuer!« »Ja... Hm. Also, wenn wir mal gemeinsames Trainingscamp haben sollten... und es gibt zufällig dabei ein CAPTAIN´S Treffen...?« »Ist es vermutlich genau, was du denkst.«, grinste Kuroo. »Verdammt! Ich hab´s gewusst!« »Heh!« Terushima justierte den Riemen seiner Sporttasche über der Schulter. »Zu blöd, dass wir nirgendwo anders mehr hin können...« »Ja... du bist einfach zu Jung. Du Baby. Werd´ du mal achtzehn, dann geh´ ich vielleicht mit dir ins Hotel. Oder einundzwanzig, dann gehen wir noch wo was trinken.« »Zu doof... es wäre cool, wenn es so ein richtiges- ... hm, du weißt schon ... Spielzimmer gäbe? Das nur den Leuten vom Club gehört?« Kuroo prustete. »Es ist ein Running- Gag, dass Oikawa den Keller von seinen Eltern umbauen soll. Die haben ein extrem großes Haus.« »Zum »Hobbykeller«?« »Genau! Warte-...! Wer weiß ob das nicht schon längst passiert ist?« »Und er hält das nur geheim, weil er ihn ganz für sich will?« »Ooohh! Das würde passen... sein Vize bringt ihn schon auf dem Spielfeld und in der Umkleide öfter mal zurück auf Spur, und im Hobbykeller... da geht´s garantiert richtig rund.« »Hahah, oh Gott!« »Das war sicher auch der wahre Grund warum diese Deppen nicht da waren...! Ich schreib ihm und frag ihn mal, ob sie nicht doch das nächste Mal Gäste einladen wollen, wenn er mal wieder nicht kommen kann.« „Alter! Boah krass, der war jetzt echt versaut!“ „Ich weiß gar nicht, was du meinst...?“ „Ja, SICHER! Wissen deine Teammitglieder, wie pervers du eigentlich bist?« „Wissen es deine?“ „Touché... Pornohirn- Brüder!“ Sie teilten ein gleichgesinntes High- Five. Der Rest des Weges verlief Schweigend. „Ich muss in die andere Richtung“, verkündete Kuroo unten im U- Bahnhof, „Und meine Bahn kommt in sieben Minuten. Also verabschieden wir uns hier, und ich laufe schnell auf die andere Seite?“ „Ja... meine kommt in drei.“ „Cool... also dann?“, sie sahen sich an. Blickten verlegen von den Augen des Anderen abwärts zum Shirt, zu den Schuhen, wieder in die Augen. Terushima rieb sich wieder den Nacken. Auf seinem Unterarm war ganz leicht noch ein Abdruck von Seil zu sehen. „Uhm... ich bin echt froh, dich getroffen zu haben.“, meinte er. „Kann ich von mir auch behaupten“, lächelte Kuroo, „Vielleicht sehen wir uns zum nächsten Captain´s Club- Treffen? Morgen, oder... sonst wahrscheinlich erst wieder bei euch in Sendai oben...? Mal sehen, ob´s klappt.“ „Wahrscheinlich... heh! Ja, das wäre echt cool ... ! Perverse unter sich, und so?“ „Sagen wir: Alternativ- Genuss- positiv eingestellt.“ „Hah! Das gefällt mir! Du bist so verrückt, echt...!“ Die Luft zwischen ihnen verdichtete sich. In einem Vakuum stand die Zeit still. Kuroos Augen huschten von links nach rechts, dann plötzlich hob er die Hand, berührte mit dem gebogenen Zeigefinger Terushimas Kinn, hielt ihm so den Kopf ruhig und beugte sich vor. Seine Lippen streiften warm Yuujis Wange, zusammen mit einem Hauch von Atem. „Dann schlaf mal gut... Ball- Terrier“, flüsterte er. Ein letztes, verlegenes Lächeln, ein zärtliches Streicheln mit dem Daumen übers Kinn, fast scheu. Dann zwinkerte er, machte kehrt, und strebte mit langen Schritten dem Ausgang zu. Sekundenlang passierte gar nichts. Das Raum- Zeit- Vakuum um sie her hielt an. Aber plötzlich fuhr mit einem Ruck von Luft und Lärm die U- Bahn ein und zerriss den Moment von Magie. Die Welt drehte sich knirschend weiter. Terushima stand wie angewurzelt da und blinzelte. Über der Tür, durch die Kuroo verschwunden war, prangte das „Exit“- Schild. Aber es sah mehr aus wie ein Durchgang, und darauf war ein rennender Mann auf leuchtendem, grünem Grund. Terushima berührte gedankenverloren seine Lippen mit dem Daumen und dachte mit pochendem Herzschlag daran, dass „Grün“ nie mehr nur eine Farbe für ihn sein würde... Ab jetzt war es auch ein Gefühl. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)